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2005, Heft 12, S. 87–88 - PRuF

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MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang Mark Deiters - Der Fall »Kremendahl« als Lackmustest der §§ 331, 333 StGB Aufsätze<br />

§§ 331 Abs. 1, 333 Abs. 1 StGB gar nicht darum<br />

gegangen, einen Bereich strafwürdiger Korruption<br />

zu beschreiben, sondern Kompetenznormen<br />

zu schaffen, die es Staatsanwaltschaft und<br />

Gerichten ermöglichen, nach eigener Wertung<br />

strafwürdiges Verhalten effektiv zu bekämpfen.<br />

Die Entstehungsgeschichte der gegenwärtigen<br />

§§ 331, 333 StGB erhärtet diese Vermutung.<br />

Nach § 331 in der Fassung des RStGB von<br />

1871, die unverändert bis 1975 galt, machte sich<br />

ein Beamter im strafrechtlichen Sinne (heute:<br />

Amtsträger) nur dann wegen Vorteilsannahme<br />

strafbar, wenn er für eine (konkrete) an sich<br />

nicht pflichtwidrige Amtshandlung Geschenke<br />

oder Vorteile annahm, fordern oder sich versprechen<br />

ließ 41 . Unstreitig war von dieser gesetzlichen<br />

Regelung der Fall erfasst, dass Vorteil und<br />

Amtshandlung nach der Vorstellung der Beteiligten<br />

in einem synallagmatischen Bedingungsverhältnis<br />

zueinander standen, der Vorteil also<br />

deshalb gewährt wurde, damit der Amtsträger<br />

die Diensthandlung vornimmt (do, ut des) und<br />

sich infolgedessen nur auf künftige Diensthandlungen<br />

beziehen konnte 42 . Die Käuflichkeit<br />

staatlicher Entscheidungen erscheint bei dieser<br />

Sichtweise der Kern korruptiven Unrechts,<br />

wobei das Strafwürdige der durch den Tatbestand<br />

der Vorteilsannahme (früher: Geschenkannahme<br />

des Beamten) erfassten Kommerzialisierung<br />

auch pflichtgemäßer Handlungen<br />

darin gesehen wird, dass sie die Vorstufe zur<br />

Käuflichkeit rechtswidrigen Staatshandelns darstellt<br />

43 .<br />

41 Wortlaut § 331 StGB in der vor 1975 geltenden<br />

Fassung: »Ein Beamter, welcher für eine in sein Amt<br />

einschlagende, an sich nicht pflichtwidrige Handlung<br />

Geschenke oder andere Vorteile annimmt, fordert oder<br />

sich versprechen lässt, wird mit Geldstrafe oder mit<br />

Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten bestraft.«<br />

42 Binding, Lehrbuch Besonderer Teil, Neudruck der<br />

1. Aufl. Leipzig 1905, Aalen 1969, S. 727, 730; vgl.<br />

auch Frank, Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich,<br />

18. Aufl., 1931, § 331 Anm. III m.w.N.<br />

43 Binding, Lehrbuch Besonderer Teil, Neudruck der<br />

1. Aufl. Leipzig 1905, Aalen 1969, S. 731. § 331<br />

StGB Wer eine Vorverlagerung der Strafbarkeit ablehnt,<br />

wird das vom Tatbestand der Vorteilsannahme<br />

erfasste Verhalten deshalb prinzipiell als nicht strafwürdig<br />

ansehen; so etwa in neuerer Zeit Kargl, ZStW<br />

114 (2002), 763 (793). Der Tatbestand der Vorteilsannahme<br />

wurde freilich zugleich immer auch als<br />

Nach Auffassung des Reichsgerichts 44 und der<br />

ihr folgenden herrschenden Lehre 45 reichte<br />

allerdings schon für die Verwirklichung des<br />

§ 331 in der Fassung des RStGB von 1871 aus,<br />

dass der Vorteil als Belohnung für eine bereits<br />

vorgenommene Diensthandlung gewährt wurde<br />

(do, quia dedisti). In der insoweit grundlegenden<br />

Entscheidung des Reichsgerichts vom<br />

9.<strong>12</strong>.1929 46 findet sich eine Erklärung dieser von<br />

der Voraussetzung des synallagmatischen Bedingungsverhältnisses<br />

Abstand nehmenden Deutung,<br />

die ihre kriminalpolitische Zielrichtung<br />

deutlich macht. Wörtlich meint das Reichsgericht:<br />

» ... wird das Geschenk erst nach Vornahme<br />

der Amtshandlung gegeben, so ist<br />

vielfach zwar zu vermuten, aber schwer nachzuweisen,<br />

daß es vorher zugesagt oder erwartet und<br />

deshalb für die Vornahme der Diensthandlung<br />

bestimmend war« 47 . Es müsse aber – so das<br />

Gericht in Anlehnung an eine Formulierung<br />

Feuerbachs – vermieden werden, dass das<br />

Erlaubte dem Verbotenen zur Maske diene 48 .<br />

Der Verzicht auf das Erfordernis eines synallagmatischen<br />

Bedingungsverhältnisses zwischen<br />

Vorteil und Diensthandlung in der Fallgruppe<br />

des »do, quia dedisti« war damit nicht dem Ziel<br />

einer möglichst präzisen Beschreibung strafwürdigen<br />

Unrechts, sondern der Beweiserleichterung<br />

geschuldet.<br />

Diese Zielvorgabe prägt bis heute das Korruptionsstrafrecht.<br />

1975 vollzog der Gesetzgeber<br />

hinsichtlich des Tatbestandes der Vorteilsannahme<br />

zunächst das nach, was angesichts der<br />

Rechtsprechung des Reichsgerichts bereits vorher<br />

praktiziertes Recht war: § 331 in der<br />

Fassung des EGStGB von 1975 erfasste dementsprechend<br />

auch ausdrücklich den Fall, dass der<br />

»Reserve des § 332« angesehen (Binding a.a.O.), die<br />

eine Bestrafung auch solcher Fälle ermöglicht, in<br />

denen die Bestechung nicht erweislich ist. Zur Ablehnung<br />

solcher Erwägungen sogleich im Text.<br />

44 RGSt 2, <strong>12</strong>9; RGSt 63, 367.<br />

45 Siehe LK 9 -Baldus, § 331 Rn. 22 m.w.N.<br />

46 RGSt 63, 367: ebenso bereits RGSt 2, <strong>12</strong>9, dort<br />

allerdings nicht entscheidungserheblich.<br />

47 RGSt 63, 367 (370), Hervorhebung durch Verf.<br />

48 RGSt a.a.O. Wörtlich lautete der Ausspruch Feuerbachs:<br />

»Von dem Wenigen geht ferner der Weg zum<br />

Vielen, und das Erlaubte dient dem Verbotenen zur<br />

Maske«.<br />

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