Heft 2 Zeitschrift des Heimatkundekreises Nov. 88
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Zurück zum Haberanbau. Während im Unterland fast überall Vesen das Hauptgetreide<br />
für das tägliche Brot war, bildete das konservative Hofsteig eine Ausnahme. Hier stand<br />
Haber an der ersten Stelle.<br />
Von 1447 steht im Mehrerauer Zehentbuch aufgeschrieben: «acht malter haber und vier<br />
malter vesen, alles Bregentzer meß, nämlich in dem dorffe zuo Wolfurt.» Ein ähnliches<br />
Verhältnis gilt vom hofsteigischen Schwarzach, das 1603 nördlich <strong>des</strong> Flusses 33 Viertel<br />
Haber und nur 11 Viertel Vesen abführte, während der Zehent an die Emser Grafen in dem<br />
zu Dornbirn gehörigen südlichen Teil umgekehrt zu 8 Viertel Haber 32 Viertel Vesen<br />
betrug. (2/206)<br />
Auch als in Wolfurt um 1870 der Türken zum Hauptgetreide geworden war, so daß «Stopfar»<br />
und «Hafoloab» nicht mehr aus Vesenmehl, sondern aus Türkenmehl und Türkengrieß<br />
gekocht wurden, gab es am Morgen noch ab und zu ein Habermus, «. . . dann ist<br />
man auf den ganzen Tag gefüttert.» (16/156)<br />
Noch 1938 kochte uns unsere alte Großtante Karolina manchmal ein dickes Habermus<br />
oder einen Haberstopfer, sonst galt damals Hafer eigentlich nur als Pferdefutter.<br />
Als 1<strong>88</strong>8 Pfarrer Kneipp in Wörishofen den Bohnenkaffee verdammte und Malzkaffee<br />
empfahl, begann Plaze Gunz in Rickenbach für die allerorts entstehenden Kneippvereine<br />
Hafer zu Malz zu rösten. Die erste Malzrösterei Vorarlbergs war ein gutes Geschäft, bis<br />
sie nach fünf Jahren der Konkurrenz von Kathreiners Malzkaffee unterlag. Aber noch<br />
einige Zeit wurden Hafer als Farbmalz für dunkles Bier und sogar Roggen als Kaffee-<br />
Ersatz für die Kneippianer geröstet. Den Rauch roch man bis Schwarzach. (16/429, 434<br />
u. 521)<br />
5. Roggen wurde bis ins 18. Jhdt. im Unterland noch fast gar nicht angebaut, im Oberland<br />
meist nur als Halbkorn mit Weizen vermischt. Auch im 19. Jhdt. blieb der Roggenanbau<br />
im Land unter 10 % der Getreidefläche. Erst der Getreide-Import mit der Arlbergbahn<br />
machte um das Jahr 1900 das billige Schwarzbrot zum täglichen Brot. Der Müller Gunz<br />
berichtet im Jahre 1895 vom billigen Importgetreide, daß 100 kg bester Weizen franko<br />
Schwarzacher Bahnhof nur noch 9 bis 12 Gulden (samt Sack) kostete, Roggen gar nur 6.50<br />
bis 8 Gulden und Türken sogar nur 5.50 Gulden (16/346).<br />
6. Gerste wurde ursprünglich wie Weizen auch nur im Oberland angebaut, vor allem im<br />
Montafon. Weit verbreitet war im Oberland die «Mengfrucht», eine Mischung von Gerste<br />
und Hafer, auch «Mischelkorn» oder «Rauchkorn» (= rauhes Korn) genannt. Sehr spät<br />
wurde in den Hanglagen im Unterland etwas Gerste angebaut. So meldete Streußberg im<br />
Hungerjahr 1817 die Ernte von 90 Vierteln Gerste. Das waren aber nur 2 % der Getreideernte,<br />
die damals ja noch fast zur Gänze aus Hafer bestand.<br />
Ob der Adlerwirt J. Gg. Fischer, der von 1874 bis 1906 in Rickenbach in seiner Waschküche<br />
das erste Bier für die Wolfurter braute, dazu eigene Gerste röstete oder Malz kaufte,<br />
konnte ich nicht mehr feststellen.<br />
Die Gunz-Mühle hatte ihre Gersten-Stampfe schon 1852 eingehen lassen, in der Holz-<br />
Mühle konnte man noch bis 1920 seine Gerste «rollen» lassen. Dabei wurde sie von den<br />
Hüllspelzen befreit, so daß man daraus mit Bohnen und rußigem Speckdie in Wolfurt noch<br />
heute so beliebte «Kichoro»-Suppe zubereiten konnte.<br />
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7. Hirse läßt sich als Getreide zwar schon in den Pfahlbauten nachweisen und wurde auch<br />
im Mittelalter im ganzen Land angebaut, aber niemals in den Getreide-Eschen, sondern<br />
nur wie Hanf, Flachs und Rüben am Rand der Flur in kleinen «Ländern», also eingezäunten<br />
Gärten.<br />
Daher war Hirse auch nicht Großzehent-pflichtig, sondern wurde mit dem Kleinzehent<br />
besteuert, der meist in bar bezahlt werden konnte. Aus Hirse kochte man Hirsebrei, nur<br />
ganz selten backte man Brot daraus. Es gab Rispenhirse «Hirsch» und Kolbenhirse<br />
«Fenk». Beide sind im 18. Jhdt. verschwunden, in Hofsteig schon viel früher. Jedenfalls<br />
heißt es in Mehrerau 1577 vom Hofsteiger Kleinzehent, daß man ihn «von Obst, Rüben,<br />
Bohnen, Erbsen, Hanf und Werk (= Flachs) und sonst von nichts mehr geben müsste».<br />
(2/80)<br />
«Türggo-Usmacho» bei Familie Reiner an der Lauteracherstraße<br />
8. Mais, «Türken», Welschkorn. Mais stammt aus Amerika und war daher wie auch die<br />
Kartoffel im Mittelalter bei uns noch völlig unbekannt. Aber schon um 1600 tauchte das<br />
Welschkorn aus Italien, wo es «gran turco» genannt wurde, über die Pässe in Tirol und<br />
1650 in der Schweiz auf. Von dort verbreitete er sich bis 1710 über das ganze Rheintal,<br />
aber wegen der Dreifelderwirtschaft konnte er nur in Bündten und Gärten, nicht aber in<br />
den großen Getreide-Eschen angebaut werden. Türken brauchte viel mehr Pflege als die<br />
alten Getrei<strong>des</strong>orten Vesen und Haber und reifte selbst im iöhnbegünstigten Rheintal so<br />
spät, daß die althergebrachte Brachweide im Herbst unmöglich wurde, wenn sich der Türkenanbau<br />
ausweitete. Andererseits konnte sich Vorarlberg am Ende <strong>des</strong> 17. Jhdts. nicht<br />
mehr selbst ernähren. Krieg, Mißernte und Einquartierung von Soldaten führten zu Hungersnöten.<br />
Obersthauptmann Kreis berichtet 1676 an die Regierung (2/85):<br />
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