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MIP 2004/<strong>2005</strong> <strong>12</strong>. Jahrgang Ulrich v. Alemann/Thelse Godewerth – Die Parteiorganisation der SPD Aufsätze<br />
Traditionssozis mit Ballonmütze und Post-<br />
Achtundsechzigern im öffentlichen Dienst“ (O.<br />
Rühmeier 2004: 1). Damit steht die SPD für die<br />
unmodern wirkenden 70er und 80er Jahre. Ein<br />
Vergleich der Alterstruktur der SPD-Mitglieder<br />
mit der deutschen Wohnbevölkerung macht<br />
deutlich, dass ein großes Repräsentationsdefizit<br />
in der Altersgruppe bis 30 Jahre vorhanden ist<br />
(SPD 4,4 Prozent/Bevölkerung 15,2 Prozent),<br />
aber gleichzeitig eine Überrepräsentation der<br />
über 60jährigen vorliegt (SPD: 38,0 Prozent/Bevölkerung<br />
25,1 Prozent). Sicherlich wird auch<br />
die Bevölkerung in Deutschland immer älter,<br />
aber die Zahlen unterstreichen, dass die SPD ihren<br />
Kontakt in die Gesellschaft verliert. Damit<br />
ist eben jener aus Linkage theoretischer Sicht<br />
gemeinter nunmehr gestörter Kommunikationsprozess<br />
zwischen Partei und Gesellschaft bezeichnet,<br />
der den Informationsaustausch zwischen<br />
beiden Gruppen sicherstellen soll.<br />
Weniger Mitglieder - und vor allen Dingen die<br />
in den jungen Altersgruppen - bedeutet auch begrenzte<br />
Information über diesen Teil der Bevölkerung.<br />
Dabei besteht die Gefahr, dass die<br />
Partei sich zwar nach innen organisiert, aber ihre<br />
eigentlich unabdingbare Offenheit für die<br />
Gesellschaft verliert und sich somit substanziell<br />
von ihr entfremdet. Der Partei fehlen authentische<br />
Kenntnisse und aufschlussreiche Einblicke<br />
mit Gegenwartsbezug. Diese Tendenz bedeutet<br />
gleichzeitig natürlich auch die Unmöglichkeit,<br />
sich für neue junge Mitglieder<br />
attraktiv und glaubwürdig darzustellen. Damit<br />
befindet sich die SPD in einem Teufelskreis<br />
zwischen überalternden Parteimitgliedern, die<br />
den Parteieintritt unattraktiv gestalten, was einen<br />
ausbleibenden Nachwuchs der Mitglieder zur<br />
Folge hat und den immer weiter schrumpfenden<br />
Anteil der Jungmitglieder bedingt.<br />
Wie bereits beschrieben zeigt die SPD nur leichte<br />
und zaghafte Ansätze bei der Öffnung der<br />
Parteistrukturen, um das Problem anzugehen.<br />
Auf dem Reformparteitag 1993 hatte man zwar<br />
beschlossen, die Partei auch für Seiteneinsteiger<br />
zu öffnen. Unter dem Motto „zehn von außen“<br />
wurden in der Bundestagsfraktion zehn Personen,<br />
die bisher nicht aktive SPD Mitglieder<br />
waren, tätig. Unter dem zweiten Motto „30 unter<br />
40“ sollten seit der Bundestagswahl 2002 30<br />
Abgeordnete der SPD unter 40 Jahren sein.<br />
In diesem Zusammenhang ist auch das „Netzwerk<br />
Berlin“ zu nennen. Diese Gruppe besteht<br />
aus etwa 45 jungen und pragmatischen SPD-<br />
Abgeordneten und Landespolitikern. Zu den bekanntesten<br />
Bundestagsabgeordneten gehören<br />
Kurt Bodewig, Hans Martin Bury und Ute Vogt.<br />
Zu den prominentesten Landespolitikern zählen<br />
Sigmar Gabriel und Matthias Platzeck. Das<br />
Netzwerk formierte sich 1999 als Gruppe junger<br />
Abgeordneter aus der SPD-Fraktion. Man sieht<br />
das Netzwerk als Plattform und „Motor der Erneuerung“.<br />
Die „Netzwerker“ sehen sich als<br />
nächste Führungsgeneration der SPD und bezeichnen<br />
sich bewusst als die „Nach 68er-Generation“.<br />
Als Sprachrohr gibt die Gruppe seit<br />
1999 die Zeitschrift „Berliner Republik“ heraus,<br />
in der beachtliche Diskussionen geführt werden.<br />
Ob diese Initiativen aber ausreichen, um die Rekrutierungskompetenz<br />
der Partei nachhaltig und<br />
langfristig zu verbessern, bleibt fraglich.<br />
Die SPD als auch ihre Jugendorganisation<br />
finden keine adäquate Form der Ansprache von<br />
jungen Menschen. Damit verwehrt sich die Sozialdemokratie<br />
einer erfolgreichen Rekrutierung<br />
und Herausbildung von Nachwuchs, sodass weiterhin<br />
noch die Kultur der 68er Generation dominiert.<br />
Diese Überalterung der Partei hat den<br />
Effekt, dass die Partei von den gegenwärtigen<br />
Lebens- und Denkstilen abgeschnitten und nicht<br />
mehr ausreichend informiert wird. Damit verliert<br />
sie den Anschluss an Wissen und Erfahrungsbestände<br />
über die gesellschaftlichen Einstellungen<br />
und Lebenshaltungen.<br />
Die Verjüngung ist für die SPD nichts Geringeres<br />
als die Frage ihrer Existenzfähigkeit. Dabei<br />
reicht es nicht aus, die grundsätzliche Programmatik<br />
zu diskutieren und leichte<br />
Änderungen vorzunehmen. Die SPD muss, wie<br />
die anderen Parteien auch, die jungen Menschen<br />
in der Gesellschaft erreichen. Sie muss gesellschaftliche<br />
Trends rechtzeitig erkennen und<br />
analysieren und in nachvollziehbares Handeln<br />
umsetzen.<br />
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