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2005, Heft 12, S. 87–88 - PRuF

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Aufsätze Ulrich v. Alemann/Thelse Godewerth - Die Parteiorganisation der SPD MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang<br />

6. Kampagnenfähigkeit<br />

Die politische Kommunikation hat sich aufgrund<br />

des breiten Kommunikationsspektrums und des<br />

gestiegenen Einflusses der Medien auf den politischen<br />

Prozess zur permanenten Kampagne<br />

entwickelt. Grundlegende politische Botschaften<br />

werden nicht mehr allein in Wahlkampfphasen<br />

vermittelt, sondern es werden auch darüber hinaus<br />

permanent Themen gesetzt, reguliert und akzentuiert<br />

(Th. Leif 2002: 144). Damit wird Kampagnenfähigkeit<br />

zu einem dauerhaft wichtigen<br />

Thema für die Profilbildung und für den dauerhaften<br />

Erfolg politischer Parteien – trotz einer<br />

Reihe nicht plan- und steuerbarer Trends wie<br />

Wachstumsraten, gesellschaftlicher Stimmungen<br />

und unvorhersehbarer Großereignisse.<br />

Nach der Wahlniederlage bei der Bundestagswahl<br />

1990 stand die SPD vor der Aufgabe, ihre<br />

Kampagenfähigkeit zu überprüfen und neu zu<br />

organisieren. Es bestand innerparteilich kein<br />

Zweifel darüber, dass die Partei Anfang der 90er<br />

Jahre inhaltlich wie regional nicht mehr kampagnenfähig<br />

war (K. Blessing 2001: 90). Bereits<br />

vor dem Start der umfassenden Parteireform im<br />

Jahr 2000 machte die SPD mit der KAMPA, ihrer<br />

Wahlkampfzentrale im Bundestagswahlkampf<br />

1998, auf sich aufmerksam. Sie stellte<br />

eine bis dato in Deutschland noch nicht gekannte<br />

Form der Wahlkampfführung dar. Schon 1997<br />

wurde die Entscheidung getroffen, die Wahlkampftruppe<br />

aus dem Parteihaus in eine Kampagnenzentrale<br />

auszulagern. „Das Signal an die<br />

Öffentlichkeit lautet: Wir lösen uns aus dem alten<br />

Trott, wir sind bereit. Den Medien, insbesondere<br />

den elektronischen, wurde ein Objekt der<br />

Begierde angeboten“ (M. Ristau 1998: 7). Die<br />

Leitung der Kampagne hatte Franz Müntefering<br />

als Bundesgeschäftsführer inne. Zum engsten<br />

Führungskreis gehörten Matthias Machnig und<br />

Bodo Hombach. 70 Mitarbeiter aus der Partei,<br />

aber auch Experten aus Werbung, Marketing,<br />

Mediaplanung und Meinungsforschung mischten<br />

mit. Vorbild für die KAMPA war nicht nur die<br />

USA, auch von anderen europäischen Parteien<br />

wurden Konzepte übernommen. Beispielsweise<br />

wurde die „Aktion 32 Wahlkreise“, in der mit<br />

besonderem Aufwand 32 knappe Direktmandate<br />

<strong>12</strong><br />

gewonnen werden sollten, nach dem Vorbild der<br />

„marginal seats“ in britischen Kampagnen<br />

konzipiert. Tatsächlich hat die SPD 26 dieser<br />

Wahlkreise bei der Bundestagswahl im September<br />

1998 gewonnen.<br />

Die Zusammenfassung aller Arbeitsfelder unter<br />

einem Dach wurde als erfolgreiches Mittel der<br />

modernen Kampagnenführung angesehen. Ob<br />

die KAMPA allerdings ein Instrument darstellt,<br />

mit dem sich dauerhaft deutliche Wahlerfolge<br />

erzielen lassen und das mögliche Defizite in der<br />

Organisationsentwicklung der Partei kompensiert,<br />

wurde schon 1998 bezweifelt (Th. Leif<br />

2002: 145, U. von Alemann 2003).<br />

Für die SPD führte auch nach dem gewonnen<br />

Bundestagswahlkampf 1998 die strukturelle Behandlung<br />

der Kampagnenfähigkeit zur Frage, ob<br />

die Partei mit Blick in die nächsten Jahre alle<br />

Kompetenzen besitzt, die gesellschaftlich relevanten<br />

Themen umfassend zu erörtern und<br />

gleichzeitig über einen qualifizierten Personenkreis<br />

medienwirksam zu vertreten. Aufgrund<br />

verschiedener Rahmenbedingungen konnte diese<br />

Frage Ende der 90er Jahre nicht durchgängig bejaht<br />

werden.<br />

Die Altersstruktur der SPD wies ein Übergewicht<br />

der über 60jährigen Mitglieder gegenüber<br />

den jünger als 35 Jahre alten Aktiven auf. Das<br />

Stammwählerpotential war im Vergleich zu früher<br />

zurückgegangen, mit dem Ergebnis, dass<br />

gegenwärtig etwa 75 Prozent bis 80 Prozent der<br />

Wähler keine stabile Bindewirkung empfinden –<br />

ein Ergebnis, das im Übrigen für die CDU in<br />

gleichem Maße zutraf. Neben diesen direkt<br />

parteibezogenen Faktoren führen veränderte Bedingungen<br />

der Mediengesellschaft ebenfalls zu<br />

neuen Herausforderungen an die Kampagnenfähigkeit<br />

einer Partei (vgl. U. von Alemann 1997,<br />

sowie U. von Alemann/ S. Marschall 2002). Medien<br />

und Themen haben an Vielfalt deutlich<br />

zugenommen und das Interesse der Menschen an<br />

der Art und Weise der Berichterstattung hat sich<br />

von der Information hin zur Unterhaltung gewandelt.<br />

Hinzu kommt ein wachsendes Desinteresse<br />

der Bevölkerung an der Politik, was<br />

dazu führt, dass nur noch eine Minderheit der<br />

Wahlberechtigten über das politische Tagesge­

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