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Heft 2 Zeitschrift des Heimatkundekreises Nov. 88

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Wirtshause eine Bäckereigerechtsame, wobei diese «ex radice» war. Bei dieser<br />

Rechtsform lag die Gewerbeberechtigung auf dem Hause selbst und setzte keine<br />

Gewerbeausbildung <strong>des</strong> Hausbesitzes voraus. Diese Form der Gewerberechtsame<br />

wurde in den Steuerbüchern aber nicht erwähnt, da sie nicht zu versteuern war, während<br />

die «Profession» der anderen Handwerker mit einer Pauschalsumme versteuert<br />

wurden (20 Gulden).<br />

Über die Brotpreisgestaltung im 19. Jahrhundert hat sich im Gemeindearchiv ein<br />

Brief <strong>des</strong> Wolfurter Bäckers erhalten. Die Brotpreise wurden amtlich verordnet und<br />

in Wolfurt galt, wie in allen Gemeinden <strong>des</strong> Amtsbereiches Bregenz, der Bregenzer<br />

Brottarif. 1838 bat der Wolfurter Bäcker (Name im Akt nicht genannt) die Bregenzer<br />

Tarife für Wolfurt abzuschaffen, da die Tariftabelle erst mit 8 bis 14 Tagen Verspätung<br />

in Wolfurt eintreffe. 7 Aus der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts haben sich im<br />

Gemeindearchiv zahlreiche Brotbeschauprotokolle erhalten. Durch ein Gemeindeorgan<br />

wurden bei den Bäckern Gewichtskontrollen und Preisüberprüfungen durchgeführt,<br />

wobei bei Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Gewichte und Preise das<br />

Brot durch die Gemeinde beschlagnahmt und an die Gemeindearmen ausgegeben<br />

wurde.<br />

Über den Fleischverzehr und die Nahrungsgewohnheiten haben sich keine schriftlichen<br />

Hinweise finden lassen, sodaß Vermutungen angestellt werden müssen. Der<br />

Fleischbedarf dürfte auch in Wolfurt, wie in allen Vorarlberger Gemeinden <strong>des</strong> 19.<br />

Jahrhunderts eher gering gewesen sein und die Ernährungsgrundlage aus Mehl- und<br />

Kartoffelspeisen bestanden haben. In einem Brief <strong>des</strong> Landgerichts Bregenz an die<br />

Gemeinde Wolfurt aus dem Jahre 1832 wurde festgestellt, daß neben der bereits<br />

erwähnten Brottaxe auch die vom Stadtmagistrat Bregenz festgesetzte Fleischtaxe in<br />

den Gemeinden nicht eingehalten werde. Ein Metzger wird in Wolfurt erst 1832<br />

genannt, der vermutlich Lohnarbeiten ausführte. Über den Getränkekonsum und die<br />

Getränkeerzeugung in der Gemeinde sind ebenfalls nur wenige Nachrichten<br />

erhalten.<br />

Der im Mittelalter und in der frühen Neuzeit so bedeutende Weinbau spielte im<br />

19. Jahrhundert keine sehr bedeutende Rolle mehr und dürfte mit der Eröffnung der<br />

Arlbergbahn und der damit verbundenen Einfuhr von billigem Südtiroler Wein ganz<br />

zugrunde gegangen sein. Im Steuerbuch von 1785 werden beim Wirt Johann Haltmayer<br />

in der Vermögensaufstellung unter anderem der Weinvorrat im Keller und<br />

Reben genannt und auch bei den Privatpersonen Josef Anton Haltmayer und Amtsamman<br />

Josef Fischer werden Reben und Weinvorräte im Kellerals zu versteuern<strong>des</strong><br />

Vermögen aufgezählt. 9 Im Kartenwerk vom Jahre 1857 wurden noch einige Weinberge<br />

in Wolfurt und in Rickenbach eingezeichnet.<br />

Viel wichtiger dürften damals die kleinen Bierbrauereien gewesen sein, die sich in<br />

den Gasthäusern befanden. 1853 suchte der «Rössle»-Wirt Caspar Haltmayer bei der<br />

Gemeinde um eine Bierbrauereikonzession an und erhielt vom Gemeindeausschuß<br />

auch die Genehmigung. 10 Eine weitere Brauerei war die bis 1902 bestehende Brauerei<br />

<strong>des</strong> Johann Georg Fischer."<br />

Weiters spielte die Branntweinerzeugung in Wolfurt eine große Rolle. 1798 besaß der<br />

«Rössle»-Wirt Baptist Rohner eine Branntweinerzeugungskonzession und 1842<br />

nahm der Gemeindevorsteher Martin Schertler in einem Brief an das Kreisamt Stellung<br />

zur Einfuhrzollerhöhung von Obstbranntwein. ' 2 Er erklärte darin, daß im Inland<br />

zu viel Fruchtbranntwein erzeugt werde, der Obstpreis dadurch heruntergesetzt<br />

18<br />

werde und daher den Bauern die Obstkultur nicht mehr am Herzen liege. Es könnte<br />

sich bei diesem Fruchtbranntwein um die heute noch bekannte Spezialität «Subircn><br />

handeln. Die Branntweinerzeugung muß aber im allgemeinen historischen Kontext<br />

<strong>des</strong> 19. Jahrhunderts gesehen werden. In einem Akt <strong>des</strong> Kreishauptmann Ebner wird<br />

der Alkoholismus als das größte soziale Übel in Vorarlberg während <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts<br />

genannt.<br />

Die Trinkwasserversorgung in Wolfurt hat sich im 19. Jahrhundert auf der Basis der<br />

Brunnenversorgung abgespielt und konnte mit dem enormen Bevölkerungswachstum<br />

und der dadurch bedingten erhöhten Nachfrage nach Trinkwasser nicht Schritt<br />

halten. In einem Zeitungsartikel von 1893 wird über das schlechte Trinkwasser in<br />

Wolfurt geklagt. 0 Im Kirchdorf befand sich der Dorfbrunnen, der oft kein Wasser<br />

führte und bei Regen getrübtes Regenwasser hatte. Wegen diesem unhaltbaren<br />

Zustand kam es im Rössle zu einer Versammlung der Brunnengenossenschaft, auf<br />

der die Suche nach einer Quelle für die allgemeine Wasserversorung beschlossen<br />

wurde. Im Zeitungsartikel wird die durch die Industrie stark zugenommene Bevölkerung<br />

als Grund für die Wasserprobleme genannt.<br />

Der Schwanen.<br />

Einstmals zentrales Gasthaus mit Bäckerei, Handlung und Tanzsaal.<br />

19

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