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Heft 2 Zeitschrift des Heimatkundekreises Nov. 88

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Zahlreiche Menschen lebten in ärmlichsten Verhältnissen. Oft reichte es gerade für das<br />

Lebensnotwendigste. Bettler waren daher zu dieser Zeit keine Seltenheit. Wer betteln<br />

mußte, tat dies aber nicht in der eigenen Gemeinde. Welche Probleme für die Betroffenen,<br />

aber auch für die Behörden damit verbunden waren, illustriert folgende Zeitungsnotiz im<br />

«Vorarlberger Tagblatt» vom 27. Jänner 1933:<br />

Gertrud Feldmann weiß darüber auch noch etwas:<br />

Die Wolfurter haben nicht in Wolfurt gebettelt, es waren meistens Fremde. Wenn man bettelte,<br />

hat man nicht in der eigenen Gemeinde gebettelt. Arme Leute hat es sicher viele gegeben,<br />

ob sie betteln gegangen sind, weiß ich nicht mehr. Wenn jemand gestorben ist,<br />

mußte man dies im Ort «ansagen». An eine Person kann ich mich erinnern, die diese<br />

Arbeit sehr gerne gemacht hat, dafür hat er ein paar Groschen (10 oder manchmal 20 Groschen)<br />

erhalten. Wenn diese Leute Hunger hatten, gab man ihnen manchmal auf der Stiege<br />

einen Teller voll Suppe, wir hatten hiefür extra einen «Bettlerlöffel», den man nur zu<br />

diesen Zwecken verwendete.<br />

Tragende Kraft in der Familie war die Frau. Sie war für die Erziehung verantwortlich,<br />

arbeitete im Stall und auf dem Feld und besorgte überdies den Haushalt.<br />

Martin Schwärzler berichtet darüber:<br />

Früher waren ganz andere Zustände als heute. Da mußte eine Frau bei der Familie sein,<br />

man hatte mehr Kinder und kannte die Pille nicht. Man predigte schon von der Kanzel<br />

Kinder, Kinder, Kinder. . . Und so hatte die Frau in der Familie Arbeit genug. Nebenher<br />

hatte man eine kleine Landwirtschaft und die Frauen mußten dort auch mithelfen. Sie<br />

mußten im Frühjahr Ackerarbeiten erledigen, im Sommer mußte sie heuen, man mußte<br />

überall dabei sein. Daß Frauen irgendwo arbeiten gehen, hat man nicht gekannt, da hätte<br />

man aber auch mit Fingern auf sie gezeigt.<br />

Hilde Moosmann weiß noch, wie es bei ihrer Taufpatin war:<br />

Unsere Gota hatte auch 6 Kinder, man hatte 2 «Schwänz» (Kühe) im Stall, der Mann war<br />

Schmied und sie mußte, die ganze Kinderarbeit, Stallarbeit, Feldarbeit machen; alles hat<br />

die Frau gemacht.<br />

6. NACH DEM ANSCHLUSS<br />

Bei Durchsicht der Quellen (z.B. <strong>des</strong> Gemeindeblattes) fällt auf, daß die NS-Ortsgruppe<br />

von Wolfurt im Vergleich mit anderen, vor allem in den ersten Monaten nach dem Anschluß<br />

an Hitler-Deutschland (13. März 1938), im Ton zurückhaltender war.<br />

50<br />

Dies bringt auch nachfolgender Eintrag von 1. Juli 1938 im Protokollbuch der Gemeindevertretung<br />

von NS-Bürgermeister Theodor Rohner zum Ausdruck:<br />

Aus dem Protokoll-Buch<br />

der Wolfurter Gemeindevertretung<br />

Trotzdem haben dann aber viele die Unterdrückung, die von der NS-Ortsgruppe mitgetragen<br />

und auch häufig ausgegangen ist, am eigenen Leib zu spüren bekommen. Alle von<br />

uns befragten Personen haben von Repressalien ihnen oder anderen Familienmitgliedern<br />

gegenüber berichtet: Verpflichtung zum Arbeitsdienst, Androhung der Schulentlassung,<br />

keine Aufträge an Gewerbe- und Industriebetriebe, Versetzung von Lehrpersonen, «Degradierung»<br />

von Schulleitern, Repressalien am Arbeitsplatz, zwangsweise Wohnungsvergabe,<br />

Entzug der Familienbeihilfe u. a. m.<br />

Allerdings, und dies stand anfangs für viele noch im Vordergrund, war das Gespenst der<br />

Arbeitslosigkeit praktisch von einem auf den anderen Tag verschwunden.<br />

51

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