Heft 2 Zeitschrift des Heimatkundekreises Nov. 88
Heft 2 Zeitschrift des Heimatkundekreises Nov. 88
Heft 2 Zeitschrift des Heimatkundekreises Nov. 88
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Martin Schwärzler war damals auch dabei:<br />
Dann ist mit dem Bau der Bucherstraße begonnen worden. Man teilte dem Arbeitsamt<br />
mit, daß man in der Bucherstraße arbeiten könne, aber nur um 50 Groschen pro Stunde<br />
plus Mittagessen. Ichdachtemir, es sei besser diese Arbeit zu machen, als ewig arbeitslos<br />
zu sein und zu faulenzen und so war eine ganze Partie Professionisten bei diesem Bau.<br />
Dabei war eine Partie vom Bauherrn und eine aus Wolfurt. Man mußte auch Sprengarbeiten<br />
für 3 Tunnels durchführen und so habe ich meine arbeitslose Zeit überbrückt. Man<br />
hat dann auch Karten gespielt. Geld hatte man keines, sondern um Türkenkerne gejaßt.<br />
Das wenige Arbeitslosengeld mußte man zuhause abgeben und man war froh, wenn man<br />
alle Tage halbwegs etwas zum Essen bekam.<br />
Auch die politische Einstellung scheint hin und wieder dafür ausschlaggebend gewesen<br />
zu sein, ob jemand einen Arbeitsplatz bekommen hat oder nicht.<br />
Der landwirtschaftliche Nebenerwerb mit ein bis zwei Kühen war häufig existentielle<br />
Grundlage für die Versorgung der Familie. Davon berichtet Gertrud Feldmann:<br />
Wir hatten 2 Kühe, manchmal auch eine Stellkuh dazu (Bildsteiner Bauern hatten im Winter<br />
zu wenig Heu und <strong>des</strong>halb konnten wir »Stella» bei uns füttern und dafür die Milch und<br />
das Kalb behalten). Eine Kuh gab ca. 20 1 Milch täglich. Diese Kuh hat während unserer<br />
Jugendzeit und der Arbeitslosigkeit unseres Vaters das Leben erhalten. Sie war unsere<br />
Grundlage zum Leben: einige Liter Milch hat man abgeliefert, dafür erhielt man etwas<br />
Butter und ein paar Schilling von der Sennerei, dies war unser Hauptverdienst, von einer<br />
einzigen Kuh.<br />
Erst der Anschluß an das Deutsche Reich brachte dann ein Ende der permanenten Arbeitsmarktprobleme.<br />
Die Frage nach den Gründen für den plötzlichen Wiederaufschwung<br />
war zweitrangig; nach den Bedingungen, unter denen gearbeitet wurde und für<br />
welche Zwecke wurde nicht gefragt.<br />
4 INFORMATION UND POLITIK<br />
Die von uns befragten Personen konnten sich sehr wohl noch daran erinnern, daß in der<br />
Familie auch wenigstens eine Zeitung gelesen wurde. (Siehe Seite 43).<br />
Neben dem Gemeindeblatt, das Berichte aus den Gemein<strong>des</strong>tuben, allgemeine Inserate,<br />
spezielle Annoncen vor allem für Landwirte und Veranstaltungsankündigungen der verschiedenen<br />
örtlichen Vereine enthielt, waren es auch Blätter religiösen Inhalts, die in den<br />
Haushalten anzutreffen waren.<br />
Radioempfänger waren nur in wenigen Haushalten als Informationsquelle vorhanden,<br />
am ehesten in Kreisen der Liberalen.<br />
Auf konkret angesprochene politische Ereignisse werden von den Interviewten drei sehr<br />
stark und emotional hervorgehoben:<br />
die «Tausend-Mark-Sperre»,<br />
das Dollfuß-Attentat und<br />
die zunehmende NS-Bewegung.<br />
Obwohl Wolfurt damals — wie auch heute — keine bedeutsame Fremdenverkehrsgemeinde<br />
war, wurde die durch Hitler-Deutschland am 27. Mai 1933 über Österreich<br />
verhängte sogennante «Tausend-Mark-Sperre» als aggressiver Akt gegen Östereich<br />
empfunden, der einen wichtigen wirtschaftlichen Lebensnerv, nämlich den Fremdenverkehr,<br />
traf.<br />
42<br />
43