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Fanomen Fußball. Einblicke in ein Leben mit der ... - Fussball Kultur

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Fachbereich 3Bachelorarbeit<strong>Fanomen</strong> Fußball.<strong>E<strong>in</strong>blicke</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong> <strong>Leben</strong> <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Passion: Nick Hornbys Fever Pitch.Anna Braß


als Menschen, die längerfristig e<strong>in</strong>e leidenschaftliche Beziehung zu e<strong>in</strong>em für sie externen, öffentlichen, entwe<strong>der</strong>personalen, kollektiven, gegenständlichen o<strong>der</strong> abstrakten Fanobjekt haben und <strong>in</strong> die emotionale Beziehungzu diesem Objekt Zeit und/o<strong>der</strong> Geld <strong>in</strong>vestieren […]. 17Gunnar Ottes Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>es Fans kl<strong>in</strong>gt ähnlich: für ihn ist e<strong>in</strong> Fan „e<strong>in</strong>e Person, die e<strong>in</strong>em<strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit stehenden, nicht zum persönlichen Netzwerk gehörenden Objekt Verehrung18 entgegenbr<strong>in</strong>gt“ 19 . Die Fanobjekte kennzeichnet Otte folgen<strong>der</strong>maßen:Als Fanobjekte konzipiere ich vor allem Personen, d.h. E<strong>in</strong>zelpersonen (z.B. Stars, Prom<strong>in</strong>ente) o<strong>der</strong> Personenkollektive(z.B. Teams, Bands), tot o<strong>der</strong> lebendig, denen Fans <strong>in</strong> parasozialen Beziehungen gegenüberstehen. […] Nach Horton und Wohl (1956) ist e<strong>in</strong>e solche Beziehung stark asymmetrisch angelegt: E<strong>in</strong>e öffentliche„Persona“ öffne sich medial ver<strong>mit</strong>telt e<strong>in</strong>er Vielzahl von Zuschauern mehr o<strong>der</strong> weniger persönlich.Die weitgehend anonym bleibenden Zuschauer hätten je<strong>der</strong>zeit die Möglichkeit, die Beziehung aufzukündigeno<strong>der</strong> fortzusetzen. […] Verhalte sich <strong>der</strong> Zuschauer loyal, könne trotz <strong>der</strong> Rollenasymmetrie e<strong>in</strong>eerstaunliche Vertrautheit resultieren, e<strong>in</strong>e „<strong>in</strong>timacy at distance“: Die Persona werde durch persönliche Detailsnach und nach vertraut und zum Objekt <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung im Alltag – als Vorbild, Wertever<strong>mit</strong>tler<strong>in</strong>,Trostspen<strong>der</strong><strong>in</strong> und Unterhalter<strong>in</strong>, als anbetungswürdige Ikone o<strong>der</strong> Projektionsfläche für Ärger. Nure<strong>in</strong> Zuschauer <strong>mit</strong> positiver Grundhaltung kann aber e<strong>in</strong> Fan se<strong>in</strong> […]. 20Krischke-Ramaswamy charakterisiert <strong>in</strong> ihrem Buch Populäre <strong>Kultur</strong> und Alltagskultur.Funktionelle und ästhetische Rezeptionserfahrungen von Fans und Szenegängern den Fan wiefolgt:Fans s<strong>in</strong>d […] Rezipienten von Phänomenen Populärer <strong>Kultur</strong> z.B. Musik, Fernsehprogrammen und Sport, diesich durch beson<strong>der</strong>s großes Engagement und spezifische Aktivitäten <strong>mit</strong> dem Gegenstand ihres Interesses beschäftigenund <strong>mit</strong> an<strong>der</strong>en Fans gleichen Interesses e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaft bilden. Als kennzeichnend für Fans giltdie häufige, von e<strong>in</strong>er Mischung aus emotionaler Nähe und kritischer Distanz geprägte Rezeption und die Beschäftigung<strong>mit</strong> dem Interessengegenstand durch Sammeln, Aneignung umfassen<strong>der</strong> Kennerschaft und verschiedenekreative und produktive Tätigkeiten. […] Fans gelten als Rezipienten, die beson<strong>der</strong>s häufig undwie<strong>der</strong>holt die gleichen Gegenstände rezipieren und sich dadurch e<strong>in</strong>e umfassende Kenntnis <strong>der</strong> Rezipiate aneignen.21Krischke-Ramaswamy nennt hier den kulturellen Rahmen, <strong>in</strong> dem sich Fans bewegen: diePopulärkultur. Phänomene und Praktiken <strong>der</strong> Populärkultur s<strong>in</strong>d vor allen D<strong>in</strong>gen dadurchgeprägt, dass sie von e<strong>in</strong>er Vielzahl von Menschen begleitet, konsumiert und ausgeübt werden.Die Entwicklung von Fans als fester Größe auf <strong>der</strong> Bühne <strong>der</strong> <strong>Kultur</strong> wurde u.a. durchdie Entstehung von Massenmedien begünstigt. 22Bisher waren die Fandef<strong>in</strong>itionen bzw. Zuschauer-/Fantypologien noch recht universell, d.h.diese Beschreibungen und Zuordnungen könnten sowohl auf Musik- o<strong>der</strong> Filmfans als auch"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!+ Roose, Jochen, Schäfer, Mike S., Schmidt-Lux, Thomas: E<strong>in</strong>leitung. Fans als Gegenstand soziologischer Forschung.In: Fans. Soziologische Perspektiven. Hrsg. von dens. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2010[= Erlebniswelten: Band 17]. S. 12. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al.!, Verehrung bedeutet für Otte „e<strong>in</strong>e gesteigerte Form von Wertschätzung“. Otte, Gunnar: Fans und Sozialstruktur.In: Fans. Soziologische Perspektiven. Hrsg. von Jochen Roose, Mike S. Schäfer, und Thomas Lux-Schmidt.Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2010 [= Erlebniswelten: Band 17]. S. 74. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sichso im Orig<strong>in</strong>al.19 Ebd. S. 74.#( "Ebd. S. 74. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al.#! "Krischke-Ramaswamy, Moh<strong>in</strong>i: Populäre <strong>Kultur</strong> und Alltagskultur. S. 38f.## "Vgl. ebd. S. 34f."&"


auf Fußball- o<strong>der</strong> z.B. Biathlonfans zutreffen. Im Folgenden werden nun spezifische Überlegungenzum Fan bzw. zur Zuschauer-/Fantypologie im Sport bzw. Fußball vorgestellt.Hans Ulrich Gumbrecht unterscheidet <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Buch Lob des Sports zwischen zwei grundsätzlichenHaltungen des Zuschauers: er kennzeichnet ihn als „>analytischteilnehmendanalytisch< im S<strong>in</strong>ne von Brechts idealem Zuschauero<strong>der</strong> von Spielern, die ihren Teamgefährten von <strong>der</strong> Bank o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Seitenl<strong>in</strong>ie aus zusehen, doch steht <strong>der</strong>apoll<strong>in</strong>ische Zuschauer dem Begriff <strong>der</strong> >Analyse< näher als dem <strong>der</strong> >Teilnahmeanalytischenteilnehmenden< Zuschauers ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> ausschließenden Formen s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n vielmehr die beidenäußersten Pole e<strong>in</strong>es breiten Spektrums möglicher Haltungen darstellen. In <strong>der</strong> Mitte dieses Spektrums könnenwir uns unparteiische Freude an Bewegungen und Formen vorstellen, die weniger streng ist als die >analytische<strong>mit</strong>fieberndes< Publikum.Der >dionysische< Zuschauer gibt im Gegensatz dazu se<strong>in</strong>e Individualität und Distanz bewußt auf, um<strong>mit</strong> <strong>der</strong> Masse <strong>der</strong> Zuschauer und <strong>der</strong> Energie, die von dem verfolgten Geschehen ausgeht, zu verschmelzen.[…] Wenn wir all diese Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> Art des Zuschauens unter <strong>der</strong> Perspektive von >besser< o<strong>der</strong>>schlechterangemessen< o<strong>der</strong> >unangemessen< und von mehr o<strong>der</strong> weniger ><strong>in</strong>tensiv< behandelten,würden wir <strong>in</strong> die Falle <strong>der</strong> >kritischen< Betrachtung des Sports tappen. Tatsächlich s<strong>in</strong>d viele Formen <strong>der</strong>Wahrnehmung so sehr vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verschieden, daß e<strong>in</strong> qualitativer Vergleich unmöglich ist. 26Gumbrecht plädiert demnach für e<strong>in</strong>e Akzeptanz <strong>der</strong> unterschiedlichen Rezeptionsvariantenvon Sportereignissen – wo e<strong>in</strong>e Diversität herrscht, die für den E<strong>in</strong>zelnen Gew<strong>in</strong>n und Genussbr<strong>in</strong>gt, muss man nicht notwendigerweise wertende Maßstäbe anlegen.Für Gumbrecht hat sich zudem die dionysische Haltung, die er als „das attraktivere Modell“ 27ansieht, gegenüber <strong>der</strong> apoll<strong>in</strong>ischen Haltung <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund gespielt bzw. als „überlebensfähiger“dargestellt:Ich f<strong>in</strong>de das bemerkenswert, weil die dionysische Zuschauerhaltung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em mo<strong>der</strong>nen kulturellen Umfelddie weniger zu erwartende Zuschauerhaltung ist. Direkter gesagt: Dionysische Verzückung ist ke<strong>in</strong>e Haltungzur Welt, die Eltern und Lehrer uns beigebracht haben. Ihnen war mehr daran gelegen, uns zu >kritischen


"zu verlieren etwas, vor dem man uns von K<strong>in</strong>desbe<strong>in</strong>en an gewarnt hat – was zu den Gründen gehört, die esso erstrebenswert machen. 28Gumbrecht macht hier deutlich, dass das Erleben von Sportereignissen auch entgegen <strong>der</strong>Regeln und Normen laufen kann, die die Sozialisation des Menschen prägen – die Gefühlesiegen über den Verstand. Allerd<strong>in</strong>gs ist anzumerken, dass Gumbrecht hier von e<strong>in</strong>er bildungsbürgerlichenIdealerziehung ausgeht, die nur wenig <strong>mit</strong> sozialer Realität zu tun hat.Die Autoren Wilhelm Heitmeyer und Jörg-Ingo Peter ordnen (jugendliche) Fußballfans <strong>in</strong>drei Gruppen e<strong>in</strong>; als Unterscheidungskriterien dienen die Gründe bzw. Motive, warum sichFans <strong>mit</strong> dem Phänomen Fußball beschäftigen. Ziel ist es, „Identitätsbestrebungen, Fußballund sozialen Alltag über das Erleben von Spannungssituationen <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu verb<strong>in</strong>den.“ 29Die erste Gruppe bilden die „konsumorientierten Fans“: 30Für [sie] steht das Erleben von Spannungssituationen, die von an<strong>der</strong>en dargeboten werden, im engen Zusammenhang<strong>mit</strong> Leistungsgesichtspunkten, während die soziale Relevanz weitgehend unbedeutend ist. Fußballist austauschbar und stellt e<strong>in</strong>e Freizeitbeschäftigung neben an<strong>der</strong>en dar. Soziale Bestätigung und Akzeptanzist <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Bereichen möglich und h<strong>in</strong>reichend. […] [D]iese Fans bef<strong>in</strong>den sich weniger <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fan-Kurve, son<strong>der</strong>n eher auf <strong>der</strong> Gegengeraden o<strong>der</strong> auch im Sitzplatzbereich. 31 […] Fußball spielt am Wochenendedann e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Rolle, wenn das Spiel an Attraktivität verliert, die Leistungen <strong>der</strong> Akteure s<strong>in</strong>ken,das Wetter schlecht ist o<strong>der</strong> zum Beispiel <strong>der</strong> Besuch des Spiels aus f<strong>in</strong>anziellen Gründen ungesichert ist. Derkonsumorientierte Fan kalkuliert den Gegenwert an Leistung, Spannung etc. e<strong>in</strong>, bevor er sich für den Spielbesuchentscheidet […]. 32Die zweite Gruppe nennen die Autoren die „fußballzentrierten Fans“: 33Für [sie] steht das Erleben von Spannungssituationen auch <strong>in</strong> engem Zusammenhang <strong>mit</strong> den sportlichenDarbietungen, ist aber nicht ausschließlich leistungsfixiert, son<strong>der</strong>n die (fast) absolute Treue, selbst bei sportlichemMißerfolg, zählt. Auch dadurch zeigt sich, daß Fußball nicht austauschbar ist, also e<strong>in</strong>e hohe sozialeRelevanz besitzt, e<strong>in</strong> unverzichtbares Präsentationsfeld darstellt, über das Anerkennung für den E<strong>in</strong>zelnenund für die Gruppe gesucht wird, <strong>in</strong>dem u.a. auch eigene Beiträge zur Erhöhung <strong>der</strong> Spannung geleistet werden.34 […] Fußball ist nicht irgende<strong>in</strong>e von verschiedenen Freizeitaktivitäten, son<strong>der</strong>n diejenige, die <strong>mit</strong> <strong>der</strong>höchsten persönlichen Priorität versehen und nicht mehr austauschbar ist […]. “Fußball“ me<strong>in</strong>t bei diesenFans […] immer viel mehr, als daß <strong>der</strong> Ball rollt. Fußball, das ist emotionale Teilnahme am Erfolg und Mißerfolgan<strong>der</strong>er, es ist e<strong>in</strong> Kristallisationspunkt e<strong>in</strong>es – woan<strong>der</strong>s vielleicht nicht befriedigten – Gesellungsbedürfnisses;er ist e<strong>in</strong> strukturierendes Moment des Alltags. Die Planung und Gestaltung <strong>der</strong> Freizeit, des Urlaubs,des privaten F<strong>in</strong>anzbudgets wird, soweit möglich, am Spielplan […] ausgerichtet. Selbst <strong>in</strong> <strong>der</strong> fußballlosenZeit gibt es immer wie<strong>der</strong> Anlässe, sich <strong>mit</strong> diesem Thema zu befassen […]. 35Die dritte Gruppe, welche die Autoren bestimmen, s<strong>in</strong>d die „erlebnisorientierten Fans“: 36Für [sie] erhält bei <strong>der</strong> Suche nach Spannungssituationen die sportliche Bedeutung des Fußballspiels e<strong>in</strong>enambivalenten Charakter. Fußball als S<strong>in</strong>nobjekt zählt eher unter dem Gesichtspunkt des “Spektakels“ undspannen<strong>der</strong> Situationen, die (notfalls) selbst erzeugt werden. Zwar stellt das Stadion e<strong>in</strong> wichtiges Präsentationsfeldfür Anerkennungsprozesse bereit, doch wenn sich an<strong>der</strong>e Fel<strong>der</strong> auftun, wechselt man weitgehendunabhängig vom Spielverlauf. Ablösungsprozesse vom Fußball s<strong>in</strong>d deutlich, die sich <strong>mit</strong> wechselnden"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""28 Ebd. S. 140f.29 Vgl. Heitmeyer, Wilhelm, Peter, Jörg-Ingo: Jugendliche Fußballfans. Soziale und politische Orientierungen,Gesellungsformen, Gewalt. We<strong>in</strong>heim/ München: Juventa Verlag 1988 [ = Jugendforschung]. S. 31.30 Ebd. S. 33. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al.31 Ebd. S. 33.$# "Ebd. S. 58."$$ "Ebd. S. 33. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al."$% "Ebd. S. 33."$& "Ebd. S. 59f."$' "Ebd. S. 33. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al."+"


Gruppenorientierungen und <strong>in</strong>stabilen Stadionstandorten verb<strong>in</strong>den. 37 […] Nicht mehr alle<strong>in</strong> das Spiel unddessen Fasz<strong>in</strong>ation stehen im Vor<strong>der</strong>grund, son<strong>der</strong>n die Möglichkeit, durch das Ereignis des Fußballspielesetwas zu erleben. Dabei haben die z.T. gewaltförmigen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen, den gleichen, wenn nicht oftsogar e<strong>in</strong>en höheren Stellenwert als die Aktionen auf dem Spielfeld […]. 38Heitmeyer und Peter machen zudem deutlich, dass diese Klassifizierungen nicht als endgültigbzw. abgeschlossen wahrgenommen werden sollten, „denn die “Szene“ ist <strong>in</strong> Bewegung, d.h.es handelt sich um Interaktionsprozesse, <strong>in</strong> die die Fans e<strong>in</strong>gebunden s<strong>in</strong>d, über <strong>der</strong>en Strukturund Verläufe sie zum größten Teil allerd<strong>in</strong>gs gar nicht selbstständig verfügen.“ 39Jürgen Hüther verfolgt ähnliche Ziele wie Heitmeyer und Peter und teilt die Zuschauer imFußball nach ihrem Verhalten und ihren Ansprüchen e<strong>in</strong>. Er erstellt vier Zuschauergruppen:Der distanziert-passive Zuschauer: ke<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> ger<strong>in</strong>g ausgeprägte Vere<strong>in</strong>spräferenz; wenig Identifikationsbereitschaft<strong>mit</strong> Mannschaft und Spielern, beherrschte und betont neutrale Reaktion auf das Spielgeschehen;Erwartung: <strong>in</strong>teressantes Fußballspiel.Der engagiert-kontrollierte Zuschauer: deutliche Vere<strong>in</strong>spräferenz und Identifikation <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Mannschaft,kritische Solidarität <strong>mit</strong> Spielern; emphatisches Erleben des Spielgeschehens; vorwiegend verbaler Ausdruck<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sfixiertheit; Erwartung: gutes Spiel <strong>der</strong> eigenen Mannschaft, wenn möglich Sieg.Der fanatisch-parteiliche Zuschauer: totale Identifikation <strong>mit</strong> Vere<strong>in</strong> und Mannschaft; e<strong>in</strong>seitiges Miterlebenund parteiliches Beurteilen des Spielgeschehens durch Tragen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sfarben und- symbole, aktives E<strong>in</strong>tretenfür Vere<strong>in</strong>s<strong>in</strong>teressen; gezielte Diskrim<strong>in</strong>ierung des Gegeners [sic!]; Erwartung: Sieg <strong>der</strong> eigenenMannschaft wie auch immer.Der konflikt-aggressive Zuschauer: Vere<strong>in</strong>sfixierung unterschiedlich ausgeprägt; nicht die Gastmannschaften,son<strong>der</strong>n ihre Fans s<strong>in</strong>d die Gegner; Fußballspiel und Umfeld als Aggressionsstimulanz; Teilnahme amSpielgeschehen stets <strong>in</strong> Gruppen; Erwartung: eigene Aktionsmöglichkeiten. 40Die Autoren Ra<strong>in</strong>er Kübert und Holger Neumann beschreiben <strong>in</strong> ihren Ausführungen zumThema Fans und Fußball die Welt des Fußballs als e<strong>in</strong> soziales System, <strong>in</strong>nerhalb dessen dasFußballpublikum e<strong>in</strong> Subsystem bildet. 41 Hier kommt die Vielschichtigkeit und Vielseitigkeitsowohl des Fußballs als auch des Zuschauer- bzw. Fanse<strong>in</strong>s zur Sprache; das Fußballpublikumwird se<strong>in</strong>erseits wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong> drei Gruppen geglie<strong>der</strong>t und zwar <strong>in</strong> die „Vere<strong>in</strong>sanhänger,Fans und Hooligans“ 42 .Der Vere<strong>in</strong>sanhänger zeigt gegenüber dem von ihm favorisierten Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong> gewisses Maß an Engagementund Parteilichkeit. Der Fußballsport an sich und se<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> bilden e<strong>in</strong>en Bestandteil se<strong>in</strong>es Alltages.Gleichwohl zeigt <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>sanhänger e<strong>in</strong>e gewisse soziale und rationale Distanz zum sportlichen Geschehen.[…] Die Vere<strong>in</strong>sanhänger gehören e<strong>in</strong>em Personenkreis an, <strong>der</strong> sich hauptsächlich über die Medien Informationenüber se<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> verschafft und für den […] Stadionbesuche nicht o<strong>der</strong> nur <strong>in</strong> seltenen Fällen<strong>in</strong> Frage kommen […].‘Fußballfans‘ h<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d Personen, die sich für diesen Sport und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> sehr starkbegeistern. […]. Fußballfans s<strong>in</strong>d […] Personen, die im Gegensatz zu den Vere<strong>in</strong>sanhängern praktisch re-"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""$+ "Ebd. S. 33."$, "Ebd. S. 61. "$- "Ebd. S. 63. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al."%( Hüther, Jürgen: Fußball, Zuschauer, Gewalt und Medien. Historische und aktuelle Aspekte gegenseitiger Abhängigkeit.In: Fußball, Medien und Gewalt. Medienpädagogische Beiträge zur Fußballfan-Forschung. Hrsg.von Ra<strong>in</strong>er Kübert, Holger Neumann, Jürgen Hüther und Wolfgang H. Swoboda. München: KoPädVerlag 1994.S. 9. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al.%! Vgl. Kübert, Ra<strong>in</strong>er, Neumann, Holger: Fans und Medien im sozialen System Fußball. In: Fußball, Medienund Gewalt. Medienpädagogische Beiträge zur Fußballfan-Forschung. Hrsg. von Ra<strong>in</strong>er Kübert, Holger Neumann,Jürgen Hüther und Wolfgang H. Swoboda. München: KoPädVerlag 1994. S. 45.%# Ebd. S. 46.",""


"gelmäßig das Stadion besuchen, die unter Umständen, sofern Zeit und f<strong>in</strong>anzielle Ressourcen dies zulassen,auch Auswärtsspiele ihres Vere<strong>in</strong>s besuchen. […]E<strong>in</strong>e dritte Gruppe […] bilden seit e<strong>in</strong>igen Jahren die sogenannten ‘Hooligans‘. […] Diese Subgruppe <strong>der</strong>Fans ist ebenso fußballbegeistert wie die Fans selbst, sie hat jedoch darüberh<strong>in</strong>aus das Bedürfnis, sich <strong>mit</strong>gleichges<strong>in</strong>nten Hooligans des jeweiligen sportlichen Gegners auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> körperlichen Gewalt zumessen. […] Hooligans sehen diese Art <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung als Sport an und begründen ihr Verhalten<strong>mit</strong> dem Bedürfnis nach Spaß und Action. 43Richard Giulianotti, e<strong>in</strong> britischer Soziologe, hat e<strong>in</strong>e Fantypologie aufgestellt, die <strong>mit</strong> Gegensatzpaarenarbeitet und zwar <strong>mit</strong> den Gegenüberstellungen „hot – cool“ und „traditional –consumer“ 44 . Durch die Anordnung auf e<strong>in</strong>er Kreuzachse ist die Bildung von vier Fangruppenmöglich:[1.] <strong>der</strong> heiße Traditionalist ist <strong>der</strong> […] klassische Fan, den Giulianotti »supporter« nennt, <strong>der</strong> sich <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>emlokalen Vere<strong>in</strong> identifiziert und zu dem er e<strong>in</strong> ähnlich enges Verhältnis pflegt wie zur Familie und zuFreunden; [2.] <strong>der</strong> kalte Traditionalist, den er »follower« nennt: »The follower has implicit awareness, or anexplicit preconcern with, the particular senses of identity and community relate to specific clubs, to specificnations, and to their associated supporter groups. But the follower arrives at such identification through a vicariousform of communion, most obviously the cool medium of the electronic media«; […][3.] die heißenKonsumenten, die er »fan« nennt und die sich wie die Unterstützer stark <strong>mit</strong> dem Vere<strong>in</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Spielernidentifizieren und e<strong>in</strong>e große Nähe aufbauen. Die Stärke ihrer Identifikation zeigt sich jedoch vor allemdurch den Konsum von <strong>mit</strong> dem Club verbundenen Produkten wie Market<strong>in</strong>gartikeln und Clubaktien; [4.] diekalten Konsumenten, die Giulianotti als Flaneure <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er postmo<strong>der</strong>nen Zuschaueridentität bezeichnet, diesich verstärkt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er virtuellen Arena bewegen, »seek<strong>in</strong>g the sensations of football as represented throughtelevision, Internet, or perhaps <strong>in</strong> the future, the audiovisual bodysuit«. 45Für Lothar Mikos liegt die Beson<strong>der</strong>heit bzw. <strong>der</strong> Verdienst dieser Fantypologie dar<strong>in</strong>, dassGiulianotti den Verän<strong>der</strong>ungen Rechnung [trägt], die sich aufgrund <strong>der</strong> reflexiven Mo<strong>der</strong>ne und <strong>der</strong> Kommerzialisierungdes Fußballs im globalen Sport[sic!]/Medien-Komplex vollzogen haben. Die Matrix zwischenheiß und kalt, Traditionalist und Konsument eröffnet die Möglichkeit, <strong>in</strong>dividuelle Fans und Fangeme<strong>in</strong>den<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sozialen Feld zu verorten, dass sich zwischen den vier Idealtypen, die Giulianotti entworfenhat, bewegt. Individuelle Fans vere<strong>in</strong>en sowohl heiße und kalte Eigenschaften <strong>in</strong> sich und bef<strong>in</strong>den sichirgendwo im Schwebezustand zwischen Traditionalisten und Konsumenten. 46E<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Variante, sich <strong>mit</strong> Fankultur bzw. Fantypologien ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen, bietetArnd Pollmann: Er schlägt den umgekehrten Weg e<strong>in</strong>, d.h. er stellt e<strong>in</strong>e Typologie darüberauf, was e<strong>in</strong>en Fan nicht ausmacht bzw. welche Fans se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach „>unechtfalsch


denständigen Volksvergnügen präsent zu se<strong>in</strong>.“ 49 Der Stadionbesuch ist sozusagen Teil <strong>der</strong>PR-Strategie. 502. Die „>Moralisten< <strong>der</strong> Fußball-Geme<strong>in</strong>de“ 51 : Sie ergreifen ke<strong>in</strong>e Partei für e<strong>in</strong>e Mannschaft.„Moralisten s<strong>in</strong>d Anhänger des Fair Play[…]. Der Moralist will nicht, dass >se<strong>in</strong>eÄsthetikerverkappten< Fans“ s<strong>in</strong>d die Fußballanhänger, „die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er merkwürdigen Mischungaus Weltoffenheit und Selbstverkennung partout auf solche Mannschaften versteifen,die nicht gerade dem eigenen >Naturell< entsprechen.“ 54 Als Beispiel nennt Pollmann deutscheStaatsangehörige im Dress südamerikanischer o<strong>der</strong> afrikanischer Teams: Sie haben „diefalsche >Kappe < auf.“ 555. Als nächsten Typ beschreibt Pollmann den „Ressentiment-Fan, [<strong>der</strong>] zwar den Fußballschätzt, aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ebenfalls merkwürdigen Mischung aus Trotz und peer group-Oppurtunismus immer ausgerechnet die Mannschaft >scheiße< f<strong>in</strong>det, die die an<strong>der</strong>en geradegut f<strong>in</strong>den.“ 566. „Fans“, die nur <strong>in</strong> glorreichen und triumphalen Zeiten zu ihrem Vere<strong>in</strong> stehen und sich <strong>in</strong>schlechten Zeiten von ihm distanzieren, tituliert Pollmann als „>Schönwetter-FansFan auf Probeenglische[n] Fanihr <strong>Leben</strong>


9. Das für Pollmann „zweifellos bedrohlichste Fan-Dase<strong>in</strong>“ wird von den „>Hooligans


nerhalb e<strong>in</strong>er Fankultur als dynamisch und zufällig bezeichnet werden. […] So sympathisch [das oben beschriebeneModell] von Giulianotti […] auch se<strong>in</strong> [mag], so lässt sich aufgrund des sozialen Wandels 67 docheher zwischen zwei Typen von Fans unterscheiden: 1) traditionellen Fans, die <strong>in</strong> den traditionellen sozialenStrukturen verankert s<strong>in</strong>d, und 2) neue globale Mediensportfans, <strong>der</strong>en Fanse<strong>in</strong> auf Erfolg, Medienpräsenzund Schlüsselerlebnissen beruht. 68Was von Mikos „mahnenden“ Worten im Gedächtnis bleiben sollte, ist <strong>der</strong> H<strong>in</strong>weis auf dieIndividualität des Fans – die persönliche Biografie sollte bei e<strong>in</strong>er Untersuchung <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>fließenund neben den Typologien die Analyse leiten.Im nächsten Kapitel rücken nach den Zuschauer-/Fantypologien nun die Strukturen und Mechanismendes Fandase<strong>in</strong>s im Fußball <strong>in</strong>s Zentrum, d.h. die Prozesse des Fanwerdens, dasFanse<strong>in</strong> als Teil bzw. im Verlauf des <strong>Leben</strong>s sowie die Fanaktivitäten.2.2.2 Strukturen des Fandase<strong>in</strong>s im FußballDas Fandase<strong>in</strong> im Fußball wird durch e<strong>in</strong>e Fülle von Faktoren, Situationen und Entscheidungengeprägt. Das Zusammenspiel verschiedener E<strong>in</strong>flüsse führt sowohl zu e<strong>in</strong>em kollektivenals auch <strong>in</strong>dividuell differenzierbaren Fanse<strong>in</strong>. 69In e<strong>in</strong>em Forschungsprojekt zum Thema Fans untersuchten Kai-Uwe Hellmann und PeterKenn<strong>in</strong>g die „Fansozialisation, […] Fanstrukturen und […] Fanwerte“ 70 <strong>in</strong>nerhalb von Fußballfangruppenund Fernsehserienfans. Ziel war es, „mehr über Genese und Involvement von[…][F]ans herauszuf<strong>in</strong>den.“ 71 Bezüglich <strong>der</strong> Fußballfans kamen Hellmann und Kenn<strong>in</strong>g zufolgenden Ergebnissen: Schon <strong>in</strong> jungen Jahren werden sie an den Fußball herangeführt,kommen <strong>mit</strong> diesem <strong>in</strong> Berührung. In den meisten Fällen erfolgt die Fansozialisation durchFamilienangehörige, dicht gefolgt von peer groups. 72 An dieser Stelle sollte man auf Gebauerverweisen, <strong>der</strong> den ersten durch – vor allem männliche – Familien<strong>mit</strong>glie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Freundehergestellten Kontakt <strong>mit</strong> dem Thema Fußball als wichtig und symbolisch ansieht. Der Fokusliegt hier auf dem ersten Besuch e<strong>in</strong>es Fußballspiels und Gebauer beschreibt daneben auchden Verlauf <strong>der</strong> Fangenese:"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""'+ ".[…] Formen des Fanse<strong>in</strong>s, die sich im Rahmen <strong>der</strong> reflexiven Mo<strong>der</strong>ne und <strong>der</strong> Professionalisierung undKommerzialisierung des Fußballs im Zuge <strong>der</strong> Mediatisierung seit den 1950er Jahren des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts kont<strong>in</strong>uierlichentwickelt haben, haben zu e<strong>in</strong>er neuen Form des Fanse<strong>in</strong>s geführt, als Teil e<strong>in</strong>er imag<strong>in</strong>ierten Geme<strong>in</strong>schaft,die sich vor allem über die Bil<strong>der</strong> im Fernsehen und das weltweit verfügbare Angebot an Merchandis<strong>in</strong>g-Artikeln besteht./"Vgl. Mikos, Lothar: Mythos Fan. Fußball-Fankulturen im Kontext gesellschaftlicherVerän<strong>der</strong>ungen. S. 494.', "Ebd. S. 494."'- "Vgl. Skrobanek, Jan, Jobst, Solveig: Fans und Sozialisation In: Fans. Soziologische Perspektiven. Hrsg. vonJochen Roose, Mike S. Schäfer und Thomas Lux-Schmidt. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2010 [=Erlebniswelten: Band 17]. S. 220ff.+( "Akremi, Leila, Hellmann, Kai-Uwe: Fans und Konsum. In: Fans. Soziologische Perspektiven. Hrsg. von JochenRoose, Mike S. Schäfer und Thomas Lux-Schmidt. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2010 [=Erlebniswelten: Band 17]. S. 313. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al.+! "Ebd. S. 312."+# "Vgl. ebd. S. 313.""!#"


"Wenn man zum ersten Mal e<strong>in</strong> Fußballstadion betritt, wird man von an<strong>der</strong>en <strong>mit</strong>genommen. Immer s<strong>in</strong>d esdie Älteren, die e<strong>in</strong>en Jüngeren <strong>in</strong> das Fußballgeschehen e<strong>in</strong>führen; die Väter, die älteren Brü<strong>der</strong>, die großenFreunde lassen den Kle<strong>in</strong>en <strong>mit</strong>kommen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Welt, die ihm vorher fremd war. Im Inneren <strong>der</strong> Arena, <strong>der</strong>Emotionen des Spiels und des Engagements für ihre Mannschaft werden sie zu Gleichen, geme<strong>in</strong>sam begeistertund <strong>in</strong> Unkenntnis des künftigen Ergebnisses – e<strong>in</strong>e Bru<strong>der</strong>schaft <strong>der</strong> Initiierten. So verr<strong>in</strong>gert sich <strong>der</strong>Abstand zu den Vätern, die auf dem Fußballplatz nichts an<strong>der</strong>es als ältere Brü<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d. […] Die Initiation <strong>in</strong>die Welt des Fußballs bedeutet e<strong>in</strong>e Anerkennung des Größerwerdens und <strong>der</strong> kommenden Männlichkeit.[…] Väter, Brü<strong>der</strong> und Freunde suchen sich die Jüngeren, um sie <strong>in</strong> den Fußball zu <strong>in</strong>itiieren. In <strong>der</strong> Regels<strong>in</strong>d es die Söhne o<strong>der</strong> Brü<strong>der</strong>; aber auch die Tochter, die ihrem Vater bei se<strong>in</strong>er Liebe zum Fußball nahe se<strong>in</strong>möchte, ist nicht weniger willkommen. Was alle<strong>in</strong> zählt, ist, dass dem <strong>Leben</strong> im Stadion <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>en Emotionenund Werten e<strong>in</strong> neues Mitglied zugeführt wird. Je<strong>der</strong> Zuschauer im Stadion will, dass die Masse <strong>der</strong> Beteiligtengrößer werde […]. […] Mit dem […] Novizen geschehen [im Verlauf <strong>der</strong> Zeit] grundlegende Verän<strong>der</strong>ungen,auf die er, wenn er sie <strong>mit</strong>bekäme, vielleicht <strong>mit</strong> Entsetzten reagierte. Aber er selbst hat sichverän<strong>der</strong>t; er ist von den Bewegungen <strong>der</strong> Welt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> er lebt, ergriffen worden. Heute ist er nicht mehr Teile<strong>in</strong>er Bru<strong>der</strong>schaft, son<strong>der</strong>n gehört zu den Fans. Für diese Zugehörigkeit ist es nicht notwendig, e<strong>in</strong>e Kutteo<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Schal umzulegen und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Trupp <strong>mit</strong> an<strong>der</strong>en zu pilgern, son<strong>der</strong>n das Fan-Se<strong>in</strong> ist e<strong>in</strong> Zustand,<strong>in</strong> dem man für e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Art <strong>der</strong> Fasz<strong>in</strong>ation empf<strong>in</strong>dlich ist. 73Auch Krischke-Ramaswamy spricht von e<strong>in</strong>er „Initiation zum Fan“ 74 : Diese vollzieht sichzumeist im Jugendalter: „Der Initiationszeitpunkt liegt <strong>in</strong>sgesamt bei etwa 70 % <strong>der</strong> Fans undSzenegänger vor dem 21. <strong>Leben</strong>sjahr, bei etwa 50 % sogar vor dem 16. <strong>Leben</strong>sjahr und teilweisedauern die Fan- und Szenekarrieren ebenso lange an wie die kulturellen Phänomeneexistieren“. 75 Im Fußball kann so<strong>mit</strong> e<strong>in</strong>e Fankarriere bis zum Ende des <strong>Leben</strong>s anhalten.Des Weiteren hebt Krischke-Ramaswamy die enge Verb<strong>in</strong>dung von Erfahrungen des Fans,die er konkret <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>em Fanobjekt verb<strong>in</strong>det, und <strong>der</strong> eigenen Biografie hervor. 76 Er<strong>in</strong>nertsich <strong>der</strong> Fußballfan z.B. an den letzten Meisterschaftsgew<strong>in</strong>n se<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s, er<strong>in</strong>nert er sichaller Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit auch an se<strong>in</strong>e damalige <strong>Leben</strong>ssituation, an se<strong>in</strong>e damalige Beziehungo<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e damalige Arbeit. Der Aufbau e<strong>in</strong>er Beziehung zum Fußball im Erwachsenenalterist eher untypisch. 77Der Akt des Fanwerdens wird <strong>in</strong>teressanterweise eher vom Fußball als Ereignis, als Erlebnisgesteuert als vom Fan selbst:Oft wurde die Fanwerdung […] als schleichen<strong>der</strong>, auf Nachahmung beruhen<strong>der</strong> und weitgehend unreflektierterProzess beschrieben. Mitunter jedoch spielten auch ganz bestimmte Schlüsselerlebnisse („1989 beim Pokalsieg“,„die Stimmung, die Atmosphäre das Flair <strong>in</strong> diesem Stadion“) e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle. Bemerkenswertist ferner, dass viele Fußballfans ihre Fangenese hochgradig passivistisch beschreiben, so als ob ihnenlediglich wi<strong>der</strong>fahren ist, quasi schicksalhaft. Typische Äußerungen s<strong>in</strong>d etwa „re<strong>in</strong>gesogen“, „manwächst h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>“, „ich b<strong>in</strong> dadr<strong>in</strong> gefangen“, „hat mich sofort gefesselt“, „dann wird man <strong>in</strong>fiziert“, „wenn manförmlich <strong>mit</strong>gerissen wird“, „re<strong>in</strong>gerutscht […] und dann kommst Du nicht mehr raus“. Zugleich wurde immerwie<strong>der</strong> auf das eigene kritische Urteilsvermögen h<strong>in</strong>gewiesen, auf Momente <strong>der</strong> Distanznahme und Kritikgegenüber den jeweiligen Fanobjekten – e<strong>in</strong> offensichtliches Bemühen um Balance zwischen Konsumismusund Autonomie […]. 78"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""+$ Gebauer me<strong>in</strong>t hier als „an<strong>der</strong>e Fasz<strong>in</strong>ation“ die „Verhexung durch das Spiel“. Gebauer, Gunter: Sportfasz<strong>in</strong>ationund Sportkritik am Beispiel des Fußballs. In: Brecht und <strong>der</strong> Sport. Hrsg. von Sebastian Kle<strong>in</strong>schmidt undTherese Hörnigk. Berl<strong>in</strong>: Theater <strong>der</strong> Zeit 2006 [= Recherchen / Theater <strong>der</strong> Zeit; 31"]. S. 43 und 50f.+% "Krischke-Ramaswamy, Moh<strong>in</strong>i: Populäre <strong>Kultur</strong> und Alltagskultur. S. 69."+& "Ebd. S. 69."+' "Vgl. ebd. S. 69f."++ "Vgl. Akremi, Leila, Hellmann, Kai-Uwe: Fans und Konsum. S. 313."+, "Ebd. S. 313."!$"


Das Dase<strong>in</strong> des Fußballfans ist umrahmt und geprägt von festen Strukturen und Regeln undzwar <strong>in</strong> Form von „Ritualen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e vor und nach Heim- bzw. Auswärtsspielen (z.B.Vere<strong>in</strong>sfarben anlegen, vor<strong>mit</strong>tägliches Verabreden <strong>mit</strong> an<strong>der</strong>en Fans, Besuch <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>skneipe,„Ausrasten“ etc.).“ 79 Der Spieltag gilt als <strong>der</strong> Höhepunkt <strong>der</strong> Woche: „[Er wurde]dabei völlig herausgelöst aus <strong>der</strong> sonstigen Alltagsrout<strong>in</strong>e, im S<strong>in</strong>ne beson<strong>der</strong>er Selbstbelohnung,Eskapismus, Veraußeralltäglichung“. 80 Die Beziehung <strong>der</strong> Fans wird durch e<strong>in</strong>e Vielzahlvon Werten bestimmt: Dazu zählen vor allem Leidenschaft, Treue, Identifikation, <strong>der</strong>Bezug zur Stadt und Heimat, <strong>der</strong> Bereich Kampf/Leistung und Tradition. 81Die ‚Wahl‘ e<strong>in</strong>es zu unterstützenden Vere<strong>in</strong>s bewertet Dirk Schümer als durchdacht und geflissentlichbeschlossen – ob sich das im folgenden skizzierte Szenario immer <strong>in</strong> dieser Weisebewahrheitet, ist e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Frage:E<strong>in</strong> Fußballfan […] hat, schon lange bevor er <strong>in</strong>s Stadion geht, etwas Prägendes getan: In e<strong>in</strong>er Gesellschaft,<strong>in</strong> <strong>der</strong> er tun und lassen kann, was er will, hat er sich für e<strong>in</strong>en bestimmten Fußballvere<strong>in</strong> entschieden. Ihmgilt fortan se<strong>in</strong>e Leidenschaft. Mit e<strong>in</strong>er solchen Unterscheidung ist schon viel gewonnen; so kommt S<strong>in</strong>n <strong>in</strong>s<strong>Leben</strong>. Denn die erste Entscheidung zieht e<strong>in</strong>e Kette von an<strong>der</strong>en Entscheidungen nach sich. Gleich zu Anfangweiß [man] recht gut, ob [man] <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Fußballerleben zu den Gew<strong>in</strong>nern o<strong>der</strong> zu den Verlieren zählenwird, ob er es <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em reichen o<strong>der</strong> armen Vere<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>er beliebten o<strong>der</strong> unbeliebten Mannschaft zu tunhat, ob er daheim viele Freunde haben wird o<strong>der</strong> wenige. Für jede dieser Möglichkeiten muß er sich Begründungenzurechtlegen. 82Hermann, <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Studie Die Fußballfans. Untersuchungen zum Zuschauersportausgiebig <strong>mit</strong> dem Phänomen Fan im Kosmos Fußball beschäftigt hat, sieht die Entscheidungfür e<strong>in</strong> Fanobjekt im Fußball auch als e<strong>in</strong>e bewusst und gezielt getroffene an:Die affektive B<strong>in</strong>dung des Fans an se<strong>in</strong> Bezugsobjekt <strong>mit</strong> den daraus resultierenden Handlungskonsequenzenerfolgt nicht zufällig, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung <strong>mit</strong> klaren Vorstellungen, Ansichten und Me<strong>in</strong>ungen, die<strong>der</strong> Fan als „Experte“ <strong>mit</strong> potentiellen Vorbil<strong>der</strong>n im Handlungsbereich des Sports verb<strong>in</strong>det. Wen auch immer<strong>der</strong> Fan als Objekt <strong>der</strong> Bewun<strong>der</strong>ung und Verehrung und da<strong>mit</strong> vielleicht auch Nachahmung aussucht, erwird kognitive Kriterien haben, die e<strong>in</strong>e rationale Rechtfertigung se<strong>in</strong>er gefühlsstarken Vorliebe liefern. E<strong>in</strong>solches kognitives Kriterium ist <strong>in</strong> den meisten Fällen vor sachspezifischen Auswahlkriterien e<strong>in</strong>e perzipierteGeme<strong>in</strong>samkeit wie ethnische, kommunale o<strong>der</strong> nationale Zusammenhörigkeit. Das Bezugsobjekt muß sichneben se<strong>in</strong>er spezifischen Fähigkeit, durch sportliche Erfolge Zuspruch und Begeisterung zu erwecken, vorallem als Repräsentant des sozialen Systems auszeichnen, dem sich <strong>der</strong> Fan im eigenen Identitätsverständniszugehörig fühlt. 83Hermann spricht hier das soziale System an, das für die Entstehung und die Art <strong>der</strong> Fan-Fanobjekt-Beziehung wichtig ersche<strong>in</strong>t. Dieses be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>e gewisse Anzahl an Größen, diee<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die Intensität und den Verlauf des Fandase<strong>in</strong>s e<strong>in</strong>es Jugendlichen neh-"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""+- "Ebd. S. 313.",( "Ebd. S. 313.",! Vgl. ebd. S. 314f.",# "Schümer, Dirk: Gott ist rund. Die <strong>Kultur</strong> des Fußballs. Frankfurt am Ma<strong>in</strong>: Suhrkamp Taschenbuch Verlag1998. S. 161f .,$ Hermann, Hans Ulrich: Die Fußballfans. Untersuchungen zum Zuschauersport. Schondorf: Verlag Karl Hoffmann1977 [= Beiträge zur Lehre und Forschung im Sport; Band 60]. S. 65.""!%"


men: 84 Dazu zählen die soziale Schichtzugehörigkeit und die berufliche Situation <strong>der</strong> Eltern:„Fans <strong>mit</strong> steigendem Status [s<strong>in</strong>d] tendenziell weniger <strong>in</strong>volviert. […][Allerd<strong>in</strong>gs bieten]Fankulturen im Fußball für heranwachsende Jugendliche aller Schichten e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressantesBetätigungsfeld“ 85 ; die (nicht vorhandene) Zufriedenheit <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Rollen, die man alsIndividuum <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft e<strong>in</strong>nimmt und ausfüllt; die schulische und berufliche Situationdes Fans – Fußball dient <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht als Ablenkung, Kompensation, Ersatzbestätigung:„Der Fan erfährt <strong>mit</strong> Hilfe se<strong>in</strong>es Bezugsobjekts e<strong>in</strong>e Initiation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Traumwelt, diegekennzeichnet ist durch die Negation des wirklich Vorhandenen, also Konflikt, Spannung,Versagung, Entbehrung, Degradierung und die sich gleichzeitig auszeichnet durch die Affirmationdes vergeblich Ersehnten“. 86 E<strong>in</strong> weiterer Punkt wäre die häusliche bzw. familiäreLage des heranwachsenden Fans; (noch) starke B<strong>in</strong>dung zu den Eltern 87 , (<strong>in</strong>)stabile Familienverhältnisse:"Dabei muß zwischen struktureller und funktionaler familiärer Instabilität unterschieden werden. Die strukturellgestörte Familie ist die unvollständige, durch Tod e<strong>in</strong>es o<strong>der</strong> auch bei<strong>der</strong> Ehegatten, Scheidung, Trennung[…]; demgegenüber ist die funktional gestörte Familie durch e<strong>in</strong> mehr o<strong>der</strong> weniger starkes Maß <strong>in</strong>nererZerrüttung <strong>der</strong> Familienstruktur gekennzeichnet, ohne daß e<strong>in</strong> Elternteil fehlt. […] Das Befragungsmaterialzeigt, daß strukturelle wie funktionale familiäre Desorganisation tatsächlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nachweisbaren Zusammenhang<strong>mit</strong> dem Ausmaß sekundärer Involvierung stehen und die Teilnahme an e<strong>in</strong>er Fankultur so<strong>mit</strong>auch die Möglichkeit bietet, durch familiäre Instabilität <strong>in</strong>duzierte Spannung zu kanalisieren. […] Fans ausstrukturell gestörten Familien s<strong>in</strong>d […] handlungsaktiver und zeigen die tendenziell stärkere B<strong>in</strong>dung an ihrBezugsobjekt. 88Hermann hält im Fazit se<strong>in</strong>er Ausführungen fest,daß die Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er Fankultur über e<strong>in</strong>e bestimmte Alters- und Entwicklungsphase h<strong>in</strong>aus als „e<strong>in</strong><strong>in</strong>fantiles Klebenbleiben an undifferenzierten und pri<strong>mit</strong>iven Leitbil<strong>der</strong>n“ im Prozeß <strong>der</strong> Identitätsf<strong>in</strong>dung zu<strong>in</strong>terpretieren ist. Es zeigt sich weiterh<strong>in</strong>, daß dies verstärkt für Jugendliche aus unteren sozialen Schichtenund aus funktional gestörten familiären Verhältnissen zutrifft. 89Für ihn ist demnach das Fandase<strong>in</strong> nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Phase des <strong>Leben</strong>s – und zwar <strong>in</strong><strong>der</strong> Jugend – legitim, akzeptiert und auch s<strong>in</strong>nvoll. Hermann verurteilt so<strong>mit</strong> das Praktizierene<strong>in</strong>er Fanleidenschaft <strong>in</strong> den nachfolgenden <strong>Leben</strong>sabschnitten, <strong>in</strong> denen sich das Individuuman<strong>der</strong>e Ziele, an<strong>der</strong>e Prioritäten wählen und setzen sollte. Die Aussage Hermanns wirkt wertend;er sieht den „Nutzen“ von Fankultur recht e<strong>in</strong>seitig, d.h. „nur“ im Kontext des Identitätsbildungsprozesses.An<strong>der</strong>e mögliche Funktionen <strong>der</strong> Fankultur lässt er außer Acht.Was „machen“ Fans denn nun eigentlich genau? Für Roose, Schäfer etc. stellt die Teilnahmean Veranstaltungen wie z.B. das Verfolgen von Spielen im Stadion die oberste Priorität des""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""",% "E<strong>in</strong> Bild des ‚typischen‘ Fußballfans, das Hermann aus se<strong>in</strong>er Studie herausgefiltert hat, f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> Forme<strong>in</strong>es Modells im Anhang dieser Arbeit (Abbildung 1). Vgl. ebd. S. 90-101.",& "Ebd. S. 92.",' "Ebd. S. 96.",+ Vgl."ebd. S. 97.",, "Ebd. S. 99f.",- "Ebd. S. 110."!&"


(Fußball-)Fandase<strong>in</strong>s dar. 90 Schmidt-Lux nennt als zentrale Aktivitäten des Fans „Konsumierenund Informieren, […] Sammeln, […] Reisen, […] Produzieren und […] Protestieren. Da<strong>mit</strong>spannt sich e<strong>in</strong> Spektrum auf das von eher passiven bis h<strong>in</strong> zu stark aktiven Fanpraktikenreicht.“ 91Darüber h<strong>in</strong>aus hält Schmidt-Lux fest, dass für manche Fans die Beziehung zu e<strong>in</strong>em Fanobjekt– an dieser Stelle zum Objekt Fußball – die <strong>Leben</strong>splanung strukturiert:Das Wochenende wird <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Fahrt zu e<strong>in</strong>em Auswärtsspiel des eigenen Clubs verbracht, <strong>der</strong> Montag <strong>mit</strong>dessen Auswertung im Fanclub, und ab Dienstag <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong> Choreographien für das nächstesamstägliche Heimspiel. […] Dies bedeutet, dass wenigstens von e<strong>in</strong>igen Fans, dem selbsterklärten Kern <strong>der</strong>Fanszene, die komplette Freizeit <strong>mit</strong> dem Fanobjekt und ihnen verbundenen an<strong>der</strong>en Personen verbrachtwird, die Urlaubsplanung sich nach dem Spielplan richtet und auch die Familie h<strong>in</strong>tanstehen muss. […] Allerd<strong>in</strong>gsmuss hier differenziert werden. So ist es vom jeweiligen Fanobjekt abhängig, wie stark die lebensstrukturierendeWirkung reichen kann. […] Wie relevant das Fanse<strong>in</strong> für die eigene <strong>Leben</strong>sführung ist, zeigtsich […] letztlich <strong>in</strong> Situationen, <strong>in</strong> denen sich diese Orientierung <strong>in</strong> Konkurrenz zu an<strong>der</strong>en S<strong>in</strong>nsystemengewissermaßen bewähren muss. 92Für Otte sollte sich das Fanverhalten kongruent zum Alter und zur <strong>Leben</strong>ssituation verän<strong>der</strong>n:Als Experimentierphase <strong>mit</strong> hohem Orientierungsbedarf sollte die Jugendzeit die <strong>Leben</strong>sphase se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> <strong>der</strong>sowohl die Anzahl <strong>der</strong> Objekte, die bewun<strong>der</strong>t werden, als auch die Intensität <strong>mit</strong> <strong>der</strong> das geschieht, ihr Maximumerreichen. Da Fantum <strong>in</strong> dieser Phase noch ke<strong>in</strong>er langen Investitionsdauer unterliegt und biographischwenig sedimentiert ist, ist es reversibler als bei Erwachsenen. Entsprechend lässt sich <strong>mit</strong> zunehmendemAlter nicht nur e<strong>in</strong> Rückgang <strong>der</strong> Intensität, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> Objektfluktuation erwarten. Zum reduziertenBedarf nach identitätsstiftenden Objekten kommen zunehmende Restriktionen bei <strong>der</strong> Ausübung vonFanaktivitäten. Sie gehen von <strong>der</strong> für die <strong>mit</strong>tlere <strong>Leben</strong>sphase typischen Familiengründung und Erwerbstätigkeitaus. Gerade außerhäuslichen Aktivitäten erlegt die Familie E<strong>in</strong>schränkungen auf: Der Fußballfan, <strong>der</strong>es als S<strong>in</strong>gle gewohnt war, se<strong>in</strong> Team selbst bei Auswärtsspielen zu begleiten, gerät <strong>in</strong> die Bredouille, wenner se<strong>in</strong>e Familie jedes Wochenende alle<strong>in</strong>e lässt. In <strong>der</strong> <strong>mit</strong>tleren <strong>Leben</strong>sphase ist daher e<strong>in</strong>e Privatisierung<strong>der</strong> Verehrung zu erwarten. […] Im <strong>Leben</strong>slauf sollte sich da<strong>mit</strong> die Position im diachronen Fanzyklus verschieben:Benke und Utz (1986) typisieren ihn bei Fußballfans als Entwicklung vom „Novizen“ über den„Kuttenträger“ zum „Veteranen“ […]. 93Auch Heitmeyer und Peter beobachten e<strong>in</strong>en Wechsel im Verhalten bzw. den (räumlichen)Prioritäten <strong>der</strong> „reiferen“ Fans: Sie halten sich h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Aktivitäten zurück und ziehenruhige Sitzplätze <strong>der</strong> pulsierenden, aktionsgeladenen Fankurve vor: „Da<strong>mit</strong> än<strong>der</strong>n sichallerd<strong>in</strong>gs nicht – quasi automatisch – auch die sozialen und politischen Orientierungsmuster,die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel stabiler verankert s<strong>in</strong>d als die wechselnden jugendspezifischen Gesellungsformen.“94"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""-( "Vgl. Roose, Jochen, Schäfer, Mike S., Schmidt-Lux, Thomas: E<strong>in</strong>leitung. Fans als Gegenstand soziologischerForschung. S. 18."-! "Schmidt-Lux, Thomas: Fans und alltägliche <strong>Leben</strong>sführung. In: Fans. Soziologische Perspektiven. Hrsg. vonJochen Roose, Mike S. Schäfer und Thomas Lux-Schmidt. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2010[= Erlebniswelten: Band 17]. S. 140.-# Schmidt-Lux, Thomas: Fans und Religion. In: Fans. Soziologische Perspektiven. Hrsg. von Jochen Roose,Mike S. Schäfer und Thomas Lux-Schmidt. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2010[= Erlebniswelten: Band 17]. S. 297f.-$ "Otte, Gunnar: Fans und Sozialstruktur. S. 86f. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al.-% Heitmeyer, Wilhelm, Peter, Jörg-Ingo: Jugendliche Fußballfans. Soziale und politische Orientierungen, Gesellungsformen,Gewalt. S. 60f.""!'"


Laut Stromberger liegt das Durchschnittsalter e<strong>in</strong>es Fußballfans zwischen 21 und 30 Jahren 95– e<strong>in</strong> <strong>Leben</strong>sabschnitt, <strong>in</strong> dem man beruflich wahrsche<strong>in</strong>lich schon die ersten Schritte vollzogen,die ersten Erfolge gefeiert und die ersten Nie<strong>der</strong>lagen h<strong>in</strong>genommen hat. Des Weiteren„hat <strong>der</strong> Fußballsport [vermutlich] seit <strong>der</strong> Zwischenkriegszeit <strong>in</strong> allen Schichten relativgleichmäßig Fans angezogen.“ 96Für W<strong>in</strong>fried Gebhardt s<strong>in</strong>d Fans vor allem Meister <strong>der</strong> Inszenierung: Dazu gehören erstens<strong>der</strong> Aufbau e<strong>in</strong>er Fassade, d.h. im Falle des Fußballs, dass <strong>der</strong> Fußballfan klar als solcher erkenn-und identifizierbar se<strong>in</strong> muss, zweitens die dramatische Gestaltung, die u.a. das Gebärdendes Fußballfans z.B. im Fußballstadion, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe, wenn er sich für se<strong>in</strong> Fanse<strong>in</strong>rechtfertigen muss, be<strong>in</strong>haltet und drittens die Idealisierung und Mystifikation. 97 Die „Idealisierung“bezieht sich auf die Ansammlung von Wissen bzw. das Expertentum des Fans, „ume<strong>in</strong> möglichst vollständiges Bild nachzeichnen zu können. Und nur diese Vollständigkeit desBildes erklärt den ‚idealen‘ Wert des Objekts.“ 98 „Mystifikation“ bedeutet <strong>in</strong> diesem Kontextdie „Auratisierung o<strong>der</strong> Charismatisierung des ‚verehrten‘ Gegenstandes, dem e<strong>in</strong>e ‚außeralltägliche‘,nicht für jeden erreichbare Qualität zugesprochen wird“. 99 E<strong>in</strong> Beispiel wäre dieTitulierung Lukas Podolskis als „Pr<strong>in</strong>z‘“ o<strong>der</strong> die Bezeichnung e<strong>in</strong>es herausragenden Spielersals „Fußballgott“.Nicht nur die schon vorgestellten Zuschauer-/Fantypologien s<strong>in</strong>d vielseitig und variantenreich,auch die Prozesse des Fußballfanwerdens bergen – wie man <strong>in</strong> diesem Abschnitt gesehenhat – viele Facetten und s<strong>in</strong>d von diversen Komponenten abhängig. Neben e<strong>in</strong>igen Übere<strong>in</strong>stimmungen,Überschneidungen und „festgelegten“ Ritualen <strong>der</strong> Fanpraxis ist das Fandase<strong>in</strong>auch <strong>in</strong>dividuell def<strong>in</strong>iert und geprägt, denn die jeweiligen Fanbiographien s<strong>in</strong>d durchausunterschiedlich. Zum Ende des Kapitels sei auf Mikos verwiesen, <strong>der</strong> „das Fanse<strong>in</strong> als e<strong>in</strong>ensoziale und kulturelle Praxis [begreift], die sich aus sozialen und medialen Quellen speist undfür die Fans e<strong>in</strong>e Bedeutung sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aushandlung ihrer eigenen Identität als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong>sozialen Integration hat.“ 100"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""-& Vgl. Otte, Gunnar: Fans und Sozialstruktur.S. 95."-' Ebd. S. 98. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al."-+ Vgl. Gebhardt, W<strong>in</strong>fried: Fans und Dist<strong>in</strong>ktion. In: Fans. Soziologische Perspektiven. Hrsg. von Jochen Roose,Mike S. Schäfer, und Thomas Lux-Schmidt. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2010[= Erlebniswelten: Band 17]. S. 195ff.-, "Ebd. S. 197."-- "Ebd. S. 197f."!(( "Mikos, Lothar: Mythos Fan. S. 497.""!+"


2.2.3 Aspekte <strong>der</strong> Vergeme<strong>in</strong>schaftung von Fans im FußballIn <strong>der</strong> Literatur f<strong>in</strong>den sich unterschiedliche Ansichten bezüglich <strong>der</strong> Vergeme<strong>in</strong>schaftungvon Fußballfans: E<strong>in</strong>mal geht es um die Frage, ob solche Geme<strong>in</strong>schaften überhaupt existieren,e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Mal um die Frage nach <strong>der</strong> Bedeutung solcher Geme<strong>in</strong>schaften. Wie wichtigs<strong>in</strong>d sie? Was bewirken sie? Haben sie e<strong>in</strong>en dauerhaften o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en temporären, sporadischenCharakter? In diesem Kapitel soll e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die verschiedenen Überlegungen zudiesem Bereich des Fußballfandase<strong>in</strong>s gewonnen werden.E<strong>in</strong>en möglichen Zugang, um sich <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Zusammenkunft von Fußballfans ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen,könnte die Massenpsychologie – genauer die Aufsätze Sigmund Freuds – bieten. LautFreud untersucht die Massenpsychologie „den e<strong>in</strong>zelnen Menschen als Mitglied e<strong>in</strong>es Stammes,e<strong>in</strong>es Volkes, e<strong>in</strong>er Kaste, e<strong>in</strong>es Standes, e<strong>in</strong>er Institution o<strong>der</strong> als Bestandteil e<strong>in</strong>esMenschenhaufens, <strong>der</strong> sich zu e<strong>in</strong>er gewissen Zeit für e<strong>in</strong>en bestimmten Zweck zur Masseorganisiert.“ 101 Die Art <strong>der</strong> Masse kann differieren: Das Spektrum reicht von kurzlebig bislangfristig, von konform bis non-konform, von natürlich bis artifiziell und von chaotisch bisstraff organisiert. 102 Des Weiteren gehört <strong>der</strong> Mensch nicht nur e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Masse an, son<strong>der</strong>n„hat […] Anteil an vielen Massenseelen […] und kann sich darüber h<strong>in</strong>aus zu e<strong>in</strong>emStückchen Selbstständigkeit und Orig<strong>in</strong>alität erheben.“ 103 Die Masse zeichnet sich dadurchaus, dass sie von Affekten wie z.B. <strong>der</strong> Libido zusammengehalten wird; ihre Mitglie<strong>der</strong> setzenan die Stelle des Ich-Ideals e<strong>in</strong> Objekt und identifizieren sich dadurch <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Masse<strong>mit</strong> den an<strong>der</strong>en Individuen. 104In dem hier zu behandelnden Kontext soll jedoch nicht <strong>der</strong> Begriff „Masse“ bzw. die psychologischeKonstitution <strong>der</strong> Masse im Vor<strong>der</strong>grund stehen und den Diskurs bestimmen, son<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Begriff bzw. das Konzept <strong>der</strong> „Geme<strong>in</strong>schaft“. Bei dieser Thematik handelt es sich umden „klassischen Topoi <strong>der</strong> Soziologie“. 105 Als richtungsweisend gilt Ferd<strong>in</strong>and Tönnies Differenzierungvon „Geme<strong>in</strong>schaft“ und „Gesellschaft“. 106 „Geme<strong>in</strong>schaft“ def<strong>in</strong>iert er „als e<strong>in</strong>esubjektiv empfundene und gefühlsmäßig verankerte Zusammengehörigkeit von Menschen.“107"Dazu zählt er „Familien-, Dorf- und Nachbarschaftsgeme<strong>in</strong>schaften […]“ und"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!(! "Freud, Sigmund: Massenpsychologie und Ich-Analyse. Die Zukunft e<strong>in</strong>er Illusion. 86.-107. Tausende Auflage.Frankfurt am Ma<strong>in</strong>: Fischer-Taschenbuchverlag 1971[= Fischer-Taschenbücher. 6054:Bücher d. Wiss, ]. S. 10.!(# Vgl. ebd. S. 32."!($ "Ebd. S. 68."!(% "Vgl. ebd. S. 27ff und S. 81."!(& Schäfer, Mike S., Roose, Jochen: Die gesellschaftliche Bedeutung von Fußballbegeisterung. Vergeme<strong>in</strong>schaftungund Sozialkapital-Bildung auf dem Prüfstand. In: Ernste Spiel. Zur politischen Soziologie des Fußballs.Hrsg. von Gabriele Kle<strong>in</strong> und Michael Meuser. Bielefeld: transcript Verlag 2008 [= Materialitäten; Band 6]. S.205.!(' "Ebd. S. 205."!(+ "Ebd. S. 205."!,"


„Geistes-, Volks- o<strong>der</strong> Glaubensgeme<strong>in</strong>schaften, bei denen das Zusammenhörigkeitsgefühlvornehmlich auf e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same „Ges<strong>in</strong>nung“ […] zurückgehe.“ 108 Folgende Charakteristikaprägen die Organisation <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaften:Die B<strong>in</strong>dungsstärke <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaften kann variieren. Teils ordnet sich das Individuum lediglich selbst e<strong>in</strong>erGruppe zu und <strong>in</strong>teragiert <strong>mit</strong> ihr. Teils wird die Gruppe explizit über das Individuum gestellt und <strong>der</strong> Kerngedanke<strong>der</strong> Integration besteht dann im „geme<strong>in</strong>samen Wollen“, […] d.h. dar<strong>in</strong>, dass <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelne e<strong>in</strong>enBeitrag zum Gel<strong>in</strong>gen <strong>der</strong> Gruppe leisten müsse […]. 109Die „Gesellschaft“ unterscheidet sich von <strong>der</strong> ‚Geme<strong>in</strong>schaft‘ <strong>in</strong> <strong>der</strong> H<strong>in</strong>sicht, dass „das Kollektivlediglich e<strong>in</strong> Mittel zur Realisierung <strong>der</strong> letztlich aber egoistischen Zwecke <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelnensei. Beispiele s<strong>in</strong>d Unternehmen und politische Organisationen.“ 110 Autoren, die <strong>in</strong> diesemFeld weitere wichtige Beiträge geleistet haben, s<strong>in</strong>d Max Weber und Emile Durkheim.Aus den Arbeiten <strong>der</strong> genannten Autoren lassen sich drei elementare Ebenen herausfiltern, dieGeme<strong>in</strong>schaft beschreiben können:Identifikation: Geme<strong>in</strong>schaften zeichnen sich durch die subjektiv empfundene Zusammengehörigkeit <strong>der</strong>E<strong>in</strong>zelnen aus, die sich selbst also <strong>der</strong> jeweiligen Gruppe zugehörig fühlen.Interaktion: Geme<strong>in</strong>schaften s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>em spezifischen, auf die Gruppe gerichteten und oft emotionalen o<strong>der</strong>affektiven (im Gegensatz zu zweck- o<strong>der</strong> wertrationalem) Handeln <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelnen verbunden. […]Kollektivwohlorientierung [f<strong>in</strong>det sich vor allem bei Tönnies]: Geme<strong>in</strong>schaften führen teilweise dazu, dassdie E<strong>in</strong>zelnen die Gruppe über sich stellen und <strong>mit</strong> ihrem Handeln vor allem e<strong>in</strong>en Beitrag zum Gel<strong>in</strong>gen <strong>der</strong>Gruppe leisten wollen. 111Schäfer und Roose haben anhand dieser drei Kategorien vermutliche Vergeme<strong>in</strong>schaftungstendenzenvon Fußballfans überprüft. Den Bereich des Fußballs halten die Autoren für beson<strong>der</strong>sgeeignet, da Fußball zum e<strong>in</strong>en „als Spiel <strong>mit</strong> großer sozialer Integrationskraft dargestellt“wird und zum an<strong>der</strong>en theoretisch für jeden als Betätigungsfeld offen steht. 112 Schäferund Roose verfolgen die Annahme,dass sich Fußballfans als mo<strong>der</strong>ne Form <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsbildung betrachten lassen. Während Menschen <strong>in</strong>mo<strong>der</strong>nen Gesellschaften immer weniger <strong>in</strong> traditionelle Ligaturen wie Familie und Religion e<strong>in</strong>gebundens<strong>in</strong>d, […] bieten gerade leicht zugängliche und offene Geme<strong>in</strong>schaften wie jene rund um den Fußball dieMöglichkeit, sich <strong>in</strong>dividuell und freiwillig e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft zuzuordnen. 113Im Rahmen e<strong>in</strong>er empirischen Untersuchung konnten sie die Vermutungen über Fußballfangruppierungenbelegen, denn die Fans zeigen e<strong>in</strong>e hohe Identifikation <strong>mit</strong> dem Vere<strong>in</strong>, <strong>in</strong>teragierenhäufig <strong>mit</strong> gleichges<strong>in</strong>nten Fußballfans und „versuchen, dabei dem Wohl des Vere<strong>in</strong>szuträglich zu se<strong>in</strong> und <strong>in</strong> Kooperation <strong>mit</strong> an<strong>der</strong>en e<strong>in</strong> Kollektivgut zu erstellen.“ 114 Allerd<strong>in</strong>gsweisen die Autoren auch daraufh<strong>in</strong>, dass Vergeme<strong>in</strong>schaftungstendenzen <strong>in</strong>nerhalb ei-"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!(, "Ebd. S. 205."!(- "Ebd. S. 205f."!!( "Ebd. S. 206."!!! "Ebd. S. 207. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al.!!# "Ebd. S. 201."!!$ "Ebd. S. 210f."!!% "Ebd. S. 217.""!-"


ner Gesamtgesellschaft – z.B. während e<strong>in</strong>er Weltmeisterschaft – eher temporären Charakterbesitzen und auf Dauer nur ger<strong>in</strong>ge Wirkungen ausstrahlen; beständige und weitreichen<strong>der</strong>e„Prozesse <strong>der</strong> Sozial<strong>in</strong>tegration“ 115 f<strong>in</strong>den sich auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Fans lokaler Vere<strong>in</strong>e.Heimann und Kenn<strong>in</strong>g halten bezüglich <strong>der</strong> Dimension <strong>der</strong> Interaktion fest, dass Fußballfans<strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat über viele Kontakte bzw. Beziehungen verfügen:So gehörte je<strong>der</strong> <strong>der</strong> von uns befragten Fans e<strong>in</strong>em konkreten, mehr o<strong>der</strong> weniger großen Netzwerk von Freundenund Bekannten an […]. Überzeugte Fußballfans s<strong>in</strong>d uns nur als Gruppen<strong>mit</strong>glie<strong>der</strong> und nicht als E<strong>in</strong>zelgängerbegegnet. „Der Freundeskreis entsteht automatisch. Man kann schon alle<strong>in</strong>e Fan se<strong>in</strong>. Aber wenn man<strong>in</strong> die Geme<strong>in</strong>schaft re<strong>in</strong>kommt, f<strong>in</strong>det man jemandem, <strong>mit</strong> dem man quatschen kann, und dadurch ist das Alle<strong>in</strong>e-Fanse<strong>in</strong>nicht für die Ewigkeit. Es werden Freundschaften geknüpft o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Sachen.“ 116Ob man als Fan den Alle<strong>in</strong>gang pflegt o<strong>der</strong> sich als Teil e<strong>in</strong>es Kollektivs fühlen und wahrgenommenwerden möchte, hängt (auch) von <strong>der</strong> Art und dem Ausmaß des Fanse<strong>in</strong>s ab. E<strong>in</strong>egroße Kontaktvernetzung bedeutet nicht zw<strong>in</strong>gend, dass man als Fan immer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gruppeauftreten und praktizieren muss.Für Krischke-Ramaswamy, die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Studie <strong>mit</strong> den Rezeptionserfahrungen von Fans– auch von Fußballfans – und Szenegängern beschäftigt hat, s<strong>in</strong>d Fangeme<strong>in</strong>schaften zwar(zahlreich) vorhanden, jedoch nicht von <strong>der</strong>art großer Relevanz für den e<strong>in</strong>zelnen Fan wieman vielleicht vermuten würde bzw. wie man bisher auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung annahm 117 :Fast alle <strong>der</strong> befragten Fans und Szenegänger haben Kontakt zu Gleichges<strong>in</strong>nten, e<strong>in</strong>ige haben diese aber erstmehrere Jahre nach dem Beg<strong>in</strong>n ihres Fandoms 118 […] geknüpft und motivierend o<strong>der</strong> i<strong>mit</strong>ierend für dasFandom […] s<strong>in</strong>d Kontakte zu den an<strong>der</strong>en Fans selten. Als Voraussetzung für das ästhetische Interesse werdenKontakte zu den Gleichges<strong>in</strong>nten nicht angesehen und auch nicht dafür, sich als Fan […] zu fühlen. Zudemhaben Kontakte zwischen Gleichges<strong>in</strong>nten <strong>in</strong> verschiedenen Fangruppen deutlich unterschiedliche Ausprägungenund Bedeutung und sie s<strong>in</strong>d daher <strong>in</strong> unterschiedlichem Maße als soziale Geme<strong>in</strong>schaften formiert[…]. Die Art und Dichte <strong>der</strong> kommunikativen Vernetzung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Fangruppen und Lifestyle-Szenen unterschiedlichund nur zum Teil führt sie dazu, dass sich e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Rezipienten bilden kann. Je mehrpersönliche Kontakte zwischen den Fans […] bestehen und je weniger diese <strong>in</strong> direktem Bezug zu dem ästhetischemInteresse stehen, desto stärker [ist] Fandom […] <strong>in</strong> den Alltag <strong>der</strong> Rezipienten <strong>in</strong>tegriert, dadurchdass die Fan- und Szenekontakte gleichzeitig alltägliche soziale Beziehungen s<strong>in</strong>d. Fans bilden meist ke<strong>in</strong>esoziale Geme<strong>in</strong>schaften, son<strong>der</strong>n kommen nur temporär, z.B. bei den Events, als größere Gruppe zusammenund s<strong>in</strong>d nur teilweise kommunikativ verbunden. Sie s<strong>in</strong>d vielmehr und teilweise ausschließlich Rezipienten<strong>mit</strong> beson<strong>der</strong>em für das gleiche Phänomen Populärer <strong>Kultur</strong>, die nur durch ihr geme<strong>in</strong>sames Interesse alsGruppe betrachtet werden können. 119Krischke-Ramaswamy schwächt durch die von ihr durchgeführte Studie die Bil<strong>der</strong> von ausgelassenen,<strong>mit</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> jubelnden und feiernden Fans, die sich e<strong>in</strong>em – z.B. während <strong>der</strong> WM2010 – vor das Auge schieben, ab, entzieht dem Geschehen e<strong>in</strong> wenig den Zauber und manlandet auf dem Boden <strong>der</strong> Fantatsachen."""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!!& "Ebd. S. 202."!!' "Akremi, Leila, Hellmann, Kai-Uwe: Fans und Konsum. S. 314."!!+ "Vgl. Krischke-Ramaswamy, Moh<strong>in</strong>i: Populäre <strong>Kultur</strong> und Alltagskultur. S. 81."!!, ""Fandom bezeichnet u.a. die Vielzahl <strong>der</strong> Fanaktivitäten. In deutschen Publikation werden die Übersetzungen„Fantum“ o<strong>der</strong> „Fanse<strong>in</strong>“ äquivalent zu dem Begriff Fandom gebraucht. Vgl. ebd. S. 33.!!- "Ebd. S. 81 und 86."#(""


Gebauer hält die Zuschauer als Gruppe für e<strong>in</strong>e Art Regisseur des Fußballspiels; sie gibt imStadion den Ton an, sie ist sozusagen das Herz des pulsierenden Ereignisses auf dem Platz,allerd<strong>in</strong>gs wirken die Emotionen nur für den Moment – genau wie das geme<strong>in</strong>schaftlicheAgieren: Im Stadion, <strong>der</strong> Stätte des Geschehens, fügen sich die e<strong>in</strong>zelnen Zuschauer wie <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em Puzzle zu e<strong>in</strong>em Publikum zusammen, das den Verlauf des Spiels <strong>in</strong> die Hand nimmtund dirigiert; nach dem Spiel zerspr<strong>in</strong>gt das Puzzle wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zelteile, man bewegtsich von <strong>der</strong> Welt des Fußballs wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Welt des Alltagslebens und muss sich auf sichselbst konzentrieren, sich zurecht f<strong>in</strong>den und sich von se<strong>in</strong>en empfundenen Gefühlen distanzieren.120 Wenn hier auch <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck entsteht, dass das Geme<strong>in</strong>schaftsgefühl von Flüchtigkeitbegleitet wird, besteht für Gebauer dennoch e<strong>in</strong> Gew<strong>in</strong>n, e<strong>in</strong>e Bereicherung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>enForm <strong>der</strong> Fußballgeme<strong>in</strong>schaft, die außerhalb <strong>der</strong> Stadionatmosphäre doch e<strong>in</strong>en festenPlatz im <strong>Leben</strong> des E<strong>in</strong>zelnen e<strong>in</strong>nehmen kann, denn <strong>in</strong> ihr geht es um mehr als die pure Emotiono<strong>der</strong> das Lenken des Spielverlaufs – Gebauer nennt diese Zusammenkunft die „Fan-Family“: 121In den Geme<strong>in</strong>schaften des Fußballs […] ist den alten Kirchen e<strong>in</strong>en junge, kräftige Konkurrenz entstanden.Was diese anzubieten hat, ist e<strong>in</strong>e grundlegende Umgestaltung des Ichs, begleitet von e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>tensiven Gefühldes Besserwerdens. […] In diesem Prozess werden die B<strong>in</strong>dungen, die das Ich vorher hatte, stark verän<strong>der</strong>t:Vor dem E<strong>in</strong>tritt e<strong>in</strong>es Jugendlichen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaft von Fans ist dieser mehr o<strong>der</strong> weniger fest <strong>in</strong>die Familie und <strong>in</strong> die Schule e<strong>in</strong>gebunden. Mit zunehmendem Alter verlieren die traditionellen Erziehungs<strong>in</strong>stanzenihren E<strong>in</strong>fluss auf die Jugendlichen, soweit sie überhaupt noch e<strong>in</strong>en Anspruch darauf erheben.Jetzt wirkt die Vergeme<strong>in</strong>schaftungsform <strong>der</strong> Family; hier werden die Beziehungen frei gewählt und selbstgestaltet. […] Alle positiven Merkmale <strong>der</strong> Institution Familie – <strong>in</strong>time Gefühlsb<strong>in</strong>dungen, die Empf<strong>in</strong>dungvon Sicherheit, Vertrautheit und Nähe des Umgangs, Fürsorge füre<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und was <strong>der</strong> Schatz familiärerPhantasien sonst noch enthält, alles dies wollen die Jugendlichen noch e<strong>in</strong>mal haben, diesmal aber frei gewähltund selbst bestimmt. Die Fan-Family ist e<strong>in</strong>e Art Idealbild <strong>der</strong> Vergeme<strong>in</strong>schaftung im Fußball, dasüber das Jugendalter h<strong>in</strong>aus attraktiv ist. […] E<strong>in</strong>es <strong>der</strong> wichtigsten Merkmale religiöser Geme<strong>in</strong>schaften ist,dass sie die biologische Verwandtschaft durch e<strong>in</strong>en <strong>der</strong> Familie ähnlichen Verbund ersetzt. […] An den Mithra-<strong>Kultur</strong>en,die sich über die antike Welt ausbreiteten, lässt sich nach E. Meyerson erkennen, welche Beiträgedie Religion für die Genese des Begriffs <strong>der</strong> Person leisten können: An<strong>der</strong>s als die regionalen Kultenrichteten sie sich an alle Menschen. Sie nahmen alle Menschen auf, die glauben wollten. […] MeyersonsÜberlegungen zum Mithra-Kulten lässt sich <strong>in</strong> mehreren H<strong>in</strong>sichten auf die Geme<strong>in</strong>schaften <strong>in</strong> Fußball undPop-<strong>Kultur</strong> übertragen: Auch diese s<strong>in</strong>d überregional, im Pr<strong>in</strong>zip egalitär, aber <strong>mit</strong> fe<strong>in</strong>en Abstufungen, dienicht von den üblichen sozialen Werten, son<strong>der</strong>n nach Kompetenz und Stil des Auftretens gebildet werden. 122Gebauer zieht an dieser Stelle e<strong>in</strong>en Vergleich zwischen religiösen Glaubensgeme<strong>in</strong>schaftenund <strong>der</strong> Vergeme<strong>in</strong>schaftung im Fußball, <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong>er Menschen zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> f<strong>in</strong>den, aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zu gehen, e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> unterstützen und weist daraufh<strong>in</strong>, dass die „Fan-Families“ ebenfallsnicht räumlich, örtlich beschränkt s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n über Grenzen h<strong>in</strong>aus, fast universal wirken.Gebauer spricht <strong>in</strong> diesem Kontext auch von e<strong>in</strong>em Geme<strong>in</strong>schaftsvertrag, „[<strong>der</strong>] die"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!#( "Vgl. Gebauer, Gunter: Poetik des Fußballs. Frankfurt/New York: Campus Verlag 2006. S. 52 und 55f.!#! "Ebd. S. 114."!## "Ebd. S. 114f. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al.""#!"


e<strong>in</strong>zelnen Ichs als Teil <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de gebildeten Über-Person [konstituiert].“ 123 DiesemVertrag wohnt jedoch e<strong>in</strong> rationaler Beigeschmack bei:Was die Geme<strong>in</strong>schaft ist, was sie tut, und was sie glaubt, steht nicht fest. Es gibt sie nicht unabhängig vonden Aktionen ihrer Mitglie<strong>der</strong>. Im Begriff des Vertrags ist auch enthalten, dass je<strong>der</strong> Beteiligte im Pr<strong>in</strong>zipweiß, dass das Heilige e<strong>in</strong>e Fiktion ist und dass die geme<strong>in</strong>same Welt nur so lange zusammengehalten wird,wie die Beteiligten ihre Anfor<strong>der</strong>ungen erfüllen. 124Schümer steht e<strong>in</strong>er Vergeme<strong>in</strong>schaftung von Fans im Fußball kritisch gegenüber, lockert dieSchnüre zwischen den Fans. Er skizziert das Stadion als e<strong>in</strong>e Art Treffpunkt <strong>der</strong> e<strong>in</strong>samenSeelen, die überwiegend alle<strong>in</strong>e zum Spiel kommen und dort – für e<strong>in</strong>en kurzen Augenblick –zum<strong>in</strong>dest oberflächlich aus ihrer E<strong>in</strong>samkeit ausbrechen. 125Christian Bromberger bewertet die Form und Bedeutung des Zusammenrückens <strong>der</strong> Fanswährend e<strong>in</strong>es Fußballspiels ähnlich wie Gebauer – e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaft entsteht, die e<strong>in</strong>en eheran <strong>der</strong> Oberfläche berührt und nur kurz das Innere streift, die nur für den Moment hält und<strong>der</strong>en Zusammenstellung <strong>der</strong> Zufall, das Schicksal bestimmt:[W]ährend des Matchs wird e<strong>in</strong>e „Ges<strong>in</strong>nungsgeme<strong>in</strong>schaft“ kreiert und die normalen Hierarchien aufgelöst,wenn nicht ganz aufgehoben. Das <strong>Fussball</strong>match schafft e<strong>in</strong>en Communitas-S<strong>in</strong>n, <strong>der</strong> im alltäglichen S<strong>in</strong>nverloren gegangen o<strong>der</strong> unterm<strong>in</strong>iert worden ist. Gebärde, Worte und Verhalten drücken diesen flüchtigenÜbergang sozialer Beziehungen aus: das Umarmen unbekannter gleichges<strong>in</strong>nter Fans, herzliches Geplau<strong>der</strong><strong>mit</strong> <strong>der</strong> erstbesten Person, die man antrifft und die, kaum ertönt <strong>der</strong> Schlusspfiff, wie<strong>der</strong> zu e<strong>in</strong>em Fremdenwird, <strong>der</strong> kaum e<strong>in</strong>es Abschiedsgrusses würdig ist. 126Mikos betrachtet die Tendenzen und Entwicklungen von Fußballfangeme<strong>in</strong>schaften aus e<strong>in</strong>erhistorisch-soziologischen Perspektive und konstatiert e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung bezüglich <strong>der</strong> Art <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>schaft – Fußball wird nicht mehr „am eigenen Leib“ erfahren, son<strong>der</strong>n medial konsumiert.Medien werden zum Zentrum <strong>der</strong> Zusammenkunft, anstatt Nähe wirkt Distanz:In <strong>der</strong> reflexiven Mo<strong>der</strong>ne haben sich auch Fußballfankulturen ent-traditionalisiert und de-territorialisiert. Siewurden zu Geschmacksgeme<strong>in</strong>schaften, die auch und gerade über die Medien, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e das Fernsehen,konstituiert und zusammengehalten werden. Fußballfans werden so Teil von imag<strong>in</strong>ierten Geschmacksgeme<strong>in</strong>schaften127 […]. 128Abschließend lässt sich festhalten, dass Geme<strong>in</strong>schaften von Fußballfans def<strong>in</strong>itiv existierenund sich Fußballfans als kontakt- und b<strong>in</strong>dungsfreudig erweisen, aber die Zugehörigkeit zue<strong>in</strong>e Gruppe ist ke<strong>in</strong>e Voraussetzung, um Fußballfan se<strong>in</strong> zu „dürfen“. E<strong>in</strong>ige Autoren sehen"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!#$ "Ebd. S. 116."!#% "Ebd. S. 116."!#& "Vgl. Schümer, Dirk: Gott ist rund. Die <strong>Kultur</strong> des Fußballs .S. 158."!#' "Bromberger Christian: <strong>Fussball</strong> als Weltsicht und als Ritual. In: Ritualtheorien. E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>führendes Handbuch.Hrsg. von Andréa Belliger und David J. Krieger. Opladen [u.a.]: Westdeutscher Verlag 1998. S. 297f .!#+ ".Der Begriff wurde von Benedict An<strong>der</strong>son im Zusammenhang <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>en Arbeiten über Nationalismus entwickelt.Se<strong>in</strong>e zentrale These war, dass Nation als e<strong>in</strong>e imag<strong>in</strong>ierte, politische Geme<strong>in</strong>schaft zu verstehen ist.Imag<strong>in</strong>iert, weil die meisten Mitglie<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>sten Nationen nicht die Gelegenheit haben, die meistenan<strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> jemals zu treffen geschweige denn zu kennen. Aber trotzdem haben sie e<strong>in</strong> Bild bzw. Image<strong>der</strong> Nation, <strong>der</strong> sie sich zugehörig fühlen, im Kopf. Solche Geme<strong>in</strong>schaften lassen sich nach An<strong>der</strong>son […] auf<strong>der</strong> Basis des Stils, <strong>mit</strong> dem sie imag<strong>in</strong>iert werden unterscheiden.“ Vgl. Mikos, Lothar: Mythos Fan. Fußball-Fankulturen im Kontext gesellschaftlicher Verän<strong>der</strong>ungen. S. 486."!#, "Ebd. S. 486."##""


die Fußballgeme<strong>in</strong>schaft als Ersatz bzw. als Konkurrenz für an<strong>der</strong>e Formen des Zusammenhaltswie z.B. die Familie o<strong>der</strong> die Religion. Die „Teilnahme“ an e<strong>in</strong>er Fußballfangruppe, ane<strong>in</strong>er „Fan-Family“ kann für den E<strong>in</strong>zelnen so<strong>mit</strong> durchaus positive Auswirkungen haben.Viele <strong>der</strong> hier vorgestellten Me<strong>in</strong>ungen s<strong>in</strong>d sich im dem Punkt e<strong>in</strong>ig, dass Fußballfanbeziehungennur für den Moment – z.B. vor und während e<strong>in</strong>es Fußballspiels – existieren und aufrechterhaltenwerden. In dieser Zeit leisten diese Geme<strong>in</strong>schaften Großes, <strong>in</strong>dem sie z.B. ihreEmotionen bündeln und dem Fanobjekt zur Verfügung stellen, um dem Spiel Atmosphäre zuverleihen. Der Aspekt <strong>der</strong> Zusammenhörigkeit <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Gruppe spielt <strong>in</strong> vielen Fällene<strong>in</strong>e bedeutsame Rolle. Bei „kle<strong>in</strong>eren“ Fangruppen, bei den Fanclubs <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> <strong>der</strong>„Fan-Family“ ist die Dauer <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne unbegrenzt, dass man selbst o<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>schaftlichentscheiden kann, ob man sich aus dieser Geme<strong>in</strong>schaft zurückziehen möchte o<strong>der</strong> die Geme<strong>in</strong>schaftauflöst.2.2.4 Ansichten zur (Fan-)Gewalt im FußballWenn man jemanden nach den Akteuren von Gewalt im Fußball fragt, bekommt man häufigfolgende Antwort zu hören: „Das s<strong>in</strong>d doch immer diese Hooligans. Das ist unmöglich, wiedie sich benehmen – alles Asoziale. Wahrsche<strong>in</strong>lich arbeitslos, haben nix zu tun und wennJugendliche randalieren, dann kümmern sich die Eltern nicht genug. Zu viel Zeit, zu vielLangweile.“ 129 Hier f<strong>in</strong>den sich e<strong>in</strong>ige Aspekte, die oft <strong>mit</strong> diesem Thema <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebrachtwerden, die aber nur e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Ausschnitt des Phänomens Gewalt im Fußball repräsentieren.An dieser Stelle liegt – so könnte man sagen – <strong>der</strong> Gebrauch von Stereotypenvor. Inwieweit sich diese Stereotypen <strong>in</strong> Theorie und Praxis bewahrheiten, wer und was nochGewalt außerhalb des Spielfeldes hervorruft und begünstigt, soll an dieser Stelle kurz thematisiertwerden. Dabei ist es auch wichtig festzulegen, was „Gewalt“ bedeutet – ist es nur diephysische Verletzung o<strong>der</strong> zum Beispiel auch durch Worte?Alexan<strong>der</strong> Leistner legt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Aufsatz Fans und Gewalt, <strong>der</strong> auch Aktionen von Fußballfansbehandelt, gewisse Rahmen und Ersche<strong>in</strong>ungsformen von Gewalt fest. Er wählt e<strong>in</strong>enGewaltbegriff, <strong>der</strong> h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er Art <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition durchaus Parallelen zum Fanse<strong>in</strong>aufweist – nur die Rollenbesetzung ist e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e:Fanse<strong>in</strong> ist e<strong>in</strong> Interaktionsgeschehen zwischen Fan, Fanobjekt, Gleichges<strong>in</strong>nten bzw. Rivalen sowie Dritten[…]. Es ist wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> situative, biographische, sozialstrukturelle, [sic!] sowie kulturelle Kontexte.Charakteristisch s<strong>in</strong>d unterschiedlichste und dabei verschieden emotions<strong>in</strong>tensive Bezugnahmen aufdas Fanobjekt […][und] vielfältige Interaktionen […]. Gewalt wie<strong>der</strong>um ist idealtypisch e<strong>in</strong> Interaktionsgeschehenzwischen Tätern, Opfern und Dritten, das e<strong>in</strong>gebettet ist <strong>in</strong> situative, biographische, sozialstrukturel-"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!#- "Diese Formulierung bzw. Aussage habe ich verfasst und ist demnach nicht e<strong>in</strong>er Quelle entlehnt."#$"


"le, [sic!] sowie kulturelle Kontexte […]. Gewalt wird ausgeübt, erlitten, beobachtet (o<strong>der</strong> gerade nicht beobachtet).130Für Leistner bedeutet Gewalt im engeren S<strong>in</strong>ne die absichtsvolle körperliche Verletzung 131 ,mentale o<strong>der</strong> verbale Gewalt wird ausgeklammert. In se<strong>in</strong>en weiteren Ausführungen folgtLeistner e<strong>in</strong>em weiter gefassten Verständnis von Gewalt. Als mögliche Akteurkonstellationenvon Gewalt im Fankontext nennt er den „Hooliganismus als wechselseitige […] Gewalt vonFans gegen Fans “: 132Diese spezifische Gewaltbeziehung zwischen zwei Akteuren, die Schmerzen und mögliche Verletzungene<strong>in</strong>kalkulieren, lässt e<strong>in</strong>e klare Unterscheidung von Täter- und Opferseite unkenntlich werden. Sie konstituiertstattdessen situativ Gew<strong>in</strong>ner und Verlierer o<strong>der</strong> verfestigt die hierarchisierende Zuschreibung e<strong>in</strong>er Hooliganszeneals beson<strong>der</strong>s angesehene Gruppe. 133Weitere Formen s<strong>in</strong>d die „Gewalt von Fans gegen unbeteiligte Fans“, die „Gewalt von Fansunter Gleichges<strong>in</strong>nten“, auch „gesellige Gewalt“ genannt, die „Gewalt von Fans gegen Dritte“– als Dritte gelten Ordner o<strong>der</strong> Polizisten, die „Gewalt von Fans gegen das Fanobjekt“,z.B. <strong>in</strong> Form von Stalken und die „Gewalt gegen Fans“ selbst ausgeübt durch „staatliche o<strong>der</strong>vigilante Übergriffe zur Unterdrückung und Bekämpfung kultureller o<strong>der</strong> politischer Abweichung.“134 Diese E<strong>in</strong>teilung macht deutlich, dass Gewalt aus unterschiedlichen Motivationenheraus ausgeübt wird, die Art <strong>der</strong> angewendeten Gewalt sich unterscheidet und Gewalt sowohlvon E<strong>in</strong>zelpersonen als auch von Gruppierungen o<strong>der</strong> Organisationen wie z.B. demStaat ausgehen kann. Zur noch besseren Differenzierung hat Leistner e<strong>in</strong>e Typologie fanspezifischerGewaltformen aufgestellt:Intervenierende Gewalt […] zielt direkt auf das Fanobjekt bzw. auf das un<strong>mit</strong>telbar <strong>mit</strong> dessen Aktivitätenverbunden Akteurfeld, also auch auf Security<strong>mit</strong>arbeiter, Schiedsrichter, Konkurrenten, Veranstalter. Im Gegensatzzur passiven Bewun<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> kreativ-<strong>in</strong>strumentellen Aneignung des Fanobjektes steht <strong>in</strong>tervenierendeGewalt dafür aktiv <strong>in</strong> das Geschehen e<strong>in</strong>zugreifen. […] Im unter Fußballfans verbreiteten Spruch „Siego<strong>der</strong> Spielabbruch“, sowie den dann ausgelösten Platzstürmen und Attacken auf Spieler und Schiedsrichtermanifestiert sich das Selbstverständnis und Selbstbewusstse<strong>in</strong> von Fans, situationsunabhängig die <strong>in</strong>tervenierendeLeit<strong>in</strong>stanz des Geschehens zu se<strong>in</strong> […].Gesellige Gewalt […][:] Im Unterschied zur „geme<strong>in</strong>samen Gewalt“ e<strong>in</strong>er Gruppe gegen Außenstehende, dieja ebenfalls geme<strong>in</strong>schaftsbildend und –verstärkend wirkt, ist gesellige Gewalt ungerichtet. Sie hat ke<strong>in</strong>e def<strong>in</strong>iertenGegner als Gegenüber, son<strong>der</strong>n vollzieht sich <strong>mit</strong>ten im subkulturell gerahmten Strudelgeschehen<strong>der</strong> gleichges<strong>in</strong>nten Interaktionspartner. Geme<strong>in</strong>schaft stiftet nicht die erkämpfte Überlegenheit o<strong>der</strong> die kollektiverlittene Nie<strong>der</strong>lage, son<strong>der</strong>n das gelungene gewalthaltige (Rausch-)Erlebnis. […] Als Mittel zur vergeme<strong>in</strong>schaftendenRauscherzeugung […] wurde [gesellige Gewalt] u.a. <strong>in</strong> die Fankurven von Stadien importiert.[…]Kompetitive Gewalt […] richtet sich gegen konkurrierende Fans und Fangruppen. Die Gegnerschaft und folgenreicheKonkurrenz <strong>der</strong> Fanobjekte beför<strong>der</strong>t stark abgrenzungsorientierte Identitätskonstruktionen <strong>der</strong>Fans. [E<strong>in</strong>e Untersuchung von Fußballfans brachte folgendes zutage:] Es entstand parallel zum Spiel e<strong>in</strong> vonden Fans selbst auf den Rängen ausgetragener Wettkampf um Wucht und Orig<strong>in</strong>alität <strong>der</strong> Stimmungserzeu-"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!$( "Leistner, Alexan<strong>der</strong>: Fans und Gewalt. In: Fans. Soziologische Perspektiven. Hrsg. von Jochen Roose, MikeS. Schäfer, und Thomas Lux-Schmidt. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2010 [= Erlebniswelten:Band 17]. S. 251.!$! "Er schließt sich hier dem engen Gewaltbegriff von Autoren wie He<strong>in</strong>rich Pospitz an."Vgl*"0bd. S. 251.!$# "Ebd. S. 257. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al."!$$ "Ebd. S. 257."!$% "Ebd. S. 257-261. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al."#%"


"gung, <strong>der</strong> für viele Fans den Ausgang gewaltsamer Aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>treffen traditionell und ausdrücklich e<strong>in</strong>schließtund Gewalt für e<strong>in</strong>ige zum Kern von Fan- und Gruppenidentität werden lässt. Dieser Konkurrenzlogikfolgend wird Gewalt zu e<strong>in</strong>er subkulturell legitimen Handlungsressource. 135Anhand dieser Typologie untersuchte Leistner fußballspezifische Gewaltformen und kam zudem Schluss, dass <strong>in</strong>tervenierende Gewalt im Kontext Fußball eher vere<strong>in</strong>zelt auftritt; als vorherrschendeGewaltform zeigt sich die kompetitive Gewalt:Typisch für das Aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>treffen <strong>der</strong> Fangruppen an den Spieltagen s<strong>in</strong>d ritualisierte Aggro-Inszenierungen. Diese Gewaltform setzt die Anwesenheit von Begrenzungen wie Polizeiketten o<strong>der</strong> Absperrzäunenvoraus. Sie verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n direkte Konfrontationen und stecken das „Spielfeld“ für die durchaus ernstenInszenierungen von Gewaltbereitschaft (Werfen von Gegenständen […], simulierter Blocksturm) und für dieKommunikation von Stärke und Aggressivität ab. Die Aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>treffen wirken spektakulär – was sich auch<strong>in</strong> <strong>der</strong> dramatisierenden Berichterstattung nie<strong>der</strong>schlägt – sie bleiben aber <strong>in</strong> Ablauf und Gewalt<strong>in</strong>tensitätkalkulierbar. Der Befund deckt sich <strong>mit</strong> den zahlreichen Studien, die den rituellen Charakter von Fangewaltbetonen. 136Für Schümer s<strong>in</strong>d Gewalthandlungen seitens <strong>der</strong> Fans im Fußball nichts Überraschendes, liegendiese doch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur und <strong>der</strong> Organisation dieses Spiels begründet und s<strong>in</strong>d zudem alsMerkmal <strong>der</strong> Gesellschaft zu sehen:Gewalt hat ihren phänomenologischen Reiz und wird von e<strong>in</strong>er bestimmten Gruppe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erlebnisgesellschaftnachgefragt. Der Fußball bietet sich aus historischen und praktischen Gründen als bevorzugtes, wennauch längst nicht als ausschließliches Austragungsfeld dieser Spaßgewalt an. Sie hat als Segment unserer<strong>Kultur</strong> ihrerseits ihre klar umrissenen Ausdrucksformen und Regeln hervorgebracht. Der Fußball <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>erAura <strong>der</strong> Konfrontation e<strong>in</strong>en geordneten, planbaren Menschenaufläufen, se<strong>in</strong>er Polizeipräsenz, <strong>der</strong> massenhaftenAnwesenheit von präsumtiven Gegnern und Opfern zieht die Gewalttäter magisch an. 137Als „Gewalttäter“ nennt Schümer die Hooligans: „Sie s<strong>in</strong>d die Fe<strong>in</strong>de des Fußballs, die dieTugenden <strong>der</strong> echten Fans nur um so heller erstrahlen lassen und die dem Fußball se<strong>in</strong>e ständigeGefährdung vorspiegeln“. 138 Schümer macht deutlich, dass Hooligans ke<strong>in</strong>e spezifischeSchichtzugehörigkeit aufweisen; die Suche nach Bestätigung und Gruppenzugehörigkeitmacht se<strong>in</strong>er Ansicht nach für sie nicht das zu erstrebende Ziel aus: „Sie wollen <strong>mit</strong> Gewaltnicht irgend etwas erreichen, son<strong>der</strong>n ihren Spaß maximieren.“ 139 Ihre Haltung kennzeichneter als „anti-soziale Freizeitfreude“, ihre Sucht ist die „Adrenal<strong>in</strong>-Euphorie“: „Um dieses kostbareGefühl <strong>der</strong> Entgrenzung geht es den Hooligans, denen sonst längst alles egal gewordenist.“ 140 Schümer vertritt e<strong>in</strong>e Position, die nur e<strong>in</strong>en Teilbereich des Phänomens „Hooligans“<strong>in</strong> den Blick nimmt. Se<strong>in</strong>e Ausführungen zeichnen e<strong>in</strong> Bild <strong>der</strong> Hooligans, das Ähnlichkeiten<strong>mit</strong> dem Bild aufweist, das viele Außenstehende von <strong>der</strong> Hooliganszene haben. Es stellt sichdie Frage, <strong>in</strong>wieweit es sich dabei auch um e<strong>in</strong>e Ansicht handelt, die medial ver<strong>mit</strong>telt wird.Auch wenn das Verhalten <strong>der</strong> Hooligans <strong>in</strong> vielerlei H<strong>in</strong>sicht zu verurteilen ist, sollte man"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!$& "Ebd. S. 266ff. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al."!$' " Ebd. S. 269. E<strong>in</strong>e grafische Darstellung <strong>der</strong> Gewaltformen e<strong>in</strong>er Fußballfanszene f<strong>in</strong>det sich im Anhang(Abbildung 2).!$+ "Schümer, Dirk: Gott ist rund. Die <strong>Kultur</strong> des Fußballs . S. 164."!$, "Ebd..S. 163.!$- "Ebd. S. 165."!%( "Ebd. S. 165 und S. 167f."#&"


sich über an<strong>der</strong>e Perspektiven bezüglich dieser Thematik bewusst se<strong>in</strong>. Schümer entgegensteht zum Beispiel die Ansicht, dass Hooligans den ‚harten‘ Kern <strong>der</strong> Fußballfans formen: siebilden den Gipfel <strong>der</strong> Loyalität und Treue und s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e „Gewalttäter per se“. 141"H<strong>in</strong>gewiesensei an dieser Stelle auch auf den sozialen Aspekt, d.h. auf die Bedeutung bzw. Potentiale,die die Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er Hooliganszene z.B. für die Identität des E<strong>in</strong>zelnen, für die Bildunge<strong>in</strong>es Gruppen- bzw. „Wir“-Gefühls o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es möglichen Sozialkapitals bereithaltenkann.Auch Heitmeyer und Peter sehen e<strong>in</strong>e enge Verb<strong>in</strong>dung von <strong>der</strong> Gewalt, die auf dem Platzstattf<strong>in</strong>det, <strong>der</strong> Gewalt, die außerhalb dieses Raumes praktiziert wird und den gesellschaftlichenRahmenbed<strong>in</strong>gungen – allerd<strong>in</strong>gs existiert für sie ke<strong>in</strong> Spaß-Aspekt als Motor aggressiverHandlungen; sie beschreiben die Gewalt als generelles soziales Problem:[Es] läßt sich sagen, daß dort, wo Erfahrungen von Ausgrenzungen und Vere<strong>in</strong>zelungen am deutlichsten aufsche<strong>in</strong>en,auch die Konfor<strong>mit</strong>ätsfor<strong>der</strong>ungen am ausgeprägtesten s<strong>in</strong>d. Solche Erfahrungen können dann e<strong>in</strong>E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> gewaltförmige Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen se<strong>in</strong>, wenn e<strong>in</strong>erseits Ausgrenzungen o<strong>der</strong> öffentlicheStigmatisierungen auftreten bzw. sich verfestigen, weil sich ke<strong>in</strong>e Lösungen abzeichnen, und an<strong>der</strong>erseits situativeAnlässe h<strong>in</strong>zukommen, <strong>in</strong> denen z.B. gewaltförmiges Verhalten positiv besetzt ist und als erfolgreichesMarkenzeichen für Durchsetzung, Erfolg und Stärke gilt. Die Diskussion um „Fair Play“ und „Erfolgum jeden Preis“, die sich im Profifußball u.a. dar<strong>in</strong> zeigt, daß selbst Foulspiel als legitimes Mittel propagiertwird, weist auf die Verantwortung bzw. Verantwortungslosigkeit h<strong>in</strong>, <strong>der</strong>en Funken überspr<strong>in</strong>gen kann:Überall herrscht doch Gewalt. In <strong>der</strong> Familie, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule, am Arbeitsplatz. Deshalb ist alles (was an gewaltförmigenAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen auf dem Spielfeld passiert, im Stadion und rundherum passiert) nichtsbeson<strong>der</strong>es. […] Es spiegeln sich […] Anzeichen e<strong>in</strong>er Normalität von Gewaltförmigkeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>der</strong> Profifußballdurch die schon angeführte positive Besetzung von Aggressivität und ihre handelnde Zurschaustellunge<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Rolle e<strong>in</strong>nimmt. 142Sie sehen zudem <strong>in</strong> dem Handeln gewalttätiger Fans e<strong>in</strong> großes Gefahrenpotential im H<strong>in</strong>blickauf den Identitätsbildungsprozess, da sie nicht zw<strong>in</strong>gend die Folgen ihres Handelns imBlick haben. Sie wollen produktiv agieren, aber ihr Verhalten wirkt eher kontraproduktiv:Ebenso wie an<strong>der</strong>e Cliquen von Jugendlichen, die sich nicht im Bereich des Fußballs tummeln, geraten […]auch Teilgruppierungen <strong>der</strong> Fans <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e “Falle“: Sie versuchen sich gegen die […] Mechanismen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>zelungund Ausgrenzung u.a. durch Gewalt zu wehren, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hoffnung nach “außen“ Identität für sichund die Gruppe zu erreichen – auch wenn es ke<strong>in</strong>e sozial anerkannte ist – und unterschätzen gleichzeitig dienach “<strong>in</strong>nen“ wirkende Zerstörungskraft für die eigene Person wie für die eigene Gruppe. 143Erw<strong>in</strong> Hahns E<strong>in</strong>schätzungen <strong>der</strong> Gewaltbereitschaft von vor allem jugendlichen Fußballfansgleichen den bisher vorgestellten; er datiert darüber h<strong>in</strong>aus diesen Wandel <strong>in</strong>nerhalb des Agierens<strong>der</strong> Fans auf die siebziger Jahre des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts und hebt hervor, dass sich für dieGewalt e<strong>in</strong>setzenden Fans die Prioritäten verschieben und zwar <strong>in</strong> <strong>der</strong> H<strong>in</strong>sicht, dass das Spielim Stadion und die B<strong>in</strong>dung an e<strong>in</strong>e bestimmte Mannschaft <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund treten und"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!%! "Dies ergaben englische und deutsche Studien. In: Seifert, Michael: „Fußball ist für uns Krieg“. Sieben Vorurteileüber das Fußballrowdytum. In: Verkaufte Fasz<strong>in</strong>ation. 30 Jahre Bundesliga. Hrsg. von Klaus Hansen. Essen:Klartext 1993. S. 123f.!%# "Heitmeyer, Wilhelm, Peter, Jörg-Ingo: Jugendliche Fußballfans. Soziale und politische Orientierungen, Gesellungsformen,Gewalt. S. 80."!%$ "Ebd. S. 94."#'"


an<strong>der</strong>e, im Untergrund schwelende Gefühle ans Licht streben und realisiert werden wollen;die Rollen verschieben, verän<strong>der</strong>n sich: aus dem den Vere<strong>in</strong> unterstützenden und fußballliebendenFan wird e<strong>in</strong> Fan, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Erfüllung nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unterstützung, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> Gewalthandlungenund Zerstörung sucht, die da<strong>mit</strong> verbundenen Emotionen richten sich nicht nurauf e<strong>in</strong> bestimmtes Objekt, die Rolle des Opfers kann fast je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>nehmen. 144Gebauer vergleicht das Verhalten von gewalttätigen Fußballfans – für ihn vorwiegend verkörpertdurch die Hooligans – <strong>mit</strong> dem von Gewalt aufgeladenen Auftreten <strong>der</strong> Fußballspielerwährend e<strong>in</strong>e Spiels und stellt signifikante Unterschiede heraus:Der Fußball hält, <strong>in</strong> grundsätzlicher Differenz zu den Hooligans, die Gewalt <strong>in</strong> den Grenzen e<strong>in</strong>es Spielrahmens.Se<strong>in</strong>e wesentliche For<strong>der</strong>ung ist, dass sie ausschließlich als von Regeln ermöglichte Gewalt <strong>in</strong>nerhalbe<strong>in</strong>es symbolischen Rahmens zu verstehen se<strong>in</strong> muss; sie darf nicht den Charakter e<strong>in</strong>er aus persönlichenMotiven gewollten annehmen. Wenn Fußballer tricksen und foulen, bleiben sie diesseits <strong>der</strong> Grenze. Siebleiben auf alle möglichen Weisen im Spiel. Wenn ihre Aktionen e<strong>in</strong>e von den Regeln nicht mehr gedeckteGewalt vermuten lassen, darf es nicht nach Absicht aussehen – die Hände werden <strong>in</strong> Unschuld gen Himmelgehoben: vor dem Schiedsrichter werden engelsgleiche Gesichter und Demutsgesten gemacht. […] Fußballernutzen die Spielräume maximal aus, die Grauzone <strong>der</strong> Regelauslegung, die Fehlbarkeit des Schiedsrichters,die Vieldeutigkeit des Spiels <strong>mit</strong> den Füßen, aber sie zerstören nicht das Spiel. […] Professioneller Sportheißt heute: Gew<strong>in</strong>nen um jeden Preis, aber nicht Töten. […] Ganz an<strong>der</strong>s gehen die Hooligans vor: Sie suchen<strong>in</strong> un<strong>mit</strong>telbarer Nähe zum Fußball auf ihrem Kampfplatz den Ernstfall. […] Die Differenzen zwischenden Fußball und dem Spiel <strong>der</strong> Hooligans könnten nicht größer se<strong>in</strong>. Sport ist Transparenz und Verständlichkeit;die Hooligans kommen aus dem Verborgenen, verschaffen sich e<strong>in</strong>en anonymen großen Auftritt, <strong>der</strong> ihnenglobale Prom<strong>in</strong>enz gewährt, und flüchten aus <strong>der</strong> Öffentlichkeit <strong>in</strong> ihre Alltagsexistenz zurück. […] DieHooligans lieben die Selbstdarstellung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pose des Unverständlichen, des total Fremden. Sie spielen dasBöse. 145Die Hooligans verhalten sich Gebauer zufolge äußerst regressiv, d.h. sie handeln wi<strong>der</strong> denzivilisatorischen Entwicklungsprozess, kehren sowohl die Werte <strong>der</strong> Gesellschaft als auch diedes Fußballs um. Zudem beschreibt er das Auftreten <strong>der</strong> Hooligans wie e<strong>in</strong>e Art Schauspiel,wie e<strong>in</strong> Agieren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rolle: Die Hooligans s<strong>in</strong>d nicht das Böse, sie „spielen“ es – vielleichtum aus ihrem „normalen“ <strong>Leben</strong>, aus gewissen Regeln auszubrechen o<strong>der</strong> um sich von<strong>der</strong> Gesellschaft zu distanzieren – und versuchen so sich für den Moment Aufmerksamkeit zuverschaffen und sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe zu präsentieren. Das Gehabe <strong>der</strong> Hooligans sieht Gebauerauch als e<strong>in</strong>e Inszenierung von veralteten Stereotypen an: „Die Subkultur <strong>der</strong> Hooligans stelltdemonstrativ Unterschichtverhalten zur Schau – jedenfalls das, was sie sich darunter vorstellen.[…] Statt um aktuell geltende Verhaltensweisen und Werthaltungen <strong>der</strong> Arbeiterklassehandelt es sich um traditionell <strong>der</strong> Unterschicht zugeschriebene, die heute weitgehend ke<strong>in</strong>eRealität besitzen.“ 146 Gebauers Ansichten über Hooligans s<strong>in</strong>d stark wertend und verurteilend.Gunter Pilz Me<strong>in</strong>ung zu <strong>der</strong> hier behandelten Thematik fasst die Aussagen dieses Kapitels"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!%% "Vgl. Hahn, Erw<strong>in</strong>: Gesetzestexte, Verordnungen und Protokolle zum Problem <strong>der</strong> Zuschauerausschreitungen.In: Fanverhalten, Massenmedien und Gewalt im Sport. Hrsg. von Erw<strong>in</strong> Hahn, Gunter A. Pilz, Hans J. Stollenwerkund Kurt Weis. Schorndorf: Verlag Karl Hofmann 1988 [= Schriftenreihe des Bundes<strong>in</strong>stituts für Sportwissenschaft;Bd. 60] S. 249.!%& "Gebauer, Gunter: Poetik des Fußballs. S. 154ff und 158."!%' Ebd. S. 158f. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al. Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al."#+""


abschließend noch e<strong>in</strong>mal gut zusammen: „Das Problem von Gewalt im Sport ist […] jeweilszu sehen und <strong>in</strong>terpretieren im Kontext des allgeme<strong>in</strong>en Standards <strong>der</strong> sozial erlaubten Gewalt,dem Stand <strong>der</strong> Monopolisierung von Gewalt, <strong>der</strong> Gewaltkontrolle und <strong>der</strong> da<strong>mit</strong> zusammenhängendenGewissenbildung <strong>in</strong> <strong>der</strong> jeweiligen Gesellschaft.“ 147 H<strong>in</strong>zu kommen noch<strong>der</strong> H<strong>in</strong>tergrund, die Situation und E<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong> jeweiligen Individuen, die im Fußball Gewaltjenseits <strong>der</strong> Grenzen des Spieles ausüben, for<strong>der</strong>n und als nötig erachten. Es ist genausowenig möglich und s<strong>in</strong>nvoll, die Akteure von Gewalt im Fußball auf nur e<strong>in</strong>en bestimmtenTyp, e<strong>in</strong>e bestimmte Gruppe, e<strong>in</strong> bestimmtes Verhalten zu reduzieren, wie die Formen <strong>der</strong>Aggressionen nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> physischen – es sei denn man folgt e<strong>in</strong>em engen Gewaltbegriff –repräsentiert zu sehen. Worüber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung allerd<strong>in</strong>gs E<strong>in</strong>igkeit besteht, ist die Beurteilung<strong>der</strong> Hooligans als extremste Form <strong>der</strong> Gewaltbereitschaft und – ausübung.3. Nick Hornbys Fever Pitch: Fußball als Konstante des <strong>Leben</strong>s.Fever Pitch – zu Deutsch Ballfieber. Die Geschichte e<strong>in</strong>es Fans –, so lautet <strong>der</strong> Titel des Romansvon Nick Hornby. Laut mediz<strong>in</strong>ischer Def<strong>in</strong>ition führt e<strong>in</strong> Fieber zum Anstieg <strong>der</strong> Körpertemperaturals Abwehrreaktion des Körpers z.B. <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>er Infektionskrankheit. DasFieber ist demnach Teil des Genesungsprozesses, kann aber – je nach Patient, Ursache undStärke des Auftretens – zu weiteren gravierenden Beschwerden wie Kopfschmerzen, Husten,Appetitlosigkeit, Schüttelfrost, Schwitzen o<strong>der</strong> sogar zu Bewusstse<strong>in</strong>s- und Wahrnehmungse<strong>in</strong>schränkungenführen, dem sogenannten Fieberdelir. 148Wie gestaltet es sich nun, wenn die „Krankheit“ Fußball heißt und das „Symptom“ „Ballfieber“?Wie steckt man sich an? Treten weitere Begleitersche<strong>in</strong>ungen auf? Gibt es ernsthafteKonsequenzen? Kann bzw. möchte man daran genesen? Nick Hornby, Jahrgang 1957, stelltuns <strong>in</strong> <strong>der</strong> „genrebildenden Autobiographie 149 e<strong>in</strong>es Fußballfans“ 150 se<strong>in</strong> eigenes <strong>Leben</strong> – genauerdie Jahre 1968 bis 1992 – <strong>mit</strong> dem englischen Fußballvere<strong>in</strong> Arsenal London – e<strong>in</strong>Vere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> seit Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts das Bild und die Wahrnehmung des englischen"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!%+ Pilz, Gunter A.: Zuschauerausschreitungen im Fußballsport – Versuche e<strong>in</strong>er Analyse. In: Fußball. Soziologieund Sozialgeschichte e<strong>in</strong>er populären Sportart. 3. Auflage. Hrsg. von Wilhelm Hopf. Münster: Lit Verlag 1998[ = Sport: <strong>Kultur</strong>, Verän<strong>der</strong>ung; 15]. S. 173.!%, Vgl. Psychrembel. Kl<strong>in</strong>isches Wörterbuch. 260., neu bearbeitete Auflage. Berl<strong>in</strong>: Walter de Gruyter Verlag2004. S. 571f. und http://www.qualimedic.de/fieber.html (Zugriff am 10.07.2010)..!%- „Autobiographie“ def<strong>in</strong>iere ich nach Lejeune als „[r]ückblickende Prosaerzählung e<strong>in</strong>er tatsächlichen Personüber ihre eigene Existenz, wenn sie den Nachdruck auf ihr persönliches <strong>Leben</strong> und <strong>in</strong>sbes. auf die Geschichteihrer Persönlichkeit legt“. In: Metzler Lexikon. Literatur- und <strong>Kultur</strong>theorie. Ansätze –Personen – Grundbegriffe.3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Hrsg. von Ansgar Nünn<strong>in</strong>g. Stuttgart [u.a.]: Verlag J. B. Metzler2004. S. 34.!&( "Fasz<strong>in</strong>ation Fußball. E<strong>in</strong> Spiel bewegt die Region. E<strong>in</strong>e Ausstellung <strong>der</strong> Universitätsbibliothek 10. Mai – 3.Juni 2006. Katalog hrsg. von Ra<strong>in</strong>er Plappert. Erlangen: Universitätsbibliothek 2006. S. 136."#,""


Fußballs entschieden <strong>mit</strong> bee<strong>in</strong>flusst 151 – zur Untersuchung und Diagnose zur Verfügung. DieAutobiografie könnte man auch als e<strong>in</strong>e Art ‚Fußballtagebuch‘ bezeichnen: Die zeitliche Organisationdes Fußballs <strong>in</strong> Form von Spieltagen, Saisons, nationalen und <strong>in</strong>ternationalen Meisterschaftengibt die zeitliche Strukturierung des Tagebuchs vor und dient zur Fixierung <strong>der</strong>verschiedenen <strong>Leben</strong>sabschnitte Hornbys. Nick Hornby präsentiert sich demnach als e<strong>in</strong> Fußballfan,für den Erlebnisse im Fußball als Orientierungsdaten bzw. -punkte für die eigeneBiografie fungieren (Vgl. Krischke-Ramaswamy <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 13). Schümer beurteiltden von Hornby gewählten Weg folgen<strong>der</strong>maßen:Nick Hornby, lebenslanger Fan von Arsenal London, hat se<strong>in</strong>e Autobiographie nur anhand von Fußballspielengeschrieben. Für e<strong>in</strong>en englischen Fan reicht dieser Ausschnitt vollauf, denn se<strong>in</strong> Verhalten und Empf<strong>in</strong>denbei bestimmten Siegen o<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lagen, ob er sie am Fernseher daheim, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Kneipe, <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em bestimmten Stadion erlebte, <strong>in</strong>formiert zureichend über se<strong>in</strong>e regionale und soziale Herkunft, se<strong>in</strong>e politischeÜberzeugung, se<strong>in</strong>e Impulsivität, se<strong>in</strong> Familienleben, se<strong>in</strong>e körperlichen Fähigkeiten und se<strong>in</strong>e psychischeDisposition. Der Fan selbst erlebt den Ablauf <strong>der</strong> Spiele als Entwicklungsgeschichte. 152Des Weiteren geht Hornby durch die Verschriftlichung se<strong>in</strong>es Fußballfanlebens e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> zentralenFanaktivitäten nach und zwar <strong>der</strong> Produktion (Vgl. Schmidt-Lux <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S.16). Er setzt sich so<strong>mit</strong> kreativ <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>em Fandase<strong>in</strong> ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und trägt gleichzeitig e<strong>in</strong>enTeil zur vielfältigen Fankultur bei, <strong>in</strong>dem er se<strong>in</strong>e Erfahrungen öffentlich zugänglich macht.In dem sich nun anschließenden Teil dieser Arbeit sollen die Auswirkungen des Fanse<strong>in</strong>s aufHornby und se<strong>in</strong> <strong>Leben</strong> anhand exemplarisch ausgewählter Textstellen genauer analysiertwerden. Dabei wird untersucht, wie sich das Fanse<strong>in</strong> im Detail vollzieht, d.h. welche Merkmaleden „Fan“ Hornby auszeichnen und welche Rolle Fußball im Kontext se<strong>in</strong>er zwischenmenschlichenBeziehungen und Geme<strong>in</strong>schaft, se<strong>in</strong>es persönlichen Reifeprozesses und desThemas „Macht und Gewalt“ spielt.3.1 Fußball im Kontext zwischenmenschlicher Beziehungen und Geme<strong>in</strong>schaft„Ich verliebte mich <strong>in</strong> den Fußball, wie ich mich später <strong>in</strong> Frauen verlieben sollte: plötzlich,unerklärlich, unkritisch und ohne e<strong>in</strong>en Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zuverschwenden, die da<strong>mit</strong> verbunden se<strong>in</strong> würden“ 153 – so beschreibt Hornby rückblickendden emotionalen Beg<strong>in</strong>n se<strong>in</strong>er Beziehung zum Fußball; sowohl die Liebe zu Frauen als auch"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!&! Vgl. http://www.arsenal.com/history(Zugriff am 08.07.2010). "!&# "Schümer, Dirk: Gott ist rund. Die <strong>Kultur</strong> des Fußballs . S. 182."!&$ "Hornby, Nick: Fever Pitch. Ballfieber – Die Geschichte e<strong>in</strong>es Fans. 26. Auflage. Aus dem Englischen vonMarkus Geiss und Henn<strong>in</strong>g Stegelmann. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2006 (ungekürzte Ausgabe von 1997). S.19."#-"


die Liebe zum Fußball sche<strong>in</strong>en Hornby ohne jegliche Vorwarnung zu überwältigen, er stehte<strong>in</strong>er Involvierung se<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> das jeweilige Beziehungsgeflecht machtlos, ohnmächtig gegenüber,e<strong>in</strong>e rationale Distanz ist zunächst nicht möglich, vielleicht auch nicht erwünscht.Diese Beschreibung ähnelt denen an<strong>der</strong>er Fußballfans, die vom Fußball – verme<strong>in</strong>tlich ohneEigenbeteiligung – <strong>in</strong> den Bann gezogen worden s<strong>in</strong>d (vgl. Hellmann und Kenn<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Kapitel2.2.2, S. 13). Hornby gibt hier zudem schon zu Anfang se<strong>in</strong>er Autobiografie e<strong>in</strong>en Ausblickauf den Verlauf <strong>der</strong> Beziehung zum Fußball: Im Zentrum steht nicht immer das Gefühl <strong>der</strong>Glückseligkeit, son<strong>der</strong>n das Leid, die seelischen Blessuren. Für Hornby sche<strong>in</strong>t lieben gleichbedeutend<strong>mit</strong> leiden zu se<strong>in</strong>. Inwiefern sich das <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für die Beziehung zum Fußballbewahrheitet, wird die Analyse zeigen.Hornbys erster Kontakt zum Fanobjekt f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendphase statt. Dies ist <strong>der</strong> Zeitraum,<strong>in</strong> dem sich die Initiation zum Fan am häufigsten vollzieht (vgl. Krischke-Ramswamy/ Hellmannund Kenn<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 12f): Hornby wird im Alter von elf Jahren von se<strong>in</strong>emVater das erste Mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Fußballstadion – genauer gesagt nach Highbury, <strong>der</strong> Spielstätte vonArsenal London – <strong>mit</strong>genommen und so<strong>mit</strong> durch e<strong>in</strong>en engen Familienangehörigen <strong>in</strong>itiiert(Vgl. Gebauer u.a. <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 13). Allerd<strong>in</strong>gs geschieht dies nicht aus <strong>der</strong> primärenMotivation, Hornby <strong>in</strong> die Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Fußballfans e<strong>in</strong>zuglie<strong>der</strong>n: Das Jahr 1968 warlaut Hornby „das traumatischste Jahr“ se<strong>in</strong>es <strong>Leben</strong>s (Fever Pitch, S. 21), denn aufgrund <strong>der</strong>Trennung se<strong>in</strong>er Eltern kamen Entbehrungen <strong>in</strong> Form des Umzugs <strong>in</strong> e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eres Haus unddes Verzichts auf den Vater, <strong>der</strong> die Familie verließ, auf ihn zu. Der Fußball bot dem Vaterdie Möglichkeit, e<strong>in</strong>en Zugang zu Hornby zu gew<strong>in</strong>nen und so<strong>mit</strong> e<strong>in</strong>en Rahmen zu schaffen,<strong>in</strong> dem <strong>der</strong> Kontakt bzw. die Beziehung zu se<strong>in</strong>em Sohn weiterh<strong>in</strong> bestehen, wachsen undsich vertiefen kann; <strong>der</strong> Fußball sollte das B<strong>in</strong>deglied werden (vgl. Fever Pitch, S. 20-23).Hornby spricht <strong>in</strong> diesem Kontext auch von Fanse<strong>in</strong> als „Therapie“ (Fever Pitch, S. 22), d.h.neben <strong>der</strong> Beziehungspflege eröffnete <strong>der</strong> Vater ihm durch den Fußball auch e<strong>in</strong>e Chance zurAblenkung und Kompensation (vgl. Hermann <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 15) und Hornby ergriff diese<strong>mit</strong> allen für ihn da<strong>mit</strong> e<strong>in</strong>hergehenden möglichen Folgen und Entwicklungen. Dies zeigt,dass <strong>der</strong> Aufbau e<strong>in</strong>er B<strong>in</strong>dung an den Fußball bzw. an e<strong>in</strong> bestimmtes Fanobjekt aus diesemBereich stark von den <strong>Leben</strong>sumständen und <strong>der</strong> Persönlichkeit des jeweiligen Fans abhängtund davon bee<strong>in</strong>flusst wird (vgl. Kapitel 2.2.2).Hornby wird später auch selbst zum „Initiator“ und zwar um – <strong>in</strong> dem von Gebauer vertretenenS<strong>in</strong>ne (vgl. Kapitel 2.2.2, S. 13) – die Fußballgeme<strong>in</strong>de zu vergrößern: Es gel<strong>in</strong>gt ihm,„e<strong>in</strong>en nachwachsenden Fan Arsenal zuzuführen“ (Fever Pitch, S. 177). Er hält so<strong>mit</strong> denKreislauf <strong>der</strong> Initiation zum Fan <strong>in</strong> Gang. Der dazu gewonnene Fan ist zudem e<strong>in</strong> Familien-"$("


<strong>mit</strong>glied, se<strong>in</strong> Halbbru<strong>der</strong> Jonathan, <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> neuen Beziehung se<strong>in</strong>es Vaters stammt.Hornby sieht die Initiation se<strong>in</strong>es Halbru<strong>der</strong>s zum Arsenalfan auch als ungeme<strong>in</strong> wichtig füre<strong>in</strong>e gut funktionierende Beziehung zwischen ihnen an, denn so haben sie e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samesFundament, auf dem sie aufbauen können. Er handelt daher ähnlich wie se<strong>in</strong> Vater – Fußballwird zum Medium <strong>der</strong> Verständigung:"Wenn es mir nicht gelungen wäre, ihn an Arsenal zu b<strong>in</strong>den, wenn er entschieden hätte, se<strong>in</strong> fußballerischesLeiden woan<strong>der</strong>s zu suchen, dann wäre unser Verhältnis vollkommen an<strong>der</strong>er und möglicherweise kältererNatur. Allerd<strong>in</strong>gs ist es lustig, daß Jonathan und ich <strong>in</strong> Highbury sitzen, Woche für Woche, und das nicht zuletztaufgrund <strong>der</strong> bedrückenden Umstände, die zu se<strong>in</strong>er Existenz geführt haben. Me<strong>in</strong> Vater verließ me<strong>in</strong>eMutter, um <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>er Mutter zu leben, und me<strong>in</strong> Halbbru<strong>der</strong> wurde geboren, und irgendwie hat mich das alleszum Arsenalfan gemacht; wie seltsam ist es da, daß sich me<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>s abartige Veranlagung auf ihnübertragen sollte, wie e<strong>in</strong> genetischer Fehler (Fever Pitch, S. 179).Hornby rekapituliert hier noch e<strong>in</strong>mal se<strong>in</strong>e eigene, durch die familiären Umstände angeregteFanwerdung und <strong>in</strong> ihrer Begeisterung für denselben, nicht wirklich beliebten Vere<strong>in</strong> rückendie beiden Halbbrü<strong>der</strong> enger zusammen.Das Verhalten se<strong>in</strong>er Mutter h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er Fußballleidenschaft überrascht Hornby <strong>in</strong>gewissem Maße: Sie unterstützt ihn, <strong>in</strong>dem sie ihn <strong>mit</strong> fünfzehn zum ersten Mal zu Auswärtsspielenfahren lässt, sie kauft ihm Karten für wichtige Spiele und „opfert“ so<strong>mit</strong> ihr „knappes“Geld und versucht ihm zuliebe Gespräche über das Thema Fußball und se<strong>in</strong>e Erlebnisse imStadion zu führen (vgl. Fever Pitch, S. 70f). Hornby vergleicht diese Umgangsform <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong><strong>mit</strong> <strong>der</strong> „e<strong>in</strong>es verheirateten Paares“ (Fever Pitch, S. 70) – vielleicht möchte se<strong>in</strong>e Mutterauf diesem Wege se<strong>in</strong>e Entwicklung zum Mann stärken, vielleicht sieht sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beschäftigung<strong>mit</strong> dem Fußball für ihren Sohn auch die Gelegenheit, die durch die Scheidung entstandenefamiliäre Situation zu verarbeiten. Auf jeden Fall begegnet Hornbys Mutter se<strong>in</strong>er „Fußballverrücktheit“(Fever Pitch, S. 70) <strong>mit</strong> Akzeptanz und reagiert nicht <strong>mit</strong> Ablehnung o<strong>der</strong>despektierlich.Die erste direkte – nicht durch Medien wie z.B. durch das Fernsehen ver<strong>mit</strong>telte – Begegnung<strong>mit</strong> dem Fußball im Stadion bee<strong>in</strong>druckt Hornby <strong>in</strong> vielerlei H<strong>in</strong>sicht; jedoch ist es nicht dasGeschehen auf dem Platz, das se<strong>in</strong>e Aufmerksamkeit und se<strong>in</strong> Interesse schürt:Ich weiß nicht mehr viel vom Fußball an jenem ersten Nach<strong>mit</strong>tag. […] Alles, was ich an diesem Tag […]sah, war e<strong>in</strong>e verwirrende Ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong>reihung von unverständlichen Vorfällen, an <strong>der</strong>en Ende alle um michherum standen und schrien. […] Aber ich habe an<strong>der</strong>e, verläßlichere und wahrsche<strong>in</strong>lich bedeutsamere Er<strong>in</strong>nerungen.Ich er<strong>in</strong>nere mich an die überwältigende Männlichkeit <strong>der</strong> ganzen Geschichte – Zigarren- und Pfeifenrauch,verdorbene Sprache […], und erst Jahre später g<strong>in</strong>g mir auf, daß das zwangsläufig Auswirkungenauf e<strong>in</strong>en Jungen haben mußte, <strong>der</strong> <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>er Mutter und se<strong>in</strong>er Schwester zusammenlebte. Ich er<strong>in</strong>neremich, daß ich mehr <strong>in</strong>s Publikum als auf die Spieler schaute. […] Me<strong>in</strong> Vater sagte mir, daß fast so vieleMenschen im Stadion seien, wie <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Stadt lebten, und ich war dementsprechend von Ehrfurcht ergriffen.[…] Es war aber nicht <strong>der</strong> Umfang <strong>der</strong> Zuschauermenge o<strong>der</strong> die Tatsache, daß Erwachsene das Wort»WICHSER« so laut sie wollten schreien konnten, ohne die ger<strong>in</strong>gste Aufmerksamkeit zu erregen, was micham stärksten bee<strong>in</strong>druckte, son<strong>der</strong>n wie sehr die meisten Männer um mich herum es haßten, wirklich haßten,hier zu se<strong>in</strong>. Soweit ich das beurteilen konnte, schien ke<strong>in</strong>er irgend etwas von dem, was während des gesamtenNach<strong>mit</strong>tags geschah, auf die Art zu genießen, wie ich das Wort verstand. B<strong>in</strong>nen M<strong>in</strong>uten nach dem Anpfiffgab es echte Wut […]. Im Verlauf des Spiels verwandelte sich die Wut <strong>in</strong> Entrüstung und schien dann <strong>in</strong>$!"


mürrischer, stiller Unzufriedenheit zu erstarren. Ja, ja ich kenne all die Witze. Was hätte ich <strong>in</strong> Highburyschon an<strong>der</strong>es erwarten können? Aber ich war auch bei Chelsea, bei Tottenham und bei den Rangers und habedas gleiche erlebt: Der natürliche Grundzustand des Fans ist bittere Enttäuschung, egal wie es steht (FeverPitch, S. 24ff). 154Beim ersten Stadionbesuch rücken für Hornby sowohl die Akteure auf dem Spielfeld als auch<strong>der</strong> Spielverlauf eher <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund, er wird mehr von <strong>der</strong> Welt, die den Fußball ummantelt,und <strong>der</strong>en ‚Bewohnern‘ gefangen genommen. Den bleibendsten E<strong>in</strong>druck h<strong>in</strong>terlässt dieAtmosphäre, die Gefühle, die von den Fußballfans ausströmen: die Dom<strong>in</strong>anz des Leidensund Verzweifelns. Hornby sieht hier e<strong>in</strong>e Parallele zu se<strong>in</strong>em <strong>Leben</strong> und se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>stellung:Sich zu amüsieren, <strong>in</strong>dem man leidet, war für mich e<strong>in</strong> vollkommen neuer Gedanke – auch wenn es den E<strong>in</strong>druckmacht, als hätte ich nur auf ihn gewartet. Es ist vielleicht nicht mal allzu gewagt, wenn ich behaupte,daß es e<strong>in</strong> Gedanke ist, <strong>der</strong> me<strong>in</strong> <strong>Leben</strong> geformt hat. Mir wurde schon immer vorgeworfen, die D<strong>in</strong>ge, die ichliebe – natürlich Fußball, aber auch Bücher und Platten –, viel zu ernst zu nehmen, und ich empf<strong>in</strong>de tatsächliche<strong>in</strong>e Art Wut, wenn ich e<strong>in</strong>e schlechte Platte höre o<strong>der</strong> wenn jemand sich für e<strong>in</strong> Buch, das mir viel bedeutet,nicht son<strong>der</strong>lich erwärmen kann. Vielleicht waren es diese verzweifelten, verbitterten Männer auf ArsenalsWesttribüne, die mich gelehrt haben, diese Wut zu empf<strong>in</strong>den (Fever Pitch, S. 27).Hier zeigt sich <strong>der</strong> hohe Stellenwert, den das Fanobjekt Fußball für Hornby e<strong>in</strong>nimmt: Er betreibtse<strong>in</strong> Fandase<strong>in</strong> <strong>mit</strong> Ernsthaftigkeit und <strong>in</strong>vestiert se<strong>in</strong> Inneres, se<strong>in</strong>e Seele. Zudem zeigtsich, dass Hornby als Neul<strong>in</strong>g das Verhalten <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Fans <strong>in</strong> gewisser Weise „nachahmt“(vgl. z.B. Hellmann und Kenn<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 13): Deren emotionale E<strong>in</strong>stellung undAusrichtung wird sozusagen auch zu se<strong>in</strong>er, er identifiziert sich da<strong>mit</strong> und überträgt dieseMaxime auch auf an<strong>der</strong>e Bereiche des <strong>Leben</strong>s. Hornby <strong>in</strong>tegriert sich so<strong>mit</strong> <strong>in</strong> die Gefühlsgeme<strong>in</strong>schaft<strong>der</strong> Fußballfans.Die immer enger werdende Beziehung zum Fußball be<strong>in</strong>haltet für Hornby e<strong>in</strong>ige Vorzüge:Innerhalb des sozialen Systems Schule garantiert sie ihm die Bildung von Freundschaften, dieZugehörigkeit zu Gruppen und lässt von ihm als Defizit angesehene D<strong>in</strong>ge bezüglich se<strong>in</strong>erPerson nichtig werden:Ich war wahrsche<strong>in</strong>lich <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>ste Junge <strong>in</strong> <strong>der</strong> Klasse, doch me<strong>in</strong>e Größe zählte nicht, wenngleich me<strong>in</strong>eFreundschaft <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em Derby-Fan, dem um e<strong>in</strong>ige Köpfe Größten, ziemlich praktisch war. […] Selbst dieTatsache, daß ich e<strong>in</strong>er von nur drei Jungen war, die kurze Hosen trugen, war nicht so traumatisch, wie sieeigentlich hätte se<strong>in</strong> müssen. Solange du den Namen des Managers von Burnley kanntest, kümmerte sichniemand groß darum, daß du e<strong>in</strong> Elfjähriger warst, <strong>der</strong> wie e<strong>in</strong> Sechsjähriger angezogen war (Fever Pitch, S.29f).„Fußball“ ist das Code- o<strong>der</strong> Zauberwort, das ihm den Zutritt zu an<strong>der</strong>en Menschen gewährt,<strong>der</strong> Austausch von Fußballwissen verschafft Respekt und Anerkennung. Diese Erfahrungenprägen auch se<strong>in</strong> College- und Berufsleben (vgl. Fever Pitch, S. 30). Hier f<strong>in</strong>den sich GebauersAnsichten zur „Fußballfan-Family“ wie<strong>der</strong>: Es zählt <strong>in</strong> diesen Geme<strong>in</strong>schaften nicht sozialerH<strong>in</strong>tergrund o<strong>der</strong> Aussehen, son<strong>der</strong>n Kompetenz und Auftreten bezüglich des KomplexesFußball (vgl. Kapitel 2.2.3, S. 21f). Die Dauer und letztendliche Festigkeit dieser Geme<strong>in</strong>-"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!&% "Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al."$#"


schaften und Freundschaften ist für Hornby zunächst e<strong>in</strong>mal sekundär, wichtiger ist, dass dieseüberhaupt existieren. Hornby berichtet allerd<strong>in</strong>gs auch von gegenteiligen Erlebnissen, beidenen vor allen D<strong>in</strong>gen <strong>der</strong> von ihm favorisierte Vere<strong>in</strong> Arsenal London e<strong>in</strong> Problem darstellte,da er als Arsenalanhänger <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule e<strong>in</strong>er Fanm<strong>in</strong><strong>der</strong>heit angehörte. Nach dem verlorenenLigapokalf<strong>in</strong>ale im Jahre 1969 gegen das Drittligateam Sw<strong>in</strong>don wird Hornby von Mitschülernverprügelt:"Es mag <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em ersten Oberschulhalbjahr nicht viel gezählt haben, daß ich e<strong>in</strong> Arsenalfan war, doch <strong>in</strong>me<strong>in</strong>em zweiten war es bedeutsamer geworden. Fußball war im wesentlichen immer noch e<strong>in</strong> vere<strong>in</strong>endesInteresse – daran hatte sich nichts geän<strong>der</strong>t. Doch im Verlauf <strong>der</strong> vergangenen Monate war immer deutlichergeworden, wer welchen Liebl<strong>in</strong>gsclub hatte, und wir waren viel schneller dabei, Spott zu verstreuen. Ichschätze, das war e<strong>in</strong>fach leicht vorherzusehen, aber an diesem grausamen Morgen trotzdem schmerzhaft. Alsich im Gymnasiumsdreck lag, kam mir <strong>der</strong> Gedanke, daß ich e<strong>in</strong>en grotesken Fehler gemacht hatte. Es warme<strong>in</strong> glühen<strong>der</strong> Wunsch, die Uhr zurückzudrehen und darauf zu bestehen, daß me<strong>in</strong> Vater mich nicht zu Arsenalgegen Stoke, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en verlassenen Hotelspeisesaal o<strong>der</strong> den Zoo <strong>mit</strong>nahm. Ich wollte sowasnicht e<strong>in</strong>mal pro Saison durchmachen. Ich wollte zum Rest <strong>der</strong> Klasse gehören und fürchterlich auf irgende<strong>in</strong>eman<strong>der</strong>en armen K<strong>in</strong>d <strong>mit</strong> gebrochenem Herzen herumtrampeln. […] Zum ersten Mal <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em <strong>Leben</strong>war ich an<strong>der</strong>s als die an<strong>der</strong>en und ganz alle<strong>in</strong>, und ich haßte es (Fever Pitch, S. 36f).Hornby sehnt sich danach, dazuzugehören, doch se<strong>in</strong>e Unterstützung Arsenal Londons verh<strong>in</strong><strong>der</strong>tdas <strong>in</strong> diesem Moment, führt sogar zu gegen ihn gerichteten Gewalthandlungen; ersieht sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Opferrolle gedrängt, die er gar nicht ausfüllen möchte. Er ist noch nicht soweit<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Fanse<strong>in</strong> gefestigt, dass er ohne jeglichen Zweifel und bed<strong>in</strong>gungslos h<strong>in</strong>terse<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> steht. Gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendphase, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hornby sich zu diesem Zeitpunkt bef<strong>in</strong>det,möchte man Halt, Vertrauen und Achtung <strong>in</strong>nerhalb von Bezugsgruppen erfahren; dadie geme<strong>in</strong>same Ges<strong>in</strong>nung <strong>der</strong> Schüler „nur“ den Fußball im Allgeme<strong>in</strong>en betrifft und nichtArsenal London im Speziellen, wird Hornby hier alle<strong>in</strong> <strong>mit</strong> den negativen Aspekten se<strong>in</strong>esFanse<strong>in</strong>s konfrontiert und stellt aufgrund des fehlenden Beistandes se<strong>in</strong>e Beziehung zu demvon ihm erwählten Fanobjekt <strong>in</strong> Frage. Die elementaren Fantugenden Treue und Loyalität(vgl. Kapitel 2.2.1 und 2.2.2) kommen bei Hornby noch nicht zum Tragen, stellen für ihn ke<strong>in</strong>ePriorität dar. Doch dies än<strong>der</strong>t sich im Laufe <strong>der</strong> Zeit, auch durch die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<strong>mit</strong> <strong>der</strong> Tatsache, dass se<strong>in</strong> Vater ke<strong>in</strong> Arsenalfan ist, se<strong>in</strong>en Sohn aber trotzdem zu <strong>der</strong>enSpielen begleitet:Ich hatte nach dem Sw<strong>in</strong>donspiel entdeckt, daß Treue, zum<strong>in</strong>dest was den Fußball ang<strong>in</strong>g, ke<strong>in</strong>e moralischeWahl wie Tapferkeit o<strong>der</strong> Freundlichkeit, son<strong>der</strong>n eher e<strong>in</strong>e Warze o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Buckel war, etwas, das dir anhaftet.Ehen s<strong>in</strong>d nicht im entferntesten so streng – du wirst ke<strong>in</strong>en Arsenalfan f<strong>in</strong>den, <strong>der</strong> sich für e<strong>in</strong> bißchenaußereheliche Fummelei zu Tottenham fortstiehlt, und obwohl Scheidung e<strong>in</strong>e Möglichkeit ist […], ist dieWahrsche<strong>in</strong>lichkeit, erneut e<strong>in</strong>gefangen zu werden, erschreckend groß. Es gab e<strong>in</strong>en Haufen Momente imVerlauf <strong>der</strong> letzten dreiundzwanzig Jahre, <strong>in</strong> denen ich das Kle<strong>in</strong>gedruckte me<strong>in</strong>es Ehevertrags auf <strong>der</strong> Suchenach e<strong>in</strong>em Ausweg eifrigst studiert habe, aber es gibt ke<strong>in</strong>en. Jede erniedrigende Schlappe […] muß <strong>mit</strong>Geduld, Fassung und Nachsicht ertragen werden, denn es gibt e<strong>in</strong>fach nichts, was dagegen unternommenwerden kann, und das ist e<strong>in</strong>e Erkenntnis, die dich dazu br<strong>in</strong>gen kann, frustriert die Wände hochzugehen. Natürlichhaßte ich die Tatsache, daß Arsenal langweilig war (auch wenn ich <strong>mit</strong>tlerweile akzeptiert habe, daß<strong>der</strong> Ruf des Clubs […] weitestgehend verdient war). Natürlich wollte ich, daß die Mannschaft Zillionen vonToren erzielte und <strong>mit</strong> dem Schwung von elf George Bests spielte, doch das würde nicht passieren, jedenfallsnicht <strong>in</strong> absehbarer Zukunft. Ich war nicht imstande, die Unzulänglichkeiten me<strong>in</strong>es Teams me<strong>in</strong>em Vatergegenüber zu verteidigen – ich konnte sie selbst erkennen, und ich haßte sie –, und nach jedem schwachen$$"


"Torschußversuch und jedem Fehlpass wappnete ich mich gegen die Seufzer und das Stöhnen vom Sitz nebenmir. Ich war an Arsenal und me<strong>in</strong> Vater an mich gekettet, und es gab für ke<strong>in</strong>en von uns e<strong>in</strong>en Ausweg (FeverPitch, S. 46f).Hornby skizziert hier <strong>mit</strong>hilfe des Vergleichs zur Ehe die Treue als e<strong>in</strong>e unabd<strong>in</strong>gbare Pflichtgegenüber dem Vere<strong>in</strong>, die für den Fußballfan des Öfteren zur re<strong>in</strong>sten Qual werden kann,denn er ist <strong>in</strong> vielerlei H<strong>in</strong>sicht machtlos. Ähnlich wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Partnerschaft stellen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>und se<strong>in</strong> Spiel den Fan vor Herausfor<strong>der</strong>ungen, offenbaren vor se<strong>in</strong>en Augen Probleme undMängel, die sich leicht, schwer o<strong>der</strong> gar nicht beheben lassen. Die bei Hornby vorhandeneFähigkeit zur Kritik am Fanobjekt, die charakteristisch für das Fandase<strong>in</strong> ist (vgl. Hellmannund Kenn<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 13), führt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Momenten zur Distanzierung, letztendlichstellt sich Hornby jedoch als Gefangener se<strong>in</strong>er Leidenschaft für Arsenal London dar, erweist die Verantwortung von sich und ergibt sich dem „Fußballschicksal“. An<strong>der</strong>s als bei <strong>der</strong>Ehe zwischen zwei Menschen gibt es bei dem Bund zwischen Fan und Vere<strong>in</strong> – zum<strong>in</strong>dest fürHornby – ke<strong>in</strong> Entr<strong>in</strong>nen; dieser e<strong>in</strong>mal geschlossene Bund kann nicht gebrochen werden. DieTreue im Fußball ist für ihn letzten Endes ke<strong>in</strong>e Tugend wie für an<strong>der</strong>e Fans, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>eBürde, <strong>der</strong>er man sich nicht entledigen kann und diese belastet nicht nur ihn, son<strong>der</strong>n auchan<strong>der</strong>e – <strong>in</strong> diesem Fall se<strong>in</strong>en Vater.Im Alter von 20 Jahren begegnet Hornby, <strong>der</strong> zu <strong>der</strong> Zeit e<strong>in</strong> Studium <strong>in</strong> Cambridge aufgenommenhat, e<strong>in</strong>er Student<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>em Mädchen, dessen Rolle <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em <strong>Leben</strong> durchaus als diee<strong>in</strong>er Protagonist<strong>in</strong> zu sehen und zu verstehen ist:Ich glaube, sie ist auf vielerlei Weise Teil dieser Geschichte. Sie war unter an<strong>der</strong>em die erste Freund<strong>in</strong>, die janach Highbury kam (<strong>in</strong> den Osterferien, am Ende unseres zweiten Trimesters). Die Hoffnungen, die man amAnfang <strong>der</strong> Saison <strong>in</strong> den neuen Besen gesetzt hatte, waren längst verflogen; tatsächlich hatte Arsenal geradeden Club-Rekord für die längste Nie<strong>der</strong>lagenserie <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Geschichte überboten […]. Wie auch immer, siebezauberte das Team genauso wie sie mich bezaubert hatte, und wir erzielten <strong>in</strong> den ersten M<strong>in</strong>uten desSpiels drei Treffer. […] Wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>mal war Arsenal rücksichtsvoll genug, sich so seltsam zu verhalten, daßnicht nur <strong>der</strong> Anlaß, son<strong>der</strong>n auch das Spiel selbst für mich denkwürdig bleiben sollte (Fever Pitch, S. 136).Beim ersten Stadionbesuch <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er Freund<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>en die beiden Beziehungen, die Hornbyunterhält, positiv aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu reagieren: Arsenal zeigt e<strong>in</strong> gutes Spiel und die Freund<strong>in</strong>f<strong>in</strong>det Gefallen an <strong>der</strong> fußballerischen Darbietung. Hornby bricht sogar für se<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> <strong>mit</strong>se<strong>in</strong>en normalen Gewohnheiten und kauft Karten für Sitzplätze anstelle von Stehplatzkarten.Bei diesem Spiel funktioniert das Aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>treffen zweier Welten; Hornby setzt hier an<strong>der</strong>ePrioritäten: das geme<strong>in</strong>same Fußballerlebnis <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Freund<strong>in</strong> ist wichtiger als das Spiel traditionellauf <strong>der</strong> lauten Stehplatztribüne zu verfolgen. Der „wahre“ Fan würde das wahrsche<strong>in</strong>lichkritisieren, aber Hornby zeigt, dass neben dem Fußball für ihn auch noch an<strong>der</strong>e D<strong>in</strong>geexistieren. Er weist allerd<strong>in</strong>gs darauf h<strong>in</strong>, dass <strong>der</strong> enge Bezug zum Fußball se<strong>in</strong>er Ansichtnach auch das e<strong>in</strong>zig wirklich herausstechende Wesensmerkmal se<strong>in</strong>er Persönlichkeit darstelltund se<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> wahrsche<strong>in</strong>lich deshalb versucht, e<strong>in</strong>en Zugang zu diesem Thema zu f<strong>in</strong>-$%"


den. Fußball ist für Hornby <strong>der</strong> Raum, <strong>in</strong> dem se<strong>in</strong>e Identität und Individualität gebildet wirdund zur Geltung kommt:Es ist vielleicht ke<strong>in</strong> Wun<strong>der</strong>, daß me<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> nach Highbury kommen wollte: An mir war wirklich nichtviel an<strong>der</strong>es dran […] o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest nichts, was ich schon entdeckt und herausgearbeitet hatte. Es gab D<strong>in</strong>ge,die mir gehörten – me<strong>in</strong>e Freunde, me<strong>in</strong>e Beziehungen <strong>mit</strong> me<strong>in</strong>er Mum, me<strong>in</strong>em Dad und me<strong>in</strong>erSchwester, me<strong>in</strong>e Musik, me<strong>in</strong>e Liebe zum K<strong>in</strong>o, me<strong>in</strong> S<strong>in</strong>n für Humor –, doch ich konnte nicht erkennen,daß sie auf irgendwas beson<strong>der</strong>s Individuelles h<strong>in</strong>ausliefen […]; aber me<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>same und e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gliche H<strong>in</strong>gabean Arsenal und die sie begleitenden Notwendigkeiten […] nun ja, das hatte zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>e gewisseSchärfe und gab mir e<strong>in</strong> paar an<strong>der</strong>e Charakteristika als nur e<strong>in</strong>e Nase, zwei Augen und e<strong>in</strong>en Mund (FeverPitch, S. 140).Es wird an dieser Stelle nicht ganz klar, ob Hornby <strong>mit</strong> dieser Selbste<strong>in</strong>schätzung se<strong>in</strong>er Persönlichkeitwirklich zufrieden o<strong>der</strong> glücklich ist. Man gew<strong>in</strong>nt zum Teil den E<strong>in</strong>druck, dass erhofft, dass Fußball nicht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Aspekt ist, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>em Wesen Konturen verleiht; es kl<strong>in</strong>gtaber auch, als hätte er sich <strong>in</strong> gewisser Weise da<strong>mit</strong> abgefunden, „nur“ durch se<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>gebungsvolleLeidenschaft für Arsenal London def<strong>in</strong>iert zu werden und sich dadurch von an<strong>der</strong>enunterscheiden und an Charakter gew<strong>in</strong>nen zu können.Es verwun<strong>der</strong>t nicht, dass die für Hornby elementare Verb<strong>in</strong>dung zum Fußball <strong>in</strong> gewissenSituationen dann doch die Oberhand gew<strong>in</strong>nt und er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rolle des Fans die Rolle als (fürsorglicher)Freund vernachlässigt. Dies ist <strong>der</strong> Fall, als se<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong>, auf die er beim erstengeme<strong>in</strong>samen Stadionbesuch noch Rücksicht genommen hat, während e<strong>in</strong>es Spiels ohnmächtigwird. Dieses Ereignis zeigt ihm, wie sehr <strong>der</strong> Fußball ihn eigentlich im Griff hat:Dreizehn Jahre später schäme ich mich immer noch für me<strong>in</strong>en Unwillen, me<strong>in</strong>e Unfähigkeit zu helfen, unddas tue ich zum Teil deshalb, weil mir bewußt wird, daß ich mich ke<strong>in</strong> bißchen verän<strong>der</strong>t habe. Ich will nichtauf jemand achtgeben, wenn ich bei e<strong>in</strong>em Spiel b<strong>in</strong>; ich b<strong>in</strong> nicht imstande, bei e<strong>in</strong>em Spiel auf jemandenachtzugeben. […] Ich weiß, daß diese Sorgen von dem kle<strong>in</strong>en Jungen <strong>in</strong> mir angezettelt werden, sobald esum Fußball geht: Dieser kle<strong>in</strong>e Junge hat das Gefühl, daß Frauen bei Fußballspielen immer <strong>in</strong> Ohnmacht fallen,daß ihre Anwesenheit im Stadion unvermeidlich auf Ablenkung und Unheil h<strong>in</strong>ausläuft […]. Aber das istes eben, was <strong>der</strong> Fußball aus mir gemacht hat. Er hat mich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Menschen verwandelt, <strong>der</strong> nicht Hilfe leistenwürde, wenn die Wehen se<strong>in</strong>er Freund<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em unpassenden Moment e<strong>in</strong>setzten […]; und für dieDauer <strong>der</strong> Spiele b<strong>in</strong> ich e<strong>in</strong> Elfjähriger (Fever Pitch, S. 142f). 155Für Hornby entsteht e<strong>in</strong> Konfliktpotential, wenn Fußballspiele sich <strong>mit</strong> an<strong>der</strong>en Ereignissendes <strong>Leben</strong>s überschneiden und se<strong>in</strong>e Entscheidung fällt dann meistens zugunsten des Fußballsbzw. des Konsums von Fußball aus – laut Roose, Schäfer die zentrale Fanaktivität (vgl. Kapitel2.2.2, S. 16). Er zeigt hier die Züge des fußballzentrierten Fans (vgl. z.B. Heitmeyer undPeter <strong>in</strong> Kapitel 2.2.1, S. 7), für den Fußball im <strong>Leben</strong> die höchste Priorität hat und alles an<strong>der</strong>esich unterordnen muss. Hornby erzählt hier aus <strong>der</strong> zeitlichen Distanz von se<strong>in</strong>em Fehlverhaltenals Partner und macht deutlich, dass sowohl damals als auch heute noch <strong>der</strong> Partner <strong>in</strong>solchen Momente als e<strong>in</strong>e Art Last empfunden wird, das „K<strong>in</strong>d im Manne“ kommt zum Vorsche<strong>in</strong>,das alle Verantwortung von sich weist und selbstbezogen denkt und handelt. Hornby"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!&& "Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al.""$&"


schiebt hier erneut die „Schuld“ dem Fußball zu, <strong>der</strong> ihn „verwandelt“ hat, er beschreibt dessenWirkung als „entwicklungsverzögernd“ (Fever Pitch, S. 143). Es wird <strong>mit</strong> ke<strong>in</strong>em Wort<strong>der</strong> Versuch e<strong>in</strong>er Verän<strong>der</strong>ung aus Eigen<strong>in</strong>itiative erwähnt und Hornby zeigt so<strong>mit</strong>, welcheKonsequenzen das Ausleben e<strong>in</strong>er Leidenschaft <strong>mit</strong> sich br<strong>in</strong>gt. Er „resigniert“ sozusagen vor<strong>der</strong> Macht des Fußballs. Es ist für ihn auch unmöglich, e<strong>in</strong>e Frau als gleichberechtigten Fanan se<strong>in</strong>er Seite zu haben; er möchte sich z.B. im Falle <strong>der</strong> Gründung e<strong>in</strong>er Familie nicht <strong>mit</strong>se<strong>in</strong>er fußball<strong>in</strong>teressierten Freund<strong>in</strong> bei <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuung abwechseln, sodass beide abwechselnd<strong>in</strong>s Stadion gehen können. Er beansprucht diesen Bereich für sich alle<strong>in</strong>e, erschätzt se<strong>in</strong> Fanempf<strong>in</strong>den als das wahrhaftigere e<strong>in</strong>, er möchte ke<strong>in</strong>e Kompromisse e<strong>in</strong>gehen(vgl. Fever Pitch, S.231-236). Das Fanse<strong>in</strong> erweist sich demnach als dom<strong>in</strong>ierend <strong>in</strong> Konkurrenzzu an<strong>der</strong>en Systemen und Beziehungen, <strong>in</strong> die Hornby e<strong>in</strong>gebunden ist (vgl. Schmidt-Lux <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 16); e<strong>in</strong> Rückgang <strong>der</strong> Intensität <strong>der</strong> Fanobjektbeziehung im zunehmendenAlter, wie von theoretischer Seite vermutet und als wichtig erachtet, sowie die da<strong>mit</strong>e<strong>in</strong>hergehende „Privatisierung <strong>der</strong> Verehrung“ (Otte <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 16) s<strong>in</strong>d bei ihm hiernicht festzustellen.Das im fußballerischen Kontext unbedeutende Spiel Arsenal gegen Brighton im November1980 erhält für Hornby <strong>in</strong> familiärer H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Bedeutung, denn es ist das letzte,das er geme<strong>in</strong>sam <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>em Vater <strong>in</strong> Highbury verfolgt. Für Hornby ist dieses Spiel umgebenvon e<strong>in</strong>er „Ende-e<strong>in</strong>er-Ära-Aura“ (Fever Pitch, S. 185). In dieser Zeit hat sich letztendlichdie neu entstandene familiäre Situation entspannt; Hornby hat e<strong>in</strong>e gute Beziehung zuse<strong>in</strong>er Stiefmutter und se<strong>in</strong>en Halbgeschwistern aufgebaut und se<strong>in</strong> Vater und er haben e<strong>in</strong>eneue Ebene ihrer Beziehung erreicht – was für Hornby e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>s wichtiger Fortschritt ist:„[M]e<strong>in</strong> Vater und ich [hatten] fast unmerklich e<strong>in</strong> Stadium erreicht […], <strong>in</strong> dem Fußballnicht länger das vornehmliche Mittel <strong>der</strong> Unterhaltung zwischen uns war“ (Fever Pitch, S.185).Neben den (männlichen) Familien<strong>mit</strong>glie<strong>der</strong>n und gelegentlichen Stadionbesuchen <strong>mit</strong> <strong>der</strong>Freund<strong>in</strong>, gibt es auch Freunde wie z.B. Pete, <strong>mit</strong> dem Hornby e<strong>in</strong>e Fußballfangeme<strong>in</strong>schaftbildet; durch ihn <strong>in</strong>tensiviert sich die B<strong>in</strong>dung an den Fußball und an Arsenal London. FürHornby ist es wichtig, dass sich e<strong>in</strong> <strong>mit</strong> ihm befreundeter Arsenalfan auf e<strong>in</strong>er Augenhöhe <strong>mit</strong>ihm bef<strong>in</strong>det, d.h. die H<strong>in</strong>gabe für den Vere<strong>in</strong> <strong>mit</strong> ihm teilt und über e<strong>in</strong> fundiertes Wissenh<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Spieler, <strong>der</strong> Geschichte des Vere<strong>in</strong>s etc. verfügt (vgl. Fever Pitch, S. 206).Dieser Hang zum Expertentum ist für Fans e<strong>in</strong>e elementare und tragende Säule ihres Fandase<strong>in</strong>s(vgl. Kapitel 2.2.1 und 2.2.2). Hornby lernt diesen für ihn perfekten Arsenalfan <strong>mit</strong> 27Jahren kennen – „e<strong>in</strong>e vollkommene, lebensverän<strong>der</strong>nde Begegnung“ (Fever Pitch, S. 206):"$'"


[Pete] war (und ist noch immer) genauso bescheuert wie ich – er hat das gleiche lächerliche Gedächtnis, dengleichen Hang, se<strong>in</strong> <strong>Leben</strong> für neun Monate im Jahr von Spielansetzungen und Fernsehprogrammen beherrschenzu lassen. Er wird vor großen Spielen von <strong>der</strong> gleichen den Magen durche<strong>in</strong>an<strong>der</strong>wirbelnden Angstund den gleichen furchtbaren Stimmungstiefs nach schlimmen Nie<strong>der</strong>lagen ergriffen. Ich glaube, er hat <strong>in</strong>teressanterweiseden gleichen Hang dazu, sich e<strong>in</strong> wenig im <strong>Leben</strong> treiben zu lassen, die gleiche Unsicherheit,was er da<strong>mit</strong> anfangen soll, und ich glaube, er hat genauso wie ich zugelassen, daß Arsenal Lücken ausfüllt,die von etwas an<strong>der</strong>em hätten besetzt werden müssen – aber an<strong>der</strong>erseits tun wir das alle. […][I]ch schätze,ohne se<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluß hätte ich mich möglicherweise im Verlauf <strong>der</strong> nächsten paar Jahre allmählich vom Clubentfernt. Ich näherte mich dem Alter, <strong>in</strong> dem das Abdriften manchmal beg<strong>in</strong>nt (obwohl die D<strong>in</strong>ge, auf dieman sich zutreiben lassen soll – häusliches <strong>Leben</strong>, K<strong>in</strong><strong>der</strong>, e<strong>in</strong> Job, <strong>der</strong> mir wirklich am Herzen lag – e<strong>in</strong>fachnicht da waren), doch <strong>mit</strong> Pete geschah das Gegenteil. Unser Verlangen nach allem, was <strong>mit</strong> Fußball zu tunhat, wurde stärker, und Arsenal begann wie<strong>der</strong> tiefer <strong>in</strong> uns beide h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zukriechen. […] Ich habe allerd<strong>in</strong>gsden Verdacht, daß die [gute] Qualität von Arsenals Fußball <strong>in</strong> <strong>der</strong> Frühphase <strong>der</strong> Saison nur wenig <strong>mit</strong> irgendwaszu tun hatte. Es gab ganz an<strong>der</strong>e Gründe, warum wir uns von Anfang an verstanden haben, wie etwadie uns beiden geme<strong>in</strong>same Unfähigkeit, <strong>mit</strong> den D<strong>in</strong>gen außerhalb von Highbury zurechtzukommen und dasuns beiden geme<strong>in</strong>same Bedürfnis, für uns selbst e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Iglu zu schaffen, um uns vor den eisigen W<strong>in</strong>den<strong>der</strong> <strong>mit</strong>tleren achtziger Jahre und unseren späteren Zwanzigern zu schützen (Fever Pitch, S. 206ff).Was an <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition und Charakterisierung <strong>der</strong> Beziehung seitens Hornby <strong>in</strong>s Auge fällt, istdie Tatsache, dass Pete und er nicht nur auf <strong>der</strong> fußballerischen Ebene <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> harmonieren;ihre E<strong>in</strong>stellungen, ihre Art, <strong>mit</strong> dem <strong>Leben</strong> umzugehen, ergänzen sich nicht nur, son<strong>der</strong>ns<strong>in</strong>d deckungsgleich. Hornby deutet an, dass sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em jetzigen Alter e<strong>in</strong>e Distanz zumFußball zugunsten e<strong>in</strong>es Fortschreitens des persönlichen <strong>Leben</strong>sweges <strong>in</strong> Form von z.B. e<strong>in</strong>erFamiliengründung e<strong>in</strong>stellen sollte (vgl. Otte <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 16), doch die Leidenschaftgeht den umgekehrten Weg; sie verstärkt sich – auch begünstigt durch das Fehlen von Möglichkeiten,sich als Person weiter zu entwickeln und den oben gezeichneten Weg e<strong>in</strong>zuschlagenzu können. Die hier gebildete Partnerschaft zweier Fußballfans dient <strong>der</strong> gegenseitigenUnterstützung, <strong>der</strong> Bewältigung e<strong>in</strong>er problematischen <strong>Leben</strong>ssituation; sie ist frei von Vorwürfen,Wertungen und gut geme<strong>in</strong>ten Ratschlägen; Fußball dient – wie des Öfteren – alsAblenkung, Kompensation und Ersatzbetätigungsfeld. Hier werden Energien frei gesetzt, diesie <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Bereichen des <strong>Leben</strong>s nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, aufzubr<strong>in</strong>gen.Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Art und das Ausmaß <strong>der</strong> Rolle, die Fußballfür Hornby im Kontext zwischenmenschlicher Beziehung und Geme<strong>in</strong>schaft annimmt bzw.annehmen kann, stark von <strong>der</strong> Art des Beziehungskomplexes und den jeweils daran beteiligtenPersonen abhängt. Im familiären Kontext s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Fußball und die da<strong>mit</strong> verbundenenAktivitäten weitgehend positiv konnotiert, denn <strong>der</strong> Fußball baut Brücken zwischen dem Vater,<strong>der</strong> die Familie verließ, und dem Sohn, <strong>der</strong> zurückgelassen wurde und bietet darüber h<strong>in</strong>ausdie Möglichkeit, sich von familiären Problemen abzulenken und Defizite zu kompensieren– Fußball nimmt die Rolle des Ver<strong>mit</strong>tlers und Heilers (vgl. diesbezüglich Ottes Def<strong>in</strong>itiondes Fans <strong>in</strong> Kapitel 2.2.1, S. 5) und den Status e<strong>in</strong>es sowohl Flucht- und Rückzugsortes alsauch e<strong>in</strong>es Raumes zur Bildung e<strong>in</strong>er Identität e<strong>in</strong>. Wie bis jetzt dargestellt wurde, zeigtHornby im Laufe <strong>der</strong> Zeit e<strong>in</strong>e überaus starke B<strong>in</strong>dung an den Fußball und den Vere<strong>in</strong> Arse-"$+"


nal London. Diese Tendenz im H<strong>in</strong>blick auf die Intensität <strong>der</strong> Beziehung zu e<strong>in</strong>em Fanobjektaus dem Bereich Fußball ist typisch für K<strong>in</strong><strong>der</strong> bzw. Jugendliche aus strukturell gestörtenfamiliären Verhältnissen (vgl. Hermann <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 15).Im Kontext zwischenmenschlicher Beziehungen <strong>in</strong> Form von Liebesgeme<strong>in</strong>schaften wird <strong>der</strong>Fußball von Hornby als wichtiger e<strong>in</strong>geordnet, die Zusammenführung bei<strong>der</strong> Bereiche gel<strong>in</strong>gtnur vere<strong>in</strong>zelt und zwar dann, wenn für Hornby daraus ke<strong>in</strong>e Konflikte entstehen. E<strong>in</strong>e Beziehung<strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em weiblichen Fußballfan kann demzufolge nur dann gel<strong>in</strong>gen, wenn die Frauihre Fußballbedürfnisse zurückstellt und Hornby über e<strong>in</strong>en unbegrenzten Freiraum zum Auslebense<strong>in</strong>er Beziehung zum Fußball verfügt. Fußball strukturiert Hornbys <strong>Leben</strong> (vgl. z.B.Fantypologien <strong>in</strong> Kapitel 2.2.1) und für se<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong>nen stellt es sich sehr schwierig, <strong>in</strong>Teilen sogar unmöglich dar, auf dieselbe Prioritätststufe gehoben zu werden. Hornby ist sichdessen durchaus bewusst, ist aber als Mensch <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>er Seele und se<strong>in</strong>en Gefühlen schon zutief und fest <strong>mit</strong> dem Fußball bzw. Arsenal London verwoben, als dass er sich <strong>in</strong> manchenSituationen davon befreien könnte.Im Kontext <strong>der</strong> Freundschaft und Geme<strong>in</strong>schaft bildet <strong>der</strong> Fußball oft die Grundlage o<strong>der</strong> denersten E<strong>in</strong>stieg; man hat e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Ges<strong>in</strong>nung (vgl. z.B. Schäfer und Roose <strong>in</strong> Kapitel2.2.3, S. 19). Innerhalb sozialer Systeme wie z.B. <strong>der</strong> Schule o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Arbeit ermöglicht <strong>der</strong>Fußball die Wahrnehmung und Akzeptanz als Individuum, kann aber auch – wenn man wieim Falle Hornbys dem ‚falschen‘ Vere<strong>in</strong> angehört – zu Spannungen und <strong>in</strong> manchen Fällenzur Exklusion aus Geme<strong>in</strong>schaften führen. So<strong>mit</strong> variiert <strong>der</strong>en Dauer je nach Art <strong>der</strong> Beziehungund <strong>der</strong> daran Beteiligten von temporär bis langfristig (vgl. Kapitel 2.2.3). Häufig erfüllendie auf dem Fundament des Fußballs gebauten Geme<strong>in</strong>schaften auch den Zweck, die D<strong>in</strong>ge,die im <strong>Leben</strong> falsch laufen, zu überdecken und zu kompensieren. Dass diese Freund- o<strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>schaften für Hornby als Ersatz für die Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Familie fungieren, ist <strong>in</strong> Teilendurchaus anzunehmen.Der Wunsch, e<strong>in</strong>em offiziellen Fanclub beizutreten, ist bei Hornby nicht vorhanden. Kontaktezu an<strong>der</strong>en Fußball- bzw. Arsenalfans werden von Hornby nur dann erwähnt, wenn sie elementareE<strong>in</strong>flüsse auf se<strong>in</strong> Fandase<strong>in</strong> ausüben und ihn als Mensch und als Fußballfan prägen.Erfahrungen h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Vergeme<strong>in</strong>schaftung von Fans während e<strong>in</strong>es Fußballspiels, wiesie <strong>in</strong> Kapitel 2.2.3 z.B. von Gebauer und Bromberger beschrieben werden, kommen beiHornby nur vere<strong>in</strong>zelt zur Sprache, die „geme<strong>in</strong>schaftliche Ekstase“ (Fever Pitch, S. 313) istfür ihn dabei das herausragende Merkmal und e<strong>in</strong> lebensbereichern<strong>der</strong> Gefühlszustand."$,"


3.2 Fußball im persönlichen ReifeprozessWie gestaltet sich nun die Verb<strong>in</strong>dung zum Fußball, zu Arsenal London im H<strong>in</strong>blick aufHornbys <strong>Leben</strong>sweg? Welche Bedeutung erhält <strong>der</strong> Fußball <strong>in</strong> bestimmten <strong>Leben</strong>sphasen?Verän<strong>der</strong>t sich <strong>in</strong> gewissen Situationen die E<strong>in</strong>stellung zu se<strong>in</strong>er Leidenschaft? Gibt es Momente<strong>der</strong> Distanz, <strong>in</strong> denen <strong>der</strong> Fußball und Arsenal London <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund rücken?Diese Fragen gilt es nun zu beantworten.Laut Roose und Otte stammt das erwählte Fanobjekt immer aus dem Bereich des öffentlichen<strong>Leben</strong>s und nicht aus dem persönlichen Netzwerk des Fans (vgl. Kapitel 2.2.1, S. 5). Dies istauch bei Hornby <strong>der</strong> Fall: se<strong>in</strong> Fanobjekt ist Fußball bzw. Arsenal London. Arsenal Londonist allerd<strong>in</strong>gs nicht <strong>der</strong> Fußballvere<strong>in</strong>, <strong>der</strong> ihm geographisch am nächsten ist, d.h. Hornby unterstütztnicht se<strong>in</strong>en lokalen Vere<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n den Vere<strong>in</strong>, zu dem er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Jugend zufällig<strong>mit</strong>genommen wurde und <strong>der</strong> se<strong>in</strong>er eigenen Persönlichkeit und se<strong>in</strong>en Bedürfnissen amnächsten ist (vgl. z.B. Hermann <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 14).Im Jahre 1972 – das <strong>in</strong> vielerlei H<strong>in</strong>sicht sehr wichtig für Hornbys Entwicklung ist – besuchtHornby <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>em Vater das Spiel Chelsea gegen Tottenham. Hornby nutzt diesen Anlass,um se<strong>in</strong>e Empf<strong>in</strong>dungen, se<strong>in</strong>e Wesensmerkmale als fünfzehnjähriger Jugendlicher zu verdeutlichen,um zu erklären, warum Arsenal London und er so gut zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> passen und <strong>in</strong>wieferner sich <strong>in</strong> Charakter und E<strong>in</strong>stellung von se<strong>in</strong>em Vater unterscheidet:Es stimmt, wenn man sagt, daß me<strong>in</strong> Vater nach Stamford Bridge [Stadion von Chelsea] gehörte, währendich e<strong>in</strong> geborener Arsenalfan war – genauso wie me<strong>in</strong> Team war ich auch oft mürrisch, defensiv, streitlustigund verklemmt. Chelsea war extravagant, unberechenbar und, es muß gesagt werden, nicht das allerverläßlichsteTeam. Me<strong>in</strong> Vater hatte e<strong>in</strong>e Vorliebe für p<strong>in</strong>kfarbene Hemden und theatralische Krawatten, und ichglaube, ich als strenger Moralist war <strong>der</strong> Ansicht, daß ihm e<strong>in</strong> wenig mehr Beständigkeit gut zu Gesicht gestandenhätte (Fever Pitch, S. 61).Die Fußballvere<strong>in</strong>e dienen Hornby hier als Orientierungspunkt, als Folie zur Charakterisierungvon Menschen. Hornby verfährt nach <strong>der</strong> Devise „Sag mir de<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> und ich sagedir, wer du bist; offenbare mir de<strong>in</strong>e Persönlichkeit und ich sage dir, welcher Vere<strong>in</strong> zu dirpasst.“ 156 Demzufolge ist Hornby Arsenal London, se<strong>in</strong> Vater ist Chelsea – zwei verschiedeneWelten. Der Nachweis, dass sich Hornby und Arsenal London durch dieselben Charakterzügeauszeichnen, wird an an<strong>der</strong>er Stelle noch e<strong>in</strong>mal geliefert:Wie <strong>der</strong> Club b<strong>in</strong> ich nicht <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er son<strong>der</strong>lichen dicken Haut ausgestattet; me<strong>in</strong>e Überempf<strong>in</strong>dlichkeit Kritikgegenüber bedeutet, daß ich viel eher die Zugbrücke hochklappe und verbittert me<strong>in</strong> Schicksal beklage,als e<strong>in</strong>en schnellen Handschlag anzubieten und <strong>mit</strong> dem Spiel weiterzumachen. Im echten Arsenalstil kannich austeilen, aber nicht e<strong>in</strong>stecken (Fever Pitch, S. 328).In beiden Textstellen wird zudem deutlich, dass sich Hornby als Fan def<strong>in</strong>itiv <strong>mit</strong> dem vonihm favorisierten Fanobjekt identifiziert und diese Identifikation für ihn die Voraussetzung"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!&' "Diese Formulierung bzw. Aussage habe ich verfasst und ist demnach nicht e<strong>in</strong>er Quelle entlehnt.""$-"


für die Wahl des Fanobjekts war (vgl. z.B. Hermann <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 14). Diese Identifikationwird auch dadurch untermauert, dass für Hornby als Fan Arsenal die höchste Priorität hatund <strong>der</strong> Fußball erst an zweiter Stelle kommt (vgl. Fever Pitch, S. 183).Neben Überstimmungen h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Charakterzüge repräsentiert Arsenal London auchdas soziale Umfeld, <strong>in</strong> dem sich Hornby bewegen möchte:"Fußball war <strong>in</strong> Mode, Chelsea war <strong>in</strong> Mode, und die Mannequ<strong>in</strong>s, Schauspieler und jungen leitenden Angestellten,die die Blauen anfeuerten, waren nett anzusehen und machten die Bridge (zum<strong>in</strong>dest die Sitzplätze)zu e<strong>in</strong>em auf erlesene Weise exotischen Ort. Doch das war es nicht, was mich am Fußball <strong>in</strong>teressierte. Arsenalund se<strong>in</strong>e Nachbarschaft waren für mich viel exotischer als alles, was ich je <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gegend um die K<strong>in</strong>g’sRoad sehen konnte, die voll von gähnend langweiligem Glamour und Glitter war. Fußball hatte mich aufgrundse<strong>in</strong>es An<strong>der</strong>sse<strong>in</strong>s ergriffen. All jene ruhigen Straßen <strong>mit</strong> Reihenhäusern <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gegend um Highburyund F<strong>in</strong>sbury Park, all jene verbitterten und doch eigentümlich loyalen Gebrauchtwagenverkäufer…ja, daswar wirkliche Exotik, das war das London, das e<strong>in</strong> Gymnasiast aus dem Themsetal niemals kennenlernenkonnte […] (Fever Pitch, S. 62f). 157Hornby ha<strong>der</strong>t <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>er sozialen Herkunft: Er stammt aus dem Norden Londons, aus <strong>der</strong>,wie er sagt, „vorstädtische[n] englische[n] Nachkriegskultur <strong>der</strong> Mittelschicht“ (Fever Pitch,S. 65), er fühlt sich <strong>in</strong>nerhalb dieser <strong>Kultur</strong>, die für ihn ke<strong>in</strong> Profil besitzt, wie e<strong>in</strong> Nichts, ohnewirkliche kulturelle Wurzeln (vgl. Fever Pitch, S. 63ff). Chelsea ist ihm jedoch als kulturellerFluchtort zu schick, zu abgehoben, zu oberflächlich; die Stadtteile <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe des Stadionsvon Arsenal dagegen verkörpern für ihn den <strong>Leben</strong>sstil und das <strong>Leben</strong>sgefühl, nachdem er sich sehnt, hier f<strong>in</strong>den sich Ecken und Kanten. Hornby versucht auf diesem Weg, alsJugendlicher se<strong>in</strong>e kulturelle Identität zu f<strong>in</strong>den bzw. diese zu konstruieren. Laut den AutorenBrändle und Koller beruht Hornbys Identifizierung <strong>mit</strong> Arsenal London auf dem Gefühl <strong>in</strong>gewisser H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong> (kultureller) Außenseiter zu se<strong>in</strong>:In e<strong>in</strong>er gesichtslosen Vorstadt im Norden Londons aufgewachsen, den Trends immer h<strong>in</strong>terherh<strong>in</strong>kend,reichlich uncool, zudem e<strong>in</strong> Scheidungsk<strong>in</strong>d: Die Backste<strong>in</strong>e des »Highbury« eröffneten dem Heranwachsendene<strong>in</strong>e mo<strong>der</strong>ne Welt, die neuesten Sprüche und den richtigen Akzent […]. 158Doch dieses Spiel <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Identität, <strong>der</strong> Versuch, kulturell sesshaft zu werden, bergen auchihre Tücken. Als Beispiel sei hier <strong>der</strong> Besuch des Spiels Read<strong>in</strong>g, die zu Hornbys Heimatortnahegelegenste Ligamannschaft, gegen Arsenal erwähnt, bei dem Hornby im Gespräch <strong>mit</strong>Read<strong>in</strong>gfans sozusagen „enttarnt“ wird. Er unterhält sich <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er Familie und bewegt sichse<strong>in</strong>er Ansicht nach auf sicherem Terra<strong>in</strong>, bis er durch den Gang des Gesprächs gezwungenist, se<strong>in</strong>e künstliche Identität preiszugeben:Erst als sie mich über die Schule ausfragten, g<strong>in</strong>g alles fürchterlich schief. Sie hatten von den Londoner Gesamtschulengehört und wollten wissen, ob das alles wahr sei, und für e<strong>in</strong>en Zeitraum, <strong>der</strong> wie Stunden erschien,ersann ich e<strong>in</strong>e ausgeklügelte Phantasiegeschichte, die auf den Heldentaten <strong>der</strong> Handvoll Schmalspurschlägerim Gymnasium beruhte. Ich kann nur mutmaßen, daß es mir gelungen war, mich selbst zu überzeugen,und daß sich me<strong>in</strong>e Stadt zu diesem Zeitpunkt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Nordlondoner Geme<strong>in</strong>de irgendwo zwischenHolloway und Isl<strong>in</strong>gton verwandelt hatte, denn als <strong>der</strong> Vater mich fragte, wo ich wohne, sagte ich ihm die"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!&+ "Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al."!&, "Brändle, Fabian, Koller, Christian: Goal! <strong>Kultur</strong>- und Sozialgeschichte des mo<strong>der</strong>nen <strong>Fussball</strong>s. Zürich: OrellFüssli Verlag 2002. S. 234.%("


Wahrheit. »Maidenhead?« wie<strong>der</strong>holte er ungläubig. »Maidenhead? Aber das ist ja nur vier Meilen von hierweg«. […] Dann versetzte er mir den Gnadenstoß. »Du solltest heute nach<strong>mit</strong>tag nicht für Arsenal se<strong>in</strong>«,sagte er. »Du solltest für de<strong>in</strong> Heimatteam se<strong>in</strong>.« Das war <strong>der</strong> erniedrigendste Moment me<strong>in</strong>er Teenagerjahre.E<strong>in</strong>e vollständige, ausgeklügelte und perfekt erdachte Welt brach krachend um mich herum zusammen undfiel mir <strong>in</strong> Brocken vor die Füße (Fever Pitch, S. 66f). 159Die Suche nach Identität gestaltet sich für Hornby schwierig: Er f<strong>in</strong>det sich nicht <strong>in</strong> dem kulturellenMilieu zurecht, <strong>in</strong> das er h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geboren wurde; hier wird aber von ihm lokale Loyalität,e<strong>in</strong>e enge B<strong>in</strong>dung an die „Heimat“ erwartet. Darüber h<strong>in</strong>aus erweist sich die Welt, die ernach für ihn anziehenden kulturellen Werten und E<strong>in</strong>stellungen modelliert, als fragiles Konstrukt.Hornby weiß zwar, woh<strong>in</strong> er gehören möchte, aber es stellt sich problematisch dar,dazugehören zu können. Doch dies än<strong>der</strong>t nichts an se<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung zu Arsenal London, siebleibt die Beziehung, die se<strong>in</strong> <strong>Leben</strong> stark bee<strong>in</strong>flusst (vgl. Fever Pitch, S. 67).Mit fünfzehn beschließt Hornby, se<strong>in</strong>en Standort im Stadion zu wechseln und zwar weg vonden Plätzen für Schüler h<strong>in</strong> zur Nordtribüne, „wo Arsenals stimmgewaltigste Anhänger standen“(Fever Pitch, S. 98). Er möchte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Fangenese die nächste Stufe erreichen. DieseEntscheidung be<strong>in</strong>haltet im H<strong>in</strong>blick auf Hornbys generellen Entwicklungsprozess e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>s<strong>in</strong>teressanten Aspekt:All die D<strong>in</strong>ge, die mich eigentlich hätten verän<strong>der</strong>n sollen – erster Kuß, Verlust <strong>der</strong> Jungfräulichkeit, ersteSchlägerei, erstes Besäufnis, erste Drogen, schienen e<strong>in</strong>fach zu passieren. Da war ke<strong>in</strong> Wille am Werk und<strong>mit</strong> Sicherheit fand ke<strong>in</strong> schmerzhafter Entscheidungsprozeß statt […] und vielleicht blieb ich deshalb trotzall dieser Erfahrungen vollkommen unverän<strong>der</strong>t. Durch die Drehkreuze <strong>der</strong> Nordtribüne zu gehen, war bis <strong>in</strong>me<strong>in</strong>e Mittzwanziger das e<strong>in</strong>zige Mal, soweit ich mich er<strong>in</strong>nern kann, daß ich bewußt den Stier bei den Hörnerngepackt habe. […] Ich wollte es durchziehen, doch zugleich hatte ich, erbärmlicherweise, e<strong>in</strong> wenigAngst. Der e<strong>in</strong>zige Moment, <strong>der</strong> bis dah<strong>in</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Augen me<strong>in</strong> <strong>Leben</strong> verän<strong>der</strong>te, hatte etwas da<strong>mit</strong> zutun, auf e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Stück Asphalt als sonst zu stehen, doch die Tatsache, dass ich mich dazu durchgerungenhatte, etwas zu tun, was ich nur aus halbem Herzen wollte und daß alles letztlich gut ausg<strong>in</strong>g … das warwichtig für mich. […] Nach me<strong>in</strong>er anfänglichen Besorgnis wuchsen mir die Bewegungen auf <strong>der</strong> Tribüneans Herz, die Art, wie ich Richtung Spielfeld geschleu<strong>der</strong>t und dann zurückgesaugt wurde. Und ich liebte dieAnony<strong>mit</strong>ät: Ich wurde letztlich doch nicht entlarvt. Ich blieb die nächsten siebzehn Jahre (Fever Pitch, S.100ff).Der e<strong>in</strong>zige Bereich des <strong>Leben</strong>s, <strong>in</strong> dem Hornby <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, aktiv eigene Entscheidungenzu treffen, ist <strong>der</strong> Fußball. An<strong>der</strong>e Erfahrungen, die e<strong>in</strong>en Jugendlichen prägen sollten, entfaltennicht die gleiche Kraft, da diese nicht von ihm, son<strong>der</strong>n von an<strong>der</strong>en angeregt und angetriebenwurden. So<strong>mit</strong> werden wichtige Erkenntnisse und E<strong>in</strong>sichten für das weitere <strong>Leben</strong>vorwiegend durch die Entwicklung des Fanse<strong>in</strong>s gewonnen; <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Dase<strong>in</strong> als Fan holt erso<strong>mit</strong> Erfahrungswerte nach, die er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Dase<strong>in</strong> als heranwachsen<strong>der</strong> Jugendlicher versäumthat und diese s<strong>in</strong>d für ihn von bedeuten<strong>der</strong>er Qualität. Des Weiteren ist es Hornby nundurch den Umzug auf die Nordtribüne möglich, se<strong>in</strong>e Identität als Arsenal-London-Fan ohneKonflikte auszuleben, da er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Menge <strong>der</strong> Fans untertauchen kann."""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!&- "Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al.""%!"


In den folgenden Jahren kommt es zu e<strong>in</strong>er temporären Abnabelung von Arsenal London.Dies liegt zum e<strong>in</strong>en daran, dass Hornby erkennt, dass Fußball nicht immer als Ausgleich,Ersatz und Lehrstätte des <strong>Leben</strong>s dienen kann. Diese Erkenntnis gew<strong>in</strong>nt er unter an<strong>der</strong>em, alser unter <strong>der</strong> Trennung von se<strong>in</strong>er Freund<strong>in</strong> Carol Blackborn leidet, die übrigens die e<strong>in</strong>zigeFreund<strong>in</strong> ist, die von Hornby namentlich erwähnt wird, was ihre Wichtigkeit noch unterstreicht:Zwischen 1968 und 1973 waren Samstage <strong>der</strong> Haupts<strong>in</strong>n me<strong>in</strong>er gesamten Woche, und was immer <strong>in</strong> <strong>der</strong>Schule o<strong>der</strong> zu Hause passierte war nebensächlich, die Werbung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Halbzeitpause des »Großen Spiels«.In jener Zeit war Fußball <strong>Leben</strong> und ich me<strong>in</strong>e das nicht metaphorisch: Ich erlebte die bedeutenden D<strong>in</strong>ge –den Schmerz des Verlusts (Wembley 1986 und 72), die Freude (das Double-Jahr), den vereitelten Ehrgeiz(das Europapokal -Viertelf<strong>in</strong>ale gegen Ajax), die Liebe (Charlie George) und die Langeweile (die meistenSamstage, wenn ich ehrlich b<strong>in</strong>) – nur <strong>in</strong> Highbury. […] Carol Blackburn eröffnete mir e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es <strong>Leben</strong>,das wirkliche, nicht transponierte, <strong>in</strong> dem D<strong>in</strong>ge eher mir als dem Club wi<strong>der</strong>fuhren, und wie wir alle wissen,ist das e<strong>in</strong>e schöne Bescherung (Fever Pitch, S. 114). 160Er hat dem Fußball alle Türen geöffnet, ihm die Lenkung se<strong>in</strong>es <strong>Leben</strong>s überlassen und esbedarf so<strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er schmerzlichen Erfahrung, um zu bemerken, dass sich se<strong>in</strong> <strong>Leben</strong> nicht nurauf e<strong>in</strong>em Rasenplatz abspielt.Zum an<strong>der</strong>en wird die Distanzierung dadurch begünstigt, dass Arsenal <strong>in</strong> <strong>der</strong> spielerischenQualität gravierend nachlässt und Hornby sich an alte Zeiten er<strong>in</strong>nert fühlt. Deshalb will erse<strong>in</strong>e Zeit lieber s<strong>in</strong>nvoller nutzen und z.B. Kontakte zu Mädchen aus <strong>der</strong> High School aufbauen(vgl. Fever Pitch, S.115). Hier ist es e<strong>in</strong>mal Arsenal London, das se<strong>in</strong>e Bedürfnissenicht (mehr) stillen kann.E<strong>in</strong> weiterer Grund ist, dass Fußball durch die Konkurrenz an<strong>der</strong>er auftreten<strong>der</strong> „Fanobjekte“,die Hornbys <strong>Leben</strong>ssituation eher entgegen kommen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Licht betrachtet wird:Die Fußballclique, die mich durch die ersten fünf Oberschuljahre gebracht hatte, […] erschien […] mir <strong>in</strong>zwischenweniger <strong>in</strong>teressant zu se<strong>in</strong> als die depressiven und äußerst lakonischen jungen Menschen <strong>in</strong> me<strong>in</strong>erEnglischklasse, und auf e<strong>in</strong>mal bestand das <strong>Leben</strong> nur noch aus Saufen und weichen Drogen, englischer Literaturund Van Morrisson. […] Ich war jetzt e<strong>in</strong> Intellektueller, und Brian Glanvilles Artikel <strong>in</strong> <strong>der</strong> SUNDAYTIMES hatten mich gelehrt, daß Intellektuelle verpflichtet waren, Fußball eher wegen se<strong>in</strong>er Kunstfertigkeitals wegen se<strong>in</strong>er Seele anzusehen (Fever Pitch, S. 117).Dieser Wechsel von identitätsstiftenden Objekten ist kennzeichnend für die Jugendphase (vgl.Otte <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 16). Doch schon bald – <strong>in</strong> <strong>der</strong> Übergangszeit von <strong>der</strong> Schule zumCollege – ergreift ihn das „Ballfieber“ wie<strong>der</strong> und genauso heftig – letztendlich war es nur dieschlechte Leistung <strong>der</strong> Mannschaft, die ihn kurze Zeit geheilt hatte und nicht „Übergangsrituale[…],Mädchen, Jean-Paul Sartre o<strong>der</strong> Van Morrisson“ (Fever Pitch, S. 123). Dies zeigtwie<strong>der</strong>um, dass <strong>der</strong> Fußball über ihn mehr Macht besitzt als vielleicht von ihm selbst vermutet.Hornby bezeichnet diese Phase im Alter von neunzehn als se<strong>in</strong>e „zweite K<strong>in</strong>dheit“ (FeverPitch, S.123): „Statt mich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en großstädtischen Erwachsenen zu verwandeln, endete es"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!'( "Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al.""%#"


da<strong>mit</strong>, daß ich me<strong>in</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vorstadt verbrachte Jugend neu erschuf“ (Fever Pitch, S.123).Anstatt Hornbys Entwicklungsprozess voran zu treiben, hemmt <strong>der</strong> Fußball ihn, führt sogar zue<strong>in</strong>er Umkehrung <strong>der</strong> Entwicklungsrichtung bzw. zu e<strong>in</strong>er Art Wie<strong>der</strong>holung, aber Hornby istunfähig, diesem E<strong>in</strong>fluss E<strong>in</strong>halt zu gebieten.Während se<strong>in</strong>es Studiums <strong>in</strong> Cambridge pflegt Hornby nicht nur se<strong>in</strong>e Beziehung zu ArsenalLondon, son<strong>der</strong>n baut auch e<strong>in</strong>e zum Team von Cambridge United auf. Für Hornby bedeutetdies ke<strong>in</strong>en „Verrat“ an Arsenal: „Ich war Arsenal nicht untreu, weil die zwei Teams nicht imselben Universum zu Hause waren“ (Fever Pitch, S.123). Hornby spricht erneut über Arsenalals wäre <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong> <strong>Leben</strong>sgefährte. Dies unterstreicht noch e<strong>in</strong>mal die elementare Bedeutungund Notwendigkeit, die diese Beziehung für Hornby hat.Die Zeit am College ist für Hornby – h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er Entwicklung – e<strong>in</strong>e Zeit <strong>der</strong> ungenutztenChancen:Ich habe immer gedacht, wenn auch jetzt nicht mehr, daß Älterwerden und Erwachsenwerden e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> entsprechen,daß beides unvermeidliche und unkontrollierbare Vorgänge s<strong>in</strong>d. Jetzt sche<strong>in</strong>t mir, daß Erwachsenwerdenvom Willen beherrscht ist, daß man wählen kann, e<strong>in</strong> Erwachsener zu werden, allerd<strong>in</strong>gs nur <strong>in</strong>bestimmten Augenblicken. […] In Cambridge hätte ich mich neu erf<strong>in</strong>den können, wenn ich schlau genuggewesen wäre. Ich hätte den kle<strong>in</strong>en Jungen ablegen können, dem die Fixierung auf Arsenal durch e<strong>in</strong>enheiklen Abschnitt se<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit und se<strong>in</strong>er frühen Teens geholfen hatte, ich hätte e<strong>in</strong> vollständig an<strong>der</strong>erMensch werden können, e<strong>in</strong> großspurig selbstbewußter und ehrgeiziger junger Mann, <strong>der</strong> sich se<strong>in</strong>es Wegesdurch die Welt sicher ist. Aber ich habe es nicht getan. Aus irgende<strong>in</strong>em Grund klammerte ich mich, als obme<strong>in</strong> <strong>Leben</strong> davon abh<strong>in</strong>g, an das Ich me<strong>in</strong>er Jugend, und ließ mich von ihm durch me<strong>in</strong>e Studentenjahre leiten;und da<strong>mit</strong> bedeutet <strong>der</strong> Fußball, we<strong>der</strong> zum ersten o<strong>der</strong> letzten Mal noch aus eigener Schuld, sowohl e<strong>in</strong>eStütze als auch e<strong>in</strong>e Entwicklungsverzögerung für mich. […] Ich schaffte es tatsächlich, dafür zu sorgen, daßall die Vorrechte, die e<strong>in</strong>e Ausbildung <strong>in</strong> Cambridge ihren Empfängern verleihen kann, komplett an mir vorbeig<strong>in</strong>gen.In Wahrheit hatte ich Angst vor Cambridge, und Fußball, me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>dheitströster, me<strong>in</strong>e Schutzhülle,war e<strong>in</strong> Weg da<strong>mit</strong> fertigzuwerden (Fever Pitch, S. 134f). 161Hornby hat Angst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Rolle als Student an e<strong>in</strong>er renommierten Universität zu scheitern,den Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Anstatt sich <strong>mit</strong> dieser für ihn neuen Welt und denda<strong>mit</strong> e<strong>in</strong>hergehenden Herausfor<strong>der</strong>ungen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu setzen, flüchtet Hornby wie<strong>der</strong> <strong>in</strong>die (Ersatz-)Welt des Fußballs und sucht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rolle des Fans Bestätigung und Sicherheit(vgl. Hermann <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 15). Fußball funktioniert so<strong>mit</strong> wie e<strong>in</strong>e Art Allheil<strong>mit</strong>telfür die Makel des <strong>Leben</strong>s: Probleme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Universität, im Beruf? Dann nimme<strong>in</strong>e Pille Fußball! Probleme <strong>mit</strong> Freunden, <strong>der</strong> Familie o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beziehung? E<strong>in</strong>e Fußballtherapiehilft! Allerd<strong>in</strong>gs ist <strong>der</strong> Fußball eher als e<strong>in</strong> Sche<strong>in</strong>medikament, als Placebo zu sehen.An dieser Stelle wird auch noch e<strong>in</strong>mal auf die mediz<strong>in</strong>ische Def<strong>in</strong>ition des Fiebers als Teile<strong>in</strong>es Genesungsprozesses verwiesen (vgl. Kapitel 3, S. 28): Bei Hornby sche<strong>in</strong>t das „Ballfieber“se<strong>in</strong> <strong>Leben</strong> jedoch nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e „gesunde“ Richtung zu lenken; es wirkt vielmehr wiee<strong>in</strong>e Ablenkung von <strong>der</strong> Krankheit „<strong>Leben</strong>“, unter <strong>der</strong> Hornby leidet."""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!'! "Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al.""%$"


Die Nutzung des Fußballs als Kompensationsfeld (vgl. Hermann <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 15) ist –wie bisher festgestellt wurde und Hornby auch selbst hervorhebt – die kennzeichnende undimmer wie<strong>der</strong>kehrende Reaktion auf Konflikte, auf Unzulänglichkeiten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em <strong>Leben</strong>. Diesgilt auch für die Zeit nach Abschluss des Studiums. Es gibt Situationen, <strong>in</strong> denen die Erfolge,die Arsenal London err<strong>in</strong>gt, die Nie<strong>der</strong>lagen, die Hornby beruflich erleidet, ausgleichen o<strong>der</strong>Hornby e<strong>in</strong>e von ihm nicht favorisierte konservative Regierung Englands akzeptieren würde,wenn Arsenal nur den Pokal gew<strong>in</strong>nt (vgl. Fever Pitch S. 152ff). Arsenal London ist dannse<strong>in</strong> erfolgreiches Ich. Hornby erlebt folglich den für ihn „größte[n] Augenblick aller Zeiten“(Fever Pitch S. 306) nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Universität, im Beruf o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beziehung<strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er Frau, son<strong>der</strong>n im Stadion: Im Jahre 1989 schießt Arsenal London <strong>in</strong> letzter M<strong>in</strong>utee<strong>in</strong> Tor gegen Liverpool und sichert sich da<strong>mit</strong> nach achtzehn Jahren endlich wie<strong>der</strong> die Meisterschaft:Ke<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Augenblicke, die Menschen als die schönsten <strong>in</strong> ihrem <strong>Leben</strong> beschreiben, sche<strong>in</strong>t mir vergleichbarzu se<strong>in</strong>. Die Geburt e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des muß außerordentlich bewegend se<strong>in</strong>, aber sie hat nicht wirklich das entscheidendeElement <strong>der</strong> Überraschung und dauert <strong>in</strong> jedem Fall zu lange; die Erfüllung persönlicher Wünsche– Beför<strong>der</strong>ungen, Ehrungen, was weiß ich – hat nicht das In-Letzter-M<strong>in</strong>ute-Zeitmoment und auch nichtdas Element <strong>der</strong> Machtlosigkeit, die ich an jenem Abend empfand. (Fever Pitch, S. 312f).Dann gibt es Momente, <strong>in</strong> denen die Kompensation durch den Fußball und Arsenal Londonnicht funktioniert: In den achtziger Jahren leidet Hornby an Depressionen, se<strong>in</strong> <strong>Leben</strong> gleichte<strong>in</strong>er Sackgasse und auch Arsenal steckt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Krise. Bei e<strong>in</strong>em Viertelf<strong>in</strong>alwie<strong>der</strong>holungspielim Ligapokal gegen Aston Villa wird ihm die Problematik se<strong>in</strong>er Fokussierung aufden Fußball <strong>in</strong> aller Deutlichkeit bewusst:[Das Spiel] […] war wahrsche<strong>in</strong>lich me<strong>in</strong> allerschlimmster Abend beim Fußball, e<strong>in</strong> neuer Tiefpunkt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erbereits von Tiefpunkten übersäten Beziehung. Es lag nicht nur an <strong>der</strong> Art und Weise <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lage […]; eslag auch nicht daran, daß wir das sechste Jahr <strong>in</strong> Folge ke<strong>in</strong> Trophäe gew<strong>in</strong>nen würden. Es lag an mehr als andiesen D<strong>in</strong>gen, obwohl sie alle<strong>in</strong>genommen trostlos genug waren. Es lag zum Teil an me<strong>in</strong>er eigenen, verborgenenDepression, die sich dauernd überlegte, wie sie ausbrechen konnte, und <strong>der</strong> gefiel, was sie an diesemAbend <strong>in</strong> Highbury sah; aber noch mehr lag es daran, daß ich mir wie üblich Arsenal ansah, da<strong>mit</strong> es mirzeigte, daß die D<strong>in</strong>ge nicht für alle Zeiten schlecht bleiben konnten, daß es möglich war, Gewohnheiten zuän<strong>der</strong>n, daß Nie<strong>der</strong>lagenserien e<strong>in</strong> Ende hatten. Wie auch immer, Arsenal hatte an<strong>der</strong>e Vorstellungen: DasTeam schien mir zeigen zu wollen, daß Tiefs tatsächlich dauerhaft se<strong>in</strong> konnten, daß manche Menschen, sowie manche Clubs, e<strong>in</strong>fach nie Wege aus den Räumen f<strong>in</strong>den konnte, <strong>in</strong> die sie sich selbst e<strong>in</strong>gesperrt hatten.Es schien mir an jenem Abend und für die nächsten paar Tage, daß wir beide zu oft e<strong>in</strong>e falsche Entscheidunggetroffen und den D<strong>in</strong>gen viel zu lange ihren Lauf gelassen hatten, als das sich je etwas zum Besserenwenden konnte. Da war es wie<strong>der</strong> das Gefühl, und diesmal viel tiefer und viel beängstigen<strong>der</strong>, dieses Gefühl,daß ich für alle Zeiten an den Club und dieses armselige Ersatzleben gekettet war. (Fever Pitch, S. 219f). 162In dem Augenblick, <strong>in</strong> dem sowohl <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em <strong>Leben</strong> als auch im „<strong>Leben</strong>“ von Arsenal LondonKrisen auftreten, bedrückt ihn die Beziehung und wird zur Last. Hornby bezeichnet denFußball als „e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Version <strong>der</strong> Welt“ (Fever Pitch, S. 223), als „e<strong>in</strong>e Ersatzwelt, soernsthaft und anstrengend wie die Arbeit, <strong>mit</strong> den gleichen Sorgen, Hoffnungen, Enttäu-"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!'# "Kursivsetzung f<strong>in</strong>det sich so im Orig<strong>in</strong>al.""%%"


schungen und gelegentlichen Hochgefühlen“ (Fever Pitch, S. 184), doch treten die Gesetzmäßigkeiten,die diese Welt ausmachen, hier nicht <strong>in</strong> Kraft. Hornby sieht sich gefangen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>ersche<strong>in</strong>bar ausweglosen Situation.Des Weiteren sieht Hornby e<strong>in</strong>en engen Zusammenhang zwischen dem Geschehen auf demPlatz und <strong>der</strong> Rolle, die die Fans während des Spiels e<strong>in</strong>nehmen und stimmt so<strong>mit</strong> <strong>in</strong> Teilen<strong>mit</strong> den Ansichten Gebauers zur Rolle <strong>der</strong> Zuschauer im Fußball übere<strong>in</strong> (vgl. Gebauer <strong>in</strong>Kapitel 2.2.3, S. 21):"E<strong>in</strong>e Sache, die ich sicher über das Dase<strong>in</strong> als Fan weiß: Es ist ke<strong>in</strong> nachempfundenes Vergnügen, trotz allemgegenteiligen Ansche<strong>in</strong>, und jene, die sagen, daß sie etwas lieber tun statt zuzusehen, verstehen nicht, worumes geht. Fußball bildet e<strong>in</strong>en Kontext, <strong>in</strong> dem Zuschauen zum Tun wird […].[…][W]enn es irgende<strong>in</strong>e Artvon Triumph gibt, strahlt die Freude <strong>der</strong> Spieler nicht kreisförmig nach außen ab, bis sie unsere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erverblaßten, reduzierten Form erreicht; unsere Freude ist ke<strong>in</strong>e wäßrige Version <strong>der</strong> Freude <strong>der</strong> Mannschaft[…]. Die Freude, die wir bei <strong>der</strong>artigen Anlässen empf<strong>in</strong>den, ist nicht e<strong>in</strong> Feiern des Glücks an<strong>der</strong>er, son<strong>der</strong>ne<strong>in</strong> Feiern unseres eigenen; und bei e<strong>in</strong>er katastrophalen Nie<strong>der</strong>lage ist das uns verschl<strong>in</strong>gende Leid <strong>in</strong> WirklichkeitSelbst<strong>mit</strong>leid, und je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> verstehen will, wie Fußball konsumiert wird, muß sich das als erstesklarmachen. Die Spieler s<strong>in</strong>d bloß unsere Vertreter, mehr vom Tra<strong>in</strong>er ausgesucht als von uns gewählt, aberdennoch unsere Vertreter, und manchmal kann man, wenn man genau h<strong>in</strong>sieht, die kle<strong>in</strong>en Stangen sehen,die sie zusammenhalten, und die Griffe an den Seiten, die es uns ermöglichen, sie zu bewegen (Fever Pitch,S. 253f).Hornby stellt das Zusammenwirken von Spielern und Zuschauern wie bei e<strong>in</strong>em Spiel amKicker-Tisch dar: Die Zuschauer s<strong>in</strong>d diejenigen, die die Spieler leiten und steuern, sie gebendie Richtung vor, sie nehmen das Spiel und se<strong>in</strong>en Ablauf sprichwörtlich <strong>in</strong> die Hand. Deshalbs<strong>in</strong>d sie auch e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Ursachen für errungene Siege und erlittene Demütigungen. DieRolle des Fans im Stadion ist für Hornby daher als die e<strong>in</strong>es am Spiel (An-)Teilnehmenden zusehen. Die Rolle <strong>der</strong> Spieler gleicht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Werkzeugs, das man zur Erreichung bestimmterZiele verwendet, sie s<strong>in</strong>d gewissermaßen Mittel zum Zweck.Interessanterweise ist es letztendlich doch e<strong>in</strong> fußballerischer Erfolg – und zwar <strong>der</strong> Sieg überTottenham im Littlewoods Cup im Jahre 1987 –, <strong>der</strong> Hornbys <strong>Leben</strong>skrise beendet und zugleichdafür sorgt, dass Hornby begreift, dass er die Verb<strong>in</strong>dungen, die er zwischen se<strong>in</strong>emSchicksal, se<strong>in</strong>em <strong>Leben</strong> und <strong>der</strong> Karriere von Arsenal London geknüpft hat, lösen muss undnur er über den Verlauf se<strong>in</strong>es <strong>Leben</strong>s bestimmt und die Verantwortung dafür trägt (vgl. FeverPitch, S. 246f):[…] [Der] Auftrieb, den Arsenal mir gab, machte es mir <strong>in</strong> gewisser H<strong>in</strong>sicht möglich, mich vom Club zu lösen:Obwohl ich immer noch e<strong>in</strong>er von Arsenal h<strong>in</strong>gebungsvollsten Fans b<strong>in</strong>, und obwohl ich immer noch zujedem Heimspiel gehe, dieselbe nervöse Spannung, dieselbe Begeisterung und dieselben düsteren Stimmungendurchlebe, die ich schon immer durchlebt habe, begreife ich das Team jetzt als e<strong>in</strong> vollkommen selbstständigesWesen, dessen Erfolg und Versagen ke<strong>in</strong>e Beziehung zu me<strong>in</strong>em eigenen hat. In jener Nacht hörteich auf, e<strong>in</strong> Arsenalverrückter zu se<strong>in</strong> und lernte wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Fan zu se<strong>in</strong>, immer noch verschroben und immernoch gefährlich besessen, aber trotzdem nur e<strong>in</strong> Fan (Fever Pitch, S. 247f).Hornby hat se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stellung gegenüber Arsenal London auf e<strong>in</strong>e reduzierte Stufe gebracht:Er ist „nur“ noch e<strong>in</strong> Fan. Doch dieses Fanse<strong>in</strong> vollzieht sich weiterh<strong>in</strong> <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er Intensität,die als extrem bezeichnet werden kann (vgl. Kapitel 2.2.1 und 2.2.2). Immerh<strong>in</strong> bewegt sich%&"


Hornby wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> verhältnismäßig „normalen“ Fansphären: Er war <strong>in</strong> gewisser H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>„Arsenalverrückter“ und Verrückte haben meist den Bezug zum <strong>Leben</strong> und die Kontrolle darüberverloren, Hornby versucht sie – zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> Teilen – wie<strong>der</strong>zuerlangen.Im Jahre 1989 zieht Hornby nach Nordlondon <strong>in</strong> die Nähe des Highbury-Stadions, um <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erGegend zu leben, die, wie er sagt, „erfüllt [ist] von me<strong>in</strong>er eigenen Vergangenheit“ (vgl.Fever Pitch, S. 286). Jedoch erweist sich die Vorstellung, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Umgebung zu leben, <strong>in</strong> <strong>der</strong>se<strong>in</strong>er Ansicht nach Arsenal London den Mittelpunkt im <strong>Leben</strong> <strong>der</strong> Menschen bildet bzw.bilden sollte und er sich so<strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er Fangeme<strong>in</strong>schaft anschließen kann, als nostalgischesWunschbild:Ich vermutete, dass ich dachte, es werde wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dieser Sitcom-Darstellungen <strong>der</strong> Vorstadt se<strong>in</strong>, <strong>mit</strong> allden identischen Vor<strong>der</strong>türen, die sich alle zur gleichen Zeit öffnen, und <strong>mit</strong> den identisch gekleideten Männern,die zusammen die Straße h<strong>in</strong>untermarschieren und dabei die identischen Aktentaschen, Schirme undZeitungen umklammern. In me<strong>in</strong>er Straße würden es natürlich Arsenalfans se<strong>in</strong>, die auftauchten, und ke<strong>in</strong>Pendler, und sie würden alle Käppis und ausgebleichte, rot-weiß gestreifte Schals tragen. Und sie würdenmich sehen, lächeln und w<strong>in</strong>ken, und ich würde unverzüglich e<strong>in</strong> sehr geliebtes und geachtetes Mitglied e<strong>in</strong>erglücklichen, aus Männern <strong>der</strong> Arbeiterklasse bestehenden Arsenal-Geme<strong>in</strong>schaft werden. Aber ke<strong>in</strong>e Türenöffneten sich. Niemand <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Straße unterstützt Arsenal. […] Die Bevölkerungsstruktur hat sich <strong>mit</strong>tlerweileverän<strong>der</strong>t, und all jene Leute, die <strong>in</strong> Isl<strong>in</strong>gton, F<strong>in</strong>sbury Park und Stoke New<strong>in</strong>gton wohnten und dieSpiele besuchten s<strong>in</strong>d weg […]. Und obwohl du e<strong>in</strong>e ganze Menge Leute <strong>mit</strong> Clubhemden herumlaufensiehst und sich e<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> Ladenbesitzer für die Ergebnisse <strong>in</strong>teressieren […], b<strong>in</strong> ich hier e<strong>in</strong>samer, als ichdas Ende <strong>der</strong> Sechziger überhaupt für möglich gehalten hätte, vor all jenen Jahren, als ich me<strong>in</strong>en Dad zudrängen pflegte, e<strong>in</strong> Haus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Avenell Road zu kaufen, und er sagte, ich werde irgendwann die Nase vollhaben (Fever Pitch, S. 286ff).Anstatt nun <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sozialen Umfeld zu leben, <strong>in</strong> dem se<strong>in</strong>e Liebe zu Arsenal London als sowichtig und elementar angesehen wird wie zum Beispiel <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Wohngegenden e<strong>in</strong> guterJob und e<strong>in</strong> gut gefülltes Bankkonto, sieht sich Hornby <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em Wandel bezüglich <strong>der</strong> Mentalität<strong>der</strong> Menschen, die nun <strong>in</strong> dieser Umgebung wohnen, konfrontiert. Arsenal London istnicht mehr das die dortige <strong>Kultur</strong> prägende Element. Vielleicht ist das auch e<strong>in</strong> Anreiz fürHornby, se<strong>in</strong>e Fokussierung auf den Vere<strong>in</strong> e<strong>in</strong> wenig zu lockern.In se<strong>in</strong>en dreißiger Jahren erreicht Hornby sowohl <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em <strong>Leben</strong> als auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Fandase<strong>in</strong>e<strong>in</strong>e neue Stufe:Ich habe e<strong>in</strong>e Hypothek aufgenommen, um e<strong>in</strong> Haus zu kaufen; […] ich b<strong>in</strong> Onkel geworden; […] ich habemich bei e<strong>in</strong>em Steuerberater angemeldet; ich habe festgestellt, daß bestimmte Arten von Musik – Hip-Hop,Indie-Gitarrenpop, Trash Metal – alle gleich kl<strong>in</strong>gen und ke<strong>in</strong>e Melodie haben; ich ziehe <strong>mit</strong>tlerweile RestaurantsNachtclubs vor und Abendessen <strong>mit</strong> Freunden Partys; ich habe e<strong>in</strong>e Abneigung gegen das Gefühl entwickelt,das dir e<strong>in</strong> Bauch voll Bier gibt, auch wenn ich noch immer gern e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Helles tr<strong>in</strong>ke; ich habeangefangen, E<strong>in</strong>richtungsgegenstände zu begehren; […] ich habe angefangen, gewisse Ansichten zu entwickeln– über die Hausbesetzer, die <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Straße leben, zum Beispiel, und über unvernünftig laute Partys –,die ganz und gar nicht <strong>mit</strong> den Standpunkten übere<strong>in</strong>stimmen, die ich vertrat, als ich jünger war. Und 1989habe ich e<strong>in</strong>e Dauerkarte für die Sitzplätze gekauft, nachdem ich über fünfzehn Jahre lang auf <strong>der</strong> Nordtribünegestanden habe. Diese E<strong>in</strong>zelheiten erzählen nicht die ganze Geschichte me<strong>in</strong>es Älterwerdens, aber sie erzählene<strong>in</strong>en Teil davon (Fever Pitch, S. 314f).Mit Hilfe e<strong>in</strong>er Ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong>reihung von Beispielen zeigt Hornby dem Leser – und vielleichtauch sich selbst –, dass sich die Prioritäten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em <strong>Leben</strong> verschoben haben; er nimmt bestimmteD<strong>in</strong>ge an<strong>der</strong>s wahr und vertritt im H<strong>in</strong>blick auf gewisse Themen jetzt an<strong>der</strong>e, – im%'""


Vergleich zu früheren Zeiten – teilweise konträre Ansichten. Man gew<strong>in</strong>nt den E<strong>in</strong>druck,dass Hornby ‚gesetzter‘ geworden ist, dass er gelernt hat, das <strong>Leben</strong> <strong>mit</strong> all se<strong>in</strong>en Verän<strong>der</strong>ungenzu akzeptieren. Auch im H<strong>in</strong>blick auf das Praktizieren se<strong>in</strong>es Fandase<strong>in</strong>s f<strong>in</strong>den sichdurch den Wechsel des Platzes im Stadion, <strong>der</strong> Heitmeyer und Peter zufolge typisch für denälter werdenden Fan ist (vgl. Kapitel 2.2.2, S. 16), Anzeichen e<strong>in</strong>es Reifeprozesses: Hornbymöchte auch im Stadion „sesshaft“ werden, se<strong>in</strong> „eigenes Heim“ (Fever Pitch, S. 316) haben.Dies bedeutet allerd<strong>in</strong>gs nicht zw<strong>in</strong>gend, dass sich auch se<strong>in</strong> emotionales Engagement als Fanän<strong>der</strong>n muss. In gewissem Maße <strong>in</strong>tensiviert sich se<strong>in</strong>e Beziehung zu Arsenal London sogar,da er als Fan nun e<strong>in</strong>en festen Platz, <strong>der</strong> nur ihm zugeordnet werden kann, im Stadion e<strong>in</strong>nimmtund diesen sozusagen „besitzt“ (vgl. Fever Pitch, S. 316). Hornby bezeichnet sichselbst als den „Stereotyp des alternden Fußballfans“ (Fever Pitch, S. 316); <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Entwicklungals Fan bef<strong>in</strong>det er sich auf dem Weg zum Status des „Veteranen“, se<strong>in</strong>e Position im„diachronen Fanzyklus“ verän<strong>der</strong>t sich (vgl. Otte <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 16).Hornbys Verbundenheit <strong>mit</strong> dem Fußball und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>mit</strong> Arsenal London prägt dengesamten im Buch präsentierten Abschnitt se<strong>in</strong>es <strong>Leben</strong>s. Im Alter von elf bis vierunddreißigJahren ist für Hornby Fußball nicht nur e<strong>in</strong> Teil des <strong>Leben</strong>s, Fußball bzw. Arsenal London istmeistens das <strong>Leben</strong>, das <strong>Leben</strong> ist Fußball bzw. Arsenal London. Dieser Bereich bildet dasZentrum se<strong>in</strong>es Dase<strong>in</strong>s (vgl. Heitmeyer und Peter <strong>in</strong> Kapitel 2.2.1, S. 7). Die Welt, die ihm<strong>der</strong> Fußball und Arsenal London bieten und eröffnen, ist für Hornby fast immer e<strong>in</strong>e Welt <strong>der</strong>Ablenkung und Kompensation. Wenn <strong>in</strong> Hornbys <strong>Leben</strong> Krisen, Verän<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>ePrioritäten auftreten, ist <strong>der</strong> Grad se<strong>in</strong>es – auch gefühlsmäßigen – Fandase<strong>in</strong>s Schwankungenunterworfen; dies können sowohl Momente e<strong>in</strong>er Intensivierung als auch Momente <strong>der</strong> Distanzierungund Abwendung se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e distanzierte Haltung zum Fußball und zu ArsenalLondon ist allerd<strong>in</strong>gs meist nur von kurzer Dauer. Mit zunehmendem Alter verän<strong>der</strong>t Hornby<strong>in</strong> Teilen se<strong>in</strong> Fanverhalten – zum Beispiel durch den „Umzug“ auf die Sitzplätze –, aber dasbedeutet nicht, dass sich auch die emotionale Beziehung zu Arsenal London än<strong>der</strong>t bzw. än<strong>der</strong>nmuss.3.3 Fußball im Spannungsfeld von Macht und GewaltHornby setzt sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Fußballfan-Autobiografie unter verschiedenen Gesichtspunkten<strong>mit</strong> dem Themenkomplex „Fußball, Fans, Macht und Gewalt“ ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Er tritt dabei sowohl<strong>in</strong> <strong>der</strong> Rolle des Beobachters auf als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rolle des Betroffenen, des Opfers unddes sich von <strong>der</strong> Gewalt angezogen fühlenden jugendlichen Fußballfans (vgl. Leistners Defi-"%+"


nition von Gewalt <strong>in</strong> Kapitel 2.2.4, S. 23f). Die Position wechselt je nach Anlass und Art <strong>der</strong>Situation, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gewalt auftritt.Die erste prägende Erfahrung <strong>mit</strong> von Fußballfans ausgehen<strong>der</strong> Gewalt macht Hornby <strong>mit</strong>dreizehn Jahren. Diese ist beson<strong>der</strong>s schmerzlich, da er selbst zur Zielscheibe <strong>der</strong> Gewalthandlungwird. Zu dieser Zeit verfolgt Hornby die Spiele Arsenal Londons geme<strong>in</strong>sam <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>em Freund von <strong>der</strong> sogenannten „Schoolboys‘ Enclosure“ (Fever Pitch, S. 52) aus, e<strong>in</strong>emspeziellen Abschnitt für Schulk<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Stehränge. Diesen Raum im Stadion bezeichneter als „e<strong>in</strong>e Brutstätte für zukünftige Hooligans“ (Fever Pitch, S. 53). Hornby er<strong>in</strong>nertsich, dass er sich zunächst nicht an diesem Umfeld stört, da alle e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Ges<strong>in</strong>nunghaben: die Unterstützung von Arsenal London, doch er registriert Unterschiede h<strong>in</strong>sichtlichdes Auftretens:Es war nicht unser Akzent – auf den Rängen befleißigte sich ke<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>s höflichen Sprache. Eswerden wohl unsere Klei<strong>der</strong> o<strong>der</strong> unsere Haarschnitte o<strong>der</strong> unsere sauberen, liebevollen gefalteten Schalsgewesen se<strong>in</strong>. O<strong>der</strong> unser leidenschaftliches Studium des Programms vor dem Spiel, das wir fleckenlos <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erunserer Innentaschen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em Beutel aufbewahrten (Fever Pitch, S. 53).Durch das äußere Ersche<strong>in</strong>ungsbild <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation <strong>mit</strong> dem Gebaren im Stadion werdenKlassifizierungen <strong>der</strong> Fans möglich – nicht bezüglich <strong>der</strong> Intensität des Fanse<strong>in</strong>s, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong>Bezug auf den sozialen H<strong>in</strong>tergrund. Die Differenz <strong>der</strong> sozialen Herkunft kann Konfliktpotentialbergen; <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Abschnitt des Fußballstadion prallen Welten aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, berührensich Milieus, die sowohl auf e<strong>in</strong>er Karte Londons als auch im H<strong>in</strong>blick auf die <strong>Leben</strong>swegeweit vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> entfernt liegen. Die Entladung dieser Spannung bekommt Hornby ameigenen Leib zu spüren: Nach e<strong>in</strong>em Spiel wird Hornby beim Verlassen des Stadions vone<strong>in</strong>er Gruppe farbiger Jungen von „dem Planeten Wirkliches <strong>Leben</strong>, dem Planeten Haupt- undRealschule, dem Planeten Verarmte [sic!] Innenstadt“ (Fever Pitch, S. 53) zunächst angerempelt,dann verfolgt und schließlich verprügeln sie ihn und klauen se<strong>in</strong>en Schal. Hornby wirdhier Opfer e<strong>in</strong>er Form von Gewalt, die Leistner als Gewalt von Fans gegen unbeteiligte Fansbeschreibt (vgl. Leistner <strong>in</strong> Kapitel 2.2.4, S. 24). Dazu gehört das hier auftretende „Schalzocken“163 , das sich eigentlich gegen Anhänger <strong>der</strong> Gegnermannschaft richtet. Im vorliegendenBeispiel f<strong>in</strong>det sich <strong>der</strong> „Gegner“ allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> den eigenen Reihen; da Hornby nicht <strong>der</strong>selbensozialen Schicht angehört, muss er büßen. Das Stehlen des Arsenalschals könnte man <strong>in</strong> diesemKontext als Symbol des Ausschlusses verstehen: Hornby gehört aufgrund se<strong>in</strong>er Herkunftnicht zu den „würdigen“, den „echten“ Arsenalfans. Zugleich fühlen sich die „Täter“ausgeschlossen von <strong>der</strong> Welt, die Hornby durch se<strong>in</strong> Auftreten repräsentiert. Hier liegt zudeme<strong>in</strong>e bewusste, körperliche Verletzung vor, es handelt sich so<strong>mit</strong> laut Leistner um Gewalt im"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!'$ "Leistner, Alexan<strong>der</strong>: Fans und Gewalt. S. 257.""%,"


engeren S<strong>in</strong>ne (vgl. Kapitel 2.2.4). Hornby werden bei dieser Aktion nicht nur körperlicheSchmerzen zugefügt: se<strong>in</strong>e Männlichkeit bekommt durch die von ihm e<strong>in</strong>genommene Rolledes Opfers, des Schwächeren Risse und se<strong>in</strong>e Vorstellung e<strong>in</strong>er „heilen“ Fußballwelt, <strong>in</strong> <strong>der</strong>den Fans die Mannschaft und das Spiel das Wichtigste ist, erweist sich als Illusion. Aus <strong>der</strong>Distanz kann er die Beweggründe <strong>der</strong> Gewalthandlung allerd<strong>in</strong>gs nachvollziehen: „Ich glaubewirklich nicht, daß ich damals e<strong>in</strong> Klassenbewußtse<strong>in</strong> hatte. E<strong>in</strong> paar Jahre später, als ich diePolitik entdeckte, wäre ich <strong>der</strong> Ansicht gewesen, daß ich e<strong>in</strong>en Schlag auf die Fresse dafürverdiente, daß ich e<strong>in</strong> privilegierter Junge aus <strong>der</strong> Mittelschicht war“ (Fever Pitch, S. 54f).Es gibt während <strong>der</strong> Jugendphase Momente, <strong>in</strong> denen für Hornby das Spiel <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er aggressivenE<strong>in</strong>stellung, e<strong>in</strong>em aggressiven Verhalten durchaus an Reiz gew<strong>in</strong>nt und zwar wenn erzu Auswärtsspielen fährt: Er genießt es, geme<strong>in</strong>sam <strong>mit</strong> den Hooligans von <strong>der</strong> Polizei zumStadion geleitet zu werden; <strong>in</strong> <strong>der</strong> großen Gruppe kann er für den Moment durch das Anlegene<strong>in</strong>er gefährlich wirkenden „Maske“ se<strong>in</strong> eigentliches Ich verbergen. Bei den Auswärtsspielenbietet sich ihm die Möglichkeit, zu den Starken zu gehören und Macht zu besitzen. Er ist sichjedoch darüber bewusst, dass die Wirkung nach außen auf <strong>der</strong> Gruppendynamik basiert, un<strong>der</strong> sieht sich selbst mehr als Mitläufer, Nutznießer:Ich […] wollte gelegentlich mal e<strong>in</strong>e Auszeit und ke<strong>in</strong>e Vorstadtbrillenschlange <strong>mit</strong> Segelohren se<strong>in</strong>. Ichliebte, es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage zu se<strong>in</strong>, E<strong>in</strong>käufern <strong>in</strong> Derby, Norwich o<strong>der</strong> Southampton Angst zu machen […]. Me<strong>in</strong>eGelegenheiten, Leute e<strong>in</strong>zuschüchtern, waren bis dah<strong>in</strong> begrenzt gewesen, und ich wußte, daß nicht ich eswar, <strong>der</strong> die Leute eilig <strong>mit</strong> ihren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n im Schlepptau die Straßenseite wechseln ließ. Es waren wir, undich war e<strong>in</strong> Teil von uns, e<strong>in</strong> Organ im Hooligankörper. Die Tatsache, daß ich <strong>der</strong> Bl<strong>in</strong>ddarm war – kle<strong>in</strong>,nutzlos, gut versteckt irgendwo <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte – spielte nicht die ger<strong>in</strong>gste Rolle (Fever Pitch, S. 72f).Hornby geht es nicht um das konkrete Ausüben von z.B. physischen Gewalthandlungen, erwill vielmehr das Image <strong>der</strong> Hooligans für se<strong>in</strong> Selbstbewusstse<strong>in</strong> nutzen, er profitiert von<strong>der</strong>en Auftreten als Gruppe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit. Der Bedarf nach solchen Augenblicken trittnur <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Entwicklung als Jugendlicher auf, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die eigene Identität oft e<strong>in</strong>Spiel- und Experimentierfeld ist.Hornby berichtet neben persönlichen Erfahrungen <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Gewaltkultur im Fußball auch vonzwei <strong>der</strong> größten Fußballkatastrophen, durch die <strong>der</strong> englische Fußball, se<strong>in</strong>e Organisationund se<strong>in</strong>e Anhänger <strong>in</strong> den Fokus <strong>der</strong> Kritik rückten: Heysel und Hillsborough.Die Katastrophe von Heysel ereignete sich am 29. Mai 1985 im Heysel-Stadion <strong>in</strong> Belgienvor dem Europapokalendspiel zwischen Juventus Tur<strong>in</strong> und dem FC Liverpool. Knapp 40Fans starben aufgrund von Ausschreitungen und <strong>der</strong> daraus resultierenden Panik auf den Tribünen.164 Hornby versucht dieses entsetzliche Ereignis zu erklären, <strong>in</strong>dem er auf das Aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>treffenzweier unterschiedlicher Fußballfankulturen h<strong>in</strong>weist:"""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!'% "Vgl. http://www.sport1.de/de/sp1at/artikel_242215.html (Zugriff am 19.07.10)."%-"


Es war am Ende e<strong>in</strong>e Überraschung, daß diese Tode von so etwas Harmlosen wie dem »Rennen« [ritualisierteSturmangriffe, bei denen die Gewalttätigkeit eher <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bewegung selbst als <strong>in</strong> Faustschlägen und Fußtritten[besteht] (Fever Pitch, S. 73)] verursacht wurden, <strong>der</strong> Brauch, dem die Hälfte <strong>der</strong> jugendlichen Fans [<strong>in</strong>England] frönte, und <strong>der</strong> eigentlich ke<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en S<strong>in</strong>n hatte, als die Gegenseite zu erschrecken und dieRenner zu amüsieren. Die Fans von Juventus – viele davon elegante Männer und Frauen aus <strong>der</strong> Mittelschicht– konnten das allerd<strong>in</strong>gs nicht wissen, und warum sollten sie das auch? Sie hatten nicht das komplizierteWissen um das Verhalten englischer Zuschauermassen, das wir an<strong>der</strong>e, fast ohne es zu merken, aufgenommenhaben. Als sie e<strong>in</strong>en Haufen brüllen<strong>der</strong>, englischer Hooligans auf sich zustürmen sahen, gerieten sie<strong>in</strong> Panik und liefen zum Rand ihres Blocks. E<strong>in</strong>e Mauer brach zusammen und <strong>in</strong> dem folgenden Chaos wurdenMenschen zu Tode gequetscht. […] E<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> Liverpoolfans, die später verhaftet wurden, müssen aufrichtigverwirrt gewesen se<strong>in</strong>. In gewisser H<strong>in</strong>sicht bestand ihr Verbrechen e<strong>in</strong>fach dar<strong>in</strong>, englisch zu se<strong>in</strong>: Eswar nur so, daß die Bräuche ihrer <strong>Kultur</strong> Menschen töteten, wenn man sie von ihrer angestammten Umgebunglöste und an e<strong>in</strong>en Ort übertrug, an dem sie schlicht nicht verstanden wurden (Fever Pitch, S. 211).An dieser Textstelle wird deutlich, dass Fangewalt e<strong>in</strong>en rituellen Charakter besitzt (vgl.Leistner <strong>in</strong> Kapitel 2.2.4, S. 25) und nicht zw<strong>in</strong>gend auf die körperliche Verletzung des Gegnersausgerichtet ist, sich demnach durch e<strong>in</strong>en engen Gewaltbegriff nur unzureichend fassenlässt. Es wird zudem aufgezeigt, dass Gewalt von Fans im Fußball <strong>in</strong> gewissen Umgebungenohne Konsequenzen verlaufen kann, doch wenn man sich nicht über die Grenzen im Klarenist und e<strong>in</strong>e bestimmte Art des Verhaltens immer – ohne Rücksicht auf die jeweilige Situationund das jeweilige Umfeld – produziert, verliert man die Kontrolle, die Situation eskaliertund es entstehen unvorhergesehene und unbeabsichtigte Folgen. Fangewalt im Fußball istdemnach auch abhängig von den unterschiedlichen nationalen Mentalitäten und <strong>Kultur</strong>kreisen;was <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Land wie England e<strong>in</strong> Charakteristikum <strong>der</strong> Fangewalt ist, kann <strong>in</strong> Italienvöllig fremd se<strong>in</strong> und umgekehrt. Die Katastrophe von Heysel stimmt Hornby nachdenklich,denn er weiß, dass das Verhalten <strong>der</strong> Liverpoolfans nicht vere<strong>in</strong>sspezifisch, son<strong>der</strong>n kennzeichnendfür alle englischen Fans ist:Ich wußte, daß Arsenalfans möglicherweise das gleiche getan hätten und daß ich ganz sicher dort gewesenwäre, wenn an jenem Abend Arsenal <strong>in</strong> Heysel gespielt hätte – nicht kämpfend o<strong>der</strong> auf Leute zurennend,aber e<strong>in</strong>deutig e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft, die diese Art von Verhalten hervorbrachte. […][Der] tatsächlichentscheidende Punkt an <strong>der</strong> Tragödie war: Fußballfans konnten Fernsehberichte über, sagen wir mal, dieAusschreitungen beim Spiel Luton gegen Millwall o<strong>der</strong> den Messerstich bei <strong>der</strong> Partie Arsenal gegen Westhamansehen, ohne sich wirklich verbunden o<strong>der</strong> betroffen zu fühlen. Die Täter wären nicht die Art vonMenschen, die wir an<strong>der</strong>en verstanden, o<strong>der</strong> <strong>mit</strong> denen wir uns identifizierten. Aber <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>kram, <strong>der</strong> sich<strong>in</strong> Brüssel als mör<strong>der</strong>isch erwies, gehörte e<strong>in</strong>deutig zu e<strong>in</strong>em Kreis von offensichtlich harmlosen, aber ganzklar bedrohlichen Handlungen – laute Gesänge, ausgestreckte Mittelf<strong>in</strong>ger, das ganze Harter-Mann-Getue-,denen sich e<strong>in</strong>e sehr große M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit von Fans fast zwanzig Jahre lang h<strong>in</strong>gegeben hatte. Heysel war, kurzgesagt, e<strong>in</strong> organischer Teil e<strong>in</strong>er <strong>Kultur</strong>, zu <strong>der</strong> viele von uns, ich <strong>in</strong>begriffen, beigetragen hatten (FeverPitch, S. 212f).Hornby kritisiert hier den Umgang <strong>mit</strong> Fangewalt im Fußball und schließt se<strong>in</strong>e eigene Personund se<strong>in</strong> Verhalten <strong>in</strong> diese Kritik <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>: Man fühlt sich betroffen, da die Katastrophe <strong>in</strong>Heysel auf e<strong>in</strong> lang vertrautes Ritual <strong>der</strong> englischen Hooligankultur zurückzuführen ist, e<strong>in</strong>e<strong>Kultur</strong>, die man duldet und gegen die man nicht vorgegangen ist, man kann sich nicht vone<strong>in</strong>er Mitverantwortung lossprechen. Für Hornby liegt die „Schuld“ an <strong>der</strong> Heysel-Katastrophe nicht nur bei den aktiv daran beteiligten Fans, son<strong>der</strong>n auch bei Fans wie ihm, diedie Existenz dieser Gewaltkultur im englischen Fußball toleriert und so<strong>mit</strong> <strong>in</strong> gewissem Maße&(""


unterstützt haben. Hornby nimmt an dieser Stelle e<strong>in</strong>e distanzierte und kritische Haltung gegenüberse<strong>in</strong>em Fandase<strong>in</strong> e<strong>in</strong>.Die Katastrophe von Hillsborough beruhte nicht auf e<strong>in</strong>er Gewalthandlung ausgehend vonHooligans, son<strong>der</strong>n auf dem damaligen Zustand <strong>der</strong> Stadien <strong>in</strong> England und auf e<strong>in</strong>em Fehlerbei <strong>der</strong> Lenkung <strong>der</strong> Zuschauermassen. Im Jahre 1989 sollte im Hillsborough-Stadion <strong>in</strong> Sheffielddie FA-Cup-Halbf<strong>in</strong>alpartie FC Liverpool gegen Nott<strong>in</strong>gham Forest ausgetragen werden.Kurz vor Spielbeg<strong>in</strong>n warteten noch Tausende Liverpoolfans vor dem Stadion auf E<strong>in</strong>lass undübten Druck auf die Ordnungskräfte aus. Diese waren <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Situation überfor<strong>der</strong>t und ließendie Fans <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en schon vollen Block e<strong>in</strong>. Aufgrund <strong>der</strong> Überfüllung entwickelte sich <strong>in</strong> diesemAbschnitt des Stadions e<strong>in</strong>e Massenpanik. Für die Fans bot sich ke<strong>in</strong> Ausweg, da es zudieser Zeit <strong>in</strong> englischen Stadien üblich war, die Blocks durch Metallzäune sowohl vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>und als auch vom Spielfeld abzugrenzen, und so<strong>mit</strong> wurden etwa e<strong>in</strong>hun<strong>der</strong>t Fans zu Todegequetscht und an die achthun<strong>der</strong>t verletzt. Im Zuge dieser Katastrophe entstand <strong>der</strong> Taylor-Report, <strong>der</strong> die Abschaffung <strong>der</strong> Stehplätze, <strong>der</strong> Zäune, <strong>der</strong> „Käfighaltung“ vorsah und e<strong>in</strong>Alkoholverbot <strong>in</strong> den Stadien erließ. Die Katastrophe von Hillsborough führte zu e<strong>in</strong>er längstüberfälligen Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Fußballkultur <strong>in</strong> England: Die Stadien wurden <strong>der</strong> Sicherheitwegen um- bzw. neugebaut. Die dadurch notwendig gewordene Erhöhung <strong>der</strong> Ticketpreiseführt allerd<strong>in</strong>gs dazu, dass die Zuschauerklientel <strong>in</strong> vielen Fällen nicht mehr von Fans gebildetwird, die den Fußball und den jeweiligen Vere<strong>in</strong> lieben, son<strong>der</strong>n aus den Zuschauern besteht,die sich den E<strong>in</strong>tritt überhaupt noch leisten können. 165 Die traditionelle Fanbasis lief bzw.läuft Gefahr, aus dem Stadionerlebnis ausgeschlossen zu werden.Hornbys Fußballautobiografie endet im Jahre 1992, e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> man die Auswirkungen<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Hillsborough-Katastrophe gezogenen Konsequenzen noch nicht absehen konnteund man so<strong>mit</strong> auch nicht wusste, ob und wie sich die Zuschauerkultur im englischen Fußballentwickeln würde. Hornby stellt deshalb selbst auch nur Mutmaßungen bezüglich diesesThemas an (vgl. Fever Pitch, S. 298- 303). Für ihn ist es allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong> Schritt <strong>in</strong> die falscheRichtung, die Preiserhöhungen als Chance zu nutzen, „e<strong>in</strong> Publikum gegen e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es zutauschen, die alten Fans loszuwerden und e<strong>in</strong>e neue wohlhaben<strong>der</strong>e Art von Leuten anzuziehen“(FeverPitch, S. 302)."""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!'& Vgl. Eichler, Christian: E<strong>in</strong> Wendepunkt für den Fußball. (15.04.2009)*" http://www.faz.net/s/RubFB1F9CD53135470AA600A7D04B278528/Doc~E508F313F7786429883489A998C34EAB0~ATpl~Ecommon~Scontent.html (Zugriff am 20.07.2010)."&!"


Hornby hebt zudem hervor, dass Katastrophen wie Heysel o<strong>der</strong> Hillsborough aufgrund <strong>der</strong>beson<strong>der</strong>en Funktionsweise des Fußballs ke<strong>in</strong>en nachhaltigen E<strong>in</strong>fluss auf die Beziehung <strong>der</strong>Fans zum Fußball ausüben: In dem Augenblick, <strong>in</strong> dem das Spiel se<strong>in</strong>e Kräfte und se<strong>in</strong>e Magiefreisetzt, existiert für den Fan nur <strong>der</strong> Fußball, alles an<strong>der</strong>e wird verdrängt, ausgeblendet.Man könnte hier auch von <strong>der</strong> „Verhexung durch das Spiel“ (Gebauer <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 13)sprechen. Er berichtet <strong>in</strong> diesem Zusammenhang von dem Besuch des ersten Arsenalspielsgegen Norwich nach dem Unglück von Hillsborough:"Es war e<strong>in</strong> herrlicher Nach<strong>mit</strong>tag e<strong>in</strong>es Feiertages, und Arsenal spielte erstaunlich gut und gewann 5:0. Soweites jeden, <strong>der</strong> an diesem Tag dort war – mich e<strong>in</strong>geschlossen –, ang<strong>in</strong>g, schien die Welt wie<strong>der</strong> mehr o<strong>der</strong>weniger <strong>in</strong> Ordnung zu se<strong>in</strong>. Die Trauerzeit war vorbei, die Fernsehkameras waren da, die Sonne schien, Arsenalschoß jede Menge Tore... nach <strong>der</strong> Trostlosigkeit <strong>der</strong> vorangegangenen […] Tage nahm das Spiel etwasFeierliches an. Es war e<strong>in</strong>e müde, gedämpfte Feier, aber dennoch e<strong>in</strong>e Feier, und aus <strong>der</strong> Distanz mutet dasjetzt beson<strong>der</strong>s bizarr an. Woran dachten wir alle an diesem Nach<strong>mit</strong>tag? Wie, um alles <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt, konntedas Spiel zwischen Forest und Liverpool je neu angesetzt werden? In gewisser H<strong>in</strong>sicht gehört das alles zusammen.Ich konnte mich an dem Spiel zwischen Arsenal gegen Norwich aus dem gleichen Grund erfreuen,aus dem ich das F<strong>in</strong>ale zwischen Liverpool und Juventus nach <strong>der</strong> Heysel-Katastrophe verfolgt hatte, und ausdem gleichen Grund hat sich <strong>der</strong> Fußball <strong>in</strong> über hun<strong>der</strong>t Jahren nicht wirklich groß gewandelt: Weil die Leidenschaften,die das Spiel hervorruft, alles verzehren, e<strong>in</strong>schließlich Takt und gesunden Menschenverstand.Wenn es möglich ist, e<strong>in</strong> Fußballspiel, sechzehn Tage nachdem fast e<strong>in</strong>hun<strong>der</strong>t Menschen bei e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>engestorben s<strong>in</strong>d, zu besuchen und zu genießen – und es ist möglich, ich hab’s getan, trotz me<strong>in</strong>es Post-Hillsborough- Realismus – dann ist es vielleicht e<strong>in</strong> wenig e<strong>in</strong>facher die <strong>Kultur</strong> und die Umstände zu verstehen,die diese Tode haben geschehen lassen. Nichts ist jemals von Bedeutung – außer Fußball (Fever Pitch,S. 305f).Bisher wurde <strong>in</strong> diesem Kapitel das Thema „Fußball, Macht und Gewalt“ vor allem im S<strong>in</strong>nevon Gewalt im direkten Umfeld des Fußballs wie z.B. ausgehend von bestimmten Fans behandeltund dargestellt. Es gibt bei Hornby aber noch e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Ebene, auf <strong>der</strong> das Thema„Macht/Gewalt“ e<strong>in</strong>e Rolle spielt, und zwar – wie auch schon <strong>in</strong> den vorausgegangenen Kapitelnangeklungen ist – auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Beziehung zwischen Hornby und dem Fußball. Mankönnte sagen, dass <strong>der</strong> Fußball ihn „<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Macht/Gewalt“ hat. Hornby def<strong>in</strong>iert den Gradse<strong>in</strong>er geistigen und emotionalen Involvierung <strong>in</strong> Bezug auf den Fußball häufig als „Besessenheit“(Fever Pitch, S. 13) o<strong>der</strong> als „Fußballverrücktheit“ (Fever Pitch, S. 70). Der Fußballhat so<strong>mit</strong> die Kontrolle über ihn gewonnen, Hornby steht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er tiefen Abhängigkeit zu se<strong>in</strong>emFanobjekt. Er zeigt so<strong>mit</strong> Merkmale e<strong>in</strong>es Fußballfanatikers (vgl. Def<strong>in</strong>ition <strong>in</strong> Kapitel2.1, S. 2). Diese „Besessenheit“ zeigt bei Hornby vielerlei Auswirkungen: Er ist <strong>in</strong> vielen Situationenzum Beispiel nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, sich und se<strong>in</strong> Fandase<strong>in</strong> aus <strong>der</strong> Distanz zu betrachtenund davon Abstand zu nehmen: „Es kommt zu ke<strong>in</strong>er Analyse, bewußten Selbsterfahrungo<strong>der</strong> geistigen Strenge, weil Besessenen jede Sicht auf ihre Leidenschaft verstellt ist“ (FeverPitch, S. 13). Bei Spielen, die ihn aufgrund ihres Verlaufes, ihrer Spannung emotional beson<strong>der</strong>sfor<strong>der</strong>n, steigert er sich soweit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, dass er <strong>in</strong> e<strong>in</strong> „Delirium“ fällt, bei dem für e<strong>in</strong>igeMomente „die völlige Leere herrscht“ (Fever Pitch, S. 45). Hier tritt das „Ballfieber“ <strong>in</strong>Komb<strong>in</strong>ation <strong>mit</strong> dem gravierendsten Begleitsymptom, <strong>der</strong> Bewusstse<strong>in</strong>se<strong>in</strong>schränkung, auf;&#"


Hornbys „Krankheitsverlauf“ nimmt bedenkliche Formen an (Vgl. Def<strong>in</strong>ition von Fieber <strong>in</strong>Kapitel 3, S. 28). Des Weiteren beschreibt Hornby die Beziehung zum Fußball bzw. zu ArsenalLondon als „organische Verb<strong>in</strong>dung“: „Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Teil des Clubs, genauso wie <strong>der</strong> Clube<strong>in</strong> Teil von mir ist. Und ich sage das <strong>in</strong> dem vollen Bewußtse<strong>in</strong>, daß <strong>der</strong> Club mich ausbeutet,me<strong>in</strong>en Ansichten ke<strong>in</strong>e Beachtung schenkt und mich gelegentlich schludrig behandelt[…]“ (Fever Pitch, S. 254). Hornbys Beziehung zu Arsenal London zehrt an se<strong>in</strong>en Kräften,er <strong>in</strong>vestiert mehr als er zurückerhält, doch das stört ihn nicht, da er und <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong> tief <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>verwachsen s<strong>in</strong>d. Hornby hat sich dem Vere<strong>in</strong> <strong>mit</strong> ganzer Seele verschrieben, d.h.<strong>in</strong>klusive möglicher Entbehrungen, <strong>der</strong> Darbr<strong>in</strong>gung von Opfern und des Leidens.Die Fußballbesessenheit Hornbys äußert sich zudem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Neigung zu zwanghaftem Verhalten.So ist z.B. die Vorstellung, e<strong>in</strong> Spiel von Arsenal <strong>in</strong> Highbury zu verpassen, für Hornbyschier unerträglich – aber nicht aus dem Grund, dass er dann se<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> nicht unterstützenkann:Ich habe Angst, daß ich im nächsten Spiel, demjenigen nach dem, das ich versäumt habe, irgendwas vondem, was vor sich geht, nicht verstehen werde, e<strong>in</strong>en Gesang o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Abneigung <strong>der</strong> Menge gegenüber e<strong>in</strong>emSpieler; und da<strong>mit</strong> wird mir <strong>der</strong> Ort, den ich auf <strong>der</strong> Welt am besten kenne, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Platz außerhalbme<strong>in</strong>er Wohnung, von dem ich das Gefühl habe, daß ich dort une<strong>in</strong>geschränkt und unzweifelhaft h<strong>in</strong>gehöre,fremd geworden se<strong>in</strong>. (Fever Pitch, S. 291).Highbury ist sozusagen das Nest, das sich Hornby geschaffen hat, se<strong>in</strong>e „wirkliche“ Heimat,<strong>in</strong> <strong>der</strong> er sich wohlfühlt und die ihm Sicherheit und das Gefühl <strong>der</strong> Zugehörigkeit gibt. E<strong>in</strong>Verlust dieser Heimat wäre für Hornby fatal, deshalb muss er zwangsläufig zu jedem Heimspielgehen, um zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, dass sie ihm entgleitet. Dies zeigt erneut, dass sich <strong>der</strong> Fußballfür Hornby zu e<strong>in</strong>er unentbehrlichen Stütze <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em <strong>Leben</strong> entwickelt hat.Die Art und Weise, wie <strong>der</strong> Fußball E<strong>in</strong>fluss auf se<strong>in</strong> <strong>Leben</strong> nimmt, bezeichnet Hornby außerdemals „Tyrannei“ (Fever Pitch, S. 289): Alles muss sich dem Spielplan unterordnen;E<strong>in</strong>ladungen zu Geburtstagen o<strong>der</strong> Hochzeiten müssen abgelehnt werden, wenn Arsenal andem Tag spielt und wenn Spiele kurzfristig verschoben werden, müssen die für diesen Taggetroffenen Verabredungen abgesagt werden (vgl. Fever Pitch, S. 290). Der Fußball strukturiertHornbys <strong>Leben</strong>, schränkt ihn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Handlungsräumen e<strong>in</strong> und verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t so<strong>mit</strong> diePflege von sozialen Kontakten. Die „Herrschaft“ des Fußballs führt zu e<strong>in</strong>er Vernachlässigungse<strong>in</strong>er Pflichten als Freund, als Sohn, als Bru<strong>der</strong>. Hier f<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> wie<strong>der</strong>holter H<strong>in</strong>weisauf die dom<strong>in</strong>ante Rolle, die <strong>der</strong> Bereich „Fußball“ <strong>in</strong> Konkurrenz zu an<strong>der</strong>en wichtigenBereichen des <strong>Leben</strong>s e<strong>in</strong>nimmt (vgl. Schmidt-Lux <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 16). Hornby kann aufgrund<strong>der</strong> Ausrichtung se<strong>in</strong>es <strong>Leben</strong>s nach e<strong>in</strong>em durch den Fußball vorgegebenen Rahmendef<strong>in</strong>itiv als „fußballzentrierter Fan“ bezeichnet werden (vgl. Fantypologie von Heitmeyerund Peter <strong>in</strong> Kapitel 2.2.1, S. 7)."&$"


Abschließend lässt sich festhalten, dass bei Hornby das Ausüben von Macht und Gewalt imKontext des Fußballs auf verschiedenen Ebenen zur Sprache kommt und von Relevanz ist.Die enge Verb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Bereiche Fußball und Gewalt (vgl. Kapitel 2.2.4) spiegelt sich zumBeispiel nicht nur <strong>in</strong> den Handlungen bestimmter Fans, son<strong>der</strong>n auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Art und Weise,wie die Beziehung zwischen dem Fußball und dem Fan Hornby funktioniert. Zudem zeigtsich e<strong>in</strong>deutig <strong>in</strong> Hornbys Schil<strong>der</strong>ungen, dass Gewalt stark vom jeweiligen situativen, biografischen,sozialen und kulturellen Kontext abhängt, <strong>in</strong> dem sie ausgeübt, erlitten und beobachtetwird, wie es Leistner <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Ausführungen bestimmt und festhält (vgl. Kapitel2.2.4, S. 23ff).4. FazitNick Hornby – e<strong>in</strong> Fußballfan, wie man ihn sich im Allgeme<strong>in</strong>en vorstellt: voller Inbrunstund H<strong>in</strong>gabe, verloren im Fußballkosmos; e<strong>in</strong> Fußballfan, wie er im Buche bzw. <strong>in</strong> vielenFantypologien beschrieben steht: Er ist <strong>der</strong> ‚wahre‘ Fan, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e starke Begeisterung für denFußball und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> – Arsenal London – hegt. Er empf<strong>in</strong>det diesemVere<strong>in</strong> gegenüber Treue und Loyalität, er besucht regelmäßig die Heimspiele Arsenal Londons,steht dem Vere<strong>in</strong> auch bei Auswärtsspielen zur Seite – „[Der] Konsum [ist] alles; dieQualität des Produkts ist unerheblich“ (Fever Pitch, S. 204) (vgl. Kübert und Neumann/Pollmann<strong>in</strong> Kapitel 2.2.1, S. 8f und S. 11 und Schmidt-Lux <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 16f).Hornby ist def<strong>in</strong>itiv e<strong>in</strong> Fan und nicht nur e<strong>in</strong> bloßer Zuschauer o<strong>der</strong> Fußball<strong>in</strong>teressierter: Erentspricht h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>es Verhalten z.B. <strong>der</strong> von Roose und Schäfer entwickelten Def<strong>in</strong>itione<strong>in</strong>es Fans: Hornby ist e<strong>in</strong> Mensch, <strong>der</strong> längerfristig e<strong>in</strong>e leidenschaftliche Beziehung zue<strong>in</strong>em externen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit stehenden Fanobjekt unterhält und <strong>in</strong> diese BeziehungZeit und Geld <strong>in</strong>vestiert (vgl. Roose und Schäfer <strong>in</strong> Kapitel 2.2.1, S. 5). Im H<strong>in</strong>blick auf se<strong>in</strong>eIdentifikation <strong>mit</strong> Arsenal London weist Hornby e<strong>in</strong> Merkmal des fanatisch-parteiischen Zuschauersauf (vgl. Hüther <strong>in</strong> Kapitel 2.2.1, S. 8).Aufgrund <strong>der</strong> <strong>in</strong>tensiven H<strong>in</strong>wendung zum Bereich des Fußballs kann dieser – <strong>in</strong> Anlehnungan Roose und Schäfer <strong>in</strong> Kapitel 2.2.3 – zudem als mo<strong>der</strong>ne Form <strong>der</strong> Vergeme<strong>in</strong>schaftungverstanden werden: „[Fever Pitch] behandelt und glorifiziert Fußball als die Form von"&%"


(post-)mo<strong>der</strong>ner Geme<strong>in</strong>schaftsbildung: beschrieben wird die fast grenzenlose Solidarität,Begeisterung und Identifikation <strong>mit</strong> dem Sport und vor allem dem Vere<strong>in</strong>.“ 166In Bezug auf die Rolle, die <strong>der</strong> Fußball und vor allen D<strong>in</strong>gen Arsenal London <strong>in</strong> Hornbys <strong>Leben</strong>e<strong>in</strong>nehmen, erweist sich Hornby als fußballzentrierter Fan (vgl. Heitmeyer und Peter <strong>in</strong>Kapitel 2.2.1, S. 7): Sie s<strong>in</strong>d das strukturierende Moment se<strong>in</strong>es Alltags, es ergeben sich fürihn immer wie<strong>der</strong> Gelegenheiten, sich <strong>mit</strong> dem Thema Fußball im Alltag ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen.Arsenal London ist allerd<strong>in</strong>gs nicht nur die vorrangige Freizeitaktivität; die Bedeutungdes Vere<strong>in</strong>s für Hornby reicht noch tiefer: Arsenal London repräsentiert das soziale System,dem er sich im eigenen Identitätsverständnis zugehörig fühlt bzw. fühlen möchte und desWeiteren dient ihm das Arsenal-Universum <strong>in</strong> vielen Situationen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e wenn <strong>in</strong> denvon ihm e<strong>in</strong>genommenen sozialen Rollen als Schüler, als Student, als Berufstätiger, als Sohno<strong>der</strong> als Freund Konflikte und Defizite auftreten, als Ablenkung, Kompensation und Ersatzbestätigung(vgl. Hermann <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 15). Die Spieltage und Stadionbesuche eröffnenihm die Möglichkeit, vor dem „wirklichen“ <strong>Leben</strong> zu fliehen und sich dessen Wirkungsradiusfür den Moment zu entziehen (vgl. Hellmann und Kenn<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Kapitel 2.2.2, S. 14).Diese Funktion und Nutzungsweise des Fußballs begleitet Hornby <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em gesamten Entwicklungs-und Reifeprozess als Mensch. Das Problem, das sich bei Hornby <strong>in</strong> zahlreichenMomenten ergibt, liegt bis <strong>in</strong>s Erwachsenalter h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Unvermögen, „zwischen <strong>der</strong>spielerischen Realität des Fußballfeldes und dem <strong>mit</strong>unter bitterernsten Drama des <strong>Leben</strong>s“(Pollmann <strong>in</strong> Kapitel 2.2.1, S. 11) zu unterscheiden, se<strong>in</strong>e Identifikation <strong>mit</strong> Arsenal London,<strong>der</strong> hohe Stellenwert, den <strong>der</strong> Fußball für ihn e<strong>in</strong>nimmt bzw. die „Macht“ und „Gewalt“, die<strong>der</strong> Fußball über ihn ausübt, lassen außerdem e<strong>in</strong>e Distanzierung und kritische Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungnur <strong>in</strong> den seltensten Fällen zu. Hornby zeigt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Fußballfan-Autobiografie, dass<strong>der</strong> Verlauf des „Ballfiebers“ von dem jeweiligen „Patienten“ abhängt, welche <strong>mit</strong>unter heiklenStadien das „Ballfieber“ erreichen kann und dass e<strong>in</strong>e Heilung von <strong>der</strong> Krankheit „Fußball“nicht erwünscht bzw. <strong>in</strong> gewisser H<strong>in</strong>sicht unmöglich ist.Hornby verkörpert den Typus des von Mikos als „traditionell“ bezeichneten Fan; Tendenzene<strong>in</strong>er Entwicklung von Sportfans, die ihr Fanse<strong>in</strong> speziell <strong>mit</strong>tels <strong>der</strong> Medien wie Fernseheno<strong>der</strong> Internet konstituieren und über diese Medien als „Geschmacksgeme<strong>in</strong>schaften“ zusammengehaltenwerden (vgl. Giulianotti/Mikos <strong>in</strong> Kapitel 2.2.1, S. 9 und Mikos <strong>in</strong> Kapitel 2.2.3,S. 22), treten bei Hornby nicht auf bzw. kommen bei ihm nicht zu Sprache."""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""""!'' "Ballensiefen, Moritz; Nieland, Jörg-Uwe: „Wir s<strong>in</strong>d <strong>mit</strong>reißend“. Von <strong>der</strong> Schwierigkeit, Vergeme<strong>in</strong>schaftungzu fixieren. In: In: Ernste Spiel. Zur politischen Soziologie des Fußballs. Hrsg. von Gabriele Kle<strong>in</strong> und MichaelMeuser. Bielefeld: transcript Verlag 2008 [= Materialitäten; Band 6]. S. 228."&&"


AnhangAbbildung 1: Der „typische“ Fan. In: Hermann, Hans Ulrich: Die Fußballfans. Untersuchungenzum Zuschauersport. Schondorf: Verlag Karl Hoffmann 1977 [= Beiträge zur Lehre undForschung im Sport; Band 60]. S. 105."&'"


Abbildung 2: Intervenierende und kompetitive Gewalt <strong>in</strong>nerhalb von Fußballfans. In:Leistner, Alexan<strong>der</strong>: Fans und Gewalt. In: Fans. Soziologische Perspektiven. Hrsg. von JochenRoose, Mike S. Schäfer, und Thomas Lux-Schmidt. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften2010 [= Erlebniswelten: Band 17]. S. 270."&+"


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