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Aufsätze Ulrich v. Alemann/Thelse Godewerth - Die Parteiorganisation der SPD MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang<br />
6. Kampagnenfähigkeit<br />
Die politische Kommunikation hat sich aufgrund<br />
des breiten Kommunikationsspektrums und des<br />
gestiegenen Einflusses der Medien auf den politischen<br />
Prozess zur permanenten Kampagne<br />
entwickelt. Grundlegende politische Botschaften<br />
werden nicht mehr allein in Wahlkampfphasen<br />
vermittelt, sondern es werden auch darüber hinaus<br />
permanent Themen gesetzt, reguliert und akzentuiert<br />
(Th. Leif 2002: 144). Damit wird Kampagnenfähigkeit<br />
zu einem dauerhaft wichtigen<br />
Thema für die Profilbildung und für den dauerhaften<br />
Erfolg politischer Parteien – trotz einer<br />
Reihe nicht plan- und steuerbarer Trends wie<br />
Wachstumsraten, gesellschaftlicher Stimmungen<br />
und unvorhersehbarer Großereignisse.<br />
Nach der Wahlniederlage bei der Bundestagswahl<br />
1990 stand die SPD vor der Aufgabe, ihre<br />
Kampagenfähigkeit zu überprüfen und neu zu<br />
organisieren. Es bestand innerparteilich kein<br />
Zweifel darüber, dass die Partei Anfang der 90er<br />
Jahre inhaltlich wie regional nicht mehr kampagnenfähig<br />
war (K. Blessing 2001: 90). Bereits<br />
vor dem Start der umfassenden Parteireform im<br />
Jahr 2000 machte die SPD mit der KAMPA, ihrer<br />
Wahlkampfzentrale im Bundestagswahlkampf<br />
1998, auf sich aufmerksam. Sie stellte<br />
eine bis dato in Deutschland noch nicht gekannte<br />
Form der Wahlkampfführung dar. Schon 1997<br />
wurde die Entscheidung getroffen, die Wahlkampftruppe<br />
aus dem Parteihaus in eine Kampagnenzentrale<br />
auszulagern. „Das Signal an die<br />
Öffentlichkeit lautet: Wir lösen uns aus dem alten<br />
Trott, wir sind bereit. Den Medien, insbesondere<br />
den elektronischen, wurde ein Objekt der<br />
Begierde angeboten“ (M. Ristau 1998: 7). Die<br />
Leitung der Kampagne hatte Franz Müntefering<br />
als Bundesgeschäftsführer inne. Zum engsten<br />
Führungskreis gehörten Matthias Machnig und<br />
Bodo Hombach. 70 Mitarbeiter aus der Partei,<br />
aber auch Experten aus Werbung, Marketing,<br />
Mediaplanung und Meinungsforschung mischten<br />
mit. Vorbild für die KAMPA war nicht nur die<br />
USA, auch von anderen europäischen Parteien<br />
wurden Konzepte übernommen. Beispielsweise<br />
wurde die „Aktion 32 Wahlkreise“, in der mit<br />
besonderem Aufwand 32 knappe Direktmandate<br />
<strong>12</strong><br />
gewonnen werden sollten, nach dem Vorbild der<br />
„marginal seats“ in britischen Kampagnen<br />
konzipiert. Tatsächlich hat die SPD 26 dieser<br />
Wahlkreise bei der Bundestagswahl im September<br />
1998 gewonnen.<br />
Die Zusammenfassung aller Arbeitsfelder unter<br />
einem Dach wurde als erfolgreiches Mittel der<br />
modernen Kampagnenführung angesehen. Ob<br />
die KAMPA allerdings ein Instrument darstellt,<br />
mit dem sich dauerhaft deutliche Wahlerfolge<br />
erzielen lassen und das mögliche Defizite in der<br />
Organisationsentwicklung der Partei kompensiert,<br />
wurde schon 1998 bezweifelt (Th. Leif<br />
2002: 145, U. von Alemann 2003).<br />
Für die SPD führte auch nach dem gewonnen<br />
Bundestagswahlkampf 1998 die strukturelle Behandlung<br />
der Kampagnenfähigkeit zur Frage, ob<br />
die Partei mit Blick in die nächsten Jahre alle<br />
Kompetenzen besitzt, die gesellschaftlich relevanten<br />
Themen umfassend zu erörtern und<br />
gleichzeitig über einen qualifizierten Personenkreis<br />
medienwirksam zu vertreten. Aufgrund<br />
verschiedener Rahmenbedingungen konnte diese<br />
Frage Ende der 90er Jahre nicht durchgängig bejaht<br />
werden.<br />
Die Altersstruktur der SPD wies ein Übergewicht<br />
der über 60jährigen Mitglieder gegenüber<br />
den jünger als 35 Jahre alten Aktiven auf. Das<br />
Stammwählerpotential war im Vergleich zu früher<br />
zurückgegangen, mit dem Ergebnis, dass<br />
gegenwärtig etwa 75 Prozent bis 80 Prozent der<br />
Wähler keine stabile Bindewirkung empfinden –<br />
ein Ergebnis, das im Übrigen für die CDU in<br />
gleichem Maße zutraf. Neben diesen direkt<br />
parteibezogenen Faktoren führen veränderte Bedingungen<br />
der Mediengesellschaft ebenfalls zu<br />
neuen Herausforderungen an die Kampagnenfähigkeit<br />
einer Partei (vgl. U. von Alemann 1997,<br />
sowie U. von Alemann/ S. Marschall 2002). Medien<br />
und Themen haben an Vielfalt deutlich<br />
zugenommen und das Interesse der Menschen an<br />
der Art und Weise der Berichterstattung hat sich<br />
von der Information hin zur Unterhaltung gewandelt.<br />
Hinzu kommt ein wachsendes Desinteresse<br />
der Bevölkerung an der Politik, was<br />
dazu führt, dass nur noch eine Minderheit der<br />
Wahlberechtigten über das politische Tagesge