Supply Management im Krankenhaus - List of Projects - Universität ...
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<strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong><br />
- Konstruktion und Evaluation eines konfigurierbaren<br />
Reifegradmodells zur zielgerichteten Gestaltung<br />
DISSERTATION<br />
der<br />
UNIVERSITÄT ST. GALLEN,<br />
Hochschule für Wirtschafts-,<br />
Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)<br />
zur Erlangung der Würde eines<br />
Doktors der Wirtschaftswissenschaften<br />
vorgelegt von<br />
Tobias Mettler<br />
aus<br />
Urnäsch (Appenzell-Ausserrhoden)<br />
Genehmigt auf Antrag von<br />
Herrn Pr<strong>of</strong>. Dr. Robert Winter<br />
und<br />
Frau Pr<strong>of</strong>. Dr. Andrea Back<br />
Dissertation Nr. 3752<br />
Sierke Verlag, Göttingen 2010
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme<br />
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte<br />
bibliografische Daten sind <strong>im</strong> Internet über abrufbar.<br />
Tobias Mettler<br />
<strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong><br />
- Konstruktion und Evaluation eines konfigurierbaren<br />
Reifegradmodells zur zielgerichteten Gestaltung<br />
ISBN 13: 978-3-86844-260-1<br />
© SV SierkeVerlag<br />
Am Steinsgraben 19 · 37085 Göttingen<br />
Tel. 0551- 503664-7 · Fax 0551-3894067<br />
www.sierke-verlag.de<br />
Einband: Grafik Sierke Verlag<br />
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.<br />
Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zust<strong>im</strong>mung des<br />
Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,<br />
Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />
1. Auflage 2010
Die <strong>Universität</strong> St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissen-<br />
schaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne<br />
damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.<br />
St. Gallen, den 22. März 2010<br />
Der Rektor:<br />
Pr<strong>of</strong>. Dr. Ernst Mohr
Vorwort<br />
Die vorliegende Arbeit entstand <strong>im</strong> Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter <strong>im</strong> Kompetenzzentrum „Health Network Engineering“ (CC HNE) am In-<br />
stitut für Wirtschaftsinformatik der <strong>Universität</strong> St. Gallen (IWI-HSG). Ein wesentli-<br />
cher Forschungsschwerpunkt des CC HNE ist die Vernetzung von Gesundheitsorgani-<br />
sationen <strong>im</strong> Spannungsfeld zwischen Betriebswirtschaft und IT. Aus dieser Themen-<br />
stellung entwickelte sich auch die vorliegende Arbeit, deren Zustandekommen und<br />
Gelingen auf die ausdauernde Unterstützung zahlreicher Personen gründet.<br />
Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Pr<strong>of</strong>. Dr. Robert Winter, der mir ein<br />
ausgezeichnetes Forschungs- und Arbeitsumfeld am IWI-HSG bot und mir den nöti-<br />
gen Freiraum liess, um interdisziplinär und praxisnah zu forschen. Ganz herzlich dan-<br />
ke ich ebenso Pr<strong>of</strong>. Dr. Andrea Back für die Übernahme des Korreferats und für ihr<br />
überaus grosses Interesse an der Thematik.<br />
Ebenfalls zu grossem Dank verpflichtet bin ich meinen lieben Kollegen und Mitstrei-<br />
tern <strong>im</strong> CC HNE, Dr. Peter Rohner, Lars Baacke und René Fitterer. Ihnen bin ich für<br />
das motivierende Arbeitskl<strong>im</strong>a, den intensiven Gedankenaustausch (auch zu später<br />
Stunde), die gegenseitige Unterstützung und das kollegiale Zusammensein während all<br />
dieser Zeit ausserordentlich verbunden.<br />
Für eine stets angenehme und kurzweilige Zusammenarbeit bedanke ich mich auch bei<br />
Dr. Stephan Aier, Dr. Tobias Bucher, Anne Cleven, Marion Fässler, Christian Fischer,<br />
Rebecca Fitterer, Wojciech Ganczarski, Dr. Anke Gericke, Bettina Gleichauf, Philipp<br />
Gubler, Dr. Mario Klesse, Gerrit Lahrmann, Frederik Marx, Bernadette Mayer, Dr.<br />
Jochen Müller, Dr. Felix Reinshagen, Christian Riege, Jan Saat, Dr. Moritz Schmaltz,<br />
Dr. Joach<strong>im</strong> Schelp, Daniel Stock, Florian Stroh, Dr. Matthias Stutz, Dr. Christian<br />
Willhelmi, Ulrich Wlk und Dr. Felix Wortmann.<br />
Meiner langjährigen Lebenspartnerin Stefanie Lázaro möchte ich dafür danken, dass<br />
sie mich stets liebevoll und vorbehaltlos unterstützt hat. Ohne sie wäre diese Disserta-<br />
tion nicht möglich gewesen. Auch meinen Schwiegereltern in spe Bernadette und José<br />
Luis Lázaro möchte ich für ihre motivierenden Worte und Gesten danken.<br />
Mein tiefster Dank gilt schliesslich meiner Familie, meinen Eltern Hellmuth und Rosa-<br />
rio sowie meinem Bruder Helmut, welche mir stets eine wichtige Unterstützung und<br />
Ansporn waren.<br />
Romanshorn, <strong>im</strong> April 2010 Tobias Mettler
Inhaltsübersicht i<br />
Inhaltsübersicht<br />
1 Einleitung .................................................................................................. 1<br />
2 Begriffliche und theoretische Grundlagen ............................................. 23<br />
3 Konzeptionelle Grundlagen .................................................................... 33<br />
4 Analyse des Gestaltungsbereiches .......................................................... 61<br />
5 Vergleich bestehender Reifegradmodelle ............................................. 101<br />
6 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung .................................. 119<br />
7 Entwicklung des Reifegradmodells ...................................................... 139<br />
8 Evaluation des Reifegradmodells ......................................................... 207<br />
9 Schlussbetrachtung ............................................................................... 245<br />
Anhang ................................................................................................................... 255<br />
Literatur ................................................................................................................. 269
ii Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Einleitung .................................................................................................. 1<br />
1.1 Ausgangslage ............................................................................................. 1<br />
1.2 Forschungsfrage ......................................................................................... 3<br />
1.3 Thematische Einordnung und disziplinäre Bezugspunkte ........................... 6<br />
1.4 Wissenschaftstheoretische Einordnung ....................................................... 7<br />
1.4.1 Forschungsparadigmen in der Wirtschaftsinformatik .............................. 8<br />
1.4.2 Einordnung innerhalb des gewählten Forschungsparadigmas ................ 10<br />
1.5 Forschungsmethodik ................................................................................. 12<br />
1.5.1 Prinzipien gestaltungsorientierter Forschung ........................................ 13<br />
1.5.2 Anwendung auf das Forschungsvorhaben ............................................. 16<br />
1.6 Aufbau der Arbeit ..................................................................................... 20<br />
2 Begriffliche und theoretische Grundlagen ............................................ 23<br />
2.1 Organisationsbegriff ................................................................................. 23<br />
2.2 Organisation und Gestaltung ..................................................................... 24<br />
2.3 Organisationaler Wandel .......................................................................... 26<br />
2.4 Wandel und Gestaltung ............................................................................. 27<br />
2.5 Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................................ 29<br />
3 Konzeptionelle Grundlagen ................................................................... 33<br />
3.1 Referenzmodellierung und Referenzmodelle ............................................ 34<br />
3.1.1 Referenzmodellbegriff .......................................................................... 35<br />
3.1.2 Phasen der Referenzmodellierung ......................................................... 36<br />
3.1.3 Entwurfsmuster für die Konstruktion von Referenzmodellen ................ 38<br />
3.2 Reifegradmodelle ..................................................................................... 39<br />
3.2.1 Reife- und Reifegradmodellbegriff ....................................................... 40<br />
3.2.2 Typen von Reifegradmodellen .............................................................. 43
Inhaltsverzeichnis iii<br />
3.2.3 Zur Spezifikation von Reifegraden ........................................................ 45<br />
3.2.4 Zur Erhebung und Analyse von Reifegraden ......................................... 47<br />
3.2.5 Entwurfsmuster für die Konstruktion von Reifegradmodellen ............... 51<br />
3.3 Ontologien ................................................................................................ 53<br />
3.3.1 Ontologiebegriff .................................................................................... 53<br />
3.3.2 Zur Spezifikation von Ontologien ......................................................... 56<br />
3.3.3 Entwurfsmuster für die Konstruktion von Ontologien ........................... 58<br />
3.4 Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................................. 59<br />
4 Analyse des Gestaltungsbereiches .......................................................... 61<br />
4.1 Beschaffung in Krankenhäusern ................................................................ 61<br />
4.1.1 Auftrag und Typisierung von Krankenhäusern ...................................... 61<br />
4.1.2 Aufgaben, Zielsetzungen und Rollen des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs ............ 64<br />
4.1.3 Organisationsformen des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs..................................... 67<br />
4.1.4 Einordnung in die Versorgungskette des <strong>Krankenhaus</strong>es ....................... 69<br />
4.1.5 Einordnung in die Wertkette des <strong>Krankenhaus</strong>es ................................... 71<br />
4.2 Aktueller Stand der Praxis ......................................................................... 72<br />
4.2.1 Empirische Untersuchungen .................................................................. 73<br />
4.2.2 Fallstudien ............................................................................................. 79<br />
4.2.2.1 Fallauswahl und -eingrenzung ........................................................... 79<br />
4.2.2.2 Datenerhebung und -analyse .............................................................. 80<br />
4.2.2.3 Fall A: Hybrider Einkauf in einem kleinen <strong>Krankenhaus</strong> ................... 81<br />
4.2.2.4 Fall B: Dezentraler Einkauf in einem mittelgrossen <strong>Krankenhaus</strong> ..... 87<br />
4.2.2.5 Fall C: Zentraler Einkauf in einem grossen <strong>Krankenhaus</strong> .................. 92<br />
4.3 Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................................. 97<br />
5 Vergleich bestehender Reifegradmodelle ............................................. 101<br />
5.1 Gestaltungsbereiche bestehender Reifegradmodelle ................................ 101<br />
b5.2 Diskussion ausgewählter Reifegradmodelle ............................................ 103
iv Inhaltsverzeichnis<br />
5.2.1 CMMI for Acquisition ........................................................................ 103<br />
5.2.2 Sales and Operations Planning Maturity Model .................................. 108<br />
5.2.3 <strong>Supply</strong> Chain <strong>Management</strong> Process Maturity Model ........................... 109<br />
5.2.4 Construction <strong>Supply</strong> Chain Maturity Model........................................ 111<br />
5.2.5 B2B E-Commerce Adoption Readiness .............................................. 113<br />
5.3 Beurteilung in Bezug auf den Gestaltungsbereich ................................... 115<br />
5.4 Zusammenfassung der Ergebnisse .......................................................... 116<br />
6 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung .................................. 119<br />
6.1 Beschreibung der Modellelemente .......................................................... 119<br />
6.1.1 Metamodell der Struktur des Reifegradmodells .................................. 121<br />
6.1.2 Metamodell der Inhalte des Reifegradmodells .................................... 123<br />
6.2 Beschreibung der Beschaffenheit des Reifegradmodells ......................... 126<br />
6.2.1 Generelle Eigenschaften ..................................................................... 126<br />
6.2.2 Eigenschaften der Ontologie ............................................................... 127<br />
6.2.3 Eigenschaften des Bewertungsmodells................................................ 128<br />
6.3 Vorgehen zur Konstruktion des Reifegradmodells .................................. 131<br />
6.3.1 Vorgehen nach DE BRUIN et al. ........................................................ 131<br />
6.3.2 Vorgehen nach BECKER/KNACKSTEDT et al. ................................ 132<br />
6.3.3 Charakterisierung des eigenen Vorgehens ........................................... 135<br />
6.4 Zusammenfassung der Ergebnisse .......................................................... 137<br />
7 Entwicklung des Reifegradmodells ...................................................... 139<br />
7.1 Definition der Modellinhalte ................................................................... 139<br />
7.1.1 Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen ..................................................................... 139<br />
7.1.1.1 Personenzentrierte Gestaltungsd<strong>im</strong>ension ....................................... 141<br />
7.1.1.2 Prozesszentrierte Gestaltungsd<strong>im</strong>ension .......................................... 141<br />
7.1.1.3 Verwendung der Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen <strong>im</strong> Bewertungsmodell ... 144<br />
7.1.2 Gestaltungsebenen .............................................................................. 145
Inhaltsverzeichnis v<br />
7.1.2.1 Arbeitsumfeld (AR) ......................................................................... 147<br />
7.1.2.2 Praktiken (PR) ................................................................................. 148<br />
7.1.2.3 IT-Infrastruktur (IT) ........................................................................ 149<br />
7.1.2.4 Personen (PE) .................................................................................. 151<br />
7.1.2.5 Verwendung der Gestaltungsebenen <strong>im</strong> Bewertungsmodell ............. 152<br />
7.1.3 Gestaltungsobjekte .............................................................................. 153<br />
7.1.3.1 Strategieformulierung (S1) .............................................................. 153<br />
7.1.3.2 Strategie<strong>im</strong>plementierung (S2) ........................................................ 157<br />
7.1.3.3 Strategisches Monitoring (S3) ......................................................... 160<br />
7.1.3.4 Anbahnung (T1) .............................................................................. 162<br />
7.1.3.5 Verhandlung (T2) ............................................................................ 164<br />
7.1.3.6 Stabilisierung (T3) ........................................................................... 167<br />
7.1.3.7 Bedarfsermittlung (O1).................................................................... 168<br />
7.1.3.8 Bestellung (O2) ............................................................................... 171<br />
7.1.3.9 Abwicklung (O3)............................................................................. 173<br />
7.1.4 Zwischenfazit: Ergebnisse aus Fokusgruppendiskussionen .................. 174<br />
7.2 Operationalisierung der Modellinhalte .................................................... 178<br />
7.2.1 Konfiguration ...................................................................................... 178<br />
7.2.1.1 Identifikation möglicher Konfigurationsparameter .......................... 178<br />
7.2.1.2 Beschreibung der Konfigurationsszenarien ...................................... 180<br />
7.2.1.3 Wahl eines Konfigurationsszenarios ................................................ 184<br />
7.2.2 Datenerhebung und -analyse................................................................ 185<br />
7.2.2.1 Erhebungstechnik ............................................................................ 185<br />
7.2.2.2 Analysetechnik ................................................................................ 187<br />
7.3 Definition der Reife- und Fähigkeitsgrade ............................................... 191<br />
7.3.1 Definition der Reifegrade .................................................................... 191<br />
7.3.1.1 Ansatz zur Best<strong>im</strong>mung der Reifegrade ........................................... 191<br />
7.3.1.2 Beschreibung der Stichprobe ........................................................... 193
vi Inhaltsverzeichnis<br />
7.3.1.3 Diskussion der Resultate ................................................................. 195<br />
7.3.2 Best<strong>im</strong>mung der Fähigkeitsgrade ........................................................ 200<br />
7.3.2.1 Ansatz zur Best<strong>im</strong>mung der Fähigkeitsgrade .................................. 200<br />
7.3.2.2 Diskussion der Resultate ................................................................. 201<br />
7.3.3 Zusammenhang zwischen Reife- und Fähigkeitsgraden ...................... 203<br />
7.3.4 Ermittlung von Reife- und Fähigkeitsgraden ....................................... 205<br />
7.4 Zusammenfassung der Ergebnisse .......................................................... 205<br />
8 Evaluation des Reifegradmodells ......................................................... 207<br />
8.1 Grundlagen der Evaluation ..................................................................... 207<br />
8.2 Charakterisierung der Evaluation ............................................................ 211<br />
8.3 Evaluation aus Ingenieursperspektive ..................................................... 213<br />
8.3.1 Analytische Beurteilung der GoM....................................................... 214<br />
8.3.2 Analytische Beurteilung von Konstruktionsrichtlinien ........................ 216<br />
8.3.3 Analytische Beurteilung der spezifizierten Anforderungen ................. 218<br />
8.4 Evaluation aus Nutzerperspektive ........................................................... 221<br />
8.4.1 Empirische Beurteilung der Konzeption des Reifegradmodells ........... 221<br />
8.4.2 Empirische Beurteilung der Umsetzung des Reifegradmodells ........... 223<br />
8.4.3 Empirische Beurteilung der Nutzerakzeptanz...................................... 224<br />
8.5 Evaluation aus ökonomischer Perspektive .............................................. 226<br />
8.5.1 Empirische Beurteilung des persönlichen Nutzens .............................. 227<br />
8.5.2 Empirische Beurteilung des organisationalen Nutzens ........................ 228<br />
8.6 Evaluation aus epistemologischer Perspektive ........................................ 229<br />
8.6.1 Theoretische Beurteilung der Reliabilität ............................................ 232<br />
8.6.2 Theoretische Beurteilung der Konvergenzvalidität .............................. 236<br />
8.6.3 Theoretische Beurteilung der Diskr<strong>im</strong>inanzvalidität ........................... 239<br />
8.7 Zusammenfassung der Ergebnisse .......................................................... 242<br />
9 Schlussbetrachtung ............................................................................... 245
Inhaltsverzeichnis vii<br />
9.1 Zusammenfassung und Generalisierung der Ergebnisse .......................... 245<br />
9.2 Kritische Würdigung ............................................................................... 248<br />
9.3 Ausblick und mögliche Anschlusspunkte ................................................ 251<br />
Anhang ................................................................................................................... 255<br />
A. Ansprechpartner .............................................................................................. 255<br />
B. Gesprächsleitfaden für Fallstudien ................................................................... 256<br />
C. Evaluationsfragebogen .................................................................................... 258<br />
D. Verzeichnis der Reifegradmodelle ................................................................... 260<br />
Literatur ................................................................................................................. 269<br />
Lebenslauf .............................................................................................................. 310
viii Abkürzungsverzeichnis<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
ARC Appraisal Requirements for CMMI<br />
BE Business Engineering<br />
BE CBM Business Engineering Core-Business-Metamodell<br />
BEF Business Engineering Framework<br />
BFS Bundesamt für Statistik<br />
BPMM Business Process Maturity Model<br />
BPMN Business Process Modeling Notation<br />
BPR Business Process Reengineering<br />
CC HNE Kompetenzzentrum Health Network Engineering<br />
CMM Capability Maturity Model<br />
CMMI Capability Maturity Model Integrated<br />
CMMI-ACQ Capability Maturity Model Integrated for Acquisition<br />
CMMI-DEV Capability Maturity Model Integrated for Development<br />
CMMI-SVC Capability Maturity Model Integrated for Services<br />
CPFR Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment<br />
CSCMM Construction <strong>Supply</strong> Chain Maturity Model<br />
DPS Desktop Purchasing System<br />
DRG Diagnosis Related Groups<br />
DSR Design Science Research<br />
E-RFF Electronic Request for Feature<br />
E-RFI Electronic Request for Information<br />
E-RFP Electronic Request for Proposal<br />
E-RFQ Electronic Request for Quotation<br />
EAN European Article Number<br />
EFQM European Foundation for Quality <strong>Management</strong>
Abkürzungsverzeichnis ix<br />
ERP Enterprise Resource Planning<br />
EPC Elektronischer Produktkatalog<br />
GBE Gesundheitsberichterstattung des Bundes<br />
GoM Grundsätze ordnungsmässiger Modellierung<br />
GPIS MM General Practitioner Information Systems Measurement Model<br />
H+ Spitzenorganisation der öffentlichen und privaten Schweizer<br />
HSRM 3<br />
Spitäler, Kliniken und Pflegeinstitutionen<br />
Hospital <strong>Supply</strong> and Relationship <strong>Management</strong> Maturity Model<br />
HTML Hypertext Markup Language<br />
IS Informationssystem<br />
ISO Internationale Organisation für Normung<br />
IT Informationstechnologie<br />
ITPM 3<br />
IT Performance Measurement Maturity Model<br />
KCMA Knowledge <strong>Management</strong> Capability Assessment<br />
LISI Levels <strong>of</strong> Information Systems Interoperability<br />
MIT Massachusetts Institute <strong>of</strong> Technology<br />
OIL Ontology Interchange Language<br />
OWL Web Ontology Language<br />
RDF Resource Description Framework<br />
RFID Radio Frequency Identification<br />
S&OP-MM Sales and Operations Planning Maturity Model<br />
SCAMPI Standard CMMI Appraisal Method for Process Improvement<br />
SCM <strong>Supply</strong> Chain <strong>Management</strong><br />
SCM-PMM <strong>Supply</strong> Chain <strong>Management</strong> Process Maturity Model<br />
SCOR <strong>Supply</strong> Chain Operations Reference-model<br />
SEI S<strong>of</strong>tware Engineering Institute<br />
SM <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>
x Abkürzungsverzeichnis<br />
SPICE S<strong>of</strong>tware Process Improvement and Capability Determination<br />
SRM Supplier Relationship <strong>Management</strong><br />
SW-CMM Capability Maturity Model for S<strong>of</strong>tware<br />
UML Unified Modeling Language<br />
VBS Visual Basic Script<br />
VDI Verein Deutscher Ingenieure<br />
WI Wirtschaftsinformatik<br />
XML Extensible Markup Language
Abbildungsverzeichnis xi<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1: Logik der Transformation des Gesundheitswesens ................................. 2<br />
Abbildung 2: Entwicklung der Sach- und Personalkosten in Krankenhäusern .............. 4<br />
Abbildung 3: Einordnung in die Themenlandkarte des Health Network Engineerings.. 7<br />
Abbildung 4: Bezugsrahmen zur Einordnung gestaltungsorientierter Forschung ........ 10<br />
Abbildung 5: Nutzen aus gestaltungsorientierten Forschungsvorhaben ...................... 14<br />
Abbildung 6: Generische Schritte eines Problemlösungsprozesses ............................. 15<br />
Abbildung 7: Vorgehensmodell für die Reifegradmodellentwicklung ........................ 18<br />
Abbildung 8: Aufbau der Arbeit ................................................................................ 21<br />
Abbildung 9: Mentales Modell des Gestaltens ........................................................... 30<br />
Abbildung 10: Anwendungsbereiche der Modellierung in der WI.............................. 34<br />
Abbildung 11: Entwurfsmuster für die Konstruktion von Referenzmodellen ............. 39<br />
Abbildung 12: Entstehung und Weiterentwicklung von Reifegradmodellen ............... 40<br />
Abbildung 13: Reife als Ausprägung der Effektivität und Effizienz von Prozessen .... 41<br />
Abbildung 14: Reife als Ausprägung der Beschaffenheit des Wissens ....................... 42<br />
Abbildung 15: Reife als Ausprägung best<strong>im</strong>mter Objekteigenschaften ...................... 43<br />
Abbildung 16: Verhältnis von Gestaltungsbereich und Reifegradmodell .................... 46<br />
Abbildung 17: Ablauf eines Begutachtungsverfahrens ............................................... 48<br />
Abbildung 18: Computergestützte Befragung auf der Basis von SPICE ..................... 49<br />
Abbildung 19: Stufenförmige Darstellung von Reife ................................................. 50<br />
Abbildung 20: Kontinuierliche Darstellung von Reife ............................................... 51<br />
Abbildung 21: Entwurfsmuster für die Konstruktion von Reifegradmodellen ............ 53<br />
Abbildung 22: Grad der Formalisierung von Ontologien ........................................... 55<br />
Abbildung 23: Darstellung einer Ontologie in Protégé ............................................... 58<br />
Abbildung 24: Entwurfsmuster für die Konstruktion von Ontologien ........................ 59<br />
Abbildung 25: Morphologische Analyse der möglichen Gestaltungsoptionen ............ 60<br />
Abbildung 26: Rückgang der Anzahl Krankenhäuser und Betten ............................... 62
xii Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 27: Schematische Darstellung des Aufgabenspektrums des Einkaufs ....... 64<br />
Abbildung 28: Beeinflussung des Zielsystems des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs .................. 65<br />
Abbildung 29: Organisationsformen des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs ................................. 68<br />
Abbildung 30: Versorgungskette aus dem Blickwinkel des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs ..... 69<br />
Abbildung 31: Spektrum der zu beschaffenden Güter eines <strong>Krankenhaus</strong>es .............. 70<br />
Abbildung 32: Wertkette eines <strong>Krankenhaus</strong>es ......................................................... 71<br />
Abbildung 33: Eingrenzung der Fallstudie ................................................................ 80<br />
Abbildung 34: Vorgang der Bedarfsermittlung Fall A ............................................... 83<br />
Abbildung 35: Vorgang Bestellabwicklung Fall A .................................................... 84<br />
Abbildung 36: Vorgang Wareneingang Fall A .......................................................... 86<br />
Abbildung 37: Vorgang Bedarfsermittlung Fall B ..................................................... 89<br />
Abbildung 38: Vorgang Bestellabwicklung Fall B .................................................... 90<br />
Abbildung 39: Vorgang Wareneingang Fall B ........................................................... 91<br />
Abbildung 40: Vorgang Bedarfsermittlung Fall C ..................................................... 94<br />
Abbildung 41: Vorgang Bestellabwicklung Fall C .................................................... 95<br />
Abbildung 42: Vorgang Wareneingang Fall C ........................................................... 96<br />
Abbildung 43: Gestaltungsbereiche von Reifegradmodellen ................................... 102<br />
Abbildung 44: Metamodell der Struktur von CMMI-Modellen ............................... 104<br />
Abbildung 45: Reifegrade des S&OP-MM .............................................................. 109<br />
Abbildung 46: Metamodell der zentralen Bestandteile der Arbeit ............................ 120<br />
Abbildung 47: Metamodell der Struktur des Reifegradmodells ............................... 121<br />
Abbildung 48: Metamodell der Inhalte des Reifegradmodells ................................. 124<br />
Abbildung 49: Anwendung des Entwurfsmusters auf die vorliegende Arbeit .......... 130<br />
Abbildung 50: Vorgehensmodell nach BECKER/KNACKSTEDT et al. ................. 134<br />
Abbildung 51: Gewähltes Vorgehen zur Reifegradmodellentwicklung .................... 135<br />
Abbildung 52: Strukturierung der Reifebeurteilung <strong>im</strong> HSRM 3 ............................... 145<br />
Abbildung 53: Wirkungszusammenhang von Anreiz und Handlung ........................ 147<br />
Abbildung 54: Verlauf der Reifebeurteilung <strong>im</strong> HSRM 3 ......................................... 152
Abbildungsverzeichnis xiii<br />
Abbildung 55: Schema zur Dokumentation eines Gestaltungsobjekts ...................... 153<br />
Abbildung 56: Spezifikation des Konstrukts „Ausschreibung“ in Protégé ................ 176<br />
Abbildung 57: Visualisierung eines Teilbereichs der Domänenontologie ................. 176<br />
Abbildung 58: Direkte und indirekte situative Faktoren des HSRM 3 ........................ 180<br />
Abbildung 59: Formular zur Konfiguration der Modellbasis .................................... 186<br />
Abbildung 60: Formular zur Beurteilung der Gestaltungsobjekte ............................. 187<br />
Abbildung 61: Auswertungsd<strong>im</strong>ensionen des HSRM 3 ............................................. 187<br />
Abbildung 62: Punktdiagramm zur Darstellung der Gesamtsicht ............................. 188<br />
Abbildung 63: Netzdiagramm für die detaillierte Datenanalyse ............................... 189<br />
Abbildung 64: Balkendiagramm für die detaillierte Datenanalyse ............................ 189<br />
Abbildung 65: Detaillierungsstufen der Auswertung nach Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen 190<br />
Abbildung 66: Streudiagramm zur Prüfung der Stichprobenunabhängigkeit ............ 195<br />
Abbildung 67: Ergebnisse der Rasch-Analyse.......................................................... 196<br />
Abbildung 68: Definition eines Axioms zur Ableitung eines Zielpr<strong>of</strong>ils .................. 201<br />
Abbildung 69: Zusammenhang zwischen Reife- und Fähigkeitsgraden .................... 204<br />
Abbildung 70: Evaluationsmethoden in der gestaltungsorientierten WI ................... 209<br />
Abbildung 71: Verwendete Evaluationskriterien und -methoden.............................. 213<br />
Abbildung 72: Bewertung der Qualität des Bewertungsmodells ............................... 222<br />
Abbildung 73: Bewertung der Qualität des Analyse- und Erhebungswerkzeugs ....... 224<br />
Abbildung 74: Bewertung der Nutzungswahrscheinlichkeit ..................................... 225<br />
Abbildung 75: Bewertung des Nutzungsszenarios.................................................... 226<br />
Abbildung 76: Bewertung des persönlichen Nutzens ............................................... 228<br />
Abbildung 77: Bewertung des organisationalen Nutzens.......................................... 229<br />
Abbildung 78: Zyklen der Reifegradmodellkonstruktion und -anwendung............... 248
xiv Tabellenverzeichnis<br />
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 1: Merkmale erklärungsorientierter und gestaltungsorientierter Forschung ..... 9<br />
Tabelle 2: Wirkungsebenen der Artefaktkonstruktion ................................................ 13<br />
Tabelle 3: Gestaltungsziele der Arbeit ....................................................................... 17<br />
Tabelle 4: Methodenspektrum der Arbeit .................................................................. 19<br />
Tabelle 5: Verhältnis zwischen Organisation und Gestaltung .................................... 26<br />
Tabelle 6: Verhältnis zwischen Wandel und Gestaltung ............................................ 29<br />
Tabelle 7: Zusammenfassung der Erkenntnisse aus aktuellen Studien ....................... 78<br />
Tabelle 8: Pr<strong>of</strong>ile der betrachteten Krankenhäuser .................................................... 79<br />
Tabelle 9: Anforderungen in Bezug auf die Ganzheitlichkeit..................................... 99<br />
Tabelle 10: Anforderungen in Bezug auf die Multiperspektivität............................. 100<br />
Tabelle 11: Anforderungen in Bezug auf die Situativität ......................................... 100<br />
Tabelle 12: Reifegrade des CMMI-ACQ ................................................................. 106<br />
Tabelle 13: Fähigkeitsgrade des CMMI-ACQ ......................................................... 107<br />
Tabelle 14: Reifegrade des SCM-PMM ................................................................... 111<br />
Tabelle 15: Reifegrade des CSCMM ....................................................................... 113<br />
Tabelle 16: Reifegrade der B2B E-Commerce Adoption Readiness ........................ 114<br />
Tabelle 17: Bewertung der untersuchten Reifegradmodelle ..................................... 115<br />
Tabelle 18: Beschreibung der strukturellen Metaentitätstypen ................................. 123<br />
Tabelle 19: Beschreibung der inhaltlichen Metaentitätstypen .................................. 126<br />
Tabelle 20: Sichtweisen auf das <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> ............................................. 140<br />
Tabelle 21: Quellen der prozesszentrierten Gestaltungsd<strong>im</strong>ension ........................... 142<br />
Tabelle 22: Generische Ziele der Gestaltungsebene „Arbeitsumfeld“ ...................... 148<br />
Tabelle 23: Generische Ziele der Gestaltungsebene „Praktiken“.............................. 149<br />
Tabelle 24: Generische Ziele der Gestaltungsebene „IT-Infrastruktur“ .................... 151<br />
Tabelle 25: Generische Ziele der Gestaltungsebene „Personen“ .............................. 152<br />
Tabelle 26: Gestaltungsobjekte der Strategieformulierung ...................................... 157
Tabellenverzeichnis xv<br />
Tabelle 27: Gestaltungsobjekte der Strategie<strong>im</strong>plementierung ................................. 159<br />
Tabelle 28: Gestaltungsobjekte des Monitorings und Controllings ........................... 162<br />
Tabelle 29: Gestaltungsobjekte der Anbahnung ....................................................... 164<br />
Tabelle 30: Gestaltungsobjekte der Verhandlung ..................................................... 167<br />
Tabelle 31: Gestaltungsobjekte der Stabilisierung .................................................... 168<br />
Tabelle 32: Gestaltungsobjekte der Bedarfsermittlung ............................................. 170<br />
Tabelle 33: Gestaltungsobjekte der Bestellung ......................................................... 172<br />
Tabelle 34: Gestaltungsobjekte der Abwicklung ...................................................... 174<br />
Tabelle 35: Konfigurationsmatrix ............................................................................ 184<br />
Tabelle 36: Charakterisierung der Stichprobe .......................................................... 194<br />
Tabelle 37: Reifegrad 1 „Ungezielte Koordination“ ................................................. 197<br />
Tabelle 38: Reifegrad 2 „Intrafunktionale Koordination“ ......................................... 197<br />
Tabelle 39: Reifegrad 3 „Interfunktionale Koordination“ ......................................... 198<br />
Tabelle 40: Reifegrad 4 „Interorganisationale Koordination“ ................................... 199<br />
Tabelle 41: Reifegrad 5 „Dienstleistungsorientierte Koordination“ .......................... 200<br />
Tabelle 42: Zielpr<strong>of</strong>il „Kostenorientierte Beschaffung“ ........................................... 201<br />
Tabelle 43: Zielpr<strong>of</strong>il „Flexibilitäts- und unabhängigkeitsorientierte Beschaffung“ . 202<br />
Tabelle 44: Zielpr<strong>of</strong>il „Leistungs- und qualitätsorientierte Beschaffung“ ................. 203<br />
Tabelle 45: Zielpr<strong>of</strong>il „Sicherheitsorientierte Beschaffung“ ..................................... 203<br />
Tabelle 46: Verifikation nach den GoM ................................................................... 216<br />
Tabelle 47: Verifikation nach den eigenen Modellanforderungen ............................ 220<br />
Tabelle 48: Item-Skala-Statistik ............................................................................... 235<br />
Tabelle 49: Rotierte Faktormatrix ............................................................................ 238<br />
Tabelle 50: Gleichheitstest der Szenariomittelwerte ................................................. 241<br />
Tabelle 51: Klassifizierungsergebnisse .................................................................... 242<br />
Tabelle 52: Ansprechpartner für Fallstudien und quantitative Querschnittsanalyse .. 256<br />
Tabelle 53: Untersuchte Reifegradmodelle .............................................................. 267
xvi Kurzfassung<br />
Kurzfassung<br />
Eine fundamentale Voraussetzung für die Erbringung hochwertiger Gesundheitsleis-<br />
tungen stellt die zeitgerechte und kosteneffiziente Beschaffung von Materialien und<br />
Dienstleistungen dar. Aufgrund kontinuierlich ansteigender Gesundheitsausgaben un-<br />
terliegt insbesondere der Einkauf in Krankenhäusern einem ständig grösseren Druck<br />
seine Strukturen und Abläufe effektiver und effizienter zu gestalten. Meist fehlt jedoch<br />
Erfahrungswissen, um eine zielgerichtete Ausrichtung des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
durchzuführen.<br />
Die vorliegende Arbeit will die betreffenden Stellen bei der organisationalen Gestal-<br />
tung des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs unterstützen, indem ein situativ anpassbares Reife-<br />
gradmodell entwickelt und s<strong>of</strong>twaretechnisch realisiert wird. Das entwickelte Artefakt<br />
bietet den Krankenhäusern in zweierlei Hinsicht Hilfestellung und Anleitung: Zum<br />
einen erlaubt es eine zuverlässige Standortbest<strong>im</strong>mung und einprägsame Verände-<br />
rungsplanung der relevanten Gestaltungsobjekte eines <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs. Zum an-<br />
deren kann durch die s<strong>of</strong>twaregestützte Erhebung auch die Branchensituation als An-<br />
haltspunkt für die Gestaltung genutzt werden.<br />
Als Erkenntnisgrundlagen für die Entwicklung des Reifegradmodells werden prakti-<br />
sche Ansätze aus der Literatur, die Ergebnisse aus empirischen Untersuchungen sowie<br />
eigens erhobene Fallstudien zugrundegelegt. Zum Nachweis der Nützlichkeit und Pra-<br />
xistauglichkeit des entwickelten Reifegradmodells wird eine analytische, empirische<br />
und theoretische Evaluation durchgeführt. Die Generalisierung des Problemlösungs-<br />
prozesses am Ende der Arbeit liefert weiteren Erkenntnisfortschritt für die systemati-<br />
sche Konstruktion und Evaluation von Reifegradmodellen.<br />
Schlüsselwörter: Business Engineering, Design Research, E-Business, Gesundheits-<br />
wesen, Organisationale Gestaltung, Reifegradmodell, <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>
Abstract xvii<br />
Abstract<br />
A fundamental precondition for the provisioning <strong>of</strong> high-quality health services is the<br />
t<strong>im</strong>ely and cost-effective procurement <strong>of</strong> materials and services. By reason <strong>of</strong> conti-<br />
nuously increasing health expenditures particularly the sourcing departments <strong>of</strong> hos-<br />
pitals are expected to organize their structures and workflows more effectively and<br />
efficiently. However, knowledge how to realize a goal-oriented alignment <strong>of</strong> the hos-<br />
pitals’ supply function is lacking.<br />
Hence, the a<strong>im</strong> <strong>of</strong> this contribution is to support the concerning actors in shaping the<br />
organizational design <strong>of</strong> hospital sourcing by developing a situational and adaptable<br />
maturity model and a respective inquiry tool. This artifact is supposed to <strong>of</strong>fer assis-<br />
tance and guidance in two respects: First, the presented maturity model allows a relia-<br />
ble assessment and a straightforward change planning <strong>of</strong> the relevant design objects <strong>of</strong><br />
a hospital’s supply function. Second, industry evidence is available for design deci-<br />
sions given that the assessment is s<strong>of</strong>tware-supported.<br />
The development <strong>of</strong> the maturity model is based upon practical knowledge from litera-<br />
ture, results <strong>of</strong> empirical studies as well as on proprietary case studies. In order to pro-<br />
vide evidence <strong>of</strong> the utility and practicability <strong>of</strong> the presented findings, the maturity<br />
model is evaluated using analytical, empirical and theoretical methods. Moreover, ge-<br />
neralization <strong>of</strong> the problem-solving process at the end <strong>of</strong> this contribution delivers fur-<br />
ther insights with respect to the construction and evaluation <strong>of</strong> maturity models.<br />
Keywords: Business Engineering, Design Research, E-Business, Health Care, Organi-<br />
zational Design, Maturity Model, <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>
Einleitung 1<br />
1 Einleitung<br />
1.1 Ausgangslage<br />
Das Gesundheitswesen westlicher Industrieländer steht vor grossen Herausforderun-<br />
gen, wie bspw. die Überalterung der Bevölkerung und die damit zusammenhängende<br />
Zunahme chronischer Erkrankungen, die rasante Entwicklung in Medizin und in der<br />
Informationstechnologie (IT) sowie die Ökonomisierung und Globalisierung der Ge-<br />
sundheitsmärkte infolge der stetig ansteigenden Kosten für die Gesundheitsversorgung<br />
und der Mobilität der Patienten. Solch einschlägige Veränderungen in der organisatio-<br />
nalen Umwelt haben in anderen Branchen dazu geführt, dass Unternehmensgrenzen<br />
abgebaut und kooperative Netzwerke, Unternehmensnetzwerke oder virtuelle Unter-<br />
nehmen gebildet wurden, um die Herausforderungen arbeitsteilig zu bewältigen [vgl.<br />
z. B. Alstyne 1997; Wigand et al. 1997; Mertens et al. 1998; Österle et al. 2001].<br />
Durch die konsequente Fokussierung auf die eigenen Kernkompetenzen bei der Prob-<br />
lembewältigung wurden nicht nur die Spezialisierung und Arbeitsteilung erhöht, son-<br />
dern u. a. auch Leistungskomponenten standardisiert, Prozesse abgest<strong>im</strong>mt und der<br />
Informationsaustausch intensiviert [vgl. z. B. Womack et al. 1990; Kennedy 2003].<br />
Im Gesundheitswesen hat diese Entwicklung bis anhin erst in Ansätzen stattgefunden.<br />
Es ist heute <strong>im</strong>mer noch durch monolithische Strukturen mit geringer Arbeitsteilung<br />
und Spezialisierung geprägt [vgl. Porter, Olmsted-Teisberg 2004, S. 65]. Die fehlende<br />
Orientierung am Nutzen des Patienten [vgl. Töpfer 2006, S. 183], divergierende Inte-<br />
ressen der einzelnen Akteure [vgl. Herzlinger 2006, S. 60] sowie die starke Reglemen-<br />
tierung und Regulierung der Branche [vgl. Braun 2006, S. 26] erschweren die Trans-<br />
formation zusätzlich.<br />
Allerdings können staatlich herbeigeführte Massnahmen auch einen positiven Effekt<br />
auf die Transformation der Organisationen des Gesundheitswesens bewirken [vgl.<br />
Cook et al. 1983, S. 203]. Neuere Entwicklungen wie beispielsweise die Implementie-<br />
rung von ökonomisch-medizinischen Anreizstrukturen 1 sollen dazu führen, dass Effek-<br />
tivität (die richtigen Dinge tun) und Effizienz (die Dinge richtig tun) in den Kranken-<br />
1 Als meist diskutiertes Beispiel hierfür sei das Klassifikationssystem der diagnosebezogene Fallgruppen (DRG)<br />
genannt, welches dazu dient den Patienten anhand seiner Diagnosen und der durchgeführten Behandlungen in<br />
Fallgruppen zu klassifizieren, um anhand der Schwere des Falles den für die Behandlung erforderlichen öko-<br />
nomischen Aufwand zu bewerten und die Vergütung festzulegen.
2 Einleitung<br />
häusern deutlich mehr Beachtung erfahren werden [vgl. Flenreiss, Rümmele 2008, S.<br />
XI].<br />
Empirische Untersuchungen aus Ländern, in denen solche Anreizstrukturen <strong>im</strong> Ge-<br />
sundheitswesen schon länger Anwendung finden, haben gezeigt, dass die Akteure die<br />
notwendigen Veränderungen mit einer gewissen Zweckrationalität (homo oeconomi-<br />
cus 2 ) umsetzen [vgl. Morrisey et al. 1984; Shortell et al. 1985; Carter 1990]. Die<br />
Transformation folgt demnach einer best<strong>im</strong>mten, wenn auch – wie in Abbildung 1<br />
dargestellt – idealisierten Logik.<br />
Neue regulatorische<br />
Rahmenbedingungen<br />
Intraorganisationale<br />
Veränderung<br />
Administrative Bereiche<br />
Standardisierung der zu<br />
beschaffenden Güter und<br />
ihrer Prozesse<br />
...<br />
2 1<br />
Medizinische Bereiche<br />
Standardisierung von<br />
Behandlungsverläufen<br />
(clinical pathways)<br />
...<br />
Benötigte<br />
Vernetzungsfähigkeit<br />
Interorganisationale<br />
Veränderung<br />
Administrative Bereiche<br />
Organisationsübergreifende<br />
Beschaffung (Einkaufskooperationen)<br />
...<br />
3<br />
Medizinische Bereiche<br />
Organisationsübergreifende<br />
Behandlungsverläufe<br />
(continuity <strong>of</strong> care)<br />
...<br />
Abbildung 1: Logik der Transformation des Gesundheitswesens<br />
In einem ersten Schritt führen neue regulatorische Rahmenbedingungen dazu, dass zu<br />
Beginn pr<strong>im</strong>är intraorganisationale, administrative Bereiche opt<strong>im</strong>iert werden (bspw.<br />
Standardisierung der Beschaffungsprozesse und -objekte), da diese <strong>im</strong> Hinblick auf<br />
den Kostenaufwand 3 günstiger adaptiert werden können als die medizinischen Berei-<br />
che [vgl. Shortell et al. 1985, S. 600]. Durch den Anstieg des Veränderungsdrucks<br />
kommt es <strong>im</strong> Verlaufe der Zeit auch zu einer Anpassung der medizinischen Strukturen<br />
2 Homo oeconomicus bezeichnet ein theoretisches Denkmodell, das von der individuellen Nutzenmax<strong>im</strong>ierung<br />
der einzelnen Akteure ausgeht.<br />
3 Der Begriff „Kostenaufwand“ ist aus [Doege, Martini 2008, S. 52] entnommen und setzt sich zum einen aus<br />
den Kosten für die Implementierung einer organisationalen Veränderung, zum anderen auch aus den Kosten<br />
aufgrund von Unsicherheit oder dem Verlust der (ärztlichen) Autonomie zusammen.<br />
4
Einleitung 3<br />
und Abläufe (bspw. Standardisierung von Behandlungsverläufen) sowie zu einer stär-<br />
keren Integration der administrativen Bereiche [vgl. Blum et al. 2008, S. 15].<br />
Bleibt der Druck auch nach der Umsetzung zahlreicher intraorganisationaler Mass-<br />
nahmen bestehen, so müssen organisationsübergreifende Innovationen realisiert wer-<br />
den, um die veränderten Umweltbedingungen zu bewältigen [vgl. Shortell et al. 1985,<br />
S. 600]. Auch hier folgt die Logik der Transformation dem gleichen Muster, d. h. an-<br />
fängliche Opt<strong>im</strong>ierung der Arbeitsgebiete, die einen geringen Kostenaufwand aufwei-<br />
sen (bspw. Outsourcing der Wartung von Medizintechnik) und sukzessive Ausdeh-<br />
nung auf Bereiche bei denen mit Veränderungswiderstände der Mitarbeitenden zu<br />
rechnen ist (bspw. Abst<strong>im</strong>mung der medizinischen Leistungserbringung mit anderen<br />
Krankenhäusern).<br />
Auch bei relativer Stabilität des Gesundheitswesens hat sich gezeigt, dass durch inter-<br />
organisationale Arbeitsteilung und der damit zusammenhängenden Fokussierung auf<br />
die eigenen Kernkompetenzen Ineffizienzen abgebaut und die Wettbewerbsfähigkeit<br />
erhöht werden [vgl. Goes 1997, S. 693]. Allerdings braucht es für die organisations-<br />
übergreifende Zusammenarbeit ein gewisses Mass an Vernetzungsfähigkeit in strategi-<br />
scher, organisatorischer, technischer, aber auch kultureller Hinsicht [vgl. Mettler,<br />
Rohner 2009a; 2009c].<br />
1.2 Forschungsfrage<br />
Betrachtet man die Fortentwicklung der administrativen Bereiche und die Gestaltung<br />
der Vernetzungsfähigkeit als initiale Bedingung für einen weitreichenden organisatio-<br />
nalen Wandel des Gesundheitswesens, so stellt sich die Frage, welche betrieblichen<br />
Strukturen und Abläufe den geringsten Kostenaufwand, aber auch die grösste Wirkung<br />
aufweisen, um als Erste opt<strong>im</strong>iert zu werden. 4 Weil durch die Leistungserbringer des<br />
Gesundheitswesens nur beschränkt Erlössteigerungen erzielt werden können (es be-<br />
steht eine natürliche Nachfrage, da Krankheiten nicht künstlich erzeugt werden) und<br />
best<strong>im</strong>mte Aufwandpositionen wie Personal- oder Infrastrukturkosten aufgrund öffent-<br />
licher Leistungsaufträge nicht beliebig reduziert werden dürfen (bspw. Aufrechterhal-<br />
tung eines Notfalldienstes), gehen viele Organisationen dazu über anfänglich die Kos-<br />
ten für Materialien und Dienstleistungen zu opt<strong>im</strong>ieren. Demzufolge hat die Bedeu-<br />
4 Da es sich bei der dargelegten „Logik der Transformation des Gesundheitswesens“ um ein vereinfachtes men-<br />
tales Modell der Realität handelt, stellt sich diese Frage in der Praxis nur bedingt. Administrativ-medizinische<br />
Veränderungsprojekte werden nicht notwendigerweise sequentiell durchgesetzt, sondern können auch parallel<br />
zueinander erfolgen.
4 Einleitung<br />
tung des Einkaufs 5 <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>umfeld kontinuierlich zugenommen [vgl. z. B.<br />
Schulze, Harneit 1998; Drauschke 2002]. Mehrere Entwicklungen deuten zudem dar-<br />
auf hin, dass sich dies in Zukunft noch verstärken wird [vgl. auch Mettler, Rohner<br />
2008, S. 88]:<br />
� Steigender Sachkostenanteil an den Gesamtkosten: Die Ansprüche an die medizi-<br />
nische Leistungserbringung haben sich aufgrund verschiedenster Faktoren (z. B.<br />
zunehmende Mobilität der Bevölkerung, Wertewandel von der Pflicht- zur Selbst-<br />
verwirklichungsgesellschaft, technologischer Fortschritt) stark verändert. „Medizin<br />
soll nicht nur Erkrankungen heilen, sondern zunehmend Gesundheit und Jugend-<br />
lichkeit bis ins hohe Alter sichern“ [Klotz 2003, S. 29]. Die Aufrechterhaltung und<br />
Ausbau einer qualitativ hochstehenden und kosteneffizienten Behandlung erfordert<br />
eine ständige Erneuerung der Infrastruktur und Selektion der eingesetzten Materia-<br />
lien [vgl. z.B. Offermanns 2009]. Demzufolge ist der Sachkostenanteil in den letz-<br />
ten Jahren kontinuierlich angestiegen (vgl. Abbildung 2). Eine Berichtigung des<br />
Beschaffungsverhaltens und der damit zusammenhängenden Strukturen kann somit<br />
eine wesentliche Hebelwirkung auf das Betriebsergebnis eines <strong>Krankenhaus</strong>es be-<br />
wirken.<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
Legende<br />
67.9% 66.9% 64.4% 63.2% 62.0%<br />
32.1% 33.1% 35.6% 36.8% 38.0%<br />
1996 2000 2005 2006 2007<br />
Personalkosten Sachkosten<br />
Abbildung 2: Entwicklung der Sach- und Personalkosten in Krankenhäusern 6<br />
5 Der Begriff „Einkauf“ bezieht sich auf eine Geschäftsfunktion, welche als Kernaufgabe die Beschaffung von<br />
Materialien und Dienstleistungen zur Deckung der gemeldeten oder selbst ermittelten/erwarteten Bedarfe hat<br />
[vgl. Bichler et al. 2005, S. 50].<br />
6 Der Trend der Kostenentwicklung wurde auf Basis der Daten der Deutschen Gesundheitsberichterstattung<br />
errechnet [vgl. Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2009]. Es wird davon ausgegangen, dass sich in der<br />
Schweiz ein ähnlicher Verlauf abzeichnet.
Einleitung 5<br />
� Globalisierung des Beschaffungsmarktes: Der kontinuierliche Wandel wirtschaftli-<br />
cher Rahmenbedingungen, welcher sich bspw. in einer steigenden Bedeutung von<br />
Global Sourcing niederschlägt [vgl. Stölzle, Heusler 2003, S. 170], ist auch <strong>im</strong> Ge-<br />
sundheitswesen zu spüren (z. B. <strong>im</strong> Generikamarkt). Gerade wegen der Entwick-<br />
lung von lokalen resp. nationalen Märkten hin zu einem global agierenden Markt<br />
hat die Beschaffung deutlich an Komplexität gewonnen. Dadurch erhöht sich die<br />
Gefahr von Fehlinvestitionen und Versorgungsmängeln. Der Einkauf kann auf-<br />
grund seines Wissens und seiner Nähe zum Beschaffungsmarkt dafür sorgen, dass<br />
wichtige Trends frühzeitig erkannt und Risiken min<strong>im</strong>iert werden (z. B. durch Be-<br />
obachtung der Standardisierungsvorhaben in der medizinischen Bildgebung, Moni-<br />
toring epidemiologischer Entwicklungen, etc.).<br />
� Konvergenz und Deregulierung: Heute unterliegt der „Markt für Gesundheit“ so-<br />
wohl fachlich als auch wirtschaftlich einer einschneidenden Regulierung (z. B. Zu-<br />
lassung, Registrierung und Risikoüberwachung neuer Medikamente) und Regle-<br />
mentierung (z. B. Leistungsaufträge öffentlicher Krankenhäuser) des Staates. Da-<br />
durch werden der Handlungsfreiheit der einzelnen Akteure enge Grenzen gesetzt.<br />
Verschiedenste Anzeichen wie bspw. die fortschreitende Privatisierung von Kran-<br />
kenhäusern oder die anhaltende Debatte über die Zulassung von Parallel<strong>im</strong>porten<br />
weisen auf eine, wenn auch nur langsam fortschreitende, Deregulierung des Ge-<br />
sundheitswesens hin [vgl. Blersch 2007, S. 21]. Dadurch eröffnen sich für den Ein-<br />
kauf neue Chancen (z. B. Gründung von Einkaufskooperationen zur Bündelung der<br />
Nachfrage), aber auch neue Herausforderungen (z. B. Schaffung der notwendigen<br />
Voraussetzungen für die interorganisationale Zusammenarbeit).<br />
Um die dargestellten Entwicklungen bewältigen zu können, sind ein hoher Grad an<br />
Pr<strong>of</strong>essionalität des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs und damit weitreichende strategische, orga-<br />
nisatorische, technische und kulturelle Veränderungen notwendig. Dies motiviert die<br />
folgende Forschungsfrage:<br />
Forschungsfrage:<br />
Wie kann der Einkauf in Krankenhäusern zielgerichtet gestaltet werden?
6 Einleitung<br />
1.3 Thematische Einordnung und disziplinäre Bezugspunkte<br />
Ausgangspunkt für die Entwicklung der vorliegenden Arbeit stellt das angewandte<br />
Forschungsprojekt „Health Network Engineering“ dar, welches Teil des Forschungs-<br />
programms Business Engineering (BE) am Institut für Wirtschaftsinformatik der Uni-<br />
versität St. Gallen ist und der langen Tradition der Kompetenzzentrenforschung folgt<br />
[vgl. Back et al. 2007, S. 94]. Das Projekt orientiert sich am Gedanken der „Vernet-<br />
zungsfähigkeit“ – der zielgerichteten Entwicklung von Kooperationen zur Steigerung<br />
der Wettbewerbsfähigkeit [vgl. Fleisch 2001, S. 207] 7 – und unterstützt auf Grundlage<br />
der methoden- und modellbasierten Konstruktionslehre die Organisationen des Ge-<br />
sundheitswesens in ihrer Transformation [vgl. Kompetenzzentrum Health Network<br />
Engineering 2009]. Dies erfordert sowohl konzeptionelle und gestaltungsorientierte<br />
Forschung als auch den regen Kontakt zu den Akteuren des Gesundheitswesens [vgl.<br />
Mantzana et al. 2007, S. 97]. Aus dem Geflecht der Beziehungen zwischen Individuen<br />
und Organisationen wurden auch die für diesen Kontext relevanten Themenkomplexe<br />
identifiziert (vgl. Abbildung 3).<br />
Die inhaltliche Themenstellung der hier vorliegenden Arbeit ist zum einen dem <strong>Supply</strong><br />
Chain <strong>Management</strong> (SCM) zuzuordnen. Es knüpft somit an die betriebswirtschaftlich<br />
orientierten grundlegenden Arbeiten von ELLRAM, OLIVER, WEBBER, HARLAND<br />
et al. an, welche sich <strong>im</strong> Wesentlichen mit der strategischen und organisatorischen<br />
Vernetzung von Unternehmen beschäftigen [vgl. Ellram 1991; Oliver, Webber 1992;<br />
Harland et al. 1993]. Zum anderen spielen IT-Innovationen heute eine entscheidende<br />
Rolle, um die erkannten strategischen und organisatorischen Potenziale in neuen Ge-<br />
schäftslösungen zu realisieren [vgl. Österle, Winter 2003, S. 6]. E-Business, die integ-<br />
rierte Ausführung aller digitalisierbaren Bestandteile ökonomischer Prozesse [vgl.<br />
Thome 2002, S. 151], stellt demnach den zweiten Eckpfeiler dieser Arbeit dar.<br />
7 In [Fleisch 2001] wird anstelle des Begriffs „Vernetzungsfähigkeit“ der Term „Netzwerkfähigkeit“ verwendet.<br />
Im Zuge der Forschungsaktivitäten des Kompetenzzentrums Health Network Engineering (CC HNE) hat sich<br />
jedoch gezeigt, dass unter dem Begriff „Netzwerkfähigkeit“ <strong>of</strong>tmals nur die rein technische Vernetzung ver-<br />
standen wird. Vernetzungsfähigkeit, wie es in der vorliegenden Arbeit verwendet wird, adressiert aber eine<br />
ganzheitliche Vernetzung, d. h. zusätzlich zur technischen D<strong>im</strong>ension werden auch strategische, organisatori-<br />
sche und kulturelle Aspekte berücksichtigt [vgl. Mettler, Rohner 2009a; 2009c].
Einleitung 7<br />
Patienten / Kunden<br />
Bürger<br />
E-Health<br />
(H2C)<br />
E-Government<br />
(G2C)<br />
Leistungserbringer<br />
H2H<br />
Vernetzungsfähigkeit<br />
Kontext Gesundheitswesen<br />
G2G<br />
Controller / Finanzierer<br />
<strong>Supply</strong> Chain<br />
(H2B)<br />
E-Government<br />
(G2B)<br />
E-Business<br />
(B2H)<br />
E-Business<br />
(B2G)<br />
Unterstützer /<br />
Business<br />
Abbildung 3: Einordnung in die Themenlandkarte des Health Network Engineerings 8<br />
Im Hinblick auf die konzeptionelle Erarbeitung des Artefakts ergeben sich ebenfalls<br />
mehrere Bezugspunkte. Zum einen knüpft die vorliegende Arbeit für die Identifizie-<br />
rung und Darstellung der relevanten Gestaltungsobjekte des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs an<br />
die Methoden und Techniken der Ontologieforschung an [vgl. z. B. Smith, Welty<br />
2001; Welty 2003; Hagengruber 2004]. Zum anderen dienen Ergebnisse aus dem Be-<br />
reich der computergestützten Organisationsgestaltung [vgl. z. B. Prietula et al. 1998;<br />
Carley 2002; Kurpjuweit, Winter 2009] und -bewertung [vgl. z. B. Paulk et al. 1993a;<br />
Haase et al. 1994; Kuvaja 1999] als Ausgangsbasis für das hier entwickelte Artefakt.<br />
1.4 Wissenschaftstheoretische Einordnung<br />
Die Diskussion um die Fundierung wissenschaftlicher Aussagen wird allgemein in der<br />
Erkenntnistheorie und speziell in der Wissenschaftstheorie geführt. In der Wirtschafts-<br />
informatik (WI) haben wissenschaftstheoretische und forschungsmethodische Überle-<br />
gungen in der Vergangenheit jedoch nur unzureichend Eingang in die Forschungspra-<br />
xis gefunden [Becker et al. 2008, S. 6].<br />
8 Vgl. auch (http://ehealth.iwi.unisg.ch).
8 Einleitung<br />
Für eine stärkere Auseinandersetzung mit wissenschaftstheoretischen Fragestellungen<br />
spricht gemäss FRANK nicht zuletzt der unablässige Legit<strong>im</strong>ationsbedarf, der sich aus<br />
der starken Praxisorientierung der WI ergibt: „Praxisorientierung wird häufig so in-<br />
terpretiert, dass sich Wissenschaft singulärer praktischer Probleme ann<strong>im</strong>mt und zu<br />
ihrer Lösung beiträgt [...]. Es bleibt allerdings die Frage, wie sich bei einer solchen<br />
Strategie eine überzeugende Abgrenzung zu außerwissenschaftlichen Beratungsange-<br />
boten realisieren lässt [...]“ [Frank 2001].<br />
Ein weiterer Grund für die Explizierung der wissenschaftstheoretischen Prämissen re-<br />
sultiert daraus, dass die „Wissenschaftlichkeit“ einer Wissenschaftsdisziplin stets bei<br />
ihren Grundlagen endet. Ein gleiches Verständnis bezüglich der Wissensbasis (z. B.<br />
Kerntheorien, Artefakte) und die für die Forschungsgemeinschaft (Scientific Commu-<br />
nity) zulässigen methodologischen Prinzipien und Verfahren (z. B. Validierungskrite-<br />
rien) zur Wissensbildung kann nur durch Bekanntgabe der „Spielregeln“ entwickelt<br />
werden.<br />
Damit die Aussagen und Ergebnisse der vorliegenden Arbeit nachvollziehbar und in-<br />
terpretierbar werden, erfolgt eine kurze Darstellung der wissenschaftstheoretischen<br />
Prämissen, ohne jedoch eine grundlegende Diskussion zu führen. 9<br />
1.4.1 Forschungsparadigmen in der Wirtschaftsinformatik<br />
Naturgemäss ist die Wahl einer wissenschaftstheoretischen Grundposition arbiträr und<br />
somit subjektiv gefärbt. Allerdings bedeutet dies nicht, dass wissenschaftstheoretische<br />
Überlegungen wahllos von den spezifizierten Forschungszielen und -methoden erfol-<br />
gen dürfen, da starke Interdependenzen zwischen den einzelnen Parametern bestehen<br />
[vgl. Becker et al. 2003, S. 5]. Gleichwohl schlagen mehrere Autoren zur vereinfach-<br />
ten Einordnung in den wissenschaftlichen Gesamtkontext die Zusammenfassung und<br />
Konzeptualisierung der unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Grundhaltungen<br />
zu Paradigmen vor [vgl. Kuhn 1996; Burrell, Morgan 2003].<br />
In der WI können zwei grundsätzliche Paradigmen identifiziert werden. Die wesentli-<br />
chen Unterschiede, welche massgeblich auf den Überlegungen von FRANK et al.,<br />
9 Für eine umfassende Darstellung des wissenschaftstheoretischen Diskurses in der Wirtschaftsinformatik vgl.<br />
[Becker et al. 2003; Heinrich 2005; Lehner, Zelewski 2007].
Einleitung 9<br />
BECKER et al. und WINTER basieren, sind schematisch in Tabelle 1 zusammenge-<br />
fasst [vgl. Frank et al. 1998; Becker et al. 2008; Winter 2009a]. 10<br />
Erklärungsorientiertes Paradigma Gestaltungsorientiertes Paradigma<br />
Zielsetzung Beschreibung und Erklärung der Realität<br />
anhand von Theorien (� Wahrheitsfokus)<br />
Wahrnehmung<br />
von Realität<br />
Bewertung von<br />
Wissen<br />
Aufbau von<br />
Wissen<br />
Ablauf der<br />
Wissensbildung<br />
Interaktion mit<br />
Forschungsgegenstand<br />
Es existiert eine ontische Realität; diese<br />
ist für Wahrnehmung des Subjekts verantwortlich<br />
(� Realismus)<br />
Es besteht eine logische Trennung von<br />
Wissensproduktion und Wissensanwendung.<br />
Methodologische Prinzipien<br />
und Verfahren sollen die Güte des Wissens<br />
garantieren (� Positivismus)<br />
Es wird davon ausgegangen, dass soziotechnische<br />
Zusammenhänge anhand<br />
von empirischen Daten erklärt werden<br />
können<br />
(� Reduktionismus)<br />
Erhebung, Auswertung, Interpretation,<br />
Generalisierung (� Sequenz)<br />
Handlungen, die den Forschungsgegenstand<br />
beeinflussen, sollten unterlassen<br />
werden (� Beobachter)<br />
Veränderung der Realität anhand von<br />
Artefakten (� Nutzenfokus)<br />
Es existiert eine ontische Realität; diese<br />
ist an ein Subjekt gebunden, was zur<br />
Verzerrung der Erkenntnis führen kann<br />
(� Relativismus)<br />
Eine logische Trennung zwischen Wissensproduktion<br />
und -anwendung ist nicht<br />
möglich, resp. nicht gewollt. Wenig methodische<br />
Strenge; Festigkeit der Argumentation<br />
best<strong>im</strong>mt die Güte des Wissens<br />
(� Pragmatismus)<br />
Daten bilden zwar die Grundlage für die<br />
Artefaktkonstruktion, jedoch lassen sich<br />
durch diese keine Rückschlüsse auf den<br />
Gesamtzusammenhang ableiten<br />
(� Emergenz)<br />
Problemanalyse und -formulierung,<br />
Entwicklung resp. Adaption von Konzepten,<br />
Evaluation und Rekalibrierung,<br />
Synthese (� Iteration)<br />
Beeinflussungsmöglichkeiten für gezielte<br />
Veränderung des Feldes werden aktiv<br />
genutzt (� Teilnehmer)<br />
Tabelle 1: Merkmale erklärungsorientierter und gestaltungsorientierter Forschung<br />
Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist die Lösung eines klassischen Gestaltungsprob-<br />
lems: „Design [...] is concerned with how things ought to be, with devising artifacts to<br />
attain goals“ [S<strong>im</strong>on 1996, S. 114]. Aufgrund des Charakters der spezifizierten For-<br />
schungsfrage wird der Dissertation demnach ein gestaltungsorientiertes Paradigma<br />
(Design Science Research) zugrunde gelegt. 11 Folglich unterscheiden sich der Er-<br />
10 Es ist festzuhalten, dass die in Tabelle 1 dargestellten Merkmale nicht notwendigerweise typische Ausprä-<br />
gungen gestaltungs- bzw. erklärungsorientierter WI-Forschung darstellen müssen, resp. Mischformen durch-<br />
aus möglich sind.<br />
11 Im Folgenden wird „Design Science Research“ (DSR) synonym für gestaltungsorientierte (WI-)Forschung<br />
verwendet.
10 Einleitung<br />
kenntnisgegenstand und das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit massgeblich von der <strong>im</strong><br />
angelsächsischen Sprachraum vorherrschenden erklärungsorientierten Forschung 12 und<br />
kann wie folgt zusammengefasst werden: „The design-science paradigm [...] is fun-<br />
damentally a problem-solving paradigm. It seeks to create innovations that define the<br />
ideas, practices, technical capabilities, and products through which the analysis, de-<br />
sign, <strong>im</strong>plementation, management, and use <strong>of</strong> information systems can be effectively<br />
and efficiently accomplished“ [Hevner et al. 2004, S. 76].<br />
1.4.2 Einordnung innerhalb des gewählten Forschungsparadigmas<br />
Zur Einordnung der Arbeit innerhalb der gestaltungsorientierten Forschungsgemein-<br />
schaft eignet sich der in Abbildung 4 dargestellte Bezugsrahmen von WINTER [vgl.<br />
Winter 2008, S. 472].<br />
Design Science<br />
Research<br />
Bezeichnung<br />
Design Science<br />
Design Research<br />
Problemstellung Problemlösung<br />
Überlegungen zur<br />
Artefaktkonstruktion<br />
Überlegungen zur<br />
Artefaktevaluation<br />
Entwicklung neuer<br />
Artefakte<br />
Adaption bestehender<br />
Artefakte<br />
Konstrukt<br />
Methode<br />
Konstrukt<br />
Methode<br />
Modell<br />
Instanz<br />
Modell<br />
Instanz<br />
Abbildung 4: Bezugsrahmen zur Einordnung gestaltungsorientierter Forschung 13<br />
WINTER unterscheidet zunächst zwischen Design Science, das sich mit methodischen<br />
Fragestellungen der Artefaktkonstruktion und -evaluation auseinandersetzt und Design<br />
Research, das sich pr<strong>im</strong>är mit der Entwicklung von neuen oder der problemspezifi-<br />
schen Adaption von bestehenden Artefakten befasst [vgl. Winter 2008, S. 471].<br />
Übergeordnete Zielsetzung dieser Dissertation ist es, ein für den <strong>Krankenhaus</strong>einkauf<br />
nützliches Instrumentarium zu entwickeln, welches eine zielgerichtete und kontextab-<br />
12 Vgl. dazu die beiden Hauptpublikationsorgane der angelsächsischen Forschungsgemeinschaft MISQ<br />
(http://www.misq.org/) und ISR (http://isr.journal.informs.org/).<br />
13 Übernommen und geringfügig adaptiert aus [Winter 2008]. Die Einordnung der vorliegenden Arbeit ist dabei<br />
fett hervorgehoben.
Einleitung 11<br />
hängige Gestaltung dieser Geschäftsfunktion unterstützt. Konkret verfolgt die Arbeit<br />
die folgenden Forschungsziele:<br />
1. Identifikation der für den Kontext des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs relevanten Gestal-<br />
tungsobjekte und -situationen,<br />
2. Konzipierung eines multid<strong>im</strong>ensionalen Modells zur Bewertung der Reife der iden-<br />
tifizierten Gestaltungsobjekte und -situationen sowie<br />
3. Konstruktion eines S<strong>of</strong>twareprototyps, welcher die notwendigen Funktionen bereit-<br />
stellt, um die Reife des Gestaltungsbereichs zu erheben und zu analysieren.<br />
In Anbetracht der formulierten Zielsetzung ist die Dissertation dem Design Research<br />
zuzuordnen, da es die Entwicklung eines konkreten Artefaktes beabsichtigt. Nach<br />
MARCH und SMITH lassen sich dabei vier Ergebnistypen von Design Research un-<br />
terscheiden [vgl. March, Smith 1995, S. 253]: 14<br />
� Konstrukte stellen die Bausteine der Terminologie eines Gegenstandsbereichs dar<br />
[vgl. March, Smith 1995, S. 256]. Sie bilden somit die konzeptionelle Grundlage<br />
für die Beschreibung von Problemen und deren Lösungen, für die konsistente Kon-<br />
struktion von Artefakten und für die Kommunikation über den Forschungsgegen-<br />
stand [vgl. Reinshagen 2009, S. 9].<br />
� Modelle setzen die Konstrukte zum Zweck der Beschreibung und Erklärung der zu<br />
gestaltenden Domäne in Beziehung (problemorientierte Sicht). Dabei best<strong>im</strong>men<br />
Original, Abstraktionsgrad und Verwendungszweck den Gehalt eines Modells [vgl.<br />
Wüstneck 1963, S. 1514f.; Stachowiak 1973, S. 133]. Demzufolge ist der Modell-<br />
begriff relational zu verstehen, d.h. mehrere Erscheinungsformen und Anwen-<br />
dungsgebiete von Modellen sind denkbar (z. B. Ist-Modell � Soll-Modell, In-<br />
stanzmodell � Metamodell, Strukturmodell � Verhaltensmodell).<br />
� Methoden charakterisieren eine weitere Form von Problemlösungen. Im Gegensatz<br />
zu Modellen, welche vorwiegend die Beschreibung effizienterer Zustände beab-<br />
sichtigen, liefern Methoden eine genaue Skizzierung der Ablauffolge zur Lösung<br />
eines Problems (aktivitätenorientierte Sicht) [vgl. Winter et al. 2009, S. 9]. Nach<br />
GUTZWILLER bestehen Methoden deshalb aus einer Spezifikation von Entwurfs-<br />
aktivitäten und ihrer Ergebnisse, einem Informationsmodell zur Konzeptualisierung<br />
14 Mehrere Autoren betrachten (bessere) Theorien als weiteres wünschenswertes Ergebnis von DSR [vgl. Walls<br />
et al. 1992; Purao 2002; Venable 2006b; Gregor 2007, 2009].
12 Einleitung<br />
der Entwurfsergebnisse, einem Rollenmodell zur Festlegung der Aufgabenträger<br />
sowie aus Techniken, welche als Anleitung für die Erstellung der spezifizierten Er-<br />
gebnisse dienen [vgl. Gutzwiller 1994, S. 12f.].<br />
� Instanzen, d.h. Operationalisierungen von Konstrukten, Modellen und Methoden<br />
durch S<strong>of</strong>tware, stellen eine weitere Form von Problemlösungen dar. Nach<br />
MARCH und SMITH spielen diese für die Bewertung der Umsetzbarkeit und<br />
Nützlichkeit von Methoden und Modellen eine zentrale Rolle [vgl. March, Smith<br />
1995, S. 258]. VAISHNAVI und KUECHLER sehen Instanzen sogar als pr<strong>im</strong>är<br />
anzustrebende Form der Problemlösung: „We emphasize this further by referring<br />
to the aeronautical engineering example [...]: aircraft �ew decades before a full<br />
understanding <strong>of</strong> how such �ight was accomplished. And, it is unlikely the under-<br />
standing would ever have occurred in the absence <strong>of</strong> the working artifacts“<br />
[Vaishnavi, Kuechler 2008, S. 13].<br />
Das in der vorliegenden Arbeit entwickelte Artefakt besteht aus drei Komponenten:<br />
1. Modell: Kernbeitrag der vorliegenden Arbeit bildet das Reifegradmodell zur Un-<br />
terstützung der zielgerichteten Gestaltung des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs.<br />
2. Konstrukte: Als Grundlage für die konsistente Modellentwicklung wird eine Do-<br />
mänenontologie spezifiziert, welche die wesentlichen Konstrukte zur Bewertung<br />
der Reife des Gestaltungsbereiches beinhaltet.<br />
3. Instanz: Als Transfermittel für die Praxis wird ein S<strong>of</strong>twareprototyp entwickelt, der<br />
den Anwendern als Grundlage zur Erhebung und Analyse der für die Reifebewer-<br />
tung benötigten Informationen dient.<br />
1.5 Forschungsmethodik<br />
Effektives Entschlüsseln einer gestaltungsorientierten Problemstellung bedeutet den<br />
Suchraum möglicher Lösungen systematisch auf wenige Alternativen einzuschränken:<br />
„[...] to make design practical [...] strategies [are needed] that radically shrink the<br />
search space“ [Chandrasekaran 1990, S. 60].<br />
Um den Suchraum möglichst effizient einzugrenzen, werden in den verschiedenen<br />
Wissenschaftsdisziplinen, die sich mit der Konstruktion und Evaluation von Artefak-
Einleitung 13<br />
ten beschäftigen (Sciences <strong>of</strong> the Artificial) häufig die in Abschnitt 1.5.1 beschriebe-<br />
nen Prinzipien angewendet. 15<br />
1.5.1 Prinzipien gestaltungsorientierter Forschung<br />
Festlegung des Wirkungsbereichs<br />
Im Gegensatz zum erklärungsorientierten Forschungsparadigma, welches pr<strong>im</strong>är die<br />
Erklärung und Prognose möglicher Wirklichkeiten zum Ziel hat, wird mit der Lösung<br />
eines Designproblems (gestaltungsorientiertes Forschungsparadigma) eine Verände-<br />
rung in der Wirklichkeit beabsichtigt [vgl. Wieringa 2009, S. 1]. Dabei steht nicht<br />
pr<strong>im</strong>är die Wahrheit wissenschaftlicher Aussagen <strong>im</strong> Mittelpunkt, sondern vielmehr<br />
der durch die Artefaktkonstruktion für die Praxis zu schaffende Nutzen [vgl. Hevner et<br />
al. 2004, S. 80]. Dieser ist stets an einen oder mehreren Stakeholder gebunden. Dem-<br />
zufolge gilt es diese zu identifizieren, um die möglichen Wirkungen des Artefakts ab-<br />
schätzen zu können. In Anlehnung an MCKAY und MARSHALL lassen sich die in<br />
Tabelle 2 dargestellten Wirkungsebenen ableiten [vgl. McKay, Marshall 2005, S. 8].<br />
Ebene Wirkung<br />
Element /<br />
Individuum<br />
Artefakt hat einen Einfluss auf die Struktur und/oder das Verhalten eines<br />
einzelnen Elementes (z. B. Applikationskomponente) bzw. Individuums<br />
(z. B. Manager).<br />
Arbeitsgruppe Artefakt hat einen Einfluss auf die Struktur und/oder das Verhalten einer<br />
Arbeitsgruppe bzw. Organisationseinheit einer Organisation.<br />
Organisation Artefakt hat einen Einfluss auf die Struktur und/oder das Verhalten der<br />
gesamten Organisation.<br />
Versorgungskette Artefakt hat einen Einfluss auf die Struktur und/oder das Verhalten der<br />
Wertekette einer Organisation.<br />
Gesellschaft Artefakt hat einen Einfluss auf die Gesellschaft.<br />
Formalisierung der Zielfunktion<br />
Tabelle 2: Wirkungsebenen der Artefaktkonstruktion<br />
Um diesen Nutzen messbar zu machen, werden vorweg sowohl Anforderungen (func-<br />
tions), welche explizit durch die Stakeholder und/oder <strong>im</strong>plizit durch die Domäne vor-<br />
gegeben werden, als auch Restriktionen (constraints), welche das Artefakt und/oder<br />
15 Vgl. auch „The Logic <strong>of</strong> Search“ in [S<strong>im</strong>on 1996, S. 122 f.].
14 Einleitung<br />
den Problemlösungsprozess einschränken, definiert [vgl. Chandrasekaran 1989; 1990].<br />
Der Nutzen (utility) eines Artefakts ergibt sich durch dessen Gegenüberstellung mit<br />
den spezifizierten Anforderungen und Restriktionen. In Anlehnung an JÄRVINEN<br />
lassen sich dabei, wie in Abbildung 5 dargestellt, drei Ebenen unterscheiden [vgl.<br />
Järvinen 2007, S. 1394].<br />
Ungelöstes Problem<br />
Artefaktkonstruktion löst<br />
das Problem<br />
Artefaktkonstruktion ist<br />
gescheitert<br />
Positiver<br />
Nutzen<br />
Indifferenter<br />
Nutzen<br />
Negativer<br />
Nutzen<br />
Artefaktkonstruktion löst das Problem<br />
besser als bestehende Artefakte<br />
Artefaktkonstruktion löst<br />
das Problem gleich gut<br />
wie bestehende Artefakte<br />
Bereits gelöstes<br />
Problem<br />
Artefaktkonstruktion löst das Problem<br />
schlechter als bestehende Artefakte<br />
Abbildung 5: Nutzen aus gestaltungsorientierten Forschungsvorhaben<br />
Dekomposition des Problems<br />
Designprobleme sind je nach Anzahl der zu berücksichtigenden Anforderungen und<br />
Restriktionen (sowie ihrer Beziehungen) entweder einfache, komplizierte oder kom-<br />
plexe Probleme [vgl. Gomez, Probst 1999, S. 14 f.]. Um die allgemeine Komplexität<br />
des Designproblems zu reduzieren, schlagen mehrere Autoren die Dekomposition der<br />
ursprünglichen Problemstellung in mehrere kleinere, lösbare Probleme vor [Kusiak,<br />
Wang 1993; Altus et al. 1996; Levchuk et al. 2002; Wieringa 2009]. Allerdings ist zu<br />
beachten, dass bei vielschichtigen Designproblemen auf Basis der Einzellösungen nur<br />
sehr bedingt Schlussfolgerungen für die Gesamtlösung realisierbar sind. KELLY hebt<br />
dies gerade für sozio-technische Problemstellungen besonders hervor: „[...] a univer-<br />
sal law <strong>of</strong> vivisystems: higher-level complexities cannot be inferred by lower-level ex-<br />
istences“ [Kelly 1994, S. 13]. Demzufolge muss, zusätzlich zu den einzelnen Lö-<br />
sungskomponenten, <strong>im</strong>mer auch das Gesamtergebnis evaluiert werden.<br />
Dekomposition des Problemlösungsprozesses<br />
Eine andere Art der Dekomposition ist nach SIMON die Aufschlüsselung des Prob-<br />
lemlösungsprozesses in Teilaktivitäten [vgl. S<strong>im</strong>on 1996, S. 128 f.]. Nach GERICKE<br />
lassen sich, wie in Abbildung 6 dargestellt, die folgenden Schritte unterscheiden [vgl.<br />
Gericke 2008, S. 4].
Einleitung 15<br />
Problemanalyse und -formulierung<br />
Lösungssuche bzw. Entwicklung von Lösungskonzepten<br />
Bewertung der Lösungskonzepte<br />
Konkretisierung eines oder mehrerer Lösungskonzepte<br />
Evaluierung der Lösungskonzepte<br />
Detaillierte Ausarbeitung der Lösung<br />
Abbildung 6: Generische Schritte eines Problemlösungsprozesses<br />
In der Praxis hat sich gezeigt, dass diese Schritte nicht sequentiell, sondern vielmehr<br />
iterativ angegangen werden [vgl. Pahl et al. 2007, S. 21]. Eine iterative Vorgehenswei-<br />
se birgt jedoch die Gefahr, dass der Problemlösungsprozess endlos weitergeführt wird,<br />
ohne je ein finales Ergebnis zu erzeugen.<br />
SIMON schlägt deshalb vor, die Artefaktkonstruktion als lineares Entwicklungsprojekt<br />
zu betrachten [vgl. S<strong>im</strong>on 1996, S. 116 f.]. Hierfür sind zu Beginn des Vorhabens kla-<br />
re Kriterien zu formulieren, wann der Problemlösungsprozess beendet werden kann (z.<br />
B. durch Definition einer Abbruchsklausel). Diese Kriterien sollten so formuliert sein,<br />
dass der erwartete Nutzen der Zielfunktion max<strong>im</strong>al ist, d. h. der Aufwand für eine<br />
weitere Opt<strong>im</strong>ierung der Zielfunktion würde den daraus resultierenden Nutzen über-<br />
steigen [vgl. auch Wortmann 2006, S. 213 f.].<br />
Wiederverwendung von bestehendem Wissen<br />
Bei einem gestaltungsorientierten Vorgehen werden sowohl die Erkenntnisgewinnung<br />
(<strong>of</strong>tmals Grundlage für weitere Schritte), als auch die Entwicklung eines Artefakts (das<br />
eigentliche Ziel) in einem Forschungsprozess zusammengeführt. Um die Lösung des<br />
Problems möglichst effizient zu halten, gilt es auf bestehendem praktischen (z. B. exis-<br />
tierende Methoden, Modelle, Theorien) und methodischen Wissen (z. B. Metriken,<br />
Validierungskriterien, Datenanalyseverfahren) aufzubauen [vgl. Hevner et al. 2004, S.<br />
80].<br />
Damit es sich aber um Forschung und nicht um ein rein angewendetes Problemlösen<br />
handelt, muss die Lösung wiederum einen Beitrag zur bestehenden Wissensbasis dar-<br />
stellen [vgl. Hevner et al. 2004, S. 87].
16 Einleitung<br />
1.5.2 Anwendung auf das Forschungsvorhaben<br />
Durch die Anwendung der in Abschnitt 1.5.1 beschriebenen Prinzipien wird das For-<br />
schungsvorhaben wie folgt konkretisiert:<br />
Beitrag zur Wissensbasis<br />
Die Arbeit adressiert gleichermassen Vertreter aus Wissenschaft und Praxis, die sich<br />
mit der zielgerichteten Organisationsgestaltung <strong>im</strong> Allgemeinen und der Pr<strong>of</strong>essionali-<br />
sierung des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs <strong>im</strong> Speziellen auseinandersetzen. Im Hinblick auf<br />
die Erweiterung der Wissensbasis liefert die Dissertation sowohl Erkenntnisse prakti-<br />
scher als auch methodisch-reflektiver Natur. Das Artefakt, bestehend aus einer Domä-<br />
nenontologie für die Beschaffung in Krankenhäusern, einem Reifegradmodell zur Be-<br />
urteilung und zielgerichteten Gestaltung der Domäne und einem S<strong>of</strong>twareprototypen<br />
zur Erhebung und Analyse der entsprechenden Informationen liefert einen praktischen<br />
Erkenntniswert. Die Diskussion einer systematischen Vorgehensweise in der Kon-<br />
struktion und Evaluation situativer Reifegradmodelle stellt dagegen den Schwerpunkt<br />
des methodisch-reflektiven Beitrags dieser Arbeit dar.<br />
Zielfunktion und Wirkungsbereich der Arbeit<br />
Heute existieren zahlreiche Ansätze, die sich mit der Veränderung und Gestaltung von<br />
Werteketten, Organisationen, Arbeitsgruppen und Individuen beschäftigen [vgl. Carley<br />
2002; Galbraith 2002; Burton et al. 2006; Gray et al. 2007; Jones 2007], jedoch sind<br />
diese <strong>of</strong>tmals abstrakt und bieten dem betr<strong>of</strong>fenen Anwender nur begrenzt kontextspe-<br />
zifische Gestaltungsempfehlungen.<br />
Zur Unterstützung der zielgerichteten Gestaltung eines konkreten Gestaltungsbereichs<br />
werden Reifegradmodelle konzipiert. Der Vergleich existierender Reifegradmodelle<br />
hat gezeigt, dass für den gewählten Gestaltungsbereich und -kontext noch keine aus-<br />
reichende Unterstützung vorhanden ist. 16 Ein Artefakt für ein bisher ungelöstes Prob-<br />
lem zu entwickeln ist demzufolge die Zielsetzung dieser Arbeit. Der Wirkungsbereich<br />
konzentriert sich in erster Linie auf die Bedürfnisse der Einkaufsverantwortlichen resp.<br />
der entsprechenden Organisationseinheit <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>.<br />
Mit der Entwicklung des Artefakts werden die in Tabelle 3 dargelegten Gestaltungs-<br />
ziele verfolgt.<br />
16 Vgl. Kapitel 5.
Einleitung 17<br />
Lösungskomponente Gestaltungsziel Erläuterung<br />
Konzeption des<br />
Reifegradmodells<br />
(Konstrukte/Modell)<br />
Umsetzung des<br />
Reifegradmodells<br />
(Instanz)<br />
Relevanz Die Modellbasis beinhaltet die für die Reifebe-<br />
wertung des Gestaltungsbereiches erforderlichen<br />
Inhalte.<br />
Zuverlässigkeit Die Modellbasis liefert glaubwürdige Aussagen in<br />
Bezug auf die Reife des Gestaltungsbereiches.<br />
Konsistenz Die Struktur der Modellbasis weist einen logi-<br />
schen Zusammenhang auf.<br />
Verständlichkeit Die Inhalte sind anschaulich dargelegt und werden<br />
den potentiellen Anwendern gerecht.<br />
Vollständigkeit Die Inhalte beschreiben den Gestaltungsbereich<br />
erschöpfend.<br />
Nachhaltigkeit Die Inhalte beschreiben den Gestaltungsbereich<br />
auf tiefgreifende Weise.<br />
Aktualität Die Inhalte beschreiben den Gestaltungsbereich<br />
auf zeitgemässe Weise.<br />
Zweckmässigkeit Der Prototyp beinhaltet sämtliche Funktionen, die<br />
zur Erhebung und Analyse der benötigten Daten<br />
sinnvoll sind.<br />
Stabilität Der Prototyp ist solide genug, um in der Realwelt<br />
eingesetzt zu werden.<br />
Anwendbarkeit Der Einsatz des Prototyps erfordert geringe sys-<br />
Einfachheit der<br />
Bedienung<br />
temtechnische Anforderungen.<br />
Der Prototyp ist einfach und intuitiv zu bedienen<br />
und benötigt keine lange Anlernphase.<br />
Übersichtlichkeit Die Benutzerführung des Prototyps ist anschau-<br />
lich gestaltet.<br />
Verständlichkeit Das Erhebungsformular und die generierten Aus-<br />
wertungen sind für die potenziellen Anwender<br />
leicht verständlich.<br />
Tabelle 3: Gestaltungsziele der Arbeit 17<br />
Dekomposition der Problemstellung und des Problemlösungsprozesses<br />
Im Gegensatz zu erklärungsorientierten Forschungsvorhaben, welche sich meist auf<br />
die Anwendung einer spezifischen Forschungsmethode konzentrieren, wird in gestal-<br />
17 Als Grundlage für die Herleitung der Kriterien dienen die Arbeiten von [DeLone, McLean 1992, 2003; Hev-<br />
ner et al. 2004, S. 85].
18 Einleitung<br />
tungsorientierten Arbeiten der Methodenpluralismus bevorzugt [vgl. auch Wilde, Hess<br />
2007, S. 282]. Dabei können Methoden zur Problemanalyse, Lösungssuche, Konstruk-<br />
tion, Evaluation und Kommunikation von Artefakten unterschieden werden [vgl.<br />
Vaishnavi, Kuechler 2008]. 18 Zur vereinfachten Ableitung eines der Problemstellung<br />
angepassten Methodeneinsatzes haben mehrere Autoren das Vorgehen gestaltungsori-<br />
entierter Forschungsvorhaben systematisiert [vgl. z. B. Takeda et al. 1990; Nunamaker<br />
et al. 1991; March, Smith 1995; Rossi, Sein 2003; Peffers et al. 2008; Offermann et al.<br />
2009].<br />
Grundlage für die Entwicklung des Artefakts bildet das in Abbildung 50 dargestellte<br />
Vorgehensmodell von HEVNER et al., welches in Bezug auf die definierte For-<br />
schungsfrage adaptiert wurde [vgl. Hevner et al. 2004].<br />
Umfeld<br />
Umfeld<br />
Mensch<br />
Organisation<br />
Organisation<br />
Technologie<br />
Relevanz<br />
Anforderungen<br />
Design Research Zyklus<br />
Konstruktion<br />
Konstrukte<br />
Reifegradmodell<br />
Instanz<br />
Evaluation<br />
Ingenieurmässig<br />
Nutzerbezogen<br />
Ökonomisch<br />
Epistemologisch<br />
Wahrheit<br />
Anwendbares<br />
Wissen<br />
Anwendung <strong>im</strong> Umfeld Beitrag zur Wissensba sis<br />
Wissensbasis<br />
Grundlagen<br />
Methodologien<br />
Abbildung 7: Vorgehensmodell für die Reifegradmodellentwicklung 19<br />
Der Forschungsprozess gliedert sich in die zwei stark von einander abhängigen Phasen<br />
Konstruktion und Evaluation. In der Konstruktionsphase werden die Problemstellung<br />
identifiziert und die Anforderungen an die zu entwickelnde Lösung aus dem Gegens-<br />
tandsbereich der Forschung abgeleitet. Dies bildet die Grundlage für die eigentliche<br />
Konstruktion des Artefakts, d.h. die Spezifizierung der relevanten Konstrukte, die<br />
Entwicklung des Reifegradmodells und die prototypische Umsetzung. Dabei wird,<br />
18 VAISHNAVI und KUECHLER verwenden anstelle des Begriffs „Forschungsmethoden“ den Term „Design<br />
Patterns“ [vgl. Vaishnavi, Kuechler 2008, S. 57 f.].<br />
19 Übernommen und adaptiert aus [Hevner et al. 2004, S. 80].
Einleitung 19<br />
wenn <strong>im</strong>mer möglich, auf bestehendes anwendbares Wissen wie Methoden und Theo-<br />
rien zurückgegriffen.<br />
Um die Nützlichkeit, Reliabilität und Validität zu demonstrieren, wird in der Evaluati-<br />
onsphase das Artefakt auf seine Tauglichkeit zur Lösung des Problems getestet. Hierzu<br />
wird in der vorliegenden Arbeit ein multiperspektivischer Ansatz verwendet, der die<br />
entwickelte Lösung in Bezug auf ingenieurmässige, nutzerbezogene, ökonomische und<br />
epistemologische Aspekte beurteilt.<br />
Es ist wichtig hervorzuheben, dass Konstruktion und Evaluation <strong>of</strong>tmals nicht strikt<br />
von einander getrennt werden können (z. B. führen Ergebnisse einer Evaluation zu<br />
weiteren Verfeinerungen des Reifegradmodells oder die Entwicklung eines Prototyps<br />
zu neuen Möglichkeiten der Evaluation). Die Problemlösung erfolgt daher iterativ.<br />
Dabei sollen die folgenden Teilfragestellungen beantwortet werden (vgl. Tabelle 4):<br />
zu lösende Teilfragestellung Forschungstechnik<br />
� Was sind die aktuellen Herausforderungen des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs?<br />
� Was für formelle und materielle Anforderungen ergeben sich daraus<br />
an ein Reifegradmodell?<br />
� Was für Reifegradmodelle gibt es für den gewählten Gestaltungsbereich?<br />
� Wie gut erfüllen diese die spezifizierten Anforderungen?<br />
� Was sind die relevanten Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen, -ebenen, -objekte<br />
und -situationen?<br />
� Wie kann eine situative Beurteilung gewährleistet werden?<br />
� Wie können die dafür notwendigen Daten erhoben werden?<br />
� Wie können die erhobenen Daten analysiert werden?<br />
� Wie können die spezifizierten Techniken umgesetzt werden?<br />
� Wie gut werden die spezifizierten Anforderungen erfüllt?<br />
� Wie nützlich ist das Reifegradmodell für die Anwender?<br />
� Was ist der wesentliche Beitrag zur Wissensbasis?<br />
� Was ist der weitere Forschungsbedarf?<br />
Tabelle 4: Forschungstechniken der Arbeit<br />
� Literaturanalyse<br />
� Fallstudien<br />
� Argumentativdeduktive<br />
Analyse<br />
� Literaturanalyse<br />
� Argumentativdeduktive<br />
Analyse<br />
� Literaturanalyse<br />
� Konzeptionelldeduktive<br />
Analyse<br />
� Fokusgruppen<br />
� Quantitative Querschnittsanalyse<br />
� Prototyping<br />
� Argumentativdeduktive<br />
Analyse<br />
� Umfrage<br />
� Statistische Analyse<br />
� Argumentativdeduktive<br />
Analyse
20 Einleitung<br />
1.6 Aufbau der Arbeit<br />
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in neun Kapitel, wobei die Kapitelstruktur <strong>im</strong> We-<br />
sentlichen die Phasen des aufgezeigten Forschungsprozesses reflektiert und in theorie-<br />
basierte und praxisorientierte Abschnitte unterteilt werden kann (vgl. Abbildung 8).<br />
Dies dient gleichzeitig als Leseanleitung für die zugedachten Adressaten: Dem wissen-<br />
schaftlich interessierten Leser wird angeraten, die nachfolgenden Kapitel 2, 5 und 6<br />
vollständig zu lesen. Praktiker, welche sich vorwiegend für die Ergebnisse dieser Ar-<br />
beit interessieren, können diese Kapitel partiell überspringen und sollten den Fokus auf<br />
die Kapitel 3, 4, und 7 legen. 20 Die letzten beiden Kapitel 8 und 9 beinhalten sowohl<br />
theoretische als auch praktische Erkenntnisse und sollten von beiden Lesergruppen<br />
berücksichtigt werden.<br />
Im Anschluss an diese Einleitung, die u. a. die Ausgangslage, Forschungsfragen, For-<br />
schungsmethodik sowie die thematische und wissenschaftstheoretische Einordnung<br />
diskutiert, werden in Kapitel 2 die für die Arbeit relevanten begrifflichen und theoreti-<br />
schen Grundlagen dargestellt und Konsequenzen für die weitere Vorgehensweise ab-<br />
geleitet. In Kapitel 3 werden die für die Artefaktkonstruktion relevanten Konzepte<br />
vorgestellt und die Ausprägung einer möglichen Problemlösung zu einem Entwurfs-<br />
muster zusammengefasst.<br />
Der Hauptteil der Arbeit beschäftigt sich mit der eigentlichen Konstruktion des Arte-<br />
fakts. Zu diesem Zweck werden in Kapitel 4 anhand der gängigen Literatur, Praxisbe-<br />
richte und Fallstudien der aktuelle Stand des gewählten Gestaltungsbereichs diskutiert<br />
und darauf basierend die wesentlichen Anforderungen an die Artefaktkonstruktion ab-<br />
geleitet. In Kapitel 5 werden auf Basis einer umfassenden Literaturrecherche beste-<br />
hende Ansätze identifiziert, themenverwandte Modelle näher diskutiert und hinsicht-<br />
lich der zuvor abgeleiteten Anforderungen bewertet. Im Anschluss darauf erfolgt in<br />
Kapitel 6 die methodische Grundlegung für die Entwicklung des Reifegradmodells.<br />
Dabei werden zunächst die wesentlichen Modellelemente und -eigenschaften be-<br />
schrieben und danach das Konstruktionsvorgehen abgeleitet. Die Konzeption und Ope-<br />
rationalisierung des Reifegradmodells ist Gegenstand des Kapitels 7 und stellt somit<br />
den Mittelpunkt dieser Arbeit dar.<br />
Kapitel 8 ist der Evaluation des entwickelten Reifegradmodells gewidmet. Dies erfolgt<br />
aus einer ingenieursmässigen, nutzerbezogenen, ökonomischen und epistemologischen<br />
20 Für eine schnelle Orientierung können die prägnanten Ergebniszusammenfassungen am Ende eines jeden<br />
Kapitels herangezogen werden.
Einleitung 21<br />
Perspektive. Die Arbeit schliesst mit einer Zusammenfassung und kritischen Würdi-<br />
gung der Ergebnisse sowie einem Ausblick auf den weiteren Forschungsbedarf.<br />
Synthese Evaluation<br />
Konstruktion<br />
Grundlagen<br />
Kapitel 1<br />
Einleitung<br />
Kapitel 2<br />
Begriffe<br />
Kapitel 5<br />
Modellvergleich<br />
Kapitel 6<br />
Grundlegung<br />
Kapitel 8<br />
Evaluation<br />
Kapitel 9<br />
Schluss<br />
Theoriefokus Praxisfokus<br />
Ausgangslage Forschungsfrage Thematische Einordnung<br />
Wiss. Einordnung Forschungsmethoden Aufbau der Arbeit<br />
Organisation<br />
Gestaltung<br />
Wandel<br />
Gestaltungsbereiche<br />
Diskussion best.<br />
Reifegradmodelle<br />
Beurteilung der<br />
Reifegradmodelle<br />
Beschreibung der<br />
Modellelemente<br />
Beschreibung der<br />
Modelleigenschaften<br />
Beschreibung des<br />
Konstruktionsvorgehens<br />
Grundlagen der<br />
Evaluation<br />
Epistemologische<br />
Bewertung<br />
Kapitel 3<br />
Konzepte<br />
Kapitel 4<br />
Status Quo<br />
Kapitel 7<br />
Modellentwicklung<br />
Ingenieurmässige<br />
Bewertung<br />
Referenzmodellierung &<br />
Referenzmodelle<br />
Reifegradmodelle<br />
Ontologien<br />
Beschaffung in<br />
Krankenhäusern<br />
Empirische<br />
Untersuchungen<br />
Fallstudien<br />
Definition der<br />
Modellinhalte<br />
Operationalisierung der<br />
Modellinhalte<br />
Definition der Reife- und<br />
Fähigkeitsgrade<br />
Nutzerbezogene<br />
Bewertung<br />
Ökonomische Bewertung<br />
Generalisierung Kritische Würdigung<br />
Ausblick<br />
Abbildung 8: Aufbau der Arbeit
Begriffliche und theoretische Grundlagen 23<br />
2 Begriffliche und theoretische Grundlagen<br />
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Definition und Abgrenzung der zentralen Beg-<br />
riffe für die vorliegende Arbeit. Das Gestalten <strong>im</strong> Kontext einer Organisation erfordert<br />
nach DUNPHY zuerst die Klärung des Organisationsbegriffs [vgl. Dunphy 1996, S.<br />
543]. Ferner braucht es Überlegungen <strong>im</strong> Hinblick auf den Prozess der Veränderung<br />
sowie eine idealisierte Vorstellung der Ziele und Arbeitsweisen, die Organisationen<br />
mit einer Umgestaltung verbinden. Schliesslich muss auch die Rolle des Gestalters<br />
geklärt werden.<br />
Hierfür wird zunächst der Organisationsbegriff konkretisiert (Abschnitt 2.1). Aufbau-<br />
end auf dieser Definition werden Gestaltungsprinzipien sowohl mechanistischer als<br />
auch organischer Organisationen untersucht (Abschnitt 2.2). Danach wird der Begriff<br />
„Wandel“ als prozedurale Sicht des Gestaltens eingeführt (Abschnitt 2.3) und in Bezug<br />
zur Wahrnehmung des Gestalters gesetzt (Abschnitt 2.4). Zum Schluss werden die Er-<br />
kenntnisse zusammengefasst und daraus Konsequenzen für das zu erarbeitende Arte-<br />
fakt formuliert (Abschnitt 2.5).<br />
2.1 Organisationsbegriff<br />
Um dem Begriff „Organisation“ in seiner Vielschichtigkeit gerecht zu werden, wurden<br />
in der Vergangenheit (und auch heute noch) auf dem Gebiet der angelsächsischen Or-<br />
ganisationstheorie und der deutschsprachigen Organisationslehre zahlreiche Ansätze<br />
entwickelt, um dieses Phänomen besser zu beschreiben und zu erklären [vgl. z. B.<br />
Grochla 1978; Pfeffer 1982; Gmür 1993; Hatch 1997; Jaffee 2001; Kieser 2002;<br />
Bühner 2004b].<br />
Für die vorliegende Arbeit soll das Begriffsverständnis von ALDRICH unterstellt<br />
werden, der Organisationen als „[...] goal-directed, boundary-maintaining, activity<br />
systems“ versteht [vgl. Aldrich 1979, S. 4]. Demzufolge gelten folgende Annahmen:<br />
� Organisationen sind zweckbest<strong>im</strong>mte Systeme. Für Aussenstehende wirken die<br />
Handlungen der Mitglieder der Organisation, als ob die Organisation selbst Ziele<br />
verfolgt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Organisation tatsächlich über klare<br />
Zielvorstellungen verfügt, sondern lediglich, dass die Handlungen der Mitglieder<br />
auf einen gemeinschaftlichen Zweck ausgerichtet sind [vgl. Parsons, Smelser 1956,
24 Begriffliche und theoretische Grundlagen<br />
S. 41]. Organisationen sind deshalb die Ergebnisse zielgerichteter Anstrengungen<br />
einzelner Individuen [vgl. Barnard 1982, S. 8].<br />
� Organisationen sind abgrenzbare Systeme. Dies <strong>im</strong>pliziert, dass unterschiedliche<br />
Arten von Grenzen (bspw. vertraglich oder kulturell) existieren, welche eine ein-<br />
deutige Differenzierung von der externen Umwelt erlauben. Auch intern bestehen<br />
mehrere unterscheidbare Subsysteme (bspw. strategische oder technologische<br />
Ordnungsprinzipien), die aufgrund der gemeinschaftlichen Zweckerfüllung auf-<br />
einander abgest<strong>im</strong>mt werden müssen [vgl. Kast, Rosenzweig 1973, S. 36]. Aller-<br />
dings schliesst eine Trennung in externe und interne Umwelt eine gegenseitige<br />
Beeinflussung nicht aus.<br />
� Organisationen sind aktivitäten-orientierte Systeme. Routinisierte Handlungen und<br />
Praktiken best<strong>im</strong>men <strong>im</strong> Wesentlichen das zweckbest<strong>im</strong>mte Zusammenarbeiten<br />
innerhalb und zwischen Organisationen. Ergebnis der Anwendung einer oder meh-<br />
rerer Aktivitäten sind Leistungen, die einen best<strong>im</strong>mten internen oder externen<br />
Bedarf decken. Der Einsatz von IT kann in ausgewählten Situationen diese Leis-<br />
tungserstellung unterstützen und dabei einen einschneidenden Einfluss auf die<br />
Produktivität bewirken [vgl. Brynjolfsson, Hitt 1998; 2003]. Nach ALTER besteht<br />
der Kern eines Aktivitätensystems 21 deswegen aus Personen (participants), Prakti-<br />
ken (work practices) und IT (information & technology) [vgl. Alter 2006, S. 12].<br />
Organisationen werden demzufolge als Gesamtheit zusammengehöriger und auf-<br />
einander abgest<strong>im</strong>mter Aktivitätensysteme gesehen.<br />
2.2 Organisation und Gestaltung<br />
Organisationen sind vielfach Kontext und/oder Gegenstand der Gestaltung. In der Li-<br />
teratur finden sich unter dem Begriff Veränderungsmanagement (Change Manage-<br />
ment) zahlreiche Ansätze, die sich mit der Gestaltung und Veränderung von Organisa-<br />
tionen beschäftigen. Dabei lassen sich zwei Gruppierungen unterscheiden [vgl.<br />
Inversini 2005, S. 2 f.]:<br />
� Transformationsmanagement-Ansätze: Hierunter fallen eher technologisch-<br />
betriebswirtschaftlich orientierte Ansätze, die Organisationen als komplexe Ma-<br />
schinen verstehen und eine gezielte Steigerung der Wirtschaftlichkeit verfolgen<br />
[vgl. z. B. Hammer, Champy 1993; Österle 1995; Dutta 1999]. Grundlage dieser<br />
Ansätze ist i. d. R. ein rationales, mechanistisches Organisationsverständnis [vgl.<br />
21 ALTER verwendet hierfür den Begriff „work system“ [vgl. Alter 2006].
Begriffliche und theoretische Grundlagen 25<br />
Morgan 2006, S. 15 f.]. Dieses stellt den Manager in den Vordergrund und wie er<br />
die Organisation auf Basis marktwirtschaftlicher Überlegungen steuert und ausrich-<br />
tet. Dabei wird unterstellt, dass die Zielsetzungen der Manager kongruent mit denen<br />
der Organisation sind und dass der Zielsetzungsprozess rational abläuft [vgl. S<strong>im</strong>on<br />
1997, S. 4]. Von den Mitarbeitenden wird erwartet, dass sie die von den Managern<br />
festgesetzten Ziele befolgen (eigene Ziele werden als Störfaktoren betrachtet). Der<br />
finanzielle Ausgleich (z. B. Bezahlung von Löhnen) stellt sicher, dass die Interessen<br />
der Manager und letztlich der Organisation gewahrt werden. Zu den bekanntesten<br />
Ansätzen, welche diesem Verständnis folgen, gehören bspw. das Scientific Mana-<br />
gement [vgl. Taylor 1911] oder der Ansatz zur allgemeinen und industriellen Ver-<br />
waltung [vgl. Fayol 1929].<br />
� Ansätze der Organisationsentwicklung: Hierunter fallen die eher sozialwissen-<br />
schaftlich fundierten Ansätze, die Organisationen als sozio-kulturelle Organismen<br />
betrachten und eine Erhöhung der Lernorientierung, Flexibilität und Reaktionsfä-<br />
higkeit beabsichtigen [vgl. z. B. French, Bell 1994; Bullinger 1996; Graf-Götz,<br />
Glatz 2001]. Grundlage hierfür ist i. d. R. ein situatives, systemisches Organisati-<br />
onsverständnis [vgl. Morgan 2006, S. 33 f.], das organisationale Veränderungen<br />
sowohl auf das Ergebnis menschlichen Handelns als auch auf externe Umweltbe-<br />
dingungen zurückführt. Allerdings n<strong>im</strong>mt man Abstand vom Gedanken des rein ra-<br />
tionalen Zielbildungsprozesses und der hierarchischen Mechanismen zur Zielver-<br />
folgung [vgl. Benson 1977, S. 3]. Demgegenüber wird unterstellt, dass die Mitarbei-<br />
tenden sich um die Einbringung ihrer eigenen Interessen bemühen, diese aber je<br />
nach Situation zu unterschiedlichen Ergebnissen des Handelns und dementspre-<br />
chend zu einem unterschiedlichen Erfolg der Veränderungsmassnahmen führt [vgl.<br />
Tsoukas 1996, S. 22]. Beispiele für dieses Verständnis sind der Ansatz der situati-<br />
ven Relativierung [vgl. Lawrence, Lorsch 1967], die Kontingenztheorie [vgl. Kast,<br />
Rosenzweig 1973] oder die evolutionäre Ökonomie [vgl. Boulding 1981].<br />
Diese extremen Positionen sind rein theoretischer Natur und in der Praxis deshalb eher<br />
selten zu beobachten [vgl. Kelly 1994, S. 21]. Dessen ungeachtet wird in Tabelle 5 zur<br />
vereinfachten Darstellung des Zusammenhangs zwischen Organisationsverständnis<br />
und Gestaltungsfokus an diese Antagonismen angelehnt und auf Grundlage der gängi-<br />
gen Literatur eine Erweiterung vorgenommen [vgl. Utterback 1994, S. 84 f.; Beer,<br />
Nohria 2000, S. 137 f.; Burns, Stalker 2001, S. 96 f.; Morgan 2006, S. 44 f.].
26 Begriffliche und theoretische Grundlagen<br />
Ziele des Gestaltens Wirtschaftlichkeit<br />
(Survival <strong>of</strong> the fittest)<br />
Maschine Organismus<br />
Kontext des Gestaltens Vorhersagbares, stabiles<br />
Umfeld<br />
Annahmen bzgl.<br />
Gestalter<br />
Konzeptionelle Grundlagen<br />
des Gestaltens<br />
Prinzipien des<br />
Gestaltens von<br />
Anreizen<br />
Prinzipien des<br />
Gestaltens von<br />
Strukturen<br />
Prinzipien des<br />
Gestaltens von<br />
Prozessen<br />
Prinzipien des<br />
Gestaltens von<br />
Kulturen<br />
Prinzipien des Gestaltens<br />
von Technologien<br />
Rational, kongruent mit<br />
Organisation<br />
Technologischbetriebswirtschaftlichorientierte<br />
Ansätze, Fokus auf harte<br />
Faktoren (Struktur, Prozesse)<br />
Zufriedenheit durch Ausgleich<br />
von Interessen, vorwiegend<br />
monetäre Anreize<br />
Zentralisierung, Fokus auf Hierarchien<br />
Effiziente Abläufe, Fokus auf<br />
Kontrolle und Steuerbarkeit<br />
Rollenverteilung aufgrund von<br />
Seniorität, befohlener Gehorsam<br />
Enge Kopplung der Komponenten,<br />
Fokus auf Verfügbarkeit<br />
Anpassungsfähigkeit<br />
(Survival <strong>of</strong> the fitting)<br />
Chaotisches, instabiles<br />
Umfeld<br />
Eigennützig, situativ<br />
handelnd<br />
Sozio-kulturell orientierte Ansätze,<br />
Fokus auf weiche Faktoren<br />
(Soziale Beziehungen,<br />
Überzeugungen)<br />
Zufriedenheit durch Erhöhung<br />
der Motivation, Kombination<br />
aus monetären und nichtmonetären<br />
Anreizen<br />
Dezentralität, Fokus auf Teambildung<br />
Flexible Abläufe, Fokus auf<br />
Reaktionsfähigkeit<br />
Autorität durch Fachkompetenz,<br />
formlose Loyalität<br />
Lose Kopplung der Komponenten,<br />
Fokus auf Agilität<br />
Tabelle 5: Verhältnis zwischen Organisation und Gestaltung<br />
2.3 Organisationaler Wandel<br />
Nebst dem Begriff der Organisation gilt es auch zu klären, wie deren Prozess der Um-<br />
wandlung des Anfangs- zu einem gewünschten Endzustand zu verstehen ist [vgl. Van<br />
de Ven, Poole 1995, S. 512]. Ein Begriff, der häufig damit in Verbindung gebracht<br />
wird, ist „Wandel“ oder „Transformation“ [vgl. Baumöl 2008, S. 69]. Wandelprozesse<br />
werden von den Mitgliedern einer Organisation unterschiedlich wahrgenommen und
Begriffliche und theoretische Grundlagen 27<br />
sind demnach subjektiv geprägt. ROBBINS unterscheidet zwei abweichende theoreti-<br />
sche Grundpositionen [vgl. Robbins 1994, S. 266]:<br />
� Calm Waters Metaphor: Wandel wird als erforderlicher Prozess zur Stabilisierung<br />
eines Ungleichgewichts gesehen: „[...] relatively long periods <strong>of</strong> stability [are]<br />
punctuated by compact periods <strong>of</strong> qualitative, metamorphic change“ [Gersick<br />
1991, S. 12]. Wesentlich zur Verbreitung dieses Verständnisses hat das Modell so-<br />
zialer Veränderungen beigetragen, das organisationalen Wandel als eine Abfolge<br />
der drei Phasen Auftauen (unfreeze), Verändern (move) und Stabilisieren (freeze)<br />
charakterisierte [vgl. Lewin 1952]. Auslöser für das Auftauen einer Organisation<br />
sind hiernach interne oder externe Veränderungen (bspw. neue Wettbewerbsbedin-<br />
gungen, soziale Trends, Technologiesprünge, Mitarbeiterwechsel), die ein Un-<br />
gleichgewicht der Organisation erwirken [vgl. Robbins 1994, S. 261]. Um diesem<br />
Ungleichgewicht entgegen zu wirken, werden episodisch radikale Veränderungs-<br />
massnahmen ergriffen [vgl. McAdam 2003, S. 226]. Nach der erfolgreichen Um-<br />
setzung der Veränderungsmassnahmen wird der Status quo wieder zu einem<br />
Gleichgewicht stabilisiert.<br />
� White-water Rapids Metaphor: Wandel wird hier als kontinuierlicher Prozess vers-<br />
tanden: „[...] transformation is seen here to be an ongoing <strong>im</strong>provisation enacted<br />
by organizational actors trying to make sense <strong>of</strong> and act coherently in the world“<br />
[Orlikowski 1996, S. 65]. Ungleich zum ersten Begriffsverständnis existiert bei<br />
dieser Sichtweise keine Gleichgewichtssituation, sondern kohärente oder weniger<br />
kohärente Zustände einer Organisation [vgl. Lindberg, Berger 1997, S. 86]. Inkre-<br />
mentelle Veränderungen in Bezug auf die Strukturen, Prozesse, Kultur und Tech-<br />
nologie werden für das Sicherstellen des Überlebens der Organisation sowie für die<br />
Min<strong>im</strong>ierung von Unsicherheiten als notwendig empfunden [vgl. Alchian 1950, S.<br />
219; Brown, Duguid 1991, S. 52].<br />
2.4 Wandel und Gestaltung<br />
Nach DUNPHY sind die dargestellten theoretischen Grundpositionen in Bezug auf den<br />
Wandel „value driven, <strong>of</strong>ten self-serving, grounded in social movements and driven by<br />
social forces“ [Dunphy 1996, S. 542]. Demzufolge lassen sich nützliche Gestaltungs-<br />
empfehlungen nur entwickeln, wenn die Wahrnehmung des Gestalters hinsichtlich der<br />
Wandelprozesse mitberücksichtigt wird. Mit Blick auf die oben dargelegten theoreti-<br />
schen Auffassungen lassen sich zwei grundlegende Ansätze des Gestaltens differenzie-<br />
ren [vgl. Nelson, Winter 1982, S. 10]:
28 Begriffliche und theoretische Grundlagen<br />
� Evolutionäre Ansätze: Ziel ist es, durch Adaption und Mutation von pr<strong>im</strong>är wei-<br />
chen Faktoren (z. B. Überzeugungen der Mitarbeitenden, Symbole der Organisati-<br />
on) und sekundär harten Faktoren (z. B. Prozesse, Strukturen, Technologie) die<br />
Organisation an interne und externe Gegebenheiten anzugleichen [vgl. Liker et al.<br />
1987; Beer et al. 1990; vgl. Cooper, Markus 1995; Cabrera et al. 2001]. Wandel<br />
wird dabei als dynamischer, nicht vorhersehbarer und langfristiger Prozess ver-<br />
standen. Die Rolle des Gestalters ist die eines Sinngebers, der Verständnis für die<br />
komplexen und <strong>of</strong>t paradoxen Zusammenhänge des Wandels schafft [vgl. Weick,<br />
Quinn 1999, S. 366]. Die Vorteile evolutionärer Ansätze werden in der Min<strong>im</strong>ie-<br />
rung des Risikos, der Sicherstellung der Kontinuität und der Förderung des Zu-<br />
sammenhalts gesehen. Aufgrund der langfristigen Ausrichtung des Gestaltens be-<br />
steht jedoch die Gefahr der Verzettelung resp. des Verlustes der ursprünglichen<br />
Zielvorstellungen. Auch ist das Eintreten der Wirkungen unberechenbar und steinig<br />
[vgl. Jarvenpaa, Stoddard 1998, S. 17]. Beispiele, welche den evolutionären Wan-<br />
del wiedergeben, sind das EFQM-Modell [vgl. European Foundation for Quality<br />
<strong>Management</strong> 1999] oder Six Sigma [vgl. Pande et al. 2000].<br />
� Revolutionäre Ansätze: Ziel ist es, durch Zerstörung überkommener und Aufbau<br />
neuer Strukturen und Verhaltensweisen eine radikale Neuausrichtung der Organisa-<br />
tion zu bewirken. Gerade in Krisensituationen, aber auch <strong>im</strong> Verlauf des normalen<br />
Geschäfts, soll dadurch die Wettbewerbsfähigkeit global gesichert werden [vgl.<br />
Thommen, Richter 2006, S. 582]. Wandel wird dabei als linearer und abgestufter<br />
Prozess verstanden [Nolan 1973, S. 400 f.]. Das Gestalten erfolgt i. d. R. in relativ<br />
kurzen, aber heftigen Intervallen, was zu enormen Widerständen, Chaos und zum<br />
Verlust der Identität einer Organisation führen kann [vgl. Jarvenpaa, Stoddard<br />
1998, S. 17]. Allerdings können durch radikale Verbesserungen auch enorme (wirt-<br />
schaftliche und persönliche) Erfolge erzielt werden. Dem Gestalter kommt dabei<br />
die Rolle der treibenden Kraft des Wandels zu [vgl. Weick, Quinn 1999, S. 366].<br />
Business Process Reengineering (BPR) [vgl. Hammer, Champy 1993] und das Ca-<br />
pability Maturity Model (CMM) [vgl. Paulk et al. 1993a] sind bekannte Beispiele,<br />
die dem revolutionären Ansatz zuzuschreiben sind.<br />
Die Unterschiede evolutionärer und revolutionärer Ansätze sind in Tabelle 6<br />
nochmals zusammenfassend dargestellt.
Begriffliche und theoretische Grundlagen 29<br />
Ziele des<br />
Gestaltens<br />
Wirkung des<br />
Gestaltens<br />
Ablauf des<br />
Gestaltens<br />
Zeitd<strong>im</strong>ension des<br />
Gestaltens<br />
Mechanismen des<br />
Gestaltens<br />
Rolle des<br />
Gestalters<br />
Potentielle<br />
Chancen<br />
Potentielle<br />
Gefahren<br />
Evolutionär Revolutionär<br />
Lokale Opt<strong>im</strong>ierung,<br />
kontinuierliche Anpassung<br />
Globale Verbesserung,<br />
radikale Neuausrichtung<br />
Agnostisch, nicht vorhersehbar Stabilisierend, kalkulierbar<br />
Dynamisch, keinem klaren<br />
Muster folgend<br />
Linear, stufenweise<br />
Eher langfristige Sichtweise Kurz- bis mittelfristige<br />
Sichtweise<br />
Mutation, Adaption Schöpferische bzw. kreative<br />
Zerstörung<br />
Sinngeber des Wandels<br />
(Sense maker)<br />
Min<strong>im</strong>ales Risiko,<br />
Kontinuität, Förderung des<br />
Zusammenhalts<br />
Geringe Stosskraft,<br />
Verzettelung<br />
Treibende Kraft des Wandels<br />
(Mover)<br />
Zeitnahe Resonanz, Erschaffung<br />
von Mythen und Helden<br />
Chaos, Widerstand, Verlust der<br />
Identität<br />
Tabelle 6: Verhältnis zwischen Wandel und Gestaltung<br />
2.5 Zusammenfassung der Ergebnisse<br />
Um die Reichweite des organisationalen Gestaltens verstehen zu können, ist ein klares<br />
und umfassendes Begriffsverständnis erforderlich. In diesem Kapitel werden deshalb<br />
die <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Gestaltung von Organisationen zentralen Begriffe defi-<br />
niert und mit den relevanten theoretischen Ansätzen in Beziehung gesetzt.<br />
Dabei wird ersichtlich, dass verschiedene Auffassungen in Bezug auf die Organisation<br />
zu unterschiedlichen Gestaltungszielen (z. B. Wirtschaftlichkeit versus Anpassungsfä-<br />
higkeit) und Gestaltungsprinzipien (z. B. Erhöhung der Effizienz versus Steigerung der<br />
Lernorientierung) führen. Geht man beispielsweise von einer organischen Struktur des<br />
Gestaltungskontexts aus, so stehen vorwiegend weiche Gestaltungsobjekte (z. B. An-<br />
reizstrukturen, Fähigkeiten der Mitarbeitenden) <strong>im</strong> Mittelpunkt. Demgegenüber sind<br />
bei einer mechanistischen Denkweise hauptsächlich harte Gestaltungsobjekte (z. B.<br />
Aufbau- und Ablaufstrukturen) entscheidend.
30 Begriffliche und theoretische Grundlagen<br />
Ferner hat auch das Verständnis bezüglich des Wandels eine Auswirkung auf die For-<br />
mulierung von Gestaltungszielen und -prinzipien. Wird der Wandel z. B. als evolutio-<br />
närer Prozess verstanden, so müssen Gestaltungsempfehlungen besonders auf die dy-<br />
namische Veränderung ausgerichtet werden. Dahingegen müssen die Gestaltungsemp-<br />
fehlungen bei einem revolutionären Verständnis des Wandels vor allem auf die gradu-<br />
elle und lineare Veränderung ausgerichtet werden.<br />
Mittelbar spielt auch die Situation, in der sich der Gestalter resp. der Gestaltungsge-<br />
genstand befindet, eine gewichtige Rolle [vgl. Staehle 1976, S. 36; Kieser, Kubicek<br />
1992, S. 50]. Dabei beeinflussen sowohl indirekte (z. B. Branchenverhältnisse, Geset-<br />
ze, Technologie), als auch direkte Situativitätsfaktoren (z. B. Rechtsform, Organisati-<br />
onsgrösse, Leistungsprogramm) das Gestalten [vgl. Gomez, Z<strong>im</strong>mermann 1999, S.<br />
122].<br />
Wandel<br />
Evolutionär<br />
Revolutionär<br />
Gestaltungsobjekte<br />
Gestaltungsziele<br />
Gestalter<br />
Gestaltungsempfehlungen<br />
Gegenstand des Gestaltens<br />
Abbildung 9: Mentales Modell des Gestaltens<br />
Gestaltungskontext<br />
Organismus<br />
Maschine<br />
Gestaltungssituation<br />
Daraus ergibt sich das für diese Arbeit geltende mentale Modell des Gestaltens (vgl.<br />
Abbildung 9), welches von den folgenden Annahmen ausgeht:<br />
� Der Gestalter hat eine <strong>im</strong>plizite Vorstellung darüber, wie der Gestaltungskontext<br />
und der Wandel aussehen.
Begriffliche und theoretische Grundlagen 31<br />
� Gestaltungsziele werden <strong>im</strong> Wesentlichen durch diese <strong>im</strong>pliziten Vorstellungen<br />
geprägt.<br />
� Gestaltungsempfehlungen, welche die Gestaltungsziele möglichst umfassend ad-<br />
ressieren möchten, müssen unterschiedliche Blickwinkel auf die Gestaltungsobjek-<br />
te aufweisen.<br />
� Gestaltungsempfehlungen, welche die Gestaltungsziele möglichst präzise adressie-<br />
ren möchten, müssen unterschiedlichen Gestaltungssituationen ausdifferenzieren.<br />
Für die Artefaktkonstruktion lassen sich demnach die folgenden Konsequenzen ablei-<br />
ten:<br />
� Ganzheitlichkeit: Mit Blick auf das Gestalten des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs wird davon<br />
ausgegangen, dass die Verantwortlichen der Beschaffung unterschiedliche Betrach-<br />
tungsweisen des Gestaltungskontexts haben. Bestehende Ansätze beschränken die<br />
Gestaltung jedoch <strong>of</strong>tmals auf ganz best<strong>im</strong>mte Faktoren (z. B. kultureller, strategi-<br />
scher oder technologischer Art). Die vorliegende Arbeit soll deshalb sowohl wei-<br />
che als auch harte Aspekte in den Gestaltungsempfehlungen berücksichtigen, um<br />
ein mögliches umfassendes Gestalten des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs zu unterstützen.<br />
� Multiperspektivität: Unterschiedliche Vorstellungen der Richtung und Geschwin-<br />
digkeit des Wandels machen es notwendig, dass für das Gestalten des Kranken-<br />
hauseinkaufs verschiedene Sichtweisen zur Verfügung gestellt werden müssen.<br />
Daher sollen für die Gestalter des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs sowohl eine dynamische<br />
als auch eine linear-gestufte Entwicklungsperspektive ausgearbeitet werden.<br />
� Situativität: Direkte und indirekte Situativitätsfaktoren best<strong>im</strong>men massgeblich den<br />
Handlungsspielraum der Einkaufsverantwortlichen. Demzufolge ist es zentral, die<br />
wichtigsten Einflussfaktoren zu identifizieren und mit den Gestaltungsempfehlun-<br />
gen abzust<strong>im</strong>men.
Konzeptionelle Grundlagen 33<br />
3 Konzeptionelle Grundlagen<br />
Grundlage für das zielgerichtete Gestalten von Organisationen sind Modelle [vgl.<br />
Carley 2002, S. 264]. Während für das Gestalten von kleinen, überschaubaren Organi-<br />
sationen mentale Modelle <strong>of</strong>tmals ausreichen, ist mit wachsender Organisationsgrösse<br />
und -komplexität dies nicht mehr praktikabel. Hierfür bedarf es deshalb einer formalen<br />
Modellbasis, die bezüglich der konkreten Sachverhalte abstrahiert und die erforderli-<br />
chen Schwerpunkte setzt [vgl. Rosemann 1996, S. 17]. Demgemäss sind gestaltungs-<br />
orientierte Modelle, <strong>im</strong> Gegensatz zu erklärungsorientierten oder naturwissenschaftli-<br />
chen Modellen, nicht wertfrei, sondern enthalten normative, für die Praxis nutzenstif-<br />
tende Aussagen: „Natural scientists <strong>of</strong>ten use the term model as a synonym for theory,<br />
or propose models as weak or incipient theories, in that they propose that phenomena<br />
be understood in terms <strong>of</strong> certain concepts and relationships among them. In our<br />
framework, however, the concern <strong>of</strong> models is utility, not truth [...]“ [March, Smith<br />
1995, S. 256].<br />
Modelle mit einem best<strong>im</strong>mten Grad an Empfehlungscharakter und Allgemeingültig-<br />
keit für einen festgelegten Kontext werden gemeinhin als Referenzmodelle bezeichnet<br />
[vgl. vom Brocke 2003, S. 31 f.]. Eine spezielle Art von Referenzmodellen, welche<br />
sich ausschliesslich mit der systematischen Fortentwicklung best<strong>im</strong>mter Gestaltungs-<br />
objekte auseinandersetzen, sind Reifegradmodelle. Diese eignen sich ins<strong>of</strong>ern für das<br />
Gestalten von Organisationen, als dass sie den Prozess des Wandels als inhärenten Be-<br />
standteil der Gestaltungsempfehlung erachten.<br />
Zur Erleichterung der Modellkonstruktion und -interpretation wird dabei häufig auf<br />
Ontologien zurückgegriffen. Diese helfen die Konsistenz der Modellinhalte zu erhöhen<br />
und erlauben bei entsprechender Konzeption und s<strong>of</strong>twaretechnischer Umsetzung eine<br />
automatisierte semantische Analyse des abgebildeten Realweltabschnitts [vgl.<br />
Ahlemann et al. 2006, S. 1].<br />
Ziel dieses Kapitels ist es, die vorgestellten Themenbereiche Referenzmodellierung<br />
und Referenzmodelle (Abschnitt 3.1), Reifegradmodelle (Abschnitt 3.2) sowie Onto-<br />
logien (Abschnitt 3.3) näher zu erläutern und dadurch die konzeptionelle Grundlage<br />
für die spätere Artefaktkonstruktion zu legen (Abschnitt 3.4).
34 Konzeptionelle Grundlagen<br />
3.1 Referenzmodellierung und Referenzmodelle<br />
Wie zu Anfangs des Kapitels bereits erläutert, finden Modelle innerhalb der WI ihre<br />
Verwendung bei der Analyse und Gestaltung von Organisationen (Business Enginee-<br />
ring) [vgl. Winter 2003, S. 88] und Informationssystemen (Information Systems Engi-<br />
neering) [vgl. Fettke, Loos 2003a, S. 35]. 22 Modellierung erfüllt hier auf vielfältige Art<br />
und Weise ihren Zweck (vgl. Abbildung 10): Modelle werden zum einen für eher<br />
technische Aufgabenstellungen wie S<strong>of</strong>twareentwicklung, Customizing oder zur Aus-<br />
wahl einer best<strong>im</strong>mten S<strong>of</strong>tware verwendet, zum anderen finden sie Verwendung in-<br />
dem sie die Beschreibung und Opt<strong>im</strong>ierung organisatorischer Gestaltungsgegenstände<br />
wie bspw. Aufbau- und Ablaufstrukturen vereinfachen oder das Wissen der Mitarbei-<br />
tenden erhöhen [vgl. Loos, Scheer 1995; Becker, Schütte 1997; Schlagheck 2000;<br />
Delfmann 2006].<br />
Gestalten<br />
Entscheiden<br />
Lernen und<br />
Wissen<br />
Zertifizierung<br />
Benchmarking<br />
Geschäftsprozessmodellierung<br />
Change<br />
<strong>Management</strong><br />
Prozesscontrolling<br />
Personalentwicklung<br />
S<strong>im</strong>ulation<br />
Wissensmanagement<br />
Workflow<br />
<strong>Management</strong><br />
S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
Auswahl von<br />
S<strong>of</strong>twa re<br />
Customizing<br />
Business Engineering Information Systems Engineering<br />
Abbildung 10: Anwendungsbereiche der Modellierung in der WI 23<br />
22 Dieser Gedanke wird bspw. auch in der englischen Übersetzung der deutschsprachigen Zeitschrift „Wirt-<br />
schaftsinformatik“ wiedergegeben, indem „Business and Information Systems Engineering“ als Titel gewählt<br />
wurde (http://www.bise-journal.org).<br />
23 Übernommen und geringfügig angepasst aus [vom Brocke 2003, S. 30].
Konzeptionelle Grundlagen 35<br />
3.1.1 Referenzmodellbegriff<br />
Referenzmodellierung erfüllt den Zweck, die Entwicklung von organisationsspezifi-<br />
schen Modellen zu beschleunigen. Gleichzeitig verfolgt sie das Ziel, die Wirtschaft-<br />
lichkeit von notwendigen Modellierungsaktivitäten best<strong>im</strong>mter Sachverhalte zu erhö-<br />
hen. Dazu werden so genannte Referenzmodelle als Ausgangspunkt für die Entwick-<br />
lung organisations- oder projektspezifischer Modelle genutzt [vgl. Schütte 1998, S.<br />
367 f.]. Nach VOM BROCKE werden Referenzmodelle definiert als „[...] Informati-<br />
onsmodell(e), die Menschen zur Unterstützung der Konstruktion von Anwendungsmo-<br />
dellen entwickeln oder nutzen, wobei die Beziehung zwischen Referenz- und Anwen-<br />
dungsmodell dadurch gekennzeichnet ist, dass Gegenstand oder Inhalt des Referenz-<br />
modells bei der Konstruktion des Gegenstands oder Inhalts des Anwendungsmodells<br />
wieder verwendet werden“ [vom Brocke 2003, S. 34]. 24<br />
Neben dem Anspruch der Wiederverwendbarkeit wird der Referenzmodellbegriff<br />
sprachlich auch durch die Besonderheit der Referenz geprägt. Hiermit soll in erster<br />
Linie ausgedrückt werden, dass Referenzmodelle einen Bezugspunkt zu einem be-<br />
st<strong>im</strong>mten Gegenstand aufweisen [vgl. vom Brocke 2003, S. 31]. In der Literatur wird<br />
allerdings vielmehr die Eigenschaft der Empfehlung bzw. der Empfehlungscharakter<br />
damit verbunden [vgl. Scheer et al. 1994, S. 92; Becker, Schütte 1997, S. 428;<br />
Schwegmann 1999, S. 53]. Demzufolge wird mit „Referenz“ ein Bezug zu Best Prac-<br />
tice- oder Common Practice-Wissen <strong>im</strong>pliziert [vgl. Becker et al. 2002a, S. 1295]:<br />
� Common Practice-Modelle beziehen sich dabei meist auf einen Branchenstandard<br />
und lassen dadurch eine kritische Beurteilung der eigenen Organisation gegenüber<br />
den Wettbewerbern zu. Bei der Anwendung des Referenzmodells steht deshalb<br />
meist die Risiko- und Kostenreduktion <strong>im</strong> Vordergrund.<br />
� Best Practice-Modelle hingegen beinhalten häufig auch neuartige, teilweise theo-<br />
riebasierte Ansätze und können damit Innovations<strong>im</strong>pulse vermitteln. Ihre Umset-<br />
zung birgt einerseits Risiken, da sie noch nicht häufig erprobt wurden, andererseits<br />
ist ihre Verfügbarkeit aufgrund der befürchteten Preisgabe von Wettbewerbsvortei-<br />
len häufig l<strong>im</strong>itiert.<br />
24 VOM BROCKE verwendet den Begriff des Informationsmodells zur Klassifikation derjenigen Modelle,<br />
welche die (statische) Repräsentation der verschiedenen Ergebniskomponenten von konzeptuellen Modellen<br />
und ihrer Verknüpfungen bzw. Abhängigkeiten beabsichtigen. Indes bezeichnen Anwendungsmodelle instan-<br />
ziierte, unternehmensspezifische Modelle, die teilweise auch dynamische Aspekte beinhalten (vgl. auch Win-<br />
ter 2003, S. 102).
36 Konzeptionelle Grundlagen<br />
Nicht zuletzt wird den Referenzmodellen auch die Charaktereigenschaft der Allge-<br />
meingültigkeit zugesprochen [vgl. z. B. Hars 1994, S. 15; Rosemann 1996, S. 34;<br />
Schütte 1998, S. 69 f.]. Dadurch wird gemeinhin ausgedrückt, dass ein Referenzmodell<br />
nur unter best<strong>im</strong>mten, dem Modell inhärenten Voraussetzung gültig ist [vgl. Schütte<br />
1998, S. 70]. Dies wird jedoch von mehreren Autoren als kritisch erachtet, da (<strong>im</strong><br />
normalen Sprachgebrauch) damit ein Absolutheitsanspruch des Modells resp. univer-<br />
selle Gültigkeit verbunden wird [vgl. Thomas 2006, S. 12]. Auch können die gemach-<br />
ten Einschränkungen <strong>im</strong> Extremfall eine Anwendung des Modells verhindern [vgl.<br />
vom Brocke 2003, S. 32].<br />
Demzufolge wird der Referenzmodellbegriff, insbesondere <strong>im</strong> nicht deutschsprachigen<br />
Raum, uneinheitlich angewendet. In der vorliegenden Arbeit wird das Begriffsver-<br />
ständnis von ROSEMANN zugrunde gelegt, der Referenzmodelle als „generic con-<br />
ceptual models that formalise recommended practices for a certain domain. Often la-<br />
belled with the term ‚best practice’, reference models cla<strong>im</strong> to capture reusable effi-<br />
cient state-<strong>of</strong>-the-art practices“ versteht [Rosemann 2003, S. 595].<br />
3.1.2 Phasen der Referenzmodellierung<br />
Referenzmodellierung kann konzeptionell in die zwei Phasen Modellerstellung (Kon-<br />
struktion von Referenzmodellen) und Modellanwendung (Konstruktion mit Referenz-<br />
modellen) untergliedert werden [vgl. Schlagheck 2000, S. 78; Fettke, Loos 2005, S.<br />
22; vom Brocke 2007, S. 51].<br />
Im Rahmen der Modellerstellung erfolgt die Konzeption des für eine best<strong>im</strong>mte Prob-<br />
lemstellung gültigen Referenzmodells. Hierfür werden in einem ersten Schritt die Re-<br />
ferenzmodellierungstechniken zur Beschreibung und Lösung der Problemstellung auf<br />
einer Metaebene definiert und danach in einem zweiten Schritt die Eigenschaften und<br />
das Verhalten der konkreten Referenzlösung dokumentiert [vgl. Becker et al. 2002b, S.<br />
43]. Dies kann einerseits praxisgetrieben, d.h. durch Verallgemeinerung bestehender<br />
unternehmensspezifischer Informationsmodelle, Beobachtungen oder Interviews mit<br />
Fachanwendern, andererseits theoriegeleitet, d.h. auf Grundlage allgemeiner Gestal-<br />
tungsempfehlungen der Literatur, erfolgen [vgl. Becker et al. 2002b, S. 49]. Eine Dif-<br />
ferenzierung ist auch in Bezug auf den Neuigkeitswert eines Referenzmodells mög-<br />
lich. VOM BROCKE unterscheidet dabei tatsächliche Innovationen (Neu-<br />
Konstruktion), Varianten (Varianten-Konstruktion) und Versionen (Versions-<br />
Konstruktion) [vgl. vom Brocke 2007, S. 52].
Konzeptionelle Grundlagen 37<br />
In der Phase der Modellanwendung wird das Referenzmodell mit Hilfe verschiedener<br />
Mechanismen für einen spezifischen Organisationskontext angepasst. BECKER et al.<br />
unterscheiden dazu generierende und nicht generierende Adaptionsmechanismen [vgl.<br />
Becker et al. 2004, S. 252]. Erstere gehen von einem Gesamtmodell aus, welches mit-<br />
tels entsprechender Regeln an einen spezifischen Kontext angepasst wird. Die Ausfüh-<br />
rung der Regeln hängt dabei von den Ausprägungen definierter Konfigurationsparame-<br />
ter ab, welche den Gültigkeitsbereich des Gesamtmodells einschränken und damit die<br />
Spezifizierung des Referenzmodells ermöglichen. In Anlehnung an BECKER et al.<br />
können die nachfolgenden generierenden Adaptionsmechanismen unterschieden wer-<br />
den [vgl. Becker et al. 2004, S. 254 f.]:<br />
� Die Modelltypselektion beschreibt die perspektivenabhängige Auswahl von Mo-<br />
delltypen und ermöglicht somit eine grob granulare Konfiguration des Modellsys-<br />
tems. Modelltypen setzen sich dabei aus einer Anzahl zugelassener Elementtypen<br />
(bspw. Funktionen oder Organisationseinheiten) zusammen.<br />
� Die Elementtypselektion ermöglicht die Auswahl von Elementtypen, die innerhalb<br />
eines Modelltyps verwendet werden können. Auf diese Weise ist die wiederum<br />
perspektivenabhängige Bildung von Modelltypvarianten mit einer Untermenge an<br />
Elementtypen möglich.<br />
� Während sich die Elementtypselektion auf Metaebene vollzieht, erfolgt die Ele-<br />
mentselektion direkt auf den entsprechenden Instanzen der Elementtypen bspw.<br />
über Attribute, Typen oder nach Termen.<br />
� Durch die Bezeichnungsvariation können gleiche Sachverhalte mit unterschiedli-<br />
chen Bezeichnungen abgebildet werden. Dazu werden Synonyme identifiziert, die<br />
entsprechend der Ausprägungen von Konfigurationsparametern perspektivenab-<br />
hängig bspw. für verschiedene Benutzer <strong>im</strong> Modell verwendet werden.<br />
� Mit Hilfe der Darstellungsvariation kann schlussendlich die Modellsymbolik, Ty-<br />
pologie oder die Repräsentation von Konfigurationsregeln angepasst werden.<br />
Neben den genannten Konfigurationsroutinen gibt es auch nicht generierende Adapti-<br />
onsmechanismen, welche dem Anwender meist einen grösseren Gestaltungsspielraum<br />
einräumen [vgl. Becker et al. 2004, S. 258 f.]:<br />
� Die Aggregation beschreibt die Kombination von Modellelementen zu einem Ge-<br />
samtmodell. Dabei können entsprechende Regeln angewendet werden, welche die<br />
Kombinationsmöglichkeiten auf Grundlage entsprechend definierter Plausibilitäten<br />
einschränken.
38 Konzeptionelle Grundlagen<br />
� Die Analogiekonstruktion basiert auf der Wiederverwendung und Anpassung ver-<br />
gleichbarer Modellausschnitte.<br />
� Die Instanziierung beschreibt die Ausgestaltung von Modellelementen mit Attribu-<br />
ten oder Attributen mit Attributsausprägungen durch den Anwender.<br />
� Die Spezialisierung basiert auf der Konkretisierung bewusst allgemein gehaltener<br />
Modellteile.<br />
3.1.3 Entwurfsmuster für die Konstruktion von Referenzmodellen<br />
Die Identifikation von Entwurfsmustern (Design Patterns) dient dazu, das Vorgehen<br />
der Artefaktkonstruktion zu systematisieren und ist somit die Grundlage für die Be-<br />
gründung allfälliger Designentscheide. ALEXANDER hält dazu fest: „The use <strong>of</strong> log-<br />
ical structures to represent design problems has an <strong>im</strong>portant consequence. It brings<br />
with it the loss <strong>of</strong> innocence. A logical picture is easier to criticize than a vague pic-<br />
ture since the assumptions it is based on are brought out into the open. Its increased<br />
precision gives us the chance to sharpen our conception <strong>of</strong> what the design process<br />
involves“ [Alexander 1964, S. 8].<br />
Demzufolge ist es das Ziel dieses Abschnitts (sowie von Abschnitt 3.2.5 und 3.3.3)<br />
mögliche Parameter zu identifizieren, welche die Konstruktion des (Teil-)Artefakts<br />
strukturieren. Aufgrund des breiten Anwendungsspektrums von Referenzmodellen ist<br />
eine generelle Spezifizierung von Entwurfsmustern allerdings nur sehr schwer möglich<br />
und auch wenig zielführend. Die in Abbildung 11 identifizierten Parameter beschrän-<br />
ken sich deshalb nur auf die für die vorliegende Arbeit entscheidenden Bereiche: 25<br />
� Der Verwendungszweck beschreibt, ob das Referenzmodell als Basis für das Ges-<br />
talten, Entscheiden und/oder für den Aufbau von Wissen eingesetzt werden soll.<br />
� Der Neuigkeitswert definiert inwieweit das Referenzmodell bestehende Lösungen<br />
wiederverwendet resp. ob ein komplett neues Problem (Innovation) oder ein beste-<br />
hendes Problem effizienter gelöst wird (Variante oder Version).<br />
� Die Breite grenzt den Gestaltungsbereich des Referenzmodells ein resp. legt fest,<br />
inwiefern es sich um ein branchenspezifisches bzw. branchenunabhängiges Modell<br />
handelt.<br />
25 Da in der vorliegenden Arbeit das Referenzmodell durch ein Reifgradmodell konkretisiert wird, erfolgt eine<br />
Diskussion der umsetzungsbezogenen Konstruktionsparameter erst in Abschnitt 3.2.5.
Konzeptionelle Grundlagen 39<br />
� Die Tiefe definiert die Tragweite des Referenzmodells, d. h. inwieweit es eher auf<br />
der Ebene der Arbeitsgruppe, Organisation, Wertkette oder Gesellschaft einen<br />
Nutzen stiften soll.<br />
� Die Zielgruppe definiert den Betrachtungswinkel des Referenzmodells (manage-<br />
ment-orientierte oder technologie-orientierte Sichtweise).<br />
� Die Empfehlung legt den Ursprung der „Referenz“ frei, d. h. inwieweit sich das<br />
Modell eher an Common- oder Best-Practice anlehnt.<br />
� Schliesslich best<strong>im</strong>mt die Konfiguration das Anpassungsvermögen des Referenz-<br />
modells (generierende und nicht-generierende Mechanismen oder gar keine Konfi-<br />
guration).<br />
Konzeption<br />
des<br />
Referenzmodells<br />
Merkmal<br />
Verwendungszweck<br />
Neuigkeitswert<br />
Breite<br />
Tiefe<br />
Zielgruppe<br />
Empfehlung<br />
Konfiguration<br />
Gestalten<br />
Ausprägung<br />
Entscheiden Lernen/Wissen<br />
Innovation Variante Version<br />
Branchenunabhängig Branchenabhängig<br />
Arbeitsgruppe Organisation Wertkette Gesellschaft<br />
<strong>Management</strong>-orientiert Technologie-orientiert<br />
Common-Practice Best-Practice<br />
Keine Generierend Nicht-generierend<br />
Abbildung 11: Entwurfsmuster für die Konstruktion von Referenzmodellen<br />
3.2 Reifegradmodelle<br />
Reifegradmodelle stellen eine besondere Klasse von Referenzmodellen dar, da sie sich<br />
ausschliesslich mit dem Wandel resp. Entwicklungsprozess von Organisationen<br />
und/oder Informationssystemen (IS) auseinandersetzen. Ihr Ursprung ist auf die theo-<br />
retisch ausgerichteten Veröffentlichungen von NOLAN und GIBSON und auf die<br />
mehr der Praxis zugewandten Arbeit von CROSBY zurück zu führen [Nolan 1973;<br />
Gibson, Nolan 1974; Crosby 1979].<br />
Bekannt wurde das Konzept allerdings erst durch die Entstehung des Capability Matu-<br />
rity Model (CMM) Ende der 1980er Jahre [vgl. Humphrey 1988] und dessen Weiter-<br />
entwicklung Capability Maturity Model Integrated (CMMI) in den späten 1990er Jah-<br />
ren [vgl. Ahern et al. 2003]. Unzählige Reifegradmodelle folgten (vgl. Abbildung 12).<br />
Zu den bekanntesten gehören, neben dem erwähnten CMMI, auch das von der Interna-
40 Konzeptionelle Grundlagen<br />
tionalen Organisation für Normung (ISO) anerkannte SPICE 26 oder BOOTSTRAP, das<br />
durch ein Konsortium mehrerer europäischer Firmen und <strong>Universität</strong>en entwickelt<br />
wurde [vgl. Stienen, Engelmann 1996; Kuvaja 1999].<br />
Legende<br />
Kursiv Obsolet<br />
Integration<br />
Nachfolger<br />
Basiert auf<br />
Referenziert auf<br />
Prozessstandard<br />
Qualitätsstandard<br />
Opt<strong>im</strong>ierungsmodell<br />
Bewertungsmodell<br />
Richtlinie<br />
Abbildung 12: Entstehung und Weiterentwicklung von Reifegradmodellen 27<br />
3.2.1 Reife- und Reifegradmodellbegriff<br />
Ähnlich wie be<strong>im</strong> übergeordneten Konzept der Referenzmodellierung kann auch hier<br />
keine einheitliche Definition des Reifegradmodellbegriffs gefunden werden. Eine an-<br />
wendungsorientierte Begriffsbest<strong>im</strong>mung liefern bspw. BUSH und DUNAWAY:<br />
„[Assessment models] analyze how an organization really works, they (<strong>of</strong>ten through<br />
shock) help motivate it toward positive change, their procedures establish precedents<br />
that help organizations begin to transform themselves even before the assessment is<br />
26 SPICE ist die Abkürzung für S<strong>of</strong>tware Process Improvement and Capability Determination und wird durch<br />
die Norm ISO/IEC 15504 beschrieben (http://www.iso.org/iso/iso_catalogue/catalogue_tc/<br />
catalogue_detail.htm?csnumber=50519).<br />
27 Übernommen und übersetzt aus [Ahern et al. 2003], welche an [Sheard 2001] anlehnen.
Konzeptionelle Grundlagen 41<br />
�nished, and they educate organizations by exposing them to best practices world-<br />
wide“ [vgl. Bush, Dunaway 2005, S. 3].<br />
Eine mehr konstruktionsorientierte Definition ist diejenige von FRASER et al., wo-<br />
nach Reifegradmodelle als strukturierte Menge von Konstrukten verstanden werden<br />
können, die zur Beschreibung best<strong>im</strong>mter Aspekte der „Reife“ eines Gegenstandsbe-<br />
reichs dienen [vgl. Fraser et al. 2002, S. 246]. 28 Dabei wird für „Reife“ <strong>of</strong>tmals das<br />
Begriffsverständnis von [Paulk et al. 1993b, S. 4] übernommen, die darunter „the ex-<br />
tent to which a specific process is explicitly defined, managed, measured, controlled,<br />
and effective“ verstehen. Die meisten Reifegradmodelle folgen bewusst oder unbe-<br />
wusst diesem Verständnis. Dies <strong>im</strong>pliziert jedoch, dass der Gegenstand der Opt<strong>im</strong>ie-<br />
rung und/oder Bewertung stets auf einen oder mehrere Prozesse zurückgeführt werden<br />
muss (vgl. Abbildung 13).<br />
Reifegrad 1<br />
Reifegrad 2<br />
Reifegrad 3<br />
Reifegrad 4<br />
Reifegrad 5<br />
Prozess ist unkontrolliert<br />
Prozess ist wiederholbar<br />
Prozess ist definiert<br />
Prozess ist steuerbar<br />
Prozess ist opt<strong>im</strong>iert<br />
Abbildung 13: Reife als Ausprägung der Effektivität und Effizienz von Prozessen 29<br />
Diese Überbetonung der Prozessperspektive und die Vernachlässigung weiterer mögli-<br />
cher Gestaltungsebenen wird allerdings von mehreren Autoren heftig kritisiert [vgl. z.<br />
B. Bach 1994, S. 15; Jones 1995; Pfeffer, Sutton 1999, S. 90; Gillies, Howard 2003, S.<br />
779]. 30 Diese fordern „Reife“ als ganzheitliches Phänomen zu betrachten und zusätz-<br />
lich zur Bewertung von Geschäftsprozessen auch kulturelle und verhaltensbezogene<br />
28 Vgl. auch [Ahlemann et al. 2005, S. 15].<br />
29 Übernommen und adaptiert aus [Paulk et al. 1993b, S. 20].<br />
30 Kritik wird u. a. auch vom Verfasser der vorliegenden Arbeit geäussert [vgl. Mettler 2009, S. 4; Mettler,<br />
Rohner 2009d, S. 2].<br />
Prozesseigenschaften
42 Konzeptionelle Grundlagen<br />
sowie technologische Aspekte mitzuberücksichtigen [vgl. Christensen, Overdorf 2000,<br />
S. 68 f.; Saleh, Alshawi 2005, S. 50].<br />
Eine alternative Sichtweise auf das (geschäfts-)prozessfokussierte Konzept von „Rei-<br />
fe“ ist etwa, diese als Ausprägung menschlicher Fähigkeiten zu verstehen [vgl. Kl<strong>im</strong>ko<br />
2001, S. 277]. In Anlehnung an KLIMKO können bspw. vier Stadien unterschieden<br />
werden, die auch als Reifegrade des organisationalen Lernens gedeutet werden können<br />
(vgl. Abbildung 14). 31<br />
Entdecker Erschaffer Manager Erneuerer<br />
Wissen ist nicht<br />
vorhanden<br />
Wissen wird<br />
generiert<br />
Wissen wird<br />
angewendet<br />
Wissen wird geteilt<br />
Reifegrad 1 Reifegrad 2 Reifegrad 3 Reifegrad 4<br />
Abbildung 14: Reife als Ausprägung der Beschaffenheit des Wissens<br />
� Die anfängliche Situation ist i. d. R. geprägt durch einen Mangel an Wissen für die<br />
Ausführung einer best<strong>im</strong>mten Aufgabe. Der Rolle des Entdeckers obliegt es, das<br />
fehlende Wissen durch Nachforschung bestehender Wissensquellen zu generieren<br />
(Internalisierung).<br />
� Erschaffer besitzen bereits einen tiefen Fundus an Wissen, benötigen allerdings für<br />
die Erledigung einer meist innovativen Aufgabe neuartige Fähigkeiten. Durch<br />
Kombination von <strong>im</strong>plizitem/explizitem sowie internem/externem Wissen entsteht<br />
dabei eine individuelle Problemlösungskompetenz (Kombination).<br />
� Manager versuchen die neu aufgebauten Fähigkeiten in der Praxis auch tatsächlich<br />
anzuwenden und diese Praktik in irgendeiner Form zu dokumentieren (Externali-<br />
sierung).<br />
31 Eine ähnliche, wenngleich nicht sequentielle Sichtweise auf die Wissensgenerierung ist auch in anderen<br />
Quellen verbreitet [vgl. Fiol, Lyles 1985, S. 807 f.; Brown, Duguid 1991, S. 47 f.; Nonaka 1994, S. 18 f.].
Konzeptionelle Grundlagen 43<br />
� Schliesslich ist es das Ziel der Erneuerer die neuartigen Praktiken zu teilen und<br />
damit das Wissen nicht nur individuell, sondern in der ganzen Organisation zu ver-<br />
ankern (Sozialisierung).<br />
Basierend auf der Objektorientierung präsentieren GERICKE et al. eine weitere Alter-<br />
native zum (geschäfts-)prozessfokussierten Reifekonzept [vgl. Gericke et al. 2006, S.<br />
24]. Hierzu sind anfänglich die wesentlichen Gestaltungsobjekte eines Gestaltungsbe-<br />
reiches zu identifizieren und die möglichen Entwicklungsstufen resp. Objekteigen-<br />
schaften abzuleiten. Die Kombination mehrerer Gestaltungsobjekte und Objekteigen-<br />
schaften ergibt schlussendlich einen Reifegrad (vgl. Abbildung 15).<br />
Gestaltungsobjekte<br />
A<br />
B<br />
C<br />
D<br />
E<br />
A 1 A 2 A 3<br />
B 1<br />
C 1<br />
D 1<br />
Reifegrad 1<br />
Objekteigenschaften<br />
B 2<br />
C 2<br />
D 2<br />
B 3<br />
C 3<br />
E 1 E 2 E 3<br />
Reifegrad 2<br />
Abbildung 15: Reife als Ausprägung best<strong>im</strong>mter Objekteigenschaften<br />
3.2.2 Typen von Reifegradmodellen<br />
Ungeachtet des Verständnisses von Reife sollten in Anlehnung an FRASER et al. und<br />
DE BRUIN et al. Reifegradmodelle die folgenden Bestandteile aufweisen [vgl. Fraser<br />
et al. 2002, S. 246; de Bruin et al. 2005, S. 4]:<br />
� eine Anzahl Reifegrade (typischerweise zwischen 3-6 Stufen),<br />
� eine treffende Bezeichnung je Reifegrad (bspw. „initial“, „wiederholbar“, „defi-<br />
niert“, „steuerbar“ und „opt<strong>im</strong>iert“),<br />
B 4<br />
C 4<br />
B 5
44 Konzeptionelle Grundlagen<br />
� eine generische Beschreibung des Zustandes bzw. eine Zusammenfassung der Ei-<br />
genschaften, die jeden Reifegrad charakterisieren,<br />
� eine Anzahl D<strong>im</strong>ensionen, welche eine problemorientierte Sicht auf den Gestal-<br />
tungsbereich liefert,<br />
� eine Anzahl Elemente oder Aktivitäten, welche eine D<strong>im</strong>ension detaillierter be-<br />
schreiben und<br />
� eine generische Beschreibung der Aktivitäten bzw. der Elementeigenschaften je<br />
Reifegrad.<br />
Die Ausgestaltung der oben beschriebenen Bestandteile erfolgt in der Praxis auf unter-<br />
schiedliche Weise. Grundsätzlich lassen sich jedoch zwei Arten von Reifegradmodel-<br />
len unterscheiden: 32<br />
� Opt<strong>im</strong>ierungsmodelle (Maturity/Capability Models) versuchen anhand von Best<br />
Practice- oder Common Practice Wissen einen idealisierten Pfad der Verbesserung<br />
für einen best<strong>im</strong>mten Gegenstandsbereich aufzuzeigen. Ein Entwicklungspfad wird<br />
demnach explizit vorgegeben [vgl. z. B. Paulk et al. 1993a, S. 18].<br />
� Bewertungsmodelle (Assessment Models) werden dazu eingesetzt, einen Gegens-<br />
tandsbereich regelmässig auf best<strong>im</strong>mte Qualitätsmerkmale hin zu prüfen und da-<br />
durch Ansatzpunkte für Verbesserungen abzuleiten. Der Entwicklungspfad wird als<br />
dynamischer Prozess verstanden und bleibt von den Modellen i. d. R. unspezifiziert<br />
[vgl. z. B. European Foundation for Quality <strong>Management</strong> 1999].<br />
Eine zusätzliche Unterscheidung lässt sich weiterhin durch die Struktur des Reife-<br />
gradmodells treffen [vgl. Fraser et al. 2002, S. 246]:<br />
� Rasterbasierte Modelle (Maturity Grids) sind einfache textuelle Beschreibungen<br />
der Reife eines Gestaltungsbereiches. Die Reifebewertung wird anhand des vorge-<br />
gebenen Rasters vorgenommen. Detaillierte Fragekomplexe stehen nicht zur Ver-<br />
fügung [vgl. z. B. Santanen et al. 2006; Vaidyanathan, Howell 2007].<br />
� Formal-strukturierte Modelle (CMM-like Models) besitzen eine formale Struktur,<br />
welche durch ein Metamodell beschrieben wird. Zur Beurteilung der Reife müssen<br />
mehrere Fragekomplexe zu den unterschiedlichen D<strong>im</strong>ensionen des Gestaltungsbe-<br />
reiches beantwortet werden. Aufgrund dieser erhöhten Komplexität wird die Da-<br />
32 Vgl. auch Abbildung 13.
Konzeptionelle Grundlagen 45<br />
tenerhebung meist s<strong>of</strong>twaretechnisch unterstützt [vgl. z. B. Kaner, Karni 2004;<br />
Marshall, Mitchell 2004].<br />
� Hybride Reifegradmodelle (Hybrids) gehen über einer rein textuellen Beschreibung<br />
der Reife des Gestaltungsbereiches hinaus, jedoch sind die Fragenkomplexe i. d. R.<br />
relativ kurz gehalten und die Struktur des Reifegradmodells nicht genau spezifiziert<br />
[vgl. z. B. Kulkarni, St. Louis 2003].<br />
3.2.3 Zur Spezifikation von Reifegraden<br />
Die Spezifikation von Reifegraden kann sowohl Top-Down als auch Bottom-Up erfol-<br />
gen [vgl. de Bruin et al. 2005, S. 4]. Bei ersterem werden zuerst die unterschiedlichen<br />
Reifegrade des Gestaltungsbereichs definiert und anschliessend mögliche Elementei-<br />
genschaften ermittelt, welche die spezifizierten Reifegrade bekräftigen. Diese Vorge-<br />
hensweise wird meist bei relativ innovativen bzw. wenig entwickelten Themengebie-<br />
ten angewendet.<br />
In weiter fortgeschrittenen Gestaltungsbereichen wird für gewöhnlich der Bottom-Up<br />
Ansatz gewählt. Hierfür werden zuerst die Elementeigenschaften festgelegt und da-<br />
nach mögliche Reifegrade daraus abgeleitet.<br />
Demzufolge ist ein wesentlicher Einflussfaktor bei der Konstruktion von möglichst<br />
zuverlässigen Reifegradmodellen – unabhängig vom verwendeten Reifekonzept – die<br />
Reife des Gestaltungsbereiches selbst. Dieser Umstand wird jedoch nur selten reflek-<br />
tiert, was aus Sicht der gestaltungsorientierten Forschung jedoch verheerend sein kann,<br />
da dadurch der Nutzen sowie die Evaluierbarkeit des Forschungsvorhabens best<strong>im</strong>mt<br />
werden.<br />
Eine Grundlage zur theoretischen Beurteilung des Entwicklungsstands und der<br />
Verbreitung eines Gestaltungsbereiches liefern die Arbeiten von ROGERS und UT-<br />
TERBACK [vgl. Rogers 1962; Utterback 1971]. Eine zentrale Annahme ist, dass sich<br />
mit zunehmender Reife und wachsender Verbreitung eines Geschäftsmodells (bzw.<br />
dessen Bestandteile wie z. B. Produkte, Prozesse, Branche) ein dominantes Design<br />
herausbildet [vgl. Zollenkop 2006, S. 223]. Dadurch wird die Unsicherheit bei den<br />
Anwendern verringert, was wiederum zur Verbreitung beiträgt (vgl. Abbildung 16).
46 Konzeptionelle Grundlagen<br />
Verbreitung Entwicklungsstand<br />
Entstehend<br />
Pioniere<br />
Gestaltungsbereich Reifegradmodell<br />
Progressiv<br />
Disruptiv<br />
Mehrheit<br />
Ausgereift<br />
Dominantes Design<br />
Nachzügler<br />
Zeit<br />
Zeit<br />
Bedarf nach einem<br />
Reifegradmodell<br />
Zuverlässigkeit eines<br />
Reifegradmodells<br />
Hohe<br />
Unsicherheit<br />
wenig Testfälle<br />
Abbildung 16: Verhältnis von Gestaltungsbereich und Reifegradmodell<br />
Geringe<br />
Unsicherheit<br />
Zeit<br />
viele Testfälle<br />
Aus diesen theoretischen Überlegungen können in Hinblick auf die Konstruktion eines<br />
Reifegradmodells wichtige Folgerungen gezogen werden:<br />
� Bedarf nach einem Reifegradmodell (Relevanz): Je neuer der Gestaltungsbereich<br />
ist (z. B. Einsatz von RFID 33 in der Logistik), desto höher ist die Unsicherheit in<br />
der Praxis bzw. umso grösser ist der Bedarf nach einem Reifegradmodell, das den<br />
Entwicklungspfad des Gestaltungsbereiches beschreibt. Aus Sicht gestaltungsori-<br />
entierter Forschung kann demnach ein hoher Nutzen für die Praxis durch das Rei-<br />
fegradmodell generiert werden.<br />
� Zuverlässigkeit eines Reifegradmodells (Rigorosität): Je neuer der Gestaltungsbe-<br />
reich ist, desto geringer ist die Verbreitung (bspw. wird RFID zurzeit nur von Pio-<br />
nierunternehmen eingesetzt). Für die Konstruktion des Reifegradmodells bedeutet<br />
dies, dass nur wenige Testfälle zur Verfügung stehen, um mögliche Reifegrade zu<br />
identifizieren resp. das Reifegradmodell zu evaluieren. Zudem ist aufgrund des<br />
speziellen Charakters von Pionierunternehmen die Repräsentativität der Ergebnisse<br />
fraglich. Demzufolge ist die Zuverlässigkeit des Reifegradmodells vage.<br />
33 RFID steht für Radio Frequency Identification und ist eine Technologie zur Identifizierung von Gegenstän-<br />
den mittels elektromagnetischer Wellen.<br />
Zeit
Konzeptionelle Grundlagen 47<br />
Umgekehrt sind natürlich die gleichen Überlegungen möglich (bspw. je reifer ein Ges-<br />
taltungsbereich, desto geringer der Bedarf nach einem Reifegradmodell, aber auch des-<br />
to höher die Zuverlässigkeit des potentiellen Entwicklungspfades).<br />
3.2.4 Zur Erhebung und Analyse von Reifegraden<br />
Um den Reifegrad zu ermitteln, auf welchem sich eine Organisation <strong>im</strong> Reifegradmo-<br />
dell befindet, werden Begutachtungsmethoden (Appraisal- oder Auditverfahren) benö-<br />
tigt. 34 Wird die Beurteilung nicht zum Zweck der Identifizierung eigener Verbesse-<br />
rungsmöglichkeiten resp. zur Überprüfung des eigenen Fortschritts verwendet, sondern<br />
für die Untersuchung der Reife von Dritten (z. B. Lieferanten), dann wird die Begut-<br />
achtung auch als Evaluation bezeichnet [vgl. Kneuper 2003, S. 100].<br />
Dabei können je nach Kosten und Dauer sowie Tiefe und Breite drei verschiedene Be-<br />
gutachtungsmethoden unterschieden werden [vgl. SCAMPI Upgrade Team 2006a, S.<br />
5]: 35<br />
� Die Begutachtung bei Klasse C-Methoden wird i. d. R. durch eine Person durchge-<br />
führt und wird punktuell zur Beurteilung eines ganz spezifischen Problembereichs<br />
angewendet. Die Anwendung ist kostengünstig, da wenig Schulungsaufwand not-<br />
wendig ist, liefert aber lediglich begrenzt zuverlässige Aussagen hinsichtlich des<br />
Problembereichs. Aufgrund der Einfachheit des Reifegradmodells können Organi-<br />
sationen die Beurteilung deshalb <strong>of</strong>tmals selbst durchführen (Self-Assessment).<br />
� Die Klasse B-Methoden benötigen für die Begutachtung meist mehrere Personen<br />
und dauern mehrere Tage bis Wochen. Gleich wie die C-Methoden wird die Befra-<br />
gung nur auf sehr best<strong>im</strong>mte Bereiche der Problemstellung angewendet und erfor-<br />
dert dafür nicht die komplette Befragung einer Organisationseinheit. Die Resultate<br />
der Begutachtung erlauben allerdings einen tieferen Einblick in die Problemstel-<br />
lung als bei C-Methoden. Da die Komplexität des Beurteilungsverfahrens deutlich<br />
höher ist als bei C-Methoden, wird die Bewertung i. d. R. durch externe Berater<br />
begleitet (Third-Party Assisted).<br />
� Für die Begutachtung mittels A-Methoden wird ein Team von mindestens vier Be-<br />
gutachtern benötigt, die <strong>im</strong> Rahmen eines Projektes in die Organisation eingebun-<br />
34 Bspw. wird für die CMMI-Begutachtung die Standard CMMI Appraisal Method for Process Improvement<br />
(SCAMPI) angewendet.<br />
35 Auch bekannt als Appraisal Requirements for CMMI (ARC).
48 Konzeptionelle Grundlagen<br />
den werden. Die Kosten und Dauer der Begutachtung sind erheblich. Allerdings ist<br />
die Aussagekraft der Begutachtungsresultate bedeutend höher, da die Personen<br />
über eine längere Periode beurteilt werden. Dementsprechend ist auch die Doku-<br />
mentation und Auswertung der Resultate sehr umfangreich und kann je nach Rei-<br />
fegradmodell für die Zertifizierung best<strong>im</strong>mter Organisationsbereiche verwendet<br />
werden. Hierfür ist allerdings die Einbindung pr<strong>of</strong>essioneller Berater (Certified<br />
Pr<strong>of</strong>essionals) notwendig.<br />
Ein in Anlehnung an BUSH und DUNAWAY idealtypischer Ablauf eines umfassen-<br />
den Begutachtungsverfahrens ist in Abbildung 17 dargestellt [vgl. Bush, Dunaway<br />
2005].<br />
Planung Vorbereitung Datenerhebung<br />
<strong>Management</strong><br />
Commitment schaffen<br />
Sponsor identifizieren<br />
Zielsetzung der Begutachtung<br />
festlegen<br />
Assessment-Team<br />
zusammenstellen<br />
Ansprechpersonen<br />
identifizieren<br />
Zeitplan aufstellen<br />
Bewusstsein innerhalb<br />
der Organisation<br />
schaffen<br />
Assessment-Team<br />
schulen<br />
Terminierung mit<br />
Ansprechpartner<br />
Richtlinien der<br />
Datenbeschaffung<br />
festlegen<br />
Kick<strong>of</strong>f-<br />
Veranstaltung<br />
abhalten<br />
Interviews<br />
durchführen<br />
Ergebnisse<br />
protokollieren<br />
Datenanalyse Reporting<br />
Ergebnisse<br />
zusammenführen<br />
Qualität und<br />
Konsistenz der<br />
Ergebnisse prüfen<br />
Evtl. Datenbeschaffungwiederholen<br />
Abbildung 17: Ablauf eines Begutachtungsverfahrens<br />
Kosolidierung der<br />
Ergebnisse<br />
Einstufung des<br />
Reifegrads ermitteln<br />
Ergebnisse<br />
präsentieren<br />
Lessons learned<br />
formulieren<br />
Neben Techniken des Projektmanagements, die vorwiegend in den Phasen der Planung<br />
und Vorbereitung des Begutachtungsverfahrens zur Anwendung kommen, sind nach<br />
TEUTEBERG und FREUNDLIEB insbesondere Erhebungs- und Analysetechniken<br />
von zentraler Bedeutung [vgl. Teuteberg, Freundlieb 2009, S. 555].<br />
Im Kontext von organisationalen Begutachtungsverfahren (Organizational Assess-<br />
ment) können die folgenden Techniken zur Datenerhebung genutzt werden [vgl.<br />
Lusthaus et al. 2002, S. 141 f.]:<br />
� Interviews (z. B. Experten-Befragung, Fokusgruppe),<br />
� Umfragen (z. B. Postalische Befragung, Online-Befragung),<br />
� Beobachtung (z. B. Vorortbegehung) oder<br />
� Dokumentenanalyse (z. B. Analyse der Prozessdokumentation oder des Organisati-<br />
onshandbuchs).
Konzeptionelle Grundlagen 49<br />
Je nach Erhebungstechnik können demnach unterschiedliche Werkzeuge zum Einsatz<br />
kommen (z. B. Ton-Aufzeichnungsgeräte, computergestützte Fragebögen). In Abbil-<br />
dung 18 ist zur Veranschaulichung eine beispielhafte Instanziierung des SPICE Be-<br />
wertungsmodells dargestellt.<br />
Abbildung 18: Computergestützte Befragung auf der Basis von SPICE<br />
Analysetechniken werden eingesetzt, um die erhobenen Daten zu visualisieren. Wäh-<br />
rend in den Anfängen der Entwicklung von Reifegradmodellen die Betrachtung der<br />
Reife ausschliesslich stufenförmig erfolgte (Staged Representation) [vgl. Paulk et al.<br />
1993b, S. 8], ist mit der Weiterentwicklung vom CMM zum aktuellen CMMI eine dy-<br />
namischere Sichtweise der Reife (Continuous Representation) hinzugekommen [vgl.<br />
CMMI Product Team 2007, S. 32].<br />
Die stufenförmige Darstellung basiert auf der Annahme, dass für die Erreichung eines<br />
Reifegrades best<strong>im</strong>mte Kriterien erfüllt sein müssen. Dabei kann die nächst höhere<br />
Stufe nur dann erlangt werden, wenn alle Kriterien der unteren Stufen ebenfalls erfüllt<br />
worden sind (vgl. Abbildung 19).
50 Konzeptionelle Grundlagen<br />
Erfüllungsgrad der Anforderungen<br />
an einen best<strong>im</strong>mten Reifegrad<br />
Legende<br />
Anforderungen<br />
Reifegrad n-1<br />
sind erfüllt<br />
Anforderungen<br />
Reifegra d n<br />
sind erfüllt<br />
Reifegrad 1 ... Reifegrad n<br />
Ist-Zustand<br />
Soll-Zustand<br />
Z. B. Prozesse müssen<br />
kontinuierlich verbessert<br />
werden<br />
Z. B. Prozesskennzahlen<br />
müssen erhoben werden<br />
Z. B. Prozessabläufe<br />
müssen definiert werden<br />
Vorgegebener Entwicklungspfad zum Soll-Zustand<br />
Abbildung 19: Stufenförmige Darstellung von Reife<br />
Die einzelnen Stufen drücken demnach grössere Innovationsschübe aus und gründen<br />
deshalb auf der eher revolutionären Sichtweise des Wandels. 36 Eindeutiger Vorteil die-<br />
ser Anschauung ist, dass der Entwicklungspfad klar vorgegeben und somit dem An-<br />
wender unmissverständlich verdeutlicht, wo der Handlungsbedarf ist. Allerdings stösst<br />
diese statische Betrachtung der Reifeentwicklung gerade hier an Kritik. Beispielsweise<br />
wurde dem CMM vorgeworfen, dass dessen Entwicklungspfad nur für grössere Unter-<br />
nehmen effizient ist, da es auf Best Practice-Wissen von komplexeren Organisationen<br />
basiert [vgl. Herbsleb et al. 1997, S. 39]. Dementsprechend konnten kleinere Unter-<br />
nehmen die spezifizierten Anforderungen höherer Entwicklungsstufen nur selten errei-<br />
chen. Des Weiteren wird auch kritisiert, dass mit der stufenförmigen Darstellung <strong>im</strong>-<br />
mer auch ein effizienter Endzustand unterstellt, dieser aber nur selten validiert wird<br />
[vgl. de Bruin et al. 2005, S. 2]. Es stellt sich dabei allerdings die Frage, ob dies zum<br />
Zeitpunkt der Modellerstellung möglich ist, da der opt<strong>im</strong>ale Endzustand <strong>of</strong>tmals nicht<br />
direkt oder nur unzureichend untersucht werden kann (z. B. zu geringe Anzahl von<br />
Testfällen).<br />
Eine Darstellungsform, die eher den evolutionären Charakter des Wandels verkörpert,<br />
ist die sog. kontinuierliche Darstellung (vgl. Abbildung 20). Sie basiert auf der An-<br />
nahme, dass die Entwicklung des Gestaltungsbereiches von situativen Faktoren ab-<br />
hängt und daher nicht klar für jede Organisation spezifiziert werden kann [vgl. King,<br />
36 Vgl. Abschnitt 2.4.
Konzeptionelle Grundlagen 51<br />
Kraemer 1984, S. 473]. Deshalb wird dem Anwender des Reifegradmodells die Mög-<br />
lichkeit gegeben, den eigenen Entwicklungspfad zu spezifizieren (bspw. mittels Gap-<br />
Analyse zwischen Ist- und Soll-Beurteilung). Um dennoch gewisse Anhaltspunkte hin-<br />
sichtlich der Richtung einer möglichen Entwicklung zu geben, kann z. B. die Common<br />
Practice als Leitlinie dienen. Wesentlicher Nachteil dieser Sichtweise ist die ver-<br />
gleichsweise höhere Komplexität sowie die zunehmende Subjektivität (z. B. sind kon-<br />
servative Anwender weniger dazu geneigt, Veränderungen in die Soll-Beurteilung auf<br />
zu nehmen, während aufgeschlossenere Anwender dazu tendieren, grössere Innovati-<br />
onsschritte anzustreben).<br />
Erfüllungsgrad der modellspezifizierten<br />
Anforderungen<br />
Legende<br />
100%<br />
75%<br />
50%<br />
25%<br />
D<strong>im</strong>ension 1 ...<br />
D<strong>im</strong>ension n<br />
Ist-Zustand Differenz zum Soll-Zustand Zustand Branche<br />
Abbildung 20: Kontinuierliche Darstellung von Reife<br />
3.2.5 Entwurfsmuster für die Konstruktion von Reifegradmodellen<br />
Gleich wie in Kapitel 3.1.3 werden in diesem Abschnitt ebenfalls mögliche Entwurfs-<br />
muster für die Konstruktion diskutiert (vgl. Abbildung 21). Anders als bei der Refe-<br />
renzmodellierung, wo lediglich die Konzeption des Modells betrachtet wurde, werden<br />
hier ferner noch Parameter in Bezug auf die Umsetzung des Reifegradmodells behan-<br />
delt.<br />
Mit Rücksicht auf die Konzeption des Reifegradmodells lassen sich aus den oben ge-<br />
machten Erläuterungen die folgenden Parameter ableiten:<br />
� Der Verwendungszweck beschreibt, ob das Reifegradmodell vorwiegend als Grund-<br />
lage für die Opt<strong>im</strong>ierung oder für den Vergleich von Organisationen (Benchmar-<br />
king) verwendet werden soll.
52 Konzeptionelle Grundlagen<br />
� Die Struktur bezieht sich auf den logischen Aufbau des Reifegradmodells (raster-<br />
basiertes, formal-strukturiertes oder hybrides Modell). Dadurch wird festgelegt,<br />
wie detailliert und systematisiert die Erhebung und Analyse des Gestaltungsbe-<br />
reichs durchgeführt wird.<br />
� Das Reifekonzept legt den Gegenstand der Betrachtung genauer fest (Fokus auf<br />
Prozesse, Personen oder Objekte). Eine Kombination der Parameter ist ebenfalls<br />
denkbar [vgl. z. B. Gillies, Howard 2003].<br />
� Die Reifegraddefinition best<strong>im</strong>mt das Vorgehen der Ableitung von Reifegraden<br />
(Top-Down oder Bottom-Up) und sollte mit Hinblick auf die Reife des Gestal-<br />
tungsbereiches gewählt werden.<br />
� Der Entwicklungspfad beschreibt inwieweit statische oder dynamische Gestal-<br />
tungsempfehlungen gemacht werden. Je nach Wahl muss auch eine entsprechende<br />
Analysetechnik (stufenförmige oder kontinuierliche Repräsentation) angewendet<br />
werden.<br />
In Bezug auf die Anwendung des Reifegradmodells werden die folgenden Parameter<br />
differenziert:<br />
� Die Erhebungsmethode spezifiziert, wer die Daten zur Beurteilung der Reife ermit-<br />
telt (Selbstbeurteilung oder Fremdbeurteilung). Je nach Reife des Gestaltungsbe-<br />
reiches und Komplexität des Modells ist dafür pr<strong>of</strong>essionelle Unterstützung not-<br />
wendig (z. B. Assessment durch zertifizierte Berater).<br />
� Ein Bestandteil der Erhebungsmethode stellt die Erhebungstechnik dar. Sie legt<br />
fest, wie die Daten konkret erhoben werden (Interviews, Umfrage, Beobachtung<br />
oder Dokumentenanalyse) und beeinflusst somit wesentlich die Form und Struktur<br />
der Daten.<br />
� Die Realisierung best<strong>im</strong>mt <strong>im</strong> Wesentlichen die Dauer der Datenerhebung und den<br />
Grad der Einbindung in die Organisation (punktuelle Erhebung oder in einem Pro-<br />
jekt).<br />
� Die Häufigkeit beschreibt, ob mehrere Erhebungen notwendig sind, oder die Unter-<br />
suchung einer ganz best<strong>im</strong>mten Person (Key Informant) ausreicht.<br />
� Schliesslich sollte auch spezifiziert werden, welche Hilfsmittel zur Erhebung der<br />
Daten zur Verfügung gestellt werden (z. B. Handbücher, Checklisten, S<strong>of</strong>tware-<br />
tools).
Konzeptionelle Grundlagen 53<br />
Konzeption<br />
des<br />
Reifegradmodells<br />
Anwendung<br />
des<br />
Reifegradmodells<br />
Merkmal Ausprägung<br />
Verwendungszweck<br />
Struktur<br />
Reifekonzept<br />
Reifegraddefinition<br />
Entwicklungspfad<br />
Erhebungsmethode<br />
Erhebungstechnik<br />
Realisierung<br />
Häufigkeit<br />
Hilfsmittel<br />
Opt<strong>im</strong>ierung Bewertung<br />
Rasterbasiert Hybrid<br />
Formalstrukturiert<br />
Prozessreife Personenreife Objektreife<br />
Bottom-Up Top-Down<br />
Statisch (stufenförmig) Dynamisch (kontinuierlich)<br />
Selbstbeurteilung<br />
Unterstützt durch<br />
Dritte<br />
Beurteilung durch<br />
Dritte<br />
Interview Umfrage Beobachtung Dokumentenanalyse<br />
Punktuell Projektbasiert<br />
Einmalig Mehrmalig<br />
Keine Dokumentbasiert Computergestützt<br />
Abbildung 21: Entwurfsmuster für die Konstruktion von Reifegradmodellen<br />
3.3 Ontologien<br />
Die Ontologie ist eine Disziplin aus der theoretischen Philosophie, die sich pr<strong>im</strong>är mit<br />
dem Wesen des menschlichen Daseins sowie mit den Konstrukten zur Beschreibung<br />
fundamentaler Phänomene (z. B. Strukturen, Beziehungen, Eigenschaften) beschäftigt.<br />
Im Gegensatz dazu steht das Begriffsverständnis aus dem Bereich der künstlichen In-<br />
telligenz-Forschung (Artificial Intelligence): „In the philosophical sense, we may refer<br />
to an ontology as a particular system <strong>of</strong> categories accounting for a certain vision <strong>of</strong><br />
the world. As such, this system does not depend on a particular language [...]. On the<br />
other hand, in its most prevalent use in artificial intelligence, an ontology refers to an<br />
engineering artifact, constituted by a specific vocabulary used to describe a certain<br />
reality, plus a set <strong>of</strong> explicit assumptions regarding the intended meaning <strong>of</strong> the voca-<br />
bulary words“ [Guarino 1998, S. 4].<br />
3.3.1 Ontologiebegriff<br />
In der WI wurde der Ontologiebegriff insbesondere durch die Definition von GRU-<br />
BER geprägt, der eine Ontologie als „a formal, explicit specification <strong>of</strong> a shared con-<br />
ceptualisation“ charakterisierte [Gruber 1993, S. 199]. Folgt man diesem Begriffsver-<br />
ständnis, so ist es das Ziel einer Ontologie, die für eine problembezogene Verständi-<br />
gung innerhalb einer best<strong>im</strong>mten Anwendungsdomäne konstituierenden Begriffe, de-
54 Konzeptionelle Grundlagen<br />
ren Bedeutung sowie die Menge der möglichen Beziehungen zwischen den Begriffen<br />
zu identifizieren und zu erklären [vgl. Mädche et al. 2001, S. 393].<br />
Ontologien werden bspw. eingesetzt, um die Mensch-Maschinen-Interaktion (z. B.<br />
Informationssuche, Authoring) effizienter zu gestalten oder die Repräsentation und das<br />
Teilen von Wissen (z. B. für die Schulung von Mitarbeitenden oder Strukturierung von<br />
Forschungsvorhaben) zu erleichtern [vgl. Wand, Weber 1990, S. 1282; Fensel 2000, S.<br />
8; Gruninger, Lee 2002, S. 40].<br />
Untersuchungen <strong>im</strong> Hinblick auf die Systematisierung der Gestaltungsbereiche von<br />
Ontologien stossen auf das Problem, dass unterschiedliche Klassifikationen zur Cha-<br />
rakterisierung von Ontologien angewendet werden.<br />
Eine gängige Unterscheidung erfolgt nach dem Grad der Abstraktion. In Anlehnung an<br />
GUARINO, WAND und WEBER können drei Abstraktionsebenen der Konzeptuali-<br />
sierung unterschieden werden [vgl. Guarino 1998, S. 9 f.; Wand, Weber 2004, S. iii]:<br />
� Ontologien höchster Abstraktion (Upper, Generic, Common Sense, Top-level Onto-<br />
logies) umfassen die fundamentalen Konstrukte für die generische Beschreibung<br />
der Realwelt. S<strong>of</strong>ern die Konstrukte ausreichend standardisiert und eindeutig be-<br />
schrieben sind, können sie eine hohe Wiederverwendbarkeit erlangen. Beispiele<br />
von Top-level-Ontologien sind die Basic Formal Ontology [vgl. Institute for<br />
Formal Ontology and Medical Information Science 2009] oder die Suggested Up-<br />
per Merged Ontology [vgl. IEEE Standard Upper Ontology Working Group 2009].<br />
� Ontologien mittlerer Abstraktion (Domain, Task, Middle-level Ontologies) beinhal-<br />
ten das zur Beschreibung einer Domäne (z. B. Medizin, Biologie, Wirtschaftsin-<br />
formatik) oder einer generischen Aufgabe (z. B. Projektmanagement, S<strong>of</strong>tware-<br />
entwicklung) notwendige Vokabular [vgl. z. B. National Center for Biomedical<br />
Ontology 2009]. Sie können somit als Spezialisierung einer Top-level-Ontologie<br />
betrachtet werden. Dadurch soll zum einen der Sprachgebrauch einer Domäne ver-<br />
einheitlicht, zum anderen die Akquisition von Domänenwissen erleichtert werden.<br />
� Ontologien geringster Abstraktion (Application, Low-level Ontologies) enthalten<br />
alle Konstrukte, die für die Beschreibung eines konkreten Anwendungsfalls nötig<br />
sind (z. B. alle Konstrukte zur Darstellung der Unternehmensarchitektur der Firma<br />
X). Demzufolge können sie als Spezialisierungen von Middle-level-Ontologien be-<br />
trachtet werden.<br />
Eine andere, stärker durch das Subjekt der Konzeptualisierung (und weniger durch<br />
deren Abstraktionsgrad) best<strong>im</strong>mte Klassifikation liefern HEIJST et al. und FENSEL
Konzeptionelle Grundlagen 55<br />
[vgl. Heijst et al. 1997, S. 192; Fensel 2000, S. 8 f.]. Sie unterscheiden u. a. die nach-<br />
folgenden Ontologien:<br />
� Terminologische Ontologien (Terminological, Metadata Ontologies) definieren die<br />
erforderlichen Konstrukte zur Darstellung einer best<strong>im</strong>mten Domäne oder eines<br />
best<strong>im</strong>mten Anwendungsfalls [vgl. z. B. Lindberg et al. 1993]. Können sie domä-<br />
nen-übergreifend angewendet werden, so werden sie als Metadaten-Ontologien be-<br />
zeichnet [vgl. z. B. The Dublin Core Metadata Initiative 2009].<br />
� Strukturierende Ontologien (Representational, Information Ontologies) definieren<br />
die für die Erstellung von Informationsmodellen anwendbaren Repräsentations-<br />
formalismen. Sie best<strong>im</strong>men deshalb massgebend die Ausdrucksmöglichkeit und<br />
Mächtigkeit der zur Beschreibung einer Domäne verwendeten Sprache. Ein Bei-<br />
spiel dafür ist die Frame-Ontology [vgl. Gerbaux, Gruber 1994].<br />
� Wissensbildende Ontologien (Knowledge Modelling Ontologies) spezifizieren das<br />
fundamentale Wissen einer Domäne. Im Vergleich zu terminologischen Ontologien<br />
verfügen sie über eine detailliertere Struktur der Wissensbasis (z. B. Ontologien für<br />
Expertensysteme) [vgl. z. B. Heathfield et al. 1994].<br />
Des Weiteren lassen sich Ontologien auch nach ihrer Komplexität resp. ihrem Forma-<br />
lisierungsgrad differenzieren [vgl. Smith, Welty 2001, S. 6; Uschold, Gruninger 2004,<br />
S. 59 f.].<br />
Hohe<br />
Formalisierung<br />
Geringe<br />
Formalisierung<br />
Thesaurus<br />
Katalog<br />
Textuelle<br />
Beschreibung<br />
Data Dictionary<br />
Glossar<br />
Prädikatenlogikbasierte<br />
Beschreibung<br />
Frame-basierte<br />
Beschreibung<br />
Taxonomie<br />
Light-weight Ontologie Heavy-weight Onotologie<br />
Abbildung 22: Grad der Formalisierung von Ontologien 37<br />
37 Übernommen und adaptiert aus [Smith, Welty 2001; Uschold, Gruninger 2004].
56 Konzeptionelle Grundlagen<br />
Basierend auf Abbildung 22 können zwei grundlegende Typen von Ontologien unter-<br />
schieden werden:<br />
� Gering formalisierte Ontologien (Light-weight Ontologies) beschreiben die rele-<br />
vanten Begriffe einer Domäne sowie die Beziehungen zwischen Begriffen und Ei-<br />
genschaften. Automatisierte Schlussfolgerungen sind bei dieser Art von Ontologien<br />
nicht möglich. Deshalb werden sie ausschliesslich für die Repräsentation von<br />
Sachverhalten angewendet.<br />
� Hoch formalisierte Ontologien (Heavy-weight Ontologies) erweitern Light-weight<br />
Ontologien ins<strong>of</strong>ern, dass sie Axiome und Einschränkungen hinzufügen, wodurch<br />
die beabsichtigte Bedeutung einzelner Aussagen innerhalb der Ontologie klarer<br />
wird und logische Schlussfolgerungen automatisierbar werden.<br />
3.3.2 Zur Spezifikation von Ontologien<br />
Eine Ontologie ist demnach das Ergebnis einer ingenieurmässigen Handlung und gibt<br />
somit lediglich eine best<strong>im</strong>mte, idealerweise breit akzeptierte Sichtweise hinsichtlich<br />
eines Realweltabschnitts wieder [vgl. Hesse 2002, S. 478]. Wie jedes Artefakt lassen<br />
sich auch Ontologien in Einzelteile zerlegen. Nach LOZANO-TELLO und GOMEZ-<br />
PEREZ werden Ontologien durch die folgenden Elemente best<strong>im</strong>mt [vgl. Lozano-<br />
Tello, Gómez-Pérez 2004, S. 9 f.]:<br />
� Klassen stellen begriffliche Konzepte der Realwelt dar (z. B. Auto, Kleinwagen,<br />
Sportwagen, Autohalter). Diese können in einer Struktur mit Über- und Unterklas-<br />
sen vorliegen (z. B. die Klasse Sportwagen ist eine Unterklasse von Auto).<br />
� Instanzen repräsentieren konkrete Objekte einer Klasse (z. B. Mini Cooper ist<br />
eine Instanz der Unterklasse Kleinwagen und Überklasse Auto).<br />
� Attribute stellen allgemeine Merkmale einer Klasse dar. Beispielsweise könnte die<br />
Klasse Auto Attribute wie Hersteller, Modell, Baujahr, Benzinverbrauch aufwei-<br />
sen.<br />
� Relationen werden verwendet, um die Beziehungen zwischen Klassen oder Instan-<br />
zen zu beschreiben (z. B. ein Auto gehört <strong>im</strong>mer einem Autohalter). Ungleich wie<br />
bei anderen objektorientierten Modellierungssprachen, wie z. B. der Unified Mode-<br />
ling Language (UML), werden Relationen durch Attribute spezifiziert.<br />
� Axiome sind Aussagen innerhalb einer Ontologie, die <strong>im</strong>mer wahr sind. Diese wer-<br />
den normalerweise dazu verwendet, um Wissen abzuleiten, das nicht explizit durch
Konzeptionelle Grundlagen 57<br />
die Klassenstruktur ersichtlich ist (z. B. Kleinwagen haben einen geringeren Ben-<br />
zinverbrauch als Sportwagen).<br />
Für die Entwicklung formaler Ontologien spielen Beschreibungssprachen, Entwurfs-<br />
methoden und Werkzeuge wie z. B. Ontologie-Editoren, Reasoner etc. eine zentrale<br />
Rolle [vgl. Hesse 2002, S. 478]:<br />
� Ontologiesprachen werden für die Beschreibung und Repräsentation des Wissens<br />
einer Domäne angewendet. Dabei lassen sich zwei Typen von Ontologiesprachen<br />
unterscheiden: Klassische Ontologiesprachen wie z. B. Ontolingua [vgl. Gruber<br />
1993], Framelogic [vgl. Kifer et al. 1995] oder LOOM [vgl. MacGregor 1991] und<br />
webbasierte Ontologiesprachen wie z. B. das Resource Description Framework<br />
(RDF) [vgl. RDF Core Working Group 2004], Ontology Interchange Language<br />
(OIL) [vgl. Fensel et al. 2001] oder Web Ontology Language (OWL) [vgl. OWL<br />
Working Group 2009]. Klassische Ontologiesprachen basieren i. d. R. auf der Prä-<br />
dikatenlogik erster Ordnung und versuchen durch die formale Deklaration von<br />
Klassen, Instanzen und Relationen eine einheitliche Semantik der betrachteten<br />
Konstrukte zu formulieren. Grundlage webbasierter Ontologiesprachen ist meist<br />
die Extensible Markup Language (XML). Sie werden i. d. R. zur Beschreibung der<br />
Beziehungen von Webressourcen verwendet, jedoch ohne Annahmen auf deren<br />
Datenstruktur zu machen. Im Gegensatz zu den klassischen Ontologiesprachen lie-<br />
fern webbasierte Ontologiesprachen <strong>of</strong>tmals nur eingeschränkte Möglichkeiten zur<br />
Formulierung von Axiomen.<br />
� Methoden werden in erster Linie für den Entwurf, aber auch für die Vereinigung,<br />
Evaluation und das Reengineering von Ontologien verwendet [vgl. Corcho et al.<br />
2003, S. 45]. In Bezug auf Entwurfsmethoden lassen sich anwendungsabhängige z.<br />
B. KACTUS [vgl. Schreiber et al. 1995], teilweise anwendungsabhängige z. B.<br />
SENSUS [vgl. Swartout et al. 1997] und komplett anwendungsunabhängige Ansät-<br />
ze z. B. CYC [vgl. Lenat et al. 1990] oder METHONTOLOGY [vgl. Fernandez et<br />
al. 1997] unterscheiden.<br />
� Werkzeuge erleichtern die Erstellung und Evaluation von Ontologien. Während die<br />
erste Generation von Werkzeugen wie z. B. Ontolingua Server [vgl. Farquhar et al.<br />
1996] oder Webonto [vgl. Domingue 1998] nur sehr ausgewählte Aktivitäten des<br />
Ontologieentwurfs unterstützten (z. B. Editierung, Evaluation, Veröffentlichung),<br />
so decken die Werkzeuge der neusten Generation praktisch den ganzen Lebenszyk-<br />
lus von Ontologien ab, d. h. von der Konzeption, Formalisierung, Evaluation, Ver-
58 Konzeptionelle Grundlagen<br />
einigung bis zur Veröffentlichung [vgl. Denny 2002]. Ein Beispiel eines aktuellen<br />
Ontologiewerkzeuges ist in Abbildung 23 illustriert.<br />
Abbildung 23: Darstellung einer Ontologie in Protégé 38<br />
3.3.3 Entwurfsmuster für die Konstruktion von Ontologien<br />
Wie oben erläutert bilden Ontologien die konzeptionelle Grundlage für die Beschrei-<br />
bung eines Gestaltungsbereiches, indem sie die wesentlichen Konstrukte feststellen<br />
und ihre Beziehungen darstellen. Hierfür wurden die folgenden Parameter identifiziert<br />
(vgl. Abbildung 24):<br />
� Der Verwendungszweck beschreibt die pr<strong>im</strong>äre Absicht der Ontologie, d. h. ob die<br />
Ontologie lediglich für die Repräsentation einer Domäne oder sogar für die Auto-<br />
mation best<strong>im</strong>mter Gestaltungsbereiche eingesetzt wird.<br />
� Die Abstraktion best<strong>im</strong>mt den Grad der Verallgemeinerung bei der Begriffsbil-<br />
dung. Bspw. müssen für die Beschreibung einer generischen Problemstellung sehr<br />
38 Vgl. die Protégé Website (http://protege.stanford.edu/).
Konzeptionelle Grundlagen 59<br />
allgemeine, für die Erklärung einer Domäne oder Anwendung sehr spezifische<br />
Begriffe verwendet werden.<br />
� Das Subjekt spezifiziert den Kern und Detaillierungsgrad einer Ontologie. Z. B.<br />
fokussieren terminologische Ontologien auf eher allgemeine Inhalte, wissensbil-<br />
dende Ontologien auf eher detaillierte Inhalte und strukturierende Ontologien auf<br />
die Gliederung der Inhalte.<br />
� Zur konkreten Umsetzung der Ontologie muss die Wahl einer Ontologiesprache<br />
getr<strong>of</strong>fen werden. Diese kann für die generelle Nutzung oder speziell für die An-<br />
wendung <strong>im</strong> World Wide Web ausgerichtet sein.<br />
� Gekoppelt mit der Ontologiesprache ist <strong>of</strong>t auch die Entwurfsmethode. Dabei kön-<br />
nen anwendungsabhängige und anwendungsunabhängige Methoden gewählt wer-<br />
den.<br />
� Die Umsetzung ist meist auch geprägt durch die Wahl eines Entwurfswerkzeuges.<br />
Je nach Verwendungszweck und Komplexität der Ontologie kann der Entwurf pa-<br />
pierbasiert oder computergestützt erfolgen.<br />
Konzeption<br />
der<br />
Ontologie<br />
Umsetzung<br />
der<br />
Ontologie<br />
Merkmal<br />
Verwendungszweck<br />
Abstraktion<br />
Subjekt<br />
Sprache<br />
Entwurfsmethode<br />
Entwurfswerkzeug<br />
Ausprägung<br />
Repräsentation Automation<br />
Allgemein Domäne Anwendung<br />
Terminologie Struktur Wissen<br />
Axiomatisch Webbasiert<br />
Anwendungsunabhängig Anwendungsabhängig<br />
Papierbasiert Computergestützt<br />
Abbildung 24: Entwurfsmuster für die Konstruktion von Ontologien<br />
3.4 Zusammenfassung der Ergebnisse<br />
Zur Strukturierung der konzeptionellen Grundlagen dieser Arbeit werden in den vo-<br />
rangehenden Abschnitten drei Entwurfsmuster identifiziert:<br />
� Design Pattern 1: Referenzmodellierung (bzw. Referenzmodelle) stellt das überge-<br />
ordnete Konzept der vorliegenden Arbeit dar. Hierfür sind Parameter identifiziert<br />
worden, welche die Gültigkeit, Verwendung und „Referenz“ des Modells konkreti-<br />
sieren.
60 Konzeptionelle Grundlagen<br />
� Design Pattern 2: Reifegradmodelle stellen eine spezielle Klasse von Referenzmo-<br />
dellen dar und bilden für die vorliegende Arbeit den Hauptbestandteil der Problem-<br />
lösung. Das definierte Entwurfsmuster dokumentiert deshalb die spezifischen Pa-<br />
rameter zur Konzeption und Umsetzung eines Reifegradmodells.<br />
� Design Pattern 3: Das Ontologiekonzept wird dazu verwendet, um die Konstrukte<br />
des Reifegradmodells zu beschreiben. Es stellt somit das Fundament der Problem-<br />
lösung dar. Auch hier sind spezifische Parameter zur Konzeption und Umsetzung<br />
einer Ontologie identifiziert worden.<br />
In Abbildung 25 sind die unterschiedlichen Entwurfsmuster zusammenfassend darge-<br />
stellt.<br />
Generelle<br />
Merkmale<br />
Konstruktspezifische<br />
Merkmale<br />
Modellspezifische<br />
Merkmale<br />
Merkmal<br />
Verwendungszweck<br />
Neuigkeitswert<br />
Breite<br />
Tiefe<br />
Zielgruppe<br />
Verwendungszweck<br />
Abstraktion<br />
Subjekt<br />
Sprache<br />
Entwurfsmethode<br />
Entwurfswerkzeug<br />
Reifekonzept<br />
Empfehlung<br />
Konfiguration<br />
Ausprägung<br />
Gestalten Entscheiden Lernen/Wissen<br />
Innovation Variante Version<br />
Branchenunabhängig Branchenabhängig<br />
Arbeitsgruppe Organisation Wertkette Gesellschaft<br />
<strong>Management</strong>-orientiert Technologie-orientiert<br />
Entwicklungspfad Statisch (stufenförmig) Dynamisch (kontinuierlich)<br />
Erhebungsmethode<br />
Common-Practice Best-Practice<br />
Keine Generierend Nicht-generierend<br />
Selbstbeurteilung<br />
Unterstützt durch<br />
Dritte<br />
Beurteilung durch<br />
Dritte<br />
Erhebungstechnik Interview Umfrage Beobachtung Dokumentenanalyse<br />
Realisierung Punktuell Projektbasiert<br />
Häufigkeit Einmalig Mehrmalig<br />
Hilfsmittel<br />
Repräsentation Automation<br />
Allgemein Domäne Anwendung<br />
Terminologie Struktur Wissen<br />
Axiomatisch Webbasiert<br />
Anwendungsunabhängig Anwendungsabhängig<br />
Papierbasiert Computergestützt<br />
Verwendungszweck Opt<strong>im</strong>ierung Bewertung<br />
Struktur Rasterbasiert Hybrid Formal-strukturiert<br />
Prozessreife Personenreife Objektreife<br />
Reifegraddefinition Bottom-Up Top-Down<br />
Keine Dokumentbasiert Computergestützt<br />
Abbildung 25: Morphologische Analyse der möglichen Gestaltungsoptionen
Analyse des Gestaltungsbereiches 61<br />
4 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
Nebst einer klaren Vorstellung über die begrifflichen und konzeptionellen Grundlagen<br />
ist auch eine genaue Spezifikation der mit der Artefaktkonstruktion beabsichtigten<br />
Wirkungen notwendig [vgl. Hevner et al. 2004, S. 85]. Dementsprechend ist es das<br />
Ziel dieses Kapitels die massgeblichen Anforderungen des zu entwickelnden Reife-<br />
gradmodells zu identifizieren und in Form eines Anforderungskataloges zu operationa-<br />
lisieren.<br />
In der vorliegenden Arbeit bilden Organisationen des Typs „<strong>Krankenhaus</strong>“ den kon-<br />
textuellen Rahmen der Artefaktkonstruktion. Diese unterscheiden sich in vielerlei Hin-<br />
sicht von Industrie- oder Handelsunternehmen. Deshalb werden in Abschnitt 4.1 zu-<br />
nächst die Besonderheiten der Beschaffung in Krankenhäusern erläutert 39 und an-<br />
schliessend in Abschnitt 4.2 empirische Untersuchungen sowie eigene Fallstudien vor-<br />
gestellt, die den aktuellen Entwicklungsstand des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs darlegen.<br />
Schliesslich werden auf Basis dieser Erkenntnisse in Abschnitt 4.3 die Anforderungen<br />
an das zu entwickelnde Artefakt abgeleitet.<br />
4.1 Beschaffung in Krankenhäusern<br />
Der <strong>Krankenhaus</strong>einkauf unterliegt zahlreichen endogenen und exogenen Rahmenbe-<br />
dingungen, welche seine Aufbau- und Ablauforganisation massgeblich beeinflussen.<br />
Um die Eigenheiten der Beschaffung in Krankenhäusern besser verstehen zu können,<br />
werden in einem ersten Schritt der Auftrag und die Typisierung von Krankenhäusern<br />
erklärt und in einem zweiten Schritt der Einkauf in den Kontext des <strong>Krankenhaus</strong>es<br />
eingeordnet.<br />
4.1.1 Auftrag und Typisierung von Krankenhäusern<br />
Gesundheit stellt in unserer Gesellschaft das höchste individuelle und soziale Gut dar.<br />
Demzufolge besteht ein grosses öffentliches Interesse daran, dass die medizinische<br />
Grundversorgung sichergestellt ist [vgl. Oettle 1976, S. 101]. Um eine flächendecken-<br />
de und bedürfnisspezifische medizinische Behandlung gewährleisten zu können, wer-<br />
den allgemein drei Versorgungsstufen unterschieden:<br />
39 Für eine umfassendere Darstellung der Eigenheiten des <strong>Krankenhaus</strong>umfelds vgl. z. B. [Flessa 2007; Haub-<br />
rock, Schär 2007; Schmidt-Rettig, Eichhorn 2008; Salfeld 2009].
62 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
� Die pr<strong>im</strong>äre Versorgung (pr<strong>im</strong>ary care) oder Hausarztmedizin stellt die ambulante<br />
Grundversorgung akuter oder chronischer Erkrankungen sicher.<br />
� Die sekundäre Versorgung (secondary care) oder Schwerpunktversorgung über-<br />
n<strong>im</strong>mt die weiterführende fachspezifische Behandlung von schwerwiegenden Er-<br />
krankungen oder Notfällen. Dies kann ambulant (z. B. Fachärzte) oder stationär<br />
(z. B. Akutspitäler) erfolgen.<br />
� Die tertiäre Versorgung (tertiary care) oder Max<strong>im</strong>alversorgung richtet sich auf die<br />
Leistungserbringung in besonders spezialisierten oder aufwendigen Bereichen aus<br />
(z. B. Rehabilitationskliniken, Spezialklinik für Geriatrie).<br />
Gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) werden „Krankenhäuser“ definiert als<br />
„[...] Institution[en], die Patienten zur stationären Untersuchung, Behandlung und<br />
Pflege aufnehmen“ [Bundesamt für Statistik 1997, S. 11]. Demzufolge können sie so-<br />
wohl der sekundären als auch der tertiären Versorgung zugeordnet werden. Wesentli-<br />
ches Unterscheidungsmerkmal zur pr<strong>im</strong>ären Versorgung ist die Voraussetzung, dass<br />
dem Patienten eine dauernde und durchgehende Behandlung und Pflege (d. h. 24-<br />
Stundenbetrieb über das ganze Jahr) geboten wird. Diesem Kriterium folgend, wurden<br />
<strong>im</strong> Jahr 2007 in der Schweiz insgesamt 321 Krankenhäuser (130 Allgemeine Kran-<br />
kenhäuser und 191 Spezialkliniken) vom BFS gezählt, was ungefähr 4,3 Krankenhäu-<br />
sern oder 540 Betten pro 100'000 Einwohnern entspricht [vgl. Bundesamt für Statistik<br />
2009, S. 9]. Allerdings ist die Zahl der Krankenhäuser aufgrund der ersten Anzeichen<br />
einer steigenden Ökonomisierung der Branche rückläufig (vgl. Abbildung 26).<br />
500<br />
450<br />
400<br />
350<br />
300<br />
Legende<br />
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />
Anzahl Krankenhäuser Anzahl Betten in 100<br />
Abbildung 26: Rückgang der Anzahl Krankenhäuser und Betten zwischen 1999-2007 40<br />
40 Auf Basis der Daten des BFS ermittelt [vgl. Bundesamt für Statistik 2009].
Analyse des Gestaltungsbereiches 63<br />
Krankenhäuser lassen sich aufgrund mehrerer Merkmale voneinander unterscheiden.<br />
Mit Blick auf die Handlungsfreiheit eines <strong>Krankenhaus</strong>es spielt die Trägerschaft eine<br />
bedeutende Rolle. Nach SCHMID handelt es sich dabei um „eine Person oder Organi-<br />
sation [...], die i. d. R. ein Gebäude besitzt oder über dieses verfügt zum hauptsächli-<br />
chen Zweck der nicht nur vorübergehenden Vorhaltung und Erbringung stationärer<br />
Versorgungsleistungen“ [Schmid 2002, S. 3]. Je nach Art des Trägers lassen sich öf-<br />
fentliche, gemeinnützige und private Krankenhäuser unterscheiden [vgl. Greiling<br />
2000, S. 88 f.].<br />
In 2007 wurden nach Angaben vom BFS 130 Krankenhäuser durch eine private Trä-<br />
gerschaft und 191 durch die öffentliche Hand (z. B. Kantone, Gemeinden, öffentlich-<br />
rechtliche Stiftungen) finanziert oder subventioniert [vgl. Bundesamt für Statistik<br />
2009, S. 11]. Aus der öffentlichen Trägerschaft entstehen für die Krankenhäuser so-<br />
wohl Vor- als auch Nachteile. Während privatwirtschaftliche Krankenhäuser dem<br />
Wettbewerb direkt ausgesetzt sind, ist die Existenz öffentlicher Krankenhäuser stets<br />
gesichert. Allerdings müssen sie als Abgeltung einen festgelegten Leistungsauftrag<br />
umsetzen und sind deshalb in ihrer Handlungsfreiheit hinsichtlich Standortwahl (z. B.<br />
Bindung an Kantonsgrenze), Leistungsspektrum (z. B. vorgeschriebene medizinische<br />
Ausrichtung), Ressourceneinsatz (z. B. vorgehaltene Kapazitäten) und Kundenseg-<br />
mentierung (z. B. Pflicht zur Aufnahme von Patienten) eingeschränkt. Beispiele von<br />
Bedingungen, die öffentliche Krankenhäuser <strong>im</strong> Rahmen eines Leistungsauftrags zu<br />
erbringen haben, sind:<br />
� Aufrechterhaltung eines Notfalldienstes,<br />
� Durchführung von Lehre und Forschung,<br />
� Unterhalt best<strong>im</strong>mter Infrastrukturen (z. B. festgelegte Anzahl Betten),<br />
� Leistungserbringung für andere öffentlich-rechtliche Institutionen (bspw. Medika-<br />
mentenlogistik für Alters- und Pflegehe<strong>im</strong>e),<br />
� Orientierung der Bevölkerung (bspw. Informationsveranstaltungen zu best<strong>im</strong>mten<br />
medizinischen Themen).<br />
Nebst der Trägerschaft spielt auch die Typologie eines <strong>Krankenhaus</strong>es eine wichtige<br />
Rolle in Hinblick auf die Spezialisierung der Organisation. Je nach Anzahl Leistungs-<br />
stellen, d. h. Anzahl Pflegetage für ein best<strong>im</strong>mtes medizinisches Fachgebiet, können<br />
Krankenhäuser in „Allgemeine Krankenhäuser“ und „Spezialkliniken“ unterteilt wer-<br />
den [vgl. Bundesamt für Statistik 2006, S. 4]. Betriebe mit 1-2 Leistungsstellen werden<br />
zu den Spezialkliniken gezählt. Es sind dies:
64 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
� Rehabilitationskliniken,<br />
� Psychiatrische Kliniken,<br />
� Andere Spezialkliniken (z. B. Chirurgie, Gynäkologie, Pädiatrie, Geriatrie).<br />
Betriebe mit mehr als zwei Leistungsstellen, also einem breiteren Portfolio an medizi-<br />
nischen Leistungen, gehören in die Kategorie „Allgemeine Krankenhäuser“. Diese<br />
werden je nach Anzahl Patienten weiter unterteilt in:<br />
� Krankenhäuser der Zentrumsversorgung (� 9’000 stationäre Fälle pro Jahr),<br />
� Krankenhäuser der Grundversorgung (< 9'000 stationäre Fälle pro Jahr).<br />
Schliesslich gilt die Betriebsgrösse, gemessen an der Anzahl zur Verfügung stehender<br />
Betten, als weiteres Differenzierungsmerkmal. Hier sind beachtliche Unterschiede<br />
festzustellen: von 2'167 Betten des <strong>Universität</strong>sspitals Genf bis 2 Betten des Ospedale<br />
casa di cura in Promontogno [vgl. H+ 2009]. In Hinblick auf die Marktanteile machen<br />
die vierzehn grössten Allgemeinen Krankenhäuser rund 30% der Pflegetage aus.<br />
4.1.2 Aufgaben, Zielsetzungen und Rollen des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
Aufgabe des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs ist die Ermittlung der Bedürfnisse der Fachberei-<br />
che, das Einholen und Vergleichen von Angeboten, die Beurteilung und Auswahl von<br />
Lieferanten, das Führen von Preisverhandlungen, das Abwickeln von Bestellungen, die<br />
Terminüberwachung sowie die Handhabung von Reklamationen (vgl. Abbildung 27).<br />
Wahrnehmung eines Problems resp. Ermittlung der Bedürfnisse<br />
Beschreibung der Eigenschaften und Festlegung der Mengen der zu<br />
beschaffenden Materialien<br />
Suche nach potenziellen Bezugsquellen<br />
Einholen von Angeboten<br />
Bewertung der Angebote und Auswahl der Lieferanten<br />
Festlegung und Abwicklung des Bestellverfahrens<br />
Leistungskontrolle, Feedback und Neubewertung<br />
Abbildung 27: Schematische Darstellung des Aufgabenspektrums des Einkaufs 41<br />
41 In Anlehnung an [Robinson et al. 1967; Oppel 2003, S. 45; Kriegel, 2002, S. 21].
Analyse des Gestaltungsbereiches 65<br />
Vorrangige Zielsetzung ist dabei die Gewährleistung des Güterflusses für die medizi-<br />
nische Leistungserbringung. Nebst der Sicherstellung medizinischer Zielsetzungen<br />
muss der Einkauf allerdings auch zur Erreichung der ökonomischen Ziele der Organi-<br />
sation bzw. der einzelnen Fachbereiche beitragen (vgl. Abbildung 28).<br />
Produktqualität<br />
Medizinische<br />
Ziele<br />
Prozesskosten<br />
Vision<br />
Organisationsziele<br />
Ökonom.<br />
Ziele<br />
Produktkosten<br />
Abbildung 28: Beeinflussung des Zielsystems des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
Demzufolge stehen die Entscheide, die der Einkauf fällen muss, stets in einem Span-<br />
nungsverhältnis von Kostenreduktion, Leistungsverbesserung, Bedarf und Autonomie-<br />
erhaltung [vgl. Haubrock 1997, S. 117; Drauschke 2002, S. 27]. In Anlehnung an<br />
KOPPELMANN sowie an TOPOROWSKI und ZIELKE können deshalb die folgen-<br />
den Zielsetzungen des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs differenziert werden [vgl. Koppelmann<br />
2004, S. 111 f.; Toporowski, Zielke 2006, S. 764]:<br />
� Kostenziele beziehen sich auf den Aufwand für die Beschaffung der benötigten<br />
Materialien. Diese bestehen sowohl aus den Sachkosten als auch aus den Kosten<br />
für die Ausführung des Beschaffungsprozesses (z. B. Bestellabwicklung, Zah-<br />
lungsabwicklung). Nach ULAGA sind bessere Preisverhandlungen sowie die Op-<br />
t<strong>im</strong>ierung des Bestellverhaltens und der Bestandesführung mögliche Treiber zur<br />
Reduktion von Produkt- und Prozesskosten [vgl. Ulaga 2003, S. 681 f.].<br />
� Leistungssteigerungs-/Qualitätsziele beziehen sich auf die Beschaffenheit der zu<br />
besorgenden Materialien und die Modalitäten der Beschaffung. Mögliche Treiber<br />
zur Opt<strong>im</strong>ierung der Qualität sind die engere Zusammenarbeit mit den Fachberei-<br />
chen (insbesondere dort wo das Fachwissen der zu beschaffenden Materialien ge-<br />
...
66 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
ring ist), die rigorose quantitative und qualitative Wareneingangskontrolle oder die<br />
leistungsbezogene Selektion der Lieferanten [vgl. Stuart 1997, S. 233].<br />
� Sicherheitsziele beziehen sich auf ungeplante Ereignisse, welche sich auf den Be-<br />
schaffungsprozess auswirken. Mögliche Treiber zur Steigerung der Versorgungssi-<br />
cherheit und Reaktionsgeschwindigkeit sind z. B. die systematische Erfassung und<br />
Bewertung von Markt- und Umweltrisiken oder die (risikogesteuerte) Entwicklung<br />
eines Lieferanten- und Produktportfolios.<br />
� Flexibilitäts-/Unabhängigkeitsziele beziehen sich auf die Machtstruktur zwischen<br />
Nachfrager und Anbieter. Steht der Einkauf in einem Abhängigkeitsverhältnis zum<br />
Lieferanten, so wird dadurch das Interesse zur Ausgestaltung partnerschaftlicher<br />
Beziehungen sowie die Ausgangslage zur Verhandlung von Preisen wesentlich be-<br />
einflusst. Nach RIEMER und KLEIN kann dieses Spannungsverhältnis bspw.<br />
durch das bewusste <strong>Management</strong> der sozialen Beziehungen min<strong>im</strong>iert werden [vgl.<br />
Riemer, Klein 2002, S. 17].<br />
Um diesen verschiedenen Zielsetzungen gerecht zu werden, muss der Einkauf (resp.<br />
die Einkäufer) in der Lage sein, gleichzeitig unterschiedliche Rollen wahrnehmen zu<br />
können [vgl. Brumberg 2000]:<br />
� Verhandlungspartner: Ein wichtiges Instrument zur Reduzierung der Kosten ist die<br />
erfolgreiche Durchführung von Vertragsverhandlungen und der Abschluss von<br />
Rahmenverträgen. Als Verhandlungspartner sollte der Einkäufer nicht kurzfristige<br />
Kostenopt<strong>im</strong>ierungen, sondern langfristige partnerschaftliche Beziehungen mit den<br />
wichtigsten Lieferanten anstreben.<br />
� Transaktionsabwickler: Die Beschaffung von Materialien (insbesondere von indi-<br />
rekten Gütern und Commodities) ist eine stark transaktionsorientierte Aufgabe. Als<br />
Transaktionsabwickler muss der Einkäufer dafür sorgen, dass wiederkehrende Tä-<br />
tigkeiten wie z. B. die Durchführung von Angebotsvergleichen oder Bestellung ef-<br />
fizient und kostengünstig ablaufen.<br />
� Controller: Ein detailliertes Reporting und Controlling der Transaktionen und die<br />
Klassifizierung der Materialgruppen bilden die Grundlage für die Opt<strong>im</strong>ierung der<br />
Beschaffungsprozesse. Demzufolge muss der Einkäufer zur Erreichung kosten-<br />
und qualitätsbezogener Ziele weitreichende Kenntnisse als Controller aufweisen.<br />
� Servicepartner: Nebst der Gewährleistung der Beschaffung von Standardprodukten<br />
sollte der Einkauf die Bedarfsträger ebenfalls bei der Spezifikation und Bedarfser-<br />
mittlung individueller Lösungen unterstützen. Als Servicepartner kann der Einkäu-
Analyse des Gestaltungsbereiches 67<br />
fer demnach einen Mehrwert für die Fachbereiche generieren. In Bezug auf die<br />
Lieferanten kann der Einkäufer durch Mitwirkung in gemeinsamen Opt<strong>im</strong>ierungs-<br />
projekten und Produktentwicklungen ebenfalls einen Beitrag leisten.<br />
� Marktanalyst: Durch die Analyse des Beschaffungsmarktes erhält der Einkäufer<br />
die notwendigen Informationen hinsichtlich Kosten und Verfügbarkeit der Materia-<br />
lien. Dadurch stellt er sicher, dass Engpässe, aber auch effizientere Alternativen<br />
best<strong>im</strong>mter Produkte frühzeitig erkannt werden.<br />
� Auditor: Als Auditor stellt der Einkäufer sicher, dass für die Deckung der betriebli-<br />
chen Bedürfnisse die richtigen Lieferanten identifiziert werden. Hierfür sind insbe-<br />
sondere Kenntnisse <strong>im</strong> Umgang mit der Bewertung und Auswahl von Lieferanten<br />
notwendig.<br />
4.1.3 Organisationsformen des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
Die Organisation des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs kann je nach Veränderlichkeit, Häufigkeit,<br />
Ähnlichkeit, Spezifität sowie dem Grad der Strukturiertheit der Einkaufsaufgaben auf<br />
unterschiedliche Weise erfolgen [vgl. Arnold 2003, S. 146]. In Anlehnung an KRIE-<br />
GEL und PADBERG können <strong>im</strong> Kontext des <strong>Krankenhaus</strong>es die folgenden Organisa-<br />
tionsformen unterschieden werden [vgl. Kriegel 2002, S. 22; Padberg 2006]:<br />
� Zentraler Einkauf: Besteht eine hohe Ähnlichkeit der Einkaufsaufgaben der einzel-<br />
nen Fachbereiche, so wird die Beschaffung i. d. R. in einer zentralen Organisati-<br />
onseinheit zusammengefasst. Diese deckt nahezu alle taktischen und operativen<br />
Aufgaben der Beschaffung ab (bspw. Bedarfsermittlung, Lieferantenauswahl, Ver-<br />
tragsverhandlungen).<br />
� Dezentraler Einkauf: Sind die Einkaufsaufgaben der einzelnen Fachbereiche sehr<br />
spezifisch, werden erfolgsentscheidende Verantwortlichkeiten für die Einkaufsak-<br />
tivitäten nicht an eine zentrale Organisationseinheit vergeben, sondern (dezentral)<br />
direkt durch die Bedarfsträger übernommen. Sowohl das Verwaltungspersonal als<br />
auch das medizinische und pflegerische Personal entscheiden über die zu bestel-<br />
lenden Artikel, das Bestellvolumen sowie über die jeweiligen Preis- und Liefer-<br />
konditionen. Der Einkauf verkommt somit zum „Bestellbüro“, das die Bestellun-<br />
gen der Bedarfsträger entgegenn<strong>im</strong>mt, <strong>im</strong> besten Fall die Ordnungsmässigkeit der<br />
ausgefüllten Bestellscheine prüft und anschliessend den Bestellvorgang auslöst<br />
[vgl. Padberg 2006].
68 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
� Hybridform: Ist die Aufgabenteilung zwischen dem Einkauf und den Fachberei-<br />
chen nicht klar abgrenzbar, wird eine Hybridform der oben genannten Organisati-<br />
onsformen <strong>im</strong>plementiert. Hierbei können Verträge dezentral verhandelt (z. B.<br />
durch eine Lead-Buyer-Einheit, die verbindliche Einkaufsrichtlinien erfüllen<br />
muss), die Bestellungen der Kliniken aber zentral durch die Einkaufsabteilung ab-<br />
gewickelt werden.<br />
� Ausgelagerter Einkauf: Weisen die Fachbereiche sehr stabile und repetitive Ein-<br />
kaufsaufgaben auf oder ist die eigenständige Abwicklung <strong>im</strong> Vergleich zur exter-<br />
nen Aufgabenerfüllung ineffizient, so können die taktischen und operativen Aufga-<br />
ben der Beschaffung (bspw. Bedarfsermittlung, Bestellabwicklung) einem<br />
Dienstleister übertragen werden.<br />
� Netzwerk: Ist die eigenständige Abwicklung der Einkaufsaufgaben <strong>im</strong> Vergleich<br />
zur externen Aufgabenerfüllung ineffizient und besteht gleichzeitig die Angst vor<br />
einer zu stark ausgeprägten Abhängigkeit von einem Dienstleister, so ist als Alter-<br />
native die partnerschaftliche Zusammenarbeit oder die vertraglich geregelte Part-<br />
nerschaft mit anderen Krankenhäusern denkbar (z. B. Einkaufsverbund, strategi-<br />
sche Allianzen).<br />
In Abbildung 29 sind die diskutierten Organisationsformen des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
nochmals schematisch dargestellt.<br />
Zentraler Einkauf<br />
Einkauf<br />
Mgmt.<br />
Dezentraler Einkauf<br />
Mgmt.<br />
Fachbereiche<br />
Fachbereiche<br />
Hybridform (Lead-Buyer Konzept)<br />
Einkauf<br />
Mgmt.<br />
Lead<br />
Fachbereiche<br />
Ausgelagerter Einkauf<br />
Mgmt.<br />
DL<br />
Netzwerk (Einkaufskooperation)<br />
Legende<br />
Einkauf<br />
Verantwortlicher der<br />
Beschaffung<br />
Bedarfsträger<br />
Abbildung 29: Organisationsformen des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
Fachbereiche
Analyse des Gestaltungsbereiches 69<br />
4.1.4 Einordnung in die Versorgungskette des <strong>Krankenhaus</strong>es<br />
Ungeachtet der Organisationsform spielt der Einkauf eine zentrale Vermittlerfunktion<br />
innerhalb der Versorgungskette (<strong>Supply</strong> Chain) eines <strong>Krankenhaus</strong>es, indem er die<br />
Angebotsseite (z. B. Hersteller, Distributoren) mit der Nachfrageseite (z. B. Kliniken,<br />
Logistik, Technische Dienste) verbindet (vgl. Abbildung 30).<br />
Pharmaunternehmen<br />
Grosshändler<br />
Importeure<br />
Angebotsseite Nachfrageseite<br />
Distributoren<br />
Andere Krankenhäuser<br />
Lokale<br />
Hersteller<br />
Einkauf<br />
Logistik<br />
Technische<br />
Dienste<br />
Kliniken<br />
Rechnungswesen<br />
Patienten<br />
Versicherungen<br />
Abbildung 30: Versorgungskette aus dem Blickwinkel des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
Das Spektrum der zu beschaffenden Materialien reicht von indirekten Gütern wie Bü-<br />
romaterial und Drucksachen bis hin zu hoch komplexen Materialien wie Operationsin-<br />
strumenten, Implantaten, etc. (vgl. Abbildung 31). Teilweise fällt auch die Beschaf-<br />
fung von Dienstleistungen (z. B. Instandhaltung, Entsorgung, Energie, Sterilisation)<br />
und Investitionsgütern (z. B. Medizintechnik, IT-Mittel) in das Aufgabenpr<strong>of</strong>il des<br />
<strong>Krankenhaus</strong>einkaufs. 42<br />
In Anlehnung an SIEPERMANN und WALTHER lassen sich aufgrund der Relevanz<br />
für die pr<strong>im</strong>äre Leistungserstellung und der Nähe zu den Patienten dabei drei Materi-<br />
algruppen unterscheiden [vgl. Siepermann 2004, S. 57; Walther 2005, S. 64]:<br />
� Patientennahe Güter: Darunter fallen alle Materialien, die eine hohe Relevanz für<br />
die pr<strong>im</strong>äre Leistungserstellung haben, wie bspw. Arzne<strong>im</strong>ittel und Medizinpro-<br />
dukte.<br />
42 Die Zahl der durch den Einkauf zu beschaffenden Materialien variiert stark und ist auch vom Aufgabenpr<strong>of</strong>il<br />
abhängig. Die Untersuchung von drei Schweizer Krankenhäusern hat gezeigt, dass der Einkauf zwischen<br />
8'000 und 14'000 Artikel bewirtschaftet (vgl. Abschnitt 4.2.2).
70 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
� Patientenbezogene Güter: Darunter fallen alle Materialien, die eine mittlere Rele-<br />
vanz für die pr<strong>im</strong>äre Leistungserstellung haben, allerdings von den Patienten direkt<br />
wahrgenommen werden (z. B. Lebensmittel, Wäsche).<br />
� Patientenentfernte Güter: Darunter fallen alle Materialien, die für die Leistungser-<br />
stellung zwar gebraucht werden, aber von den Patienten nicht wahrgenommen<br />
werden (z. B. Verwaltungsbedarf, Energie, Wasser, Brennst<strong>of</strong>fe).<br />
Hohe Relevanz für die pr<strong>im</strong>äre<br />
Leistungserstellung<br />
Geringe Relevanz für die<br />
pr<strong>im</strong>äre Leistungserstellung<br />
Patientenentfernte Güter<br />
Wasser, Energie, Brennst<strong>of</strong>fe<br />
Verwaltungsbedarf<br />
(Schreibwaren,<br />
EDV-Zubehör, etc.)<br />
Patientennahe Güter<br />
Medizinischer Sachbedarf<br />
(Medikamente, Laborbedarf, etc.)<br />
Sterilisationsgüter<br />
Patientenbezogene Güter<br />
Lebensmittel<br />
Betten<br />
Wäsche<br />
Fern vom Patienten Nahe am Patienten<br />
Abbildung 31: Spektrum der zu beschaffenden Güter eines <strong>Krankenhaus</strong>es 43<br />
Aufgrund der Diversität der zu beschaffenden Materialien muss der Einkauf deshalb<br />
eine relativ breite Wissensbasis aufweisen (d. h. Unternehmens-, Materialien-, Liefe-<br />
ranten- und Branchenwissen). Fehlt dieses Wissen, so bleiben die Aktionen des Ein-<br />
käufers <strong>of</strong>t erfolglos [vgl. Büsch 2007, S. 4]. Gleichzeitig spielt das Standesbewusst-<br />
sein der Ärzte und Apotheker bzw. deren Wille zur Kooperation mit dem Einkauf eine<br />
wesentliche Rolle [vgl. Drauschke 2002, S. 24]. Empfindet das medizinische Personal<br />
eine Beschränkung ihres Einkaufsverhaltens oder des Materialsort<strong>im</strong>ents als Macht-<br />
43 Übernommen aus [Mettler, Rohner 2008, S. 91].
Analyse des Gestaltungsbereiches 71<br />
verlust, so wird dem Einkauf weniger die Vermittlerfunktion, sondern vielmehr die des<br />
Erfüllungsgehilfen zugesprochen. Folglich werden Bestellungen <strong>of</strong>t bewusst unter<br />
Umgehung des Einkaufs getätigt (sog. Maverick Buying).<br />
4.1.5 Einordnung in die Wertkette des <strong>Krankenhaus</strong>es<br />
Im Gegensatz zur Versorgungskette, welche in erster Linie die überbetriebliche Wert-<br />
schöpfung betrachtet, bezieht sich die Wertkette (Value Chain) ausschliesslich auf die<br />
intraorganisationalen Bereiche. Nach PORTER und OLMSTED-TEISBERG basiert<br />
das Konzept auf der Annahme, dass die Ursachen für Wettbewerbsvorteile auf dem<br />
Abstraktionsniveau der Organisation nur sehr schwer zu erkennen sind und deshalb die<br />
Wertschöpfung auf Basis einzelner Aktivitäten untersucht werden soll [Porter,<br />
Olmsted-Teisberg 2006, S. 5]. Ziel ist dabei die Lokalisierung derjenigen Aktivitäten,<br />
die man <strong>im</strong> Vergleich zu Wettbewerbern relativ besser oder billiger erbringen kann<br />
und diese dann systematisch weiterentwickelt und ausbaut. Die Aktivitäten werden<br />
hierfür in pr<strong>im</strong>äre und sekundäre Aktivitäten unterteilt (vgl. Abbildung 32).<br />
Sekundäre Aktivitäten<br />
Eingangs-<br />
logistik<br />
Diagnose<br />
Unternehmensinfrastruktur<br />
Personalwirtschaft<br />
Technologieentwicklung<br />
Vorbereitung<br />
Beschaffung<br />
Medizinische Leistungserbringung<br />
Wissensmanagement<br />
Information<br />
Bewertung<br />
Zugang<br />
Behandlung<br />
Pr<strong>im</strong>äre Aktivitäten<br />
Pflege<br />
Nachbehandlung<br />
Abbildung 32: Wertkette eines <strong>Krankenhaus</strong>es 44<br />
44 Übernommen und adaptiert aus [Porter, Olmsted-Teisberg 2006, S. 203].<br />
Marketing &<br />
Kommunikation<br />
Ausgangs-<br />
logistik
72 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
Die pr<strong>im</strong>ären Aktivitäten folgen dem Behandlungsverlauf eines Patienten und werden<br />
durch die idealtypischen Aufgaben wie Diagnose, Vorbereitung, Behandlung, Pflege,<br />
Nachbereitung (vertikaler Verlauf) und Informationsverarbeitung (horizontaler Ver-<br />
lauf) abgebildet. Zusätzlich zur medizinischen Leistungserbringung werden auch die<br />
Eingangs- und Ausgangslogistik sowie Marketing und Kommunikation zu den Pr<strong>im</strong>är-<br />
aktivitäten gezählt.<br />
Zu den sekundären Aktivitäten eines <strong>Krankenhaus</strong>es gehören Tätigkeitsfelder, welche<br />
die medizinische Behandlung direkt oder indirekt unterstützen wie die Bereitstellung<br />
der Unternehmensinfrastruktur, Personalwirtschaft, Technologieentwicklung und<br />
schliesslich auch die Beschaffung von Materialien. Eine weit verbreitete Meinung ist<br />
deshalb, die Beschaffung als reinen Kostentreiber zu sehen. Dadurch wird dem Ein-<br />
kauf generell eine eher geringe Bedeutsamkeit innerhalb eines <strong>Krankenhaus</strong>es einge-<br />
räumt. Die „mangelnde Sichtbarkeit“ für das <strong>Management</strong> hat zur Folge, dass ausser-<br />
ordentliche Einspar- und Ertragsmöglichkeiten <strong>of</strong>tmals vernachlässigt werden, welche<br />
sich bspw. aus einer internen Umstrukturierung (z. B. Entwicklung interner Märkte,<br />
Insourcing), vertikalen Integration (z. B. die fachübergreifende Spezifikation von Ein-<br />
kaufsleistungen) oder horizontalen Integration (z. B. die Bildung von Einkaufskoope-<br />
rationen oder Partnerschaften mit Zulieferern für die Entwicklung neuer Leistungen)<br />
ergeben könnten.<br />
4.2 Aktueller Stand der Praxis<br />
Aufgrund der bisherigen Vergütungsregelung, insbesondere öffentlicher Krankenhäu-<br />
ser, war der Anreiz zur Kostensenkung eher gering und demzufolge die Effektivität<br />
und Effizienz des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs nebensächlich. Dies führt dazu, dass heute der<br />
<strong>Krankenhaus</strong>einkauf <strong>im</strong> Vergleich zum Einkauf von Industrieunternehmen einen un-<br />
terdurchschnittlichen Grad an Pr<strong>of</strong>essionalität aufweist [vgl. Oppel 2003, S. 49]. Um<br />
die Anforderungen an das zu entwickelnde Reifegradmodell ableiten zu können, soll<br />
an dieser Stelle eine Betrachtung des gegenwärtigen Standes der Praxis erfolgen. Hier-<br />
für werden zunächst aktuelle empirische Untersuchungen analysiert und anschliessend<br />
die Ergebnisse eigener Fallstudien diskutiert.
Analyse des Gestaltungsbereiches 73<br />
4.2.1 Empirische Untersuchungen<br />
Trotz der traditionell geringen Bedeutung des Beschaffungsmanagements (<strong>Supply</strong><br />
<strong>Management</strong>) in Krankenhäusern konnten zahlreiche Studien identifiziert werden,<br />
welche die Thematik aus einem betriebswirtschaftlichen und/oder technologischen<br />
Blickwinkel betrachten.<br />
Die Auswahl erfolgt anhand von drei Kriterien: Zum einen müssen die Untersuchun-<br />
gen einen expliziten Bezug zur Beschaffung in Krankenhäusern aufweisen, zum ande-<br />
ren sollen die Erkenntnisse empirisch fundiert sein sowie einen starken Praxisbezug<br />
demonstrieren. Des Weiteren wird die Auswahl weitestgehend auf den deutschspra-<br />
chigen Raum begrenzt, um sicherzustellen, dass die Erkenntnisse in Hinblick auf das<br />
Schweizer Gesundheitssystem übertragbar sind.<br />
Diesen Kriterien folgend sind insgesamt 12 Studien analysiert worden. Die Erkennt-<br />
nisse dieser Literaturanalyse sind in Tabelle 7 zusammengefasst:<br />
Quelle Gegenstand Methode Erkenntnisse<br />
[Drauschke<br />
2002]<br />
Untersuchung<br />
der aktuellen<br />
Herausforderungen<br />
der<br />
Beschaffung<br />
in deutschen<br />
Krankenhäusern<br />
Nicht genau<br />
spezifiziert;<br />
Annahme:<br />
Erfahrungen<br />
aus Pilotprojekten<br />
� Der Einkauf ist vorwiegend mit der Beschaffung<br />
von Standardprodukten beschäftigt, obwohl diese<br />
nur 10-20% des Aufwands ausmachen.<br />
� Die Produktkosten machen rund 80%, die Prozesskosten<br />
die restlichen 20% des Gesamtaufwands<br />
aus.<br />
� Es wird geschätzt, dass durch besseres Verhandeln<br />
2-5%, durch Lieferantensegmentierung 10-<br />
15% und durch Kooperation mit Lieferanten<br />
(bspw. in der Produktentwicklung, Beschaffungslogistik)<br />
insgesamt 15-30% der Kosten<br />
eingespart werden können.<br />
� Um nachhaltigen Einkaufserfolg zu erzielen<br />
sollte der Anteil an strategischen Sourcing-<br />
Aktivitäten wie z. B. Einkaufscontrolling, Beschaffungsmarktforschung,Lieferantenbeurteilung<br />
etc. erhöht werden.<br />
� Elektronische Marktplätze können aufgrund des<br />
geringen Reifegrads der Beschaffung nicht<br />
überall eingesetzt werden.<br />
� Die grössten Herausforderungen werden dabei<br />
in der fehlenden Akzeptanz des <strong>Management</strong>s,<br />
dem mangelnden Fachwissen der Einkäufer,<br />
dem Statusdenken der Mediziner sowie der bewussten<br />
Umgehung des Einkaufs durch die Lieferanten<br />
gesehen.
74 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
Quelle Gegenstand Methode Erkenntnisse<br />
[Kriegel<br />
2002]<br />
[Boston<br />
Consulting<br />
Group 2003]<br />
Untersuchung<br />
der Möglichkeiten<br />
der<br />
elektronischenBeschaffung<br />
sowie des<br />
Outsourcings<br />
von Logistikaufgaben<br />
in<br />
deutschen<br />
Krankenhäusern<br />
Untersuchung<br />
der aktuellen<br />
Trends <strong>im</strong><br />
Beschaffungsmanagement<br />
von<br />
Krankenhäusern<br />
Telefonische<br />
Befragung<br />
von 35 Einkaufsleitern<br />
Schriftliche<br />
Befragung<br />
von 80 kaufmännischen<br />
Leitern deutscherKrankenhäuser<br />
� Der Einkauf in den befragten Krankenhäusern<br />
ist vorwiegend zentral organisiert.<br />
� 80% sind Mitglied in einer Einkaufsgemeinschaft.<br />
� Der Grossteil der befragten Krankenhäuser sieht<br />
die Möglichkeit des Outsourcings als sinnvolle<br />
Alternative, jedoch bestehen Ängste hinsichtlich<br />
des Verlustes der eigenen Position, Machtbefugnisse<br />
etc.<br />
� Die Aufgaben des Einkaufs sind v. a. operativer<br />
Art; strategische Fragestellungen wie z. B. Lieferantenmanagement<br />
werden weniger adressiert.<br />
� Die Nutzung elektronischer Services in der Beschaffung<br />
ist sehr gering, nicht zuletzt weil die<br />
internen Voraussetzungen noch geschaffen werden<br />
müssen und die Angebote der Lieferanten<br />
mangelhaft sind.<br />
� Das Internet wird vorwiegend zur Informationsbeschaffung<br />
genutzt; spezielle Lösungen wie z.<br />
B. elektronische Marktplätze, Supplier Self-<br />
Service oder elektronische Auktionen werden<br />
von den meisten noch nicht genutzt.<br />
� Einkaufsentscheide für den medizinischen<br />
Sachbedarf wird überwiegend in interdisziplinären<br />
Teams getr<strong>of</strong>fen.<br />
� Reduzierung des Lieferantenportfolios, regelmäßige<br />
Überprüfung der Qualität und Konditionen<br />
sowie eine stärkere Zentralisierung und<br />
Bündelung werden von den Krankenhäusern bei<br />
etwa 60% der Medizinprodukte eingesetzt.<br />
� Der Preis spielt bei der Auswahl eines Produktes<br />
eine dominante Rolle; Prozesskosten werden<br />
in den wenigsten Krankenhäusern in die Entscheidungsfindung<br />
miteinbezogen.<br />
� Lediglich 35% der betrachteten Krankenhäuser<br />
nutzen Einkaufsgemeinschaften in nennenswertem<br />
Umfang.<br />
� Partnerschaften mit Lieferanten werden heute<br />
noch zu wenig pr<strong>of</strong>essionell geführt. Insbesondere<br />
Prozesskosten bleiben bei der Partnerwahl<br />
noch zu wenig berücksichtigt.<br />
� Es wird geschätzt, dass durch eine konsequente<br />
Umsetzung aller relevanten Hebel des <strong>Supply</strong><br />
<strong>Management</strong>s in Deutschland jährlich ca. 2,6<br />
Mrd. Euro eingespart werden können.
Analyse des Gestaltungsbereiches 75<br />
Quelle Gegenstand Methode Erkenntnisse<br />
[Frost and<br />
Sullivan<br />
2003]<br />
[Offermanns<br />
2003]<br />
Untersuchung<br />
des Standes<br />
der elektronischenBeschaffung<br />
in<br />
europäischen<br />
Krankenhäusern<br />
Breite UntersuchungaktuellerThemen<br />
<strong>im</strong> Bereich<br />
des<br />
<strong>Krankenhaus</strong>managements<br />
u. a.<br />
des Bereiches<br />
Beschaffung<br />
und Logistik<br />
Nicht genau<br />
spezifiziert;<br />
Annahme:<br />
Interviews,<br />
Sekundärdatenanalyse<br />
Schriftliche<br />
Befragung<br />
von 409 deutschenKrankenhäusern<br />
� Deutschland und Grossbritannien nehmen eine<br />
Vorreiterrolle <strong>im</strong> Einsatz von E-Business <strong>im</strong><br />
<strong>Krankenhaus</strong> ein.<br />
� Elektronische Marktplätze sind erst <strong>im</strong> Aufbau<br />
und liefern noch keine durchgängige Prozessunterstützung.<br />
� Es wird geschätzt, dass in Zukunft 75-80% des<br />
Einkaufsvolumens durch elektronische Mittel<br />
beschafft werden kann.<br />
� Die grössten Herausforderungen bei der Opt<strong>im</strong>ierung<br />
des Einkaufs werden aktuell in den divergierenden<br />
Interessen der Berufsgruppen eines<br />
<strong>Krankenhaus</strong>es, der fehlenden technischen<br />
Infrastruktur sowie dem geringen Budget für<br />
Organisationsgestaltungsprojekte gesehen.<br />
� Der Grossteil der befragten Krankenhäuser beschafft<br />
den medizinischen sowie den Wirtschafts-<br />
und Verwaltungsbedarf zentral. Der<br />
Einkauf von Dienstleistungen (z. B. für die Instandhaltung)<br />
wird weniger zentralistisch geplant.<br />
� In der Beschaffung des medizinischen Sachbedarfs<br />
hat die Erzielung des besten Preises und<br />
die Opt<strong>im</strong>ierung der Beschaffungskette eine höhere<br />
Priorität als die Reduktion der Lieferantenzahl,<br />
das Bündeln der Nachfrage und die Standardisierung<br />
des Sort<strong>im</strong>ents. Für den nichtmedizinischen<br />
Sachbedarf ist diese Ausprägung<br />
noch stärker vorhanden.<br />
� Die wichtigsten Kriterien zur Auswahl der Lieferanten<br />
sind der Preis, die Produktqualität und<br />
die Lieferzuverlässigkeit. Als weniger wichtig<br />
erachtet wurden der Markenname, Referenzen,<br />
die Servicepalette und Produktbreite, die lokale<br />
Marktpräsenz sowie die Fähigkeit des Lieferanten<br />
die Bestellabwicklung elektronisch zu unterstützen.<br />
� Mehr als die Hälfte der Krankenhäuser verwenden<br />
strukturierte oder formlose Papierformulare<br />
für die Bedarfsmeldung. Lediglich 20-30% der<br />
Krankenhäuser verwenden ein elektronisches<br />
Bestellanforderungssystem oder Barcode Scanner.<br />
� Die Bedarfsmeldung wird grösstenteils durch<br />
das Pflegepersonal durchgeführt. Nur in 19%<br />
der Krankenhäuser sind hierfür spezialisierte<br />
Versorgungsassistenten zuständig.
76 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
Quelle Gegenstand Methode Erkenntnisse<br />
[Oppel 2003] Untersuchung<br />
der Anforderungen<br />
an die<br />
Nutzung<br />
elektronischer<br />
Marktplätze<br />
in Krankenhäusern<br />
[Centrale für<br />
Coorganisation<br />
2004]<br />
Untersuchung<br />
der Kosten<br />
und des Nutzens<br />
der Einführung<br />
des<br />
elektronischenDatenaustauschs<br />
zwischen<br />
<strong>Krankenhaus</strong><br />
und Clearing-<br />
Dienstleister<br />
Schriftliche<br />
Befragung<br />
und halbstrukturierte<br />
Interviews<br />
mit 13 <strong>Krankenhaus</strong>vertretern<br />
resp.<br />
mit Betreibernelektronischer<br />
Marktplätze<br />
Erfahrungen<br />
aus Pilotprojekt<br />
in zwei<br />
deutschen<br />
Krankenhäusern<br />
� Im Bereich der Materialwirtschaft ist die Nutzung<br />
von IT heute üblich (z. B. Bestandesführung<br />
des Zentrallagers).<br />
� Das Internet wird allerdings lediglich für die<br />
Beschaffung von Informationen und für die<br />
Kommunikation (z. B. E-Mail) verwendet.<br />
� Den Nutzen des Einsatzes elektronischer<br />
Marktplätze zur Beschaffung wird v. a. in Preisund<br />
Kostenvorteilen (z. B. durch Vereinfachung<br />
des Bestellprozesses), aber auch in der besseren<br />
Markttransparenz gesehen.<br />
� Die wichtigsten Kriterien elektronischer Marktplätze<br />
sind ihre Integrationsfähigkeit, die Anzahl<br />
und Auswahl von Lieferanten, die Sicherheit,<br />
die intelligente Produktsuche sowie die an<br />
Bedarfspunkte festgelegte Bestellmöglichkeit.<br />
� In Bezug auf Umfang der Nutzung und zeitliche<br />
Einführung elektronischer Marktplätze sind die<br />
Befragten allerdings unsicher.<br />
� Falls Marktplätze genutzt werden, dann in der<br />
Regel lediglich für die Bestellabwicklung von<br />
Verbrauchsmaterialien.<br />
� Durch die Einführung des elektronischen Datenaustauschs<br />
konnten <strong>im</strong> Vergleich zur papierbasierten<br />
Prozessabwicklung Einsparungen von<br />
30-43% erzielt werden.<br />
� Von den Lieferanten waren allerdings weniger<br />
als 50% in der Lage den Datenaustausch ebenfalls<br />
elektronisch durchzuführen.<br />
� Dennoch ergaben sich qualitative Vorteile v. a.<br />
in Bezug auf die Informationsqualität (z. B.<br />
Verfallsdaten, Gewichtangaben etc.) und<br />
Rechtssicherheit (z. B. Rückverfolgung dokumentationspflichtiger<br />
Produkte).<br />
� Es wird davon ausgegangen, dass die weitere<br />
Opt<strong>im</strong>ierung der Prozesse die Grundlage für eine<br />
weitere Zentralisierung der Beschaffungsfunktion<br />
ist bzw. <strong>im</strong> Hinblick auf den Zusammenschluss<br />
mit anderen Krankenhäusern erforderlich<br />
sein wird.<br />
� Eine weitere Annahme ist, dass sich eine fehlende<br />
technische Vernetzungsfähigkeit stark negativ<br />
auf das Geschäftsergebnis eines <strong>Krankenhaus</strong>es<br />
resp. eines Lieferanten auswirken wird.
Analyse des Gestaltungsbereiches 77<br />
Quelle Gegenstand Methode Erkenntnisse<br />
[Krütten et al.<br />
2005]<br />
[Blum et al.<br />
2006]<br />
Untersuchung<br />
der mittelfristig<br />
erwarteten<br />
Entwicklungen<br />
in der<br />
<strong>Krankenhaus</strong>beschaffung<br />
Untersuchung<br />
des aktuellen<br />
Standes des<br />
Beschaffungsmanagements<br />
in<br />
Krankenhäusern<br />
und Herleitung<br />
von<br />
Entwicklungstrends<br />
Interviews<br />
mit 30 Unternehmen<br />
des<br />
Gesundheitswesens<br />
aus<br />
Deutschland<br />
und den USA<br />
Interviews<br />
mit 20 <strong>Krankenhaus</strong>direktoren<br />
und<br />
Einkaufsleitern<br />
deutscher<br />
Krankenhäuser<br />
� Die bisherigen Kooperationsaktivitäten zwischen<br />
den deutschen Krankenhäusern haben zu<br />
deutlicher Preiserosion und Renditeeinbussen<br />
geführt (die 20 grössten Einkaufsgemeinschaften<br />
und <strong>Krankenhaus</strong>gruppen machen rund 50%<br />
des Einkaufsvolumens aus).<br />
� Das Geschäftsgebaren der Einkaufskooperationen<br />
ist unterschiedlich, von unverbindlichem<br />
und opportunistischem bis hin zu verbindlichem<br />
Verhalten.<br />
� Betriebswirtschaftliches Denken tritt vermehrt<br />
in den Vordergrund und klinisch-orientierte<br />
Einkaufsentscheide nehmen tendenziell ab.<br />
� Die strategische Bedeutung elektronischer<br />
Marktplätze wird als begrenzt eingeschätzt, da<br />
sich das Gesundheitswesen in einer Konsolidierungsphase<br />
befindet und deshalb die Bündelung<br />
der Nachfrageseite en passant stattfindet.<br />
� Beziehungsmanagement zu Kostenträgern, Einweisern,<br />
Patienten und Lieferanten wird als<br />
Schlüssel zur Erlösopt<strong>im</strong>ierung gesehen.<br />
� Die Opt<strong>im</strong>ierung des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s hat<br />
lediglich in Ansätzen stattgefunden; es wird geschätzt,<br />
dass 20-25% der Produktkosten und bis<br />
zu 20% der Prozesskosten noch eingespart werden<br />
können.<br />
� Lediglich 20% der Krankenhäuser messen ihren<br />
Beschaffungserfolg.<br />
� 80% der Krankenhäuser beschaffen den Verwaltungs-<br />
und Wirtschaftsbedarf zentral, während<br />
es be<strong>im</strong> medizinischen Bedarf lediglich 74%<br />
sind.<br />
� Die Einkaufsentscheide werden <strong>im</strong>mer noch<br />
stark preisgetrieben gefällt.<br />
� Die Bestellabwicklung wird von den meisten<br />
Krankenhäusern heute <strong>im</strong>mer noch überwiegend<br />
papierbasiert durchgeführt.<br />
� Die Einbindung der Lieferanten in den Informationsfluss<br />
ist nicht üblich.<br />
� Als zentrale Hebel zur Opt<strong>im</strong>ierung des <strong>Supply</strong><br />
<strong>Management</strong>s werden die Forcierung des Lieferantenwettbewerbs,<br />
die Sort<strong>im</strong>entstandardisierung,<br />
die Weiterentwicklung der Prozesse sowie<br />
die Vernetzung der IT-Systeme gesehen.<br />
� Die fortschreitende Konsolidierung des <strong>Krankenhaus</strong>marktes<br />
wird die Rolle der Einkaufsgemeinschaften<br />
zusätzlich stärken.
78 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
Quelle Gegenstand Methode Erkenntnisse<br />
[E-Business<br />
Watch 2007]<br />
[Mettler,<br />
Rohner 2008]<br />
[Mettler,<br />
Rohner<br />
2009b]<br />
Untersuchung<br />
der Verbreitung<br />
und des<br />
Einsatzes<br />
elektronischer<br />
Mittel für die<br />
Beschaffung<br />
in Krankenhäusern<br />
und<br />
Vergleich mit<br />
anderen<br />
Branchen<br />
Untersuchung<br />
des Einsatzes<br />
elektronischer<br />
Mittel für das<br />
Lieferantenbeziehungsmanagement<br />
in Krankenhäusern<br />
Untersuchung<br />
der Verbreitung<br />
und des<br />
Einsatzes<br />
elektronischer<br />
Mittel für die<br />
Beschaffung<br />
in <strong>Krankenhaus</strong>apotheken<br />
Telefonische<br />
Befragung<br />
von 25'000<br />
Unternehmen<br />
in Europa<br />
(branchenübergreifend)<br />
kombiniert<br />
mit 75 Fallstudien<br />
aus<br />
dem Gesundheitswesen<br />
Erfahrungen<br />
aus Pilotprojekt<br />
in einem<br />
Schweizer<br />
<strong>Krankenhaus</strong><br />
Interviews<br />
mit drei<br />
<strong>Krankenhaus</strong>apothekernkombiniert<br />
mit Dokumentenanalyse<br />
� Im Vergleich zu anderen Branchen ist <strong>im</strong> Gesundheitswesen<br />
die Infrastruktur zur Nutzung<br />
des Internets breiter vorhanden; trotz der besseren<br />
Infrastruktur werden E-Business Lösungen<br />
vergleichsweise wenig genutzt.<br />
� Kleinere Krankenhäuser scheinen in allen Belangen<br />
der IT-Nutzung (interne sowie externe<br />
Vernetzung) <strong>im</strong> Vergleich zu Grosskliniken weniger<br />
entwickelt zu sein.<br />
� Barrieren zur Einführung der elektronischen<br />
Beschaffung werden in der Datensicherheit und<br />
in der Höhe der Investitionskosten gesehen; eine<br />
weitere Hürde ist die Vielzahl der <strong>im</strong> Gesundheitswesen<br />
angewendeten Datenaustauschstandards.<br />
� Strategische und taktische Instrumente in der<br />
Beschaffung (z. B. Lieferantensegmentierung,<br />
Bündelung der Nachfrage) werden nur sehr rud<strong>im</strong>entär<br />
angewendet.<br />
� Elektronische Mittel werden v. a. für die Opt<strong>im</strong>ierung<br />
operativer Tätigkeiten genutzt (z. B.<br />
Bedarfsmeldung, Bestellung).<br />
� Der Pr<strong>of</strong>essionalitätsgrad der Einkaufsgemeinschaft<br />
ist noch sehr gering resp. erst <strong>im</strong> Aufbau<br />
begriffen.<br />
� Die Kooperation mit Lieferanten ist heute auf<br />
ein Min<strong>im</strong>um beschränkt; Potentiale aus der engeren<br />
Zusammenarbeit (z. B. kooperative Produktentwicklung)<br />
werden heute noch nicht ausgenutzt.<br />
� Die Beschaffung des medizinischen Sachbedarfs<br />
wird vorwiegend durch die <strong>Krankenhaus</strong>apotheke<br />
abgewickelt; in kleineren Krankenhäusern ist<br />
die Apotheke für die gesamte Beschaffung verantwortlich.<br />
� Der Einsatz von IT in den Apotheken verfolgt<br />
unterschiedliche Ziele, von der rein internen<br />
Opt<strong>im</strong>ierung bis hin zu Verbesserung der gesamten<br />
Versorgungskette.<br />
� Die grössten Herausforderungen sind die<br />
schlechte Datenqualität aufgrund von Medienbrüchen<br />
(z. B. manuelle Erfassung von Lieferscheinen)<br />
und der hohe Aufwand für die Bestandesführung<br />
(insbesondere auf den Stationen).<br />
Tabelle 7: Zusammenfassung der Erkenntnisse aus aktuellen Studien
Analyse des Gestaltungsbereiches 79<br />
4.2.2 Fallstudien<br />
In der Forschung werden Fallstudien dazu eingesetzt ein klar abgegrenztes Phänomen<br />
in seinem natürlichen Kontext <strong>im</strong> Detail zu untersuchen [vgl. z. B. Cavaye 1996, S.<br />
229; Yin 2002, S. 1]. Die damit verfolgten Zielsetzungen sind vielfältig und reichen<br />
von der reinen Beschreibung, der Generierung von Hypothesen bis hin zur Entwick-<br />
lung und dem Testen von Theorien [vgl. z. B. Benbasat et al. 1987, S. 370; Eisenhardt<br />
1989, S. 548; Darke et al. 1998, S. 275]. Der Erkenntnisfortschritt von Fallstudien ist<br />
allerdings <strong>of</strong>t umstritten [vgl. Smith 1990, S. 126 f.; Lincoln, Guba 2000, S. 27 f.]. Um<br />
den wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen, bedarf es demnach einer besonders<br />
sorgfältigen Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation.<br />
4.2.2.1 Fallauswahl und -eingrenzung<br />
Während eine einzelne Fallstudie (Single Case Study) i. d. R. dazu eingesetzt wird, um<br />
besonders typische oder ungewöhnliche Situationen zu beschreiben, nutzt man die<br />
Mehrfach-Fallstudie (Multi-Case Study) zur Betrachtung unterschiedlicher Kontexte<br />
resp. des Querschnitts eines Phänomens [vgl. Stake 2006, S. 23].<br />
Um einen möglichst breiten Überblick des aktuellen Standes und der detaillierten<br />
Problemstellungen zu erhalten wurden deshalb verschiedene Krankenhäuser unter-<br />
sucht. Die Auswahl erfolgte nach den Differenzierungsmerkmalen Typologie, Geogra-<br />
phie, Betriebsgrösse, Einkaufsorganisation sowie nach dem Grad der Standardisierung<br />
der beschaffungsverantwortlichen Organisationseinheit (vgl. Tabelle 8).<br />
Merkmal Fall A Fall B Fall C<br />
Typologie <strong>Krankenhaus</strong> der<br />
Grundversorgung<br />
<strong>Krankenhaus</strong> der<br />
Zentrumsversorgung<br />
Geographie Ländlich Sub-urban Urban<br />
<strong>Krankenhaus</strong> der<br />
Zentrumsversorgung<br />
Betriebsgrösse 185 Betten 530 Betten 730 Betten<br />
Patienten pro Jahr 7'000 stationär<br />
24'000 ambulant<br />
23'000 stationär<br />
315'000 ambulant<br />
32'000 stationär<br />
161'000 ambulant<br />
Einkaufsorganisation Hybridform Dezentraler Einkauf Zentraler Einkauf<br />
Mitarbeiter in der<br />
Beschaffung<br />
7 Stellen 8 Stellen 9 Stellen<br />
Sort<strong>im</strong>ent 8'000 Artikel 13'000 Artikel 14'000 Artikel<br />
Geschätzter Sachbedarf<br />
pro Jahr<br />
13 Mio. CHF 63 Mio. CHF 70 Mio. CHF<br />
Standardisierung Hoch Gering Mittel<br />
Tabelle 8: Pr<strong>of</strong>ile der betrachteten Krankenhäuser
80 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
Die Eingrenzung der zu untersuchenden Bereiche in der <strong>Krankenhaus</strong>beschaffung er-<br />
folgte auf der Grundlage des <strong>Supply</strong> Chain Operations Reference-Model (SCOR),<br />
welches die Versorgungskette eines Akteurs in Planungs-, Einkaufs-, Produktions- und<br />
Auslieferprozesse unterteilt und die dafür notwendigen Aufgaben und Aktivitäten be-<br />
schreibt [vgl. <strong>Supply</strong> Chain Council 2009]. Die Eingrenzung wurde wie folgt vorge-<br />
nommen (vgl. Abbildung 33):<br />
� Die Fallstudie beschränkt sich auf die Untersuchung der Einkaufsprozesse eines<br />
<strong>Krankenhaus</strong>es. Da die Prozessabwicklung stark von den zu beschaffenden Materi-<br />
alien abhängt, wird vorrangig die Beschaffung von Medizinprodukten analysiert.<br />
� Der Fokus liegt dabei auf den Aufgaben Bedarfsermittlung, Bestellung und Waren-<br />
eingang.<br />
� Die Beschreibung der Aktivitäten erfolgt generisch mit vordefinierten Prozessbau-<br />
<strong>Supply</strong> Chain Reference-Model<br />
steinen (Process Building Blocks) [vgl. Baacke et al. 2008a; Baacke et al. 2009].<br />
Übergeordnete Ebene<br />
(Prozesse)<br />
Konfigurationsebene<br />
(Aufgaben)<br />
Gestaltungsebene<br />
(Aktivitäten)<br />
4.2.2.2 Datenerhebung und -analyse<br />
Prozess<br />
Prozesstyp<br />
Prozesstyp<br />
Aufgabe<br />
Aufgabe<br />
Aktivität<br />
Prozesse:<br />
Fokus auf den<br />
Einkaufsprozess von<br />
Medizinprodukten<br />
Aufgaben:<br />
Beschränkung auf operative<br />
Aufgaben, d. h.<br />
Bedarfsermittlung,<br />
Bestellung, Wareneingang<br />
Aktivitäten:<br />
Generische Beschreibung<br />
der wichtigsten<br />
Aktivitäten<br />
Ebene Eingrenzung<br />
Abbildung 33: Eingrenzung der Fallstudie<br />
Als pr<strong>im</strong>äre Erkenntnisquellen dienten semi-strukturierte Experteninterviews 45 mit den<br />
Einkaufsverantwortlichen der drei Krankenhäuser, welche <strong>im</strong> Zeitraum zwischen Mai<br />
und August 2007 befragt wurden. Weitere Erkenntnisse konnten aus den zur Verfü-<br />
45 Vgl. Anhang B.
Analyse des Gestaltungsbereiches 81<br />
gung gestellten Dokumenten und aus eigenen Beobachtungen gewonnen werden. Die<br />
auf diese Weise gesammelten Daten wurden in textueller sowie graphischer Form<br />
(Prozessmodelle in der Business Process Modeling Notation (BPMN)) dokumentiert<br />
und anschliessend den Interviewpartnern zur kritischen Durchsicht vorgelegt. Auf An-<br />
regung der Interviewpartner wurden gegebenenfalls Ergänzungen und Korrekturen<br />
vorgenommen.<br />
4.2.2.3 Fall A: Hybrider Einkauf in einem kleinen <strong>Krankenhaus</strong><br />
Der erste Fall repräsentiert ein kleines, ländliches <strong>Krankenhaus</strong> mit rund 185 Betten<br />
und knapp 31'000 Patienten pro Jahr. Die Beschaffung der für die Leistungserbringung<br />
notwendigen Materialien (z. B. Arzne<strong>im</strong>ittel und Medizinprodukte) wird durch die<br />
Apotheke des <strong>Krankenhaus</strong>es geführt. Die Bewirtschaftung der Lager erfolgt durch<br />
das Zentrallager, welches direkt der Apotheke unterstellt ist. Nebst der Belieferung der<br />
medizinischen Fachbereiche des eigenen <strong>Krankenhaus</strong>es werden auch zwei kleinere<br />
Aussenstandorte mit Materialien versorgt. Als weitere Dienstleistungen werden die<br />
Belieferung der medizinischen Fachbereiche mit aktuellen Produktinformationen und<br />
die Unterstützung bei der Bestellaufnahme sowie bei der Sort<strong>im</strong>entserweiterung und<br />
-pflege angesehen.<br />
Der Stellenwert der Beschaffung <strong>im</strong> untersuchten <strong>Krankenhaus</strong> ist vergleichsweise<br />
hoch. Nicht zuletzt weil der Einkaufsverantwortliche eine medizinische Ausbildung<br />
besitzt und durch die Funktion als Apotheker in der pr<strong>im</strong>ären Leistungserbringung in-<br />
volviert (z. B. beratende Funktion bei Fragen in Bezug auf die Medikation) sowie in<br />
der Arzne<strong>im</strong>ittel- und Einkaufskommission mitspracheberechtigt ist.<br />
Strategische Ausrichtung der Beschaffung<br />
Aufgrund der geringen Betriebsgrösse und des bewusst eng gehaltenen Leistungs-<br />
spektrums des betrachteten <strong>Krankenhaus</strong>es ist es möglich, ein sehr kompaktes Sorti-<br />
ment an Lager- und Durchlaufartikel zu definieren, was die Basis für die Bündelung<br />
und Automatisierung der Bestellabwicklung bildet. Folglich ist die übergeordnete<br />
Zielsetzung des Einkaufsverantwortlichen die operativen Tätigkeiten möglichst voll-<br />
ständig elektronisch zu unterstützen. Die daraus erh<strong>of</strong>fte höhere Aktualität, Vollstän-<br />
digkeit und Verfügbarkeit von Bewegungs- und Stammdaten soll in einem nächsten<br />
Schritt dazu dienen, die durch die Stationen dezentral bewirtschafteten Lager noch<br />
weiter zu verringern.
82 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
Eine Strategie die bereits heute zur Min<strong>im</strong>ierung der Kapitalbindung <strong>im</strong> Zentral- und<br />
den Stationslagern Anwendung findet, ist die Errichtung von Konsignationslagern. 46<br />
Dadurch werden der eigene Aufwand für die Bewirtschaftung der Lager geschmälert<br />
und gleichzeitig wichtige Lieferanten stärker an die Organisation gebunden.<br />
In Zukunft soll nicht nur die Kooperation zu den Lieferanten, sondern auch zu anderen<br />
Krankenhäusern – insbesondere mit deutschen Krankenhäusern – intensiviert werden.<br />
Durch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit erh<strong>of</strong>ft sich der Einkaufsverantwort-<br />
liche in erster Linie tiefgreifende Preisvorteile. Allerdings ist aus heutiger Sicht auf-<br />
grund der restriktiven regulatorischen Rahmenbedingungen ein Zusammenwirken mit<br />
ausländischen Krankenhäusern l<strong>im</strong>itiert.<br />
Vorgang der Bedarfsermittlung<br />
Auslöser des Vorgangs ist die wöchentliche Bestellaufnahme durch einen Mitarbeiten-<br />
den der Apotheke. Während des Rundgangs werden die aktuellen Bestände von Arz-<br />
ne<strong>im</strong>itteln und Medizinprodukten sämtlicher medizinischer Fachbereiche kontrolliert<br />
(die Bedarfsmeldung von Verwaltungs- und Wirtschaftsbedarf ist Aufgabe der Be-<br />
darfsträger). Der Grossteil der Produkte auf den Stationslagern ist mit einer maschi-<br />
nenlesbaren Barcode-Karte versehen. Wird festgestellt, dass die Vorräte zu gering<br />
sind, wird die entsprechende Barcode-Karte entnommen, mittels Barcode-Scanner ein-<br />
gelesen und die benötigte Menge manuell <strong>im</strong> Lesegerät erfasst. Diese Daten werden<br />
anschliessend in der Apotheke auf eine Datenbank übertragen, welche die Materialan-<br />
forderungen bündelt und gleichzeitig die Datenbasis für ein Desktop Purchasing Sys-<br />
tem (DPS) ist. 47<br />
Materialanforderungen können auch direkt durch die Mitarbeitenden einer Station er-<br />
zeugt werden. Hierbei werden zwei Fälle unterschieden: Handelt es sich be<strong>im</strong> benötig-<br />
ten Produkt um einen Standardartikel, kann die Bedarfsmeldung per Barcode-<br />
Einlesung (s<strong>of</strong>ern ein entsprechendes Gerät auf der Station vorhanden ist) oder per<br />
Formulareingabe <strong>im</strong> DPS erfolgen. Wird ein Artikel gebraucht, der nicht <strong>im</strong> Sort<strong>im</strong>ent<br />
des Stationslagers zu finden ist, muss in ersten Schritt das entsprechende Produkt <strong>im</strong><br />
46 Bei einem Konsignationslager ist der Lagerbestand zwar <strong>im</strong> Besitz des <strong>Krankenhaus</strong>es, aber noch <strong>im</strong> Eigen-<br />
tum des Lieferanten. Der Eigentumsübergang erfolgt bei Entnahme. Somit wird erst <strong>im</strong> Bedarfsfall eine<br />
Rechnung fällig [vgl. Bichler et al. 2005, S. 98].<br />
47 Die Produktbezeichnung auf den Barcode-Karten basiert auf der European Article Number (EAN). Es kann<br />
allerdings vorkommen, dass für best<strong>im</strong>mte Artikel noch keine Nummer vergeben wurde. In dem Falle erfolgt<br />
die Bedarfsmeldung manuell in der Webshop-Applikation.
Analyse des Gestaltungsbereiches 83<br />
DPS gesucht und – falls <strong>im</strong> Standardsort<strong>im</strong>ent des <strong>Krankenhaus</strong>es vorhanden – eine<br />
elektronische Materialanforderung erzeugt werden. Für Nicht-Sort<strong>im</strong>entsartikel ist ein<br />
Papierformular mit den entsprechenden Produkt- und Lieferanteninformationen und<br />
Mengenangaben auszufüllen. Zusätzlich muss das Formular mit der Referenz eines<br />
leitenden Arztes versehen werden.<br />
Zur Ermittlung der Bedarfe wird nach dem Bestellpunkteverfahren vorgegangen. Da-<br />
bei werden für jeden Sort<strong>im</strong>entsartikel ein Sicherheitsbestand, ein Meldebestand und<br />
ein Höchstbestand festgelegt. Diese werden monatlich mittels Bestellhistorie auf<br />
massgebliche Abweichungen überprüft und allenfalls angepasst. Bei Unterschreitung<br />
eines Bestellpunktes wird <strong>im</strong> DPS ein Bestellvorschlag automatisch generiert (vgl.<br />
Abbildung 34).<br />
Abbildung 34: Vorgang der Bedarfsermittlung Fall A
84 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
Vorgang der Bestellabwicklung<br />
Der Einkaufsverantwortliche erzeugt aufgrund der <strong>im</strong> DPS gebündelten Materialan-<br />
forderungen einmal pro Woche eine Bestellung. Da die besagte Applikation eine<br />
Schnittstelle zu zwei E-Marktplätzen aufweist, erfolgt die Bestellübermittlung an die<br />
Lieferanten in 80% der Fälle elektronisch. Für Lieferanten, welche die elektronische<br />
Bestellabwicklung nicht unterstützen, wird die Bestellung sonst per Fax gesendet (vgl.<br />
Abbildung 35).<br />
Produktalternative<br />
suchen<br />
nein<br />
Produkt- und<br />
Lieferanteninformationen<br />
von Service Provider<br />
Mapping der<br />
Produkt- und<br />
Lieferanteninformationen<br />
auf DPS<br />
Produktinformationen<br />
an DPS<br />
Materialanforderung<br />
prüfen<br />
Materialanforderung<br />
in Ordnung<br />
ja<br />
Stammdaten<br />
suchen<br />
Daten<br />
vorhanden<br />
ja<br />
Stammdaten<br />
übernehmen<br />
Bestellpunkt<br />
erfassen<br />
Materialanforderung<br />
erfassen<br />
Apotheke (Lead-Buyer)<br />
ja<br />
nein<br />
Wöchentliche<br />
Bestellabwicklung<br />
PapierbasierteMaterialanforderung<br />
Stammdaten<br />
erfassen<br />
nein<br />
Bestellung<br />
erzeugen<br />
Bestellung<br />
senden<br />
Mapping der<br />
Produkt- und<br />
Lieferanteninformationen<br />
auf E-Marktplatz<br />
Abbildung 35: Vorgang Bestellabwicklung Fall A<br />
Fax<br />
Lieferant<br />
Bestellung<br />
entgegennehmen<br />
Bestellung<br />
bearbeiten<br />
Wareneingang<br />
In Falle einer Sonderbestellung wird zunächst geprüft, ob ein Sort<strong>im</strong>entsentscheid hin-<br />
sichtlich des geforderten Produkts hängig ist und die notwendigen Angaben vorhanden<br />
sind. Wird ein Produkt von der Arzne<strong>im</strong>ittelkommission resp. Einkaufskommission
Analyse des Gestaltungsbereiches 85<br />
verweigert, wird eine entsprechende Alternative aus dem bestehenden Sort<strong>im</strong>ent ge-<br />
sucht. Wird das Produkt von der Arzne<strong>im</strong>ittelkommission resp. Einkaufskommission<br />
bewilligt, werden die Produkt- und Lieferanteninformation zunächst auf einer von ei-<br />
nem externen Service Provider gehosteten Datenbank gesucht und falls die gewünsch-<br />
ten Informationen dort vorhanden sind, in das DPS integriert oder ansonsten manuell<br />
erfasst. Darüber hinaus werden die Produkt- und Lieferanteninformationen mit zusätz-<br />
lichen Informationen wie Mindestmengen, Lieferkonditionen etc. ergänzt. Schliesslich<br />
wird die Bedarfsmeldung nochmals elektronisch <strong>im</strong> DPS erfasst, um die reguläre Be-<br />
stellabwicklung anzustossen.<br />
Vorgang der Wareneingangskontrolle<br />
Verantwortliche Organisationseinheit für die Entgegennahme von Bestellungen ist das<br />
Zentrallager. 48 Aufgabe der Mitarbeitenden ist es, manuell zu überprüfen, ob die erhal-<br />
tene Bestellung mit dem Lieferschein übereinst<strong>im</strong>mt. Ist dies der Fall, wird der Zu-<br />
stand der Lieferung optisch geprüft und anschliessend der Wareneingang per Barcode<br />
registriert bzw. wenn keine EAN-Produktbezeichnung verfügbar ist, die Angaben ma-<br />
nuell erfasst. Werden Unst<strong>im</strong>migkeiten <strong>im</strong> Lieferschein gefunden oder ist die Liefe-<br />
rung beschädigt, wird dem Lieferanten i. d. R. per Fax eine Beschwerde eingereicht.<br />
Im Zentrallager wird auch die Rechnungsstellung der Lieferanten überprüft. Rechnun-<br />
gen treffen generell in Papierform ein. Um die Rechnungsinformationen mit den Be-<br />
stellinformationen abzugleichen, werden in nicht spezifizierten Abständen die Bestell-<br />
daten des DPS ausgedruckt und manuell auf Unst<strong>im</strong>migkeiten überprüft. Die Zuwei-<br />
sung von Bestellungen und Rechnungen erweist sich als schwierig, da Teillieferungen<br />
durch die Lieferanten häufig vorkommen und dementsprechend <strong>of</strong>t auch Teilbeträge in<br />
Rechnung gestellt werden.<br />
Konnte eine Rechnung einer Bestellung eindeutig zugewiesen werden, werden die<br />
Rechnungsinformationen manuell <strong>im</strong> Enterprise Resource Planning (ERP) System des<br />
<strong>Krankenhaus</strong>es erfasst. Die Zahlungsabwicklung wird durch das Rechnungswesen<br />
durchgeführt.<br />
Der Vorgang der Wareneingangsabwicklung ist in Abbildung 36 nochmals grafisch<br />
dargestellt.<br />
48 Einzige Ausnahme sind die Stationslager der Chirurgie, welche mit speziellen Artikeln wie z. B. sterilen<br />
Operationssets direkt beliefert werden. Die Erfassung der Bedarfe und die Bestellabwicklung erfolgen de-<br />
ckungsgleich wie für die anderen Bereiche.
86 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
Lieferant<br />
Bestellung<br />
Material<br />
senden<br />
Rechnung<br />
senden<br />
Beschwerde<br />
bearbeiten<br />
Papierformular<br />
Bestellinformationen<br />
aus E-Marktplatz<br />
Rechnungsinformationen<br />
an ERP-System<br />
Material<br />
entgegennehmen<br />
Rechnung<br />
entgegennehmen<br />
Bestelldaten<br />
ausdrucken<br />
Bestellung<br />
zuweisen<br />
Bestellung<br />
st<strong>im</strong>mt mit<br />
Rechnung<br />
überein<br />
ja<br />
Rechnung<br />
erfassen<br />
Zentrallager<br />
Lieferschein<br />
prüfen<br />
Material<br />
entspricht<br />
Lieferschein<br />
ja<br />
Material<br />
prüfen<br />
Material<br />
optisch in<br />
Ordnung<br />
ja<br />
Material<br />
scannen<br />
nein<br />
Abbildung 36: Vorgang Wareneingang Fall A<br />
Herausforderungen be<strong>im</strong> aktuellen Zustand<br />
nein<br />
nein<br />
Beschwerde<br />
senden<br />
Papierformular<br />
Fax<br />
Lieferinformationen<br />
an DPS<br />
Aufgrund der hohen Standardisierung des Sort<strong>im</strong>ents und der zentralisierten Bestell-<br />
abwicklung und Wareneingangskontrolle konnten nur geringfügige Unzulänglichkei-<br />
ten identifiziert werden. In Bezug auf die Prozesskosten spielt insbesondere die auf-<br />
wendige Gegenüberstellung von Rechnungs- und Bestellinformationen eine gestal-<br />
tungsbedürftige Aktivität dar. Zudem kann aufgrund der fehlenden EAN-<br />
Kennzeichnung best<strong>im</strong>mter Artikel die Bestellabwicklung nicht vollends automatisiert<br />
werden. Dementsprechend ist heute der manuelle Aufwand trotz des hohen Automati-<br />
sierungsgrades in der Beschaffung <strong>im</strong>mer noch erheblich. Gerade die Planung der Be-<br />
darfe ist zeitaufwendig und hängt vom Erfahrungswissen des Einkaufsverantwortli-<br />
chen ab.
Analyse des Gestaltungsbereiches 87<br />
Die Produktkosten werden heute auf Grundlage einer klaren Segmentierung des Liefe-<br />
rantenportfolios opt<strong>im</strong>iert. Weitere Instrumente werden diesbezüglich nicht genutzt.<br />
Obgleich E-Marktplätze <strong>im</strong> Vergleich zur herkömmlichen Beschaffung viele zusätzli-<br />
che Informationen bieten, wird keine systematische Marktforschung betrieben. Die<br />
Bestellabwicklung wird deshalb ungeachtet der aktuellen Preis- und Lieferkonditionen<br />
vollzogen. Ausserdem ist die Best<strong>im</strong>mung neuer Lieferanten resp. alternativer Produk-<br />
te heute ein sehr langwieriges Prozedere (vierteljährliche Zusammenkunft der Arznei-<br />
mittel- und Einkaufskommission) und <strong>of</strong>tmals mit politischen Interessen verbunden.<br />
Folglich sind der Flexibilität der Beschaffung enge Grenzen gesetzt.<br />
4.2.2.4 Fall B: Dezentraler Einkauf in einem mittelgrossen <strong>Krankenhaus</strong><br />
Als zweiter Fall wurde ein mittelgrosses <strong>Krankenhaus</strong> mit 530 Betten und vorwiegend<br />
dezentralem <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> untersucht. Jährlich werden rund 338'000 Patienten<br />
behandelt, was eine hohe Koordination der medizinischen und betriebswirtschaftlichen<br />
Fachbereiche erfordert.<br />
Zum Zeitpunkt der Untersuchung war, trotz dieses hohen Patientendurchlaufs und ei-<br />
nem entsprechendem Einkaufsvolumen von rund 63 Mio. CHF 49 , keine Beschaffungs-<br />
funktion in der Aufbaustruktur des <strong>Krankenhaus</strong>es zu finden. Nebst des internen<br />
Transports und der Entsorgung der Materialien wurde die Bestellabwicklung und Wa-<br />
renannahme von Standardartikeln <strong>im</strong>plizit durch den Funktionsbereich „Logistik“ be-<br />
werkstelligt.<br />
Mittlerweile ist der Einkauf <strong>im</strong> betreffenden <strong>Krankenhaus</strong> zu einer eigenständigen<br />
Funktion mit klarem Leistungsauftrag zusammengefasst worden. Die weiteren Aus-<br />
führungen widerspiegeln demnach nicht die aktuelle Sachlage, sondern den Zustand<br />
zum Erhebungszeitpunkt. Ziel ist es, die wesentlichen Aufgaben eines dezentralen<br />
<strong>Krankenhaus</strong>einkaufs und die damit verbundenen Herausforderungen zu illustrieren.<br />
Strategische Ausrichtung der Beschaffung<br />
Aufgrund der historisch gewachsenen Strukturen besitzt die Beschaffung einen mässi-<br />
gen Stellenwert <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>es („Bestellbüro“). Die Zusammenarbeit mit den an-<br />
deren Fachbereichen, insbesondere mit der Pflege, ist angespannt und die Zufrieden-<br />
heit der Mitarbeitenden der Logistik sowie der für die Beschaffung verantwortlichen<br />
49 Der ausgewiesene Betrag ist eine Schätzung des interviewten Logistikverantwortlichen und bezieht sich<br />
lediglich auf die Beschaffung von Medizinprodukten.
88 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
Pflegenden ist gering. Die Fluktuation der Mitarbeitenden ist dementsprechend hoch<br />
(ca. 20-25% des Personals in den erwähnten Bereichen).<br />
Da kein klarer Leistungsauftrag vergeben wurde, sind keine verbindlichen strategi-<br />
schen und operativen Zielsetzungen definiert. Demgemäss ist die Zusammenarbeit mit<br />
Lieferanten <strong>of</strong>tmals unverbindlich und opportunistisch. Auch verhindert der fehlende<br />
Einfluss auf die Fachbereiche die Bildung langfristiger Kooperationen. Folglich ist das<br />
Sort<strong>im</strong>ent nicht auf die Leistungsfähigkeit der Lieferanten, sondern auf die subjektiven<br />
Bedürfnissen der Bedarfsträger ausgerichtet.<br />
Vorgang der Bedarfsermittlung<br />
Ungleich wie be<strong>im</strong> ersten Fall wird in diesem <strong>Krankenhaus</strong> keine routinisierte Planung<br />
und Analyse der Bedarfe durchgeführt. Die Beschaffung wird dahingegen ad hoc<br />
durch die Bedarfsmeldung der Fachbereiche angestossen.<br />
Für die Meldung der Bedarfe wird <strong>im</strong> untersuchten <strong>Krankenhaus</strong> ebenfalls ein DPS<br />
eingesetzt. Allerdings werden in der betreffenden Applikation ausschliesslich Lagerar-<br />
tikel geführt, welche lediglich 17% des gesamten Sort<strong>im</strong>ents ausmachen. 50<br />
Die restlichen 83% der Materialien sind Durchlaufartikel und werden direkt durch die<br />
Bedarfsträger per Fax be<strong>im</strong> Lieferanten bestellt. Folglich ist die Informationsbasis der<br />
Logistikabteilung sehr dürftig und erlaubt nur begrenzte Rückschlüsse auf den<br />
Verbrauch und das Bestellverhalten der Stationen. Aufgrund der grosszügigen Platz-<br />
verhältnisse <strong>im</strong> Zentrallager werden deshalb sämtliche Lagerartikel in relativ grossen<br />
Mengen vorrätig gehalten, was zu einer hohen Kapitalbindung führt. Infolge des un-<br />
kontrollierten Bestellverhaltens der Stationen wird weiterhin davon ausgegangen, dass<br />
auch dort ansehnliche Lagerbestände vorzufinden sind.<br />
Der Vorgang der dezentralen Bedarfsmeldung ist in nachfolgender Abbildung 37 gra-<br />
fisch dargestellt.<br />
50 Im untersuchten <strong>Krankenhaus</strong> werden Artikel, die von mehr als zwei Fachbereichen regelmässig angefordert<br />
werden, als Lagerartikel klassifiziert. Artikel, die bereits schon einmal beschafft wurden, aber gegenwärtig<br />
nur von einem Fachbereich benötigt werden, gelten als Durchlaufartikel. Es ist anzunehmen, dass weitere Ar-<br />
tikel bestellt werden, die sich der Kenntnis der Logistikabteilung entziehen.
Analyse des Gestaltungsbereiches 89<br />
Lieferant<br />
Bestellung<br />
entgegennehmen<br />
Bestellung<br />
bearbeiten<br />
Wareneingang<br />
Vorgang der Bestellabwicklung<br />
Bedarf tritt auf<br />
Material in<br />
Stationslager<br />
vorhanden<br />
nein<br />
Im<br />
Sort<strong>im</strong>ent<br />
nein<br />
Bestellung<br />
erzeugen<br />
Bestellung<br />
senden<br />
Station Logistik<br />
ja<br />
ja<br />
Material<br />
aus Schrank<br />
entnehmen<br />
Materialanforderung<br />
erzeugen<br />
Produktinformationen<br />
an DPS<br />
Abbildung 37: Vorgang Bedarfsermittlung Fall B<br />
Fax<br />
Materialanforderung<br />
bündeln<br />
Bestellabwicklung<br />
Die Bestellabwicklung der <strong>im</strong> DPS angeforderten Lagerartikel erfolgt einmal pro Wo-<br />
che durch den Logistikverantwortlichen. Hierfür wird zunächst eine <strong>List</strong>e mit den Ma-<br />
terialanforderungen ausgedruckt. Diese dient als Grundlage zur Suche der angeforder-<br />
ten Materialien in einem vordefinierten elektronischen Produktkatalog eines Service<br />
Providers. 51 Aufgrund der Personalisierung des Produktkatalogs ist die Suche relativ<br />
einfach, allerdings müssen die einzelnen Bestellpositionen der <strong>List</strong>e manuell übertra-<br />
gen werden, was folglich fehleranfällig und zeitaufwendig ist. Nach Erfassung der Be-<br />
stellungen werden diese per Fax automatisch an die Lieferanten übermittelt (vgl. Ab-<br />
bildung 38).<br />
51 Die Stammdaten für das DPS werden direkt aus dem Katalog übernommen, allerdings bestand zum Zeitpunkt<br />
der Untersuchung noch kein funktionierendes Mapping-Verfahren für die direkte Übermittlung der Material-<br />
anforderungen.
90 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
Vorgang der Wareneingangskontrolle<br />
Abbildung 38: Vorgang Bestellabwicklung Fall B<br />
Das dezentrale <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> erschwert insbesondere den Vorgang der Waren-<br />
eingangskontrolle, da mehrere Orte mit Waren beliefert werden (Zentrallager und die<br />
unterschiedlichen Stationen). Wegen der vielen Anlieferorte kommt es häufig vor, dass<br />
die Waren einem falschen Fachbereich zugestellt werden resp. die Logistik Lieferun-<br />
gen erhält, von denen sie keine Bestellinformationen besitzt. Folglich wird <strong>im</strong> betrach-<br />
teten <strong>Krankenhaus</strong> viel Zeit aufgewendet, um den richtigen Empfänger einer Lieferung<br />
zu eruieren resp. falsch zugestellte Lieferungen zu finden.<br />
Gelangen die bestellten Produkte direkt zur Station, so wird i. d. R. der Lieferschein<br />
geprüft und bei Unst<strong>im</strong>migkeiten der Logistikabteilung zur Abklärung weitergeleitet.<br />
Die Rechnungserfassung wird ebenfalls der Logistikabteilung übergeben. Diese nutzt<br />
diese Gelegenheit zur annähernden Best<strong>im</strong>mung des Einkaufsvolumens der einzelnen<br />
Fachbereiche.
Analyse des Gestaltungsbereiches 91<br />
Werden die bestellten Produkte zur Logistikabteilung geschickt, werden zunächst der<br />
Lieferschein und der Zustand der Materialien überprüft. Konnten keine Fehler gefun-<br />
den werden, wird der Wareneingang manuell erfasst. Bei Unst<strong>im</strong>migkeiten wird dem<br />
entsprechenden Lieferanten eine Beschwerde per Fax zugestellt. Rechnungen werden<br />
gleich wie be<strong>im</strong> Fall A erst nach Überprüfung der Bestelldaten erfasst. Hierfür werden<br />
die gedruckten Faxberichte resp. das DPS zur Hilfe genommen. Die Begleichung der<br />
Rechnung wird durch das Rechnungswesen vollzogen.<br />
Abbildung 39 visualisiert die einzelnen Aktivitäten der Wareneingangskontrolle bei<br />
einer dezentral ausgerichteten Beschaffung.<br />
Station<br />
Material<br />
entgegennehmen<br />
Lieferschein<br />
prüfen<br />
Material<br />
entspricht<br />
Lieferschein<br />
nein<br />
Lieferschein<br />
weiterleiten<br />
Rechnung<br />
entgegennehmen<br />
Rechnung<br />
weiterleiten<br />
Lieferant<br />
Bestellung<br />
Material<br />
senden<br />
Rechnung<br />
senden<br />
Beschwerde<br />
bearbeiten<br />
Material<br />
entgegennehmen<br />
Rechnung<br />
entgegennehmen<br />
Bestelldaten<br />
prüfen<br />
Bestellung<br />
einer<br />
Rechnung<br />
zuweisen<br />
Bestellung<br />
st<strong>im</strong>mt mit<br />
Rechnung<br />
überein<br />
ja<br />
Rechnung<br />
erfassen<br />
Logistik<br />
Lieferschein<br />
prüfen<br />
Material<br />
entspricht<br />
Lieferschein<br />
ja<br />
Material<br />
prüfen<br />
Material<br />
optisch in<br />
Ordnung<br />
ja<br />
Material<br />
erfassen<br />
nein<br />
nein<br />
Rechnungsinformationen<br />
an ERP-System<br />
Abbildung 39: Vorgang Wareneingang Fall B<br />
Fax<br />
nein<br />
Papierformular<br />
Beschwerde<br />
senden<br />
Fax<br />
Lieferinformationen<br />
an DPS
92 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
Herausforderungen be<strong>im</strong> aktuellen Zustand<br />
Das <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> <strong>im</strong> betrachteten <strong>Krankenhaus</strong> zeigt weitaus mehr Gestal-<br />
tungspotentiale als <strong>im</strong> ersten Fall. In Bezug auf die kostenorientierte Opt<strong>im</strong>ierung des<br />
Einkaufs ist durch die direkte Bestellabwicklung seitens der Stationen die Möglichkeit<br />
zur Bestellopt<strong>im</strong>ierung weitestgehend genommen. Zudem wird dadurch die Material-<br />
bewirtschaftung (z. B. Warenannahme, Beschwerdemanagement) massiv erschwert<br />
und eine ordentliche Bedarfsplanung und -analyse unmöglich gemacht.<br />
Aufgrund der dezentralen Abwicklung entstehen auch hohe Prozesskosten. Beispiels-<br />
weise verbringt das Pflegepersonal <strong>im</strong> besagten <strong>Krankenhaus</strong> durchschnittlich bis zu<br />
50 Minuten pro Tag mit Aktivitäten für die Beschaffung und Lagerbewirtschaftung<br />
von Materialien. Auch für die Logistik entstehen insbesondere wegen der zahlreichen<br />
Abklärungen (z. B. Falschlieferungen, fehlende Liefer- und Bestellinformationen etc.)<br />
hohe Prozesskosten. Zum Beispiel können von den Rechnungen, die von den Stationen<br />
an die Logistik weitergeleitet werden, nur knapp 36% einem Bedarfsträger zugewiesen<br />
werden. Dies hat zur Folge, dass viele Positionen als Gemeinkosten verbucht werden<br />
und demnach eine verursachergerechte Kostenabrechnung verunmöglicht. Auch kön-<br />
nen wegen der fehlenden Kontrollmechanismen keine genauen Einschätzungen hin-<br />
sichtlich des Einkaufsvolumens, Lagerwerts usw. gemacht werden.<br />
Die grösste Herausforderung in Bezug auf die Prozesskostenopt<strong>im</strong>ierung stellt jedoch<br />
die Fluktuation des Personals dar und führt dazu, dass die Ansprechpartner ständig<br />
wechseln und dementsprechend keine langfristige Zusammenarbeit gepflegt werden<br />
kann. Da die Beschaffung pr<strong>im</strong>är durch das Pflegepersonal durchgeführt wird, kann<br />
dies folglich auch einen Einfluss auf die Lieferantenbeziehung haben. Versuche, so-<br />
wohl die Mitarbeitenden der Logistik als auch das Pflegepersonal langfristig auf eine<br />
gemeinsame Linie zu bringen scheiterten, nicht zuletzt auch wegen der fehlenden Un-<br />
terstützung des <strong>Management</strong>s.<br />
4.2.2.5 Fall C: Zentraler Einkauf in einem grossen <strong>Krankenhaus</strong><br />
Um die Charakterzüge eines zentral organisierten Einkaufs zu ergründen, wurde ein<br />
<strong>Krankenhaus</strong> der Zentrumsversorgung mit rund 730 Betten und 193'000 Patienten pro<br />
Jahr untersucht. Die Leistungserbringung verteilt sich auf mehr als 40 Spezialkliniken<br />
und Institute und ist <strong>im</strong> Vergleich zu den anderen betrachteten Krankenhäusern breiter<br />
gefächert.<br />
Organisatorisch wird der Einkauf als eigenständige Funktion geführt und ist zusam-<br />
men mit der Logistik, dem Hausdienst, dem Technischen Dienst sowie der Gastrono-
Analyse des Gestaltungsbereiches 93<br />
mie dem Fachbereich „Betrieb“ unterstellt. Aufgabe des Einkaufs ist, nebst der Ver-<br />
sorgung der Kliniken mit Medizinprodukten, auch die Beschaffung von Investitionsgü-<br />
tern und Dienstleistungen. Aufgrund historisch gewachsener Strukturen wird die Arz-<br />
ne<strong>im</strong>ittelversorgung durch die Apotheke sichergestellt. Das vom Einkauf zu beschaf-<br />
fende Sort<strong>im</strong>ent umfasst ca. 14'000 Medizinprodukte, was einem Einkaufsvolumen<br />
von rund 70 Mio. CHF pro Jahr entspricht.<br />
Strategische Ausrichtung der Beschaffung<br />
Der Einkauf wird wesentlich von den Lagerkapazitäten des Zentrallagers beeinflusst.<br />
Die Aufnahmefähigkeit ist aufgrund der baulichen Verhältnisse äusserst begrenzt. Dies<br />
führt dazu, dass die Bewirtschaftung der Lager vorwiegend dezentral, auf den Statio-<br />
nen durchgeführt wird. Im Zentrallager werden lediglich besonders sperrige oder kriti-<br />
sche Artikel vorrätig gehalten. Für den Einkauf ist die genaue Best<strong>im</strong>mung der Lager-<br />
kapazitäten und Bedarfe deshalb ausserordentlich wichtig. Allerdings ist aus heutiger<br />
Sicht der dafür notwendige Informationsfluss noch nicht ausreichend gewährleistet.<br />
Ziel des Einkaufsverantwortlichen ist es, sowohl die internen Informationsflüsse zu<br />
opt<strong>im</strong>ieren, als auch die externe Zusammenarbeit mit Lieferanten und anderen Kran-<br />
kenhäusern zu intensivieren (z. B. versucht man die Lagerbewirtschaftung best<strong>im</strong>mter<br />
Materialien an Lieferanten oder an Logistikdienstleister auszulagern). Zum Zeitpunkt<br />
der Untersuchung war die Kooperation mit Lieferanten auf wenige Bereiche be-<br />
schränkt (z. B. Vendor Managed Inventory in der Chirurgie) und die Einkaufsgemein-<br />
schaft <strong>im</strong> Aufbau begriffen, weshalb dies in der Fallbeschreibung nicht weiter detail-<br />
liert wird.<br />
Vorgang der Bedarfsermittlung<br />
Die Ermittlung der Bedürfnisse erfolgt sowohl bedarfsgesteuert als auch geplant. Da<br />
nicht genügend Ressourcen für die Unterstützung der Bestellaufnahme auf den Statio-<br />
nen vorhanden sind und die Stationslager nicht elektronisch bewirtschaftet werden,<br />
erfolgt die Bedarfsermittlung dezentral durch die Bedarfsträger selbst. Diese können<br />
<strong>im</strong> Bedarfsfall per DPS sämtliche Produkte anfordern. Dabei können zwei Fälle unter-<br />
schieden werden: Sort<strong>im</strong>entsartikel können mittels vorkonfiguriertem Produktkatalog<br />
angefordert werden (wiederkehrende Bestellpositionen werden gemerkt und automa-<br />
tisch be<strong>im</strong> nächsten Mal aufgelistet). Sonderbestellungen müssen in einem Freitextfeld<br />
genau spezifiziert werden (Produkt- und Lieferanteninformationen, ungefährer Preis,<br />
Verwendungszweck). Die direkte Bestellung be<strong>im</strong> Lieferanten ist nicht erlaubt und
94 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
wird nur in Ausnahmefällen gestattet (Involvierung des Einkaufs ist Pflicht; die Kon-<br />
trollmöglichkeiten sind allerdings beschränkt).<br />
Da der Wareneingang und die Warenentnahme auf den Stationslagern nicht elektro-<br />
nisch erfasst werden, kann eine genaue Planung der Bedarfe nur für die Artikel durch-<br />
geführt werden, welche <strong>im</strong> Zentrallager verwaltet sind. Diese machen jedoch nur<br />
knapp 10% des Sort<strong>im</strong>ents aus.<br />
Gleich wie <strong>im</strong> ersten Fall wird die Planung der Bedarfe systemtechnisch unterstützt,<br />
indem anhand der registrierten Warenein- und -abgänge Bestellvorschläge generiert<br />
werden. Diese dienen den Einkäufern als Basis für die Bestellabwicklung der Zentral-<br />
lagerartikel (vgl. Abbildung 40).<br />
Vorgang der Bestellabwicklung<br />
Abbildung 40: Vorgang Bedarfsermittlung Fall C<br />
Da täglich bis zu 1'000 Materialanforderungen be<strong>im</strong> Einkauf eintreffen, ist die Bestell-<br />
abwicklung nicht auf einen fixen Wochentag festgelegt, sondern wird kontinuierlich<br />
ausgeführt. Dabei wird versucht die einzelnen Bedarfsmeldungen nach Dringlichkeit<br />
abzuarbeiten und weniger dringliche Anforderungen so gut wie möglich zu bündeln<br />
(insbesondere bei Sort<strong>im</strong>entsartikeln). Der Vorgang der Bestellabwicklung ist dabei
Analyse des Gestaltungsbereiches 95<br />
zweigeteilt (vgl. Abbildung 41): Bei regulären Materialanforderungen werden die ein-<br />
zelnen Bestellpositionen <strong>im</strong> DPS zusammengefasst und anschliessend ein Bestellauf-<br />
trag ausgedruckt. Die Übermittlung an die entsprechenden Lieferanten erfolgt per Fax.<br />
Bei Sonderbestellungen, die als Freitext <strong>im</strong> DPS erfasst wurden, wird zunächst ge-<br />
prüft, ob das angeforderte Produkt nicht bereits <strong>im</strong> Sort<strong>im</strong>ent aufgenommen ist. Ist<br />
dies nicht der Fall, wird <strong>im</strong> Internet nach einem adäquaten Lieferanten gesucht. Die<br />
Suche ist gleich wie die Bedarfsmeldung i. d. R. unstrukturiert, zeitaufwendig und be-<br />
nötigt teilweise diffizile Abklärungen. Um den Aufwand für eine wiederkehrende Be-<br />
schaffung zu min<strong>im</strong>ieren, werden bei erfolgreicher Identifizierung eines Lieferanten<br />
die dazugehörigen Stammdaten manuell erfasst. Die Auslösung der Bestellung erfolgt<br />
danach analog wie bei einer regulären Materialanforderung.<br />
Unstrukturierte<br />
Information<br />
aus DPS<br />
Internet<br />
Produktinformationen<br />
an DPS<br />
Materialanforderung<br />
prüfen<br />
Im Sort<strong>im</strong>ent<br />
nein<br />
Produkt<br />
suchen<br />
Stammdaten<br />
erfassen<br />
Materialanforderung<br />
erfassen<br />
ja<br />
Einkauf<br />
Bedarfsmeldung<br />
UnstrukturierteMaterialanforderung<br />
Vorgang der Wareneingangskontrolle<br />
ja<br />
nein<br />
Bestellung<br />
erzeugen<br />
Produktinformationen<br />
aus DPS<br />
Bestellung<br />
drucken<br />
Bestellung<br />
senden<br />
Abbildung 41: Vorgang Bestellabwicklung Fall C<br />
Fax<br />
Lieferant<br />
Bestellung<br />
entgegennehmen<br />
Bestellung<br />
bearbeiten<br />
Wareneingang<br />
Aufgrund der Grösse des untersuchten <strong>Krankenhaus</strong>es wird die Entgegennahme der<br />
bestellten Materialien nicht durch den Einkauf, sondern durch das Zentrallager ver-
96 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
richtet. Dieses ist vom Einkauf sowohl örtlich als auch organisatorisch getrennt. Die<br />
Erfassung der Wareneingänge geschieht dabei analog wie bei den vorherigen Fallbe-<br />
schreibungen (vgl. Abbildung 42).<br />
Ein massgeblicher Unterschied ist jedoch in der Handhabung des Beschwerdemana-<br />
gements zu finden. Anders als bei den anderen Fällen wird hier versucht, sämtliche<br />
Kontakte zu den Lieferanten durch den Einkauf zu lenken (Single Point <strong>of</strong> Contact).<br />
Dadurch entsteht intern zwar ein höherer Koordinationsaufwand, da sich das Zentral-<br />
lager sowie die Fachbereiche <strong>im</strong> Falle von Unst<strong>im</strong>migkeiten mit dem Einkauf abspre-<br />
chen müssen, allerdings kann der Einkauf so die Kommunikation mit den Lieferanten<br />
pr<strong>of</strong>essionalisieren [vgl. z. B. Mühlmeyer, Belz 2003, S. 585 f.].<br />
Abbildung 42: Vorgang Wareneingang Fall C
Analyse des Gestaltungsbereiches 97<br />
Herausforderungen be<strong>im</strong> aktuellen Zustand<br />
Das breite Leistungsspektrum, welches das untersuchte <strong>Krankenhaus</strong> erbringen muss,<br />
erfordert eine hohe Flexibilität in der Beschaffung. Demzufolge werden die speziellen<br />
Bedürfnisse der medizinischen Fachbereiche laufend registriert und das Sort<strong>im</strong>ent<br />
dementsprechend angepasst. Zu Gunsten der Erfüllung der spezifischen Wünsche der<br />
Bedarfsträger wird jedoch auf grössere Bündelungseffekte durch Standardisierung des<br />
Sort<strong>im</strong>ents und Segmentierung der Lieferantenbasis verzichtet.<br />
Dadurch entstehen auch höhere Prozesskosten. Die (unstrukturierte) Suche neuer Pro-<br />
dukte n<strong>im</strong>mt einen Grossteil der Zeit der Einkäufer in Anspruch. Zudem bedingen die<br />
zahlreichen Medienbrüche, gleich wie bei den anderen Krankenhäusern, einen erhöh-<br />
ten Erfassungsaufwand, was nicht zuletzt auch einen Einfluss auf die Datenqualität<br />
hat. Schliesslich verursacht die dezentrale und lose gekoppelte Verwaltung der Stati-<br />
onslager ebenfalls Mehrkosten wegen einer <strong>of</strong>tmals bewusst übermässigen Vorratsbil-<br />
dung.<br />
In Bezug auf netzwerkspezifische Zielsetzungen des Einkaufs besteht ähnlich wie<br />
be<strong>im</strong> zweiten Fall aufgrund fehlender personeller Kapazitäten für die Bedarfsaufnah-<br />
me auf den Stationen lediglich ein indirekter Kontakt mit den Bedarfsträgern. Dies<br />
führt dazu, dass der Stellenwert der Beschaffung <strong>im</strong> untersuchten <strong>Krankenhaus</strong> von<br />
den einzelnen Fachbereichen höchst unterschiedlich bewertet wird und die interne Ko-<br />
operationsbereitschaft nicht überall gleich vorhanden ist. Diese wird aber für die ange-<br />
strebte Pr<strong>of</strong>essionalisierung des Lieferantenbeziehungsmanagements sowie für die<br />
Bildung der Einkaufsgemeinschaft vorausgesetzt.<br />
4.3 Zusammenfassung der Ergebnisse<br />
Die Literaturanalyse und Fallstudien haben gezeigt, dass die gegenwärtige Reife des<br />
<strong>Krankenhaus</strong>einkaufs eher unterentwickelt ist. Die Herausforderungen hinsichtlich der<br />
Beschaffung in Krankenhäusern sind vielschichtig:<br />
� Interne Positionierung (Verhalten): Krankenhäuser sind traditionell durch ihre un-<br />
terschiedlichen Berufsgruppen geprägt [vgl. Glouberman, Mintzberg 2001, S.<br />
59]. 52 Da die Beschaffung eine sekundäre, nicht-medizinische Aktivität darstellt,<br />
52 Mit 37,2% der Mitarbeitenden repräsentieren die Pflegenden die zahlenmässig stärkste Berufsgruppe. Die<br />
Ärzteschaft macht 14,9% und andere medizinische Fachbereiche rund 23,4% der Belegschaft aus. Die restli-<br />
chen 24,5% der Mitarbeitenden arbeiten in technischen (z. B. Informatik, Facility <strong>Management</strong>) oder be-<br />
triebswirtschaftlichen Bereichen (z. B. Rechnungswesen, Einkauf) [vgl. Bundesamt für Statistik 2009].
98 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
wird der Stellenwert der Einkaufsorganisation generell als gering eingeschätzt. Die<br />
bewusste Umgehung des Einkaufs wird seitens des <strong>Krankenhaus</strong>managements heu-<br />
te <strong>im</strong>mer noch toleriert.<br />
� Externe Positionierung (Macht): Die Kooperation mit Lieferanten, als auch mit<br />
anderen Krankenhäusern ist erst <strong>im</strong> Aufbau begriffen. Angesichts des geringen<br />
Stellenwerts des Einkaufs und der daraus resultierenden mangelnden Verbindlich-<br />
keit der Verträge (z. B. Aushebelung durch Maverick Buying) versuchen Lieferan-<br />
ten deshalb direkt mit den Fachbereichen zu verhandeln [vgl. Drauschke 2002, S.<br />
24].<br />
� Fehlendes Know-how (Führung): Der Einkauf konzentriert sich heute weitestge-<br />
hend auf operative Beschaffungsaktivitäten (z. B. Bestellabwicklung, Warenein-<br />
gang) und bestärkt dadurch (bewusst oder auch unbewusst) die ihm zuerkannte<br />
Rolle des Bestellbüros. Das Wissen zur Organisierung eines strategischen und tak-<br />
tischen <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s fehlt.<br />
� Unklare strategische Ausrichtung (Strategie): Die strategische Ausrichtung des<br />
Einkaufs ist heute <strong>of</strong>tmals undurchsichtig oder durch die medizinischen und be-<br />
triebswirtschaftlichen Fachbereiche fremdbest<strong>im</strong>mt. Eine Weiterentwicklung des<br />
Einkaufs scheitert, weil die erforderlichen Veränderungen nicht klar kommuniziert<br />
werden können.<br />
� Mässiger Prozessgedanke (Organisation): Die betrachteten Prozesse weisen zahl-<br />
reiche Medienbrüche auf und werden i. d. R. nicht quantitativ geführt. Die beschaf-<br />
fungsrelevanten Aktivitäten können deswegen nicht effektiv kontrolliert und ge-<br />
steuert werden.<br />
� Überholte Applikationslandschaft (Technologie): Die systemtechnische Unterstüt-<br />
zung der Beschaffungsfunktion ist heute eher gering [vgl. Fitterer, Rohner 2009, S.<br />
10] und nur ansatzweise mit anderen Applikationen integriert [vgl. Khoumbati et<br />
al. 2006, S. 72]. Die Effizienz der Einkaufsprozesse ist dementsprechend geschmä-<br />
lert und ein weiterer Grund, warum strategische und taktische Aufgaben nicht<br />
wahrgenommen werden können.<br />
Auf Grundlage der in Kapitel 2.5 abgeleiteten materiellen Anforderungen für die Arte-<br />
faktkonstruktion können nun formellen Anforderungen an das zu entwickelnde Reife-<br />
gradmodell wie folgt abstrahiert werden:
Analyse des Gestaltungsbereiches 99<br />
� Ganzheitlichkeit: Die Analyse des Gestaltungsbereiches hat ergeben, dass sowohl<br />
harte (z. B. schlechte Prozessunterstützung und -automation, geringe Integration<br />
der S<strong>of</strong>twarekomponenten, fehlende Infrastruktur) als auch weiche Faktoren (z. B.<br />
geringer Stellenwert der erbrachten Leistungen, mangelndes medizinisches und be-<br />
triebswirtschaftliches Fachwissen) den Grad der Pr<strong>of</strong>essionalität des Kranken-<br />
hauseinkaufs best<strong>im</strong>men. Im Hinblick auf eine ganzheitliche Beurteilung der Reife<br />
des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs können die folgenden Anforderungen spezifiziert werden<br />
(vgl. Tabelle 9):<br />
Gegenstand Anforderung Erläuterung<br />
Strategie Strategische Gestaltung<br />
Taktische Gestaltung<br />
Operative Gestaltung<br />
Organisation Prozessdefinition<br />
Prozessführung<br />
Prozessopt<strong>im</strong>ierung<br />
Technologie Automatisierung<br />
Führung-<br />
Verhalten-<br />
Macht<br />
Konnektivität<br />
Alignment<br />
Anreize<br />
Wissen<br />
Kooperation<br />
Das Reifegradmodell beinhaltet Gestaltungsob-<br />
jekte mit Rücksicht auf die strategische, taktische<br />
und operative Gestaltung des <strong>Supply</strong> Manage-<br />
ments in einem <strong>Krankenhaus</strong>.<br />
Das Reifegradmodell hilft einzuschätzen, inwie-<br />
fern die Prozesse und Praktiken des Einkaufs<br />
definiert, umgesetzt, geführt und opt<strong>im</strong>iert sind.<br />
Das Reifegradmodell hilft einzuschätzen, inwie-<br />
weit Technologien zur Automatisierung der Pro-<br />
zesse vorhanden und die existierenden Systeme<br />
mit anderen integriert sind.<br />
Das Reifegradmodell hilft einzuschätzen, wie<br />
umfangreich das Wissen, die Kooperationsinten-<br />
sität und die entsprechenden Anreizstrukturen<br />
ausgestaltet sind.<br />
Tabelle 9: Anforderungen in Bezug auf die Ganzheitlichkeit<br />
� Multiperspektivität: Auf Grundlage der Fallstudien kann geschlossen werden, dass<br />
sich der Entwicklungsstand der Beschaffung sowohl in strategischer, organisatori-<br />
scher, technologischer und kultureller Hinsicht in den einzelnen Krankenhäusern<br />
stark unterscheiden kann. Für diejenigen Krankenhäuser, welche einen geringen<br />
Entwicklungsstand aufweisen bzw. einen klar abgestuften Wandelprozess bevorzu-<br />
gen (mechanische Gestaltung), ist ein vorab definierter Entwicklungspfad vor-<br />
zugeben anhand dessen sie die Einkaufsorganisation ausrichten können. Für dieje-<br />
nigen Krankenhäuser, die bereits einen hohen Entwicklungsstand erreicht haben<br />
bzw. eine dynamischen Weiterentwicklung des Einkaufs favorisieren (organische<br />
Gestaltung), sollte die Möglichkeit zur selbstständigen und flexiblen Best<strong>im</strong>mung
100 Analyse des Gestaltungsbereiches<br />
der Entwicklungsrichtung bestehen. Daraus resultieren die folgenden Anforderun-<br />
gen (vgl. Tabelle 10):<br />
Wandel Anforderung Erläuterung<br />
Mechanisch/<br />
Revolutionär<br />
Organisch/<br />
Evolutionär<br />
Linearer<br />
Entwicklungspfad<br />
Dynamischer<br />
Entwicklungspfad<br />
Das Reifegradmodell weist einen linearen Entwick-<br />
lungspfad auf, der die Anwender bei der radikalen<br />
Fortentwicklung des Einkaufs unterstützt.<br />
Das Reifegradmodell weist einen anpassbaren Ent-<br />
wicklungspfad auf, der durch die Anwender flexibel<br />
festgelegt werden kann.<br />
Tabelle 10: Anforderungen in Bezug auf die Multiperspektivität<br />
� Situativität: Trägerschaft, Typologie sowie die organisatorische Einbettung inner-<br />
halb des <strong>Krankenhaus</strong>es best<strong>im</strong>men massgeblich die Aufgabenstruktur der Ein-<br />
kaufsorganisation. Daraus ergeben sich auch unterschiedliche Zielsetzungen für die<br />
Pr<strong>of</strong>essionalisierung des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s <strong>im</strong> jeweiligen <strong>Krankenhaus</strong>. 53 In<br />
Bezug auf die Entwicklung des Reifegradmodells können daraus die folgenden An-<br />
forderungen entstehen (vgl. Tabelle 11):<br />
Situation Anforderung Erläuterung<br />
Unternehmen Konfigurative Anpas-<br />
sung der Modellbasis<br />
Branche Aggregierte Visuali-<br />
sierung der Einzelbe-<br />
urteilungen<br />
Das Reifegradmodell beurteilt die Reife des Kranken-<br />
hauseinkaufs auf Basis unterschiedlicher Szenarien.<br />
Das Reifegradmodell liefert zusätzlich zur Reifebeur-<br />
teilung einzelner Organisationen auch eine aggregierte<br />
Sicht auf die Reife der Branche.<br />
Tabelle 11: Anforderungen in Bezug auf die Situativität<br />
53 Bspw. haben [Herbsleb et al. 1997] festgestellt, dass die Gestaltungsempfehlungen des CMM-<br />
Reifegradmodells von kleineren Unternehmen als weniger relevant eingestuft werden als von grösseren Un-<br />
ternehmen. Dieser Umstand ist darauf zurückzuführen, dass CMM ein „One size fits all“-Ansatz zugrunde-<br />
legt und die spezifizierten Praktiken höherer Reifegrade für die kleineren Unternehmen ineffizient sind.
Vergleich bestehender Reifegradmodelle 101<br />
5 Vergleich bestehender Reifegradmodelle<br />
Während in den Anfängen der Entwicklung von Reifegradmodellen die Opt<strong>im</strong>ierung<br />
bzw. Bewertung des Information Systems Engineering <strong>im</strong> Vordergrund stand, werden<br />
heute zunehmend Reifegradmodelle für das Business Engineering entwickelt. Ziel die-<br />
ses Kapitels ist es, einen kompr<strong>im</strong>ierten Überblick über die existierenden Reifegrad-<br />
modelle zu geben und diejenigen Modelle, die sich mit Fragestellungen des SCM und<br />
E-Business auseinandersetzen, näher zu erläutern, um daraus Rückschlüsse für die Ar-<br />
tefaktkonstruktion zu erhalten.<br />
Hierfür werden zunächst auf Basis einer Literaturrecherche der aktuelle Modellbestand<br />
aufgezeigt und die für die Diskussion relevanten Ansätze ausgewählt (Abschnitt 5.1).<br />
Diese werden danach eingehend erklärt (Abschnitt 5.2) und hinsichtlich der definierten<br />
Anforderungen bewertet (Abschnitt 5.3). Das Kapitel schliesst mit einer kurzen Zu-<br />
sammenfassung der Ergebnisse (Abschnitt 5.4).<br />
5.1 Gestaltungsbereiche bestehender Reifegradmodelle<br />
Reifegradmodelle haben gemeinsam, dass sie entweder <strong>im</strong> Hinblick auf einen Gestal-<br />
tungsbereich oder wenige ausgewählte Aufgabenfelder konkretisiert sind [vgl. Daniel<br />
2008, S. 104]. Schätzungen von DE BRUIN et al. zufolge existieren mehr als 150 Rei-<br />
fegradmodelle für die unterschiedlichsten Gestaltungsbereiche und Aufgabenfelder des<br />
Information Systems und Business Engineering [vgl. de Bruin et al. 2005, S. 2]. Die<br />
Publikation <strong>im</strong>mer neuer Modelle für häufig sehr ähnliche bzw. die gleichen Problem-<br />
stellungen erweckt aber zunehmend den Eindruck einer gewissen Beliebigkeit der vor-<br />
geschlagenen Reifegradmodelle [vgl. Becker et al. 2009, S. 250].<br />
Um die Notwendigkeit der Entwicklung eines neuen Reifegradmodells dazulegen, ist<br />
deshalb der Rückgriff auf den aktuellen Modellbestand notwendig. Da die Verbreitung<br />
von Reifegradmodellen unkoordiniert und unsystematisch stattfindet, ist die Wieder-<br />
auffindung und Wiederverwendung allerdings erschwert [vgl. Mettler et al. 2009, S.<br />
2]. 54<br />
Die Systematisierung des Modellbestands beschränkt sich heute auf eine reine Auflis-<br />
tung der Modelle [vgl. Copeland 2003; Sheperd 2009], ohne jedoch Angaben über den<br />
Gestaltungsbereich und andere qualitative Merkmale wie z. B. Dokumentation, Erhe-<br />
54 Eine Diskussion möglicher Klassifikationskriterien für Reifegradmodelle ist in [Mettler 2009; Mettler et al.<br />
2009] zu finden.
102 Vergleich bestehender Reifegradmodelle<br />
bungs- und Analyseverfahren, Evaluationsergebnisse usw. zu machen. Zur Identifika-<br />
tion themenverwandter Reifegradmodelle wurde deshalb eine eigenständige Recherche<br />
durchgeführt.<br />
Die Suche in der ACM Digital Library ergab 186, in IEEE Xplore 357, in AIS Elect-<br />
ronic Library 10 und <strong>im</strong> EBSCOhost 846 Artikel, welche sich mit der Entwicklung,<br />
Evaluation oder generellen Diskussion von Reifegradmodellen beschäftigten. 55 Als<br />
Suchbegriff wurde hierfür der Terminus „Maturity Model“, „Capability Model“ oder<br />
„Assessment Model“ verwendet. Nach Subtraktion von Doppeleinträgen (d. h. gleicher<br />
Artikel war in mehreren Literaturdatenbanken vorhanden oder gleiches Reifegradmo-<br />
dell wurde in mehreren Artikeln behandelt) konnten schliesslich 117 verschiedene Rei-<br />
fegradmodelle registriert werden. 56 Die Abdeckung der Aufgabenfelder und Gestal-<br />
tungsbereiche ist in Abbildung 43 illustriert.<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
Wissensmanagement<br />
Projektmanagement<br />
IT-<strong>Management</strong><br />
Architekturmanagement<br />
Internet & World Wide Web<br />
IT-Sicherheit<br />
Basis für die<br />
Vergleichsstudie<br />
SCM & E-Business<br />
IT/Business Alignment<br />
IT-Outsourcing<br />
Auditierung<br />
Change <strong>Management</strong><br />
Abbildung 43: Gestaltungsbereiche von Reifegradmodellen<br />
55 Vgl. ACM Digital Library (http://portal.acm.org/dl.cfm), IEEE Xplore (http://ieeexplore.ieee.org/Xplore),<br />
AIS Electronic Library (http://aisel.aisnet.org/) und EBSCOhost (http://www.ebscohost.com/).<br />
56 Vgl. Anhang E.<br />
E-Learning<br />
Personalentwicklung<br />
Data Warehousing<br />
Datenqualität<br />
E-Collaboration<br />
Ha rdware<br />
IT-Betrieb<br />
Personalführung<br />
Wirtschaftsrecht<br />
Prozessmanagement<br />
Innovationsmanagement<br />
Marketing
Vergleich bestehender Reifegradmodelle 103<br />
5.2 Diskussion ausgewählter Reifegradmodelle<br />
Die nachfolgende Diskussion beschränkt sich auf die Reifegradmodelle, welche dem<br />
Gestaltungsbereich des SCM und E-Business zugeordnet wurden. 57 Dabei folgt die<br />
Charakterisierung der Ansätze, soweit die vorhandenen Quellen es zulassen, nach den<br />
in Abschnitt 3.2.5 identifizierten Kriterien Verwendungszweck, Struktur, Reifekonzept<br />
und Reifegraddefinition. Zudem werden Aussagen darüber gemacht, welche Trans-<br />
fermittel für die Anwender zur Verfügung stehen.<br />
5.2.1 CMMI for Acquisition<br />
Neben dem prominenten Capability Maturity Model for S<strong>of</strong>tware (SW-CMM) [vgl.<br />
Paulk et al. 1993a] wurden <strong>im</strong> S<strong>of</strong>tware Engineering Institute (SEI) der Carnegie Mel-<br />
lon <strong>Universität</strong> eine Reihe weiterer Reifegradmodelle entwickelt. Ein Modell, das sich<br />
ausschliesslich mit der Opt<strong>im</strong>ierung der Beschaffung (insbesondere von S<strong>of</strong>tware oder<br />
IT) auseinandersetzt, ist das CMMI for Acquisition (CMMI-ACQ) [vgl. CMMI<br />
Product Team 2007].<br />
Verwendungszweck<br />
„[...] CMMI-ACQ provides an opportunity to avoid or el<strong>im</strong>inate barriers in the acqui-<br />
sition process through practices and terminology that transcend the interests <strong>of</strong> indi-<br />
vidual departments or groups“ [CMMI Product Team 2007, S. 4]. Es umfasst insge-<br />
samt 22 Prozessgebiete (z. B. Acquisition Validation, Decision Analysis and Resolu-<br />
tion, Project Planning) sowie vier Prozesskategorien (Acquisition, Support, Process<br />
<strong>Management</strong> und Project <strong>Management</strong>). 58 Eine Auflistung der <strong>im</strong> CMMI-ACQ enthal-<br />
tenen Prozessgebiete ist in Tabelle 12 dargestellt.<br />
Struktur<br />
Der Aufbau des CMMI-ACQ folgt der vom SEI festgelegten Struktur für CMMI-<br />
basierte Modelle (vgl. Abbildung 44). Basis für die Reifebewertung bilden dabei die so<br />
genannten Prozessgebiete (Process Area), welche als „[...] cluster <strong>of</strong> related practices<br />
57 Vgl. auch die thematische Einordnung der Arbeit in Abbildung 3.<br />
58 Von den erwähnten 22 Prozessgebieten beziehen sich allerdings nur sechs auf beschaffungsrelevante Aktivi-<br />
täten. Die restlichen 16 Prozessgebiete sind wiederkehrende Elemente, welche auch in anderen CMMI-<br />
Modellen wie z. B. dem CMMI for Development (CMMI-DEV) oder CMMI for Services (CMMI-SVC) zu<br />
finden sind.
104 Vergleich bestehender Reifegradmodelle<br />
in an area that, when <strong>im</strong>plemented collectively, satisfies a set <strong>of</strong> goals considered <strong>im</strong>-<br />
portant for making <strong>im</strong>provement in that area“ verstanden werden [CMMI Product<br />
Team 2007, S. 10]. Für jedes Prozessgebiet werden die übergeordneten Zielsetzungen<br />
(Purpose Statement), Konzepte (Introductory Notes) und Schnittstellen zu den anderen<br />
Prozessgebieten (Related Process Areas) spezifiziert sowie eine Zuordnung zu einer<br />
Prozesskategorie (Process Category) vorgenommen.<br />
Zur detaillierten Beschreibung eines Prozessgebiets werden ein oder mehrere spezifi-<br />
sche Ziele und Praktiken formuliert, welche nur für das jeweilige Prozessgebiet rele-<br />
vant sind. Daneben kann ein Prozessgebiet auch generische Ziele und Praktiken um-<br />
fassen, welche in mehr als einem Prozessgebiet vorkommen. Sowohl für spezifische<br />
als auch generische Praktiken können weitere untergeordnete Praktiken beschrieben<br />
werden. Eine Beschreibung typischer Arbeitsergebnisse erfolgt jedoch nur für spezifi-<br />
sche Praktiken.<br />
Legende<br />
Prozesskategorie<br />
Schnittstellenbeschreibung<br />
Ergebnis<br />
Spezifisches Ziel<br />
1..*<br />
Spezifische<br />
Praktik<br />
Reifegrad<br />
0..*<br />
Prozessgebiet<br />
0..1 1..*<br />
1..*<br />
1..*<br />
1..* 1..*<br />
1..* 1..* Untergeordnete<br />
Praktik<br />
1..*<br />
1..* 1..*<br />
1..*<br />
Generisches Ziel<br />
1..*<br />
Generische<br />
Pra ktik<br />
Übergeordnete<br />
Zielsetzung<br />
Übergeordnetes<br />
Konzept<br />
Zwingendes Element Erwartetes Element Beschreibendes Element<br />
1..*<br />
1..*<br />
Fähigkeitsgrad<br />
Abbildung 44: Metamodell der Struktur von CMMI-Modellen 59<br />
59 Übernommen und erweitert aus [CMMI Product Team 2007; Sharifloo et al. 2008]. Für die Darstellung wur-<br />
de die Unified Modeling Language verwendet.
Vergleich bestehender Reifegradmodelle 105<br />
Reifekonzept und Reifegrade<br />
Wie aus dem Metamodell zu entnehmen ist, fusst das CMMI-ACQ Reifegradmodell<br />
auf einem prozessorientierten Reifeverständnis. Dabei wird zwischen Reifegraden<br />
(Maturity Levels) und Fähigkeitsgraden (Capability Levels) bzw. zwischen einer stu-<br />
fenförmigen (Staged Representation) und kontinuierlichen Darstellung (Continuous<br />
Representation) unterschieden. Bei ersterem wird die Reife stets auf Grundlage der<br />
Prozessgebiete bewertet: „Maturity levels apply to an organization’s process <strong>im</strong>pro-<br />
vement achievement across multiple process areas. These levels are a means <strong>of</strong> pre-<br />
dicting the general outcomes <strong>of</strong> the next project undertaken“ [CMMI Product Team<br />
2007, S. 22]. Jedem Reifegrad wird daher eine Anzahl von Prozessgebieten mit kon-<br />
kreten Anforderungen zugeordnet, welche kumulativ erfüllt werden müssen, um auf<br />
die nächste Stufe zu gelangen. Insgesamt werden fünf Reifegrade vorgegeben (vgl.<br />
Tabelle 12).<br />
Reifegrad Erläuterung Zu erfüllendes Prozessgebiet<br />
1 - Initial Prozesse sind chaotisch und werden ad hoc<br />
ausgeführt. Der Erfolg der Aufgabenab-<br />
wicklung hängt massgeblich vom Einsatz<br />
und der Kompetenz einzelner Mitarbeiter<br />
ab. Trotz allem werden Produkte und<br />
Dienstleistungen eingekauft, die den Be-<br />
dürfnissen der Bedarfsträger entsprechen.<br />
Allerdings werden dabei <strong>of</strong>t das Budget<br />
und die Zeitvorgaben überschritten.<br />
2 - Managed Prozessverbesserungen werden auf Basis<br />
eines funktionierenden Projektmanage-<br />
ments etabliert. Der Einkaufsverantwortli-<br />
che sorgt dafür, dass die Einkaufsprozesse<br />
geplant und mit der Unternehmensstrategie<br />
abgest<strong>im</strong>mt sind. Des Weiteren müssen<br />
Mechanismen für das Monitoring und<br />
Controlling der Lieferanten und der eige-<br />
nen Leistungsfähigkeit eingeführt werden,<br />
so dass eine periodische Überprüfung der<br />
Prozessperformance möglich ist. Die Re-<br />
sultate daraus müssen dem <strong>Management</strong><br />
zur Verfügung gestellt werden.<br />
� Keines<br />
� Agreement <strong>Management</strong><br />
� Acquisition Requirements<br />
Development<br />
� Configuration <strong>Management</strong><br />
� Measurement and Analysis<br />
� Project Monitoring and Control<br />
� Project Planning<br />
� Process and Product Quality<br />
Assurance<br />
� Requirements <strong>Management</strong><br />
� Solicitation and Supplier<br />
Agreement Development
106 Vergleich bestehender Reifegradmodelle<br />
Reifegrad Erläuterung Zu erfüllendes Prozessgebiet<br />
3 - Defined Für die Beschaffung wird ein Set von<br />
4 - Quantitatively<br />
Managed<br />
Standardprozessen definiert, welche von<br />
sämtlichen Organisationseinheiten des<br />
Unternehmens <strong>im</strong>plementiert und befolgt<br />
werden müssen. Während bei Reifegrad 2<br />
lediglich die Einkaufsorganisation betr<strong>of</strong>-<br />
fen war, verlagert sich der Schwerpunkt<br />
der Beschaffung deshalb auf die Organisa-<br />
tion als Ganzes.<br />
Des Weiteren werden die Prozesse detail-<br />
lierter beschrieben als in der vorherigen<br />
Stufe. Die Mindestanforderungen sind eine<br />
Definition von Zweck, Aktivitäten, Rollen,<br />
Messgrössen, Verifizierungsschritte, Aus-<br />
löse- und Beendigungskriterien sowie In-<br />
put und Output.<br />
Zur Verbesserung der Entscheidungs-<br />
grundlage des Einkaufs müssen differen-<br />
ziertere quantitative und qualitative Mess-<br />
grössen definiert und statistische Analyse-<br />
verfahren <strong>im</strong>plementiert werden. Wesentli-<br />
ches Unterscheidungsmerkmal zur vorhe-<br />
rigen Stufe ist die Vorhersagbarkeit der<br />
Prozessperformance.<br />
5 - Opt<strong>im</strong>izing Hauptaugenmerk der letzten Stufe ist die<br />
kontinuierliche Verbesserung der Ein-<br />
kaufsprozesse. Diese sollten sich nicht nur<br />
auf die eigene Organisation, sondern auch<br />
auf die Kernlieferanten beziehen.<br />
Ungleich wie bei den vorherigen Stufen,<br />
die vorwiegend eine Steigerung der Pro-<br />
zesseffizienz beabsichtigen, spielt hier<br />
deshalb auch die Effektivität der Prozesse<br />
eine bedeutende Rolle.<br />
� Acquisition Technical<br />
<strong>Management</strong><br />
� Acquisition Validation<br />
� Acquisition Verification<br />
� Decision Analysis and Resolu-<br />
tion<br />
� Integrated Project <strong>Management</strong><br />
� Organizational Process Defini-<br />
tion<br />
Tabelle 12: Reifegrade des CMMI-ACQ<br />
� Organizational Process Focus<br />
� Organizational Training<br />
� Risk <strong>Management</strong><br />
� Organizational Process<br />
Performance<br />
� Quantitative Project<br />
<strong>Management</strong><br />
� Causal Analysis and Resolution<br />
� Organizational Innovation and<br />
Deployment<br />
Eine weitere, weitaus flexiblere Möglichkeit zur Verbesserung der Reife wird durch<br />
die so genannten Fähigkeitsgrade bereit gestellt: „Capability levels apply to an orga-<br />
nization’s process <strong>im</strong>provement achievement in individual process areas. These levels<br />
are a means for incrementally <strong>im</strong>proving the processes corresponding to a given
Vergleich bestehender Reifegradmodelle 107<br />
process area.“ [CMMI Product Team 2007, S. 21]. Grundlage für die Bewertung der<br />
Reife ist hier der Erfüllungsgrad der generischen Ziele einzelner Prozessgebiete (d. h.<br />
Fähigkeitsgrad n ist für ein Prozessgebiet erreicht, wenn das generische Ziel n erfüllt<br />
ist). Eine Beschreibung der einzelnen Fähigkeitsgrade ist in Tabelle 13 zu finden.<br />
Fähigkeitsgrad Erläuterung Generisches Ziel<br />
0 - Incomplete Der Prozess wird <strong>im</strong> Unternehmen entweder nicht<br />
oder nur teilweise ausgeführt. Eines oder mehrere<br />
der spezifischen und keine generischen Zielset-<br />
zungen sind erfüllt.<br />
1 - Performed Der Prozess wird <strong>im</strong> Unternehmen ausgeführt und<br />
erfüllt die definierten spezifischen Zielsetzungen,<br />
ist jedoch nicht institutionalisiert worden.<br />
2 - Managed Der Prozess wird <strong>im</strong> Unternehmen ausgeführt,<br />
erfüllt die definierten spezifischen Zielsetzungen<br />
und ist mit der notwendigen Infrastruktur ausges-<br />
tattet. Die einzelnen Aktivitäten des Prozesses<br />
werden in Übereinst<strong>im</strong>mung mit den vorgegebe-<br />
nen Richtlinien erledigt sowie die richtigen Mit-<br />
arbeiter eingesetzt und die relevanten Stakeholder<br />
angemessen involviert.<br />
3 - Defined Der Prozess folgt den Prozessstandards der Un-<br />
4 - Quantitatively<br />
Managed<br />
ternehmung und enthält detaillierte Beschreibun-<br />
gen von Zweck, Aktivitäten, Rollen, Auslöse- und<br />
Beendigungskriterien sowie Input und Output.<br />
Der Prozess folgt den Prozessstandards der Un-<br />
ternehmung und enthält zudem noch quantitative<br />
Zielvorstellungen und Kennzahlen zum Zweck<br />
der Prozessführung.<br />
5 - Opt<strong>im</strong>izing Der Prozess ist soweit geführt, dass eine ständige<br />
Anwendung des Reifegradmodells<br />
Prozessopt<strong>im</strong>ierung möglich ist. Darüber hinaus<br />
besteht ein gemeinsames Verständnis der Gründe<br />
für eventuelle Abweichungen von Kennzahlen<br />
und für inkrementelle Prozessverbesserungen.<br />
Tabelle 13: Fähigkeitsgrade des CMMI-ACQ<br />
� Keines<br />
� Spezifische Ziele des<br />
Prozessgebiets erreichen<br />
� Den gemanagten Pro-<br />
zess institutionalisieren<br />
� Den definierten Prozess<br />
institutionalisieren<br />
� Den quantitativ gema-<br />
nagten Prozess instituti-<br />
onalisieren<br />
� Den opt<strong>im</strong>ierten Prozess<br />
institutionalisieren<br />
Neben einer textuellen Beschreibung des Modellaufbaus und der Anforderungen der<br />
einzelnen Prozessgebiete, existiert für CMMI-basierte Modelle auch ein Vorgehens-<br />
modell zur Erhebung der Reife [vgl. SCAMPI Upgrade Team 2006b]. Eine vollständi-
108 Vergleich bestehender Reifegradmodelle<br />
ge Dokumentation (inkl. der notwendigen Checklisten, Erhebungs- und Analyseformu-<br />
lare usw.) wird nur dezidierten Partnern des SEI gewährt. Erläuterungen zur Evaluati-<br />
on des Modells konnten keine gefunden werden.<br />
5.2.2 Sales and Operations Planning Maturity Model<br />
Ein anderer Ansatz zur Opt<strong>im</strong>ierung der organisationsinternen Beschaffung stellt das<br />
am Massachusetts Institute <strong>of</strong> Technology (MIT) entwickelte Sales and Operations<br />
Planning Maturity Model (S&OP-MM) dar [vgl. Lapide 2005]. Dieses betrachtet die<br />
Versorgungskette nicht wie das CMMI-ACQ allein von der Angebotsseite, sondern<br />
integriert zusätzlich die Nachfrageseite. Demzufolge ist der Fokus der Prozessopt<strong>im</strong>ie-<br />
rung stärker auf den Kunden bzw. Bedarfsträger ausgerichtet als es be<strong>im</strong> vorherigen<br />
Modell der Fall war.<br />
Verwendungszweck<br />
Der Zweck des S&OP-MM beschränkt sich auf die heuristische Best<strong>im</strong>mung des aktu-<br />
ellen Zustands der Absatz- und Vertriebsplanung innerhalb eines Unternehmens: „The<br />
S&OP Maturity Model should be used as a diagnostic tool for helping a company <strong>im</strong>-<br />
prove its planning processes“ [Lapide 2005, S. 15]. Anders als be<strong>im</strong> CMMI-ACQ,<br />
welches strategische, taktische und operative Aktivitäten beinhaltet, konzentriert sich<br />
das S&OP-MM demnach ausschliesslich auf ein Prozessgebiet (am ehesten vergleich-<br />
bar mit Requirements <strong>Management</strong> <strong>im</strong> CMMI-ACQ).<br />
Struktur<br />
Das S&OP-MM folgt keiner formalen Struktur. Es kann demnach als rasterbasiertes<br />
Reifegradmodell eingestuft werden. Im Allgemeinen ist die Dokumentation des Mo-<br />
dells insgesamt sehr dürftig. Deshalb konnte nicht festgestellt werden, welche Annah-<br />
men und Informationsquellen das Reifegradmodell zugrundelegt.<br />
Reifekonzept und Reifegrade<br />
Die Bewertung der Reife des Unternehmens basiert auf der Betrachtung der Absatz-<br />
und Vertriebsplanungsprozesse, demzufolge auf einem prozessorientierten Reifever-<br />
ständnis. Für jeden Reifegrad wird spezifiziert, wie die Kommunikation zwischen den<br />
Beteiligten organisiert, wie die Nachfrage- und Angebotsseite abgest<strong>im</strong>mt und wie die<br />
systemtechnische Unterstützung ausgestaltet ist. Es werden vier Reifegrade unter-<br />
schieden (vgl. Abbildung 45).
Vergleich bestehender Reifegradmodelle 109<br />
Anwendung des Reifegradmodells<br />
Abbildung 45: Reifegrade des S&OP-MM 60<br />
Das S&OP-MM beschränkt sich auf die rein textuelle Beschreibung der Reifegrade<br />
und stellt dem Anwender keine weiteren Hilfsmittel zur Verfügung. Da die Gestal-<br />
tungsobjekte der einzelnen D<strong>im</strong>ensionen nicht weiter detailliert wurden (z. B. Erklä-<br />
rung der einzelnen Konstrukte des Reifegradrasters), ist die Einschätzung vom subjek-<br />
tiven Verständnis des Betrachters abhängig.<br />
5.2.3 <strong>Supply</strong> Chain <strong>Management</strong> Process Maturity Model<br />
Während sich das CMMI-ACQ und das S&OP-MM vorwiegend auf die organisations-<br />
interne Betrachtung des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s konzentrieren, haben LOCKAMY und<br />
MCCORMACK ein Instrument für die Opt<strong>im</strong>ierung bzw. Bewertung der gesamten<br />
Versorgungskette entwickelt [vgl. Lockamy, McCormack 2004].<br />
Verwendungszweck<br />
Pr<strong>im</strong>äre Zielsetzung des resultierenden <strong>Supply</strong> Chain <strong>Management</strong> Process Maturity<br />
Model (SCM-PMM) ist es, einerseits die Effektivität der organisationsinternen und<br />
60 Übernommen aus [Lapide 2005, S. 14].
110 Vergleich bestehender Reifegradmodelle<br />
-externen Prozesse zu erhöhen, andererseits auch die Vorhersagbarkeit und Kontrolle<br />
zu steigern. Dabei wird angenommen, dass eine signifikante Beziehung zwischen der<br />
Reife des SCM und der Leistungsfähigkeit der Organisation besteht.<br />
Struktur<br />
Auf Grundlage der vorhandenen Dokumentation wird das SCM-PMM als Hybridmo-<br />
dell eingeschätzt, da zwar auf best<strong>im</strong>mte Aspekte des CMMI-Metamodells referenziert<br />
wird [vgl. Lockamy, McCormack 2004, S. 275], detaillierte Ausführungen zur Struk-<br />
tur des Reifegradmodells jedoch fehlen.<br />
Reifekonzept und Reifegrade<br />
Gleich wie die bisher betrachteten Reifegradmodelle legt das SCM-PMM ein prozess-<br />
orientiertes Reifeverständnis zugrunde. Die vom Modell vorgeschlagenen Reifegrade<br />
des SCM (vgl. Tabelle 14) werden aus der gängigen BPR-Literatur abgeleitet [vgl. z.<br />
B. Davenport, Short 1990; Hammer, Champy 1993] und auf das SCOR-Modell über-<br />
tragen [vgl. <strong>Supply</strong> Chain Council 2009]. Genauere Angaben des deduktiven Vorge-<br />
hens werden keine gemacht.<br />
Reifegrad Erläuterung<br />
1 - Ad Hoc Die Versorgungskette und die dazugehörigen Praktiken sind unstrukturiert und un-<br />
definiert. Prozesskennzahlen fehlen. Organisationsstrukturen sind nicht horizontal<br />
ausgerichtet. Die Performance der Prozesse ist unvorhersehbar. Ziele, falls über-<br />
haupt formuliert, werden <strong>of</strong>t nicht erreicht. Die Kosten für das SCM sind hoch, die<br />
Kundenzufriedenheit tief. Die Zusammenarbeit mit anderen Funktionen ist gering.<br />
2 - Defined Die grundlegenden SCM Prozesse sind definiert und eingängig dokumentiert. Stel-<br />
lenpr<strong>of</strong>ile und Organisationsstruktur sind traditionell ausgerichtet. Die Performance<br />
der Prozesse ist mehr oder weniger berechenbar. Zielsetzungen sind formuliert, aber<br />
werden meistens nicht erreicht. Die Kosten für das SCM sind <strong>im</strong>mer noch hoch,<br />
allerdings ist die Kundenzufriedenheit höher als zuvor. Ein Grossteil des Arbeits-<br />
aufwands wird dazu verwendet, die Funktionssilos zu durchbrechen.<br />
3 - Linked SCM wird zum strategischen Thema. Es werden neue Stellen und Strukturen ge-<br />
schaffen, die den SCM-Gedanken in der Unternehmung verankern. Die Kooperati-<br />
onsintensität zwischen organisationsinternen, aber auch organisationsexternen Ein-<br />
heiten steigt. Es werden horizontale Prozesse mit gemeinsamen Zielsetzungen und<br />
Messgrössen <strong>im</strong>plementiert. Die Kosten für das SCM beginnen dank kontinuierli-<br />
cher Prozessverbesserungsmassnahmen zu sinken. Kunden werden bei diesen Akti-<br />
onen miteinbezogen.
Vergleich bestehender Reifegradmodelle 111<br />
Reifegrad Erläuterung<br />
4 - Integrated SCM wird ein Bestandteil der Unternehmensstrategie. Die Organisationsstrukturen<br />
sind komplett auf das SCM ausgerichtet. Die Zusammenarbeit mit Lieferanten und<br />
Vertriebspartnern wird auf Prozessebene stabilisiert. Zunehmend werden auch<br />
komplexere SCM-Praktiken wie z. B. Collaborative Planning, Forecasting and<br />
Replenishment (CPFR) angewendet. Die Zielerreichung wird konstant, die SCM-<br />
Kosten radikal gesenkt und die Kundenzufriedenheit noch weiter erhöht.<br />
5 - Extended Die Grenzen zwischen den einzelnen Unternehmen verschwinden. Die Zusammen-<br />
arbeit mit anderen Akteuren ist Routine. SCM wird in organisationsübergreifenden<br />
Teams weiterentwickelt. Eine kundenorientierte und kooperative Kultur wird gelebt.<br />
Die Kosten für die Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der<br />
Prozesse sowie die daraus resultierenden Erlössteigerungen werden von den betei-<br />
ligten Akteuren geteilt.<br />
Anwendung des Reifegradmodells<br />
Tabelle 14: Reifegrade des SCM-PMM<br />
Das SCM-PMM wurde als Basis für eine Umfrage von 523 Experten aus insgesamt 90<br />
unterschiedlichen Unternehmen verwendet. Hierfür wurden die zu den Reifegraden<br />
gemachten Überlegungen in Form eines Fragebogens operationalisiert. Um die Bezie-<br />
hung zwischen Reifegrad des SCM und der Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu<br />
testen, wurde ein zusätzliches Messinstrument für die Performancebewertung entwi-<br />
ckelt. Die Resultate aus dieser Umfrage wurden in einem wissenschaftlichen Artikel<br />
zusammengefasst. Weitere Dokumente oder Transfermittel (z. B. Assessment-<br />
Fragebogen) konnten nicht identifiziert werden.<br />
5.2.4 Construction <strong>Supply</strong> Chain Maturity Model<br />
Ungleich wie die bisherigen Modelle stellt das Construction <strong>Supply</strong> Chain Maturity<br />
Model (CSCMM) ein branchenabhängiges Reifegradmodell dar, welches speziell für<br />
den Bausektor konzipiert ist [vgl. Vaidyanathan, Howell 2007].<br />
Verwendungszweck<br />
Ziel des CSCMM ist es, einen Bezugsrahmen für die Bewertung (und nicht zwingen-<br />
der Weise für die Opt<strong>im</strong>ierung) der Unternehmen des Bausektors zu liefern. Anders<br />
als bspw. in der Fertigungsindustrie, wo eine logische Reihenfolge der Reifeentwick-<br />
lung beobachtet werden kann (d. h. zuerst Opt<strong>im</strong>ierung der organisationsinternen<br />
Funktionen, dann die funktionsübergreifende und schliesslich die organisationsüber-<br />
greifende Zusammenarbeit), gehen VAIDYANATHAN und HOWELL davon aus,
112 Vergleich bestehender Reifegradmodelle<br />
dass sich keine klar sequentielle Entwicklung für den Bausektor ableiten lässt: „[...] a<br />
construction supply chain typically involves collaboration between multiple firms.<br />
Hence, for complete operational efficiency <strong>of</strong> the construction supply chain, process<br />
maturity has to be gained along three d<strong>im</strong>ensions - functional, project, and firm and<br />
not necessarily in that order“ [Vaidyanathan, Howell 2007, S. 174].<br />
Struktur<br />
Grundlage des CSCMM bilden drei existierende Reifegrademodelle (Project Manage-<br />
ment Process Maturity Model, <strong>Supply</strong> Chain <strong>Management</strong> Process Maturity Model<br />
und das Lean Enterprise Transformation Maturity Model). Der formale Aufbau des<br />
Modells ist nicht näher spezifiziert. Angesichts der vorhandenen Dokumentation ist<br />
das CSCMM am ehesten als Hybridmodell einzustufen.<br />
Reifekonzept und Reifegrade<br />
Reife wird in diesem Modell als multid<strong>im</strong>ensionales Phänomen verstanden. Folglich<br />
wird nicht nur auf die Effizienz und Effektivität von Prozessen fokussiert, sondern<br />
auch auf die unterschiedlichen Ausprägungen der Strategie, Technologie und Wert-<br />
entwicklung des Unternehmens. Als Rahmen zur Bewertung dieser D<strong>im</strong>ensionen dient<br />
eine textuelle Deskription der Reifegrade, ohne jedoch detaillierte Angaben zu den<br />
verschiedenen Gestaltungsobjekten der einzelnen D<strong>im</strong>ensionen zu machen (vgl. Tabel-<br />
le 15). Des Weiteren fällt auf, dass die Ergebnisse stark am SCM-PMM Reifegradmo-<br />
dell anlehnen und nur eine geringe Innovation zur brachenunabhängigen Variante zu<br />
finden ist.<br />
Reifegrad Erläuterung<br />
1 - Ad Hoc Der Prozessgedanke fehlt. Es gibt <strong>im</strong> Unternehmen einige Funktionen, die automa-<br />
tisiert sind. Jedoch existieren keine Standards für die funktionsübergreifende Au-<br />
tomatisierung. Im Allgemeinen werden die Projekte unabhängig von einander<br />
abgewickelt. Die Kooperation mit anderen Unternehmen geschieht meist ad hoc.<br />
Die organisationsinternen und -externen Kommunikationswege sind unklar. Es<br />
wird nur wenig geplant und i. d. R. reaktiv auf Bedürfnisse der Bedarfsträger ein-<br />
gegangen. Die Kosten für das SCM sind hoch, die Kundenzufriedenheit tief.<br />
2 - Defined Innerhalb des Unternehmens werden die Informationen aus den einzelnen Projek-<br />
ten geteilt. Die Bedürfnisse und Ziele der einzelnen Anspruchsgruppen der Ver-<br />
sorgungskette sind definiert. Die Zielerreichung ist allerdings noch nicht vollstän-<br />
dig vorhersagbar. Die Kosten für das SCM sind <strong>im</strong>mer noch hoch, jedoch ist die<br />
Kundenzufriedenheit höher als zuvor.
Vergleich bestehender Reifegradmodelle 113<br />
Reifegrad Erläuterung<br />
3 - Managed Das SCM wird Bestandteil der Unternehmensstrategie. Die Organisationsstruktu-<br />
ren werden auf die Versorgungskette ausgerichtet. Es werden Prozesse und Appli-<br />
kationen <strong>im</strong>plementiert, welche die funktions-, projekt- und organisationsübergrei-<br />
fende Zusammenarbeit unterstützen. Der Informationsfluss zwischen den einzel-<br />
nen Akteuren wird beständig. Ziele werden regelmässiger und öfter eingehalten, so<br />
dass keine „Heldentaten“ mehr notwendig sind. Die Kosten für das SCM sinken<br />
und die Kundenzufriedenheit steigt weiter an.<br />
4 - Controlled Die Versorgungskette ist vollständig kontrollierbar und vorhersehbar. Traditionelle<br />
Funktionen werden durch stark an SCM-Prozessen ausgerichtete Einheiten ersetzt.<br />
Fortgeschrittene SCM-Praktiken, Messgrössen etc. sind in den Strukturen, aber<br />
auch in der Kultur verankert. Das Unternehmen tritt nicht mehr als einzelner Ak-<br />
teur, sondern als Netzwerk spezialisierter Akteure <strong>im</strong> Markt auf. Die einzelnen<br />
Partner des Netzwerks teilen ein grosses Vertrauen, das über eine vertragliche<br />
Abhängigkeit hinaus geht. Die Ziele werden regelmässig erreicht, die SCM-<br />
Kosten sind dank Spezialisierung gering und die Kundenzufriedenheit hoch.<br />
Anwendung des Reifegradmodells<br />
Tabelle 15: Reifegrade des CSCMM<br />
Zur Umsetzung des CSCMM Modells (z. B. Dokumentation der Erhebungs- und Ana-<br />
lysetechniken) konnten keine näheren Informationen gefunden werden. Es ist anzu-<br />
nehmen, dass für die Erhebung der Reife ausschliesslich das definierte Raster ange-<br />
wendet wird.<br />
5.2.5 B2B E-Commerce Adoption Readiness<br />
Obwohl nicht als Reifegradmodell intendiert, enthält die Arbeit von [Lin et al. 2007]<br />
interessante Erkenntnisse hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen der Reife der IT-<br />
Organisation und der Bereitschaft der Einführung von E-Commerce in Unternehmen.<br />
Verwendungszweck<br />
Die Untersuchung von 181 australischen Organisationen des privaten und öffentlichen<br />
Sektors soll zeigen, dass eine signifikante Relation zwischen der IT-Reife und dem<br />
Einsatz von elektronischen Mitteln in der Beschaffung besteht. Hierfür wurde basie-<br />
rend auf GALLIERS und SUTHERLAND ein Fragebogen entwickelt, der die Reife<br />
der IT-Organisation operationalisiert [vgl. Galliers, Sutherland 1991].
114 Vergleich bestehender Reifegradmodelle<br />
Struktur<br />
Nach FRASER et al. können fragebogenbasierte Reifebeurteilungen zu den Hybrid-<br />
modellen gezählt werden [vgl. Fraser et al. 2002, S. 246]. Zur Beurteilung der Reife<br />
wird eine 6-stufige Likert-Skalierung verwendet. Die einzelnen Konstrukte des Frage-<br />
bogens sind detailliert beschrieben und aus der gängigen Literatur abgeleitet. Um die<br />
Tauglichkeit für die Praxis zu prüfen, wurde vor dem Versand des Fragebogens ein<br />
Pre-Test mit zehn IT-Managern durchgeführt.<br />
Reifekonzept und Reifegrade<br />
Die Reife der IT-Organisation wird in Bezug auf die strategische Ausrichtung der<br />
elektronischen Beschaffung, den Führungsstil, die IT-Fähigkeiten der Mitarbeitenden<br />
und das Zielsystem bewertet. Die sich daraus ergebenden Reifegrade sind in Tabelle<br />
16 dargestellt.<br />
Reifegrad Erläuterung<br />
1 Strategie: Einkauf von Hard- und S<strong>of</strong>tware; Führung: Laienhaft; IT-Fähigkeiten: Indi-<br />
viduell ausgeprägt; Zielsystem: Unbekannt<br />
2 Strategie: IT-Audit, Identifikation der Bedürfnisse der Anwender; Führung: Gleichgül-<br />
tig; IT-Fähigkeiten: Basierend auf IS-Entwicklungsmethode; Zielsystem: Konfus<br />
3 Strategie: Top-Down IT-Planung; Führung: Delegierend, autoritär; IT-Fähigkeiten:<br />
Fokus auf Projektmanagement; Zielsystem: Chefsache<br />
4 Strategie: Integration, Koordination und Kontrolle; Führung: Demokratisch, dialek-<br />
tisch; IT-Fähigkeiten: Fokus auf Business <strong>Management</strong> und Integration; Zielsystem:<br />
Kooperativ<br />
5 Strategie: Umfeldanalyse und Suche nach neuen Möglichkeiten; Führung: Individualis-<br />
tisch; IT-Fähigkeiten: IS-Manager in der Geschäftsleitung, sachkundige Nutzer, wo IT<br />
ein Thema ist; Zielsystem: Opportunistisch, unternehmerisch<br />
6 Strategie: Erhaltung komparativer strategischer Vorteile und Trendforschung; Führung:<br />
Team-orientiert; IT-Fähigkeiten: Alle Führungskräfte teilen breites IT-Wissen; Zielsys-<br />
tem: Interaktiv<br />
Tabelle 16: Reifegrade der B2B E-Commerce Adoption Readiness<br />
Anwendung des Reifegradmodells<br />
Die Ergebnisse der Umfrage wurden statistisch ausgewertet und zu einem wissen-<br />
schaftlichen Artikel zusammengefasst [vgl. Lin et al. 2007]. Anhand der Befragung<br />
konnte festgestellt werden, dass die Reife der IT-Organisation einen signifikanten Ein-<br />
fluss auf den Einsatz elektronischer Mittel in der Beschaffung hat. Eine Wiederver-
Vergleich bestehender Reifegradmodelle 115<br />
wendung des Fragebogens bzw. eine weitere Verfeinerung des Modells für die Praxis<br />
ist von den Autoren wahrscheinlich nicht beabsichtigt.<br />
5.3 Beurteilung in Bezug auf den Gestaltungsbereich<br />
Die Entwicklung eines neuen Reifegradmodells ist nur dann sinnvoll, wenn die beste-<br />
henden Modelle die Entscheidungsfindung hinsichtlich des Gestaltungsbereichs nicht<br />
bereits vollumfänglich unterstützen [vgl. Knackstedt et al. 2009, S. 537]. Im Folgen-<br />
den werden daher die analysierten Ansätze anhand der in Abschnitt 4.3 abgeleiteten<br />
Kriterien bewertet (vgl. Tabelle 17).<br />
Reifegradmodell<br />
Erfüllung der<br />
Anforderungen<br />
Strategie<br />
Organisation<br />
Technologie<br />
Kultur<br />
Lineare<br />
Entwicklung<br />
Dynamische Entwicklung<br />
Situation<br />
Unternehmen<br />
Situation<br />
Branche<br />
CMMI for Acquisition (CMMI-ACQ) �� �� �� �� �� �� �� ��<br />
Sales and Operations Planning Maturity<br />
Model (S&OP-MM)<br />
<strong>Supply</strong> Chain <strong>Management</strong> Process<br />
Maturity Model (SCM-PMM)<br />
Construction <strong>Supply</strong> Chain Maturity<br />
Model (CSCMM)<br />
�� �� �� �� �� �� �� ��<br />
�� �� �� �� �� �� �� ��<br />
�� �� �� �� �� �� �� ��<br />
B2B E-Commerce Adoption Readiness �� �� �� �� �� �� �� ��<br />
����������������<br />
Legende: ���Intensiv behandelt ��Rud<strong>im</strong>entär behandelt ��Nicht behandelt<br />
Tabelle 17: Bewertung der untersuchten Reifegradmodelle<br />
Wie aus Tabelle 17 zu entnehmen ist, erfüllt keiner der betrachteten Ansätze alle spe-<br />
zifizierten Anforderungen.<br />
In Bezug auf das strategische, taktische und operative <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> und dessen<br />
prozesstechnische Umsetzung beinhaltet das CMMI-ACQ die differenziertesten Ges-<br />
taltungsempfehlungen. Alle anderen vorgestellten Reifegradmodelle gehen bei ihren<br />
Ausführungen nicht über eine rud<strong>im</strong>entäre Betrachtung der Strategie und Organisation<br />
des Einkaufs hinaus. Da das CMMI-ACQ insbesondere für die Beschaffung von IT-<br />
Produkten und Dienstleistungen in privatrechtlichen Unternehmen konzipiert wurde,
116 Vergleich bestehender Reifegradmodelle<br />
fehlen best<strong>im</strong>mte Aspekte, welche für die Beschaffung in öffentlichen Krankenhäusern<br />
relevant sein könnten (z. B. Handhabung von Ausschreibungsverfahren).<br />
Hinsichtlich der technologischen Reife der Beschaffung liefert kein Modell eine genü-<br />
gend tiefe Bewertungsgrundlage. Es werden teilweise Zustände von Informationssys-<br />
temkomponenten oder Applikationen aufgezeigt, jedoch liegt der Fokus insbesondere<br />
be<strong>im</strong> CMMI-ACQ und S&OP-MM auf der Prozessperspektive.<br />
Kulturelle Gesichtspunkte werden lediglich <strong>im</strong> Beitrag von LIN et al. thematisiert [vgl.<br />
Lin et al. 2007]. Allerdings sind diese weniger auf den Einkauf, sondern vielmehr auf<br />
die IT-Abteilung bzw. das <strong>Management</strong> ausgelegt. Ins<strong>of</strong>ern kann hier eine wesentliche<br />
Differenzierung zu den untersuchten Modellen erarbeitet werden.<br />
Im Hinblick auf die Darstellung der Reife unterstellt die Mehrheit der betrachteten<br />
Reifegradmodelle <strong>im</strong>plizit einen linearen Entwicklungspfad. Lediglich das CMMI-<br />
ACQ gibt dem Anwender zusätzlich die Möglichkeit, die gewünschten Opt<strong>im</strong>ierungs-<br />
bereiche flexibel festzulegen. Um jedoch eine CMMI-Zertifizierung zu erhalten, wird<br />
<strong>im</strong>mer noch die stufenförmige Darstellung zugrundegelegt.<br />
Schliesslich konnte keiner der untersuchten Ansätze die geforderten situativen Anfor-<br />
derungen erfüllen. Jedes der betrachteten Reifegradmodelle geht davon aus, dass situa-<br />
tive Einflussfaktoren wie Unternehmensgrösse, Rechtsform, Aufgabenstruktur etc.<br />
keine Rolle für die Bewertung spielen. Ebenfalls werden die branchenspezifischen Be-<br />
sonderheiten, insbesondere des Gesundheitswesens, nicht thematisiert. Deshalb wird<br />
hier eine weitere Möglichkeit für die Differenzierung gesehen.<br />
5.4 Zusammenfassung der Ergebnisse<br />
Die Bewertung der Ansätze anhand der <strong>im</strong> vorangehenden Kapitel abgeleiteten Anfor-<br />
derungen zeigt vor allem inhaltliche Lücken in Bezug auf die Identifikation technolo-<br />
gischer und kultureller Gestaltungsobjekte für das <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>. Die meisten<br />
Arbeiten legen den Fokus auf die organisatorische, teilweise auch auf die strategische<br />
Entwicklung des Gestaltungsbereichs.<br />
Hinsichtlich der strukturellen Anforderungen an die Reifegradmodelle kann festge-<br />
stellt werden, dass nur ein einziger Ansatz sowohl lineare als auch flexible Gestal-<br />
tungsempfehlungen umfasst. Keines der betrachteten Reifegradmodelle kann jedoch<br />
<strong>im</strong> Hinblick auf die Situativität eines <strong>Krankenhaus</strong>betriebes und der Branche überzeu-<br />
gen.
Vergleich bestehender Reifegradmodelle 117<br />
Letztlich präsentiert ein Grossteil der diskutierten Beiträge lediglich ein Raster zur<br />
Beurteilung der Reife. Erhebungs- und Analysetechniken stehen dem Anwender nicht<br />
zur Verfügung und erschweren so deren Nutzung in der Praxis.<br />
Da keiner der betrachteten Ansätze eine umfassende, situative Sichtweise auf den Ges-<br />
taltungsbereich gewährleistet, wird <strong>im</strong> Rahmen der vorliegenden Arbeit ein eigener<br />
Vorschlag erarbeitet, der die aufgezeigten Schwachstellen adressiert.
Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 119<br />
6 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung<br />
In diesem Kapitel soll die Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung beschrieben<br />
werden. Ausgehend von den bisherigen Erkenntnissen werden zunächst die zentralen<br />
Modellelemente (Abschnitt 6.1) und danach die fundamentalen Eigenschaften der ein-<br />
zelnen Bestandteile des Reifegradmodells diskutiert (Abschnitt 6.2). Aufgrund der<br />
Ermangelung etablierter Konzepte für die Entwicklung von Reifegradmodellen wird<br />
anschliessend die Vorgehensweise zur Konstruktion des Modells definiert (Abschnitt<br />
6.3). Das Kapitel schliesst mit einer kurzen Zusammenfassung der dargelegten Ergeb-<br />
nisse (Abschnitt 6.4).<br />
6.1 Beschreibung der Modellelemente<br />
Als fundierte Grundlage für die Konstruktion von Artefakten werden in der WI häufig<br />
Metamodelle spezifiziert. Folgende Beispiele sollen dies exemplarisch aufzeigen:<br />
� BRAUN erweitert in seiner Dissertation eine bestehende Methode zur Modellie-<br />
rung von Unternehmensarchitekturen und evaluiert deren Machbarkeit und Nütz-<br />
lichkeit, indem er die Methode mit Hilfe eines Metamodellierungswerkzeugs um-<br />
setzt [vgl. Braun 2007].<br />
� KURPJUWEIT und WINTER zeigen wie Metamodelle für die multiperspektivi-<br />
sche Modellierung (z. B. von IT-Architekturen) sowie für die Entwicklung von<br />
Methoden genutzt werden können und demonstrieren anhand von Fallstudien deren<br />
Nützlichkeit für die Praxis [vgl. Kurpjuweit, Winter 2007].<br />
� WORTMANN entwickelt in seiner Dissertation eine Methode für die unterneh-<br />
mensweite Autorisierung. Grundlage für die Entwicklung der Methode bilden u. a.<br />
ein Metamodell für die Autorisierungsarchitektur sowie ein Metamodell für die In-<br />
tegration der Autorisierung [vgl. Wortmann 2006].<br />
In der vorliegenden Arbeit wird das Konzept der Metamodellierung zur Darstellung<br />
und Erklärung der wesentlichen Bestandteile der Problemlösung genutzt. Abbildung<br />
46 zeigt demnach das Zusammenwirken der verschiedenen Bestandteile der vorliegen-<br />
den Arbeit.
120 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung<br />
Legende<br />
Konfigurationstechnik<br />
Erhebungtechnik<br />
Analysetechnik<br />
0..*<br />
0..*<br />
0..*<br />
1..*<br />
Erhebungs- und<br />
Analysewerkzeug<br />
Bewertungsmodell<br />
Ontologie<br />
wird operationalisiert<br />
durch<br />
definiert Konstrukte<br />
des<br />
Zentrale Komponente Unterstützende Komponente<br />
Abbildung 46: Metamodell der zentralen Bestandteile der Arbeit 61<br />
� Bewertungsmodell: Das Bewertungsmodell stellt die zentrale Lösungskomponente<br />
der Arbeit dar. Es umfasst unterschiedliche Techniken zur Erhebung und Analyse<br />
der Reife des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s in Krankenhäusern.<br />
� Ontologie: Zur Festschreibung der Inhalte und ihrer Zusammenhänge für den ein-<br />
heitlichen Entwurf der Konfigurations-, Erhebungs- und Analysetechniken wird ei-<br />
ne Domänenontologie definiert. Diese basiert auf einer spezifischen Sprache und<br />
wird in einem hierfür best<strong>im</strong>mten Werkzeug abgebildet.<br />
� Erhebungs- und Analysewerkzeug: Zur Operationalisierung des Bewertungsmo-<br />
dells wird ein S<strong>of</strong>twareprototyp entwickelt. Der Prototyp wird <strong>im</strong> Verlaufe der<br />
Konstruktion zum einen dazu genutzt, um Daten hinsichtlich der Reife der einzel-<br />
nen Krankenhäuser zu sammeln, zum anderen, um die Umsetzbarkeit der spezifi-<br />
zierten Modellstruktur und -inhalte zu demonstrieren.<br />
� Erhebungstechnik: Die Mehrzahl der analysierten Reifegradmodelle bieten unzu-<br />
reichende Hilfsmittel für die strukturierte Beurteilung der Reife. Um die Ermittlung<br />
der für die Reifebeurteilung notwendigen Daten zu unterstützen, wird deshalb eine<br />
Erhebungstechnik spezifiziert.<br />
61 Die einzelnen Komponenten sind in Anlehnung an [Ahlemann et al. 2005; Hüner et al. 2009; Teuteberg,<br />
Freundlieb 2009] abgeleitet worden.
Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 121<br />
� Analysetechnik: Als Rahmen für die Reflexion und Kommunikation sind unter-<br />
schiedliche Analysetechniken zu spezifizieren, welche die erhobenen Daten in ge-<br />
eigneter Form darstellen.<br />
� Konfigurationstechnik: Damit unterschiedliche Situationen abgebildet und bewertet<br />
werden können, ist die Definition entsprechender Konfigurationsmechanismen<br />
notwendig.<br />
6.1.1 Metamodell der Struktur des Reifegradmodells<br />
Eine Referenz zur Ableitung der massgeblichen Strukturelemente des Reifegradmo-<br />
dells bildet – da die anderen untersuchten Modelle keinen formalen Aufbau aufweisen<br />
– das in Abschnitt 5.2.1 beschriebene Metamodell des CMMI-ACQ. Aufgrund der <strong>im</strong><br />
vorherigen Kapitel aufgezeigten Unzulänglichkeiten werden jedoch weitreichende<br />
Änderungen vorgenommen (vgl. Abbildung 47).<br />
Legende<br />
Gestaltungsd<strong>im</strong>ension<br />
0..* 0..1<br />
1..*<br />
1..*<br />
Generisches Ziel Reifegrad<br />
1..*<br />
Gestaltungsebene<br />
1..*<br />
Gestaltungsobjekt<br />
1..*<br />
Spezifisches Ziel<br />
1..*<br />
1..*<br />
1..*<br />
Situation<br />
Fä higkeitsgrad<br />
Zwingendes Element Erwartetes Element Beschreibendes Element<br />
Abbildung 47: Metamodell der Struktur des Reifegradmodells
122 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung<br />
� Gestaltungsobjekte: Basis für die Bewertung der Reife bilden nicht Prozesse bzw.<br />
Prozessgebiete, sondern so genannte Gestaltungsobjekte. Gestaltungsobjekte kön-<br />
nen materielle (z. B. Infrastrukturkomponenten) oder <strong>im</strong>materielle Gegenstände (z.<br />
B. Anreizstrukturen) darstellen.<br />
� Situationen: Zur Sicherstellung der Situativität des Reifegradmodells werden unter-<br />
schiedliche Konstellationen spezifiziert, in denen ein Gestaltungsobjekt vorkom-<br />
men kann. Dadurch können vergleichbare Sachverhalte besser gegenübergestellt<br />
werden.<br />
� Spezifische Ziele: Ein Gestaltungsobjekt weist <strong>im</strong>mer ein spezifisches Ziel auf (z.<br />
B. ein Kostenziel, Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel, Sicherheitsziel und Flexibi-<br />
litäts-/Unabhängigkeitsziel). 62 Ungleich wie be<strong>im</strong> CMMI-ACQ kann ein spezifi-<br />
sches Ziel auch mehreren Gestaltungsobjekten zugeordnet werden.<br />
� Fähigkeitsgrade: Je nach Erfüllung der spezifischen Ziele können Fähigkeitsgrade<br />
definiert und entsprechende Zielpr<strong>of</strong>ile abgeleitet werden.<br />
� Gestaltungsebenen: Da nicht nur Prozesse als Grundlage für die Reifebeurteilung<br />
betrachtet werden sollen, gilt es unterschiedliche Gestaltungsebenen zu unterschei-<br />
den (z. B. Personen, Prozesse, Technologien, Umwelt). Diese helfen, zusammen<br />
mit den Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen, thematisch zusammengehörige Gestaltungsobjek-<br />
te zu gliedern.<br />
� Generische Ziele: Gestaltungsebenen weisen <strong>im</strong>mer ein oder mehrere generische<br />
Ziele auf (z. B. Prozess ist definiert, geführt und opt<strong>im</strong>iert). Ein generisches Ziel ist<br />
<strong>im</strong>mer eindeutig einer Gestaltungsebene zugeordnet.<br />
� Reifegrade: Je nach Erfüllungsgrad der generischen Ziele werden Reifegrade defi-<br />
niert. Diese bilden, zusammen mit den abgeleiteten Fähigkeitsgraden, die Gestal-<br />
tungsempfehlungen der vorliegenden Arbeit.<br />
� Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen: Analog wie die Prozesskategorien in CMMI-ACQ wer-<br />
den so genannte Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen als Mittel zur Strukturierung des betrach-<br />
teten Gestaltungsbereichs abgeleitet.<br />
Tabelle 18 zeigt zusammenfassend die Definitionen der Metaentitätstypen des Reife-<br />
gradmodells und die Zuordnung zur Metastruktur des CMMI-ACQ.<br />
62 Vgl. Abschnitt 4.1.2.
Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 123<br />
Metaentitätstyp Erläuterung Zuordnung CMMI<br />
Fähigkeitsgrad Ein Fähigkeitsgrad beschreibt die kumulative Erfül-<br />
lung der spezifischen Ziele der Gestaltungsobjekte.<br />
Generisches Ziel Ein generisches Ziel bezeichnet die mit der Opt<strong>im</strong>ie-<br />
Gestaltungs-<br />
d<strong>im</strong>ension<br />
rung einer Gestaltungsebene verbundene Absicht.<br />
Eine Gestaltungsd<strong>im</strong>ension ist die Zusammenfassung<br />
aller Anforderungen zu einem Thema (z. B. Bedarfs-<br />
ermittlung, Bestellung) und dient zur Strukturierung<br />
des Reifegradmodells.<br />
Gestaltungsebene Gestaltungsebenen definieren das Konzept von Rei-<br />
fe, welches zur Beurteilung eines Gestaltungsobjekts<br />
angewendet werden soll.<br />
Gestaltungsobjekt Ein Gestaltungsobjekt ist das zentrale Element zur<br />
Beurteilung der Reife eines Gestaltungsbereichs.<br />
Reifegrad Ein Reifegrad fasst eine Anzahl von Gestaltungsob-<br />
jekten zusammen, welche kumulativ erfüllt werden<br />
müssen, um auf die nächste Stufe zu gelangen.<br />
Situation Eine Situation beschreibt eine typische Konstellation<br />
einer Organisation. Sie bildet die Grundlage zur Se-<br />
lektion der für den Sachverhalt zutreffenden Gestal-<br />
tungsobjekte.<br />
Spezifisches Ziel Ein spezifisches Ziel bezeichnet die mit der Opt<strong>im</strong>ie-<br />
rung eines Gestaltungsobjekts verbundene Absicht.<br />
Tabelle 18: Beschreibung der strukturellen Metaentitätstypen<br />
6.1.2 Metamodell der Inhalte des Reifegradmodells<br />
Fähigkeitsgrad<br />
Generisches Ziel<br />
Prozesskategorie<br />
Nicht vorhanden<br />
Prozessgebiet<br />
Reifegrad<br />
Nicht vorhanden<br />
Spezifisches Ziel<br />
Grundlage für die Entwicklung der Inhalte des Reifegradmodells ist das Business En-<br />
gineering Core-Business-Metamodell (BE CBM) [vgl. Österle et al. 2007b]. Es bein-<br />
haltet die wesentlichen Elemente zur allgemeinen Beschreibung der Architektur von<br />
Organisationen. Zudem sind die folgenden branchenspezifischen Adaptionen vorhan-<br />
den:<br />
� BAACKE et al. verwenden das BE CBM als Ausgangslage zur Beschreibung der<br />
Transformation der öffentlichen Verwaltung [vgl. Baacke et al. 2008b]. Wesentli-<br />
che Neuerung ist die Erweiterung des Metamodells um Elemente, welche die regu-<br />
latorischen Rahmenbedingungen beschreiben.<br />
� METTLER et al. adaptieren das BE CBM in Hinblick auf die Verwendung <strong>im</strong> Ge-<br />
sundheitswesen [vgl. Mettler et al. 2008]. Wesentliche Neuerung ist die Unter-
124 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung<br />
scheidung zwischen einer intra- und interorganisationalen Perspektive sowie die<br />
Erweiterung des Metamodells mit Rücksicht auf branchenspezifische Eigenheiten.<br />
Da das BE CBM und die erläuterten Variationen mit Rücksicht auf den zu gestalten-<br />
den Gestaltungsbereich zu breit gefasst sind, ist eine Selektion der für die Entwicklung<br />
des Reifegradmodells relevanten Konstrukte vorgenommen worden (vgl. Abbildung<br />
48). Ferner werden neu zwei unterschiedliche Typen von Konstrukten differenziert:<br />
� Abstrakte Konstrukte: Abstrakte Konstrukte bezeichnen Entitäten, deren Attribute<br />
für die Ontologie bzw. Modellentwicklung relevant sind, für welche jedoch keine<br />
konkreten Instanzen abgeleitet werden. Die Attribute abstrakter Konstrukte werden<br />
<strong>im</strong> Reifegradmodell bspw. dafür genutzt, um eine Situation zu charakterisieren.<br />
� Instanziierte Konstrukte: Instanziierte Konstrukte bezeichnen Entitäten, für welche<br />
konkrete Instanzen erzeugt werden. Die Instanzen werden <strong>im</strong> Reifegradmodell<br />
bspw. dafür genutzt, um ein spezifisches Gestaltungsobjekt abzubilden.<br />
Wissensorganisation<br />
Wissenskomponente<br />
Legende<br />
Organisation<br />
unterstützt steuert Aufbau- führt aus<br />
Führung<br />
organisation<br />
0..1<br />
0..*<br />
Anreiz<br />
beeinflusst Ausführung von<br />
beeinflusst Ausführung von<br />
Ablauforganisation<br />
1..<br />
*<br />
0..1<br />
0..*<br />
1..*<br />
Ziel<br />
hat<br />
Prozess<br />
wird formuliert für<br />
1..* 1..*<br />
Aufgabe<br />
unterstützt<br />
unterstützt<br />
0..1<br />
0..*<br />
Informationssystem<br />
1..*<br />
Applikation<br />
1..*<br />
S<strong>of</strong>twarekomponente<br />
Konstrukt aus BE CBM Erweitertes Konstrukt Instanziiert Abstrakt<br />
Abbildung 48: Metamodell der Inhalte des Reifegradmodells<br />
Des Weiteren sind die folgenden Erweiterungen gemacht worden:<br />
� Aufnahme der Entität „Wissensorganisation“: Die Wissensorganisation unterstützt<br />
die Führung und besteht aus einer oder mehreren Wissenskomponenten. Sie ist<br />
gleich wie die Entitäten Unternehmen, Informationssystem, Applikation, Aufbau-
Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 125<br />
und Ablauforganisation eine abstrakte Klasse und dient lediglich zur Abstraktion<br />
von Attributen der von ihr abgeleiteten Klassen.<br />
� Aufnahme der Entität „Wissenskomponente“: Wissenskomponenten werden benö-<br />
tigt, um eine Aufgabe effizient und effektiv auszuführen. Fehlt das Wissen für die<br />
Ausführung einer best<strong>im</strong>mten Aufgabe, wird dadurch die Zielerreichung des Ge-<br />
schäftsprozesses tangiert.<br />
� Aufnahme der Entität „Anreiz“: Anreize werden dazu formuliert, um die Realisie-<br />
rung ausgewählter Ziele zu unterstützen. Sie haben i. d. R. einen positiven Einfluss<br />
auf die Ausführung einer best<strong>im</strong>mten Aufgabe.<br />
In Tabelle 19 sind die einzelnen Metaentitätstypen nochmals zusammenfassend be-<br />
schrieben.<br />
Metaentitätstyp Erläuterung<br />
Ablauforganisation Die Ablauforganisation beschreibt die stellenübergreifenden Arbeitsab-<br />
läufe einer Organisation.<br />
Anreiz Ein Anreiz ist ein verhaltensbeeinflussender Reiz, der sich auf eine Per-<br />
son oder Gruppe von Personen bezieht. Er kann extrinsisch (z. B. bessere<br />
Entlöhnung) oder intrinsisch (z. B. mehr Spass an der Arbeit) ausgestal-<br />
tet sein.<br />
Applikation Eine Applikation ist die fachlogische Zusammenfassung mehrerer S<strong>of</strong>t-<br />
warekomponenten und ihrer Operationen.<br />
Aufbauorganisation Die Aufbauorganisation gliedert die Organisation in fachlogische Einhei-<br />
ten und verbindet dadurch einzelne Stellen mit Leitungs- und Kommuni-<br />
kationsstrukturen.<br />
Aufgabe Eine Aufgabe ist eine fachlogische Verrichtungseinheit mit einem be-<br />
st<strong>im</strong>mbaren Ergebnis. Sie wird von Menschen und/oder Maschinen aus-<br />
geführt.<br />
Führung Führung beschreibt die Entwicklung, Gestaltung und Lenkung der Auf-<br />
bau- und Ablauforganisation zur Erreichung der spezifizierten Ziele.<br />
Informationssystem Ein Informationssystem kann als sozio-technisches System aufgefasst<br />
werden, welches Menschen und Maschinen verbindet und zur effizienten<br />
Informationsversorgung eingesetzt wird.<br />
Organisation Eine Organisation ist ein zweck-best<strong>im</strong>mtes, aktivitäten-orientiertes und<br />
abgrenzbares System.
126 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung<br />
Metaentitätstyp Erläuterung<br />
Prozess Ein Prozess ist die zusammengehörende Abfolge von Aufgaben zum<br />
Zweck einer Leistungserstellung. Input bzw. Output eines Prozesses sind<br />
seine Leistungen, die von internen oder externen Akteuren angefordert<br />
und abgenommen werden.<br />
S<strong>of</strong>twarekomponente Eine S<strong>of</strong>twarekomponente fasst alle für die systemgestützte Ausführung<br />
einer Aufgabe relevanten Funktionalitäten zusammen und unterstützt<br />
diese bei der Aufnahme, Verarbeitung, Speicherung und Übertragung<br />
betrieblich relevanter Informationen.<br />
Wissenskomponente Eine Wissenskomponente fasst das für die Ausführung einer Aufgabe<br />
relevante Wissen zusammen.<br />
Wissensorganisation Die Wissensorganisation fasst verschiedene Vorgehensweisen, Metho-<br />
den und Modelle zur Erschliessung und Strukturierung des Wissens einer<br />
Organisation zusammen.<br />
Ziel Ziele beschreiben diejenigen Kriterien und Anforderungen, anhand derer<br />
die Führung des Unternehmens zu erfolgen hat. Diese werden <strong>im</strong> Sinne<br />
einer hierarchischen Zielstruktur in unterschiedlichen Detaillierungsgra-<br />
den definiert.<br />
Tabelle 19: Beschreibung der inhaltlichen Metaentitätstypen<br />
6.2 Beschreibung der Beschaffenheit des Reifegradmodells<br />
Ausgehend vom in Abschnitt 3.4 spezifizierten Entwurfsmuster werden nun der An-<br />
spruch und die Charakteristik des Reifegradmodells besprochen.<br />
Als erstes erfolgt die Beschreibung der generellen Eigenschaften des Reifegradmo-<br />
dells. In einem zweiten Schritt werden die Eigenschaften der Ontologie und als letztes<br />
die des Bewertungsmodells diskutiert.<br />
6.2.1 Generelle Eigenschaften<br />
� Verwendungszweck: Die übergeordnete Zielsetzung der Artefaktkonstruktion ist es,<br />
die Krankenhäuser bei der zielgerichteten Gestaltung des Einkaufs zu unterstützen.<br />
Das Artefakt soll, neben dem Aspekt des Gestaltens, auch den Aspekt des Ent-<br />
scheidens (<strong>im</strong>pliziert aus dem Begriff „zielgerichtet“) berücksichtigen.<br />
� Neuigkeitswert: Die Untersuchung bestehender Reifegradmodelle lässt den Schluss<br />
zu, dass es noch keine umfassende Lösung für den spezifizierten Gestaltungsbe-<br />
reich gibt. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass das zu erschaffende Reife-
Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 127<br />
gradmodell eine Innovation darstellt, wenngleich für die Konstruktion auf beste-<br />
hendes Wissen zurückgegriffen wird.<br />
� Breite: Aufgrund des besonderen Charakters des Gesundheitswesens <strong>im</strong> Allgemei-<br />
nen und der Organisation „<strong>Krankenhaus</strong>“ <strong>im</strong> Speziellen 63 wird angenommen, dass<br />
das Reifegradmodell lediglich Gültigkeit für diese spezifische Branche besitzt.<br />
Gleichwohl ist denkbar, dass es in angepasster Form auch in der öffentlichen Ver-<br />
waltung Anwendung finden könnte.<br />
� Tiefe: Den Fokus des Reifegradmodells bildet die Arbeitsgruppe „<strong>Krankenhaus</strong>ein-<br />
kauf“. Da diese aber eine Vielzahl intraorganisationaler und interorganisationaler<br />
Schnittstellen aufweist, sollten auch Konstrukte identifiziert werden, welche die<br />
Organisationseinheit mit dem Rest der Organisation und Wertekette verbinden.<br />
� Zielgruppe: <strong>Krankenhaus</strong>einkäufer betrachten den Gestaltungsbereich vorwiegend<br />
aus fachlicher Sicht. Die Beleuchtung technologischer Gesichtspunkte wird des-<br />
halb sehr <strong>of</strong>t vernachlässigt. Da eine ganzheitliche Lösung angestrebt wird, sollen<br />
beide Betrachtungsweisen gleichermassen adressiert werden.<br />
6.2.2 Eigenschaften der Ontologie<br />
� Verwendungszweck: Pr<strong>im</strong>äre Funktion der zu entwerfenden Ontologie ist es, die<br />
wesentlichen Konstrukte der Domäne „<strong>Krankenhaus</strong>einkauf“ (und ihre Beziehun-<br />
gen) zu erklären. Obwohl sie als Basis für die Erstellung des S<strong>of</strong>twareprototyps<br />
genutzt wird, ist der Aspekt der Automation nicht <strong>im</strong> Fokus.<br />
� Abstraktion: Die Ontologie wird bewusst in Hinblick auf die Domäne „Kranken-<br />
hauseinkauf“ entwickelt und beinhaltet deshalb sowohl allgemeine als auch sehr<br />
spezifische Konstrukte, welche diesen Realweltabschnitt erklären. Die Ontologie<br />
sollte demzufolge einen mittleren Abstraktionsgrad aufweisen.<br />
� Subjekt: Durch die Ontologie soll in erster Linie die Terminologie des Reifegrad-<br />
modells best<strong>im</strong>mt werden. Eine weitere Detaillierung des Wissens ist nur begrenzt<br />
vorgesehen.<br />
� Sprache: Für die Umsetzung der Ontologie wird eine klassische, frame-basierte<br />
Ontologiesprache gewählt. Diese erlaubt eine hohe Formalisierung der identifizier-<br />
ten Konstrukte und lässt zudem axiomatische Schlussfolgerungen zu.<br />
63 Vgl. Kapitel 4.
128 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung<br />
� Entwurfsmethode: Für den Entwurf der Ontologie wird die anwendungsunabhängi-<br />
ge Methode METHONTOLOGY verwendet, da diese den iterativen Problemlö-<br />
sungsprozess der vorliegenden Arbeit begünstigt [vgl. Jones et al. 1998, S. 73]. 64<br />
� Entwurfswerkzeug: Aufgrund der Komplexität der Problemstellung soll der Ent-<br />
wurf der Ontologie computergestützt erfolgen. Hierfür wird das Werkzeug Protégé<br />
verwendet, da es nicht an eine best<strong>im</strong>mte Entwurfsmethode gebunden ist und un-<br />
terschiedliche Ontologiesprachen (darunter auch eine frame-basierte) zur Verfü-<br />
gung stellt.<br />
6.2.3 Eigenschaften des Bewertungsmodells<br />
� Verwendungszweck: Das Hauptziel des Bewertungsmodells ist es, Gestaltungsemp-<br />
fehlungen – <strong>im</strong> Sinne eines Entwicklungspfades – für die Arbeitsgruppe „Kranken-<br />
hauseinkauf“ zu entwickeln. Dabei steht mehr die organisationsinterne und weniger<br />
die organisationsübergreifende Bewertung <strong>im</strong> Vordergrund. Nichtsdestotrotz kann<br />
das Reifegradmodell auch als Grundlage für das Benchmarking unterschiedlicher<br />
Krankenhäuser verwendet werden.<br />
� Struktur: Die Analyse der existierenden Reifegradmodelle hat gezeigt, dass raster-<br />
basierte oder hybride Reifegradmodelle dem Anwender <strong>of</strong>tmals zu wenig Unter-<br />
stützung bieten, da diese den Gestaltungsbereich nicht detailliert genug erfassen.<br />
Das zu entwickelnde Reifegradmodell soll deshalb eine an die spezifizierten An-<br />
forderungen angepasste Struktur von CMMI Modellen erhalten. 65<br />
� Reifekonzept: Wie bereits dargelegt, sollte das Gestalten von Organisationen mög-<br />
lichst ganzheitlich, multiperspektivisch und situationsspezifisch realisiert werden.<br />
Folglich sollte das Bewertungsmodell über eine reine Prozessbetrachtung hinaus-<br />
gehen und auch verhaltensbezogene und technologische Aspekte beurteilen.<br />
� Reifegraddefinition: Obwohl der Gestaltungsbereich „<strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>“ <strong>im</strong><br />
Gesundheitswesen noch wenig ausgereift ist, hat die Thematik in anderen Bran-<br />
chen wie z. B. der Automobil- oder Elektronikindustrie grosse Beachtung gefun-<br />
den. Dementsprechend existieren bereits erste Vorstellungen darüber, was effizien-<br />
64 Zur detaillierten Beschreibung der Methodik sei auf die entsprechende Literatur verwiesen [vgl. Fernandez et<br />
al. 1997].<br />
65 Vgl. Abschnitt 6.1.1.
Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 129<br />
tes und effektives <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> bedeutet. Deshalb wird zur Spezifikation<br />
der Reifegrade ein Bottom-Up Ansatz gewählt.<br />
� Entwicklungspfad: Eine ganzheitliche und multiperspektivische Gestaltung von<br />
Organisationen erfordert auch, dass unterschiedliche Analysetechniken dem An-<br />
wender zur Verfügung gestellt werden. Für <strong>Krankenhaus</strong>einkäufer mit einer eher<br />
mechanistischen Sichtweise der Organisation wird ein stufenförmiger Entwick-<br />
lungspfad spezifiziert. Bei einer organischen Sichtweise der Organisation trägt die<br />
kontinuierliche Repräsentation der Reife dazu bei, dass der Entwicklungspfad dy-<br />
namisch gestaltet werden kann.<br />
� Empfehlung: Da das <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> in Krankenhäusern noch wenig entwi-<br />
ckelt ist und in diesem Sinne noch keine wirklichen Best Practices existieren, wird<br />
für die Definition der unterschiedlichen Gestaltungsempfehlungen auf Common<br />
Practice-Wissen zurückgegriffen. Gleichwohl wird für die Identifikation der rele-<br />
vanten Konstrukte des Einkaufs auf industrielle Best Practices referenziert.<br />
� Konfiguration: Die Forderung nach Situativität bedingt, dass unterschiedliche<br />
Konstellationen der Beschaffung in Krankenhäuser untersucht und die dafür zutref-<br />
fenden Konstrukte erfasst werden. Damit der Modellanwender ausschliesslich die<br />
für die jeweilige Situation passenden Konstrukte bewerten kann, ist eine generie-<br />
rende Konfiguration erforderlich (Elementselektion).<br />
� Erhebungsmethode: In Bezug auf die Erhebung der notwendigen Daten wird ange-<br />
nommen, dass eine unterstützte Selbstbeurteilung zielführend ist, da einerseits die<br />
ganzheitliche Sichtweise bei den Modellanwendern <strong>of</strong>tmals fehlt und andererseits<br />
die Kontinuität und Konsistenz der Befragung verbessert wird.<br />
� Erhebungstechnik: Für die Erhebung soll in erster Linie mit Interviews gearbeitet<br />
werden, weil auf diese Weise in relativ kurzer Zeit möglichst viele Informationen<br />
gesammelt werden können.<br />
� Realisierung: Da die Mittel für Organisationsentwicklungsprojekte in den Kran-<br />
kenhäusern äusserst knapp bemessen sind und die Verfügbarkeit von Personal (ins-<br />
besondere des medizinischen Personals) begrenzt ist, sollte die Datenerhebung<br />
nicht projektbasiert realisiert werden. Folglich wird davon ausgegangen, dass<br />
punktuelle Experteninterviews (i. d. R. mit der oder dem Verantwortlichen der Be-<br />
schaffung) genügend detaillierte Daten für die Bewertung der Reife liefern.
130 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung<br />
� Häufigkeit: Das Begutachtungsverfahren sollte in regelmässigen Abständen (Zeit-<br />
spanne 1-2 Jahre) erfolgen. Dadurch wird eine kontinuierliche Betrachtung der<br />
Entwicklung der organisationalen Reife gewährleistet.<br />
� Hilfsmittel: Aufgrund der Komplexität der Problemstellung soll die Datenerhebung<br />
und -analyse computergestützt erfolgen.<br />
In Abbildung 49 sind die getr<strong>of</strong>fenen Designentscheide nochmals grafisch zusammen-<br />
gefasst.<br />
Generelle<br />
Merkmale<br />
Merkmale<br />
der<br />
Ontologie<br />
Merkmale<br />
des<br />
Bewertungsmodells<br />
Merkmal<br />
Verwendungszweck<br />
Neuigkeitswert<br />
Breite<br />
Tiefe<br />
Zielgruppe<br />
Verwendungszweck<br />
Abstraktion<br />
Subjekt<br />
Sprache<br />
Entwurfsmethode<br />
Entwurfswerkzeug<br />
Reifekonzept<br />
Empfehlung<br />
Konfiguration<br />
Ausprägung<br />
Gestalten Entscheiden Lernen/Wissen<br />
Innovation Variante Version<br />
Branchenunabhängig Branchenabhängig<br />
Arbeitsgruppe Organisation Wertkette Gesellschaft<br />
<strong>Management</strong>-orientiert Technologie-orientiert<br />
Entwicklungspfad Statisch (stufenförmig) Dynamisch (kontinuierlich)<br />
Erhebungsmethode<br />
Common-Practice Best-Practice<br />
Keine Generierend Nicht-generierend<br />
Selbstbeurteilung<br />
Unterstützt durch<br />
Dritte<br />
Beurteilung durch<br />
Dritte<br />
Erhebungstechnik Interview Umfrage Beobachtung Dokumentenanalyse<br />
Realisierung Punktuell Projektbasiert<br />
Häufigkeit Einmalig Mehrmalig<br />
Hilfsmittel<br />
Repräsentation Automation<br />
Allgemein Domäne Anwendung<br />
Terminologie Struktur Wissen<br />
Axiomatisch Webbasiert<br />
Anwendungsunabhängig Anwendungsabhängig<br />
Papierbasiert Computergestützt<br />
Verwendungszweck Opt<strong>im</strong>ierung Bewertung<br />
Struktur Rasterbasiert Hybrid Formal-strukturiert<br />
Prozessreife Personenreife Objektreife<br />
Reifegraddefinition Bottom-Up Top-Down<br />
Keine Dokumentbasiert Computergestützt<br />
Abbildung 49: Anwendung des Entwurfsmusters auf die vorliegende Arbeit
Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 131<br />
6.3 Vorgehen zur Konstruktion des Reifegradmodells<br />
Eine häufige Kritik am Konzept der Reifegradmodellierung ist, dass die Modelle unzu-<br />
reichend theoretisch fundiert werden [vgl. Biberoglu, Haddad 2002, S. 150]. Dieser<br />
Umstand ist nicht zuletzt dadurch zu begründen, dass die Entwickler von Reifegrad-<br />
modellen den Konstruktionsprozess nur selten <strong>of</strong>fenlegen und dadurch eine Beurtei-<br />
lung der Validität und Reliabilität des Modells erschwert wird [vgl. auch Becker et al.<br />
2009, S. 250].<br />
Im Folgenden werden zunächst die explizierten Vorgehensweisen von DE BRUIN et<br />
al. und BECKER/KNACKSTEDT et al. diskutiert. Anschliessend wird darauf aufbau-<br />
end das eigene Vorgehen erklärt.<br />
6.3.1 Vorgehen nach DE BRUIN et al.<br />
Auf Basis der Erkenntnisse, welche <strong>im</strong> Rahmen der Konstruktion des Business Process<br />
Maturity Model (BPMM) und des Knowledge <strong>Management</strong> Capability Assessment<br />
(KMCA) gemacht wurden, definieren DE BRUIN et al. ein Phasenmodell zur Reife-<br />
gradmodellentwicklung, das aus den nachfolgenden sechs Aktivitäten besteht [vgl. de<br />
Bruin et al. 2005, S. 2 f.].<br />
1. Gestaltungsbereich eingrenzen (Scope): In einem ersten Schritt werden der Gestal-<br />
tungsbereich eingegrenzt (genereller Gestaltungsbereich vs. domänenspezifischer<br />
Gestaltungsbereich) und die relevanten Anspruchsgruppen (Praktiker vs. Wissen-<br />
schaftler) best<strong>im</strong>mt. Grundlage für die Eingrenzung bildet in der Regel eine umfas-<br />
sende Literaturanalyse und erste Erfahrungen <strong>im</strong> spezifizierten Themengebiet.<br />
2. Reifegrade und Erhebungsverfahren definieren (Design): Die Ergebnisse der<br />
durchgeführten Literaturanalyse und Interviews werden weiterhin zur Ableitung<br />
der Reifegrade genutzt. Die Definition der Reifegrade erfolgt somit vor der Identi-<br />
fikation möglicher Gestaltungsobjekte oder Messgrössen (Top-Down). Zentral da-<br />
bei ist die Festlegung der unterschiedlichen Gestaltungsebenen und der Ansprech-<br />
partner, welche die zur Erhebung der Reife notwendigen Daten liefern sollen.<br />
3. Modellinhalte ermitteln (Populate): In einem weiteren Schritt folgt die „Befüllung“<br />
der Inhalte des Reifegradmodells. Ausgangspunkt bildet die Best<strong>im</strong>mung der Ge-<br />
staltungsd<strong>im</strong>ensionen resp. die Definition eines geeigneten Erhebungsrasters. Die<br />
einzelnen Gestaltungsobjekte werden wiederum aus der gängigen Literatur herge-<br />
leitet. Für jedes Gestaltungsobjekt wird anschliessend eine Frage konzipiert. Die
132 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung<br />
einzelnen Fragestellungen werden abschliessend in einem Fragenkatalog zusam-<br />
mengefasst.<br />
4. Modellinhalte evaluieren (Test): Der wichtigste Schritt in der Modellentwicklung<br />
ist gemäss DE BRUIN et al. die Evaluation der Modellinhalte hinsichtlich ihrer<br />
Validität, Reliabilität und Generalisierbarkeit. Dies kann auf unterschiedliche Wei-<br />
se erfolgen. Im Rahmen der Entwicklung des BPMM ist der entwickelte Fragenka-<br />
talog durch Experteninterviews und Fallstudien, be<strong>im</strong> KMCA durch Fokusgrup-<br />
pendiskussionen evaluiert worden.<br />
5. Modellinhalte operationalisieren (Deploy): Um die Akzeptanz des Modells zu er-<br />
höhen, schlagen DE BRUIN et al. vor, den Fragenkatalog in eine für den potenziel-<br />
len Anwender nutzbare Form zu bringen. Auf einzelne Techniken oder Ergebnis-<br />
dokumente wird dabei nicht eingegangen.<br />
6. Nutzung sicherstellen (Maintain): Schliesslich müssen Vorkehrungen getr<strong>of</strong>fen<br />
werden, um die weitere Verbreitung und Evolution des Modells zu unterstützen.<br />
Hier werden ebenfalls keine näheren Angaben gemacht.<br />
6.3.2 Vorgehen nach BECKER/KNACKSTEDT et al.<br />
BECKER/KNACKSTEDT et al. systematisieren ihre Erkenntnisse aus der Konstrukti-<br />
on des IT Performance Measurement Maturity Model (ITPM 3 ) in einem Vorgehens-<br />
modell für Reifegradmodellentwicklung [vgl. Becker et al. 2009; Knackstedt et al.<br />
2009]. Die Grundlage dafür bilden die Design Science Research Guidelines von<br />
HEVNER et al. [vgl. Hevner et al. 2004, S. 83]. Obwohl explizit auf die Entwicklung<br />
von Reifegradmodellen Bezug genommen wird, sind die einzelnen Phasen leider nur<br />
sehr generisch beschrieben und liefern nur wenige Anhaltspunkte für die konkrete Rei-<br />
fegradmodellkonstruktion. Das Vorgehensmodell gliedert sich in acht Schritte (vgl.<br />
Abbildung 50):<br />
1. Problemdefinition: Der Entwicklungsprozess eines Reifegradmodells startet mit<br />
der Problemdefinition. Ziel ist es, den Gestaltungsbereich des Reifegradmodells<br />
einschliesslich seiner Einsatzvoraussetzungen festzulegen und den mit dem Reife-<br />
gradmodell angestrebten Nutzen detailliert zu beschreiben.<br />
2. Vergleich mit existierenden Reifegradmodellen: Als zweiter Schritt folgt der Ver-<br />
gleich mit bestehenden Reifegradmodellen. Dadurch soll die Notwendigkeit eines<br />
zu entwickelnden Reifegradmodells begründet resp. der Nachweis erbracht werden,
Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 133<br />
dass noch keine geeignete Problemlösung für den gewählten Gestaltungsbereich<br />
existiert.<br />
3. Festlegung der Entwicklungsstrategie: Besteht eine genügend grosse Notwendig-<br />
keit zur Entwicklung eines Reifegradmodells, muss als nächster Schritt die Ent-<br />
wicklungsstrategie festgelegt werden (z. B. vollständige Neuentwicklung, die Wei-<br />
terentwicklung eines bestehenden Reifegradmodells, die Kombination mehrerer<br />
Modelle zu einem neuen Reifegradmodell oder die Übertragung von Strukturen<br />
oder Inhalten).<br />
4. Iterative Reifegradmodellentwicklung: Nach Festlegung der Entwicklungsstrategie<br />
erfolgt die eigentliche Konstruktion des Reifegradmodells, indem die zur Reifebe-<br />
wertung benötigte Modellbasis iterativ in mehreren Schritten verfeinert wird. Hier-<br />
für können unterschiedliche Methoden angewendet werden (z. B. Literaturanalyse,<br />
Fokusgruppen, Kreativitätstechniken).<br />
5. Konzeption von Transfer und Evaluation: Das Reifegradmodell ist den potentiellen<br />
Anwendern in adressatengerechter Weise, d. h. unter Berücksichtigung ihrer An-<br />
wendungsvoraussetzungen und -interessen, zur Verfügung zu stellen. Deshalb<br />
müssen nach der Entwicklung der Modellbasis auch geeignete Transfermittel für<br />
die Praxis spezifiziert werden (z. B. papierbasierte Checklisten für die Erhebung,<br />
s<strong>of</strong>twaregestützte Erhebung und Analyse).<br />
6. Implementierung der Transfermittel: Durch die Implementierung der konzipierten<br />
Transfermittel wird die Grundlage für die Kommunikation mit den potentiellen<br />
Anwendern geschaffen. Darüber hinaus können diese bei geeigneter Umsetzung<br />
auch als Grundlage für die Evaluation des Reifegradmodells dienen.<br />
7. Durchführung der Evaluation: Die Evaluation stellt sicher, dass die <strong>im</strong> Modell ein-<br />
gehenden Grundlagen und Prämissen korrekt und die definierten Anforderungen an<br />
das Instrument erfüllt sind.<br />
8. Entscheid über weiteres Vorgehen: Schliesslich muss in einem letzten Schritt dar-<br />
über geurteilt werden, ob das Reifegradmodell verbreitet oder verworfen werden<br />
soll.
134 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung<br />
Problem ist unzureichend gelöst<br />
oder noch ungelöst<br />
Weitere Iteration<br />
Durchführung der<br />
Evaluation<br />
Artefakt löst das Problem<br />
oder Artefaktkonstruktion<br />
ist gescheitert<br />
Legende<br />
Evaluationsergebnisse<br />
Implementierung<br />
der Transfermittel<br />
Erhebungs- und<br />
Analysetechniken<br />
Problemdefinition<br />
Studie zur<br />
Problemrelevanz<br />
Überprüfung<br />
von Transfermittel<br />
und Evaluationskonzept<br />
Konzeption von<br />
Transfer und<br />
Evaluation<br />
Evaluationskonzept<br />
Phase Dokument<br />
Vergleich<br />
Reifegradmodelle<br />
Vergleichsstudie<br />
Entwicklungs-<br />
Überprüfung konzept<br />
der Modellbasis<br />
Iterative<br />
Reifegradmodellentwicklung<br />
Modellbasis<br />
Kontrollfluss<br />
Abbildung 50: Vorgehensmodell nach BECKER/KNACKSTEDT et al. 66<br />
Notwendigkeit der<br />
Artefaktkonstruktion<br />
ist vorhanden<br />
Festlegung der<br />
Entwicklungsstrategie<br />
Zentral für das Vorgehensmodell ist die Phase „iterative Reifegradmodellentwick-<br />
lung“, welche als einzige auf Aktivitätenebene beschrieben und wie folgt untergliedert<br />
ist:<br />
1. Gestaltungsbereich festlegen: In einem ersten Schritt wird die „grundlegende Ar-<br />
chitektur“ des Reifegradmodells definiert. Darunter fallen die Ableitung der Ent-<br />
wicklungsstufen resp. Reifegrade sowie die Definition von Gestaltungsd<strong>im</strong>ensio-<br />
nen und -ebenen. Gleich wie be<strong>im</strong> obigen Vorgehen wird hierfür eine Literaturana-<br />
lyse durchgeführt.<br />
2. Vorgehen wählen: Zur Identifikation von Modellinhalten schlagen BE-<br />
CKER/KNACKSTEDT et al. vor, Literaturanalysen oder explorative Forschungs-<br />
methoden wie z. B. die Delphi-Methode, Kreativitätstechniken, etc. anzuwenden.<br />
3. Modellbereich gestalten: Im Anschluss ist die definierte Struktur oder Teilbereiche<br />
aus dieser gemäss der gewählten Technik zu befüllen.<br />
4. Ergebnis prüfen: In einem letzten Schritt werden die Inhalte des Reifegradmodells<br />
evaluiert. Im Rahmen der Konstruktion des ITPM 3 ist dies durch neun semi-<br />
66 Übernommen und geringfügig adaptiert aus [Knackstedt et al. 2009, S. 541].
Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 135<br />
strukturierte Interviews und mehrere Fokusgruppendiskussionen erfolgt. Angaben<br />
hinsichtlich der verwendeten Evaluationskriterien fehlen.<br />
6.3.3 Charakterisierung des eigenen Vorgehens<br />
Im Allgemeinen sind die diskutierten Vorgehensweisen nur bruchstückhaft beschrie-<br />
ben, was eine begründete Beurteilung der Eignung der einzelnen Ansätze schwer mög-<br />
lich macht. Vergleicht man die beiden Ansätze, so kann jedoch festgehalten werden,<br />
dass beide <strong>im</strong>plizit ein Top-Down Vorgehen zur Best<strong>im</strong>mung der Reifegrade zugrun-<br />
delegen (d. h. Ableitung der Reifegrade nach der Ermittlung der konkreten Gestal-<br />
tungsobjekte). Da in der vorliegenden Arbeit ein Bottom-Up Vorgehen bevorzugt<br />
wird, 67 muss der Konstruktionsprozess zwangsläufig angepasst werden. Das gewählte<br />
Vorgehen ist in Abbildung 51 schematisch dargestellt und wird nachfolgend beschrie-<br />
ben. 68<br />
0<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
67 Vgl. Abschnitt 6.2.3.<br />
Gestaltungsbereich eingrenzen<br />
Modellinhalte ermitteln<br />
Modellinhalte testen<br />
Modellinhalte operationalisieren<br />
Implementierung anwenden<br />
Reife- und Fähigkeitsgrade ableiten<br />
Gesamtkonzept evaluieren<br />
1.1<br />
Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen<br />
ermitteln<br />
1.2 Gestaltungsebenen ermitteln<br />
1.3 Gestaltungsobjekte ermitteln<br />
3.1<br />
3.2<br />
Konfigurationstechnik<br />
best<strong>im</strong>men<br />
Erhebungstechnik<br />
best<strong>im</strong>men<br />
3.3 Analysetechnik best<strong>im</strong>men<br />
5.1<br />
5.2<br />
Reifegrade ableiten<br />
Fähigkeitsgrade ableiten<br />
Abbildung 51: Gewähltes Vorgehen zur Reifegradmodellentwicklung<br />
68 Die Analyse und Eingrenzung des Gestaltungsbereichs ist bereits in Abschnitt 4.1 und 6.2.1 erfolgt.
136 Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung<br />
1. Modellinhalte ermitteln: Als erstes werden auf Basis einer Literaturanalyse die<br />
Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen des Bewertungsmodells abgeleitet. Da das Bewertungs-<br />
modell unterschiedliche Konzepte von Reife beinhalten soll, werden in einem wei-<br />
teren Teilschritt die einzelnen Gestaltungsebenen definiert. Grundlage dafür sind<br />
die Bewertungsskalen existierender Reifegradmodelle. Danach werden anhand der<br />
gängigen Literatur sowie aus den Erkenntnissen der Fallstudien die einzelnen Ges-<br />
taltungsobjekte abgeleitet und formal in einer Domänenontologie beschrieben.<br />
2. Modellinhalte evaluieren: Die formalisierte Beschreibung der Konstrukte dient als<br />
Ausgangspunkt für eine erste, inhaltliche Evaluation. In Fokusgruppendiskussionen<br />
mit Einkaufsverantwortlichen von Krankenhäusern und spezialisierten IT-<br />
Dienstleistern wird diese hinsichtlich ihrer Relevanz, Konsistenz, Verständlichkeit,<br />
Vollständigkeit, Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit und Aktualität geprüft. Die Inten-<br />
tion ist dabei unklare Formulierungen neu zu artikulieren, unwesentliche Konstruk-<br />
te zu el<strong>im</strong>inieren und noch fehlende, relevante Konstrukte hinzuzufügen.<br />
3. Modellinhalte operationalisieren: Um an Daten für die Ableitung der Reifegrade<br />
zu gelangen, ist eine Operationalisierung der Konstrukte notwendig. Hierfür wer-<br />
den zunächst eine Regelbasis für die Konfiguration entwickelt sowie verschiedene<br />
Erhebungsformulare konzipiert, welche zur Ermittlung des Konfigurationspr<strong>of</strong>ils<br />
und zur Bewertung der einzelnen Gestaltungsobjekte dienen. Ferner werden in ei-<br />
nem weiteren Teilschritt Analysetechniken spezifiziert, welche die Ergebnisse der<br />
Erhebung in geeigneter Form visualisieren und aggregieren. Schliesslich werden<br />
die einzelnen Techniken s<strong>of</strong>twaretechnisch umgesetzt.<br />
4. Implementierung anwenden: Ein weiterer Schritt in der Evaluation des Reifegrad-<br />
modells ist die Demonstration der Umsetzbarkeit [vgl. Vaishnavi, Kuechler 2008,<br />
S. 160 f.]. Einerseits können so weitere, am Konstruktionsprozess bisher unbetei-<br />
ligte Akteure involviert und damit die Validität und Generalisierbarkeit des Mo-<br />
dells erhöht werden. Andererseits können durch den Einsatz des S<strong>of</strong>twareprototyps<br />
aktuelle Daten zur Ableitung der Reifegrade gesammelt werden.<br />
5. Reife- und Fähigkeitsgrade ableiten: Da das Reifegradmodell sowohl statische als<br />
auch dynamische Gestaltungsempfehlungen beinhalten soll, sind zwei unterschied-<br />
liche Darstellungsformen zu spezifizieren. Basis zur Ableitung der Reife- und Fä-<br />
higkeitsgrade bilden die zuvor gesammelten Daten des S<strong>of</strong>twareprototyps.<br />
6. Evaluation des Gesamtkonzepts: In einem letzten Schritt werden mittels einer Um-<br />
frage die Zweckmässigkeit der identifizierten Modellinhalte, die Qualität der Imp-
Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung 137<br />
lementierung und die Eignung des Erhebungsverfahrens beurteilt. 69 Dies bildet die<br />
Grundlage, um festzustellen, ob weitere Iterationen zur Verfeinerung des Reife-<br />
gradmodells erforderlich sind.<br />
6.4 Zusammenfassung der Ergebnisse<br />
Die systematische Konstruktion eines Reifegradmodells erfordert eine umfassende<br />
Beschreibung der grundlegenden Eigenschaften sowie der einzelnen Bestandteile des<br />
Modells. Folglich sind in diesem Kapitel die grundlegenden strukturellen und inhaltli-<br />
chen Metaentitätstypen des zu entwickelnden Reifegradmodells definiert worden.<br />
Basierend auf das in Abschnitt 3.4 spezifizierte Entwurfsmuster sind ferner der An-<br />
spruch und die Charakteristik des Reifegradmodells abgeleitet worden. Hervorzuheben<br />
sind dabei drei Designentscheide:<br />
� Das Reifegradmodell nutzt unterschiedliche Konzepte von Reife bzw. verschiedene<br />
Gestaltungsebenen.<br />
� Reifegrade werden nicht Top-down – wie es in den meisten der betrachteten Mo-<br />
dellen der Fall ist – sondern Bottom-up abgeleitet.<br />
� Gestaltungsempfehlungen sollen nicht nur statisch in Form von Entwicklungsstu-<br />
fen, sondern auch dynamisch als Zielpr<strong>of</strong>ile ausgedrückt werden.<br />
Da die Konstruktion von Reifegradmodellen <strong>im</strong> Allgemeinen unzulänglich dokumen-<br />
tiert ist, konnten lediglich zwei Beiträge identifiziert werden, welche Hinweise zur<br />
Ausarbeitung von Reifegradmodellen geben. Diese gehen allerdings beide von einem<br />
Top-down Vorgehen zur Ableitung der Reifegrade aus. Folglich ist ein eigenständiges<br />
Vorgehen entwickelt worden, das sich durch die folgenden Punkte unterscheidet:<br />
� Die Modellinhalte werden vor der Festlegung der Reifegrade formal beschrieben.<br />
� Die Modellinhalte werden zum Zweck der Datenerhebung operationalisiert.<br />
� Die Anwendung der spezifizierten Techniken bildet die Basis zur Berechnung und<br />
Herleitung statischer und flexibler Gestaltungsempfehlungen.<br />
69 Vgl. Anhang C.
Entwicklung des Reifegradmodells 139<br />
7 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Den substantiellen Beitrag der vorliegenden Arbeit bildet ein situatives Reifegradmo-<br />
dell für das <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> in Krankenhäusern, welches in den nachfolgenden<br />
Abschnitten <strong>im</strong> Detail beschrieben wird. 70 Basierenden auf dem Vorgehensmodell, das<br />
<strong>im</strong> vorangehenden Kapitel beschrieben wurde, werden als erstes die wesentlichen<br />
Konstrukte des Reifegradmodells diskutiert (Abschnitt 7.1). Diese stellen das Ergebnis<br />
der ersten beiden iterativen Konstruktionsaktivitäten „Modellinhalte ermitteln“ und<br />
„Modellinhalte testen“ dar. Um die Modellbasis an die unterschiedlichen situativen<br />
Gegebenheiten eines <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs anzupassen und für die Reifebeurteilung zu<br />
operationalisieren, werden in einem weiteren Schritt die Techniken zur Konfiguration,<br />
Erhebung und Analyse thematisiert (Abschnitt 7.2). In einem letzten Schritt werden<br />
die Reife- und Fähigkeitsgrade ermittelt (Abschnitt 7.3), die das Ergebnis der Kon-<br />
struktionsaktivitäten „Implementierung anwenden“ und „Reife- und Fähigkeitsgrade<br />
ableiten“ darstellen. Das Kapitel endet mit einer Zusammenfassung der grundlegenden<br />
Ergebnisse (Abschnitt 7.4).<br />
7.1 Definition der Modellinhalte<br />
In diesem Abschnitt werden die elementaren Inhalte des HSRM 3 vorgestellt. Als erstes<br />
werden die Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen sowie die verschiedenen Gestaltungsebenen abge-<br />
leitet. Danach erfolgt die umfassende Beschreibung der einzelnen Gestaltungsobjekte.<br />
Abschliessend wird auf Grundlage der Ergebnisse von zwei durchgeführten Fokus-<br />
gruppendiskussionen ein kurzes Zwischenfazit gezogen.<br />
7.1.1 Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen<br />
Es existiert eine grosse Anzahl von Arbeiten, die sich in verschiedenen Facetten mit<br />
der Strukturierung des Gestaltungsbereichs „<strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>“ auseinandersetzen<br />
(vgl. Tabelle 20). Bei näherer Betrachtung können zwei elementare Gestaltungsd<strong>im</strong>en-<br />
sionen identifiziert werden, welche für die Strukturierung des Themenbereiches<br />
„<strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>“ angewendet werden können [vgl. auch Mettler, Rohner 2010]:<br />
70 Im Folgenden wird das Reifegradmodell mit dem Akronym HSRM 3 (Hospital <strong>Supply</strong> and Relationship Ma-<br />
nagement Maturity Model) abgekürzt [vgl. auch Mettler, Rohner 2009d].
140 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
� Die personenzentrierte Sichtweise basiert auf der grundlegenden Annahme, dass<br />
durch bessere (soziale) Beziehungen mit Lieferanten die Effektivität des <strong>Supply</strong><br />
<strong>Management</strong>s massgeblich erhöht und dadurch strategische Vorteile geschaffen<br />
werden. Voraussetzung ist allerdings ein hohes an Mass an Kooperations- und<br />
Konfliktkompetenz [vgl. Leftwich et al. 2004, S. 1 f.; Rückert 2007, S. 128 f.].<br />
Ausgangspunkt für die Gestaltung bilden deshalb <strong>of</strong>t theoretische Modelle aus der<br />
betriebswirtschaftlichen Führungslehre, Psychologie oder Soziologie.<br />
� Bei der prozesszentrierten Sichtweise steht weniger die Effektivität, sondern viel-<br />
mehr die Effizienz des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s <strong>im</strong> Vordergrund. Zentrale Annahme<br />
ist, dass durch Automatisierung und kontinuierliche Verbesserung der organisati-<br />
onsinternen und -externen Prozesse langfristige strategische Vorteile erzielt werden<br />
können [vgl. Fleming 2004; Nenninger 2005; Österle et al. 2007a]. Basis für die<br />
Gestaltung sind darum meist Arbeiten aus dem Bereich des BPR oder der Internet-<br />
ökonomie.<br />
In Tabelle 20 sind die wesentlichen Aspekte der beiden Sichtweisen schematisch dar-<br />
gestellt.<br />
Merkmal Personenzentrierte Sichtweise Prozesszentrierte Sichtweise<br />
Theoretische<br />
Fundierung<br />
Ausgewählte<br />
Quellen<br />
Theorie sozialer Netzwerke<br />
Beziehungstheorie<br />
[Freeman 1979; Dwyer et al. 1987;<br />
Burt 1992; Anderson et al. 1994; Dyer,<br />
Singh 1998]<br />
Ziele Verbesserung der Kooperation durch<br />
bessere Informationsflüsse<br />
Langfristige Sicherung der Versorgung<br />
und Compliance mit regulatorischen<br />
Rahmenbedingungen<br />
Kontinuierliche Verbesserung durch<br />
gemeinsame Innovation mit Lieferanten<br />
(Win-win Situation)<br />
Erzielen von Hebelwirkungen durch<br />
faire Verhandlungen mit Lieferanten<br />
Praktiken Pflege sozialer Beziehungen zu den<br />
wichtigsten Lieferanten<br />
Proaktive Gestaltung, Implementierung<br />
und Kontrolle der Kommunikationswege<br />
Austausch von Verbesserungsideen<br />
und gemeinsames Projektmanagement<br />
Transaktionskostentheorie<br />
Work System Method<br />
[Davenport, Short 1990; Bakos,<br />
Brynjolfsson 1993; Leymann,<br />
Altenhuber 1994; Bunduchi 2005]<br />
Verbesserung der Risikokontrolle<br />
durch bessere Informationsflüsse<br />
Langfristige Steigerung der Prozessqualität<br />
und Lieferantenperformance<br />
Verkürzung der Durchlaufzeiten und<br />
Min<strong>im</strong>ierung der Prozesskosten (Total<br />
Cost <strong>of</strong> Ownership)<br />
Erzielen von Hebelwirkungen durch<br />
Konsolidierung der Lieferantenbasis<br />
Automatisierung der organisationsinternen<br />
Beschaffungsprozesse<br />
(Technische) Integration der Prozesse<br />
der Lieferanten<br />
Kontinuierliche Analyse und Kontrolle<br />
der Lieferantenperformance<br />
Tabelle 20: Sichtweisen auf das <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>
Entwicklung des Reifegradmodells 141<br />
7.1.1.1 Personenzentrierte Gestaltungsd<strong>im</strong>ension<br />
Zur Ausdifferenzierung der personenzentrierten Gestaltungsd<strong>im</strong>ension sind Literatur-<br />
quellen analysiert worden, die vorwiegend den Beziehungsaspekt in den Vordergrund<br />
stellen [vgl. Fox et al. 2000, S. 165; Corsten, Gössinger 2001, S. 99 f.; Shapiro 2001].<br />
Angelpunkt der Überlegungen spielt dabei <strong>of</strong>t das Konzept „Führung“, welches inner-<br />
halb des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s in die nachfolgenden drei Bereiche untergliedert wer-<br />
den kann:<br />
� Strategische Führung (S): Die pr<strong>im</strong>äre Aufgabe der strategischen Führung ist es,<br />
die langfristige Konfiguration der Lieferkette vorzunehmen. Dies beinhaltet die<br />
Auswahl der einzubeziehenden Dienstleister und Lieferanten, die Definition des zu<br />
beschaffenden Produktsort<strong>im</strong>ents, die Spezifikation der Aufbau- und Ablaufstruk-<br />
turen sowie die Konzeption und Durchführung des Beschaffungscontrollings.<br />
� Taktische Führung (T): Auf Grundlage der definierten Beschaffungsstrategie müs-<br />
sen mittelfristig die substantiellen Lieferantenbeziehungen angebahnt und die dafür<br />
notwendigen Kommunikations- und Kooperationsstrukturen aufgebaut werden.<br />
Dabei gilt es die Interessen der unterschiedlichen Bedarfsträger und Lieferanten<br />
auszubalancieren und in Form von Rahmenverträgen und/oder durch sozialen Aus-<br />
tausch zu stabilisieren.<br />
� Operative Führung (O): Kurzfristig muss die operative Führung dafür sorgen, dass<br />
die benötigten Waren und Dienstleistungen zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen<br />
Ort, in der richtigen Menge und Qualität zur Verfügung stehen. Hierfür sind die<br />
Bedarfe exakt zu planen und die Bestellabwicklung effizient zu gestalten.<br />
7.1.1.2 Prozesszentrierte Gestaltungsd<strong>im</strong>ension<br />
In Hinblick auf die Skizzierung der prozesszentrierten Betrachtungsweise sind eben-<br />
falls unterschiedliche Literaturquellen untersucht worden. Eine Sichtung der Literatur<br />
zeigt, dass eine grosse Anzahl an (Referenz-)Modellen existiert, welche die idealtypi-<br />
sche Rolle des Einkaufs abbilden. Aus naheliegenden Gründen können nicht alle ver-<br />
fügbaren Modelle in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt werden. Dementsprechend<br />
sind lediglich Beiträge ausgewählt worden, welche den thematischen Schwerpunkt auf<br />
der Austauschbeziehung zwischen einer Organisation und ihren Lieferanten haben und<br />
sowohl auf die kurzfristige (Transaktion) als auch auf langfristige Interaktion (Partner-<br />
schaft) fokussieren.
142 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
In Tabelle 21 sind die für die Charakterisierung der prozesszentrierten Gestaltungsdi-<br />
mension ausgewählten Quellen dargestellt.<br />
Quelle<br />
Prozess<br />
Strategieformulierung<br />
Strategie<strong>im</strong>plementierung<br />
[Schmid, Lindenmann 1998] �� �� �� �� �� �� �� �� ��<br />
[Eyholzer et al. 2002] �� �� �� �� �� �� �� �� ��<br />
[Riemer, Klein 2002; Riemer 2008] �� �� �� �� �� �� �� �� ��<br />
[Wildemann 2003] �� �� �� �� �� �� �� �� ��<br />
[Appelfeller, Buchholz 2005] �� �� �� �� �� �� �� �� ��<br />
[Weele 2005] �� �� �� �� �� �� �� �� ��<br />
[Koplin 2006] �� �� �� �� �� �� �� �� ��<br />
[Cetin 2007] �� �� �� �� �� �� �� �� ��<br />
Legende: ���Berücksichtigt ��Teilweise berücksichtigt ��Nicht berücksichtigt<br />
Tabelle 21: Quellen der prozesszentrierten Gestaltungsd<strong>im</strong>ension<br />
Aus Tabelle 21 wird ersichtlich, dass sich die identifizierten Ansätze erheblich in der<br />
Breite der Prozessunterstützung des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s unterscheiden. So konzent-<br />
rieren sich SCHMID und LINDENMANN vorwiegend auf Aspekte der Verhandlung,<br />
Bestellung und Abwicklung von Transaktionen, während bspw. WEELE auch die<br />
Formulierung, Implementierung und Überprüfung der Einhaltung einer Beschaffungs-<br />
strategie als zentrale Aufgabe des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s erachtet. Die vorliegende Ar-<br />
beit möchte diese ganzheitliche Betrachtung des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s fortführen. Als<br />
Basis zur Prozessstrukturierung dient deshalb eine geringfügig adaptierte Variante des<br />
Rahmenwerks von APPELFELLER und BUCHHOLZ [vgl. Appelfeller, Buchholz<br />
2005, S. 6]:<br />
� Strategieformulierung (S1): Innerhalb der Strategieformulierung werden die nor-<br />
mativen Leitlinien des Einkaufs definiert. Zentrale Aufgabe ist dabei die Festle-<br />
gung einer Beschaffungsvision und die Ableitung des für den Einkauf relevanten<br />
Strategisches Monitoring<br />
Anbahnung<br />
Verhandlung<br />
Stabilisierung<br />
Bedarfsermittlung<br />
Bestellung<br />
Abwicklung
Entwicklung des Reifegradmodells 143<br />
Zielsystems. Basis dafür sind, wie bereits in Abschnitt 4.1.2 erläutert, die Ziele der<br />
Organisation selbst oder die Vorgaben der Fachbereiche.<br />
� Strategie<strong>im</strong>plementierung (S2): Während es bei der Strategieformulierung darum<br />
geht, die wesentliche Aspekte der angestrebten Strategie des Einkaufs zu konzep-<br />
tualisieren, ist es das Ziel der Strategie<strong>im</strong>plementierung, die wesentlichen Rah-<br />
menbedingungen zur Realisierung der Strategie zu gestalten. Dies beinhaltet z. B.<br />
die Strukturierung der Weisungslinien und Kommunikationswege, die Regelung<br />
der Arbeitsteilung sowie die Definition geeigneter Führungsgrössen und Kennzah-<br />
len zur Steuerung und Kontrolle der Beschaffungsprozesse.<br />
� Strategisches Monitoring (S3): Um die Einhaltung der angestrebten strategischen<br />
Zielsetzungen überprüfen zu können, ist eine ergebnisorientierte Planung, Steue-<br />
rung und Kontrolle notwendig. Folglich gilt es geeignete Methoden und Instrumen-<br />
te zur Analyse der organisationsinternen und -externen Prozesse zu <strong>im</strong>plementieren<br />
und ein aussagekräftiges und zeitgemässes Berichtwesen aufzubauen.<br />
� Anbahnung (T1): Im Rahmen der Anbahnung werden die ersten Kontakte zu den<br />
potenziellen Lieferanten hergestellt, um Informationen über Produkte und Dienst-<br />
leistungen einzuholen. Speziell für den öffentlichen Sektor ist dabei die Pflicht zur<br />
Durchführung von Ausschreibungen. 71<br />
� Verhandlung (T2): Zentral für das <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> ist der Prozess der Ver-<br />
handlung. Dies umfasst, neben der Festlegung des endgültigen Preises für ein Pro-<br />
dukt oder eine Dienstleistung, auch die Anfertigung der entsprechenden Dokumen-<br />
te sowie die Prüfung der Einhaltung rechtlicher Rahmenbedingungen.<br />
� Stabilisierung (T3): Bei ausgewählten Lieferanten gilt es nach der Verhandlungs-<br />
phase die Beziehungen weiter zu institutionalisieren, indem der soziale Austausch<br />
intensiviert wird und erweiterte Strukturen der Zusammenarbeit aufgebaut werden.<br />
� Bedarfsermittlung (O1): Grundlage für die Formulierung einer nachfrageorientier-<br />
ten Beschaffungsstrategie sowie für die zielbewusste Verhandlung bildet die präzi-<br />
se Ermittlung der Bedürfnisse der Fachbereiche. Voraussetzung dafür ist allerdings<br />
die kontinuierliche Erhebung über Menge und Wert der zentral und dezentral ver-<br />
walteten Lagerbestände sowie eine saubere Klassifizierung der Produkte und Liefe-<br />
ranten.<br />
71 Vgl. Bundesgesetz und Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (BoeB bzw. VoeB).
144 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
� Bestellung (O2): Unmittelbar nach der Bedarfsermittlung erfolgt die Bestellung der<br />
benötigten Produkte und Dienstleistungen. Während bei Einzelbeschaffungen si-<br />
chergestellt werden muss, dass der Freigabeprozess eingehalten und der Einkauf<br />
angemessen involviert wird, sind <strong>im</strong> Falle der Vorratsbeschaffung die einzelnen<br />
Bestellpositionen zu bündeln und möglichst medienbruchfrei zu übermitteln. Wie<br />
aus den gezeigten Fallstudien ersichtlich wird, macht dies heute <strong>im</strong>mer noch einen<br />
wesentlichen Anteil am Tagesgeschäft eines Einkäufers aus.<br />
� Abwicklung (O3): Schliesslich ist ebenfalls Teil des Tagesgeschäfts die einzelnen<br />
Wareneingänge zu registrieren, die Waren selbst sowie die mitgelieferten Doku-<br />
mente auf Mängel zu prüfen und allenfalls die Zahlungsabwicklung anzustossen.<br />
7.1.1.3 Verwendung der Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen <strong>im</strong> Bewertungsmodell<br />
Im Folgenden werden zur Bewertung der Reife des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s eines Kran-<br />
kenhauses die beiden Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen miteinander verknüpft. Dabei werden<br />
der Prozess der Strategieformulierung, Strategie<strong>im</strong>plementierung sowie des Strategi-<br />
schen Monitoring mit der strategischen Führung, der Prozess der Anbahnung, Ver-<br />
handlung und Stabilisierung mit der taktischen Führung und schliesslich der Prozess<br />
der Bedarfsermittlung, Bestellung und Abwicklung mit der operativen Führung ge-<br />
koppelt. 72 Abbildung 52 zeigt, wie die Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen zur Strukturierung der<br />
verschiedenen Sichtweisen auf das <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> <strong>im</strong> Bewertungsmodell des<br />
HSRM 3 konkret angewendet werden.<br />
72 In der Praxis ist eine eineindeutige Zuordnung nicht <strong>im</strong>mer möglich. Bspw. werden Monitoring-Aktivitäten<br />
nicht nur <strong>im</strong> strategischen, sondern auch <strong>im</strong> taktischen und operativen Bereich durchgeführt. Dementspre-<br />
chend geben die für den Gestaltungsbereich formulierten D<strong>im</strong>ensionen eine idealisierte Realität wieder. Eine<br />
Unterscheidung wird gemacht, um alltägliche von nicht alltäglichen resp. strategisch relevante von strate-<br />
gisch irrelevanten Monitoring-Aktivitäten zu differenzieren.
Entwicklung des Reifegradmodells 145<br />
D<strong>im</strong>ension 1: Führung<br />
S<br />
T<br />
O<br />
D<strong>im</strong>ension 2: Prozesse<br />
S1<br />
S2<br />
S3<br />
T1<br />
T2<br />
T3<br />
O1<br />
O2<br />
O3<br />
Legende<br />
(S) Strategische Führung<br />
(S1) Strategieformulierung<br />
(S2) Strategie<strong>im</strong>plementierung<br />
(S3) Strategisches Monitoring<br />
(T) Taktische Führung<br />
(T1) Anbahnung<br />
(T2) Verhandlung<br />
(T3) Stabilisierung<br />
(O) Operative Führung<br />
(O1) Bedarfsermittlung<br />
(O2) Bestellung<br />
(O3) Abwicklung<br />
Gestaltungsobjekt<br />
Sachlogische Zuordnung<br />
Abbildung 52: Strukturierung der Reifebeurteilung <strong>im</strong> HSRM 3<br />
7.1.2 Gestaltungsebenen<br />
Eine weitläufige Kritik am Konzept der Reifegradmodellierung ist, dass eine Vielzahl<br />
der konzipierten Bewertungsmodelle die Reife des Gestaltungsbereiches ausschliess-<br />
lich in Bezug auf die Effizienz von Prozessen begutachten. Insbesondere CMMI, des-<br />
sen wesentliche Modellelemente auf dem Prozessgedanke aufbauen, 73 wird diesbezüg-<br />
lich scharf kritisiert: „The CMM reveres process, but ignores people. [...] CMM men-<br />
tion people in passing, but [...] decry them as unreliable and assume that defined<br />
processes can somehow render individual excellence less <strong>im</strong>portant“ [Bach 1994, S.<br />
15].<br />
Infolgedessen werden in dieser Arbeit unterschiedliche Gestaltungsebenen in Bezug<br />
auf das <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> best<strong>im</strong>mt. Grundlage für die Definition dieser Ebenen<br />
bildet das General Practitioner Information Systems Measurement Model (GPIS MM).<br />
Dieses unterscheidet zur Bewertung und Messung der Exzellenz sozio-technischer<br />
Gestaltungsbereiche die folgenden vier Ebenen [vgl. Saleh, Alshawi 2005, S. 50 f.]:<br />
73 Vgl. Abschnitt 5.2.1.
146 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
� Arbeitsumfeld: Geteilte Symbole, Werte, Rituale und Erlebnisse ergeben das, was<br />
HOFSTEDE und HOFSTEDE als „shared mental s<strong>of</strong>tware“ der Mitarbeitenden ei-<br />
ner Organisation bezeichnen [vgl. H<strong>of</strong>stede, H<strong>of</strong>stede 2005, S. 35]. Gerade in<br />
Krankenhäusern spielen kulturelle und machtpolitische Aspekte eine zentrale Rolle<br />
und haben einen massgeblichen Einfluss auf die Akzeptanz und den Stellenwert<br />
der Beschaffungsfunktion. 74 In der vorliegenden Arbeit wird die Gestaltungsebene<br />
„Arbeitsumfeld“ dazu verwendet, um zu beurteilen, wie stark das <strong>Krankenhaus</strong>ma-<br />
nagement hinter der Aufgabenerfüllung des Einkaufs steht resp. wie ausgeprägt das<br />
Anreizsystem des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs ausgestaltet ist.<br />
� Praktiken: Praktiken geben Aufschluss darüber, wie best<strong>im</strong>mte Handlungen inner-<br />
halb und zwischen Organisationen durchgeführt werden. In den meisten Reife-<br />
gradmodellen bilden sie die einzigen Bezugsobjekte zur Beurteilung der Reife ei-<br />
nes Gestaltungsbereiches. In der vorliegenden Arbeit werden Praktiken eingesetzt,<br />
um die Formalisierung und Institutionalisierung von Beschaffungsaufgaben zu be-<br />
urteilen.<br />
� IT-Infrastruktur: IT unterstützt die Anwender bei der Erfüllung von Aufgaben resp.<br />
bei der Durchführung von Praktiken. Mit Rücksicht auf das <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong><br />
haben mehrere Arbeiten gezeigt, dass der Einsatz von IT und die Produktivität der<br />
Einkaufsorganisation positiv korrelieren [vgl. z. B. Cachon, Fisher 2000; Saeed et<br />
al. 2005]. In der vorliegenden Arbeit dient die Gestaltungsebene „IT-Infrastruktur“<br />
zur Beurteilung, inwieweit die Beschaffungsaufgaben systemtechnisch unterstützt<br />
werden.<br />
� Personen: Neben einem positiven Arbeitsumfeld, effizienten Praktiken und einer<br />
leistungsfähigen IT-Infrastruktur sind auch die Fähigkeiten der Mitarbeitenden<br />
zentral für das reibungslose Funktionieren des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s in einem<br />
<strong>Krankenhaus</strong>. Die in Abschnitt 4.2 dargelegten empirischen Untersuchungen und<br />
Fallstudien zeigen, dass heute insbesondere das Wissen zur strategischen Ausrich-<br />
tung der Einkaufsorganisation fehlt. In der vorliegenden Arbeit wird die Erweite-<br />
rung des Betrachtungswinkels um eine „wissensbezogene“ Ebene genutzt, um ein-<br />
zuschätzen wie hoch die Befähigung der Mitarbeitenden zur Bewältigung von Auf-<br />
gaben und zur Veränderung des Gestaltungsbereiches ist.<br />
74 Vgl. dazu die Fallstudien in Abschnitt 4.2.2.
Entwicklung des Reifegradmodells 147<br />
7.1.2.1 Arbeitsumfeld (AR)<br />
Um das Arbeitsumfeld dazu zu bewegen, die Beschaffungsfunktion vermehrt zu unter-<br />
stützen, spielen Anreize resp. verhaltensbeeinflussende Handlungsanweisungen eine<br />
bedeutende Rolle: „Organization results from the modification <strong>of</strong> the action <strong>of</strong> the in-<br />
dividual through control [...] or influence [...]“ [Barnard 1982, S. 17].<br />
In Anlehnung an BECKMANN und HECKHAUSEN bezeichnet ein Anreiz dabei den<br />
auf ein Bedürfnis ausgerichteten situativen Reiz, der einen best<strong>im</strong>mten Motivationszu-<br />
stand hervorrufen bzw. anregen kann [vgl. Beckmann, Heckhausen 2006, S. 106].<br />
Grundlegende Annahme ist, dass individuelle Handlungen durch Anreize proaktiv und<br />
zielgerichtet gelenkt werden können (vgl. Abbildung 53).<br />
bezieht sich auf<br />
Anreiz<br />
beeinflusst<br />
beeinflusst<br />
erzeugt<br />
Bedürfnis Motivation Handlung Ergebnis<br />
wirkt auf<br />
formalisiert<br />
erwartet<br />
Abbildung 53: Wirkungszusammenhang von Anreiz und Handlung 75<br />
Gratifikation<br />
Da die bisherigen Reifegradmodelle diesem Konzept noch wenig Beachtung schenken,<br />
muss eine eigenständige Bewertungsskala definiert werden, um die Gestaltungsebene<br />
„Arbeitsumfeld“ beurteilen zu können. 76<br />
Die Ausgangslage zur Ableitung einer geeigneten Skala bildet das motivations-<br />
psychologische Modell von HECKHAUSEN und HECKHAUSEN, besser bekannt als<br />
Rubikon-Modell der Handlungsphasen [vgl. Heckhausen, Heckhausen 2006, S. 7]. Für<br />
die Implementierung eines Anreizes sind hiernach vier Phasen zu durchlaufen:<br />
� Abwägen, d. h. Intentionsbildung durch Best<strong>im</strong>mung eines Ziels,<br />
� Planen, d. h. Intentionsinitiierung durch Definition der Realisierung,<br />
75 Übernommen und adaptiert aus [Schanz 1991, S. 20f.; Weber 2006, S. 13].<br />
76 Obwohl das GPIS MM explizit das Arbeitsumfeld als Gestaltungsebene vorgibt, wird keine eigenständige<br />
Bewertungsskala für diese Ebene konzipiert. Generell fehlt auch für die anderen Bereiche eine detaillierte<br />
Beschreibung der Bewertungskriterien.
148 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
� Handeln, d. h. Intentionsrealisierung durch konkrete Umsetzung der definierten<br />
Ziele,<br />
� Bewerten, d.h. Intentionsdeaktivierung durch Beurteilung der Zielerreichung.<br />
Auf Basis der erläuterten Handlungsphasen lassen sich die nachfolgenden generischen<br />
Ziele für die Gestaltungsebene „Arbeitsumfeld“ definieren. Tabelle 22 beschreibt die<br />
einzelnen Stufen, die ein Anreiz durchlaufen kann.<br />
Nr. Generisches Ziel Erläuterung<br />
AR 0 Anreiz ist nicht vorhanden Das <strong>Krankenhaus</strong>management ist sich der Situation<br />
nicht bewusst oder möchte keine entsprechenden Anreize<br />
für den spezifizierten Bereich schaffen.<br />
AR 1 Anreiz ist beabsichtigt Das <strong>Krankenhaus</strong>management denkt über eine Formulierung<br />
entsprechender Anreize für den spezifizierten<br />
Bereich nach.<br />
AR 2 Anreiz ist formuliert Das <strong>Krankenhaus</strong>management hat für den spezifizierten<br />
Bereich Anreize formuliert, allerdings sind diese noch<br />
nicht in der Organisation umgesetzt worden.<br />
AR 3 Anreiz ist umgesetzt Das <strong>Krankenhaus</strong>management hat für den spezifizierten<br />
Bereich Anreize formuliert und diese in der Organisation<br />
umgesetzt, allerdings fehlt eine kontinuierliche<br />
Überwachung der Realisierung.<br />
AR 4 Anreiz wird überprüft Das <strong>Krankenhaus</strong>management hat für den spezifizierten<br />
Bereich Anreize formuliert und umgesetzt sowie geeignete<br />
Massnahmen getr<strong>of</strong>fen, um die Zielerreichung<br />
kontinuierlich zu überprüfen.<br />
Tabelle 22: Generische Ziele der Gestaltungsebene „Arbeitsumfeld“<br />
7.1.2.2 Praktiken (PR)<br />
Die Mehrheit der Reifegradmodelle fokussiert bei der Bewertung der Reife eines Ges-<br />
taltungsbereiches auf die Charakteristika der ausgeführten Prozesse, Aufgaben oder<br />
Aktivitäten. Infolgedessen existieren zahlreiche Bewertungsskalen zur Beurteilung der<br />
Effizienz und Effektivität der eingesetzten Praktiken [vgl. Fraser et al. 2002, S. 246].<br />
Zur Ableitung der generischen Ziele der Gestaltungsebene „Praktiken“ wird auf das in<br />
Abschnitt 5.2.1 beschriebene CMMI-ACQ angelehnt.<br />
Tabelle 23 beschreibt dabei die einzelnen Stufen, die eine Praktik bzw. Aufgabe<br />
durchlaufen kann.
Entwicklung des Reifegradmodells 149<br />
Nr. Generisches Ziel Erläuterung<br />
PR 0 Aufgabe ist unbewältigt Die entsprechende Aufgabe wird nicht oder nur sehr<br />
rud<strong>im</strong>entär ausgeführt.<br />
PR 1 Aufgabe ist umgesetzt Die entsprechende Aufgabe wird vorbehaltlos ausgeführt.<br />
Die Bearbeitung erfolgt nach bestem Wissen und<br />
Gewissen, da keine formale Spezifikation vorhanden<br />
ist.<br />
PR 2 Aufgabe ist definiert Die entsprechende Aufgabe wird nach den spezifizierten<br />
Richtlinien und Vorgaben ausgeführt. Es fehlt allerdings<br />
eine kontinuierliche Überwachung der Realisierung<br />
innerhalb des Funktionsbereichs.<br />
PR 3 Aufgabe ist geführt Die entsprechende Aufgabe wird nach den spezifizierten<br />
Richtlinien und Vorgaben ausgeführt sowie bereichsintern<br />
überprüft. Es fehlt allerdings eine präzise<br />
Abst<strong>im</strong>mung mit anderen Fachbereichen und/oder Lieferanten.<br />
PR 4 Aufgabe ist abgest<strong>im</strong>mt Die entsprechende Aufgabe wird nach den spezifizierten<br />
Richtlinien und Vorgaben ausgeführt sowie bereichs-<br />
und organisationsübergreifend überprüft. Es<br />
existieren Massnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung<br />
der Aufgabe.<br />
Tabelle 23: Generische Ziele der Gestaltungsebene „Praktiken“<br />
7.1.2.3 IT-Infrastruktur (IT)<br />
Gemäss einer von der Europäischen Union in Auftrag gegebenen Studie besitzen<br />
Krankenhäuser eine überdurchschnittliche Infrastruktur (<strong>im</strong> Sinne von Hardware und<br />
Netzwerk) [vgl. E-Business Watch 2007, S. 37]. 77 Nichtsdestotrotz ist die systemtech-<br />
nische Unterstützung der Beschaffungsfunktion <strong>im</strong> Vergleich zu anderen Branchen<br />
erstaunlich unterentwickelt [vgl. Chandra 2008]. Eine aktuelle Untersuchung von<br />
FITTERER und ROHNER hat beispielsweise ergeben, dass von fünfzehn analysierten<br />
Krankenhäusern in der Schweiz weniger als ein Drittel eine ausreichende S<strong>of</strong>tware-<br />
funktionalität für den <strong>Krankenhaus</strong>einkauf zur Verfügung stellen [vgl. Fitterer, Rohner<br />
2009, S. 10].<br />
Zentral für die Formulierung einer Bewertungsskala hinsichtlich der Gestaltungsebene<br />
„IT-Infrastruktur“ ist demnach das ontologische Konstrukt „S<strong>of</strong>twarekomponente“.<br />
Eines der bekanntesten Modelle zur Beurteilung der Reife von Applikationen bzw. von<br />
einzelnen S<strong>of</strong>twarekomponenten stellt das vom amerikanischen Department <strong>of</strong> Defen-<br />
se definierte „Levels <strong>of</strong> Information Systems Interoperability Reference Model“ (LISI<br />
77 Vgl. auch Abschnitt 4.2.1.
150 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Model) dar [vgl. C4ISR Interoperability Working Group 1998]. Dieses unterscheidet<br />
fünf Entwicklungsstufen:<br />
� Isolated: Es existieren einzelne Applikationen oder Komponenten, welche aber<br />
nicht miteinander verbunden sind. Der Austausch von Daten erfolgt manuell (z. B.<br />
durch Export von Daten auf einen externen Datenträger oder Ausdruck auf Papier<br />
und anschliessender manueller Erfassung).<br />
� Connected: Es existieren einzelne Applikationen oder Komponenten, welche eine<br />
gemeinsame Schnittstelle besitzen. Daten werden jedoch nicht strukturiert und in-<br />
tegriert ausgetauscht (z. B. via Telnet, File Transfer Protocol oder E-Mail).<br />
� Functional: Es existieren einzelne Applikationen oder Komponenten, welche eine<br />
gemeinsame Schnittstelle besitzen. Der Austausch von Daten erfolgt strukturiert<br />
durch min<strong>im</strong>al vordefinierte Funktionalitäten (z. B. via Hypertext Transfer Proto-<br />
col oder News Industry Text Format).<br />
� Domain: Es existieren eine oder mehrere gemeinsame Datenbanken, welche als<br />
Datenbasis für Applikationen oder S<strong>of</strong>twarekomponenten unterschiedlicher organi-<br />
sationsinterner und -externer Funktionsbereiche dienen.<br />
� Enterprise: Es existiert eine bereichsübergreifende Applikation oder S<strong>of</strong>twarekom-<br />
ponente.<br />
Ausgehend von den dargelegten Entwicklungsstufen werden die generischen Ziele für<br />
die Gestaltungsebene „IT-Infrastruktur“ definiert. Da eine Stufe „Enterprise“ für das<br />
<strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> unrealistisch bzw. aus Gründen der Abhängigkeit mit Lieferanten<br />
nicht <strong>im</strong>mer erstrebenswert ist, wird deshalb die Stufe „Domain“ als anzustrebendes<br />
generisches Ziel erachtet.<br />
In Tabelle 24 sind die einzelnen Stufen beschrieben, die eine S<strong>of</strong>twarekomponente<br />
durchlaufen kann.<br />
Nr. Generisches Ziel Erläuterung<br />
IT 0 S<strong>of</strong>twarekomponente ist<br />
nicht vorhanden<br />
IT 1 S<strong>of</strong>twarekomponente ist<br />
isoliert<br />
IT 2 S<strong>of</strong>twarekomponente ist<br />
eng gekoppelt<br />
Eine entsprechende Funktionalität ist noch nicht <strong>im</strong>plementiert<br />
worden.<br />
Eine entsprechende Funktionalität ist vorhanden. Der<br />
Datenaustausch mit den einzelnen Fachbereichen und<br />
Lieferanten erfolgt manuell (Insellösung).<br />
Eine entsprechende Funktionalität ist vorhanden. Der<br />
Datenaustausch mit den Fachbereichen und Lieferanten<br />
erfolgt via formatierter Dateien (Flatfiles).
Entwicklung des Reifegradmodells 151<br />
Nr. Generisches Ziel Erläuterung<br />
IT 3 S<strong>of</strong>twarekomponente ist<br />
lose gekoppelt<br />
IT 4 S<strong>of</strong>twarekomponente wird<br />
geteilt<br />
Eine entsprechende Funktionalität ist vorhanden. Der<br />
Datenaustausch mit den Fachbereichen und Lieferanten<br />
erfolgt durch Kopplungsprozeduren (z. B. Remote Procedure<br />
Calls, S<strong>im</strong>ple Object Access Protocol, Common<br />
Object Request Broker Architecture, etc.).<br />
Eine entsprechende Funktionalität ist vorhanden. Sowohl<br />
organisationsintern als auch organisationsextern<br />
wird eine gemeinsame Datenbasis verwendet.<br />
Tabelle 24: Generische Ziele der Gestaltungsebene „IT-Infrastruktur“<br />
7.1.2.4 Personen (PE)<br />
Der Einsatz einer modernen IT-Infrastruktur und die Anwendung fortgeschrittener Be-<br />
schaffungspraktiken verlangt vom <strong>Krankenhaus</strong>einkäufer ein weit über den Bestell-<br />
vorgang hinausgehendes Wissen. Themenstellungen wie Outsourcing, Öffnung der<br />
Märkte, Globalisierung, Ökologie, elektronische Marktplätze, aber auch S<strong>of</strong>t Skills<br />
wie Kooperationskompetenz, Motivations- und Führungskompetenz werden je länger<br />
je mehr zum integrativen Bestandteil der Aus- und Weiterbildung eines Einkäufers<br />
[vgl. Vlcek 2003, S. 211 f.]. Demzufolge gilt es eine geeignete Bewertungsskala zu<br />
definieren, welche den Aspekt der Wissensbildung und -verbreitung innerhalb des<br />
Einkaufs, aber auch zwischen den Fachbereichen angemessen wiedergibt.<br />
Als Ausgangspunkt zur Ableitung der generischen Ziele werden die bereits in Ab-<br />
schnitt 3.2.1 beschriebenen Entwicklungsstufen von KLIMKO herangezogen [vgl.<br />
Kl<strong>im</strong>ko 2001]. Während bei KLIMKO der Reifungsprozess jedoch mit der Verteilung<br />
des Wissens endet, wird in der vorliegenden Arbeit eine weitere Stufe hinzugefügt,<br />
welche die Opt<strong>im</strong>ierung der Wissensbasis als finale Zielvorstellung hat.<br />
In Tabelle 25 sind die einzelnen Stufen der Gestaltungsebene „Personen“ nochmals<br />
schematisch erläutert.<br />
Nr. Generisches Ziel Erläuterung<br />
PE 0 Wissenskomponente ist<br />
nicht vorhanden<br />
PE 1 Wissenskomponente wird<br />
generiert<br />
PE 2 Wissenskomponente wird<br />
angewendet<br />
Kompetenz <strong>im</strong> spezifizierten Bereich ist nicht vorhanden<br />
bzw. die Notwendigkeit ist noch nicht erkannt worden.<br />
Kompetenz <strong>im</strong> spezifizierten Bereich ist noch nicht<br />
vorhanden. Es existieren allerdings Massnahmen zur<br />
Behebung dieser Wissenslücke.<br />
Kompetenz <strong>im</strong> spezifizierten Bereich ist vorhanden und<br />
wird in der täglichen Arbeit angewendet.
152 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Nr. Generisches Ziel Erläuterung<br />
PE 3 Wissenskomponente wird<br />
geteilt<br />
PE 4 Wissenskomponente wird<br />
opt<strong>im</strong>iert<br />
Kompetenz <strong>im</strong> spezifizierten Bereich ist vorhanden und<br />
wird in der täglichen Arbeit angewendet. Es existieren<br />
Massnahmen zur Verbreitung des Wissens über den<br />
eigenen Funktionsbereich hinaus.<br />
Kompetenz <strong>im</strong> spezifizierten Bereich ist in der gesamten<br />
Organisation vorhanden und wird in der täglichen<br />
Arbeit angewendet. Es existieren Massnahmen zur kontinuierlichen<br />
Verbesserung der Wissensbasis.<br />
Tabelle 25: Generische Ziele der Gestaltungsebene „Personen“<br />
7.1.2.5 Verwendung der Gestaltungsebenen <strong>im</strong> Bewertungsmodell<br />
Während die Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen zur Strukturierung der einzelnen Phasen des<br />
<strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s dienen, wird mit der Formulierung von Gestaltungsebenen ein<br />
Raster geschaffen, der zur Ableitung und Bewertung unterschiedlicher Gestaltungsob-<br />
jekte herangezogen werden kann (vgl. Abbildung 54).<br />
Im nachfolgenden Abschnitt wird für jeden der spezifizierten <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong><br />
Prozesse (S1-O3) konkret geprüft, ob Gestaltungsobjekte existieren, welche für die<br />
Bildung von qualifizierten Aussagen hinsichtlich des Zustands des Arbeitsumfelds<br />
(AR), der Praktiken (PR), der IT-Infrastruktur (IT) und der Personen (PE) von Bedeu-<br />
tung sein können.<br />
Anhand des gleichen Rasters wird auch die Bewertung der Gestaltungsobjekte vorge-<br />
nommen. 78<br />
S1<br />
AR<br />
PR<br />
IT<br />
PE<br />
78 Vgl. Abschnitt 7.2.2.<br />
S2<br />
AR<br />
PR<br />
IT<br />
PE<br />
...<br />
O3<br />
AR<br />
PR<br />
IT<br />
PE<br />
Legende<br />
(S1) Strategieformulierung<br />
(S2) Strategie<strong>im</strong>plementierung<br />
(O3) Abwicklung<br />
(AR) Arbeitsumfeld<br />
(PR) Praktiken<br />
(IT) IT-Infrastruktur<br />
(PE) Personen<br />
Abbildung 54: Verlauf der Reifebeurteilung <strong>im</strong> HSRM 3<br />
Gestaltungsobjekt<br />
Verlauf der Bewertung
Entwicklung des Reifegradmodells 153<br />
7.1.3 Gestaltungsobjekte<br />
Die Identifikation der Gestaltungsobjekte und deren spezifischen Zielsetzungen erfolgt<br />
auf zwei Wegen: erstens durch Beobachtung der realen Welt bzw. aus den Erkenntnis-<br />
sen der dargelegten Fallstudien und zweitens durch eine Literaturrecherche, welche<br />
auf wissenschaftlichen und praxisorientierten Büchern und Beiträgen, Fallstudien so-<br />
wie auf veröffentlichten Arbeitsberichten basiert. Die Ergebnisse werden nach einem<br />
gleichbleibenden Schema dokumentiert, das dem zuvor beschrieben Raster folgt. 79<br />
In Abbildung 55 ist die Spezifikation des Gestaltungsobjekts „Bestellverhalten“ bei-<br />
spielhaft dargestellt.<br />
Kurzbeschreibung<br />
des Gestaltungsobjekts<br />
Pr<strong>im</strong>äres Ziel des<br />
Gestaltungsobjekts<br />
Metaentitätstyp des<br />
Gestaltungsobjekts<br />
Mögliche Konzepte,<br />
die zur Erfüllung der<br />
Aufgabe dienen<br />
Literatur, die weitere<br />
Erkenntnisse liefert<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
O1-<br />
AR-1<br />
Bestellverhalten Definition: Anreiz zur Opt<strong>im</strong>ierung des Bestellverhaltens der<br />
Mitarbeitenden.<br />
Spezifisches Ziel: Reduktion der Material- und Dienstleistungskosten<br />
(Kostenziel)<br />
Typ: Anreiz<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Definition von variablen Lohnkomponenten gemessen an der<br />
Zielerreichung resp. Budgeterfüllung (Individual-/Teamprämie)<br />
� Ahndung übermässiger Bedarfsmeldungen (Sanktionen)<br />
Ausgewählte Quellen: [Schanz 1991; Wille 2002; Fisch et al. 2007]<br />
Abbildung 55: Schema zur Dokumentation eines Gestaltungsobjekts<br />
7.1.3.1 Strategieformulierung (S1)<br />
Ausgangspunkt eines klassischen Strategieentwicklungsprozesses bilden die interne<br />
und externe Analyse sowie die Formulierung der beabsichtigten Zielsetzungen [vgl. z.<br />
B. Andrews 1987; Hungenberg 2004; Müller-Stewens, Lechner 2005]. Gestaltungsob-<br />
jekte, welche dieser Phase des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s zuzuordnen sind, werden in nach-<br />
folgender Tabelle 26 beschrieben.<br />
79 Um das Reifegradmodell in der Entstehung einfach zu halten, wird einem Gestaltungsobjekt lediglich ein<br />
spezifisches Ziel zugeordnet (i.d.R. die Zielkategorie, welche die Hauptintention des Gestaltungsobjekts am<br />
besten erfasst). Die Festlegung mehrerer spezifischer Ziele ist nur dann sinnvoll, wenn die gegenseitigen<br />
Wirkzusammenhänge klar sind, resp. die Stärke positiver oder negativer Rückkopplungseffekte bekannt ist.<br />
Die initiale Zuordnung der spezifischen Ziele ist <strong>im</strong> Rahmen von Fokusgruppen erfolgt (vgl. Abschnitt<br />
7.1.4).
154 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
S1-<br />
AR-1<br />
S1-<br />
PR-1<br />
S1-<br />
PR-2<br />
Innovationsverhalten<br />
Definition: Anreiz für innovatives, unternehmerisches und erfolgsorientiertes<br />
Denken und Handeln der Mitarbeitenden.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Innovationsfähigkeit und des<br />
Unternehmertums (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Anreiz<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Hervorhebung der Leistung des Einkaufs und regelmässige<br />
Rückmeldungen (Anerkennung)<br />
� Schaffung von Möglichkeiten zur selbständigen strategischen<br />
Weiterentwicklung des Einkaufs und der Beschaffung innerhalb<br />
des <strong>Krankenhaus</strong>es (Autonomie)<br />
Ausgewählte Quellen: [Maas 1990; Haller 2003]<br />
Beschaffungsvision Definition: Konzeption eines normativen Rahmenkonzepts, das die<br />
langfristige strategische Ausrichtung sowie das Selbstverständnis und<br />
die Philosophie des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs beschreibt.<br />
Beschaffungsleitlinien<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Transparenz des betrieblichen Handelns<br />
(Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Beschreibung der marktlichen Ausrichtung des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
(Market-based View). Aspekte, die adressiert werden sollten<br />
sind z. B. Entscheid über Teilnahme an Einkaufsgemeinschaften,<br />
Gestaltung strategischer Allianzen mit Kernlieferanten<br />
� Beschreibung in Hinblick auf die Ausgestaltung der Beziehungen<br />
zu den relevanten Anspruchsgruppen des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
(Relational View). Denkbare Anspruchsgruppen sind z. B. Patienten,<br />
medizinische Fachbereiche, pflegerische Fachbereiche, Administrative<br />
Fachbereiche, <strong>Krankenhaus</strong>management, Träger, Lieferanten,<br />
Staat und Gesellschaft<br />
� Beschreibung in Hinblick auf die Ausgestaltung der zur Verfügung<br />
stehenden Ressourcen des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs (Resourcebased<br />
View). Darunter fallen bspw. physische, humane und organisationale<br />
Ressourcen<br />
� Beschreibung ökologischer Aspekte des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
(Ecology-based View). Mögliche Punkte, die adressiert werden<br />
sollten sind z. B. Energiebilanz der zu beschaffenden Produkte,<br />
Wasser- und Energieverbrauch, Entsorgung und Recycling<br />
Ausgewählte Quellen: [Müller-Stewens, Lechner 2005]<br />
Definition: Konzeption eines normativen Rahmenkonzepts, das die<br />
grundsätzlichen Handlungs- und Verhaltensweisen in Bezug auf die<br />
Beschaffung festlegt (Procurement Governance).<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Rechtmässigkeit des betrieblichen<br />
Handelns (Sicherheitsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Definition ethischer Verhaltensgrundsätze und -vorschriften, welche<br />
z. B. die Annahme von Geschenken und das Verhalten bei In-
Entwicklung des Reifegradmodells 155<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
S1-<br />
PR-3<br />
S1-<br />
PR-4<br />
S1-<br />
PR-5<br />
Interne Analyse<br />
Externe Analyse<br />
Beschaffungsstrategie<br />
und<br />
-teilstrategien<br />
teressenskonflikten, etc. regeln<br />
� Definition wirtschaftlicher Verhaltensgrundsätze und<br />
-vorschriften, welche z. B. die Reise- und Übernachtungskostenübernahme,<br />
private Nutzung der Infrastruktur des <strong>Krankenhaus</strong>es,<br />
etc. regeln<br />
Ausgewählte Quellen: [Erdmenger, Winter 2005; Büsch 2007]<br />
Definition: Evaluation der gegenwärtigen und zukünftigen Stärken<br />
und Schwächen in der Beschaffung, welche innerhalb vorab definierter<br />
Kriterien und Zeiträume erfolgt.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Entscheidungsfindung<br />
(Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Beschreibung der wesentlichen Stärken und Schwächen sowie<br />
Gefahren und Chancen der Einkaufsorganisation mittels SWOT-<br />
Analyse oder Einkaufspotenzialanalyse<br />
� Nutzung von Referenzmodellen oder Best-Practice Checklisten<br />
zur Beurteilung kritischer Erfolgsfaktoren (z. B. <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong><br />
Health Check, SRM-Kompetenz-Check)<br />
� Teilnahme an Benchmarkingstudien, um Unterschiede <strong>im</strong> Vergleich<br />
zu anderen Krankenhäusern oder anderen Branchen zu erkennen<br />
Ausgewählte Quellen: [Wildemann 2003; Appelfeller, Buchholz<br />
2005; Jahns 2005]<br />
Definition: Beobachtung der Zusammenhänge und Wechselbeziehungen<br />
des Beschaffungsmarktes und des Branchenumfelds.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Entscheidungsfindung<br />
(Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Befragung von Lieferanten und Einkaufsverantwortlichen anderer<br />
Krankenhäuser<br />
� Regelmässige Teilnahme an Gremien oder Erfahrungsaustauschgruppen<br />
� Analyse öffentlich zugänglicher Informationsquellen wie Lieferantendatenbanken,<br />
Unternehmenswebsites, Analystenbeurteilungen,<br />
Jahresberichte, etc.<br />
� Nutzung kostenpflichtiger Informationsdienste wie z. B. Branchenstudien,<br />
Testberichte, Zusatzdienste elektronischer Marktplätze,<br />
etc.<br />
Ausgewählte Quellen: [Porter 1998; Büsch 2007; Bogaschewsky,<br />
Glock 2009]<br />
Definition: Spezifikation der wesentlichen Zielvorstellungen hinsichtlich<br />
Märkte, Produkte, Dienstleistungen, Lieferanten und weiterer<br />
Geschäftspartner zum Zweck der langfristigen Ausrichtung der Aktivitäten<br />
des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs.
156 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
S1-<br />
IT-1<br />
S1-<br />
IT-2<br />
Unterstützung für<br />
interne und externe<br />
Analysen<br />
Unterstützung der<br />
Kreativität und<br />
Dokumentation<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Entscheidungssicherheit<br />
(Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Nutzung der Portfolio-Methode zur Definition beschaffungsrelevanter<br />
Normstrategien (z. B. Materialportfolio nach Beschaffungsvolumen,<br />
Versorgungsrisiko, Beschaffungskomplexität,<br />
Einkaufsposition, etc. oder Lieferantenportfolio nach Bedeutung<br />
des Produkts, Investitionskosten, Kosten- und Erlöspotenzial, Liefertreue,<br />
etc.)<br />
� Nutzung vordefinierter Sourcing-Konzepte oder Best-Practice<br />
Checklisten zur Ableitung des Zielsystems der Beschaffung<br />
� Nutzung der Balanced Scorecard-Methode zur Visualisierung von<br />
Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen des Zielsystems des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
(Strategy Maps)<br />
Ausgewählte Quellen: [Falk, Da-Cruz 2005; Hammerstein, Demel<br />
2005; Large 2006; Hess 2008]<br />
Definition: System zur Unterstützung der Entscheidungsfindung hinsichtlich<br />
der interne und externen Beschaffungsanalyse.<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Entscheidungssicherheit<br />
(Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: S<strong>of</strong>twarekomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� ERP- oder SRM-Systeme für die transaktionsorientierte Datenanalyse<br />
der Beschaffung<br />
� Data Mining, Text-Mining, Web-Mining, Case-Based-Reasoning<br />
usw. für die integrierte Datenanalyse der Beschaffung. Grundlage<br />
dafür bilden i. d. R. Data-Warehouse-Systeme oder Data Marts<br />
� Spreadsheet-Lösungen, Dashboards und Cockpits für die inhaltlich-fachliche<br />
Visualisierung beschaffungsrelevanter Daten<br />
Ausgewählte Quellen: [Jung, Winter 2000; Brenner, Wenger 2007]<br />
Definition: System zur Unterstützung der Erfassung, Verwaltung,<br />
Speicherung und Bereitstellung von Inhalten und Dokumenten.<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Sichtbarkeit und Image<br />
(Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: S<strong>of</strong>twarekomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Kreativitäts- und Textverarbeitungstools für die Erstellung von<br />
Inhalten<br />
� Filesystem, Datenbanken, Dokumentenmanagementsystem für die<br />
Verwaltung und das Wiederauffinden der erstellten Inhalte<br />
� Wiki, Blog, Web-Content-<strong>Management</strong>-System usw. für die Bereitstellung<br />
von Inhalten <strong>im</strong> Intranet- oder Internet-Auftritt des<br />
<strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
Ausgewählte Quellen: [Fuchs-Kittowski, Köhler 2005; Hinkelmann,<br />
Thönssen 2007]
Entwicklung des Reifegradmodells 157<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
S1-<br />
PE-1<br />
S1-<br />
PE-2<br />
S1-<br />
PE-3<br />
Motivations- und<br />
Führungskompetenz<br />
Trendkompetenz<br />
Strategisches Einkaufswissen<br />
Definition: Kompetenz zur Beeinflussung der Mitarbeitenden des<br />
<strong>Krankenhaus</strong>einkaufs sowie anderer in der Beschaffung involvierten<br />
Personen.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Zusammenarbeit (Flexibilitäts-/<br />
Unabhängigkeitsziel)<br />
Typ: Wissenskomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Methoden und Modelle der Personalführung-, -beurteilung,<br />
-honorierung und -entwicklung<br />
� Methoden der verbalen (Gesprächsführung) und schriftlichen<br />
Kommunikation (Geschäftskorrespondenz)<br />
Ausgewählte Quellen: [Ferber et al. 2005; Bruch, Vogel 2007; Bass<br />
2008]<br />
Definition: Kompetenz zur frühzeitigen und systematischen Erkennung<br />
von Veränderungen (z. B. <strong>im</strong> Markt, bei Lieferanten).<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Entscheidungsfindung<br />
(Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Wissenskomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Methoden und Modelle der Trendsoziologie (z. B. Szenario-<br />
Technik, Trendanalyse)<br />
Ausgewählte Quellen: [Koppelmann 2004; Pillkahn 2007]<br />
Definition: Fachliche Kompetenz in Fragestellungen der strategischen<br />
Ausrichtung des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Entscheidungsfindung<br />
(Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Wissenskomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Methoden und Modelle des Strategischen Beschaffungsmanagements<br />
(Sort<strong>im</strong>entsgestaltung, Einkaufsorganisation, Einkaufspotenzialanalyse,<br />
etc.)<br />
Ausgewählte Quellen: [Vlcek 2003; Büsch 2007]<br />
Tabelle 26: Gestaltungsobjekte der Strategieformulierung<br />
7.1.3.2 Strategie<strong>im</strong>plementierung (S2)<br />
In der Phase der Strategie<strong>im</strong>plementierung gilt es geeignete Rahmenbedingungen zu<br />
schaffen, um die zuvor spezifizierte strategische Ausrichtung des <strong>Krankenhaus</strong>ein-<br />
kaufs in der betrieblichen Realität umzusetzen. In Tabelle 27 sind die relevanten Ges-<br />
taltungsobjekte dieser Phase des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s zusammengefasst.
158 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
S2-<br />
AR-1<br />
S2-<br />
PR-1<br />
S2-<br />
PR-2<br />
Veränderungsverhalten<br />
Definition: Anreiz zur Steigerung der Veränderungsbereitschaft der<br />
Mitarbeitenden.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Adaptionsfähigkeit (Flexibilitäts-/<br />
Unabhängigkeitsziel)<br />
Typ: Anreiz<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Hervorhebung von veränderungswilligen Mitarbeitenden bzw.<br />
Schaffung von „Helden“ (Anerkennung)<br />
� Einbindung bei der Planung und Durchführung von organisatorischen<br />
Veränderungsmassnahmen (Partizipation)<br />
� Vermittlung der Notwendigkeit von Veränderungen (Sinnbildung)<br />
Ausgewählte Quellen: [Weick 1995; Manella 2000]<br />
Leistungsdefinition Definition: Spezifikation der zentralen, wiederkehrenden Dienstleistungen<br />
(und ihrer Dienstgüte), die der <strong>Krankenhaus</strong>einkauf den Fachbereichen<br />
und allenfalls anderen Krankenhäusern bereitstellt (Service-<br />
Level-Agreement).<br />
Prozessdefinition<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Servicequalität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Nutzung von Techniken zur formalen Leistungsspezifikation (z.<br />
B. Kontextdiagramm, Leistungsverzeichnis)<br />
� Nutzung von Templates zur textuellen Beschreibung der wesentlichen<br />
Vereinbarungsinhalte eines Service-Level-Agreements<br />
Ausgewählte Quellen: [Pulverich, Schietinger 2007; Bundesverband<br />
Materialwirtschaft Einkauf und Logistik 2008]<br />
Definition: Analyse und Dokumentation der wesentlichen Arbeitsabläufe<br />
des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Techniken zur formalen Prozessspezifikation und -analyse (z. B.<br />
Prozesslandkarte, ereignisgesteuerte Prozesskette, Extended Business<br />
Modelling Language, etc.)<br />
� Textuelle Beschreibung der wesentlichen Arbeitsvorgänge.<br />
Ausgewählte Quellen: [Österle 1995; Hess 1996; Becker 2008]
Entwicklung des Reifegradmodells 159<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
S2-<br />
PR-3<br />
S2-<br />
IT-1<br />
S2-<br />
PE-1<br />
S2-<br />
PE-2<br />
Stellenbildung und<br />
Regelung der<br />
Arbeitsteilung<br />
Unterstützung der<br />
Prozessanalyse und<br />
-dokumentation<br />
Transformationskompetenz<br />
Geschäftsprozesswissen<br />
Definition: Best<strong>im</strong>mung von Aufgabenkomplexen, Kompetenzen und<br />
Verantwortlichkeiten der Mitarbeitenden <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>einkauf.<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Transparenz des betrieblichen Handelns<br />
(Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Techniken zur formalen Spezifikation der Aufbauorganisation (z.<br />
B. Funktionsdiagramm)<br />
� Textuelle Beschreibung der grundlegenden Aufbauorganisation<br />
des Einkaufs sowie der Rechte und Pflichten der einzelnen Mitarbeitenden<br />
(z. B. Stellenpr<strong>of</strong>il, Organisationshandbuch, Personaleinsatzplan)<br />
Ausgewählte Quellen: [Large 2006; Melzer-Ridinger 2008]<br />
Definition: System zur Dokumentation, Analyse und Gestaltung von<br />
Geschäftsprozessen.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: S<strong>of</strong>twarekomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Einfache, meist nur grafische Geschäftsprozessmodellierungstools<br />
(z. B. Income Suite, Micros<strong>of</strong>t Visio, SemTalk)<br />
� Erweiterte Geschäftsprozessmodellierungstools, die bspw. die<br />
Prozesss<strong>im</strong>ulation oder Prozesskostenrechnung unterstützen (z. B.<br />
ADOBEN, ARIS, Oracle Designer)<br />
Ausgewählte Quellen: [Riha et al. 2007]<br />
Definition: Kompetenz <strong>im</strong> Umgang mit der Veränderung organisatorischer,<br />
technologischer und kultureller Art.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Adaptionsfähigkeit (Flexibilitäts-/<br />
Unabhängigkeitsziel)<br />
Typ: Wissenskomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Methoden und Modelle der Organisationsentwicklung und<br />
-gestaltung (z. B. Problemlösungstechniken, Moderationstechniken,<br />
etc.)<br />
Ausgewählte Quellen: [Österle, Winter 2003; Salomonowitz 2009]<br />
Definition: Fachliche Kompetenz organisationsinterne und -externe<br />
Ablaufstrukturen zu erkennen, standardisieren und opt<strong>im</strong>ieren.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Wissenskomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Methoden und Modelle des Prozessmanagements (Prozessanalyse,<br />
-dokumentation, -s<strong>im</strong>ulation, etc.)<br />
Ausgewählte Quellen: [Bretschneider, Bohnet-Joschko 2007; Rohner<br />
2009]<br />
Tabelle 27: Gestaltungsobjekte der Strategie<strong>im</strong>plementierung
160 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
7.1.3.3 Strategisches Monitoring (S3)<br />
Ein wichtiger Schritt <strong>im</strong> Strategieentwicklungsprozess ist das Monitoring und Control-<br />
ling. Damit sind zwei Intentionen verbunden: zum einen soll dadurch klar werden, ob<br />
die intendierten strategischen Ziele auch tatsächlich durch die <strong>im</strong>plementierten betrieb-<br />
lichen Aufbau- und Ablaufstrukturen realisiert werden (Willenssicherung), zum ande-<br />
ren dient es <strong>of</strong>tmals als Grundlage für die betriebliche Weiterentwicklung (Lernen)<br />
[vgl. Müller-Stewens, Lechner 2005, S. 694]. Die wichtigsten Gestaltungsobjekte die-<br />
ser Phase sind in Tabelle 28 aufgelistet.<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
S3-<br />
AR-1<br />
S3-<br />
PR-1<br />
S3-<br />
PR-2<br />
Informationsverhalten<br />
Monitoring der<br />
Lieferanten<br />
Monitoring der<br />
Bedarfsträger<br />
Definition: Anreiz zur wahrheitsgemässen und umfassenden Berichterstattung<br />
beschaffungsrelevanter Leistungsgrössen.<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Entscheidungssicherheit<br />
(Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Anreiz<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Mitsprache bei der Budgetierung bzw. bei der Verteilung knapper<br />
Ressourcen (Partizipation)<br />
� Definition von variablen Lohnkomponenten gemessen an der<br />
Zielerreichung resp. Budgeterfüllung des Einkaufs (Individual-/<br />
Teamprämie)<br />
Ausgewählte Quellen: [Ewert, Wagenh<strong>of</strong>er 2005]<br />
Definition: Kontrolle und Bewertung der Leistungsfähigkeit sowie der<br />
Qualität von Lieferantenbeziehungen.<br />
Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Kennzahlen zur Beurteilung der Nachfrage- und Angebotsstruktur<br />
(z. B. Beschaffungsvolumenanteil des Lieferanten, Anzahl Substitutionsprodukte,<br />
ABC-Analyse, etc.) und Qualität der Lieferantenbeziehung<br />
(z. B. Liefertreue, Anteil Teillieferungen, jährliche<br />
Preisveränderungen, Abweichung vom Marktpreis, etc.)<br />
� Vor-Ort-Begehung (Lieferanten-Audit)<br />
� Befragung der Lieferanten (z. B. Fragebogen, Telefoninterview,<br />
Lieferanten-Benchmark)<br />
Ausgewählte Quellen: [Corsten, H<strong>of</strong>stetter 2001; Disselkamp,<br />
Schüller 2004; Essig 2007b]<br />
Definition: Kontrolle des Bestellverhaltens und der Zufriedenheit der<br />
Fachbereiche.<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Servicequalität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Vor-Ort-Kontrolle der Bestände in den Stationslagern
Entwicklung des Reifegradmodells 161<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
S3-<br />
PR-3<br />
S3-<br />
PR-4<br />
S3-<br />
IT-1<br />
Monitoring der<br />
Beschaffungsperformance<br />
Berichterstattung<br />
Unterstützung der<br />
Performance Messung,<br />
Analyse und<br />
des Reportings<br />
� Kennzahlen zur Ermittlung und Feststellung der kritischen Ressourcen,<br />
die beschafft werden müssen (z. B. Wert-Analyse, XYZ-<br />
Analyse)<br />
� Befragung der Fachbereiche (z. B. regelmässige Feedbackrunden,<br />
Fragebogen)<br />
Ausgewählte Quellen: [Disselkamp, Schüller 2004; Falzmann 2007]<br />
Definition: Kontrolle und Bewertung der Leistungsfähigkeit sowie der<br />
Qualität der <strong>im</strong>plementierten Beschaffungsprozesse.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Kennzahlen zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit (z. B. Anteil<br />
standardisierter Beschaffungsobjekte, Preisnachlassquote, etc.),<br />
Produktivität (z. B. Beschaffungspünktlichkeit, Beschaffungsvolumenanteil<br />
durch elektronische Marktplätze, etc.) und Qualität<br />
des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs (z. B. Beschaffungsbudgettreue, Dezentralisierungsgrad<br />
der Beschaffung, etc.)<br />
� Teilnahme an Benchmarkingstudien, um Unterschiede <strong>im</strong> Vergleich<br />
zu anderen Krankenhäusern oder anderen Branchen zu erkennen<br />
Ausgewählte Quellen: [Christiansen 2003; Blome 2007]<br />
Definition: Erfassung, Verdichtung, und Weiterleitung beschaffungsrelevanter<br />
Leistungsgrössen zum Zweck der Information des <strong>Krankenhaus</strong>managements,<br />
der Fachbereiche und Lieferanten.<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Transparenz des betrieblichen Handelns<br />
(Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Nutzung elektronischer Standardberichte aus ERP- und/oder Data<br />
Warehouse-System<br />
� Nutzung vordefinierter Papierformulare<br />
Ausgewählte Quellen: [Büsch 2007]<br />
Definition: System zur Unterstützung der Kontrolle und Überprüfung<br />
von Geschäftsprozessen.<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Transparenz des betrieblichen Handelns<br />
(Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: S<strong>of</strong>twarekomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� ERP-, Workflow-<strong>Management</strong> oder Business Process <strong>Management</strong><br />
System zur Überwachung der Prozessausführung<br />
� Spreadsheet-Lösungen, Real-T<strong>im</strong>e Dashboards und Cockpits für<br />
die Analyse der Prozessausführung<br />
Ausgewählte Quellen: [Petrick 2006]
162 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
S3-<br />
PE-1<br />
Controlling- und<br />
Risikomanagementwissen<br />
7.1.3.4 Anbahnung (T1)<br />
Definition: Fachliche Kompetenz organisationsinterne und -externe<br />
Ablaufstrukturen zu erkennen, standardisieren und opt<strong>im</strong>ieren.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Wissenskomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Methoden und Modelle des Beschaffungscontrollings (Ermittlung<br />
von Messgrössen, Statistik, Reporting, etc.)<br />
� Methoden und Modelle des Risikomanagements (Risiko-Analyse,<br />
Schadensfall und Regulierung, Versicherungswesen, etc.)<br />
Ausgewählte Quellen: [Vlcek 2003; Essig 2007a]<br />
Tabelle 28: Gestaltungsobjekte des Monitorings und Controllings<br />
In Anlehnung an DWYER et al. lassen sich grundsätzlich zwei Arten von Austausch-<br />
beziehungen zwischen einer Organisation und ihren Lieferanten unterscheiden: eher<br />
langfristige institutionalisierte Beziehungen (relational exchange) und kurzfristig wie-<br />
derkehrende Interaktionen (discrete transactions) [vgl. Dwyer et al. 1987, S. 12]. Für<br />
die Gestaltung von ersteren sind <strong>im</strong> Rahmen der Anbahnung umfassende (taktische)<br />
Vorkehrungen zu treffen. Tabelle 29 beschreibt dabei die Gestaltungsobjekte, welche<br />
für diese Phase des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s von Bedeutung sind.<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
T1-<br />
PR-1<br />
Lieferantensuche<br />
Definition: Ermittlung geeigneter Lieferanten und Einholung von<br />
Angeboten bei nicht-ausschreibungspflichtigen Produkten und Dienstleistungen.<br />
Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Nutzung eines vordefinierten Kriterienkatalogs oder einer Checkliste<br />
zur Spezifikation von Min<strong>im</strong>alanforderungen an die potenziellen<br />
Lieferanten<br />
� Befragung der Fachbereiche und Einkaufsverantwortlichen anderer<br />
Krankenhäuser (z. B. Fragebogen, Telefoninterview, Lieferanten-Benchmark)<br />
� Regelmässige Teilnahme an Gremien, Messen oder Erfahrungsaustauschgruppen<br />
� Analyse öffentlich zugänglicher Informationsquellen wie Lieferantendatenbanken,<br />
Unternehmenswebsites, etc.<br />
� Nutzung spezifischer Funktionalitäten von elektronischen Marktplätzen<br />
Ausgewählte Quellen: [Boutellier, Corsten 2002]
Entwicklung des Reifegradmodells 163<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
T1-<br />
PR-2<br />
T1-<br />
PR-3<br />
T1-<br />
IT-1<br />
T1-<br />
IT-2<br />
Ausschreibung<br />
Lieferantenbeurteilung<br />
und<br />
-auswahl<br />
Unterstützung der<br />
Lieferantensuche<br />
und -auswahl<br />
Unterstützung der<br />
Ausschreibung<br />
Definition: Ermittlung geeigneter Lieferanten und Einholung von<br />
Angeboten bei ausschreibungspflichtigen Produkten und Dienstleistungen.<br />
Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Nutzung vordefinierter Templates zur Spezifikation von Eignungskriterien,<br />
Zuschlagskriterien, Produkte- oder Aufgabenbeschrieb,<br />
allgemeine Vertragsbedingungen sowie Anzahlungsund<br />
Erfüllungsgarantien<br />
Ausgewählte Quellen: [OECD 2007]<br />
Definition: Prüfung und Beurteilung der erhaltenen Angebote sowie<br />
Entscheidungsfindung über Aufnahme oder Ablehnung.<br />
Spezifisches Ziel: Opt<strong>im</strong>ierung der Lieferantenbasis (Kostenziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Nutzung eines vordefinierten Kriterienkatalogs oder einer Checkliste,<br />
um Angebote vorab zu beurteilen<br />
� Vor-Ort-Begehung (Lieferantenaudit)<br />
� Konstitution eines Gremiums zur Entscheidung über die Aufnahme<br />
in das Produktsort<strong>im</strong>ent des <strong>Krankenhaus</strong>es (z. B. Materialoder<br />
Arzne<strong>im</strong>ittelkommission)<br />
Ausgewählte Quellen: [Boutellier, Corsten 2002; Wagner 2003;<br />
Büsch 2007]<br />
Definition: System für die Suche, Einholung und den Austausch beschaffungsrelevanter<br />
Informationen wie z. B. Produkt-, Lieferanteninformationen).<br />
Spezifisches Ziel: Min<strong>im</strong>ierung der Durchlaufzeiten (Kostenziel)<br />
Typ: S<strong>of</strong>twarekomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Elektronische Produktkataloge (EPC), Newsletter und -feeds,<br />
Lieferantenverzeichnisse und Supplier Portale für die unstrukturierte<br />
Suche von Produkten und Lieferanten<br />
� Preissuchmaschinen und Agentensysteme für die systematisierte<br />
bzw. automatisierte Suche von Produkten und Lieferanten<br />
� Elektronische Marktplätze und Auktionen für den Informationsaustausch<br />
und für die Marktforschung<br />
� Electronic Request for Information (E-RFI), Quotation (E-RFQ),<br />
Proposal (E-RFP) und Feature (E-RFF) für die strukturierte Einholung<br />
von Informationen<br />
Ausgewählte Quellen: [Eyholzer et al. 2002; Huang et al. 2007]<br />
Definition: System zur strukturierten Einreichung, Entgegennahme<br />
und Eröffnung von Ausschreibungen.<br />
Spezifisches Ziel: Min<strong>im</strong>ierung der Durchlaufzeiten (Kostenziel)<br />
Typ: S<strong>of</strong>twarekomponente
164 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
T1-<br />
PE-1<br />
T1-<br />
PE-2<br />
Sozialkompetenz<br />
Rechtswissen<br />
7.1.3.5 Verhandlung (T2)<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Ausschreibungsportal bzw. Ausschreibungsdatenbank für die<br />
Veröffentlichung von Submissionen<br />
Ausgewählte Quellen: [Zarnekow et al. 2002; Staatssekretariat für<br />
Wirtschaft 2009]<br />
Definition: Kompetenz <strong>im</strong> Umgang mit unterschiedlichen Werten und<br />
Einstellungen einer Gruppe/Organisation.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Adaptionsfähigkeit (Flexibilitäts-/<br />
Unabhängigkeitsziel)<br />
Typ: Wissenskomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Methoden und Modelle der Persönlichkeitspsychologie (z. B.<br />
Selbstbeobachtung, Kompromissfähigkeit, Interkulturelle Kompetenz,<br />
etc.)<br />
Ausgewählte Quellen: [Kalberer, Drenth 2007]<br />
Definition: Fachliche Kompetenz in Fragestellungen des Wirtschaftsrechts<br />
sowie der Rechtsanwendung.<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Rechtmässigkeit des betrieblichen<br />
Handelns (Sicherheitsziel)<br />
Typ: Wissenskomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Rechtsgrundlagen (z. B. Formen des Vertragsabschlusses, Einkaufs-<br />
und Verkaufsbedingungen, Garantie)<br />
� Rechtliche Durchsetzungsmittel (z. B. Mängelbehebung, Vertragsstrafen,<br />
Schadensersatz)<br />
Ausgewählte Quellen: [Vlcek 2003]<br />
Tabelle 29: Gestaltungsobjekte der Anbahnung<br />
Die Institutionalisierung langfristiger Beziehungen erfolgt in aller Regel durch Forma-<br />
lisierung der gegenseitigen Absichten durch (Rahmen-)Verträge [vgl. Riemer 2008, S.<br />
14]. Diese sind das Ergebnis meist ökonomisch geprägter Verhandlungen. Die wesent-<br />
lichen Gestaltungsobjekte dieser Phase werden durch die nachfolgende Tabelle 30 be-<br />
schrieben.<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
T2-<br />
AR-1<br />
Ergebnisverhalten<br />
Definition: Anreiz zur kontinuierlichen Verhandlung und Überprüfung<br />
von Verträgen.<br />
Spezifisches Ziel: Opt<strong>im</strong>ierung der Lieferantenbasis (Kostenziel)<br />
Typ: Anreiz<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Definition eines am Ergebnis ausgerichteten Budgets für bspw.
Entwicklung des Reifegradmodells 165<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
T2-<br />
PR-1<br />
T2-<br />
PR-2<br />
T2-<br />
PR-3<br />
T2-<br />
IT-1<br />
Verhandlungsvorbereitung<br />
Verhandlungsführung<br />
Vertragsabschluss<br />
Unterstützung der<br />
Verhandlungsführung<br />
Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
(Teamprämie)<br />
� Definition variabler Lohnkomponenten (Individualprämie); Bonus<br />
bei Erfüllung oder Übererfüllung der vom <strong>Krankenhaus</strong>management<br />
vorgegebenen Ziele, Malus bei Verfehlen der gesetzten<br />
Qualitätsstandards<br />
Ausgewählte Quellen: [Schanz 1991; Wille 2002; Fisch et al. 2007]<br />
Definition: Inhaltliche und ablauforganisatorische Vorbereitung eines<br />
entscheidenden Lieferantentermins.<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Entscheidungssicherheit<br />
(Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Nutzung eines vordefinierten Verhandlungsplans bzw. Rasters für<br />
die Ableitung und Beschreibung der wesentlichen Max<strong>im</strong>al- und<br />
Min<strong>im</strong>alziele, Verhandlungsagenda, Handlungsalternativen, etc.<br />
� Testen der Stichhaltigkeit der eigenen Argumentation durch S<strong>im</strong>ulation<br />
der Verhandlung <strong>im</strong> Team (Rollenspiel)<br />
� Berechnung der max<strong>im</strong>alen Kosten für die Beschaffung eines<br />
Produkts oder einer Dienstleistung (Ziel-Kosten-Analyse)<br />
Ausgewählte Quellen: [Büsch 2007]<br />
Definition: Dialogführung mit dem Lieferanten über Lieferung und<br />
Leistung benötigter Produkte und Dienstleistungen.<br />
Spezifisches Ziel: Reduktion der Material- und Dienstleistungskosten<br />
(Kostenziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Anwendung gängiger Verhandlungstaktiken (z. B. Zeit-Taktik,<br />
Autoritäts-Taktik, Mediation, etc.)<br />
� Nutzung elektronischer Agenten (Online-Verhandlung)<br />
Ausgewählte Quellen: [Erbacher 2009]<br />
Definition: Finalisierung einer Verhandlung durch die Gestaltung und<br />
den Abschluss eines Vertrages.<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Rechtmässigkeit des betrieblichen<br />
Handelns (Sicherheitsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Nutzung vordefinierter Vertragsvorlagen (z. B. Rahmenvertrag,<br />
Kaufvertrag, Mietvertrag, Werkvertrag, etc.), um die getr<strong>of</strong>fenen<br />
Vereinbarungen abzusichern<br />
� Nutzung elektronischer Agenten (Online-Verhandlung)<br />
Ausgewählte Quellen: [Büsch 2007]<br />
Definition: System zur Unterstützung der Verhandlungsführung mit<br />
Lieferanten.<br />
Spezifisches Ziel: Min<strong>im</strong>ierung der Durchlaufzeiten (Kostenziel)
166 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
T2-<br />
IT-2<br />
T2-<br />
IT-3<br />
T2-<br />
PE-1<br />
T2-<br />
PE-2<br />
Unterstützung der<br />
Vertragserstellung<br />
und -verwaltung<br />
Elektronische<br />
Signatur<br />
Typ: S<strong>of</strong>twarekomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Elektronische Markplätze, Online-Auktionen, etc. für die Durchführung<br />
von Transaktionen<br />
� Videotelefonie, Web-Meeting-Tools, etc. für die Kommunikation<br />
mit Lieferanten<br />
Ausgewählte Quellen: [Rebstock 2001]<br />
Definition: System zur Unterstützung der Erfassung, Verwaltung,<br />
Speicherung und Wiederauffindung von vertragsrelevanten Informationen.<br />
Spezifisches Ziel: Min<strong>im</strong>ierung der Durchlaufzeiten (Kostenziel)<br />
Typ: S<strong>of</strong>twarekomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Einfache elektronische Ablagesysteme wie z. B. Filesystem, Datenbanken,<br />
die generell zur Speicherung von Dokumenten und Inhalten<br />
genutzt werden können<br />
� Erweiterte elektronische Ablagesysteme wie z. B. Dokumentenmanagementsysteme,<br />
Contract <strong>Management</strong>-Tools, die auf die revisionssichere<br />
Aufbewahrung von Verträgen ausgerichtet sind<br />
Ausgewählte Quellen: [Kampffmeyer 2003]<br />
Definition: Dienst zur elektronischen Zertifizierung und Authentifizierung<br />
eines Geschäftspartners.<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Rechtmässigkeit des betrieblichen<br />
Handelns (Sicherheitsziel)<br />
Typ: S<strong>of</strong>twarekomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Einfache Signatur (z. B. gescannte Unterschrift)<br />
� Fortgeschrittene oder qualifizierte Signatur (z. B. Signatur mit<br />
Anbieter-Akkreditierung/Trust Center)<br />
Ausgewählte Quellen: [Schweizerische Akkreditierungsstelle 2009]<br />
Konfliktkompetenz Definition: Kompetenz konstruktiv mit Konflikten umzugehen (z. B.<br />
ausgewiesen durch Kompromissbereitschaft, Toleranz, etc.).<br />
Verhandlungswissen<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Zusammenarbeit (Flexibilitäts-/<br />
Unabhängigkeitsziel)<br />
Typ: Wissenskomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Methoden und Modelle der Persönlichkeitspsychologie (z. B.<br />
Selbstbeobachtung, Kompromissfähigkeit, Interkulturelle Kompetenz,<br />
etc.)<br />
Ausgewählte Quellen: [Witschi 2007]<br />
Definition: Fachliche Kompetenz zur Vorbereitung und Durchführung<br />
von Vertragsverhandlungen.<br />
Spezifisches Ziel: Reduktion der Material- und Dienstleistungskosten<br />
(Kostenziel)<br />
Typ: Wissenskomponente
Entwicklung des Reifegradmodells 167<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
7.1.3.6 Stabilisierung (T3)<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Methoden und Modelle der Verhandlungsführung (z. B. Verhandlungstaktiken,<br />
Moderation, Mediation, etc.)<br />
Ausgewählte Quellen: [Lemme 2005; Saner 2008]<br />
Tabelle 30: Gestaltungsobjekte der Verhandlung<br />
Neben ökonomisch geprägten Mechanismen zur Institutionalisierung von langfristigen<br />
Beziehungen mit Lieferanten sind auch Formen der sozialen Interaktion zu gestalten.<br />
Dementsprechend gilt es in der Phase der Stabilisierung anfängliche Barrieren, welche<br />
z. B. aus aggressiven Preisverhandlungen entstanden sind, abzubauen und erweiterte<br />
Formen der organisationsübergreifenden Zusammenarbeit zu <strong>im</strong>plementieren. In Ta-<br />
belle 31 sind die für diese Phase relevanten Gestaltungsobjekte zusammengefasst.<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
T3-<br />
AR-1<br />
T3-<br />
PR-1<br />
Kooperationsverhalten<br />
Kollaborative Bedarfsplanung<br />
und<br />
Lagerhaltung<br />
Definition: Anreiz zur Steigerung der Kooperationsbereitschaft der<br />
Mitarbeitenden.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Zusammenarbeit (Flexibilitäts-/<br />
Unabhängigkeitsziel)<br />
Typ: Anreiz<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Beteiligung an Anreizfonds auf Netzwerkebene (Individual- oder<br />
Teamprämie)<br />
� Mitsprache bei der Budgetierung bzw. bei der Verteilung knapper<br />
Ressourcen (Partizipation)<br />
� Würdigung von Ideen, welche zur verstärkten Kooperation beitragen<br />
(Anerkennung)<br />
Ausgewählte Quellen: [Wohlgemuth 2002]<br />
Definition: Gemeinsame Planung, Steuerung und Bewertung der Material-,<br />
Informations- und Geldflüsse mit ausgewählten Lieferanten.<br />
Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Nutzung von Referenzmodellen und erweiterten SCM-Techniken<br />
wie z. B. Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment,<br />
Cross-Docking, etc.<br />
� Aufbau einer gemeinsamen Kommunikationsstruktur und -kultur<br />
z. B. durch organisationsübergreifende Teamsitzungen, soziale<br />
Events, etc.<br />
Ausgewählte Quellen: [Kilger, Reuter 2005; Ford, Scanlon 2007]
168 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
T3-<br />
PR-2<br />
T3-<br />
IT-1<br />
T3-<br />
PE-1<br />
Kollaborative<br />
Produktentwicklung<br />
Unterstützung der<br />
kollaborativen Zusammenarbeit<br />
Kooperationskompetenz<br />
Definition: Gemeinsame Planung, Entwicklung und Evaluation neuer<br />
Produkte und Dienstleistungen mit ausgewählten Lieferanten.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Zusammenarbeit (Flexibilitäts-/<br />
Unabhängigkeitsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
7.1.3.7 Bedarfsermittlung (O1)<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Nutzung von Referenzmodellen und Techniken zur gemeinsamen<br />
Planung und Durchführung von Projekten (z. B. PRINCE2, IPMA<br />
Competence Baseline, etc.)<br />
� Durchführung von Lieferantengesprächen mit Zielvereinbarungen<br />
Ausgewählte Quellen: [Lloyd, S<strong>im</strong>pson 2005; Manjappa et al. 2008]<br />
Definition: System zur Unterstützung der gemeinsamen Zusammenarbeit<br />
sowie zur Planung und Durchführung von Projekten.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Zusammenarbeit (Flexibilitäts-/<br />
Unabhängigkeitsziel)<br />
Typ: S<strong>of</strong>twarekomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� ERP-, SRM-Systeme, Supplier Self-Services und Supplier Portale<br />
für den transaktionsorientierten Austausch von Informationen<br />
� Projektmanagement-Tools für die Planung von gemeinsamen<br />
Vorhaben<br />
� Videotelefonie, Web Meeting-Tools, etc. für die Kommunikation<br />
mit Lieferanten<br />
Ausgewählte Quellen: [Lefebvre et al. 2003]<br />
Definition: Kompetenz gezielt Kooperationen mit ausgewählten Partnern<br />
eingehen zu können.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Zusammenarbeit (Flexibilitäts-/<br />
Unabhängigkeitsziel)<br />
Typ: Wissenskomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Methoden und Modelle des Kooperationsmanagements (z. B.<br />
Geschäftsnetzwerkmodellierung, Teambildung, etc.)<br />
Ausgewählte Quellen: [Töpfer, Grossekatthöfer 2006b; Schönsleben,<br />
Alard 2007]<br />
Tabelle 31: Gestaltungsobjekte der Stabilisierung<br />
Grundlage für die Opt<strong>im</strong>ierung der wiederkehrenden Interaktion mit Lieferanten sowie<br />
für die Reduktion der Lagerhaltungs- und Materialkosten bildet eine präzis durchge-<br />
führte Bedarfsermittlung. Diese kann als periodisch durchgeführte Disposition oder<br />
erst <strong>im</strong> konkreten Bedarfsfall erfolgen [vgl. Appelfeller, Buchholz 2005, S. 8]. Wie<br />
aus den Fallstudien ersichtlich, ist dafür ein enger Kontakt mit den unterschiedlichen
Entwicklung des Reifegradmodells 169<br />
medizinischen und administrativen Fachbereichen des <strong>Krankenhaus</strong>es vorteilhaft. Die<br />
massgeblichen Gestaltungsobjekte dieser Phase sind in Tabelle 32 beschrieben.<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
O1-<br />
AR-1<br />
O1-<br />
PR-1<br />
O1-<br />
PR-2<br />
O1-<br />
PR-3<br />
Bestellverhalten Definition: Anreiz zur Opt<strong>im</strong>ierung des Bestellverhaltens der Mitarbeitenden.<br />
Bedarfsermittlung<br />
bei direkten<br />
Materialien<br />
Bedarfsermittlung<br />
bei indirekten<br />
Materialien<br />
Bedarfsermittlung<br />
bei Einzelbeschaffungen<br />
und Dienstleistungen<br />
Spezifisches Ziel: Reduktion der Material- und Dienstleistungskosten<br />
(Kostenziel)<br />
Typ: Anreiz<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Definition von variablen Lohnkomponenten gemessen an der<br />
Zielerreichung resp. Budgeterfüllung (Individual-/Teamprämie)<br />
� Ahndung übermässiger Bedarfsmeldungen (Sanktionen)<br />
Ausgewählte Quellen: [Schanz 1991; Wille 2002; Fisch et al. 2007]<br />
Definition: Ermittlung des Bedarfs direkter Materialien der Fachbereiche.<br />
Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Nutzung stochastischer Methoden zur Berechnung der zukünftigen<br />
Bedarfe (z. B. ABC-Analyse, Target Costing)<br />
� Nutzung heuristischer Methoden zur Beurteilung der zukünftigen<br />
Bedarfe (z. B. Schätzung durch erfahrene Disponenten oder<br />
Stücklistenauflösung)<br />
� Anwendung erweiterter Techniken der Bedarfssteuerung und<br />
Lagerhaltung wie Kanban, Vertragslagerkonzept, etc.<br />
� Bedarfsaufnahme vor Ort durch spezialisierte Versorgungsassistenten<br />
oder systemgestützt durch die Fachbereiche selbst<br />
Ausgewählte Quellen: [Schulte 2001; Schönsleben 2007]<br />
Definition: Ermittlung des Bedarfs indirekter Materialien der Fachbereiche.<br />
Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Nutzung stochastischer Methoden zur Berechnung der zukünftigen<br />
Bedarfe (z. B. ABC-Analyse, Target Costing)<br />
� Nutzung heuristischer Methoden zur Beurteilung der zukünftigen<br />
Bedarfe (z. B. Schätzung durch erfahrene Disponenten)<br />
� Bedarfsaufnahme vor Ort durch spezialisierte Versorgungsassistenten<br />
oder systemgestützt durch die Fachbereiche selbst<br />
Ausgewählte Quellen: [Schulte 2001; Schönsleben 2007]<br />
Definition: Ermittlung des Bedarfs an Dienstleistungen und speziellen<br />
Einzelbeschaffungen der Fachbereiche.<br />
Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel)<br />
Typ: Aufgabe
170 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
O1-<br />
IT-1<br />
O1-<br />
IT-2<br />
O1-<br />
PE-1<br />
O1-<br />
PE-2<br />
Unterstützung der<br />
Bestandsführung<br />
Unterstützung der<br />
Bedarfsaufnahme<br />
Kundenkompetenz<br />
Material- und Logistikmanagementwissen<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Systemgestützte Bedarfsaufnahme durch die Fachbereiche selbst<br />
� Nutzung vordefinierter Bestellanforderungsformulare<br />
Ausgewählte Quellen: [Schulte 2001; Schönsleben 2007]<br />
Definition: System zur Unterstützung der Bedarfsermittlung und Bestandesführung<br />
von Produkt- und Lieferanteninformationen.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: S<strong>of</strong>twarekomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� ERP-, SRM- und Plan-Driven Procurement Systeme für die<br />
Überwachung von Bewegungs- und Bestandsdaten<br />
� Stammdatenverwaltungssystem (Master Data <strong>Management</strong>) für<br />
die Pflege der zentralen Produkt- und Lieferantenstammdaten<br />
Ausgewählte Quellen: [Appelfeller, Buchholz 2005; Cetin 2007]<br />
Definition: System zur Unterstützung der Bedarfsermittlung und Bestandesführung<br />
von Produkt- und Lieferanteninformationen.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: S<strong>of</strong>twarekomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Spreadsheet-Lösungen und E-Mail für die unstrukturierte Bedarfsaufnahme<br />
� Desktop Purchasing-Systeme, elektronische Produktkataloge und<br />
Supplier Self-Services für die strukturierte Bedarfsaufnahme<br />
Ausgewählte Quellen: [Appelfeller, Buchholz 2005; Cetin 2007]<br />
Definition: Kompetenz zur frühzeitigen und systematischen Erkennung<br />
der Bedarfe der Fachbereiche und Patienten.<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Servicequalität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Wissenskomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Methoden und Modelle der Arbeitspsychologie (z. B. Kundenzufriedenheitsmessung,<br />
organisationsinternes Marketing, etc.)<br />
Ausgewählte Quellen: [Boutellier, Wagner 2007]<br />
Definition: Fachliche Kompetenz in Umgang mit Fragestellungen des<br />
Bestandes- und Materialmanagements.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Wissenskomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Methoden und Modelle des Bestandes- und Materialmanagements<br />
(Lagerorganisation, Inventur, Prozesskostenrechung, etc.)<br />
Ausgewählte Quellen: [Schulte 2001; Schönsleben 2007]<br />
Tabelle 32: Gestaltungsobjekte der Bedarfsermittlung
Entwicklung des Reifegradmodells 171<br />
7.1.3.8 Bestellung (O2)<br />
Den Kern der wiederkehrenden Interaktion mit Lieferanten bilden Bestelltransaktio-<br />
nen. Die Betrachtung der Fallstudien legt nahe, dass je nach Art und Häufigkeit des zu<br />
beschaffenden Materials unterschiedliche Beschaffungsmodelle mit unterschiedlicher<br />
Reife Anwendung finden [vgl. Appelfeller, Buchholz 2005, S. 151]. Die für die Be-<br />
stellphase relevanten Gestaltungsobjekte sind in Tabelle 33 aufgelistet.<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
O2-<br />
PR-1<br />
O2-<br />
PR-2<br />
O2-<br />
PR-3<br />
O2-<br />
IT-1<br />
Bestellung direkter<br />
Materialien<br />
Bestellung indirekter<br />
Materialien<br />
Bestellung von<br />
Einzelbeschaffungen<br />
und Dienstleistungen<br />
Unterstützung der<br />
Bestellung direkter<br />
Materialien<br />
Definition: Erfassung und Übermittlung von Bestellungen direkter<br />
Materialien.<br />
Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Nutzung von vordefinierten Bestellformularen für die manuelle<br />
Bestellabwicklung (z. B. per Post, Fax oder E-Mail)<br />
� Nutzung von elektronischen Marktplätzen, elektronischen Produktkatalogen,<br />
etc. für die automatisierte Bestellabwicklung<br />
Ausgewählte Quellen: [Appelfeller, Buchholz 2005; Stoll 2007]<br />
Definition: Erfassung und Übermittlung von Bestellungen indirekter<br />
Materialien.<br />
Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Nutzung von vordefinierten Bestellformularen für die manuelle<br />
Bestellabwicklung (z. B. per Post, Fax oder E-Mail)<br />
� Nutzung von elektronischen Marktplätzen, elektronischen Produktkatalogen,<br />
etc. für die automatisierte Bestellabwicklung<br />
Ausgewählte Quellen: [Appelfeller, Buchholz 2005; Stoll 2007]<br />
Definition: Erfassung und Übermittlung von Bestellungen spezieller<br />
Einzelbeschaffungen oder Dienstleistungen.<br />
Spezifisches Ziel: Sicherstellung des Materialflusses (Sicherheitsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Nutzung von vordefinierten Bestellformularen für die manuelle<br />
Bestellabwicklung (z. B. per Post, Fax oder E-Mail)<br />
� Nutzung von elektronischen Marktplätzen, elektronischen Produktkatalogen,<br />
etc. für die automatisierte Bestellabwicklung<br />
Ausgewählte Quellen: [Appelfeller, Buchholz 2005; Stoll 2007]<br />
Definition: System zur Unterstützung der Bündelung, Erfassung und<br />
Übermittlung von Bestellungen direkter Materialien.<br />
Spezifisches Ziel: Min<strong>im</strong>ierung der Durchlaufzeiten (Kostenziel)<br />
Typ: S<strong>of</strong>twarekomponente
172 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
O2-<br />
IT-2<br />
O2-<br />
IT-3<br />
O2-<br />
PE-1<br />
Unterstützung der<br />
Bestellung indirekter<br />
Materialien<br />
Unterstützung der<br />
Bestellung bei Einzelbeschaffungen<br />
und Dienstleistungen<br />
Technologiekompetenz<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Elektronische Marktplätze und Online-Auktionen<br />
� ERP-System mit Lieferantenanbindung mittels EDI oder XML<br />
(Buy-Side)<br />
� Internetbasierte Lösungen wie elektronische Produktkataloge,<br />
Supplier Portale (Sell-Side)<br />
Ausgewählte Quellen: [Kriegel 2002; Oppel 2003]<br />
Definition: System zur Unterstützung der Bündelung, Erfassung und<br />
Übermittlung von Bestellungen indirekter Materialien.<br />
Spezifisches Ziel: Min<strong>im</strong>ierung der Durchlaufzeiten (Kostenziel)<br />
Typ: S<strong>of</strong>twarekomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Elektronische Marktplätze und Online-Auktionen<br />
� ERP-System mit Lieferantenanbindung mittels EDI oder XML<br />
(Buy-Side)<br />
� Internetbasierte Lösungen wie elektronische Produktkataloge,<br />
Supplier Portale (Sell-Side)<br />
Ausgewählte Quellen: [Kriegel 2002; Oppel 2003]<br />
Definition: System zur Unterstützung der Erfassung und Verarbeitung<br />
von nicht-standardisierten Materialien und Dienstleistungen.<br />
Spezifisches Ziel: Min<strong>im</strong>ierung der Durchlaufzeiten (Kostenziel)<br />
Typ: S<strong>of</strong>twarekomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Internetbasierte Lösungen wie elektronische Produktkataloge,<br />
Supplier Portale (Sell-Side)<br />
� Elektronische Marktplätze und Online-Auktionen<br />
Ausgewählte Quellen: [Mettler, Rohner 2009b]<br />
Definition: Fachliche Kompetenz in Umgang mit Informations- und<br />
Kommunikationstechnologien.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Wissenskomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Theoretisches Wissen über aktuelle Möglichkeiten in der elektronischen<br />
Beschaffung (z. B. Internet, E-Commerce, E-<br />
Procurement)<br />
� Praktisches Anwendungswissen (z. B. Online-Verhandlungen,<br />
Umgang mit elektronischen Katalogen und Suchmaschinen, etc.)<br />
Ausgewählte Quellen: [Zarnekow et al. 2002; Brenner, Wenger 2007]<br />
Tabelle 33: Gestaltungsobjekte der Bestellung
Entwicklung des Reifegradmodells 173<br />
7.1.3.9 Abwicklung (O3)<br />
Den Abschluss einer Bestelltransaktion stellt die Kontrolle und Erfassung des Waren-<br />
eingangs sowie die Handhabung allfälliger Beschwerden dar. Dies bildet zugleich das<br />
Bindeglied zur internen <strong>Krankenhaus</strong>logistik und kann durch die in Tabelle 34 darge-<br />
legten Gestaltungsobjekte skizziert werden.<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
O3-<br />
AR-1<br />
O3-<br />
PR-1<br />
O3-<br />
PR-2<br />
O3-<br />
PR-3<br />
Qualitätsverhalten<br />
Wareneingangskontrolle<br />
Wareneingangsbuchung<br />
Handhabung von<br />
Beschwerden<br />
Definition: Anreiz zur Steigerung der Qualität der beschafften Produkte<br />
und Dienstleistungen.<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Servicequalität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Anreiz<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Definition variabler Lohnkomponenten (Individualprämie); Bonus<br />
bei Erfüllung oder Übererfüllung der vom <strong>Krankenhaus</strong>management<br />
vorgegebenen Ziele, Malus bei Verfehlen der gesetzten<br />
Qualitätsstandards<br />
� Hervorhebung der Leistung des Einkaufs und regelmässige<br />
Rückmeldungen (Anerkennung)<br />
Ausgewählte Quellen: [Schanz 1991; Wille 2002; Fisch et al. 2007]<br />
Definition: Überprüfung der angelieferten Materialien sowie der Bestell-<br />
und Lieferdokumente.<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Servicequalität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Qualitative und quantitative Prüfung auf Sicht in Bezug auf<br />
Fehlmengen, Beschädigungen und andere Qualitätsmängel<br />
� Stichprobenprüfung einzelner Lieferungen<br />
Ausgewählte Quellen: [Euler 1992; Arnolds et al. 1998]<br />
Definition: Erfassung der angelieferten Materialien sowie Bearbeitung<br />
der Bestell- und Lieferdokumente.<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Manuelle Erfassung der angelieferten Materialien und Dokumente<br />
� Nutzung von Erfassungshilfen wie z. B. Barcode-Scanner<br />
� Elektronische Verarbeitung des Wareneingangs (z. B. E-<br />
Lieferschein und E-Rechnung)<br />
Ausgewählte Quellen: [Euler 1992; Arnolds et al. 1998]<br />
Definition: Annahme und Behandlung von Beschwerden seitens der<br />
Fachbereiche sowie Weiterleitung an die Lieferanten.
174 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Nr. Gestaltungsobjekt Erläuterung<br />
O3-<br />
IT-1<br />
O3-<br />
PE-1<br />
Unterstützung der<br />
Wareneingangskontrolle<br />
und<br />
-buchung<br />
Qualitätsmanagementwissen<br />
Spezifisches Ziel: Verbesserung der Prozessqualität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Aufgabe<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Nutzung von Papierformularen oder der Unternehmenswebsite<br />
des Lieferanten zur Erfassung der Beschwerden<br />
� Nutzung vordefinierter Checklisten für das Reklamationsmanagement<br />
per Telefon<br />
Ausgewählte Quellen: [Brückner 2007; Strauss, Seidel 2007]<br />
Definition: System zur Unterstützung der automatisierten Wareneingangsbuchung.<br />
Spezifisches Ziel: Min<strong>im</strong>ierung der Durchlaufzeiten (Kostenziel)<br />
Typ: S<strong>of</strong>twarekomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Internetbasierte Lösungen wie Supplier Self-Services<br />
� ERP-System mit Lieferantenanbindung mittels EDI oder XML<br />
Ausgewählte Quellen: [Giordano 2000]<br />
Definition: Fachliche Kompetenz zur Planung, Steuerung, Sicherung<br />
und Verbesserung der Qualität von Produkten und Dienstleistungen.<br />
Spezifisches Ziel: Erhöhung der Servicequalität (Leistungssteigerungs-/Qualitätsziel)<br />
Typ: Wissenskomponente<br />
Anwendbare Konzepte:<br />
� Methoden und Modelle des Qualitätsmanagements (z. B. EFQM,<br />
Six Sigma, Zertifikate)<br />
Ausgewählte Quellen: [Töpfer, Grossekatthöfer 2006a]<br />
Tabelle 34: Gestaltungsobjekte der Abwicklung<br />
7.1.4 Zwischenfazit: Ergebnisse aus Fokusgruppendiskussionen<br />
Der Term „Fokusgruppendiskussion“ bezeichnet eine moderierte Diskussion zu einer<br />
fokussierten Themenstellung innerhalb einer ausgewählten Gruppe von Personen [vgl.<br />
Stewart, Shamdasani 1990, S. 10]. In Anlehnung an MORGAN und STEWART et al.<br />
können Fokusgruppen u. a. nützlich sein, um<br />
� Hypothesen auf Grundlage der Eindrücke der Informanten zu generieren,<br />
� Interviewleitfäden und Fragebogen zu entwickeln oder<br />
� Ergebnisse von Forschungsarbeiten durch die Informanten interpretieren und be-<br />
werten zu lassen [vgl. Morgan 1997, S. 17 f.; Stewart et al. 2007, S. 41 f.].
Entwicklung des Reifegradmodells 175<br />
Obwohl diese qualitative Forschungsmethode in der Vergangenheit überwiegend in<br />
soziologischen oder sozialmedizinischen Studien Anwendung gefunden hat [vgl. z. B.<br />
Kitzinger 1994; Powell, Single 1996], sind in letzter Zeit Beiträge entstanden, welche<br />
deren Eignung in Zusammenhang mit der Evaluation gestaltungsorientierter WI-<br />
Forschung diskutieren [vgl. Gibson et al. 2007; Tremblay et al. 2008].<br />
Um die Relevanz, Konsistenz, Verständlichkeit, Vollständigkeit, Zuverlässigkeit,<br />
Nachhaltigkeit und Aktualität der identifizierten Modellkonstrukte vor der Operationa-<br />
lisierung zu testen, sind deshalb <strong>im</strong> Rahmen der vorliegenden Arbeit zwei Fokusgrup-<br />
pendiskussion mit Einkaufsverantwortlichen von Krankenhäusern und spezialisierten<br />
IT-Dienstleistern durchgeführt worden.<br />
Eine erste Version der Modellbasis wurde <strong>im</strong> September 2007 neun <strong>Krankenhaus</strong>- und<br />
vier Industrievertretern präsentiert. Ziel war es, einen ersten Meinungsaustausch hin-<br />
sichtlich der identifizierten Gestaltungsobjekte anzustossen. Einige Äusserungen aus<br />
der Gruppendiskussion in Bezug auf die erste Version der Modellbasis waren:<br />
� <strong>Krankenhaus</strong>vertreter: „Die Modellinhalte sind zu stark auf die operativen Prozes-<br />
se fokussiert.“<br />
� <strong>Krankenhaus</strong>vertreter: „Aspekte der Kundenseite sind nicht abgedeckt, z. B. Thema<br />
Bestellverhalten der Fachbereiche.“<br />
� <strong>Krankenhaus</strong>vertreter: „Ich vermisse Indikatoren, die auf den Stellenwert des Ein-<br />
kaufs <strong>im</strong> Unternehmen hinweisen.“<br />
� Industrievertreter: „Irgendwie fehlt momentan ein Bezug zu IT-gestützten Koopera-<br />
tionsansätzen.“<br />
Als Reaktion auf die herausgestellten Meinungen sind zahlreiche Änderungen an der<br />
ursprünglichen Modellbasis vorgenommen worden. 80 Einerseits sind unklar formulier-<br />
te Konstrukte berichtigt, andererseits sind die aus der Sicht der Informanten unerlässli-<br />
chen oder unwesentlichen Konstrukte hinzugefügt bzw. el<strong>im</strong>iniert worden (z. B. sind<br />
mehrere Konstrukte aus dem operativen Bereich durch Konstrukte wie „Kundenkom-<br />
petenz“, „Ergebnisverhalten“ oder „Unterstützung der kollaborativen Zusammenar-<br />
beit“ ersetzt worden).<br />
Zur Überprüfung der zweiten Version der Modellbasis ist <strong>im</strong> Januar 2009 eine weitere<br />
Fokusgruppendiskussion durchgeführt worden. Als Vorbereitung dafür wurden sämtli-<br />
80 Die zuvor beschriebenen Gestaltungsobjekte geben den aktuellen Stand wieder und beinhalten bereits die<br />
angemerkten Änderungen.
176 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
che Konstrukte in einer Domänenontologie formal beschrieben. 81 Abbildung 56 zeigt<br />
dabei exemplarisch die frame-basierte Spezifikation des Konstrukts „Ausschreibung“<br />
<strong>im</strong> Protégé-Toolset.<br />
Abbildung 56: Spezifikation des Konstrukts „Ausschreibung“ in Protégé 82<br />
Durch die Formalisierung der Modellinhalte konnten verschiedene grafische Auswer-<br />
tungen gemacht werden, welche als Grundlage für die Diskussion dienten (vgl. Abbil-<br />
dung 57).<br />
Abbildung 57: Visualisierung eines Teilbereichs der Domänenontologie<br />
81 Die formale und grafische Darstellung von Modellinhalten mittels Ontologien hat in einer Reihe von Projek-<br />
ten zur Konsensbildung beigetragen [vgl. Obrst et al. 2007, S. 149].<br />
82 Eine ausführliche Beschreibung zur frame-basierten Ontologiespezifikation ist unter<br />
(http://protege.stanford.edu/overview/protege-frames.html) abrufbar.
Entwicklung des Reifegradmodells 177<br />
Folgende Meinungen sind zur zweiten Version der Modellbasis geäussert worden:<br />
� <strong>Krankenhaus</strong>vertreter: „Mir wird erst klar, dass es so viele technische Hilfsmittel<br />
in meinem Bereich gibt. Ich erkenne bereits klare Defizite.“<br />
� <strong>Krankenhaus</strong>vertreter: „Die Inhalte sind klar und sauber strukturiert. Meiner Mei-<br />
nung nach sind die wesentlichen Elemente enthalten.“<br />
� Industrievertreter: „Die Navigation innerhalb der Ontologie ist wenig gefiltert und<br />
dadurch <strong>of</strong>tmals unübersichtlich. Inhaltlich scheint damit jedoch ein wesentlicher<br />
Teil des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs abgedeckt zu sein.“<br />
Der durch die beiden Fokusgruppendiskussionen vorwiegend positive Eindruck bildet<br />
die Ausgangslage für die weitere Operationalisierung der Modellbasis. Die durchge-<br />
führte naturalistische Evaluation der Modellbasis besitzt jedoch wesentliche Grenzen,<br />
die eine erneute Überprüfung nach deren Operationalisierung erforderlich machen:<br />
� Eine Fokusgruppe setzt sich aus einem „unnatürlichen“ Setting an Personen zu-<br />
sammen. Einzelne Meinung könnten aufgrund der ungewohnten Umgebung und<br />
heterogenen Gruppenzusammensetzung (z. B. Kontakt mit Industrievertretern) be-<br />
einflusst worden sein [vgl. Stewart et al. 2007, S. 25 f.]. Zur Beurteilung des Ge-<br />
samtkonzepts wäre demnach eine individuelle Befragung bzw. der Einsatz des In-<br />
struments <strong>im</strong> gewohnten Umfeld sinnvoll.<br />
� Die Zusammensetzung einer Fokusgruppe ist nicht repräsentativ, da nur eine kleine<br />
Anzahl Personen an der Diskussion teiln<strong>im</strong>mt. Eine Übertragung der Ergebnisse<br />
auf alle möglichen Situationen <strong>im</strong> Kontext des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs (z. B. Kran-<br />
kenhäuser mit ausgelagertem oder dezentralem Einkauf) ist deshalb nur mit Vorbe-<br />
halt möglich.<br />
� Der thematische Inhalt einer Fokusgruppendiskussion ist sehr konzentriert. Bei-<br />
spielsweise fokussierten die durchgeführten Diskussionen ausschliesslich auf die<br />
Beurteilung der Relevanz, Verständlichkeit, Vollständigkeit, etc. der identifizierten<br />
Modellinhalte. Eine Beurteilung der Nützlichkeit des operationalisierten Instru-<br />
ments ist deshalb nicht möglich, da die Teilnehmer weder Erhebungs- und Analy-<br />
setechniken, noch die Reife- und Fähigkeitsgrade kennen.
178 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
7.2 Operationalisierung der Modellinhalte<br />
Im Folgenden sollen die identifizierten Modellinhalte durch unterschiedliche Techni-<br />
ken operationalisiert werden. Eine Technik stellt dabei eine Vorschrift zur Erstellung<br />
und Dokumentation von (Design-)Ergebnissen dar [vgl. Winter 2003, S. 88].<br />
Um die Modellinhalte an spezifische Situationen eines <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs anzupas-<br />
sen, wird zunächst eine Technik zur Konfiguration des Bewertungsmodells präsentiert.<br />
Des Weiteren werden Techniken für die Datenerhebung und -analyse spezifiziert und<br />
anhand eines entwickelten S<strong>of</strong>twareprototyps illustriert.<br />
7.2.1 Konfiguration<br />
Anders als be<strong>im</strong> Methoden Engineering oder bei der Referenzmodellierung, wo das<br />
Konzept der Situativität meist ein integraler Bestandteil der Konstruktion bildet [vgl.<br />
z. B. vom Brocke, Buddendick 2004, S. 19 f.; Baumöl 2008, S. 149 f.; Aier et al. 2009,<br />
S. 111 f.; Winter 2009b, S. 19 f.], bleiben solche Überlegungen bei der Entwicklung<br />
von Reifegradmodellen meist unberücksichtigt [vgl. Mettler, Rohner 2009d, S. 3].<br />
Demnach wird für sämtliche Organisationstypen <strong>of</strong>tmals das gleiche Bewertungsmo-<br />
dell zugrundegelegt (One-size-fits-all Modell). Wie bereits in Abschnitt 3.2.4 erläutert,<br />
wird dadurch die Kritik laut, dass die Bewertungsergebnisse für best<strong>im</strong>mte Organisati-<br />
onen verzerrt werden bzw. dass Reifegradmodelle für diese Klasse von Organisationen<br />
irrelevante Gestaltungsobjekte aufweisen.<br />
Um eine situationsgerechte Bewertung der Reife eines <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs und da-<br />
mit eine Vergleichbarkeit der Resultate gewährleisten zu können, wird <strong>im</strong> Rahmen<br />
eines Assessments mit dem HSRM 3 die Modellbasis konfiguriert.<br />
7.2.1.1 Identifikation möglicher Konfigurationsparameter<br />
Der situative Kontext der Beschaffungsfunktion eines <strong>Krankenhaus</strong>es lässt sich durch<br />
verschiedenste Faktoren beschreiben. Grundsätzlich lassen sich zwei Typen von situa-<br />
tiven Faktoren unterscheiden [vgl. Bucher et al. 2007, S. 37 f.]: 83<br />
83 Ungleich wie bei BUCHER et al., die zwischen kontext- und projektbeschreibenden Faktoren unterscheiden,<br />
wird in der vorliegenden Arbeit eine Differenzierung nach der Stärke des Einflusses auf den Gestaltungsbe-<br />
reich gemacht. Die Intention dahinter ist jedoch dieselbe.
Entwicklung des Reifegradmodells 179<br />
� Indirekte situative Faktoren sind Einflussgrössen, welche die Gestaltungsobjekte<br />
mittelbar tangieren. Sie eignen sich vorrangig zur Beschreibung des Umfelds des<br />
Gestaltungsbereichs.<br />
� Direkte situative Faktoren sind Einflussgrössen, welche die Gestaltungsobjekte<br />
unmittelbar tangieren. Sie eignen sich vorrangig zur Beschreibung des Gestal-<br />
tungsbereichs selbst und können für die Konfiguration der Modellbasis verwendet<br />
werden.<br />
Aus der in Kapitel 4 durchgeführten Analyse sind eine Reihe situativer Faktoren mit<br />
Rücksicht auf die Beschaffung in Krankenhäusern hervorgegangen, welche nun in Be-<br />
zug auf deren Tauglichkeit für die Konfiguration der Modellbasis bewertet werden<br />
(vgl. Abbildung 58):<br />
� Betriebsgrösse: Die Grösse eines <strong>Krankenhaus</strong>es (üblicherweise gemessen an des-<br />
sen Anzahl verfügbarer Betten) wird als indirekter situativer Faktor gesehen. Zwar<br />
ist davon auszugehen, dass mit steigender Betriebsgrösse auch mehr Personen <strong>im</strong><br />
<strong>Krankenhaus</strong>einkauf zur Bewältigung dieser Funktion notwendig sind, das Leis-<br />
tungsspektrum bleibt aber in aller Regel bestehen. Somit ist die Betriebsgrösse für<br />
die Beurteilung der Reife nur indirekt von Bedeutung.<br />
� Trägerschaft: Die Handlungsfreiheit eines <strong>Krankenhaus</strong>es wird stark durch die<br />
Rechtsform bzw. den Träger beeinflusst. 84 In Zusammenhang mit dem Kranken-<br />
hauseinkauf hat die Trägerschaft vereinzelt Auswirkungen auf das betriebliche<br />
Handeln (z. B. sind öffentliche Krankenhäuser verpflichtet, ab einem best<strong>im</strong>mten<br />
Beschaffungsvolumen eine Ausschreibung durchzuführen), jedoch unterscheiden<br />
sich dadurch die Arbeitsweise nicht fundamental (z. B. können private Kranken-<br />
häuser Ausschreibungen ebenfalls als Aufforderung zur Angebotsabgabe nutzen).<br />
Dementsprechend wird die Trägerschaft als indirekter situativer Faktor eingestuft.<br />
� Typologie: Die Typologie gibt darüber Aufschluss, wie spezialisiert ein Kranken-<br />
haus ist. Für den <strong>Krankenhaus</strong>einkauf hat dies insbesondere einen Einfluss auf die<br />
Ausgestaltung des Sort<strong>im</strong>ents (z. B. ist bei einem allgemeinen <strong>Krankenhaus</strong> das<br />
Sort<strong>im</strong>ent i. d. R. breiter gefasst als bei einer Spezialklinik). In Bezug auf die Reife<br />
der identifizierten Gestaltungsobjekte hat die Typologie allerdings nur einen indi-<br />
rekten Einfluss.<br />
84 Vgl. Abschnitt 4.1.1.
180 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
� Versorgungsstufe: In Anlehnung an die <strong>Krankenhaus</strong>typologie des BFS kann die<br />
Versorgungsstufe als eine weitere Detaillierung der Typologie gesehen werden<br />
[vgl. Bundesamt für Statistik 2006, S. 4]. Dementsprechend kann auch hier von ei-<br />
ner lediglich indirekten Beeinflussung des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs ausgegangen wer-<br />
den.<br />
� Einkaufsorganisation: Ein weiterer situativer Faktor ist die Organisationsform des<br />
<strong>Krankenhaus</strong>einkaufs. Dadurch wird festgelegt, wie die Funktion des Einkaufs in<br />
die <strong>Krankenhaus</strong>organisation eingebettet resp. wer für die Beschaffung von Mate-<br />
rialien und Dienstleistungen verantwortlich ist. Dies hat einen wesentlichen und di-<br />
rekten Einfluss auf die Gestaltungsobjekte des Reifegradmodells (z. B. weist ein<br />
dezentraler Einkauf eine andere Aufgabenstruktur als ein zentraler Einkauf auf).<br />
Der Faktor „Einkaufsorganisation“ wird demnach als zentrale Einflussgrösse zur<br />
Konfiguration der Modellbasis betrachtet.<br />
Betriebsgrösse Kleine Krankenhäuser Mittlere Krankenhäuser Grosse Krankenhäuser Einkaufsorganisation<br />
(1-149)<br />
(150-400)<br />
(>400)<br />
Trägerschaft<br />
Typologie<br />
Versorgungsstufe<br />
Öffentlich Gemeinnützig<br />
Privat<br />
Allgemeine<br />
Krankenhäuser<br />
Zentrumsversorgung<br />
Indirekte situative Faktoren Direkte situative Faktoren<br />
Grundversorgung<br />
Spezialkliniken<br />
Psychiatrische Reha-<br />
Kliniken kliniken<br />
Andere<br />
Spezialkliniken<br />
Abbildung 58: Direkte und indirekte situative Faktoren des HSRM 3<br />
7.2.1.2 Beschreibung der Konfigurationsszenarien<br />
Dezentral<br />
Hybrid<br />
Zentral<br />
Ausgelagert<br />
Netzwerk<br />
Die Konfiguration der Modellbasis geschieht über die Wahl eines best<strong>im</strong>mten Szena-<br />
rios, welches eine möglichst treffende Annäherung an die Situation der Beschaffungs-<br />
funktion eines <strong>Krankenhaus</strong>es wiedergibt. Hierfür werden auf Grundlage des situati-<br />
ven Faktors „Einkaufsorganisation“ die folgenden Konfigurationsszenarien abgelei-<br />
tet: 85<br />
85 Vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt 4.1.3 sowie [Kriegel 2002, S. 22; Padberg 2006].
Entwicklung des Reifegradmodells 181<br />
� Dezentrales <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>: Erfolgsentscheidende Verantwortlichkeiten für<br />
die Einkaufsaktivitäten liegen nicht in einer zentralen Funktion, sondern dezentral<br />
über die Organisation verteilt bei den Fachbereichen. Sowohl das Verwaltungsper-<br />
sonal als auch das medizinische und pflegerische Personal entscheiden über die zu<br />
bestellenden Artikel, das Bestellvolumen sowie über die jeweiligen Preis- und Lie-<br />
ferkonditionen. Die Rolle des Einkaufs ist vorwiegend die eines Transaktionsab-<br />
wicklers. Mögliche Indikatoren, die auf dieses dezentrale Szenario hinweisen, sind<br />
z. B. eine Einkaufsabteilung ohne Sort<strong>im</strong>entsverantwortung (reines Bestellbüro),<br />
keine formale Verankerung des Einkaufs <strong>im</strong> Organigramm des <strong>Krankenhaus</strong>es,<br />
Lieferanten verhandeln tendenziell <strong>im</strong>mer zuerst mit den Fachbereichen.<br />
� Hybrides <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>: Die Aufgabenteilung zwischen der Einkaufsabtei-<br />
lung und den Fachbereichen ist nicht klar abgrenzbar. Bspw. werden Verträge de-<br />
zentral verhandelt, Bestellungen aber zentral durch die Einkaufsabteilung abgewi-<br />
ckelt. Dementsprechend ist auch die Rolle des Einkaufs nicht eindeutig zu best<strong>im</strong>-<br />
men und bewegt sich zwischen der eines Servicepartners und eines Transaktions-<br />
abwicklers. Mögliche Indikatoren, die auf dieses hybride Szenario hinweisen, sind<br />
z. B. die Best<strong>im</strong>mung von Lead-Buyer-Einheiten <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> (z. B. Apothe-<br />
ke), Verhandlungen mit Lieferanten werden stets zusammen mit den Fachbereichen<br />
geführt.<br />
� Zentrales <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>: Die zentrale Einkaufsabteilung deckt alle strategi-<br />
schen, taktischen und operativen Aufgaben von Bedarfsermittlung, Lieferanten-<br />
auswahl, Vertragsverhandlungen bis hin zum Monitoring und Controlling ab. Die<br />
Rolle des Einkaufs ist vielschichtig und reicht vom Transaktionsabwickler bis hin<br />
zum Marktanalyst und Auditor. Mögliche Indikatoren, die auf dieses zentrale Sze-<br />
nario hinweisen, sind z. B. eine Einkaufsabteilung mit umfassender Sort<strong>im</strong>entsver-<br />
antwortung, eine formale Verankerung des Einkaufs <strong>im</strong> Organigramm des Kran-<br />
kenhauses, Lieferanten verhandeln tendenziell zuerst mit der Einkaufsabteilung.<br />
� Ausgelagertes <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>: Ein externer Dienstleister deckt nahezu alle<br />
taktischen und operativen Aufgaben der Beschaffung ab (bspw. Bedarfsermittlung,<br />
Lieferantenauswahl, Vertragsverhandlungen). Das Aufgabenspektrum des organi-<br />
sationsinternen Einkaufs (s<strong>of</strong>ern vorhanden) beschränkt sich auf die strategischen<br />
<strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> Prozesse. Demnach kommt dem Einkauf hier vorwiegend die<br />
Rolle eines Controllers zu. Mögliche Indikatoren, die auf dieses ausgelagerte Sze-<br />
nario hinweisen, sind z. B. eine inexistente Einkaufsfunktion <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong>, die<br />
Fachbereiche werden praktisch ausschliesslich durch externe Dienstleister versorgt.
182 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
� Vernetztes <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>: Strategische und taktische Aufgaben der Beschaf-<br />
fung werden partnerschaftlich mit anderen Krankenhäusern verrichtet. Entscheide<br />
hinsichtlich der zu bestellenden Artikel, des Bestellvolumens sowie über die jewei-<br />
ligen Preis- und Lieferkonditionen werden <strong>im</strong> Netzwerk getr<strong>of</strong>fen. Die Rolle des<br />
Einkaufs ist vorwiegend die eines Verhandlungspartners. Mögliche Indikatoren, die<br />
auf dieses vernetzte Szenario hinweisen, sind z. B. die Mitgliedschaft in einem<br />
Einkaufsverbund, organisationsübergreifend abgest<strong>im</strong>mte Sort<strong>im</strong>entsentscheide,<br />
organisationsübergreifend abgest<strong>im</strong>mte Lieferantenverhandlungen.<br />
Auf Basis der beschriebenen Szenarien sind zusammen mit ausgewählten Einkaufs-<br />
verantwortlichen unterschiedliche Konfigurationspr<strong>of</strong>ile abgeleitet worden. Pro Kon-<br />
figurationspr<strong>of</strong>il wird festgelegt, welche Gestaltungsobjekte bei der Reifebeurteilung<br />
zwingend zu beachten sind und welche lediglich fakultativen Charakter haben oder gar<br />
von der Bewertung auszuschliessen sind. Tabelle 35 zeigt die Verdichtung sämtlicher<br />
Konfigurationsaussagen in einer entsprechenden Matrix.<br />
Nr.<br />
Szenario<br />
Gestaltungsobjekt Dezentrales SM<br />
S1-AR-1 Innovationsverhalten ����������<br />
S1-PR-1 Beschaffungsvision ����������<br />
S1-PR-2 Beschaffungsleitlinien ����������<br />
S1-PR-3 Interne Analyse ����������<br />
S1-PR-4 Externe Analyse ����������<br />
S1-PR-5 Beschaffungsstrategie ����������<br />
S1-IT-1 Unterstützung für interne und externe Analysen ����������<br />
S1-IT-2 Unterstützung der Kreativität und Dokumentation ����������<br />
S1-PE-1 Motivations- und Führungskompetenz ����������<br />
S1-PE-2 Trendkompetenz ����������<br />
S1-PE-3 Strategisches Einkaufswissen ����������<br />
S2-AR-1 Veränderungsverhalten ����������<br />
S2-PR-1 Leistungsdefinition ����������<br />
S2-PR-2 Prozessdefinition ����������<br />
S2-PR-3 Stellenbildung und Regelung der Arbeitsteilung ����������<br />
S2-IT-1 Unterstützung der Prozessanalyse und -dokumentation ����������<br />
S2-PE-1 Transformationskompetenz ����������<br />
S2-PE-2 Geschäftsprozesswissen ����������<br />
S3-AR-1 Informationsverhalten ����������<br />
S3-PR-1 Monitoring der Lieferanten ����������<br />
S3-PR-2 Monitoring der Bedarfsträger ����������<br />
Hybrides SM<br />
Zentrales SM<br />
Ausgelagertes SM<br />
Vernetztes SM
Entwicklung des Reifegradmodells 183<br />
Nr.<br />
Szenario<br />
Gestaltungsobjekt Dezentrales SM<br />
S3-PR-3 Monitoring der Beschaffungsperformance ����������<br />
S3-PR-4 Berichterstattung ����������<br />
S3-IT-1 Unterstützung der Perform. Messung, Analyse und des Reportings ����������<br />
S3-PE-1 Controlling- und Risikomanagementwissen ����������<br />
T1-PR-1 Lieferantensuche ����������<br />
T1-PR-2 Ausschreibung ����������<br />
T1-PR-3 Lieferantenbeurteilung und -auswahl ����������<br />
T1-IT-1 Unterstützung der Lieferantensuche und -auswahl ����������<br />
T1-IT-2 Unterstützung der Ausschreibung ����������<br />
T1-PE-1 Sozialkompetenz ����������<br />
T1-PE-2 Rechtswissen ����������<br />
T2-AR-1 Ergebnisverhalten ����������<br />
T2-PR-1 Verhandlungsvorbereitung ����������<br />
T2-PR-2 Verhandlungsführung ����������<br />
T2-PR-3 Vertragsabschluss ����������<br />
T2-IT-1 Unterstützung der Verhandlungsführung ����������<br />
T2-IT-2 Unterstützung der Vertragserstellung und -verwaltung ����������<br />
T2-IT-3 Elektronische Signatur ����������<br />
T2-PE-1 Konfliktkompetenz ����������<br />
T2-PE-2 Verhandlungswissen ����������<br />
T3-AR-1 Kooperationsverhalten ����������<br />
T3-PR-1 Kollaborative Bedarfsplanung und Lagerhaltung ����������<br />
T3-PR-2 Kollaborative Produktentwicklung ����������<br />
T3-IT-1 Unterstützung der kollaborativen Zusammenarbeit ����������<br />
T3-PE-1 Kooperationskompetenz ����������<br />
O1-AR-1 Bestellverhalten ����������<br />
O1-PR-1 Bedarfsermittlung bei direkten Materialien ����������<br />
O1-PR-2 Bedarfsermittlung bei indirekten Materialien ����������<br />
O1-PR-3 Bedarfsermittlung bei Einzelbeschaffungen und DL ����������<br />
O1-IT-1 Unterstützung der Bestandesführung ����������<br />
O1-IT-2 Unterstützung der Bedarfsaufnahme ����������<br />
O1-PE-1 Kundenkompetenz ����������<br />
O1-PE-2 Material- und Logistikmanagementwissen ����������<br />
O2-PR-1 Bestellung direkter Materialien ����������<br />
O2-PR-2 Bestellung indirekter Materialien ����������<br />
O2-PR-3 Bestellung von Einzelbeschaffungen und DL ����������<br />
O2-IT-1 Unterstützung der Bestellung direkter Materialien ����������<br />
O2-IT-2 Unterstützung der Bestellung indirekter Materialien ����������<br />
O2-IT-3 Unterstützung der Bestellung bei Einzelbeschaffungen und DL ����������<br />
O2-PE-1 Technologiekompetenz ����������<br />
Hybrides SM<br />
Zentrales SM<br />
Ausgelagertes SM<br />
Vernetztes SM
184 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Nr.<br />
Szenario<br />
Gestaltungsobjekt Dezentrales SM<br />
O3-AR-1 Qualitätsverhalten ����������<br />
O3-PR-1 Wareneingangskontrolle ����������<br />
O3-PR-2 Wareneingangsbuchung ����������<br />
O3-PR-3 Handhabung von Beschwerden ����������<br />
O3-IT-1 Unterstützung der Wareneingangskontrolle und -buchung ����������<br />
O3-PE-1 Qualitätsmanagementwissen ����������<br />
����<br />
Legende: � Beurteilung notwendig � Beurteilung fakultativ � Beurteilung nicht notwendig�<br />
Tabelle 35: Konfigurationsmatrix<br />
7.2.1.3 Wahl eines Konfigurationsszenarios<br />
Die Beschreibung der Konfigurationsszenarien liefert zwar eine erste Orientierung zur<br />
Festlegung der Situation eines <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs, jedoch sollte die Wahl eines<br />
Szenarios auf der Basis verdichteter Informationen erfolgen. 86<br />
Anhaltspunkte, welche die Selektion des richtigen Konfigurationsszenarios erleichtern,<br />
sind zum Beispiel:<br />
� Einordnung des Einkaufs <strong>im</strong> Organigramm des <strong>Krankenhaus</strong>es (eigene Funktion<br />
vs. untergeordnete Funktion)<br />
� Struktur der Aufgaben (mehrheitlich operative Tätigkeiten vs. vorwiegend strategi-<br />
sche Tätigkeiten)<br />
� Geführtes Sort<strong>im</strong>ent (komplette Bestandesführung vs. dezentral geführte Waren-<br />
gruppen)<br />
� Beschaffungsbefugnis (ausschliessliche Beschaffungsbefugnis vs. verteilte Be-<br />
schaffungsbefugnis)<br />
� Vereinbarungen mit externen Dienstleistern oder anderen Krankenhäusern (Out-<br />
sourcing-Vertrag oder Mitgliedschaft in einem Einkaufsverbund)<br />
86 Die Wahl eines von der Realität abweichenden Szenarios ist nur dann sinnvoll, wenn organisatorische Ver-<br />
änderungen geplant sind (z. B. Wechsel von einer dezentralen zu einer zentralen Einkaufsorganisation) und<br />
das Reifegradmodell die Anforderungsanalyse unterstützen soll.<br />
Hybrides SM<br />
Zentrales SM<br />
Ausgelagertes SM<br />
Vernetztes SM
Entwicklung des Reifegradmodells 185<br />
7.2.2 Datenerhebung und -analyse<br />
Der Verlauf eines Begutachtungsverfahrens mit dem HSRM 3 wird in die folgenden<br />
Schritte untergliedert [vgl. auch Bush, Dunaway 2005]:<br />
1. Planung: Im Rahmen der Planung werden die Personen identifiziert, welche für die<br />
Beurteilung der Reife des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s eines <strong>Krankenhaus</strong>es in Frage<br />
kommen. Ferner gilt es die ausgewählten Personen über den Zweck der Befragung<br />
zu informieren und einen Termin zu fixieren.<br />
2. Vorbereitung: Als Vorbereitung für die Befragung werden grundlegende Informa-<br />
tionen wie z. B. Name und Funktion des Beurteilenden, Betriebsgrösse, Typologie<br />
des <strong>Krankenhaus</strong>es, etc. erfasst.<br />
3. Datenerhebung: Die Erhebung der benötigten Daten erfolgt anhand einer unter-<br />
stützten Selbstbeurteilung durch den oder die zuvor best<strong>im</strong>mten Ansprechpartner.<br />
In einem ersten Schritt werden die vorerfassten Informationen zur Person und Or-<br />
ganisation überprüft und das Konfigurationsszenario festgelegt. Danach werden die<br />
für das Szenario zulässigen Gestaltungsobjekte bewertet. Dabei ist zu achten, dass<br />
die befragten Personen möglichst nicht in ihrer Urteilsfällung beeinflusst werden.<br />
Dem Assessor kommt bei der Befragung demnach lediglich eine subsidiäre Funkti-<br />
on zu (z. B. Klärung von unverständlichen Konzepten, Moderation durch die ein-<br />
zelnen Fragestellungen).<br />
4. Datenanalyse: Nach Aufnahme der Beschaffenheit der einzelnen Gestaltungsob-<br />
jekte werden die erhobenen Daten grafisch ausgewertet und markante Wertungs-<br />
punkte nochmals kritisch hinterfragt. Allenfalls werden <strong>im</strong> Falle von Fehleinschät-<br />
zungen die betreffenden Gestaltungsobjekte nochmals neu bewertet.<br />
5. Reporting: Den Abschluss einer Begutachtung bildet die Formulierung von „Les-<br />
sons Learned“ und die Einstufung in einen Reifegrad bzw. Fähigkeitsgrad. Bei<br />
mehreren Beurteilungen müssen die Einzelbetrachtungen für die finale Berichter-<br />
stattung konsolidiert und bei markanten Abweichungen allenfalls in der Gruppe<br />
thematisiert werden.<br />
7.2.2.1 Erhebungstechnik<br />
Grundlage für die Datenerhebung bildet ein s<strong>of</strong>twaregestütztes Befragungswerkzeug,<br />
dessen Aufbau sich eng an der Struktur des Reifegradmodells orientiert. Der Prototyp<br />
besteht aus drei wesentlichen Komponenten: eine Komponente zur Erfassung der Ba-<br />
sisdaten eines <strong>Krankenhaus</strong>es (inkl. Konfiguration der Modellbasis), eine Komponente
186 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
zur Beurteilung der Gestaltungsobjekte und schliesslich eine Komponente zur Darstel-<br />
lung der Ergebnisse der Befragung. Die technische Umsetzung ist einfach gehalten.<br />
Die Hypertext Markup Language (HTML) wird zur Präsentation der Daten, Visual<br />
Basic Script (VBS) zur Programmierung der Anwendungslogik und die Extensible<br />
Markup Language (XML) zur Speicherung der Daten verwendet. Eine Anbindung an<br />
das Protégé-Toolset ist für die initiale Version nicht vorgesehen. Für die Verbesserung<br />
der Dokumentation und Modellevolution ist dies in einer zukünftigen Version jedoch<br />
zu berücksichtigen.<br />
Abbildung 59 zeigt das Einstiegsformular zur Erfassung der Basisdaten und Konfigu-<br />
ration der Modellbasis.<br />
Abbildung 59: Formular zur Konfiguration der Modellbasis<br />
Je nach Wahl des Konfigurationsszenarios werden zur Beurteilung der relevanten Ges-<br />
taltungsobjekte unterschiedliche Erhebungsformulare generiert. Grundlage für die Ge-<br />
nerierung der verschiedenen Eingabemasken ist die zuvor beschriebene Konfigurati-<br />
onsmatrix. In Abbildung 60 ist beispielhaft für die Gestaltungsd<strong>im</strong>ension „Stabilisie-<br />
rung“ ein entsprechendes Formular für das Szenario „Zentrales <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>“<br />
dargestellt.<br />
Um ein zielgerichtetes Gestalten zu unterstützen werden pro Gestaltungsobjekt sowohl<br />
der Ist- als auch der Soll-Zustand erhoben. Dies erlaubt bei einer erneuten Beurteilung<br />
die Messung der Zielerreichung bzw. -abweichung. Die Festlegung des Zielhorizonts
Entwicklung des Reifegradmodells 187<br />
ist frei wählbar. Allerdings sollte <strong>im</strong> Falle eines Branchen-Benchmark dieser für alle<br />
zu beurteilenden Krankenhäuser gleich sein.<br />
Gestaltungsd<strong>im</strong>ension<br />
Gestaltungsebene<br />
Gestaltungsobjekt<br />
7.2.2.2 Analysetechnik<br />
Spezifisches Ziel Generisches Ziel<br />
Abbildung 60: Formular zur Beurteilung der Gestaltungsobjekte<br />
Für die Analyse der erhobenen Daten sind drei Auswertungsd<strong>im</strong>ensionen vorgesehen:<br />
Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen, Gestaltungsebenen und situative Faktoren (vgl. Abbildung<br />
61).<br />
Strategisches<br />
<strong>Supply</strong><br />
<strong>Management</strong><br />
Taktisches<br />
<strong>Supply</strong><br />
<strong>Management</strong><br />
Operatives<br />
<strong>Supply</strong><br />
<strong>Management</strong><br />
Gestaltungsd<strong>im</strong>ension Gestaltungsebene<br />
Strategieformulierung<br />
Strategie<strong>im</strong>plementierung<br />
Monitoring& Controlling<br />
Anbahnung<br />
Verhandlung<br />
Stabilisierung<br />
Bedarfsermittlung<br />
Bestellung<br />
Abwicklung<br />
Arbeitsumfeld<br />
Praktiken<br />
IT-Infrastruktur<br />
Personen<br />
Einkaufsorganisation<br />
Betriebsgrösse<br />
Abbildung 61: Auswertungsd<strong>im</strong>ensionen des HSRM 3<br />
Situation<br />
Dezentral<br />
Hybrid<br />
Zentral<br />
Ausgelagert<br />
Vernetzt<br />
Klein<br />
Mittel<br />
Gross<br />
... ...
188 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Dadurch sind neben einer eind<strong>im</strong>ensionalen Betrachtung der Reife (bspw. Erfüllungs-<br />
grad der Gestaltungsobjekte in Bezug auf die Gestaltungsd<strong>im</strong>ension „Stabilisierung“)<br />
auch mehrd<strong>im</strong>ensionale Auswertungen möglich (z. B. Erfüllungsgrad der Gestaltungs-<br />
objekte mit Rücksicht auf die operativen <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> Prozesse in dezentral<br />
organisierten Einkaufsorganisationen).<br />
Zur grafischen Auswertung der Daten können unterschiedliche Darstellungsformen<br />
angewendet werden. 87 Punktdiagramme eignen sich insbesondere, um eine Gesamt-<br />
sicht auf die erhobenen Daten zu erzeugen. Abbildung 62 zeigt exemplarisch die Dar-<br />
stellung mehrerer Erhebungsresultate in Bezug auf deren Einkaufsorganisation.<br />
Gesetzter<br />
Zielzustand<br />
Erfüllungsgrad (SOLL)<br />
100%<br />
75%<br />
50%<br />
25%<br />
0%<br />
Beurteiltes<br />
<strong>Krankenhaus</strong><br />
0% 25% 50% 75% 100%<br />
Erfüllungsgrad (IST)<br />
Zustand heute<br />
Legende<br />
<strong>Krankenhaus</strong> mit dezentralen SM<br />
<strong>Krankenhaus</strong> mit hybridem SM<br />
<strong>Krankenhaus</strong> mit zentralem SM<br />
Abbildung 62: Punktdiagramm zur Darstellung der Gesamtsicht<br />
<strong>Krankenhaus</strong> mit vernetztem SM<br />
<strong>Krankenhaus</strong> mit ausgelagertem SM<br />
Für die detaillierte Analyse der erhobenen Daten sind z. B. Netzdiagramme oder Bal-<br />
kendiagramme zweckmässig [vgl. Mettler, Rohner 2009d, S. 6]. Durch Netzdiagram-<br />
me lassen sich anschaulich Abweichungen zwischen dem Ist- und dem Soll-Zustand<br />
illustrieren. Ferner können zusätzlich auch die aggregierten Ergebnisse aus anderen<br />
Erhebungen 88 mit den eigenen Resultaten verglichen werden. Abbildung 63 zeigt, wie<br />
die verschiedenen Zustände der <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> Prozesse in einem Netzdiagramm<br />
dargestellt werden. Beispielsweise ist zu erkennen, dass <strong>im</strong> untersuchten <strong>Krankenhaus</strong><br />
der Erfüllungsgrad strategischer Aufgaben vergleichsweise unter dem Branchenschnitt<br />
87 Zu Demonstrationszwecken sind <strong>im</strong> Prototyp lediglich ausgewählte Analysemöglichkeiten umgesetzt wor-<br />
den. Die weiteren Ausführungen sollen gleichwohl zeigen, wie auf Basis der erhobenen Daten umfangreiche<br />
Analysen erzeugt werden können.<br />
88 Im Folgenden werden die aggregierten Ergebnisse als Indikator für den Zustand der Branche angesehen.
Entwicklung des Reifegradmodells 189<br />
liegt, die operativen Aufgaben dagegen besser gelöst werden als in anderen Kranken-<br />
häusern.<br />
Abweichung<br />
zum Zielzustand<br />
Bestellung<br />
Bedarfsermittlung<br />
Abwicklung<br />
Stabilisierung<br />
Strategieformulierung<br />
100%<br />
75%<br />
50%<br />
25%<br />
0%<br />
Verhandlung<br />
Abweichung zur<br />
Branche<br />
Strategie<strong>im</strong>plementierung<br />
Monitoring & Controlling<br />
Anbahnung<br />
Gestaltungsd<strong>im</strong>ension<br />
Abbildung 63: Netzdiagramm für die detaillierte Datenanalyse<br />
Legende<br />
IST: Spital X<br />
SOLL: Spital X<br />
IST: Branche<br />
SOLL: Branche<br />
Als Alternative zu Netzdiagrammen haben sich Balkendiagramme bewährt. In Abbil-<br />
dung 64 ist beispielhaft der durchschnittliche Erfüllungsgrad der unterschiedlichen<br />
Gestaltungsebenen dargestellt. Dabei wird bspw. ersichtlich, dass der Ist-Zustand nur<br />
geringfügig unter dem Branchenschnitt liegt, sich die Vorstellungen hinsichtlich der<br />
zukünftigen Entwicklung der IT-Infrastruktur jedoch stark unterscheiden.<br />
Unterschied zur<br />
Branche aktuell<br />
Erfüllungsgrad in %<br />
100%<br />
75%<br />
50%<br />
25%<br />
0%<br />
Arbeitsumfeld Praktiken IT-Infrastruktur Personen<br />
Legende<br />
Gestaltungsebene<br />
Abbildung 64: Balkendiagramm für die detaillierte Datenanalyse<br />
Entwicklungstendenz<br />
der Branche<br />
IST: Spital X<br />
IST: Branche<br />
SOLL: Spital X<br />
SOLL: Branche
190 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Des Weiteren sind je nach Auswertungsd<strong>im</strong>ension auch mehrere Detaillierungsstufen<br />
denkbar. Abbildung 61 zeigt z. B. die verschiedenen Detaillierungsstufen in Bezug auf<br />
die Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen.<br />
Erfüllungsgrad in %<br />
100%<br />
75%<br />
50%<br />
25%<br />
0%<br />
Ebene 1: Gestaltungsd<strong>im</strong>ension „Führung“<br />
Erfüllungsgrad in %<br />
Strategisches SM Taktisches SM Operatives SM<br />
100%<br />
75%<br />
50%<br />
25%<br />
Erfüllungsgrad in %<br />
0%<br />
Ebene 2: Gestaltungsd<strong>im</strong>ension „Prozess“<br />
100%<br />
75%<br />
50%<br />
25%<br />
0%<br />
Anbahnung<br />
Verhandlung<br />
Ebene 3: Gestaltungsobjekte<br />
Kooperationsverhalten<br />
Kollaborative Bedarfsplanung und<br />
Lagerhaltung<br />
Kollaborative Produktentwicklung<br />
Unterstützung der Kollaborativen<br />
Zusammenarbeit<br />
Stabilisierung<br />
Legende<br />
Kooperationskompetenz<br />
IST: Spital X<br />
IST: Branche<br />
SOLL: Spital X<br />
SOLL: Branche<br />
Legende<br />
IST: Spital X<br />
IST: Branche<br />
SOLL: Spital X<br />
SOLL: Branche<br />
Legende<br />
IST: Spital X<br />
IST: Branche<br />
SOLL: Spital X<br />
SOLL: Branche<br />
Abbildung 65: Detaillierungsstufen der Auswertung nach Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen
Entwicklung des Reifegradmodells 191<br />
7.3 Definition der Reife- und Fähigkeitsgrade<br />
Anders als bei den meisten Reifgradmodellen, welche die Reifegrade vor der Identifi-<br />
zierung möglicher Gestaltungsobjekte spezifizieren, werden in der vorliegenden Arbeit<br />
die unterschiedlichen Reifegrade auf Grundlage der ermittelten Gestaltungsobjekte<br />
best<strong>im</strong>mt. Darauf aufbauend werden in einem zweiten Schritt, analog wie in CMMI,<br />
zusätzlich noch Fähigkeitsgrade definiert, welche eine flexiblere und bedürfnisgerech-<br />
te Weiterentwicklung des Gestaltungsbereiches erlauben.<br />
7.3.1 Definition der Reifegrade<br />
Grundlegende Hypothese von (stufenförmigen) Reifegradmodellen ist, dass höhere<br />
Reifegrade in irgendeiner Form tieferen Reifegraden überlegen sind. Beispielsweise<br />
wird be<strong>im</strong> CMMI-ACQ davon ausgegangen, dass ein höherer Reifegrad mit geringe-<br />
ren Risiken, höherer Produktivität und Qualität der Beschaffungsprozesse assoziiert<br />
wird [vgl. CMMI Product Team 2007, S. 48 f.]. Allerdings sind diese Annahmen für<br />
die meisten Reifegradmodelle noch weitestgehend unbestätigt bzw. nur in Ansätzen<br />
nachgewiesen [vgl. Dekleva, Drehmer 1997, S. 95].<br />
7.3.1.1 Ansatz zur Best<strong>im</strong>mung der Reifegrade<br />
Eine Alternative zur üblichen deduktiven Herleitung stellt die Anwendung induktiver<br />
Verfahren zur Definition der Reifegrade dar. DEKLEVA und DREHMER heben her-<br />
vor, dass sich diesbezüglich insbesondere die probabilistische Testtheorie (Item Res-<br />
ponse Theory) als tauglich erwiesen hat [vgl. Dekleva, Drehmer 1997, S. 96].<br />
Eines der meisten angewandten probabilistischen mathematischen Modelle ist das so<br />
genannte Rasch-Modell [vgl. dazu Rasch 1980; Rost 1996; Linacre, Wright 2002]. Es<br />
basiert auf der Annahme, dass anhand der Fähigkeiten einer Person und der Schwie-<br />
rigkeit eines Test-Items geschätzt werden kann, wie wahrscheinlich eine best<strong>im</strong>mte<br />
Fragestellung zufriedenstellend gelöst wird. Die Absicht besteht darin, aufgrund der<br />
Schätzung der Personen- und Itemparameter die Tests so zu konstruieren, dass sie<br />
entweder eine gleichbleibende (z. B. für einen Schnelligkeits-Test) oder ansteigende<br />
Schwierigkeit (z. B. für einen Niveau-Test) aufweisen. 89<br />
89 Probabilistische Modelle werden vorwiegend in der Sozialpsychologie oder Sozialmedizin genutzt, um aus<br />
Ergebnissen standardisierter Tests auf Persönlichkeitsmerkmale wie bspw. die Intelligenz eines Probanden zu<br />
schliessen. Das Rasch-Modell unterscheidet sich von Verfahren der klassischen Testtheorie ins<strong>of</strong>ern, als dass<br />
diese die Itemparameterschätzungen pr<strong>im</strong>är dazu nutzen einen hinsichtlich der Reliabilität und Validität op-
192 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Eine Rasch-Analyse erfolgt grundsätzlich in drei Schritten [vgl. Bühner 2004a, S.<br />
36]. 90 Zuerst werden alle Items el<strong>im</strong>iniert, die entweder von allen oder keiner der be-<br />
fragten Personen gelöst wurden, da sie keine relevanten Informationen über die Fähig-<br />
keitsausprägung enthalten. Ebenso werden alle Personen aus der Analyse ausgeschlos-<br />
sen, welche entweder alle oder keinen der Items korrekt beantwortet haben. In einem<br />
zweiten Schritt werden die Itemparameter bzw. die Itemschwierigkeit (�) und die Per-<br />
sonenparameter bzw. die Fähigkeit der Person (�) berechnet. Die Itemschwierigkeit<br />
ergibt sich aus dem Anteil nicht oder falsch beantworteter Items (1-p) durch den Anteil<br />
richtig beantworteter Items (p). Der Personenparameter kann durch den Anteil richtig<br />
gelöster Items (p) durch den Anteil falsch gelöster Items (1-p) ausgedrückt werden.<br />
Damit sich die Quotienten auch auf den negativen Wertebereich ausdehnen, werden<br />
Itemparameter und Personenparameter logarithmiert. 91 Daraus ergeben sich die fol-<br />
genden Formeln:<br />
1 � p<br />
(1) Itemparameter (�): ln<br />
p<br />
(2) Personenparameter (�): ln p<br />
1 � p<br />
Nach der Berechnung der Itemparameter und Personenparameter wird in einem letzten<br />
Schritt geschätzt, ob eine Person ein Item theoretisch beantworten kann oder nicht.<br />
Dabei wird die Wahrscheinlichkeit (p), mit der eine Person mit einer best<strong>im</strong>mten Fä-<br />
higkeit (�) ein Item mit einer best<strong>im</strong>mten Schwierigkeit (�) korrekt beantwortet,<br />
durch die Exponentialfunktion der Differenzen aus Personenparameter und Itempara-<br />
meter beschrieben [vgl. Bühner 2004a, S. 39]:<br />
(3) Lösungswahrscheinlichkeit (p):<br />
exp(� ��)<br />
1� exp(���)<br />
Der wesentliche Vorteil des oben beschriebenen Rasch-Modells gegenüber anderen<br />
probabilistischen Verfahren ist, dass spezifisch objektive Messungen dadurch ermög-<br />
t<strong>im</strong>ierten Test zu konstruieren. Die Unterscheidung zwischen Schwierigkeit der Fragestellung und Fähigkeit<br />
der Person ist dementsprechend einzigartig [vgl. Krauth 1995, S.111].<br />
90 Die Ausführungen von BÜHNER beziehen sich auf das dichotome Rasch-Modell (binäre Skala). Gleichwohl<br />
kann das Modell auch bei multid<strong>im</strong>ensionalen Problemstellungen (Ratingskalen) Anwendung finden.<br />
91 Dadurch werden hohe Itemschwierigkeiten oder Personenfähigkeiten durch positive, schlechte durch negati-<br />
ve Werte abgebildet. Typischerweise liegt der Wertebereich des sogenannten Logits zwischen +3 und -3 [vgl.<br />
Bühner 2004a, S. 37].
Entwicklung des Reifegradmodells 193<br />
licht werden [vgl. Dekleva, Drehmer 1997, S. 96; Schnell et al. 2008, S. 200]. Das be-<br />
deutet, dass Items unabhängig von Personen und Personen unabhängig von Items ver-<br />
glichen werden können.<br />
Die Anwendung des Rasch-Modells auf die vorliegende Problemstellung erfordert al-<br />
lerdings die nachfolgenden Festlegungen:<br />
� Die Beurteilung einer Organisation (Assessment) in Bezug auf die identifizierten<br />
Gestaltungsobjekte wird als Test bezeichnet. Ins<strong>of</strong>ern stellen die Gestaltungsobjek-<br />
te die Items des Tests dar.<br />
� Das Konstrukt „Itemparameter“ kann als Komplexität eines Gestaltungsobjekts<br />
interpretiert werden. Ist der Itemparameter hoch, so wird davon ausgegangen, dass<br />
das entsprechende Gestaltungsobjekt nur sehr schwer zu erfüllen und dementspre-<br />
chend Ausdruck einer hohen Reife ist. Ist der Itemparameter gering, so wird ange-<br />
nommen, dass auch weniger reife Probanden dieses Gestaltungsobjekt erfüllen<br />
können.<br />
� Anstelle der Fähigkeit von Personen wird in der vorliegenden Arbeit von der Fä-<br />
higkeit einer Organisationseinheit bzw. Organisation ausgegangen. Demzufolge<br />
kann das Konstrukt „Personenparameter“ als Reife einer Organisation interpretiert<br />
werden.<br />
� Da die Gestaltungsobjekte durch eine mehrd<strong>im</strong>ensionale Skala bewertet werden,<br />
misst das Konstrukt „Lösungswahrscheinlichkeit“ nicht die dichotome Erfüllung<br />
eines Gestaltungsobjekts (z. B. vorhanden/nicht vorhanden), sondern den spezifi-<br />
schen Erfüllungsgrad eines Gestaltungsobjekts.<br />
7.3.1.2 Beschreibung der Stichprobe<br />
Zur Erlangung der nötigen Datenbasis für die Durchführung einer Rasch-Analyse sind<br />
<strong>im</strong> Zeitraum zwischen Februar und Mai 2009 mit Hilfe des zuvor entwickelten Proto-<br />
typs insgesamt n = 15 Krankenhäuser in der Schweiz beurteilt worden. Um eine breite<br />
Abdeckung der spezifizierten Situationen zu erhalten war es das Ziel, möglichst unter-<br />
schiedliche Konstellationen des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs zu untersuchen. In Tabelle 36 ist<br />
die Verteilung der unterschiedlichen situativen Faktoren der Stichprobe schematisch<br />
dargestellt. Dabei sind folgende L<strong>im</strong>itationen zu nennen: In Bezug auf das Merkmal<br />
„Einkaufsorganisation“ konnten leider keine Krankenhäuser mit einem ausgelagerten<br />
Einkauf für eine Begutachtung gefunden werden. Des Weiteren enthält die Stichprobe
194 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
mehrheitlich Krankenhäuser, die unter einer öffentlichen Trägerschaft stehen und all-<br />
gemein ausgerichtet sind.<br />
Merkmal Ausprägung<br />
Einkaufsorganisation Dezentral: 6.7%<br />
Hybrid: 13.3%<br />
Zentral: 46.7%<br />
Vernetzt: 33.3%<br />
Ausgelagert: 0.0%<br />
Betriebsgrösse 1-149: 20%<br />
150-400: 46.7%<br />
>400: 33.3%<br />
Trägerschaft Öffentlich: 80.0%<br />
Gemeinnützig: 13.3%<br />
Privat: 6.7%<br />
Typologie Allgemeine Krankenhäuser: 93.3%<br />
Spezialklinik: 6.7%<br />
Tabelle 36: Charakterisierung der Stichprobe<br />
Da probabilistische Modelle häufig stichprobenunabhängig sind [vgl. Bühner 2004a,<br />
S. 38], spielen die aufgezeigten L<strong>im</strong>itationen erst dann eine Rolle, wenn die Modell-<br />
geltung nicht angemessen nachgewiesen werden kann. Gilt das Modell für sämtliche<br />
Teilstichproben (Rasch-Homogenität), sind Vergleiche zwischen den Ergebnissen ver-<br />
schiedener Organisationen erlaubt. Das heisst, wenn bspw. ein öffentliches Kranken-<br />
haus A besser ist als öffentliches <strong>Krankenhaus</strong> B, so ist dieser Vergleich unabhängig<br />
davon, welche Gestaltungsobjekte be<strong>im</strong> Assessment vorgegeben werden. Ist das Mo-<br />
dell auch für private Krankenhäuser gültig, dann gilt Gleiches auch für ein privates<br />
<strong>Krankenhaus</strong> A und ein privates <strong>Krankenhaus</strong> B. Die Differenz der Personenparameter<br />
sagt itemunabhängig etwas über den Fähigkeitsunterschied der Krankenhäuser aus<br />
[vgl. Bühner 2004a, S. 38]. Analog drückt die Differenz der Itemparameter den Unter-<br />
schied <strong>im</strong> Erfüllungsgrad eines Gestaltungsobjektes aus, unabhängig von den Fähig-<br />
keiten einer Organisation.<br />
Ob Rasch-Homogenität vorliegt, lässt sich u. a. anhand eines Streudiagramms ermit-<br />
teln. Weichen die Punkte nur geringfügig von der Winkelhalbierenden ab, so wird die<br />
Stichprobenunabhängigkeit angenommen [vgl. Bühner 2004a, S. 39]. Abbildung 66<br />
zeigt das Streudiagramm, das für die erhobene Stichprobe anhand der S<strong>of</strong>tware<br />
Bigsteps Version 2.82 92 berechnet wurde. Dabei ist zu erkennen, dass die untersuchten<br />
92 Eine ausführliche Dokumentation ist unter (http://www.winsteps.com/bigsteps.htm) abrufbar.
Entwicklung des Reifegradmodells 195<br />
Krankenhäuser (dargestellt als Gross- und Kleinbuchstaben) nahe an der Winkelhal-<br />
bierenden liegen und somit die Rasch-Homogenität angenommen wird. Folglich kann<br />
davon ausgegangen werden, dass die Resultate der Rasch-Analyse auf sämtliche spezi-<br />
fizierten Situationen übertragbar sind.<br />
Abbildung 66: Streudiagramm zur Prüfung der Stichprobenunabhängigkeit<br />
7.3.1.3 Diskussion der Resultate<br />
Die Ergebnisse einer Rasch-Analyse können auf unterschiedliche Weise diskutiert<br />
werden. Gleich wie <strong>im</strong> Beitrag von DEKLEVA und DREHMER, welche das Rasch-<br />
Modell zur Validierung der CMM-Reifegrade angewendet haben, wird hier für die<br />
Diskussion ein so genanntes Item-Person-Map verwendet [vgl. Dekleva, Drehmer<br />
1997, S. 101]. In Abbildung 67 ist ein solches für die erhobene Stichprobe dargestellt.<br />
Links <strong>im</strong> Diagramm sind die Personenparameter (�) der einzelnen Krankenhäuser
196 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
(gekennzeichnet durch den Buchstaben X) abgebildet. Dabei ist zu erkennen, dass alle<br />
untersuchten Krankenhäuser einen Logit zwischen +1 und -1 besitzen und demnach<br />
ähnliche Fähigkeiten in Bezug auf das <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> aufweisen. Auf der rech-<br />
ten Seite des Diagramms ist die Itemschwierigkeit (�) dargestellt. Der Wertebereich<br />
der berechneten Logits bewegt sich zwischen +3 und -2, was auf eine sehr unterschied-<br />
liche Komplexität der Gestaltungsobjekte hinweist.<br />
Abbildung 67: Ergebnisse der Rasch-Analyse<br />
Betrachtet man die Gestaltungsobjekte welche bei den Krankenhäusern einen verhält-<br />
nismässig hohen Erfüllungsgrad aufweisen (Logit < -1), so wird klar, dass es sich da-<br />
bei vorwiegend um Basiskompetenzen wie z. B. Sozialkompetenz, Geschäftsprozess-<br />
wissen oder Material- und Logistikmanagementwissen handelt. Ferner kann festge-<br />
stellt werden, dass Praktiken zur Ermittlung der Bedarfe und Monitoring der Bedarfs-<br />
träger ebenfalls relativ früh einen hohen Erfüllungsgrad erreichen. Fasst man diese<br />
Gestaltungsobjekte zu einem ersten, initialen Reifegrad zusammen, so kann dieser wie<br />
folgt beschrieben werden (vgl. Tabelle 37):
Entwicklung des Reifegradmodells 197<br />
Reifegrad Erläuterung Hoher Erfüllungsgrad<br />
der Gestaltungsobjekte<br />
1 - Ungezielte Die Zielsetzungen des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs sind � S1-PE-1<br />
Koordination nicht definiert. SM-Aktivitäten sind unstrukturiert � S2-PE-2, S2-PR-1, S2-<br />
und undefiniert. Die IT-Unterstützung ist mangel-<br />
haft, die Zusammenarbeit mit anderen Fachberei-<br />
chen <strong>im</strong> <strong>Krankenhaus</strong> gering. Anreize zur Beein-<br />
flussung des Arbeitsumfelds fehlen komplett. Die<br />
Mitarbeitenden besitzen lediglich die grundlegen-<br />
den Kompetenzen für eine bedarfsgerechte Be-<br />
schaffung.<br />
Tabelle 37: Reifegrad 1 „Ungezielte Koordination“<br />
PR-3<br />
� S3-PR-2<br />
� T1-PE-1<br />
� O1-PE-2, O1-PR-1, O1-<br />
Einen etwas weniger hohen Erfüllungsgrad (Logit � -1 und < 0) besitzen Gestaltungs-<br />
objekte, die sich insbesondere mit der Abwicklung häufig auftretender Aufgaben be-<br />
schäftigen (z. B. Bestellung von indirekten und direkten Materialien, Lieferantensu-<br />
che, Lieferantenbeurteilung und -auswahl, Verhandlungsführung, Vertragsabschluss)<br />
oder diese unterstützen (z. B. IT-Systeme für die Bestandesführung oder für die Be-<br />
stellung indirekter Materialien). Im Vergleich zu Gestaltungsobjekten, die mehrheit-<br />
lich die interfunktionale oder gar interorganisationale Koordination adressieren, sind<br />
diese vorwiegend intrafunktional ausgerichteten Gestaltungsobjekte jedoch weiter<br />
fortgeschritten. Diese Erkenntnis deckt sich mit den Ergebnissen mehrerer Studien<br />
[vgl. z. B. Burgess 1998; Ballou et al. 2000; Burt et al. 2003; Ballou 2007]. Basierend<br />
auf den so identifizierten Gestaltungsobjekten ist ein weiterer Reifegrad in Tabelle 38<br />
charakterisiert.<br />
PR-2<br />
Reifegrad Erläuterung Hoher Erfüllungsgrad<br />
der Gestaltungsobjekte<br />
2 - Intrafunktionale Die Ziele des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs sind formu- � S1-IT-2, S1-PR-3, S1-<br />
Koordination liert, werden allerdings nicht konsequent gemes- PR-5<br />
sen und gesteuert. Alltägliche SM- Aktivitäten<br />
sind strukturiert, jedoch nicht genau definiert.<br />
IT-Systeme werden v. a. dazu eingesetzt, um<br />
häufig wiederkehrende Aufgaben zu unterstüt-<br />
zen. Aufgrund der intrafunktionalen Ausrichtung<br />
ist die Zusammenarbeit mit anderen Fachberei-<br />
chen <strong>im</strong>mer noch gering. Anreize zur Beeinflus-<br />
sung des Arbeitsumfelds fehlen weiterhin. Die<br />
Kompetenzen der Mitarbeitenden werden mit<br />
Rücksicht auf die steigende Vernetzungsfähig-<br />
keit der Beschaffung allmählich ausgebaut.<br />
� S3-PR-3, S3-PR-4<br />
� T1-PE-2, T1-PR-1, T1-<br />
PR-3<br />
� T2-PE-1, T2-PR-2, T2-<br />
PR-3<br />
� T3-PE-1<br />
Tabelle 38: Reifegrad 2 „Intrafunktionale Koordination“<br />
� O1-IT-1, O1-IT-2<br />
� O2-IT-1, O2-IT-2, O2-<br />
PR-1, O2-PR-2<br />
� O3-PR-1, O3-PR-2
198 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Eine mittlere Itemschwierigkeit (Logit � 0 und < 1) besitzen insbesondere solche Ges-<br />
taltungsobjekte, die einen interfunktionalen Charakter aufweisen, d. h. Aufgaben, An-<br />
reize, Kompetenzen und IT-Systeme, welche die organisationsinterne Zusammenarbeit<br />
zwischen dem Einkauf und den anderen Fachbereichen des <strong>Krankenhaus</strong>es wesentlich<br />
beeinflussen (z. B. Innovationsverhalten, Transformationskompetenz, Ergebnisverhal-<br />
ten, Beschaffungsleitlinien, Handhabung von Beschwerden). Des Weiteren ist zu er-<br />
kennen, dass zunehmend auch strategische und taktische Aufgaben (z. B. Prozessdefi-<br />
nition, Externe Analyse, Ausschreibung) bewerkstelligt werden. Hierfür werden auch<br />
die dafür notwendigen Kompetenzen aufgebaut (z. B. strategisches Einkaufswissen,<br />
Trendkompetenz, Controlling- und Risikomanagementwissen). In Tabelle 39 ist die<br />
zusammenfassende Beschreibung des dritten Reifegrades dargestellt.<br />
Reifegrad Erläuterung Hoher Erfüllungsgrad<br />
der Gestaltungsobjekte<br />
3 - Interfunktionale Die Zielsetzungen werden nicht nur für den � S1-AR-1, S1-IT-1, S1-<br />
Koordination <strong>Krankenhaus</strong>einkauf, sondern für die gesamte PE-2, S1-PE-3, S1-PR-<br />
Organisation formuliert, gemessen und gesteu- 1, S1-PR-2, S1-PR-4<br />
ert. Organisationsinterne <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong><br />
Aktivitäten sind strukturiert und definiert. IT-<br />
Systeme werden zunehmend auch für die Unter-<br />
stützung strategischer und taktischer Aufgaben<br />
eingesetzt. Die Zusammenarbeit mit anderen<br />
Fachbereichen des <strong>Krankenhaus</strong>es ist aufgrund<br />
der interfunktionalen Ausrichtung gestiegen.<br />
Erste Anreize zur Beeinflussung des Arbeitsum-<br />
felds werden eingeführt. Die Kompetenzen der<br />
Mitarbeitenden werden mit Rücksicht auf die<br />
steigende Vernetzungsfähigkeit der Beschaffung<br />
massiv ausgebaut und teilweise neu geordnet.<br />
� S2-IT-1, S2-PE-1, S2-<br />
PR-2<br />
� S3-AR-1, S3-IT-1, S3-<br />
PE-1<br />
� T1-IT-2, T1-PR-2<br />
� T2-AR-1, T2-IT-3, T2-<br />
PE-2, T2-PR-1<br />
� O1-PE-1<br />
� O2-PE-1<br />
Tabelle 39: Reifegrad 3 „Interfunktionale Koordination“<br />
� O3-PE-1, O3-PR-3<br />
Als relativ komplex (Logit � 1 und < 2) gelten zumeist diejenigen Gestaltungsobjekte,<br />
welche die interorganisationale Zusammenarbeit mit den Lieferanten adressieren (z. B.<br />
kollaborative Bedarfsplanung, Lagerhaltung und Produktentwicklung oder Monitoring<br />
der Lieferanten). Dass gerade diese Gestaltungsobjekte eine hohe Itemschwierigkeit<br />
aufweisen ist nicht verwunderlich, wenn man den heutigen Stand des Supplier Relati-<br />
onship <strong>Management</strong>s (SRM) in Forschung und Praxis betrachtet: „[...] der SRM-<br />
Bereich [...] wirkt fortwährend so, als stünde er in den Startlöchern, [...] darauf war-<br />
tend, dass es endlich losgeht“ [Koch, Strahringer 2008, S. 3].
Entwicklung des Reifegradmodells 199<br />
Nicht nur <strong>im</strong> Gesundheitswesen, sondern auch in anderen Branchen scheint das Mana-<br />
gement von Lieferantenbeziehungen weniger weit fortgeschritten zu sein, als bspw.<br />
das mit Kunden. Infolgedessen wird angenommen, dass ein hoher Erfüllungsgrad die-<br />
ser Gestaltungsobjekte eine hohe Reife der Einkaufsorganisation eines <strong>Krankenhaus</strong>es<br />
ausdrückt. Der entsprechende Reifegrad kann wie folgt beschrieben werden (vgl. Ta-<br />
belle 40):<br />
Reifegrad Erläuterung Hoher Erfüllungsgrad<br />
der Gestaltungsobjekte<br />
4 - Interorganisati- Neben Zielsetzungen für den <strong>Krankenhaus</strong>ein- � S2-AR-1<br />
onale<br />
Koordination<br />
kauf und die Organisation, werden zunehmend<br />
auch verbindliche Zielvereinbarungen mit Liefe-<br />
� S3-PR-1<br />
� T1-IT-1<br />
ranten formuliert und deren Einhaltung kontrol-<br />
liert. Organisationsübergreifende <strong>Supply</strong> Mana-<br />
gement Aktivitäten sind strukturiert und defi-<br />
niert. IT-Systeme werden für die Kooperation<br />
mit Geschäftspartnern ausgerichtet. Der Kran-<br />
kenhauseinkauf ist sowohl organisationsintern,<br />
als auch -übergreifend gut vernetzt. Anreize zur<br />
Beeinflussung des Arbeitsumfelds sind umfas-<br />
send vorhanden. Die Mitarbeitenden besitzen<br />
erweiterte Kompetenzen <strong>im</strong> Bereich der Be-<br />
schaffung.<br />
� T2-IT-1, T2-IT-2<br />
� T3-AR-1, T3-IT-1, T3-<br />
PR-1, T3-PR-2<br />
� O1-AR-1<br />
Tabelle 40: Reifegrad 4 „Interorganisationale Koordination“<br />
Die Gestaltungsobjekte mit einem heute sehr geringen Erfüllungsgrad (Logit � 2) sind<br />
innerhalb des operativen <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s zu finden. Einerseits deuten diese Ges-<br />
taltungsobjekte auf eine stärkere Integration mit der Logistik hin (z. B. Qualitätsver-<br />
halten, IT-System für die Wareneingangskontrolle und -buchung), andererseits verwei-<br />
sen sie auch auf eine Pr<strong>of</strong>essionalisierung des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs bezüglich der Be-<br />
schaffung von Dienstleistungen und Investitionsgütern (z. B. Bedarfsermittlung und<br />
Bestellabwicklung von Einzelbeschaffungen und Dienstleistungen). Fasst man diese<br />
Gestaltungsobjekte zu einem letzten Reifegrad zusammen, so kann dieser wie folgt<br />
beschrieben werden (vgl. Tabelle 41):
200 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Reifegrad Erläuterung Hoher Erfüllungsgrad<br />
der Gestaltungsobjekte<br />
5 - Dienstleistungs- Neben Zielsetzungen für den <strong>Krankenhaus</strong>ein- � O1-PR-3<br />
orientierte<br />
Koordination<br />
kauf und die Organisation, werden verbindliche<br />
Zielvereinbarungen mit Lieferanten formuliert<br />
und deren Einhaltung kontrolliert. Ein struktu-<br />
� O2-IT-3, O2-PR-3<br />
� O3-AR-1, O3-IT-1<br />
riertes und definiertes <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> ist<br />
nicht nur für direkte und indirekte Materialien<br />
vorhanden, sondern auch für Dienstleistungen<br />
und Investitionsgüter. IT-Systeme sind mit de-<br />
nen der internen Fachbereiche (insbesondere mit<br />
der <strong>Krankenhaus</strong>logistik) und externen Ge-<br />
schäftspartner integriert. Der <strong>Krankenhaus</strong>ein-<br />
kauf ist organisationsintern und -übergreifend<br />
hervorragend vernetzt. Anreize zur Beeinflus-<br />
sung des Arbeitsumfelds sind etabliert. Die Mit-<br />
arbeitenden teilen ihre erweiterten Kompetenzen<br />
mit anderen.<br />
Tabelle 41: Reifegrad 5 „Dienstleistungsorientierte Koordination“<br />
7.3.2 Best<strong>im</strong>mung der Fähigkeitsgrade<br />
Während die Reifegrade den Wandel des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs als linearen und abge-<br />
stuften Prozess verstehen, versuchen Fähigkeitsgrade eine höhere Flexibilität des Ges-<br />
taltens zu schaffen. Ferner soll dadurch auch ein stärkerer Fokus auf das zielgerichtete<br />
Gestalten gelegt werden: Da be<strong>im</strong> Konzept der Reifegrade das organisationale Gestal-<br />
ten zielunabhängig erfolgt bzw. die Ziele <strong>im</strong>plizit durch die Opt<strong>im</strong>ierung sämtlicher<br />
Gestaltungsobjekte erreicht werden, geht es bei den Fähigkeitsgraden darum, explizit<br />
definierte Zielpr<strong>of</strong>ile zu erfüllen.<br />
7.3.2.1 Ansatz zur Best<strong>im</strong>mung der Fähigkeitsgrade<br />
Grundlage für die Festlegung eines Zielpr<strong>of</strong>ils bilden die spezifischen Ziele der Ges-<br />
taltungsobjekte bzw. deren übergeordnete Zield<strong>im</strong>ensionen wie Kosten, Sicherheit,<br />
Flexibilität und Unabhängigkeit oder Leistungssteigerung und Qualität. 93 Pro Zieldi-<br />
mension ist <strong>im</strong> Protégé-Toolset ein Axiom formuliert worden, welches die Identifika-<br />
tion der entsprechenden Gestaltungsobjekte ermöglicht (vgl. Abbildung 68).<br />
93 Vgl. auch Abschnitt 4.1.2.
Entwicklung des Reifegradmodells 201<br />
Abbildung 68: Definition eines Axioms zur Ableitung eines Zielpr<strong>of</strong>ils<br />
7.3.2.2 Diskussion der Resultate<br />
Basierend auf den Axiomen sind insgesamt vier Zielpr<strong>of</strong>ile abgeleitet worden: Das<br />
erste Zielpr<strong>of</strong>il beschreibt den Entwicklungspfad eines kostenorientierten Kranken-<br />
hauseinkaufs (vgl. Tabelle 42). Es besteht grösstenteils aus Gestaltungsobjekten, wel-<br />
che die taktische und operative Beschaffung effizienter machen (z. B. Bestellverhalten,<br />
Lieferantenbeurteilung und -auswahl, IT-gestützte Bestellung). Die Reihenfolge bzw.<br />
zeitliche Sequenz, in der Gestaltungsobjekte verbessert werden sollten, ist wiederum<br />
durch die Itemschwierigkeit festgelegt. Das bedeutet, dass anfänglich diejenigen Ges-<br />
taltungsobjekte opt<strong>im</strong>iert werden, die relativ einfach zu realisieren sind (Quick Wins)<br />
und später die, die mit einem grösserem Aufwand verbunden sind.<br />
Zielpr<strong>of</strong>il Erläuterung Hoher Erfüllungsgrad der Gestaltungsobjekte/<br />
Zeitliche Sequenz der Opt<strong>im</strong>ierung<br />
A - Kosten- Pr<strong>im</strong>äre Zielsetzung ist Einfach (Fähigkeitsgrad 1):<br />
orientierte<br />
Beschaffung<br />
es, die Kosten für die<br />
Beschaffung von Ma-<br />
-<br />
Relativ einfach (Fähigkeitsgrad 2):<br />
terialien und Dienst-<br />
leistungen zu opt<strong>im</strong>ie-<br />
ren.<br />
O2-IT-1, O2-IT-2, T1-PR-3, T2-PR-2<br />
Mittel (Fähigkeitsgrad 3):<br />
T1-IT-2, T2-AR-1, T2-PE-2<br />
Relativ schwierig (Fähigkeitsgrad 4):<br />
O1-AR-1, T1-IT-1, T2-IT-1, T2-IT-2<br />
Schwierig (Fähigkeitsgrad 5):<br />
O2-IT-3, O3-IT-1<br />
Tabelle 42: Zielpr<strong>of</strong>il „Kostenorientierte Beschaffung“<br />
Ein weiteres Zielpr<strong>of</strong>il, das auf die Steigerung der Flexibilität der Beschaffung und auf<br />
den Ausgleich der Machtstrukturen zwischen Nachfrager und Anbieter abzielt, ist in
202 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Tabelle 43 dargestellt. Es beinhaltet einerseits „weiche“ Gestaltungsobjekte, die auf<br />
eine Verbesserung des Arbeitsumfelds und des Wissens der Mitarbeitenden eines<br />
<strong>Krankenhaus</strong>es abzielen (z. B. Kooperationskompetenz und -verhalten), andererseits<br />
sind auch „harte“ Gestaltungsobjekte (z. B. kollaborative Produktentwicklung) darin<br />
enthalten. Auffallend ist, dass operative Gestaltungsobjekte anscheinend keinen Ein-<br />
fluss auf die Flexibilität der Beschaffung haben.<br />
Zielpr<strong>of</strong>il Erläuterung Hoher Erfüllungsgrad der Gestaltungsobjekte/<br />
Zeitliche Sequenz der Opt<strong>im</strong>ierung<br />
B - Flexibilitäts- Pr<strong>im</strong>äre Zielsetzung ist Einfach (Fähigkeitsgrad 1):<br />
undunabhängigkeitsorientierte Beschaffung<br />
es, die Flexibilität der<br />
Beschaffung und die<br />
Machtstruktur zwi-<br />
S1-PE-1, T1-PE-1<br />
Relativ einfach (Fähigkeitsgrad 2):<br />
T2-PE-1, T3-PE-1<br />
schen Nachfrager und Mittel (Fähigkeitsgrad 3):<br />
Anbieter zu opt<strong>im</strong>ie- S2-PE-1<br />
ren.<br />
Relativ schwierig (Fähigkeitsgrad 4):<br />
S2-AR-1, T3-AR-1, T3-IT-1, T3-PR-2<br />
Schwierig (Fähigkeitsgrad 5):<br />
-<br />
Tabelle 43: Zielpr<strong>of</strong>il „Flexibilitäts- und unabhängigkeitsorientierte Beschaffung“<br />
Liegt der Fokus weniger auf den Kosten oder der Flexibilität der Beschaffung, sondern<br />
vielmehr auf der generellen Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Qualität der Be-<br />
schaffung, so ergibt sich ein weiteres Zielpr<strong>of</strong>il (vgl. Tabelle 44). Es beinhaltet eine<br />
Vielzahl verschiedenartiger Gestaltungsobjekte mit ebenso unterschiedlicher Komple-<br />
xität. Während das kostenorientierte Zielpr<strong>of</strong>il taktisch-operativen und das flexibili-<br />
tätsorientierte Zielpr<strong>of</strong>il strategisch-taktischen Charakter aufweisen, ist hier eher die<br />
Tendenz eines strategisch-operativen Entwicklungspfades zu erkennen.<br />
Zielpr<strong>of</strong>il Erläuterung Hoher Erfüllungsgrad der Gestaltungsobjekte/<br />
Zeitliche Sequenz der Opt<strong>im</strong>ierung<br />
C - Leistungs- Pr<strong>im</strong>äre Zielsetzung ist Einfach (Fähigkeitsgrad 1):<br />
undqualitätsorientierte Beschaffung<br />
es, die Leistungsfähigkeit<br />
und Qualität der<br />
Beschaffung zu opti-<br />
O1-PE-2, S2-PE-2, S2-PR-1, S2-PR-3, S3-PR-2<br />
Relativ einfach (Fähigkeitsgrad 2):<br />
O1-IT-1, O1-IT-2, O3-PR-1, O3-PR-2, S1-IT-2, S1mieren.<br />
PR-3, S1-PR-5, S3-PR-3, S3-PR-4<br />
Mittel (Fähigkeitsgrad 3):<br />
O1-PE-1, O2-PE-1, O3-PE-1, O3-PR-3, S1-AR-1,<br />
S1-IT-1, S1-PE-2, S1-PE-3, S1-PR-1, S1-PR-4, S2-<br />
IT-1, S2-PR-2, S3-AR-1, S3-IT-1, S3-PE-1, T2-PR-<br />
1
Entwicklung des Reifegradmodells 203<br />
Zielpr<strong>of</strong>il Erläuterung Hoher Erfüllungsgrad der Gestaltungsobjekte/<br />
Zeitliche Sequenz der Opt<strong>im</strong>ierung<br />
Relativ schwierig (Fähigkeitsgrad 4):<br />
-<br />
Schwierig (Fähigkeitsgrad 5):<br />
O3-AR-1<br />
Tabelle 44: Zielpr<strong>of</strong>il „Leistungs- und qualitätsorientierte Beschaffung“<br />
Das letzte Zielpr<strong>of</strong>il beschreibt den Entwicklungspfad eines sicherheitsorientierten<br />
<strong>Krankenhaus</strong>einkaufs (vgl. Tabelle 45). Anders als die bisherigen Zielpr<strong>of</strong>ile enthält es<br />
sowohl strategische als auch taktische und operative Gestaltungsobjekte.<br />
Zielpr<strong>of</strong>il Erläuterung Hoher Erfüllungsgrad der Gestaltungsobjekte/<br />
Zeitliche Sequenz der Opt<strong>im</strong>ierung<br />
D - Sicherheits- Pr<strong>im</strong>äre Zielsetzung ist Einfach (Fähigkeitsgrad 1):<br />
orientierte<br />
Beschaffung<br />
es, die Versorgungssicherheit<br />
zu opt<strong>im</strong>ieren.<br />
O1-PR-1, O1-PR-2<br />
Relativ einfach (Fähigkeitsgrad 2):<br />
O1-PR-2, O2-PR-1, O2-PR-2, T1-PE-2, T1-PR-1,<br />
T2-PR-3<br />
Mittel (Fähigkeitsgrad 3):<br />
S1-PR-2, T1-PR-2, T2-IT-3<br />
Relativ schwierig (Fähigkeitsgrad 4):<br />
S3-PR-1, T3-PR-1<br />
Schwierig (Fähigkeitsgrad 5):<br />
O1-PR-3, O2-PR-3<br />
Tabelle 45: Zielpr<strong>of</strong>il „Sicherheitsorientierte Beschaffung“<br />
7.3.3 Zusammenhang zwischen Reife- und Fähigkeitsgraden<br />
Mit der Definition von Reifegraden und Fähigkeitsgraden stellt sich die Frage, welche<br />
Gestaltungsempfehlungen für welchen Kontext besser geeignet sind und ob diese ein-<br />
zeln oder in Kombination verwendet werden können. In Bezug auf die Eignung (Rei-<br />
fegrade vs. Fähigkeitsgrade) ist keine eindeutige Antwort möglich. Wie in Kapitel 2<br />
diskutiert, hängt dies wesentlich von der Denkweise des Gestalters ab. Wird eine klare,<br />
lineare Entwicklung angestrebt, so eignen sich die Reifegrade besser, da diese sämtli-<br />
che Aspekte des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs behandeln. Möchte man sich lediglich auf die<br />
Opt<strong>im</strong>ierung best<strong>im</strong>mter Gesichtspunkte fokussieren, so würden sich die Fähigkeits-<br />
grade besser eignen. Dies führt zum zweiten Punkt der Frage (Einzeln vs. Kombinati-<br />
on). Grundsätzlich kann gesagt werden, dass sich die beiden Ansätze nicht ausschlies-<br />
sen. Vielmehr besteht ein enger Zusammenhang zwischen den beiden Konzepten (vgl.
204 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
Abbildung 69). Eine Opt<strong>im</strong>ierung auf Basis von Reifegraden hat demnach <strong>im</strong>mer auch<br />
einen Effekt auf die Fähigkeitsgrade und umgekehrt. Um die Gefahr einer möglichen<br />
Verzettelung aufgrund der ansteigenden Komplexität zu min<strong>im</strong>ieren wird empfohlen,<br />
sich auf die Nutzung eines Konzepts zu beschränken.<br />
Reifegrad 1 Reifegrad 2 Reifegrad 3 Reifegrad 4 Reifegrad 5<br />
Fähigkeitsgrad 5<br />
O2-IT-3, O3-IT-1<br />
Fähigkeitsgrad 4<br />
T1-IT-1, T2-IT-1,<br />
T2-IT-2<br />
O1-AR-1<br />
Fähigkeitsgrad 3<br />
T1-IT-2, T2-AR-1,<br />
T2-PE-2<br />
Fähigkeitsgrad 2<br />
T1-PR-3, T2-<br />
PR-2<br />
Fähigkeitsgrad 1<br />
keine<br />
O2-IT-1, O2-<br />
IT-2<br />
(A)Kostenorientierte<br />
Beschaffung<br />
Fähigkeitsgrad 5<br />
keine<br />
Fähigkeitsgrad 2 Fähigkeitsgrad 3 Fähigkeitsgrad 4<br />
T2-PE-1, T3-PE-1 S2-PE-1 S2-AR-1<br />
T3-AR-1, T3-IT-1,<br />
T3-PR-2<br />
Fähigkeitsgrad 1<br />
S1-PE-1<br />
T1-PE-1<br />
(B) Flexibilitätsorientierte<br />
Beschaffung<br />
Fähigkeitsgrad 5<br />
O3-AR-1<br />
Fähigkeitsgrad 4<br />
keine<br />
Fähigkeitsgrad 3<br />
S1-AR-1, S1-IT-1,<br />
S1-PE-2, S1-PE-3,<br />
S1-PR-1, S1-PR-4,<br />
S2-IT-1, S2-PR-2,<br />
S3-AR-1, S3-IT-1,<br />
S3-PE-1<br />
T2-PR-1<br />
O1-PE-1, O2-PE-1,<br />
O3-PE-1, O3-PR-3<br />
Fähigkeitsgrad 2<br />
S1-IT-2, S1-PR-3,<br />
S1-PR-5, S3-PR-3,<br />
S3-PR-4<br />
O1-IT-1, O1-IT-2,<br />
O3-PR-1, O3-PR-2<br />
Fähigkeitsgrad 1<br />
S2-PE-2, S2-PR-1,<br />
S2-PR-3, S3-PR-2<br />
O1-PE-2<br />
(C) Leistungsorientierte<br />
Beschaffung<br />
Fähigkeitsgrad 5<br />
O1-PR-3, O2-PR-3<br />
Fähigkeitsgrad 4<br />
S3-PR-1<br />
T3-PR-1<br />
Fähigkeitsgrad 3<br />
S1-PR-2<br />
T1-PR-2, T2-IT-3<br />
Fähigkeitsgrad 1 Fähigkeitsgrad 2<br />
O1-PR-1, O1-PR-2 T1-PE-2, T1-PR-1,<br />
T2-PR-3<br />
O1-PR-2, O2-PR-1,<br />
O2-PR-2<br />
(D) Sicherheitsorientierte<br />
Beschaffung<br />
Abbildung 69: Zusammenhang zwischen Reife- und Fähigkeitsgraden
Entwicklung des Reifegradmodells 205<br />
7.3.4 Ermittlung von Reife- und Fähigkeitsgraden<br />
Die Grundlage für die Ermittlung eines Reife- oder Fähigkeitsgrades sind die Resultate<br />
eines Assessments mit dem Erhebungs- und Analysewerkzeug. Ein Reifegrad ist dann<br />
erreicht, wenn sämtliche diesem Reifegrad zugeordneten Gestaltungsobjekte mindes-<br />
tens das generische Ziel dritter Stufe erreichen (z. B. Anreize sind umgesetzt, Aufga-<br />
ben werden geführt, S<strong>of</strong>twarekomponenten sind lose gekoppelt, Wissenskomponenten<br />
werden geteilt). 94 Um auf einen nächsthöheren Reifegrad zu gelangen, müssen sowohl<br />
die aktuellen als auch die vorherigen Gestaltungsobjekte das generische Ziel dritter<br />
Stufe bewältigen.<br />
Auf gleiche Weise lassen sich die Fähigkeitsgrade best<strong>im</strong>men. Da die Erreichung eines<br />
Fähigkeitsgrades aufgrund der geringeren Anzahl zugeordneter Gestaltungsobjekte<br />
tendenziell einfacher zu bewerkstelligen ist, wird als Mindestanforderung nicht die<br />
Erreichung des generischen Ziels dritter Stufe, sondern die vollständige Erfüllung ver-<br />
langt (d. h. Anreize werden überprüft, Aufgaben sind abgest<strong>im</strong>mt, S<strong>of</strong>twarekomponen-<br />
ten werden geteilt, Wissenskomponenten werden opt<strong>im</strong>iert). Auch hier sind für die<br />
Erreichung eines nächsthöheren Fähigkeitsgrades alle vorhergehenden und aktuellen<br />
Gestaltungsobjekte zu opt<strong>im</strong>ieren.<br />
7.4 Zusammenfassung der Ergebnisse<br />
Die Entwicklung eines Reifegradmodells für das <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> von Kranken-<br />
häusern ist dadurch motiviert, dass bisherige Ansätze nur unzureichend branchenspezi-<br />
fische Eigenheiten abbilden, vorwiegend eind<strong>im</strong>ensional – mit ausschliesslichem Fo-<br />
kus auf Prozesse – ausgestaltet sind und mangelhafte Unterstützung in Bezug auf die<br />
Erhebung und Analyse bieten. Basierend auf dem <strong>im</strong> vorangehenden Kapitel spezifi-<br />
zierten Vorgehensmodell und Entwurfsmuster, wird in diesem Kapitel deshalb ein si-<br />
tuatives und ganzheitliches Reifegradmodell entwickelt, das diesen Schwachpunkten<br />
Rechnung trägt. Infolgedessen sind zunächst anhand einer Untersuchung der gängigen<br />
Literatur die wesentlichen Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen, -ebenen und -objekte des <strong>Supply</strong><br />
<strong>Management</strong>s identifiziert und anschliessend <strong>im</strong> Rahmen von zwei Fokusgruppendis-<br />
kussionen naturalistisch evaluiert worden. Um der Forderung nach Realitätsnähe bzw.<br />
Situativität nachzukommen, sind in einem weiteren Konstruktionsschritt situationsspe-<br />
zifische Konfigurationsszenarien best<strong>im</strong>mt und zu einer Konfigurationsmatrix zusam-<br />
94 Vgl. Abschnitt 7.1.2.
206 Entwicklung des Reifegradmodells<br />
mengefasst worden. Schliesslich sind verschiedene Erhebungsformulare und Analy-<br />
semöglichkeiten spezifiziert worden.<br />
Die Resultate dieser Konstruktionsschritte bildeten die Basis für die Entwicklung eines<br />
Prototyps. Dieser wurde dazu genutzt, um fünfzehn Krankenhäuser anhand des opera-<br />
tionalisierten Bewertungsmodells zu beurteilen. Ferner dienten die so erhobenen Daten<br />
als Input für die spezifisch objektive Messung der Itemschwierigkeit bzw. der Kom-<br />
plexität der definierten Gestaltungsobjekte. Dieser Parameter erfüllt dabei zwei Funk-<br />
tionen: Einerseits können je nach dem Grad der Komplexität die Gestaltungsobjekte<br />
einem Reifegrad zugewiesen werden, andererseits können in Verbindung mit den spe-<br />
zifischen Zielen eines Gestaltungsobjekts daraus Fähigkeitsgrade gebildet werden.<br />
Offen ist, was für ein Nutzen aus der Konstruktion des HSRM 3 Reifegradmodells für<br />
die vorgesehenen Modellnutzer tatsächlich entstanden ist. Aus der Fokusgruppendis-<br />
kussion konnten zwar erste positive Tendenzen festgestellt werden, allerdings sind<br />
diese Aussagen subjektiv gefärbt und aufgrund des selektiven Charakters einer Fokus-<br />
gruppe auch nur begrenzt repräsentativ. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob die zug-<br />
rundegelegten Annahmen des Reifegradmodells korrekt sind und ob das Instrument<br />
reliable Ergebnisse liefert. Angesichts der aufgezeigten Problematik findet <strong>im</strong> nachfol-<br />
genden Kapitel eine multiperspektivische Evaluation statt, die dazu dient, die noch<br />
<strong>of</strong>fenen Fragestellungen zu klären.
Evaluation des Reifegradmodells 207<br />
8 Evaluation des Reifegradmodells<br />
Die Evaluation des entwickelten Artefakts stellt einen zentralen Schritt <strong>im</strong> Rahmen<br />
eines gestaltungsorientierten Forschungsvorhabens dar [vgl. March, Smith 1995, S.<br />
258; S<strong>im</strong>on 1996, S. 128 f.; Hevner et al. 2004, S. 85]. Ziel dieses Kapitels ist es, die<br />
zu Beginn der Arbeit definierten Gestaltungsziele und Anforderungen hinsichtlich ih-<br />
res Erfüllungsgrades zu prüfen. Darüber hinaus sollen die grundlegenden Annahmen,<br />
die mit der Konstruktion des Reifegradmodells getr<strong>of</strong>fen wurden, bestätigt resp. wider-<br />
legt werden. Hierzu werden zunächst die Grundlagen der Evaluation aus der Sicht der<br />
gestaltungsorientierten WI dargelegt (Abschnitt 8.1) und danach das Vorgehen zur<br />
Evaluation des entwickelten Reifegradmodells erläutert (Abschnitt 8.2). Auf Grundla-<br />
ge des Bezugsrahmens von FRANK wird das Artefakt in Hinblick auf das ingenieur-<br />
mässige Vorgehen (Abschnitt 8.3), die Anwendbarkeit durch die vorgesehenen Mo-<br />
dellnutzer (Abschnitt 8.4), den ökonomischen Nutzen (Abschnitt 8.5) und die episte-<br />
mologische Argumentation (Abschnitt 8.6) bewertet [vgl. Frank 2007, S. 124 f.]. Das<br />
Kapitel schliesst mit einer kompr<strong>im</strong>ierten Betrachtung der Evaluationsergebnisse (Ab-<br />
schnitt 8.7).<br />
8.1 Grundlagen der Evaluation<br />
Der Begriff der Evaluation wird in Praxis und Wissenschaft ausserordentlich vielseitig<br />
verwendet und entzieht sich bislang einer abstrakten, die Wirklichkeit gleichzeitig voll<br />
umfassenden Definition [Wottawa, Thierau 1998, S. 13]. Deshalb soll, bevor auf das<br />
Vorgehen zur Evaluation des HSRM 3 Reifegradmodells eingegangen wird, das Beg-<br />
riffsverständnis geklärt werden.<br />
Unter Evaluation wird in der vorliegenden Arbeit die gezielte Bewertung von materiel-<br />
len oder <strong>im</strong>materiellen Gegenständen unter Rückgriff auf objektivierbare Kriterien und<br />
Verfahren verstanden [House 1993, S. 1]. Grundlegende Absicht ist es, den Wert eines<br />
Gegenstandes in all seinen Facetten zu erfassen [vgl. Scriven 1991, S. 74 f.]. Dieser<br />
Auffassung folgend wird ersichtlich, dass eine Evaluation nicht eine rein wissenschaft-<br />
liche, auf die Schaffung neuen Wissens oder auf die Steigerung des theoretischen<br />
Kenntnisstandes abzielende Aktivität ist, sondern auch wertende Aussagen hinsichtlich<br />
des praktischen Nutzens des entwickelten Artefaktes hervorbringt und als Legit<strong>im</strong>ation<br />
der durchgeführten Massnahmen dient [vgl. Stockmann 2006, S. 66].
208 Evaluation des Reifegradmodells<br />
In der gestaltungsorientierten Forschung ist der Gegenstand der Evaluation in aller<br />
Regel das Ergebnis des Konstruktionsprozesses (Design Product) und/oder der Kon-<br />
struktionsprozess (Design Process) selbst [vgl. Cross 2001, S. 52; Winter 2008, S. 471;<br />
Cleven et al. 2009, S. 4]. Bei ersterem gilt es einerseits zu prüfen, ob die entwickelte<br />
Problemlösung die identifizierte Forschungslücke korrekt adressiert, andererseits, ob<br />
die Problemlösung tatsächlich den ihr zugedachten Nutzen zu stiften vermag [vgl.<br />
Riege et al. 2009, S. 75]. 95 In Bezug auf zweiteres gilt es nachzuweisen, dass die Kon-<br />
struktion systematisch, nach den geltenden Vorstellungen der Scientific Community,<br />
erfolgt ist.<br />
Zentral ist in beiden Fällen das Bemühen um Objektivität [vgl. Frank 2000, S. 36;<br />
Heinrich 2000, S. 9]. Infolgedessen sind, um die intersubjektive Nachprüfbarkeit der<br />
Evaluationsergebnisse zu gewährleisten, sowohl die für die Evaluation angewendeten<br />
Methoden als auch Kriterien <strong>of</strong>fen zu legen.<br />
Das Spektrum der angewendeten Evaluationsmethoden ist in der WI ausserordentlich<br />
breit (vgl. Abbildung 70). In Anlehnung an FETTKE und LOOS lassen sich grundsätz-<br />
lich empirische und analytische Evaluationsverfahren unterscheiden [vgl. Fettke, Loos<br />
2003b, S. 82 f.]. 96 Empirische Methoden können weiter in quantitative (z. B. Umfra-<br />
gen, quantitative Inhaltsanalysen, etc.) und qualitative Verfahren (z. B. Interviews,<br />
Fokusgruppendiskussionen, etc.) untergliedert werden [vgl. z. B. Patton 1997, S. 268].<br />
Analytische Methoden können ebenfalls weiter in eigendisziplinäre (z. B. metamo-<br />
dellbasierte oder ontologiebasierte Verfahren, etc.) und fremddisziplinäre Ansätze (z.<br />
B. kognitionspsychologische Verfahren, historische Analyse, etc.) unterteilt werden<br />
[vgl. z. B. Siau, Rossi 2007, S. 4].<br />
95 Von untergeordneter Bedeutung ist nach BUCHER et al. die Evaluation in Hinblick auf die statistische Vali-<br />
dität der Forschungsergebnisse [vgl. Riege et al. 2009, S. 75].<br />
96 Eine weitere gebräuchliche Form der Klassifizierung von Evaluationsmethoden ist die Unterteilung in natura-<br />
listische (z. B. Ethnographie, Action Research, etc.) und artifizielle Verfahren (z. B. S<strong>im</strong>ulation, Laborexpe-<br />
r<strong>im</strong>ent, etc.) [vgl. z. B. Venable 2006a, S. 186] oder die Differenzierung in konstruktive (z. B. Prototyping,<br />
konzeptionell-deduktive Analyse, etc.) und verhaltenswissenschaftliche Methoden (z. B. Fallstudien, qualita-<br />
tive Querschnittsanalyse, etc.) [vgl. Wilde, Hess 2007, S. 281 f.].
Evaluation des Reifegradmodells 209<br />
Quantitativ<br />
� Quantitative Inhaltsanalyse<br />
� Testtheoretische Verfahren<br />
� Laborexper<strong>im</strong>ent<br />
� Umfragen<br />
� ...<br />
Evaluationsmethoden<br />
Empirisch Analytisch<br />
Qualitativ<br />
� Interviews<br />
� Fokusgruppe<br />
� Beobachtung<br />
� Fallstudien<br />
� ...<br />
Eigendisziplinär Fremddisziplinär<br />
� Metamodellbasiert<br />
� Ontologiebasiert<br />
� Merkmalsbasiert<br />
� Masterreferenzmodellbasiert<br />
� ...<br />
� Kognitionspsychologisch<br />
� Ökonometrisch<br />
� Kontigenztheoretisch<br />
� Historisch<br />
� ...<br />
Abbildung 70: Evaluationsmethoden in der gestaltungsorientierten WI<br />
Ist der Methodeneinsatz geklärt, so ist dadurch nicht notwendigerweise festgelegt,<br />
welche Kriterien für die Evaluation betrachtet werden. Folglich müssen neben den Me-<br />
thoden auch Merkmale bzw. Indikatoren best<strong>im</strong>mt werden, die eine möglichst präzise<br />
Bewertung des Gegenstandes erlauben. Dies führt allerdings zu einem Dilemma: „Ei-<br />
nerseits ist das Bemühen um Objektivität eine wesentliche Orientierung für Evaluati-<br />
onsvorhaben, andererseits gibt es die Erwartung, dass Evaluationsergebnisse mög-<br />
lichst eindeutig sein sollten“ [vgl. Frank 2000, S. 41].<br />
Des Weiteren hängt die Güte der Evaluationsergebnisse auch stark von den Vorstel-<br />
lungen der einzelnen Adressaten und dem Erkenntnisinteresse ab. Während in der<br />
deutschsprachigen WI der Nachweis der praktischen Anwendbarkeit der Forschungs-<br />
ergebnisse den wichtigsten Indikator darstellt [vgl. Heinzl et al. 2001, S. 232], ist <strong>im</strong><br />
angelsächsischen Sprachraum v. a. die Leistungsfähigkeit des konstruierten Artefakts<br />
von Bedeutung [vgl. Nunamaker et al. 1991, S. 98 f.; Cao et al. 2006, S. 211]. 97<br />
Um die Ergebnisse gestaltungsorientierter Forschung möglichst umfassend zu evaluie-<br />
ren schlagen deshalb mehrere Autoren eine multiperspektivische Herangehensweise<br />
vor [vgl. Fettke, Loos 2003b, S. 82; Frank 2007, S. 123]. Mit Rücksicht auf die Evalu-<br />
ation von Referenzmodellen können nach FRANK die folgenden Perspektiven diffe-<br />
renziert werden [vgl. Frank 2007, S. 124 f.]:<br />
97 CAO et al. unterscheiden deshalb zwischen Demonstration (Does it work?) und Evaluation (How well does it<br />
work?) [vgl. Cao et al. 2006, S. 211]. Anders sehen VAISHNAVI und KUECHLER den Nachweis der prak-<br />
tischen Umsetzbarkeit nicht als vorgelagerte Aktivität, sondern als eine eigenständige Möglichkeit der Eva-<br />
luation. Diese sei allerdings „ the weakest form <strong>of</strong> validation“ [vgl. Vaishnavi, Kuechler, 2008, S. 159].
210 Evaluation des Reifegradmodells<br />
� Ingenieursperspektive: Die Evaluation aus einer Ingenieursperspektive versucht<br />
zwei grundlegende Fragen zu beantworten. Einerseits gilt es zu prüfen, ob die defi-<br />
nierten Anforderungen geeignet sind, um den intendierten Verwendungszweck zu<br />
verwirklichen, andererseits, ob das entwickelte Modell die Anforderungen korrekt<br />
erfüllt. Mögliche Ansatzpunkte für die Evaluation sind bspw. die Untersuchung der<br />
technischen und sprachlichen Qualität des Referenzmodells oder die Prüfung der<br />
Belegbarkeit und Plausibilität substantieller Modellanforderungen und Designent-<br />
scheide.<br />
� Nutzerperspektive: Zentrale Fragestellung aus einer Nutzerperspektive ist, ob die<br />
vorgesehenen Modellnutzer in der Lage und gewillt sind das konstruierte Modell<br />
tatsächlich anzuwenden. Kriterien, die in diesem Zusammenhang geprüft werden<br />
können sind bspw. die Verständlichkeit und Angemessenheit sowie die persönliche<br />
Einstellung der potenziellen Nutzer zur Verwendung des Modells.<br />
� Ökonomische Perspektive: Aus einer ökonomischen Perspektive gilt es den poten-<br />
ziellen und/oder realen Aufwand und Ertrag aus der Nutzung des Artefakts gegen-<br />
überzustellen. Mögliche Kriterien, die betrachtet werden können sind z. B. die<br />
Kosten der Einführung und Wartung des Modells, die Verfügbarkeit von Hilfsmit-<br />
teln zur Schulung und Anwendung des Modells, die Kompatibilität mit existieren-<br />
den Lösungsansätzen oder die (ökonomische) Wirkung auf Geschäftsprozesse und<br />
Personaleinsatz.<br />
� Epistemologische Perspektive: Bei der Evaluation aus epistemologischer Perspek-<br />
tive gilt es zu prüfen, ob die grundlegenden Annahmen des Modells gültig sind.<br />
Anders als bei der erklärungsorientierten Forschung, welche den lückenlosen Be-<br />
weis der Wahrheit von Modellen verlangt, ist dies für gestaltungsorientierte For-<br />
schungsergebnisse aufgrund des <strong>of</strong>tmals präskriptiven Charakters des Artefakts<br />
nicht vollumfänglich möglich. 98 Stattdessen ist es aus gestaltungsorientierter Sicht<br />
legit<strong>im</strong>, die Validität eines Modells auf Grundlage des allgemeinen Konsens aner-<br />
kannter Experten zu verargumentieren [vgl. Frank 2007, S. 134]. Weitere denkbare<br />
Ansätze für die Evaluation aus epistemologischer Sicht sind z. B. der Vergleich des<br />
Referenzmodells mit bewährten Theorien oder Design Patterns.<br />
98 FRANK spricht in diesem Zusammenhang auch von „relaxed truth“ und vertritt damit die Auffassung, dass<br />
Referenzmodelle nicht komplett der Realität entsprechen, aber auch nicht bestehendem Wissen widerspre-<br />
chen sollen [Frank 2007, S. 133].
Evaluation des Reifegradmodells 211<br />
8.2 Charakterisierung der Evaluation<br />
Im Folgenden wird der Versuch unternommen das entwickelte HSRM 3 Reifegradmo-<br />
dell multiperspektivisch zu evaluieren. Da aufgrund zeitlicher und materieller Restrik-<br />
tionen eine vollumfängliche Artefaktevaluation innerhalb eines Dissertationszyklus<br />
meist nicht möglich ist [vgl. auch Vaishnavi, Kuechler 2008, S. 25], ist es zur Gewähr-<br />
leistung der Objektivität des Evaluationsvorhabens umso wichtiger, die gewählten Kri-<br />
terien und Methoden hinreichend zu begründen. Nach SERAFEIMIDIS sind deshalb<br />
die nachfolgenden Fragenstellungen zu klären [vgl. Serafe<strong>im</strong>idis 2001, S. 60]:<br />
� Zweck (Warum?): Ziel der vorliegenden Evaluation ist es, den praktischen Nutzen<br />
des Artefakts festzustellen. Nach MARCH und SMITH gilt es bei Design Research<br />
Modellen – anders als erklärungsorientierten Modellen – insbesondere deren Nütz-<br />
lichkeit zu beweisen und weniger deren Wahrheitsgehalt [vgl. March, Smith 1995,<br />
S. 256]. Folglich kommt der ökonomischen Perspektive und der Nutzerperspektive<br />
eine besondere Bedeutung zu.<br />
� Gegenstand (Was?): Dieser Argumentation folgend steht vorwiegend das Ergebnis<br />
der Forschung (Design Product) <strong>im</strong> Zentrum der Evaluation und weniger der For-<br />
schungsprozess selbst (Design Process). Nichtsdestotrotz soll gezeigt werden, dass<br />
die Entwicklung des Reifegradmodells nach den heute geltenden, artefakttypischen<br />
Konstruktionsnormen erfolgt ist.<br />
� Kriterien (Welche Aspekte?): Die Ableitung der wesentlichen Kriterien, wonach<br />
die Forschungsergebnisse der vorliegenden Arbeit bewertet werden, richtet sich<br />
nach den von BUCHER et al. identifizierten grundlegenden Ansätzen der Evaluati-<br />
on, d. h. Prüfung der Erfüllung feststehender oder aufgestellter Anforderungen und<br />
Untersuchung der Einwirkung auf die Realwelt [vgl. Riege et al. 2009, S. 75]. In<br />
Bezug auf ersteres sind drei Kriterienkataloge relevant: Zur Untersuchung der Ein-<br />
haltung der artefakttypischen Konstruktionsnormen wird auf die Konstruktions-<br />
richtlinien von BECKER/KNACKSTEDT et al. zurückgegriffen [vgl. Becker et al.<br />
2009; Knackstedt et al. 2009]. 99 Für die qualitative Beurteilung der (ingenieurmäs-<br />
sigen) Güte des Konstruktionsergebnisses werden die Grundsätze ordnungsmässi-<br />
ger Modellierung nach BECKER/ROSEMANN/SCHÜTTE [vgl. Becker et al.<br />
99 Vgl. auch Abschnitt 1.5.2.
212 Evaluation des Reifegradmodells<br />
1995; Rosemann, Schütte 1997; Schütte 1998] und die eigenen Modellanforderun-<br />
gen zugrundegelegt. 100<br />
In Bezug auf die Evaluation gegenüber der Realwelt werden Metriken aus den Be-<br />
reichen Information Systems Success und Technology Acceptance sowie Design<br />
Science Research genutzt. Grundlage hierfür bilden die Arbeiten von<br />
DELONE/MCLEAN, MIRANI/LEDERER und HEVNER et al. [vgl. DeLone,<br />
McLean 1992; Mirani, Lederer 1998; DeLone, McLean 2003; Hevner et al. 2004].<br />
Schliesslich werden, obwohl nicht <strong>im</strong> Vordergrund der Evaluation gestaltungsori-<br />
entierter Arbeiten stehend, auch statistische Gütekriterien diskutiert.<br />
� Zeitpunkt (Wann?): Wie in Abschnitt 6.3.3 erläutert, sind sowohl während als auch<br />
nach der Fertigstellung des Artefakts evaluierende Massnahmen unternommen<br />
worden. In einem ersten Schritt sind die Modellinhalte des Reifegradmodells in ei-<br />
ner Ontologie formalisiert und mittels Fokusgruppendiskussionen evaluiert wor-<br />
den. In einem zweiten Schritt ist das entwickelte Bewertungsmodell prototypisch<br />
umgesetzt und <strong>im</strong> Rahmen einer Befragung von fünfzehn Krankenhäusern in der<br />
Realwelt eingesetzt worden. Ex post soll nun hauptsächlich die Nützlichkeit und<br />
Sachdienlichkeit des Reifegradmodells anhand der oben genannten Kriterien be-<br />
wertet werden.<br />
� Gutachter (Wer?): Die Beurteilung des Erfüllungsgrades definierter Anforderun-<br />
gen (Prüfung gegenüber Forschungslücke) erfolgt durch eigenständige Einschät-<br />
zung. Die Bewertung des praktischen Nutzens des Reifegradmodells (Prüfung ge-<br />
genüber Realwelt) wird durch die vorgesehenen Modellnutzer vorgenommen.<br />
� Methoden (Wie?): Es hat sich gezeigt, dass die Anwendung mehrerer, unterschied-<br />
licher Methoden zu besseren Evaluationsergebnissen führt [vgl. Cao et al. 2006, S.<br />
210]. Folglich werden <strong>im</strong> Rahmen der Evaluation des Reifegradmodells sowohl<br />
analytische als auch qualitativ- und quantitativ-empirische Methoden angewendet.<br />
Das Spektrum des Methodeneinsatzes und der entsprechenden Evaluationskriterien<br />
ist in Abbildung 71 dargestellt.<br />
100 Vgl. Abschnitt 4.3.
Evaluation des Reifegradmodells 213<br />
Ingenieursperspektive<br />
Nutzerperspektive<br />
Ökonomische<br />
Perspektive<br />
Epistemologische<br />
Perspektive<br />
Evaluationskriterien Evaluationsmethoden<br />
Grundsätze ordnungsmässiger Modellierung<br />
Richtlinien zur Entwicklung von Reifegradmodellen<br />
Eigene Modellanforderungen<br />
Abgeleitete Kriterien aus Technology-Acceptance/<br />
IS-Sucess-Theorien und Design Science Research<br />
Abgeleitete Kriterien aus Technology-Acceptance/<br />
IS-Sucess-Theorien und Design Science Research<br />
Statistische Gütekriterien<br />
* Während der iterativen Konstruktion des Reifegradmodells angewendet.<br />
Argumentative Deskription<br />
Ontologiebasiertes Verfahren *<br />
Prototyping *<br />
Umfrage<br />
Fokusgruppendiskussion *<br />
Umfrage<br />
Statistische Analyse<br />
Abbildung 71: Verwendete Evaluationskriterien und -methoden<br />
8.3 Evaluation aus Ingenieursperspektive<br />
Die Forschungsfrage „Wie kann der Einkauf in Krankenhäusern zielgerichtet gestaltet<br />
werden?“ kann aus der Ingenieursperspektive als Problem verstanden werden. Nach<br />
DÖRNER ist dieses durch drei Komponenten gekennzeichnet: einem unerwünschten<br />
Anfangszustand s�, einem erwünschten Endzustand s� und der Barriere, welche die<br />
Transformation von s� und s� <strong>im</strong> Moment verhindert [vgl. Dörner 1976, S. 10].<br />
Ausgangspunkt eines ingenieursmässigen Problemlösungsvorgehens (VDI-Richtlinie<br />
2221) ist deshalb das Klären und Präzisieren des Anfangszustands, indem die er-<br />
wünschten Merkmale des Endzustands und die Funktionen der Problemlösung in einer<br />
Anforderungsliste resp. Funktionsliste formalisiert werden [vgl. Verein Deutscher<br />
Ingenieure 1993]. 101 Die formalisierten Anforderungen und Funktionen bilden u. a. die<br />
Basis für die spätere Verifikation der Problemlösung, d. h. der Beweis der Konsistenz<br />
zwischen der entwickelten Lösung und seiner Spezifikation [vgl. Balzert 2005, S. 476]<br />
bzw. der Beweis der Korrektheit der Transformation vom Anfangs- zum Endzustand<br />
[vgl. Balci 1998, S. 41].<br />
101 Vgl. auch Abschnitt 1.5.1.
214 Evaluation des Reifegradmodells<br />
Neben der Verifikation der Problemlösung und/oder des Problemlösungsvorgehens gilt<br />
es auch eine Validierung, d. h. einen formalen Nachweis der Lösungsadäquanz, durch-<br />
zuführen. 102 Da in der vorliegenden Evaluation weniger der Beweis der praktischen<br />
Anwendbarkeit (dieser wurde durch die prototypische Umsetzung und Anwendung in<br />
15 Krankenhäusern bereits erbracht), sondern vielmehr die Bewertung der Nützlichkeit<br />
des entwickelten Reifegradmodells <strong>im</strong> Vordergrund steht, wird die Validierung der<br />
Ergebnisse durch die potenziellen Anwender vorgenommen und deshalb in der nach-<br />
folgenden Nutzerperspektive und ökonomischen Perspektive behandelt.<br />
Infolgedessen wird <strong>im</strong> Zuge der Evaluation aus der Ingenieursperspektive, auf Basis<br />
einer argumentativ-deskriptiven Beurteilung existierender und definierter Anforderun-<br />
gen, ausschliesslich die Verifikation der Problemlösung und des Problemlösungspro-<br />
zesses diskutiert. Grundlage hierzu sind, wie zuvor erläutert, die Grundsätze ord-<br />
nungsmässiger Modellierung (GoM), existierende Konstruktionsrichtlinien für Reife-<br />
gradmodelle sowie die eigenen Modellanforderungen, welche zu Beginn der Arbeit<br />
spezifiziert wurden.<br />
8.3.1 Analytische Beurteilung der GoM<br />
Die GoM bilden einen normativen Ordnungsrahmen für die Entwicklung, den Ver-<br />
gleich sowie die qualitative Bewertung von Referenzmodellen [vgl. Becker et al. 1995,<br />
S. 444] und kann folglich auch für die Evaluation von Reifegradmodellen angewendet<br />
werden. Eine objektive Verifikation nach diesen Kriterien ist aufgrund des Charakters<br />
gestaltungsorientierter Modelle allerdings nicht möglich [vgl. Schütte 1998, S. 113].<br />
Inwieweit die GoM durch das entwickelte Reifegradmodell erfüllt werden, soll des-<br />
halb argumentativ abgeleitet werden. In Tabelle 46 sind die Resultate der Verifikation<br />
in Bezug auf die GoM zusammengefasst.<br />
Kriterium Anforderung Argument Fazit<br />
Vergleichbarkeit<br />
Das Reifegradmodell<br />
kann mit anderen<br />
Modellen auf einfache<br />
Weise verglichen<br />
werden.<br />
� Es existiert ein Metamodell,<br />
das einen Vergleich<br />
mit anderen Reifegradmodellen<br />
erleichtert.<br />
� Die Modellkonstrukte sind<br />
formal in einer Ontologie<br />
beschrieben und umgesetzt,<br />
was semantische<br />
Analysen möglich macht.<br />
Die hohe Formalisierung der<br />
Inhalte und Struktur des<br />
Reifegradmodells erleichtert<br />
die Vergleichbarkeit mit<br />
anderen Modellen. Ins<strong>of</strong>ern<br />
wird davon ausgegangen,<br />
dass dieses Kriterium erfüllt<br />
ist.<br />
102 BALCI spricht in diesem Zusammenhang deshalb von „[...] building the model right“ (Verifikation) und<br />
„[...] building the right model“ (Validierung) [vgl. Balci 1998, S. 41].
Evaluation des Reifegradmodells 215<br />
Kriterium Anforderung Argument Fazit<br />
Richtigkeit Das Reifegradmodell<br />
ist semantisch und<br />
syntaktisch ins<strong>of</strong>ern<br />
richtig, als dass es<br />
vom Modellersteller<br />
und -nutzer in gleicher<br />
Weise interpretiert<br />
wird.<br />
Klarheit Das Reifegradmodell<br />
ist verständlich, anschaulich<br />
und opt<strong>im</strong>al<br />
leserlich.<br />
Relevanz Das Reifegradmodell<br />
enthält all diejenigen<br />
Elemente und Verknüpfungen,<br />
ohne<br />
deren Existenz der<br />
Nutzeneffekt der<br />
Modellverwendung<br />
sinken würde.<br />
Systematischer<br />
Aufbau<br />
Das Reifegradmodell<br />
folgt einer logischen<br />
Struktur und ist in<br />
sich konsistent.<br />
� Die Herleitung der Modellkonstrukte<br />
fusst auf<br />
der bestehenden praxisorientierten<br />
Literatur.<br />
� Es existiert eine formale<br />
Ontologie, die dazu beiträgt,<br />
dass die Modellkonstrukte<br />
einheitlich und<br />
syntaktisch korrekt spezifiziert<br />
werden.<br />
� Die Modellkonstrukte sind<br />
von Experten in Fokusgruppendiskussionenpositiv<br />
in Bezug auf ihre Verständlichkeit<br />
beurteilt<br />
worden.<br />
� Das in einem Prototyp<br />
<strong>im</strong>plementierte Bewertungsmodell<br />
konnte in<br />
fünfzehn Krankenhäusern<br />
ohne Probleme angewendet<br />
werden.<br />
� Die durchgeführte Literaturanalyse<br />
und erhobenen<br />
Fallstudien demonstrieren,<br />
dass ein genereller Handlungsbedarf<br />
<strong>im</strong> Bereich<br />
des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
vorhanden ist.<br />
� Die Analyse existierender<br />
Reifegradmodelle zeigt<br />
zudem, dass kein Modell<br />
genügend inhaltliche Tiefe<br />
und Breite bietet.<br />
� Die Beschreibung der<br />
Inhalte folgt nach einem<br />
einheitlichen Raster (Frame).<br />
� Die Struktur des Reifegradmodells<br />
basiert auf<br />
einem Metamodell.<br />
� Es existieren eindeutige<br />
Namenskonventionen für<br />
die einzelnen Modellelemente.<br />
Die Formalisierung der Modellkonstrukte<br />
induziert eine<br />
(zumindest) hohe syntaktische<br />
Richtigkeit. Die semantische<br />
Richtigkeit des Modells<br />
kann ohne die Befragung<br />
der Modellanwender<br />
nur sehr schlecht eingeschätzt<br />
werden. Folglich<br />
muss auf diesen Punkt in der<br />
Evaluation aus der Nutzerperspektive<br />
weiter eingegangen<br />
werden.<br />
Der Konstruktionsprozess<br />
des Reifegradmodells enthält<br />
einige Ansatzpunkte, um die<br />
Klarheit zu evaluieren. Sowohl<br />
die naturalistische Begutachtung<br />
durch ausgewählte<br />
Experten als auch die<br />
praktische Anwendung mittels<br />
Prototyp deuten auf eine<br />
hohe Verständlichkeit der<br />
Modellinhalte hin. Eine detailliertere<br />
Analyse dieses<br />
Kriteriums folgt in der Evaluation<br />
aus Nutzerperspektive.<br />
Die breite empirische Fundierung<br />
der Arbeit weist<br />
(zumindest) auf die grundsätzliche<br />
Relevanz der Thematik<br />
hin. Ob das Reifegradmodell<br />
die wesentlichen<br />
Teile des Gestaltungsbereiches<br />
adressiert, muss ebenfalls<br />
aus der Nutzerperspektive<br />
evaluiert werden.<br />
Die Nutzung von Metamodellen<br />
und formalen Sprachen<br />
zur Spezifikation der<br />
Modellinhalte und -struktur<br />
lässt darauf schliessen, dass<br />
(zumindest) eine hohe interne<br />
Konsistenz besteht. Ob<br />
das Reifegradmodell systematisch<br />
konstruiert wurde,<br />
muss noch geklärt werden.
216 Evaluation des Reifegradmodells<br />
Kriterium Anforderung Argument Fazit<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
Das Reifegradmodell<br />
ist hinsichtlich seines<br />
Detaillierungsgrades<br />
opt<strong>im</strong>al und nutzt<br />
Mechanismen zur<br />
Flexibilisierung des<br />
Modells.<br />
� Die Modellkonstrukte und<br />
deren Relationen basieren<br />
auf dem bewährten BE<br />
CBM.<br />
� Die Modellstruktur beruht<br />
<strong>im</strong> Wesentlichen auf dem<br />
CMM-Reifegradmodell.<br />
� Der Bewertungsfokus<br />
kann durch Konfigurationsregeln<br />
auf die jeweils<br />
relevante Situation eingeschränkt<br />
werden.<br />
Tabelle 46: Verifikation nach den GoM<br />
8.3.2 Analytische Beurteilung von Konstruktionsrichtlinien<br />
Durch die Verwendung bereits<br />
existierender und bewährter<br />
Modelle konnte die<br />
Konstruktion des Reifegradmodells<br />
effizienter gestaltet<br />
werden, als eine komplett<br />
losgelöste Modellentwicklung.<br />
Hinsichtlich der<br />
Modellnutzung kann gesagt<br />
werden, dass die Anpassung<br />
der Modellbasis (Situativität)<br />
eine schnelle und zuverlässige<br />
Bewertung erlaubt, da<br />
dadurch nur die relevanten<br />
Teile betrachtet werden.<br />
Offen ist jedoch, was für<br />
einen ökonomischen Nutzen<br />
das Reifegradmodell bewirkt.<br />
Dies gilt es in der<br />
Evaluation aus ökonomischer<br />
Perspektive noch zu<br />
klären.<br />
Zur Überprüfung, ob der Problemlösungsprozess den einschlägigen Konstruktions-<br />
normen gefolgt ist, werden die von BECKER/KNACKSTEDT et al. best<strong>im</strong>mten<br />
Richtlinien auf die vorliegende Arbeit angewendet [vgl. Becker et al. 2009, S. 250 f.;<br />
Knackstedt et al. 2009, S. 537 f.]. Insgesamt gilt es bei der Entwicklung von Reife-<br />
gradmodellen acht Richtlinien – die <strong>im</strong> Wesentlichen auf den von HEVNER et al. de-<br />
finierten Design-Science Research Guidelines basieren [vgl. Hevner et al. 2004, S. 83]<br />
– einzuhalten: 103<br />
� Problemdefinition (R1): Der zukünftige Anwendungsbereich des Reifegradmodells<br />
einschliesslich seiner Einsatzvoraussetzungen und der mit dem Reifegradmodell<br />
angestrebte Nutzen sind vor der Entwicklung festzulegen (problem relevance).<br />
� Aufzeigen der Problemrelevanz (R2): Der Bedarf eines Problemlösungsbeitrags in<br />
Form des zu entwickelnden Reifegradmodells in Forschung und/oder Praxis ist<br />
darzulegen. Das Artefakt muss deshalb nicht nur innovativ sein, sondern auch eine<br />
praktische oder wissenschaftliche Relevanz besitzen (problem relevance).<br />
103 In Klammern ist die korrespondierende DSR-Guideline angegeben.
Evaluation des Reifegradmodells 217<br />
� Vergleich mit existierenden Reifegradmodellen (R3): Die Notwendigkeit eines zu<br />
entwickelnden Reifegradmodells ist durch einen Vergleich mit bestehenden Reife-<br />
gradmodellen zu begründen (design as an artifact).<br />
� Mult<strong>im</strong>ethodisches Vorgehen (R4): Die Entwicklung von Reifegradmodellen be-<br />
dient sich unterschiedlicher Forschungsmethoden, deren Einsatz zu begründen und<br />
aufeinander abzust<strong>im</strong>men ist (research rigor).<br />
� Iteratives Vorgehen (R5): Reifegradmodelle sind iterativ in mehreren Schritten zu<br />
entwickeln (design as a search process).<br />
� Evaluation (R6): Die in die Reifegradmodellentwicklung eingehenden Grundlagen<br />
und Prämissen sowie die Nützlichkeit, Qualität und Effektivität des Artefakts selbst<br />
müssen evaluiert werden (design evaluation).<br />
� Adressatengerechte Ergebnisbereitstellung (R7): Das Reifegradmodell ist den Nut-<br />
zern in adressatengerechter Weise zur Verfügung zu stellen (communication <strong>of</strong> re-<br />
search).<br />
� Wissenschaftliche Dokumentation (R8): Der Prozess der Entwicklung des Reife-<br />
gradmodells ist hinsichtlich der Einzelschritte, Beteiligten, angewendeten Metho-<br />
den und Ergebnisse ausführlich zu dokumentieren (communication <strong>of</strong> research).<br />
Da die aufgezeigten Richtlinien, <strong>im</strong> Gegensatz zu den zuvor beschriebenen GoM,<br />
grösstenteils dichotom beurteilt werden können, ist eine genauere Aussage in Bezug<br />
auf deren Einhaltung möglich. 104 Im Folgenden wird die Einhaltung der oben genann-<br />
ten Richtlinien wie folgt beurteilt:<br />
� Problemdefinition (R1): In Kapitel 6 wird festgelegt, was der Verwendungszweck,<br />
die Zielgruppe, sowie Tiefe und Breite des Reifegradmodells ist. Die mit der Arte-<br />
faktkonstruktion verfolgten Zielsetzungen (Gestaltungsziele) sind in Kapitel 1 be-<br />
schrieben.<br />
� Aufzeigen der Problemrelevanz (R2): Die praktische Relevanz der identifizierten<br />
Forschungslücke wird in Kapitel 1 und Kapitel 4 anhand der einschlägigen Litera-<br />
tur, aktueller Studien und eigener Fallstudien dokumentiert. Des Weiteren wird in<br />
Kapitel 6 gezeigt, wie Reifegradmodelle auf Grundlage von Entwurfsmustern und<br />
104 Rückschlüsse hinsichtlich der Güte des Problemlösungsprozesses lassen sich dadurch allerdings nur bedingt<br />
ziehen. Bspw. ist die Richtlinie „Mult<strong>im</strong>ethodisches Vorgehen“ erfüllt, wenn mehrere Forschungsmethoden<br />
für die Entwicklung des Reifegradmodells angewendet werden. Ob diese Methoden auch tatsächlich mitein-<br />
ander vereinbar sind, ist dadurch nicht nachgewiesen.
218 Evaluation des Reifegradmodells<br />
Metamodellen systematisch entwickelt werden können. Dies ist insbesondere für<br />
die Wissenschaft von Interesse, da eine methodische Durchdringung der Thematik<br />
noch weitestgehend fehlt.<br />
� Vergleich mit existierenden Reifegradmodellen (R3): Mittels einer umfassenden<br />
Literaturrecherche sind in Kapitel 5 insgesamt 117 Reifegradmodelle identifiziert<br />
worden. Zudem sind fünf themenverwandte Reifegradmodelle detaillierter betrach-<br />
tet und deren Mängel in Bezug auf den gewählten Gestaltungsbereich analysiert<br />
worden.<br />
� Mult<strong>im</strong>ethodisches Vorgehen (R4): Die Entwicklung des Reifegradmodells bedient<br />
sich mehrerer unterschiedlicher Forschungsmethoden, deren Vielfalt und Verwen-<br />
dungszweck in Kapitel 1 beschrieben ist.<br />
� Iteratives Vorgehen (R5): In Kapitel 7 ist dargelegt, wie die Modellbasis iterativ<br />
entwickelt und naturalistisch evaluiert wurde. Ferner wird auch der Prototyp lau-<br />
fend verbessert (aktuell Version 1.3).<br />
� Evaluation (R6): Die multiperspektivische Evaluation wird <strong>im</strong> derzeitigen Kapitel<br />
8 unternommen.<br />
� Adressatengerechte Ergebniserstellung (R7): Das Ergebnis der Artefaktkonstrukti-<br />
on besteht aus drei Teilen (Domänenontologie, Bewertungsmodell, Prototyp) und<br />
ist in Kapitel 7 beschrieben. 105 Anders als bei den meisten Reifegradmodellen exis-<br />
tiert mehr als eine rein textuelle Dokumentation.<br />
� Wissenschaftliche Dokumentation (R8): (Teil-)Ergebnisse der Konstruktion sind<br />
zeitnah dokumentiert und an verschiedenen wissenschaftlichen Konferenzen prä-<br />
sentiert worden [vgl. z. B. Mettler 2009; Mettler, Rohner 2009d; Mettler et al.<br />
2009]. Die vollständige Dokumentation der Artefaktkonstruktion wird durch die<br />
vorliegende Arbeit erbracht.<br />
8.3.3 Analytische Beurteilung der spezifizierten Anforderungen<br />
Abgeleitet aus den in Abschnitt 2.5 definierten materiellen Anforderungen sind in Ab-<br />
schnitt 4.3 erstmals die formellen Anforderungen an die Entwicklung des Reifegrad-<br />
modells beschrieben. Analog zur vorherigen Verifikation nach den GoM, soll der Ab-<br />
gleich der eigenen Modellanforderungen ebenfalls argumentativ-deskriptiv erfolgen.<br />
105 Wie bereits dargelegt, findet die Validierung der Konstruktionsergebnisse erst in den nachfolgenden Evalua-<br />
tionsperspektiven statt.
Evaluation des Reifegradmodells 219<br />
Aus diesem Grund folgt die Bewertung nach dem gleichen Darstellungsmuster wie in<br />
Abschnitt 8.3.1. Demgemäss sind die Resultate der Verifikation der eigenen funktiona-<br />
len Anforderungen in Tabelle 47 zusammenfassend dargestellt.<br />
Kriterien Anforderung Argument Fazit<br />
Strategische<br />
Aspekte<br />
Organisatorische<br />
Aspekte<br />
Technologische<br />
Aspekte<br />
Das Reifegradmodell<br />
beinhaltet Gestaltungsobjekte<br />
mit<br />
Rücksicht auf die<br />
strategische, taktische<br />
und operative<br />
Gestaltung des<br />
<strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s<br />
in einem<br />
<strong>Krankenhaus</strong>.<br />
Das Reifegradmodell<br />
hilft einzuschätzen,<br />
inwiefern die Prozesse<br />
und Praktiken des<br />
Einkaufs definiert,<br />
umgesetzt, geführt<br />
und opt<strong>im</strong>iert sind.<br />
Das Reifegradmodell<br />
hilft einzuschätzen,<br />
inwieweit Technologien<br />
zur Automatisierung<br />
der Prozesse<br />
vorhanden und die<br />
existierenden Systeme<br />
mit anderen integriert<br />
sind.<br />
� Unterscheidung von drei<br />
Führungsebenen (personenzentrierteGestaltungsd<strong>im</strong>ension).<br />
� Best<strong>im</strong>mung von 25<br />
strategischen, 21 taktischen<br />
und 21 operativen<br />
Gestaltungsobjekten.<br />
� Unterscheidung von<br />
neun <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong><br />
Prozessen (prozesszentrierteGestaltungsd<strong>im</strong>ension).<br />
� Definition einer Gestaltungsebene,<br />
die den generischen<br />
Zustand einer<br />
Praktik misst.<br />
� Best<strong>im</strong>mung von insgesamt<br />
29 <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong><br />
Praktiken.<br />
� Definition einer Gestaltungsebene,<br />
die den generischen<br />
Zustand der<br />
eingesetzten S<strong>of</strong>twarekomponenten<br />
misst.<br />
� Best<strong>im</strong>mung von insgesamt<br />
16 S<strong>of</strong>twarekomponenten<br />
für das <strong>Supply</strong><br />
<strong>Management</strong>.<br />
Das Reifegradmodell unterscheidet<br />
bewusst unterschiedliche<br />
Strategieebenen<br />
des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s<br />
und enthält auch zahlreiche<br />
Gestaltungsobjekte, die aus<br />
Sicht des BE als strategisch<br />
bezeichnet werden können.<br />
Folglich wird davon ausgegangen,<br />
dass dieses Kriterium<br />
erfüllt ist.<br />
Prozesse und Praktiken<br />
spielen auch <strong>im</strong> entwickelten<br />
HSRM 3 eine bedeutende<br />
Rolle. Die Beurteilung<br />
der Reife ist jedoch <strong>of</strong>tmals<br />
schwierig, da die definierte<br />
Bewertungsskala nicht<br />
dichotom ist und daher<br />
einen best<strong>im</strong>mten Grad an<br />
Subjektivität zulässt. Die<br />
Anforderung gilt deshalb<br />
als teilweise erfüllt.<br />
Als eines der wenigen untersuchtenReifegradmodellen<br />
enthält das in der vorliegenden<br />
Arbeit entwickelte<br />
HSRM 3 auch eine IT-<br />
Bewertungsperspektive.<br />
Der Detaillierungsgrad der<br />
spezifizierten S<strong>of</strong>twarekomponenten<br />
ist allerdings<br />
nicht sonderlich tief. Ferner<br />
fehlen Gestaltungsobjekte,<br />
die den Stand der Hardware<br />
beurteilen. Daher ist diese<br />
Anforderung nur teilweise<br />
erfüllt.
220 Evaluation des Reifegradmodells<br />
Kriterien Anforderung Argument Fazit<br />
Kulturelle<br />
Aspekte<br />
(Führung-<br />
Verhalten-<br />
Macht)<br />
Organisationsinterne<br />
Betrachtung<br />
Branchenweite<br />
Betrachtung<br />
Lineare<br />
Entwicklung<br />
Dynamische<br />
Entwicklung<br />
Das Reifegradmodell<br />
hilft einzuschätzen,<br />
wie umfangreich das<br />
Wissen, die Kooperationsintensität<br />
und<br />
die entsprechenden<br />
Anreizstrukturen<br />
ausgestaltet sind.<br />
Das Reifegradmodell<br />
beurteilt die Reife<br />
des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
auf Basis unterschiedlicherSzenarien.<br />
Das Reifegradmodell<br />
liefert zusätzlich zur<br />
Reifebeurteilung<br />
einzelner Organisationen<br />
auch eine aggregierte<br />
Sicht auf<br />
die Reife der Branche.<br />
Das Reifegradmodell<br />
weist einen linearen<br />
Entwicklungspfad<br />
auf, der die Anwender<br />
bei der radikalen<br />
Fortentwicklung des<br />
Einkaufs unterstützt.<br />
Das Reifegradmodell<br />
weist einen anpassbarenEntwicklungspfad<br />
auf, der durch<br />
die Anwender flexibel<br />
festgelegt werden<br />
kann.<br />
� Definition jeweils einer<br />
Gestaltungsebene, die<br />
den generischen Zustand<br />
des Wissens der Mitarbeitenden<br />
und der Anreizstrukturen<br />
misst.<br />
� Best<strong>im</strong>mung von 7 Anreizen<br />
und 15 Wissenskomponenten,<br />
die das<br />
<strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> unterstützen.<br />
� Beschreibung von fünf<br />
grundlegenden Szenarien<br />
für die Bewertung.<br />
� Definition weiterer situativer<br />
Faktoren, die für die<br />
Analyse der Ergebnisse<br />
verwendet werden können.<br />
� Prototypische Umsetzung<br />
verschiedener Analysemöglichkeiten,<br />
die<br />
eine aggregierte Sicht auf<br />
die Branche erlauben.<br />
� Reifegrade sind massgeblich<br />
durch die Resultate<br />
der Branche best<strong>im</strong>mt<br />
(Rasch-Analyse).<br />
� Abgestufte Reifegrade<br />
sind definiert (d. h. zur<br />
Erreichung eines höheren<br />
Reifegrades müssen die<br />
weniger schwierigen<br />
Items einen hohen Erfüllungsgrad<br />
aufweisen).<br />
� Zielpr<strong>of</strong>ile sind definiert<br />
(d. h. je nach Priorität<br />
kann auch nur eine Zield<strong>im</strong>ension<br />
opt<strong>im</strong>iert<br />
werden).<br />
Tabelle 47: Verifikation nach den eigenen Modellanforderungen<br />
Kulturelle Aspekte sind <strong>im</strong><br />
HSRM 3 vorhanden, jedoch<br />
besteht, gleich wie bei den<br />
Praktiken, das Problem,<br />
dass keine objektive Best<strong>im</strong>mung<br />
der Reife möglich<br />
ist. Zudem ist es<br />
schwierig, kulturelle Aspekte<br />
einer Organisation<br />
nur durch eine Person oder<br />
kleine Gruppe von Personen<br />
bewerten zu lassen.<br />
Folglich ist auch dieses<br />
Kriterium nur teilweise<br />
erfüllt.<br />
Neben einer Beschreibung<br />
der typischen Reifegrade<br />
eines <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
sind auch unterschiedliche<br />
Analysen in Bezug auf die<br />
Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen,<br />
-ebenen und -objekte definiert<br />
worden. Das Kriterium<br />
gilt deshalb als erfüllt.<br />
Die definierten und <strong>im</strong><br />
Prototyp umgesetzten Analysetechniken<br />
enthalten<br />
explizite Informationen<br />
über den aktuellen Zustand<br />
und die Entwicklungstendenz<br />
der Branche. Allerdings<br />
sind diese Angaben<br />
nur dann verlässlich, wenn<br />
genügend Krankenhäuser<br />
beurteilt werden. Ins<strong>of</strong>ern<br />
ist dieses Kriterium erfüllt.<br />
Für jeden Reifegrad sind<br />
die zu erfüllenden Gestaltungsobjekte<br />
definiert. Die<br />
lineare und schrittweise<br />
Entwicklung des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
ist deshalb<br />
möglich und dieses Kriterium<br />
damit erfüllt.<br />
Der Beurteiler ist frei in<br />
seiner Wahl des Zielhorizonts<br />
und Zielpr<strong>of</strong>ils. Folglich<br />
ist dieses Kriterium<br />
erfüllt.
Evaluation des Reifegradmodells 221<br />
8.4 Evaluation aus Nutzerperspektive<br />
Ziel der Evaluation aus Nutzerperspektive ist es, die Angemessenheit des Reifegrad-<br />
modells und den Willen zur tatsächlichen Nutzung zu bewerten. Daher kann dieser<br />
Teil der Evaluation als Validierung der Problemlösung verstanden werden. Diese ist<br />
auf zwei Arten erfolgt: Einerseits sind in mehreren Fokusgruppendiskussionen ausge-<br />
wählte <strong>Krankenhaus</strong>vertreter und IT-Dienstleister hinsichtlich ihres Empfindens in<br />
Bezug auf die Qualität des Bewertungsmodells mündlich befragt worden, andererseits<br />
sind diejenigen Einkaufsverantwortlichen, bei denen ein Assessment durchgeführt<br />
wurde, nachträglich angehalten worden einen Evaluationsfragebogen auszufüllen. Wie<br />
bereits in Abschnitt 7.1.4 angesprochen, unterliegt die in den Fokusgruppen durchge-<br />
führte naturalistische Evaluation einer Reihe von L<strong>im</strong>itationen, weshalb an dieser Stel-<br />
le nicht mehr näher darauf eingegangen wird. In den folgenden Ausführungen wird<br />
deswegen lediglich auf die Resultate der Umfrage Bezug genommen. 106<br />
Im Wesentlichen setzt sich die Stichprobe zur Validierung der Problemlösung aus der<br />
in Abschnitt 7.3.1.2 beschriebenen Auswahl von Einkaufsverantwortlichen Schweizer<br />
Krankenhäuser zusammen. 107 Laut eigener Einschätzung geben 29% der Befragten<br />
einen geringen Kenntnisstand und 50% einen mittleren Kenntnisstand in Hinblick auf<br />
die Thematik an. Nur 21% der Befragten konnten von sich behaupten Experten <strong>im</strong> Be-<br />
reich des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s zu sein.<br />
8.4.1 Empirische Beurteilung der Konzeption des Reifegradmodells<br />
Grundlegende Annahme des IS-Success-Modells von DELONE und MCLEAN ist es,<br />
dass die Qualität des Informationssystems und die Qualität der Information eine posi-<br />
tive Relation zur Nutzerzufriedenheit und -akzeptanz aufweisen [vgl. DeLone,<br />
McLean 1992, S. 87; 2003, S. 24]. Die Qualität der Information wird in der vorliegen-<br />
den Arbeit überwiegend durch das Bewertungsmodell resp. die definierten Konstrukte<br />
des HSRM 3 best<strong>im</strong>mt. Kriterien, die zur Beurteilung der Modellqualität angewendet<br />
werden, sind die Relevanz, Verständlichkeit, Vollständigkeit, Konsistenz, Zuverläs-<br />
sigkeit, Aktualität und Nachhaltigkeit [vgl. DeLone, McLean 1992, S. 84; Hevner et<br />
al. 2004, S. 85].<br />
106 Vgl. Frageblöcke B und C <strong>im</strong> Anhang C.<br />
107 Eine entsprechende Beschreibung der Charakteristika der Stichprobe ist in Abschnitt 7.3.1.2 zu finden. Trotz<br />
mehrmaliger Aufforderung sind allerdings nur 93% der abgeschickten Bewertungsfragebögen retourniert<br />
worden, was einer Stichprobengrösse von n = 14 entspricht.
222 Evaluation des Reifegradmodells<br />
Die Bewertung dieser Kriterien erfolgt anhand einer ordinalen Rating-Skala, wonach<br />
der Wert 1 eine hohe Zust<strong>im</strong>mung, 2 eine tendenzielle Zust<strong>im</strong>mung, 3 eine indifferen-<br />
te Meinung, 4 eine tendenzielle Ablehnung und 5 eine strikte Ablehnung ausdrückt.<br />
Die Medianwerte sämtlicher Kriterien liegen bei 2, was auf eine tendenzielle Zust<strong>im</strong>-<br />
mung schliessen lässt. Mit einem Mittelwert von 1,57 wird die Relevanz des Bewer-<br />
tungsmodells besonders hoch eingeschätzt. Etwas weniger hoch eingeschätzt sind die<br />
Aktualität (Mittelwert = 1,71), Vollständigkeit (Mittelwert = 1,86), Verständlichkeit<br />
(Mittelwert = 1,86), Konsistenz (Mittelwert = 1,93) und Zuverlässigkeit (Mittelwert =<br />
2,0). Am schlechtesten bewertet, aber dennoch mit einer tendenziellen Affirmation<br />
verbunden, ist das Kriterium der Nachhaltigkeit des Bewertungsmodells (Mittelwert =<br />
2,08). Die Ergebnisse sind in Abbildung 72 nochmals schematisch zusammengefasst.<br />
Relevanz<br />
Verständlichkeit<br />
Vollständigkeit<br />
Konsistenz<br />
Zuverlässigkeit<br />
Aktualität<br />
Nachhaltigkeit<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Legende<br />
St<strong>im</strong>me völlig zu<br />
St<strong>im</strong>me eher zu<br />
Abbildung 72: Bewertung der Qualität des Bewertungsmodells<br />
Bin unentschieden<br />
St<strong>im</strong>me eher nicht zu<br />
St<strong>im</strong>me überhaupt nicht zu<br />
Aus dem ergänzenden, textuellen Frageblock am Ende des Evaluationsbogens ist zu<br />
entnehmen, dass insbesondere die ganzheitliche, umfassende und strukturierte Be-<br />
trachtung der gewählten Thematik positiv empfunden wird. Wünschenswert sind ge-<br />
mäss den Aussagen der Befragten eine Ausweitung des Bewertungsmodells hinsicht-<br />
lich finanzieller Messgrössen und eine stärkere Einbindung von Aspekten, die sich auf<br />
die Zusammenarbeit mit Lieferanten beziehen.
Evaluation des Reifegradmodells 223<br />
8.4.2 Empirische Beurteilung der Umsetzung des Reifegradmodells<br />
Anders als die meisten Reifegradmodelle bietet das entwickelte HSRM 3 nicht nur eine<br />
textuelle Beschreibung oder einen Raster der Reifegrade, sondern auch ein Analyse-<br />
und Erhebungswerkzeug, das die organisationsbezogene Reifebeurteilung unterstützt<br />
und zugleich branchenweite Analysen ermöglicht. Die Frage, ob der zur Verfügung<br />
gestellte Prototyp adressatengerecht ist, ist noch <strong>of</strong>fen und wird nun an dieser Stelle<br />
beantwortet. 108<br />
Kriterien, die hier zur Anwendung kommen, sind ebenfalls aus der gängigen Literatur<br />
abgeleitet [vgl. z. B. DeLone, McLean 2003, S. 26]. Dabei gilt es Kriterien zu unter-<br />
scheiden, die generell zur Beurteilung des Prototyps angewendet werden (bspw. die<br />
Einfachheit der Bedienung, die Übersichtlichkeit der Darstellungen, die Stabilität, die<br />
Benutzerangemessenheit oder die Anwendbarkeit <strong>im</strong> realen Kontext) und solche, die<br />
zur Beurteilung des Mehrwerts dienen (z. B. übersichtlichere Darstellung oder bessere<br />
Verständlichkeit und Kommunizierbarkeit der Resultate eines Assessments <strong>im</strong> Ver-<br />
gleich zu einer papierbasierten Variante). Die Bewertung dieser Kriterien ist mit der<br />
gleichen fünfstufigen Rating-Skala erfolgt.<br />
Gleich wie bei der vorherigen Beurteilung des Bewertungsmodells liegen die Median-<br />
werte sämtlicher Kriterien bei einem Wert von 2. Folglich kann auch daraus eine ten-<br />
denzielle Zust<strong>im</strong>mung gedeutet werden. Allerdings ist die Spannweite der Ergebnisse<br />
etwas breiter. Dies ist insbesondere be<strong>im</strong> ersten Kriterium – Einfachheit der Bedie-<br />
nung (Mittelwert = 1,92) – der Fall. Rund 69% der Befragten st<strong>im</strong>men zu oder tenden-<br />
ziell zu, 23% sind unentschieden und 8% st<strong>im</strong>men eher nicht zu. Am besten bewertet<br />
wurde die Übersichtlichkeit des Prototyps (Mittelwert = 1,86) und die Visualisierung<br />
der Resultate (Mittelwert = 1,86). Etwas weniger hoch eingeschätzt sind die Anwend-<br />
barkeit (Mittelwert = 1,92) und Stabilität des Prototyps (Mittelwert = 1,92). Tenden-<br />
zielle Zust<strong>im</strong>mung herrscht auch in Bezug auf die Verständlichkeit (Mittelwert = 2,15)<br />
und Kommunizierbarkeit der Assessment-Ergebnisse (Mittelwert = 2,00). Die Frage,<br />
ob der Prototyp weitgehend den Bedürfnissen bzw. Vorstellungen der Einkaufsver-<br />
antwortlichen entspricht, ist am schlechtesten bewertet worden (Mittelwert = 2,29).<br />
Gemäss den Befragten würde eine Filterfunktion zur Auswahl von Auswertungen so-<br />
wie eine Funktion für den Import und Export der Assessment-Ergebnisse die Qualität<br />
des Prototyps merklich verbessern.<br />
Abbildung 73 zeigt die zusammengefassten Resultate dieses Teils der Umfrage.<br />
108 Vgl. Abschnitt 8.3.2.
224 Evaluation des Reifegradmodells<br />
Bedienbarkeit<br />
Übersichtlichkeit<br />
Stabilität<br />
Anwendbarkeit<br />
Angemessenheit<br />
Kommunizierbarkeit*<br />
Verständlichkeit*<br />
Visualisierung*<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
* Verbesserung in Bezug auf Papiervariante<br />
Legende<br />
St<strong>im</strong>me völlig zu<br />
St<strong>im</strong>me eher zu<br />
Bin unentschieden<br />
St<strong>im</strong>me eher nicht zu<br />
St<strong>im</strong>me überhaupt nicht zu<br />
Abbildung 73: Bewertung der Qualität des Analyse- und Erhebungswerkzeugs<br />
8.4.3 Empirische Beurteilung der Nutzerakzeptanz<br />
Zur Beurteilung der Nutzerakzeptanz sind die Einkaufsverantwortlichen zum einen<br />
gefragt worden, ob sie das Reifegradmodell in Zukunft tatsächlich nutzen wollen, zum<br />
anderen, wie sie das Reifegradmodell nutzen wollen.<br />
Für die Bewertung der ersten Fragestellung wird eine vierstufige Rating-Skala ver-<br />
wendet (vgl. Abbildung 74). Insgesamt geben 74% der Befragten an, das entwickelte<br />
HSRM 3 Reifegradmodell in Zukunft nutzen zu wollen. 33% sind sogar bereit, für die<br />
Nutzung des Reifegradmodells und der entsprechenden Hilfsmittel zu bezahlen. Ledig-<br />
lich 8% der Einkaufsverantwortlichen verzichten auf eine Wiederverwendung des Rei-<br />
fegradmodells. 18% sind noch unentschlossen und machen dies von der weiteren Ent-<br />
wicklung des Prototyps und der Ausweitung der Befragungsbasis abhängig.<br />
Aus den dargelegten Ergebnissen kann also geschlossen werden, dass die zukünftige<br />
Nutzungswahrscheinlichkeit relativ hoch eingestuft und durch zusätzliche Massnah-<br />
men weiter erhöht werden kann. Gerade in Bezug auf die Ausweitung der Befragungs-<br />
basis ist ein grosses Potenzial zu erkennen, da ausschliesslich Schweizer Krankenhäu-<br />
ser befragt wurden. Angesichts der hohen Vergleichbarkeit der Gesundheitssysteme<br />
des deutschsprachigen Raumes ist auch eine Erhebung in Deutschland und Österreich<br />
denkbar. Dies würde eine weitere interessante Auswertungsperspektive „Internationa-<br />
ler Vergleich“ ermöglichen und die <strong>of</strong>tmals regional oder national fokussierte Denk-<br />
weise erweitern.
Evaluation des Reifegradmodells 225<br />
8%<br />
18%<br />
41%<br />
33%<br />
Legende<br />
Ja<br />
Ja, wenn kostenfrei<br />
Nein<br />
Weiss nicht<br />
Abbildung 74: Bewertung der Nutzungswahrscheinlichkeit<br />
Neben der Einschätzung der Nutzungswahrscheinlichkeit ist es für die Weiterentwick-<br />
lung und Pflege des Reifegradmodells fundamental zu wissen, welche Nutzungsszena-<br />
rien präferiert werden. 109 Wie bereits in Abschnitt 3.2.5 erläutert, kann ein Reifegrad-<br />
modell grundsätzlich als Mittel zur Selbstbeurteilung (self-assessment), zur unterstütz-<br />
ten Selbstbeurteilung (third-party assisted) oder <strong>im</strong> Rahmen einer Fremdbeurteilung<br />
(certified pr<strong>of</strong>essionals) genutzt werden.<br />
Basierend auf dieser Differenzierung sind die Einkaufsverantwortlichen befragt wor-<br />
den, wie sie das HSRM 3 zukünftig einsetzen wollen. Rund 43% der Befragten geben<br />
an, das Reifegradmodell <strong>im</strong> Rahmen einer Selbstbeurteilung und 22% <strong>im</strong> Rahmen ei-<br />
ner unterstützten Selbstbeurteilung nutzen zu wollen. Weitere 21% der Einkaufsver-<br />
antwortlichen würden eine Fremdbeurteilung – wie es bspw. bei CMMI oder SPICE<br />
der Fall ist – bevorzugen. Die restlichen 14% wollte keine Präferenz formulieren resp.<br />
konnten sich nicht entscheiden, was für sie die beste Alternative darstellt. Die Resulta-<br />
te sind in Abbildung 75 ersichtlich.<br />
109 Die Betrachtung des Lebenszyklus eines Reifegradmodells ist in [Mettler 2009, S. 7 f.] ausführlich beschrie-<br />
ben. Hiernach wird zwischen Entwickler- und Anwenderperspektive unterschieden. Aus der Entwicklerper-<br />
spektive endet die Konstruktion des Reifegradmodells nicht nach dessen Evaluation, sondern nach der Refle-<br />
xion hinsichtlich der Evolution des Modells, d. h. ob und wie das Artefakt weiterentwickelt werden soll.
226 Evaluation des Reifegradmodells<br />
21%<br />
14%<br />
22%<br />
43%<br />
Legende<br />
Ich selbst<br />
Ich selbst unterstützt durch Berater<br />
Durch Berater<br />
Weiss nicht<br />
Abbildung 75: Bewertung des Nutzungsszenarios<br />
8.5 Evaluation aus ökonomischer Perspektive<br />
Aus ökonomischer Sicht stellt sich die Frage, welchen Nutzen das entwickelte Reife-<br />
gradmodell in Bezug auf den vorher spezifizierten Wirkungsbereich generiert. Insbe-<br />
sondere <strong>im</strong> Design Research ist dies mitunter eines der wichtigsten Kriterien für die<br />
Beurteilung der Güte eines Forschungsvorhabens [vgl. March, Smith, S. 253]. Im<br />
Rahmen dieser Arbeit kann die Bewertung des Nutzens als erweiterte Validierung der<br />
Problemlösung verstanden werden.<br />
Wie bereits zu Beginn der vorliegenden Arbeit dargelegt, konzentriert sich der Wir-<br />
kungsbereich des Reifegradmodells in erster Linie auf die Einkaufsverantwortlichen<br />
von Krankenhäusern. Für die Bewertung des Nutzens ergeben sich somit eine indivi-<br />
duelle (der Einkaufsverantwortliche) als auch eine organisationale (das <strong>Krankenhaus</strong>)<br />
Betrachtungsebene. 110 Kriterien zur Bewertung sowohl individueller als auch organisa-<br />
tionaler Nutzenaspekte sind auch hier anhand der gängigen Literatur abgeleitet [vgl.<br />
dazu DeLone, McLean 1992, S. 84; Mirani, Lederer 1998, S. 812] und <strong>im</strong> Rahmen der<br />
Umfrage, die bereits für die Evaluation aus Nutzerperspektive durchgeführt wurde,<br />
bewertet worden. 111<br />
110 Diese Unterscheidung wird auch <strong>im</strong> IS-Success-Modell getr<strong>of</strong>fen, auf welches sich bereits die Ausführungen<br />
in der vorherigen Evaluationsperspektive stützen [vgl. DeLone, McLean 1992, S. 87; 2003. S. 12].<br />
111 Vgl. Frageblöcke D und E <strong>im</strong> Anhang C.
Evaluation des Reifegradmodells 227<br />
8.5.1 Empirische Beurteilung des persönlichen Nutzens<br />
Grundlegende Aufgabe eines Reifegradmodells ist es, den Anwender bei der Einschät-<br />
zung des Zustands eines Gestaltungsbereichs zu unterstützen (Ist-Analyse). 112 Des<br />
Weiteren kann das Reifegradmodell auch als Grundlage zur Planung und Analyse von<br />
Veränderungen dienen (Gap-Analyse). Einerseits können dadurch die Zeit für die Ent-<br />
scheidungsfindung verkürzt, andererseits die getr<strong>of</strong>fenen Entscheide besser begründet<br />
werden. Schliesslich kann durch die Anwendung eines Reifegradmodells auch das per-<br />
sönliche Wissen des Anwenders erweitert werden.<br />
In Hinblick auf die erwähnten Nutzenpotenziale kann gesagt werden, dass das entwi-<br />
ckelte HSRM 3 Reifegradmodell diese hinreichend erfüllt (der Median aller diesbezüg-<br />
lich definierten Kriterien liegt bei einem Wert von 2). Gemäss der Einschätzung der<br />
befragten Einkaufsverantwortlichen hilft das Reifegradmodell insbesondere bei der<br />
Erkennung der eigenen Stärken und Schwächen (Mittelwert = 1,64) sowie bei der Pla-<br />
nung (Mittelwert = 1,79), Kommunikation (Mittelwert = 1,79) und Analyse (Mittel-<br />
wert = 2,07) von Veränderungen. Ferner sind mehr als 70% der Befragten der Mei-<br />
nung, dass das Reifegradmodell die Akzeptanz der getr<strong>of</strong>fenen Entscheide erhöht<br />
(Mittelwert = 2,07). Weniger Zust<strong>im</strong>mung fand die Aussage, dass das Reifegradmo-<br />
dell zu besseren Entscheiden führe (Mittelwert = 2,14) oder die Entscheidungsfindung<br />
verkürze (Mittelwert = 2,14). Letzteres kann daher motiviert sein, dass für die initiale<br />
Erhebung der definierten Gestaltungsobjekte mehrstündige Interviews (teilweise mit<br />
Vor- und Nachbesprechungen) notwendig waren. Das schlechte Abschneiden in Bezug<br />
auf den ersten Punkt lässt sich dadurch erklären, dass zum Zeitpunkt der Umfrageer-<br />
hebung keine berechtigten Aussagen gemacht werden können, da erst bei fortdauern-<br />
der Nutzung des Reifegradmodells genügend Evidenz zur Beurteilung dieser Frage-<br />
stellung vorhanden ist. Folglich haben viele der Befragten eine indifferente Meinung<br />
vertreten.<br />
Die geringste Zust<strong>im</strong>mung findet die Aussage, dass das Reifegradmodell das persönli-<br />
che Wissen der Einkaufsverantwortlichen erweitere (Mittelwert = 2,21). In Anbetracht<br />
der Tatsache, dass rund 71% der Befragten einen mittleren bis hohen Kenntnisstand<br />
der Thematik aufweisen, ist diese Beurteilung nicht sonderlich bedeutungsvoll. Eine<br />
nähere Betrachtung derjenigen Fragebögen, die von Einkaufsverantwortlichen mit ge-<br />
ringer Sachkenntnis ausgefüllt wurden, zeigt eine tendenzielle bis hohe Affirmation.<br />
Abbildung 76 stellt die Resultate nochmals grafisch dar.<br />
112 Vgl. Abschnitt 3.2.1.
228 Evaluation des Reifegradmodells<br />
Das Reifegradmodell hilft...<br />
...Stärken und Schwächen zu erkennen<br />
...Veränderungen nachhaltig zu planen<br />
...die Entscheidungsfindung zu verkürzen<br />
...bessere Entscheidungen zu treffen<br />
...Veränderungen zu kommunizieren<br />
...die Akzeptanz zu erhöhen<br />
...Veränderungen zu analysieren<br />
...das persönliche Wissen zu erweitern<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Legende<br />
Abbildung 76: Bewertung des persönlichen Nutzens<br />
St<strong>im</strong>me völlig zu<br />
St<strong>im</strong>me eher zu<br />
Bin unentschieden<br />
8.5.2 Empirische Beurteilung des organisationalen Nutzens<br />
St<strong>im</strong>me eher nicht zu<br />
St<strong>im</strong>me überhaupt nicht zu<br />
Durch die oben aufgezeigten individuellen Effekte kann auch ein Nutzen für die Ar-<br />
beitsgruppe und die Organisation entstehen. Beispielsweise könnten mit der regelmäs-<br />
sigen Anwendung des Reifegradmodells die Zielerreichung des Einkaufs und/oder der<br />
Fachbereiche verbessert sowie die Effektivität, Effizienz, Veränderungsfähigkeit und<br />
Kooperationsfähigkeit der Organisation erhöht werden. Möglich sind auch eine Stär-<br />
kung der internen Positionierung des Einkaufs innerhalb eines <strong>Krankenhaus</strong>es sowie<br />
der Positionierung <strong>im</strong> Beschaffungsmarkt.<br />
Da diese organisationalen Nutzeneffekte <strong>im</strong> Vergleich zu den individuellen Auswir-<br />
kungen meist sehr viel später eintreten, können hier die befragten Einkaufsverantwort-<br />
lichen lediglich grobe Schätzungen anstellen. 113 Folglich ist die Spannweite der Ant-<br />
worten vergleichsweise höher als bei den zuvor diskutierten Fragenkomplexen (vgl.<br />
Abbildung 77). Beispielsweise wird die Aussage, dass das Reifegradmodell die Liefe-<br />
rantenbeziehung verbessere, höchst unterschiedlich bewertet (Max<strong>im</strong>um = 2 und Mi-<br />
n<strong>im</strong>um = 5). Auch liegen die Medianwerte best<strong>im</strong>mter Kriterien erstmals über dem<br />
Wert von 2, was auf eine Missbilligung hindeuten könnte. Kritisch ist deshalb die<br />
Wirkung des Reifegradmodells in Bezug auf die Effektivität (Median = 3), Lieferan-<br />
113 Befriedigende empirische Erkenntnisse hinsichtlich der organisationalen Effekte des CMM-Reifegradmodells<br />
konnten erst neun Jahre nach dessen Erstellung präsentiert werden [vgl. Herbsleb, Goldenson 1996; Herbsleb<br />
et al. 1997].
Evaluation des Reifegradmodells 229<br />
tenbeziehung (Median = 3) oder externe Positionierung (Median = 2,5) zu interpretie-<br />
ren.<br />
Betrachtet man die durchschnittliche Beurteilung aller Kriterien, so stellt man auch<br />
hier eine vergleichsweise geringere Zust<strong>im</strong>mung fest als bei den zuvor diskutierten<br />
Nutzenaspekten. Mit am besten bewertet wird der Effekt auf die interne Positionierung<br />
(Mittelwert = 2,00) und auf die Veränderungsfähigkeit (Mittelwert = 2,21). Tenden-<br />
zielle Zust<strong>im</strong>mung herrscht auch hinsichtlich des Effekts auf die Zielerreichung (Mit-<br />
telwert = 2,29) und auf die Effizienz (Mittelwert = 2,43). Eher indifferent sind die Be-<br />
fragten in Bezug auf die Aussage, dass das Reifegradmodell die Effektivität erhöhe<br />
(Mittelwert = 2,57) oder die Stellung <strong>im</strong> Beschaffungsmarkt festige (Mittelwert =<br />
2,57). Kein Effekt wird in Bezug auf die Verbesserung der Lieferantenbeziehungen<br />
gesehen (Mittelwert = 3,29).<br />
Das Reifegradmodell hilft...<br />
...die Zielerreichung zu verbessern<br />
...die Lieferantenbeziehungen zu verbessern<br />
...die Veränderungsfähigkeit zu steigern<br />
...die interne Positionierung zu verbessern<br />
...die externe Positionierung zu verbessern<br />
...die Effektivität zu erhöhen<br />
...die Effizienz zu erhöhen<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Legende<br />
Abbildung 77: Bewertung des organisationalen Nutzens<br />
8.6 Evaluation aus epistemologischer Perspektive<br />
St<strong>im</strong>me völlig zu<br />
St<strong>im</strong>me eher zu<br />
Bin unentschieden<br />
St<strong>im</strong>me eher nicht zu<br />
St<strong>im</strong>me überhaupt nicht zu<br />
Das Ziel der Evaluation aus epistemologischer Perspektive ist die Beurteilung der Ein-<br />
haltung genereller wissenschaftlicher Anforderungen sowie die Überprüfung des ef-<br />
fektiven Beitrags zur Wissensbasis [vgl. Frank 2007, S. 133]. Nach FRANK sind die<br />
wesentlichen Kriterien zur Bewertung wissenschaftlicher Erkenntnisse – ungeachtet<br />
des gewählten Forschungsparadigmas – die Originalität, Abstraktion und Begründung<br />
[vgl. Frank 2006, S. 33 f.].
230 Evaluation des Reifegradmodells<br />
Damit ein Artefakt als originell bezeichnet werden kann, gilt es den Nachweis zu<br />
erbringen, dass es ein bisher unbewältigtes Problem angemessen löst oder eine bereits<br />
adressierte Problemstellung besser löst als bisherige Ansätze. 114 Wie zu Beginn der<br />
Arbeit dargelegt und durch eine Literaturanalyse existierender Reifegradmodelle be-<br />
kräftigt, gibt es für die gewählte Forschungsfrage noch keine entsprechende Problem-<br />
lösung. Die zuvor beschriebenen Evaluationsergebnisse lassen zudem den Schluss zu,<br />
dass das konzipierte HSRM 3 Reifegradmodell die Einkaufsverantwortlichen bei der<br />
Gestaltung ihres Feldes angemessen unterstützt. Ins<strong>of</strong>ern wird angenommen, dass das<br />
Kriterium der Originalität erfüllt wird.<br />
Das Postulat der Abstraktion fordert, dass das Artefakt nicht für eine spezifische Prob-<br />
lemstellung oder für eine best<strong>im</strong>mte Organisation konzipiert wurde (z. B. Reorganisa-<br />
tion des Einkaufs des <strong>Krankenhaus</strong> x), sondern eine Klasse von Problemen löst resp.<br />
für eine Klasse von Organisationen gilt [vgl. Frank 2006, S. 33]. Dabei sind drei unter-<br />
schiedliche Formen der Abstraktion zu unterscheiden:<br />
� Abstraktion zum Allgemeinen: Wesentliche Zielsetzung dieser Form der Abstrakti-<br />
on ist es, spezifische Sachverhalte in allgemeine zu überführen. Durch die Genera-<br />
lisierung der Resultate der Artefaktkonstruktion wird die Übertragbarkeit auf ande-<br />
re Kontexte erhöht.<br />
� Abstraktion vom Irrelevanten: Mit der zweiten Form der Abstraktion wird eine Be-<br />
grenzung des Gestaltungsbereiches resp. eine Verkürzung der Realität beabsichtigt.<br />
Dadurch sollen komplexe Sachverhalte vereinfacht und für die vorgesehenen Ad-<br />
ressaten allgemein verständlich werden.<br />
� Abstraktion des Möglichen: Anders als in der erklärungsorientierten Forschung ist<br />
die Vielfalt der relevanten Kontexte in der gestaltungsorientierten Forschung nicht<br />
auf die existierende Realität beschränkt, sondern konzentriert sich auch auf die<br />
Welt des Möglichen (z. B. künstliche Intelligenz). Dies erlaubt die Konstruktion<br />
besonders innovativer Artefakte [vgl. Frank 2009, S. 168 f.]. Allerdings lassen sich<br />
durch diese Form der Abstraktion nicht alle <strong>im</strong>plizit oder explizit getr<strong>of</strong>fenen An-<br />
nahmen eines Artefakts durch die faktische Welt bzw. durch ihre empirische Un-<br />
tersuchung erklären (relaxed truth).<br />
114 Vgl. auch Abbildung 5.
Evaluation des Reifegradmodells 231<br />
Dies führt zum nächsten epistemologischen Bewertungskriterium, der Begründung der<br />
wissenschaftlichen Erkenntnis, resp. der Fragestellung, inwieweit die Annahmen eines<br />
Reifegradmodells begründet werden können?<br />
Wie bereits erläutert, ist die Evaluation eines neu konzipierten Reifegradmodells in-<br />
soweit l<strong>im</strong>itiert, als dass einerseits die definierten Gestaltungsobjekte <strong>of</strong>tmals zu inno-<br />
vativ sind und deshalb nicht in der Realität beobachtet werden können, andererseits es<br />
sehr schwierig ist eine umfängliche Testbasis aufzustellen. 115 Dies führt häufig dazu,<br />
dass die zentrale Hypothese eines Reifegradmodells, nämlich „höhere Reifegrade sind<br />
in irgendeiner Form besser als die niederen Reifegrade“, nicht direkt beobachtet wer-<br />
den kann. Dies ist auch be<strong>im</strong> entwickelten HSRM 3 der Fall, da wie zu Beginn der Ar-<br />
beit erläutert, die Reife des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s <strong>im</strong> Gesundheitswesen eher gering ist<br />
und daher viele der spezifizierten Gestaltungsobjekte nicht in einem <strong>Krankenhaus</strong><br />
wiederzufinden sind. 116 Infolgedessen ist für das entwickelte HSRM 3 die Überprüfung<br />
der generellen Korrektheit des Reifegradmodells indirekt durch die Einschätzung der<br />
befragten Einkaufsverantwortlichen erfolgt. 117<br />
Nichtsdestotrotz lassen sich einige, während der Konstruktion getr<strong>of</strong>fene Annahmen<br />
genauer testen. Folgende Hypothesen sollen nachfolgend geprüft werden:<br />
� Die abstrahierten Gestaltungsobjekte sind relevant und erlauben ein zuverlässiges<br />
Gestalten des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs.<br />
� Die Zuordnung der Gestaltungsobjekte ist korrekt resp. die Gestaltungsd<strong>im</strong>ensio-<br />
nen sind in sich schlüssig.<br />
� Die definierten Szenarien geben eine korrekte Verallgemeinerung der Realität wi-<br />
der resp. das verwendete Konzept der Situativität ist geeignet.<br />
Aufgrund dieser Hypothesen ergeben sich die folgenden Fragestellungen:<br />
� Sind alle Gestaltungsobjekte für eine Beurteilung der Reife des <strong>Supply</strong> Manage-<br />
ments eines <strong>Krankenhaus</strong>es zwingend notwendig? Welche Gestaltungsobjekte ver-<br />
ringern die Reliabilität der Bewertung?<br />
115 Vgl. Abschnitt 3.2.3.<br />
116 Aus der Rasch-Analyse (vgl. Abbildung 67) wird ersichtlich, dass die Fähigkeiten der untersuchten Kranken-<br />
häuser nahe beieinander und <strong>im</strong> Mittelfeld des möglichen Spektrums liegen. Folglich ist ein Vergleich der<br />
besten mit den schlechtesten Krankenhäusern der Stichprobe nur bedingt sinnvoll für die Überprüfung dieser<br />
Hypothese.<br />
117 Vgl. Abschnitt 8.4.1.
232 Evaluation des Reifegradmodells<br />
� Enthalten die Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen die richtigen Gestaltungsobjekte? Gibt es<br />
Gestaltungsobjekte, die auch in anderen D<strong>im</strong>ensionen Anwendung finden können?<br />
� Hat die Situativität einen Einfluss auf die Gestaltung des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s ei-<br />
nes <strong>Krankenhaus</strong>es? Bewerten die spezifizierten Szenarien tatsächlich unterschied-<br />
liche Situationen?<br />
Die folgenden Ausführungen sollen die aufgestellten Fragestellungen beantworten und<br />
zugleich die Begründung der bei der Modellentwicklung angewandten Abstraktionen<br />
liefern.<br />
8.6.1 Theoretische Beurteilung der Reliabilität<br />
Die Bewertung der Zuverlässigkeit der definierten Modellbasis erfolgt anhand der<br />
Durchführung einer Reliabilitätsanalyse. Diese prüft nach verschiedenen Kriterien,<br />
welche Gestaltungsobjekte sich für die Beurteilung des Gestaltungsbereiches als<br />
brauchbar und welche als unbrauchbar erweisen. In diesem Zusammenhang kommen<br />
häufig die nachfolgenden statistischen Gütekriterien zur Anwendung:<br />
� Trennschärfekoeffizient: Die Trennschärfe bzw. der Trennschärfekoeffizient (r)<br />
gibt an, wie gut ein einzelnes Gestaltungsobjekt das Gesamtergebnis eines Assess-<br />
ments repräsentiert und wird in der Statistik als die Korrelation eines Items mit<br />
dem Gesamttestwert eines Tests verstanden [vgl. Bortz, Döring 2002, S. 218].<br />
� Itemschwierigkeit: Die Itemschwierigkeit entspricht dem Verhältnis richtig gelöster<br />
oder bejahter Items zu den falsch gelösten oder verneinten Items. Dieses Kriterium<br />
ist bspw. <strong>im</strong> Rahmen der Rasch-Analyse angewendet worden, um die Reifegrade<br />
des Bewertungsmodells zu ermitteln. 118<br />
� Reliabilitätskoeffizient: Der Reliabilitätskoeffizient ist ein wichtiger Indikator zur<br />
Beurteilung der Güte des gesamten Tests und kann als Mass der Genauigkeit ver-<br />
standen werden, mit der ein best<strong>im</strong>mtes Gestaltungsobjekt durch das Assessment<br />
erfasst wird. Eine Kenngrösse, die vielfach dafür verwendet wird, ist das sogenann-<br />
te Cronbach’s Alpha (�), welche Werte zwischen 0 und 1 annehmen kann. Eine<br />
Messung ist reliabel, wenn � > 0,7 ist [vgl. Cortina 1993; Schmitt 1996].<br />
118 Da die Itemschwierigkeit in Abschnitt 7.3.1.1 zur Best<strong>im</strong>mung der Reifegrade Anwendung findet, beschränkt<br />
sich die Evaluation auf die Betrachtung des Trennschärfekoeffizients und des Reliabilitätskoeffizients.
Evaluation des Reifegradmodells 233<br />
Zur Beantwortung der ersten der oben aufgezeigten Fragestellungen wird anhand der<br />
S<strong>of</strong>tware SPSS Version 17.0 der Trennschärfekoeffizient (r) der einzelnen Gestal-<br />
tungsobjekte und der Reliabilitätskoeffizient des Bewertungsmodells (�) berechnet.<br />
Die Ergebnisse dieser Berechnung sind in Tabelle 48 dargestellt. Die Zuverlässigkeit<br />
des Reifegradmodells mit einem bemessenen Cronbach’s Alpha von 0,959 scheint sehr<br />
hoch zu sein. Allerdings ist dieser ausserordentlich gute Wert relativ zu sehen, da mit<br />
zunehmender Anzahl der Items dieser Indikator ebenfalls steigt. Infolgedessen wird<br />
die Nützlichkeit der Verwendung von Cronbach’s Alpha zur Beurteilung der Reliabili-<br />
tät einer Messung kontrovers diskutiert [vgl. Cortina 1993; Schmitt 1996]. Deshalb<br />
sollte diese Masszahl lediglich als Anhaltspunkt zur Beurteilung der Reliabilität die-<br />
nen.<br />
In Bezug auf ein einzelnes Gestaltungsobjekt ist � so zu interpretieren: Wenn � <<br />
0,959 ist, dann bedeutet dies, dass das entsprechende Gestaltungsobjekt die Reliabilität<br />
des Assessments verringert. Wenn � > 0,959 ist, dann ist dieses Gestaltungsobjekt un-<br />
bedingt beizubehalten. Der Trennschärfekoeffizient kann wie folgt interpretiert wer-<br />
den: Wenn r < 0,5 ist, dann hat dieses Gestaltungsobjekt einen relativ geringen bis ne-<br />
gativen Effekt auf das Resultat des Assessments (ist nicht trennscharf) und sollte daher<br />
weggelassen werden. Eine hohe Korrelation (Werte für r > 0,5) bedeutet, dass dieses<br />
Gestaltungsobjekt entscheidend auf das Resultat der Reifebeurteilung einwirkt.<br />
Die aufgrund dieser Berechnung als „kritisch“ einzustufenden Gestaltungsobjekte sind<br />
in der nachfolgenden Tabelle 48 fett hervorgehoben.<br />
Gestaltungsobjekt r �<br />
Innovationsverhalten ,853 ,959<br />
Beschaffungsvision ,711 ,958<br />
Beschaffungsleitlinien ,944 ,959<br />
Interne Analyse ,946 ,959<br />
Externe Analyse ,579 ,960<br />
Beschaffungsstrategie ,878 ,958<br />
Unterstützung für interne und externe Analysen ,565 ,959<br />
Unterstützung der Kreativität und Dokumentation ,278 ,958<br />
Motivations- und Führungskompetenz ,799 ,959<br />
Trendkompetenz ,878 ,959<br />
Strategisches Einkaufswissen ,853 ,959<br />
Veränderungsverhalten ,560 ,960<br />
Leistungsdefinition ,765 ,960<br />
Prozessdefinition ,799 ,959
234 Evaluation des Reifegradmodells<br />
Gestaltungsobjekt r �<br />
Stellenbildung und Regelung der Arbeitsteilung ,545 ,960<br />
Unterstützung der Prozessanalyse und -dokumentation ,794 ,959<br />
Transformationskompetenz ,799 ,959<br />
Geschäftsprozesswissen ,564 ,959<br />
Informationsverhalten ,946 ,959<br />
Monitoring der Lieferanten ,643 ,959<br />
Monitoring der Bedarfsträger -,146 ,962<br />
Monitoring der Beschaffungsperformance ,853 ,959<br />
Berichterstattung ,760 ,960<br />
Unterstützung der Perform. Messung, Analyse und des Reportings ,579 ,960<br />
Controlling- und Risikomanagementwissen ,853 ,959<br />
Lieferantensuche ,653 ,961<br />
Ausschreibung -,033 ,961<br />
Lieferantenbeurteilung und -auswahl ,564 ,959<br />
Unterstützung der Lieferantensuche und -auswahl ,553 ,961<br />
Unterstützung der Ausschreibung ,560 ,960<br />
Sozialkompetenz ,564 ,958<br />
Rechtswissen -,033 ,961<br />
Ergebnisverhalten ,807 ,963<br />
Verhandlungsvorbereitung ,657 ,961<br />
Verhandlungsführung ,946 ,959<br />
Vertragsabschluss ,561 ,961<br />
Unterstützung der Verhandlungsführung ,565 ,959<br />
Unterstützung der Vertragserstellung und -verwaltung ,822 ,959<br />
Elektronische Signatur ,661 ,961<br />
Konfliktkompetenz -,153 ,960<br />
Verhandlungswissen ,946 ,959<br />
Kooperationsverhalten ,946 ,959<br />
Kollaborative Bedarfsplanung und Lagerhaltung ,853 ,959<br />
Kollaborative Produktentwicklung ,794 ,959<br />
Unterstützung der kollaborativen Zusammenarbeit ,586 ,960<br />
Kooperationskompetenz ,946 ,959<br />
Bestellverhalten ,564 ,959<br />
Bedarfsermittlung bei direkten Materialien ,532 ,960<br />
Bedarfsermittlung bei indirekten Materialien ,799 ,959<br />
Bedarfsermittlung bei Einzelbeschaffungen und DL ,656 ,959<br />
Unterstützung der Bestandesführung ,753 ,960<br />
Unterstützung der Bedarfsaufnahme ,540 ,960<br />
Kundenkompetenz -,033 ,960
Evaluation des Reifegradmodells 235<br />
Gestaltungsobjekt r �<br />
Material- und Logistikmanagementwissen ,564 ,959<br />
Bestellung direkter Materialien ,560 ,960<br />
Bestellung indirekter Materialien ,656 ,959<br />
Bestellung von Einzelbeschaffungen und DL ,788 ,959<br />
Unterstützung der Bestellung direkter Materialien ,799 ,959<br />
Unterstützung der Bestellung indirekter Materialien ,656 ,959<br />
Unterstützung der Bestellung bei Einzelbeschaffungen und DL ,656 ,959<br />
Technologiekompetenz ,579 ,960<br />
Qualitätsverhalten ,799 ,959<br />
Wareneingangskontrolle ,564 ,959<br />
Wareneingangsbuchung ,853 ,959<br />
Handhabung von Beschwerden ,542 ,960<br />
Unterstützung der Wareneingangskontrolle und -buchung ,799 ,959<br />
Qualitätsmanagementwissen ,564 ,959<br />
Tabelle 48: Item-Skala-Statistik<br />
Eine geringfügig nachteilige Wirkung auf die Zuverlässigkeit des Reifegradmodells<br />
haben die Gestaltungsobjekte Sozialkompetenz und Beschaffungsvision. Dies mag da-<br />
mit zusammenhängen, dass diese Items eine grosse Ähnlichkeit zu anderen Gestal-<br />
tungsobjekten aufweisen und daher nicht eindeutig best<strong>im</strong>mt werden können. Bspw.<br />
ist eine Abgrenzung zwischen Sozialkompetenz und Motivations- und Führungskom-<br />
petenz nicht eindeutig möglich. Gleiches kann auch in Bezug auf die Beschaffungsvi-<br />
sion und die Beschaffungsstrategie gesagt werden, da in der Praxis die Begriffe meist<br />
nicht klar definiert sind.<br />
Dahingegen scheinen die Gestaltungsobjekte Ausschreibung, Konfliktkompetenz, Kun-<br />
denkompetenz, Monitoring der Bedarfsträger und Rechtswissen einen negativen Ein-<br />
fluss auf das Ergebnis der Reifebeurteilung zu haben. Dies kann dadurch begründet<br />
sein, dass diese Gestaltungsobjekte einerseits ebenfalls nicht genügend trennscharf von<br />
anderen abgegrenzt werden können (bspw. kann eine Ausschreibung auch als Liefe-<br />
rantensuche verstanden werden), andererseits herrscht bei best<strong>im</strong>mten Gestaltungsob-<br />
jekten ein grösserer subjektiver Spielraum (bspw. ist es für die Befragten schwierig<br />
einzuschätzen, ob ihr Kenntnisstand hinsichtlich der für den <strong>Krankenhaus</strong>einkauf ein-<br />
schlägigen Rechtsgrundlagen vorhanden ist oder nicht).<br />
Einen geringen Einfluss auf die Reife eines <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs hat auch das Gestal-<br />
tungsobjekt Unterstützung der Kreativität und Dokumentation. Ein Grund dafür könn-<br />
te sein, dass dieses Gestaltungsobjekt eine geringe Spezifität in Bezug auf den betrach-
236 Evaluation des Reifegradmodells<br />
teten Gestaltungsbereich aufweist (bspw. werden Systeme zur Erfassung, Verwaltung,<br />
Speicherung und Bereitstellung von Inhalten und Dokumenten in praktisch allen Be-<br />
reichen genutzt, wo Informationen verarbeitet werden).<br />
8.6.2 Theoretische Beurteilung der Konvergenzvalidität<br />
Aus epistemologischer Sicht steht der Begriff der Validität für die Gültigkeit bzw. für<br />
die konzeptionelle Richtigkeit einer Aussage. Im Hinblick auf die zweite Fragestel-<br />
lung, ob die Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen die richtigen Gestaltungsobjekte enthalten, ist<br />
insbesondere die sogenannte Konvergenzvalidität von Bedeutung. Diese beschreibt<br />
den Grad der Übereinst<strong>im</strong>mung zwischen einer Messung und ihrer Operationalisierung<br />
[vgl. Bagozzi, Phillips 1982, S. 468; Schnell et al. 2008, S. 157]. Übertragen auf die<br />
zuvor aufgestellte Hypothese bedeutet dies, dass diejenigen Gestaltungsobjekte, die<br />
derselben Gestaltungsd<strong>im</strong>ension zugewiesen sind, hoch korrelieren sollten.<br />
Als Mittel zur Überprüfung der Korrektheit der Zuordnung der Gestaltungsobjekte<br />
wird, auf Basis der Assessment-Resultate der fünfzehn Krankenhäuser, eine Faktoren-<br />
analyse durchgeführt. 119 Dies ist ein statistisches Verfahren, um eine grössere Anzahl<br />
Variablen (hier: die Gestaltungsobjekte) auf eine kleinere Anzahl Faktoren (hier: die<br />
Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen) zurückzuführen. Dabei werden diejenigen Variablen, die<br />
untereinander stark korrelieren, zu einem Faktor zusammengefasst. Da die Anzahl<br />
Faktoren bereits bekannt ist, die extrahiert werden soll, handelt es sich in der vorlie-<br />
genden Arbeit um eine konfirmatorische Faktorenanalyse. 120 Folglich sind, ausgehend<br />
von der prozesszentrierten Sichtweise des <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s, insgesamt neun Fak-<br />
toren mittels Hauptachsenmethode extrahiert und die berechneten Faktorwerte zwecks<br />
Vereinfachung der Interpretation mit der Var<strong>im</strong>ax-Methode rotiert worden. Tabelle 49<br />
zeigt die Resultate dieser Berechnung, die wie folgt zu interpretieren sind: Ist der Wert<br />
> ±0,5 bedeutet dies, dass das Gestaltungsobjekt mit der entsprechenden D<strong>im</strong>ension<br />
korreliert. Ist der Wert < ±0,5 bedeutet dies, dass keine signifikante Korrelation be-<br />
steht und eine eindeutige Zuordnung nicht zweifelsfrei möglich ist. In Tabelle 49 sind<br />
diejenigen Gestaltungsobjekte fett hervorgehoben, bei denen entweder keine eindeuti-<br />
119 Zur Berechnung ist ebenfalls SPSS Version 17.0 verwendet worden.<br />
120 Im Gegensatz dazu geht die explorative Faktorenanalyse von einer unbekannten Struktur bzw. Faktorenan-<br />
zahl aus und versucht diese anhand grafischer Tests (z. B. Scree-Plot) oder numerischer Indikatoren (z. B.<br />
Kaiser-Kriterium) zu best<strong>im</strong>men. Beispiele für die Anwendung der explorativen Faktorenanalyse in der WI<br />
sind [Fitterer et al. 2009; Mettler, Rohner 2009a].
Evaluation des Reifegradmodells 237<br />
ge Zuordnung möglich ist oder deren ausgewiesene Zuordnung mit der <strong>im</strong> Reifegrad-<br />
modell <strong>im</strong>plizit getr<strong>of</strong>fenen Zuordnung nicht übereinst<strong>im</strong>mt.<br />
Gestaltungsobjekt Gestaltungsd<strong>im</strong>ension<br />
S1 S2 S3 T1 T2 T3 O1 O2 O3<br />
Innovationsverhalten ,654<br />
Beschaffungsvision ,769<br />
Beschaffungsleitlinien ,728<br />
Interne Analyse ,825<br />
Externe Analyse ,707<br />
Beschaffungsstrategie ,584<br />
Unterstützung für interne und externe<br />
Analysen<br />
,684 ,414<br />
Unterstützung der Kreativität und Do- ,696 ,432<br />
kumentation<br />
Motivations- und Führungskompetenz ,645 ,453<br />
Trendkompetenz ,628<br />
Strategisches Einkaufswissen ,513 ,421<br />
Veränderungsverhalten ,568 ,419<br />
Leistungsdefinition ,559 ,440<br />
Prozessdefinition ,738<br />
Stellenbildung und Regelung der Arbeitsteilung<br />
,742<br />
Unterstützung der Prozessanalyse und<br />
-dokumentation<br />
,848<br />
Transformationskompetenz ,709<br />
Geschäftsprozesswissen ,402 ,695<br />
Informationsverhalten ,663 ,489<br />
Monitoring der Lieferanten ,627 ,531<br />
Monitoring der Bedarfsträger ,695 -,426<br />
Monitoring der Beschaffungsperformance<br />
,590 -,464<br />
Berichterstattung -,582 ,471<br />
Unterstützung der Perform, Messung,<br />
Analyse und des Reportings<br />
,580 ,453<br />
Controlling- und Risikomanagementwissen<br />
,843<br />
Lieferantensuche ,431 ,453<br />
Ausschreibung ,445 ,421<br />
Lieferantenbeurteilung und -auswahl ,441 ,408<br />
Unterstützung der Lieferantensuche<br />
,833<br />
und -auswahl<br />
Unterstützung der Ausschreibung ,689<br />
Sozialkompetenz ,433 ,465<br />
Rechtswissen ,715<br />
Ergebnisverhalten ,484 ,431<br />
Verhandlungsvorbereitung ,573 ,518<br />
Verhandlungsführung ,588<br />
Vertragsabschluss -,539<br />
Unterstützung der Verhandlungsführung<br />
,497 -,405 -,443
238 Evaluation des Reifegradmodells<br />
Gestaltungsobjekt Gestaltungsd<strong>im</strong>ension<br />
S1 S2 S3 T1 T2 T3 O1 O2 O3<br />
Unterstützung der Vertragserstellung<br />
und -verwaltung<br />
,674<br />
Elektronische Signatur ,874<br />
Konfliktkompetenz ,874<br />
Verhandlungswissen ,748<br />
Kooperationsverhalten ,954<br />
Kollaborative Bedarfsplanung und<br />
Lagerhaltung<br />
,428 ,623 ,409<br />
Kollaborative Produktentwicklung ,482 ,456<br />
Unterstützung der kollaborativen Zusammenarbeit<br />
,765<br />
Kooperationskompetenz ,705<br />
Bestellverhalten ,610<br />
Bedarfsermittlung bei direkten Materialien<br />
,506 ,584<br />
Bedarfsermittlung bei indirekten Materialien<br />
,453 ,496<br />
Bedarfsermittlung bei Einzelbeschaffungen<br />
und DL<br />
,425 ,486<br />
Unterstützung der Bestandesführung ,460 ,433<br />
Unterstützung der Bedarfsaufnahme ,832<br />
Kundenkompetenz ,556<br />
Material- und Logistikmanagementwissen<br />
,404 ,644<br />
Bestellung direkter Materialien ,461 -,637<br />
Bestellung indirekter Materialien ,467 -,569<br />
Bestellung von Einzelbeschaffungen<br />
und DL<br />
-,446<br />
Unterstützung der Bestellung direkter<br />
Materialien<br />
,780<br />
Unterstützung der Bestellung indirekter<br />
Materialien<br />
,551<br />
Unterstützung der Bestellung bei Einzelbeschaffungen<br />
und DL<br />
,629<br />
Technologiekompetenz ,457 ,550<br />
Qualitätsverhalten ,405<br />
Wareneingangskontrolle ,477<br />
Wareneingangsbuchung ,803<br />
Handhabung von Beschwerden -,537 ,451<br />
Unterstützung der Wareneingangskontrolle<br />
und -buchung<br />
,472<br />
Qualitätsmanagementwissen -,908<br />
Tabelle 49: Rotierte Faktormatrix<br />
Aus der rotierten Faktormatrix wird ersichtlich, dass mehrere Gestaltungsobjekte an-<br />
ders zugeordnet werden sollten. Beispielsweise tendiert das Gestaltungsobjekt Trend-<br />
kompetenz stärker zur Gestaltungsd<strong>im</strong>ension Strategie<strong>im</strong>plementierung (S2) und we-
Evaluation des Reifegradmodells 239<br />
niger – wie eigentlich erwartet – zur Strategieformulierung (S1). Umgekehrt soll die<br />
Leistungsdefinition bereits bei der Strategieformulierung (S1) erfolgen und nicht erst<br />
bei der Strategie<strong>im</strong>plementierung (S2). Auch scheint, dass die Transformationskompe-<br />
tenz stärker mit der Gestaltungsd<strong>im</strong>ension Stabilisierung (T3) korreliert als mit der<br />
Strategie<strong>im</strong>plementierung. Dies mag damit verbunden sein, dass für die Entwicklung<br />
nachhaltiger Lieferantenbeziehungen eine hohe Kompetenz <strong>im</strong> Bereich Business und<br />
Change Engineering notwendig ist.<br />
Interessant ist, dass das Gestaltungsobjekt Geschäftsprozesswissen eine stärkere Kor-<br />
relation zur D<strong>im</strong>ension Bestellung (O2) aufweist als zur zugeordneten Strategie<strong>im</strong>ple-<br />
mentierung (S2). Ein Grund dafür könnte sein, dass mit dem Begriff „Geschäftspro-<br />
zess“ mehrheitlich operative Aktivitäten verbunden werden und dieser damit eher ei-<br />
ner operativen Gestaltungsd<strong>im</strong>ension zuzuordnen ist als einer strategischen. Weitere<br />
Gestaltungsobjekte, die stark mit O2 korrelieren, sind die Elektronische Signatur (zu-<br />
geordnet bei T2) und die Handhabung von Beschwerden (zugeordnet bei O3). Gestal-<br />
tungsobjekte, die nicht eindeutig zugeordnet werden können, sind das Ergebnisverhal-<br />
ten, die Lieferantensuche, das Qualitätsverhalten und die Sozialkompetenz.<br />
Die dargelegten Ergebnisse sind, gleich wie die zuvor durchgeführte Reliabilitätsana-<br />
lyse, kritisch zu reflektieren, da die aufgezeigte Faktorenanalyse diversen L<strong>im</strong>itationen<br />
unterliegt. Einerseits ist die verwendete Stichprobe von n = 14 zu gering, um signifi-<br />
kante Aussagen machen zu können, 121 andererseits ist die Wahl der Extraktions- und<br />
Rotationsmethode arbiträr und führt meist zu anderen Ergebnissen. Deshalb sollten die<br />
durch die statistische Analyse hervorgegangenen Modelländerungen zuvor mit den<br />
vorgesehenen Modellnutzern nochmals diskutiert werden.<br />
8.6.3 Theoretische Beurteilung der Diskr<strong>im</strong>inanzvalidität<br />
Eine zentrale Annahme des entwickelten HSRM 3 Reifegradmodells ist, dass die Koor-<br />
dinationsform des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs einen wesentlichen Einfluss auf die Reifebe-<br />
urteilung hat. Folglich sind, basierend auf der gängigen Literatur, fünf Szenarien defi-<br />
niert worden, welche als Grundlage für die Klassifizierung der Einkaufsorganisation<br />
dienen. 122 Anders als bei einem Grossteil der Reifegradmodelle ist die Situativität<br />
demnach inhärenter Bestandteil des HSRM 3 . Fraglich ist jedoch, ob für die Bewertung<br />
der Reife des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs die Situativität tatsächlich eine Rolle spielt und<br />
121 Nach BÜHNER wird mindestens ein n = 60, besser noch ein n > 100 erwartet [Bühner 2004a, S. 157].<br />
122 Vgl. Abschnitte 4.1.3 und 7.2.1.
240 Evaluation des Reifegradmodells<br />
falls ja, ob die definierten Szenarien geeignet sind, um eine zweckmässige Differenzie-<br />
rung herzustellen.<br />
Wesentliches erkenntnistheoretisches Kriterium zur Beurteilung der konzeptionellen<br />
Richtigkeit der aufgezeigten Fragestellungen ist deshalb die Diskr<strong>im</strong>inanzvalidität.<br />
Diese bezeichnet den Grad in dem andere Einflussgrössen bei der Messung ausge-<br />
schlossen werden [vgl. Schnell et al. 2008, S. 157]. Übertragen auf die aufgestellte<br />
Hypothese liegt Diskr<strong>im</strong>inanzvalidität vor, wenn ein Gestaltungsszenario andere<br />
Sachverhalte erfasst als die anderen Szenarien.<br />
Ein geeignetes Mittel, um die beiden Teilfragestellungen zu beantworten, ist die statis-<br />
tische Methode der Diskr<strong>im</strong>inanzanalyse [vgl. Backhaus et al. 2006, S. 156 f.]. Diese<br />
liefert zum einen Anhaltspunkte darüber, ob ein signifikanter Unterschied zwischen<br />
den Einkaufsorganisationen der untersuchten Krankenhäuser besteht, zum anderen, ob<br />
die spezifizierten Szenarien für die Klassifizierung geeignet sind. 123 Infolgedessen<br />
werden die Gestaltungsszenarien als Gruppenvariable (Differentiator) und die durch-<br />
schnittlichen Ergebnisse der personenzentrierten Gestaltungsd<strong>im</strong>ensionen als unab-<br />
hängige Variablen verstanden. 124 Daraus ergeben sich drei Subhypothesen, die mit den<br />
vorliegenden Daten getestet werden können:<br />
1. Das Gestaltungsszenario hat einen Einfluss auf das strategische <strong>Supply</strong> Manage-<br />
ment eines <strong>Krankenhaus</strong>es.<br />
2. Das Gestaltungsszenario hat einen Einfluss auf das taktische <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong><br />
eines <strong>Krankenhaus</strong>es.<br />
3. Das Gestaltungsszenario hat einen Einfluss auf das operative <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong><br />
eines <strong>Krankenhaus</strong>es.<br />
Die Resultate der Diskr<strong>im</strong>inanzanalyse sind in Tabelle 50 und Tabelle 51 dargestellt.<br />
Erstere zeigt, ob die Szenarien einen signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse der je-<br />
weiligen Gestaltungsd<strong>im</strong>ension haben. Eine Aussage kann als signifikant verstanden<br />
werden, wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit p � 0,05 und als sehr signifikant, wenn p<br />
123 Anders als die Clusteranalyse, die anhand von Distanzmassen ähnliche Strukturen entdecken möchte, werden<br />
bei der Diskr<strong>im</strong>inanzanalyse die Klassifikationsvariablen vorgegeben und die Eignung zur Vorhersage der<br />
Gruppenzugehörigkeit geprüft. Beispiele für die Anwendung der Clusteranalyse in der WI sind [Baumöl<br />
2008; Bucher 2009; Reinshagen 2009].<br />
124 Aus Komplexitätsgründen wird für die Prüfung der Diskr<strong>im</strong>inanzvalidität die personenzentrierte anstelle der<br />
prozesszentrierten Gestaltungsd<strong>im</strong>ension zugrundegelegt. Die Berechnung erfolgt wiederum mit SPSS Ver-<br />
sion 17.0.
Evaluation des Reifegradmodells 241<br />
� 0,01 ist. Ferner beschreibt das Gütemass Wilks-Lambda (�) die Trennkraft der Dis-<br />
kr<strong>im</strong>inanzfunktion [vgl. Backhaus et al. 2006, S. 182]. Der Wertebereich von � liegt<br />
zwischen 0 und 1, wobei kleinere Werte eine hohe Trennkraft und grössere Werte eine<br />
geringe Trennkraft bedeuten. Aus Tabelle 50 ist also ersichtlich, dass eine signifikante<br />
Relation zwischen dem gewählten Szenario und dem strategischen <strong>Supply</strong> Manage-<br />
ment und eine sehr signifikante Relation in Bezug auf das taktische <strong>Supply</strong> Manage-<br />
ment besteht. Keinen Einfluss hat das gewählte Szenario auf das operative <strong>Supply</strong><br />
<strong>Management</strong>, was ebenfalls auf die geringe Trennkraft zurückzuführen ist (da keines<br />
der untersuchten Krankenhäuser seinen Einkauf ausgelagert hat, werden die operativen<br />
Tätigkeiten mehr oder weniger überall ähnlich durchgeführt). Demzufolge können die<br />
ersten beiden Subhypothesen bestätigt und die letzte verworfen werden. In Hinblick<br />
auf die initale Fragestellung, ob die Situativität einen Einfluss auf die Gestaltung des<br />
<strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>s eines <strong>Krankenhaus</strong>es hat, kann dies ins<strong>of</strong>ern bejaht werden.<br />
Gestaltungsd<strong>im</strong>ension Wilks-Lambda df1 df2 Signifikanz<br />
Strategisches <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> ,403 3 11 ,049<br />
Taktisches <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> ,326 3 11 ,005<br />
Operatives <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> ,719 3 11 ,286<br />
Tabelle 50: Gleichheitstest der Szenariomittelwerte<br />
Aus Tabelle 51 ist zu entnehmen, wie gut die Operationalisierung der Szenarien ge-<br />
eignet ist, um die Krankenhäuser richtig zu klassifizieren. Insgesamt sind lediglich<br />
73,3% der ursprünglich gruppierten Krankenhäuser korrekt klassifiziert worden (z. B.<br />
wird ein anfänglich als dezentraler Einkauf klassifiziertes <strong>Krankenhaus</strong> durch die Dis-<br />
kr<strong>im</strong>inanzfunktion als Netzwerk eingestuft oder vier zentrale Einkaufsorganisationen<br />
als Hybride). Die Wahrscheinlichkeit einer Fehlklassifikation ist demnach relativ<br />
hoch. Infolgedessen ist zu überlegen, wie die Szenarien noch eindeutiger beschrieben<br />
werden können, um eine richtige Klassifikation zu gewährleisten (z. B. Hilfetext <strong>im</strong><br />
Prototyp, grafische Erklärung entsprechend Abbildung 29, etc.). Demnach kann die<br />
Tauglichkeit der spezifizierten Szenarien als ein Schwachpunkt gesehen und sollte in<br />
einer weiteren Iteration des Konstruktionsprozesses unbedingt adressiert werden. Ins-<br />
gesamt kann jedoch gesagt werden, dass das Konzept der Situativität ebenfalls auf den<br />
Artefakttyp „Reifegradmodell“ angewendet werden kann resp. unabdingbar ist, wenn<br />
die Reifebeurteilung situationsgerechte und vergleichbare Resultate liefern soll.
242 Evaluation des Reifegradmodells<br />
Szenario Vorhergesagte Gruppenzugehörigkeit Gesamt<br />
Dezentral Zentral Hybrid Netzwerk<br />
Anzahl Dezentral 1 1<br />
Zentral 3 4 7<br />
Hybrid 2 2<br />
Netzwerk 5 5<br />
% Dezentral 100,0 100,0<br />
Zentral 42,9 57,1 100,0<br />
Hybrid 100,0 100,0<br />
Netzwerk 100,0 100,0<br />
Tabelle 51: Klassifizierungsergebnisse<br />
8.7 Zusammenfassung der Ergebnisse<br />
Ziel der vorliegenden Evaluation ist eine möglichst breite und umfassende Bewertung<br />
des in Kapitel 7 vorgeschlagenen Reifegradmodells zu liefern. Aufbauend auf dem von<br />
FRANK vorgeschlagenen Bezugsrahmen für die multiperspektivische Evaluation von<br />
Referenzmodellen, ist das konstruierte Artefakt aus einer ingenieurmässigen Sicht, aus<br />
Anwendersicht, aus ökonomischer Sicht und schliesslich auch aus epistemologischer<br />
Sicht anhand verschiedener Kriterien und unterschiedlicher Evaluationsmethoden be-<br />
urteilt worden:<br />
� Mittels argumentativer Deskription ist das Reifegradmodell hinsichtlich der Einhal-<br />
tung allgemeingültiger Qualitätsmerkmale und Konstruktionsrichtlinien sowie mit<br />
Rücksicht auf die eigenen Anforderungen verifiziert worden.<br />
� Die Validierung des vorgeschlagenen Artefakts ist auf Basis einer empirischen Un-<br />
tersuchung erfolgt. Hierzu sind die Einkaufsverantwortlichen ex post <strong>im</strong> Hinblick<br />
auf die Angemessenheit und Nützlichkeit des Reifegradmodells in einer schriftli-<br />
chen Umfrage befragt worden.<br />
� Auf Basis verschiedener statistischer Analysen sind schliesslich zentrale Modell-<br />
annahmen auf ihre erkenntnistheoretische Begründbarkeit untersucht worden.<br />
Grundlage dafür bildeten die Resultate aus der Reifebeurteilung von insgesamt<br />
fünfzehn Krankenhäusern, welche bereits für die Definition der Reife- und Fähig-<br />
keitsgrade genutzt wurden.<br />
Die Verifikation der Problemlösung und des Problemlösungsprozesses hat ergeben,<br />
dass die grundlegenden Anforderungen an das Reifegradmodell eingehalten werden.
Evaluation des Reifegradmodells 243<br />
Hier kann allerdings angemerkt werden, dass das konstruierte HSRM 3 , insbesondere<br />
bei der Beurteilung organisatorischer und kultureller Gestaltungsobjekte, <strong>of</strong>tmals zu<br />
viel Raum für subjektive Urteile <strong>of</strong>fen lässt. Dieser Aspekt kann dadurch abgefangen<br />
werden, dass die Reifebeurteilung durch mehrere Personen (z. B. vor- oder nachgela-<br />
gerte Bereiche des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs, <strong>Krankenhaus</strong>management) durchgeführt<br />
wird. Da dies mit einem Mehraufwand verbunden ist, muss jedoch eine klare und lang-<br />
jährige Verpflichtung zur Nutzung dieses Reifegradmodells bestehen, da ansonsten der<br />
Mehraufwand nicht gerechtfertigt ist.<br />
Die Analyse aus Nutzerperspektive hat deutlich gemacht, dass die Mehrheit der be-<br />
fragten Einkaufsverantwortlichen eine Wiederverwendung des Reifegradmodells be-<br />
grüsst. Sowohl die Qualität des Bewertungsmodells als auch die des Analyse- und Er-<br />
hebungswerkzeugs scheinen positiv auf die Nutzerakzeptanz zu wirken. Uneinheitli-<br />
cher Meinung sind die befragten Personen in Bezug auf das Vorgehen der Reifebeur-<br />
teilung. Lediglich ein Fünftel ist mit der derzeitigen unterstützten Befragung einver-<br />
standen. Weitaus mehr der Einkaufsverantwortlichen sehen sich in der Lage das As-<br />
sessment selbständig durchzuführen. Dies wäre mit den zur Verfügung stehenden (tex-<br />
tuellen und s<strong>of</strong>twaretechnischen) Mitteln vermutlich auch möglich, jedoch würde die<br />
Konsistenz der Befragung trotz der hohen Reliabilität des Bewertungsmodells darunter<br />
leiden. Insbesondere in Bezug auf die branchenweite Betrachtung der Reife des Kran-<br />
kenhauseinkaufs könnte dies verschiedene Folgen haben: Zum einen könnte der Ziel-<br />
horizont unterschiedlich gewählt werden und somit die Bewertung des Soll-Zustands<br />
empfindlich beeinflusst werden, zum anderen könnte es vermehrt zu Ausreissern<br />
kommen (bspw. aufgrund ausserordentlich konservativer oder progressiver Bewertun-<br />
gen, internem Erklärungsdruck, etc.). Das andere Extremum, die Fremdbeurteilung, ist<br />
indes nur von einer kleinen Gruppe der Befragten befürwortet worden.<br />
Die Beurteilung aus ökonomischer Perspektive hat gezeigt, dass das Reifegradmodell<br />
vorwiegend einen persönlichen Nutzen für die jeweiligen Einkaufsverantwortlichen<br />
und weniger einen organisationalen Nutzen generiert. Es darf allerdings nicht unbe-<br />
rücksichtigt bleiben, dass die Wirkungen aus der kontinuierlichen Anwendung eines<br />
Reifegradmodells erst nach mehreren Jahren auftreten. Folglich sind die hier dargeleg-<br />
ten Resultate mit Vorsicht zu geniessen. Um die Nützlichkeit des Reifegradmodells<br />
abschliessend bewerten zu können, ist deshalb eine Langzeitstudie notwendig.<br />
Aus epistemologischer Sicht sind drei zentrale Modellannahmen überprüft worden:<br />
� Die Reliabilität des Reifegradmodells resp. ob die abstrahierten Gestaltungsobjekte<br />
ein zuverlässiges Gestalten des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs erlauben,
244 Evaluation des Reifegradmodells<br />
� Die Konvergenzvalidität des Reifegradmodells resp. ob die spezifizierten Gestal-<br />
tungsd<strong>im</strong>ensionen in sich schlüssig sind,<br />
� Die Diskr<strong>im</strong>inanzvalidität des Reifegradmodells resp. ob die definierten Szenarien<br />
eine korrekte Verallgemeinerung der Realität wiedergeben.<br />
Zusammenfassend kann hier festgehalten werden, dass sich diese zentralen Annahmen<br />
bestätigt haben. Das gilt sowohl für die Reliabilität als auch für die Validität des Rei-<br />
fegradmodells. In Bezug auf die erste Annahme zeigt sich, dass mehrere Gestaltungs-<br />
objekte nicht trennscharf voneinander differenziert werden können und deshalb evtl.<br />
ausgeschlossen werden sollten. Im Hinblick auf die zweite Modellannahme kann ge-<br />
sagt werden, dass der Grossteil der Gestaltungsobjekte der richtigen Gestaltungsdi-<br />
mension zugeordnet ist. Lediglich vereinzelte Gestaltungsobjekte scheinen eine<br />
nachteilige Zuordnung aufzuweisen. Bevor allerdings eine Änderung an der Modellba-<br />
sis vorgenommen wird, sollten die Modellnutzer darüber entscheiden, ob dieser Um-<br />
stand die interne Konsistenz des Reifegradmodells tatsächlich wesentlich beeinflusst,<br />
da gemäss ihren Angaben dieses Kriterium weitestgehend erfüllt ist. Die letzte Mo-<br />
dellannahme lässt sich ins<strong>of</strong>ern bekräftigen, als dass die Situativität einen bedeutenden<br />
Einfluss auf das strategische und taktische <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> eines <strong>Krankenhaus</strong>es<br />
ausmacht. Jedoch scheinen die definierten Szenarien keine eineindeutige Klassifizie-<br />
rung zu erlauben, da rund ein Drittel der beurteilten Krankenhäuser statistisch gesehen<br />
falsch klassifiziert wurde. Damit dies geschmälert werden kann, sind textuelle und gra-<br />
fische Erklärungen <strong>im</strong> Analyse- und Erhebungswerkzeug zu integrieren.<br />
In Hinblick auf die in Kapitel 1 definierten Gestaltungsziele der vorliegenden Arbeit<br />
kann gesagt werden, dass die gesteckten Ziele sowohl in Bezug auf die Konzeption als<br />
auch auf die Umsetzung des Reifegradmodells erreicht wurden. Folglich sollte in An-<br />
lehnung an SIMON eine weitere Iteration des Problemlösungsprozesses nur dann er-<br />
folgen, wenn der Aufwand für eine weitere Opt<strong>im</strong>ierung der Zielfunktion den daraus<br />
resultierenden Nutzen übersteigt [vgl. S<strong>im</strong>on 1996, S. 116 f.]. Dies ist in Anbetracht<br />
der dargelegten Evaluationsergebnisse nur bedingt der Fall. Allerdings gibt es zahlrei-<br />
che Anschlusspunkte, die näher diskutiert werden müssen. Im folgenden und letzten<br />
Kapitel 9 werden deshalb die zentralen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit noch ein-<br />
mal zusammengefasst, kritisch analysiert und ein Ausblick auf die weitere Entwick-<br />
lung und den Forschungsbedarf in diesem Gebiet gegeben.
Schlussbetrachtung 245<br />
9 Schlussbetrachtung<br />
In den nachfolgenden Abschnitten erfolgt eine abschliessende Zusammenfassung der<br />
Ergebnisse und eine Generalisierung der Erkenntnisse dieser Arbeit (Abschnitt 9.1).<br />
Daran anschliessend greift die kritische Würdigung die wesentlichen L<strong>im</strong>itationen und<br />
Nutzenaspekte auf (Abschnitt 9.2). Zuletzt werden die Betrachtungen mit einem kur-<br />
zen Ausblick auf mögliche Anschlusspunkte für weiterführende Forschungsarbeiten<br />
abgeschlossen (Abschnitt 9.3).<br />
9.1 Zusammenfassung und Generalisierung der Ergebnisse<br />
Stetig ansteigende Gesundheitsausgaben erhöhen den Druck zur effektiveren und effi-<br />
zienteren Gestaltung von Anreizstrukturen, Praktiken, S<strong>of</strong>twarekomponenten und<br />
Wissenskomponenten <strong>im</strong> Gesundheitswesen. Insbesondere die Beschaffung in Kran-<br />
kenhäusern sieht sich davon betr<strong>of</strong>fen, da die Krankenhäuser zum einen den grössten<br />
Kostenblock des Gesundheitswesens verursachen, zum anderen die Sachkosten einfa-<br />
cher zu opt<strong>im</strong>ieren sind als die mit der Erbringung einer Gesundheitsleistung verbun-<br />
denen Personalkosten. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die betreffenden Stellen<br />
bei der organisationalen Gestaltung des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs durch die Entwicklung<br />
eines konfigurierbaren Reifegradmodells zu unterstützen. Das Forschungsziel wurde<br />
entsprechend wie folgt formuliert:<br />
1. Identifikation der für den Kontext des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs relevanten Gestal-<br />
tungsobjekte und -situationen,<br />
2. Konzipierung eines multid<strong>im</strong>ensionalen Modells zur Bewertung der Reife der iden-<br />
tifizierten Gestaltungsobjekte und -situationen sowie<br />
3. Konstruktion eines S<strong>of</strong>twareprototyps, welcher die notwendigen Funktionen bereit-<br />
stellt, um die Reife des Gestaltungsbereichs zu erheben und zu analysieren.<br />
Den Ausgangspunkt zur Lösung dieser Problemstellung bilden die Klärung der grund-<br />
legenden Begriffe in Kapitel 2 und die Aufarbeitung der elementaren Konzepte in Ka-<br />
pitel 3. Im Sinne der Strukturierung und Ordnung der untersuchten Grundlagen ist ein<br />
Entwurfsmuster abgeleitet worden, das bei der späteren Problemlösung genutzt wird.<br />
Zur Feststellung der Voraussetzungen und Anforderungen an das zu entwickelnde Rei-<br />
fegradmodell sind in Kapitel 4 unterschiedliche Erkenntnisquellen untersucht worden:<br />
Einerseits werden auf Basis der einschlägigen Literatur der Auftrag, die Zielsetzungen
246 Schlussbetrachtung<br />
und Organisationsformen des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs diskutiert, andererseits ist eine<br />
Einordnung in den grösseren Kontext vorgenommen worden. Darüber hinaus werden<br />
auf Grundlage empirischer Untersuchungen und eigener Fallstudien die aus heutiger<br />
Sicht substantiellen Herausforderungen ermittelt.<br />
In einem weiteren Schritt ist in Kapitel 5 eine umfassende Analyse bestehender Reife-<br />
gradmodelle aus dem Bereich SCM und E-Business erfolgt. Da jedoch keiner der be-<br />
trachteten Ansätze für sich genommen in der Lage ist, den gewählten Gestaltungsbe-<br />
reich adäquat und erschöpfend zu adressieren, dient die vergleichende Bewertung als<br />
Begründung der Notwendigkeit für die Entwicklung eines neuen Reifegradmodells.<br />
Des Weiteren konnte festgestellt werden, dass nur wenige Modelle ihre Konstrukti-<br />
onsprinzipien <strong>of</strong>fen legen und ausreichend begründen. Infolgedessen werden in Kapi-<br />
tel 6 die grundlegenden Designentscheide in Bezug auf die Struktur und Beschaffen-<br />
heit des Reifegradmodells erklärt. Schliesslich wird auch gezeigt, wie die Modellent-<br />
wicklung vollzogen wird. Diese unterscheidet sich hinsichtlich dreier Aspekte von den<br />
herkömmlichen Vorgehen:<br />
� Die Modellinhalte werden vor der Festlegung der Reifegrade formal beschrieben.<br />
� Die Modellinhalte werden zum Zweck der Datenerhebung operationalisiert.<br />
� Die Anwendung der spezifizierten Techniken bildet die Basis zur Berechnung und<br />
Herleitung statischer und flexibler Gestaltungsempfehlungen.<br />
Die eigentliche Modellentwicklung wird in Kapitel 7 beschrieben. Diese ist sowohl<br />
induktiv auf Basis von Erkenntnissen aus der Praxis (z. B. Fokusgruppen, Fallstudien)<br />
als auch deduktiv auf Grundlage bestehender Ansätze erfolgt (z. B. CMMI-ACQ,<br />
GPIS MM, LISI). Das resultierende Reifegradmodell besteht aus drei Lösungskompo-<br />
nenten: Einer Domänenontologie, welche die inhaltlichen Aspekte des Gestaltungsbe-<br />
reichs in Beziehung setzt und formalisiert, einem Bewertungsmodell, welches das Ras-<br />
ter für die Reifebeurteilung bildet und schliesslich einem Erhebungs- und Analyse-<br />
werkzeug. Letzteres ist dazu genutzt worden, um den Zustand von fünfzehn Schweizer<br />
Krankenhäuser aufzunehmen. Basierend auf diesen Daten und eines probabilistischen<br />
Analyseverfahrens konnten <strong>im</strong> Sinne von Common-Practice-Empfehlungen die Reife-<br />
und Fähigkeitsgrade abgeleitet werden.<br />
Zum Nachweis der korrekten Umsetzung der definierten Anforderungen sowie zur<br />
Prüfung des Erfüllungsgrades der zu Beginn der Arbeit aufgestellten Gestaltungsziele<br />
ist das entwickelte Reifegradmodell in Kapitel 8 einer umfassenden Evaluation unter-<br />
zogen worden. Dies ist aus einem ingenieurmässigen, nutzerbezogenen, ökonomischen
Schlussbetrachtung 247<br />
sowie epistemologischen Blickwinkel und unter Anwendung verschiedener Evaluati-<br />
onsmethoden geschehen. Aus der Ingenieursperspektive ist mittels einer argumentativ-<br />
deduktiven Analyse in erster Linie die Einhaltung allgemeingültiger Konstruktions-<br />
richtlinien und Qualitätskriterien geprüft worden, was einer Verifikation der Problem-<br />
lösung gleichkommt. Die Validierung ist aus einer nutzerbezogenen und ökonomi-<br />
schen Perspektive erfolgt. Hierzu sind diejenigen <strong>Krankenhaus</strong>vertreter, bei denen eine<br />
Erhebung mit dem Reifegradmodell durchgeführt wurde, nachträglich schriftlich hin-<br />
sichtlich der Tauglichkeit und Nützlichkeit des Modells befragt worden. Schliesslich<br />
ist das Reifegradmodell auch aus epistemologischen Gesichtspunkten mittels unter-<br />
schiedlicher statistischer Tests bewertet worden.<br />
Die Ergebnisse der Evaluation sprechen grundsätzlich für die Relevanz und Angemes-<br />
senheit des Reifegradmodells. Da eine Reihe von Aspekten nicht solide evaluiert wer-<br />
den konnten, bleiben insbesondere aus ökonomischer und epistemologischer Sicht ei-<br />
nige Fragen <strong>of</strong>fen. In späteren Betrachtungen sollte deshalb auf die organisationalen<br />
Auswirkungen und die Korrektheit der Reifegradstufen stärker Bezug genommen wer-<br />
den.<br />
Unabhängig davon stellt sich weiterhin die Frage, was aus der Lösung des Problems<br />
gelernt werden kann [vgl. Rossi, Sein 2003, S. 10]. Generell kann hier festgehalten<br />
werden, dass die Entwicklung eines Reifegradmodells stets eine Gratwanderung zwi-<br />
schen den Vorstellungen des Konstrukteurs und den Wünschen der Anwender dar-<br />
stellt. Insbesondere aus den Fokusgruppendiskussionen wurde klar, dass die Meinun-<br />
gen hinsichtlich des Innovationsgehalts, Tiefe und Breite der Inhalte eines Reifegrad-<br />
modells stark differieren können. Da in aller Regel die Modellkonstrukteure das me-<br />
thodische und die Anwender das fachliche Wissen mit sich bringen, sollte eine „sym-<br />
biotische“ Beziehung angestrebt werden. Nicht zuletzt sind die Entwicklung und An-<br />
wendung eines Reifegrademodells als in einander verkettete Zyklen zu betrachten (vgl.<br />
Abbildung 78): Bei der Modellentwicklung ist zu beachten, wie das Reifegradmodell<br />
in der Praxis Anwendung finden soll. Umgekehrt muss bei der Vorbereitung eines As-<br />
sessments dafür gesorgt werden, dass das erforderliche Wissen und die hinreichenden<br />
Hilfsmittel vorhanden sind. Ähnliche Anknüpfungspunkte ergeben sich auch in Bezug<br />
auf die Modellevaluation und Modellanwendung. Beispielsweise sind in der vorlie-<br />
genden Arbeit auf Basis der Daten, die durch die Anwendung des Reifegradmodells in<br />
der Praxis erhoben wurden, unterschiedliche Aspekte der Problemlösung evaluiert<br />
worden. Auf der anderen Seite stellt die Evaluation eine wichtige Entscheidungsgrund-<br />
lage für die Beurteilung der Güte und Anwendbarkeit eines Reifegradmodells dar. Ge-
248 Schlussbetrachtung<br />
rade in der heutigen Zeit, in der sich dieses Konzept zunehmender Beliebtheit erfreut<br />
[vgl. z. B. Mettler et al. 2009, S. 1, Mettler, Rohner 2009, S. 1], sollten die Modell-<br />
entwickler den potenziellen Modellnutzern genügend Anhaltspunkte für die richtige<br />
Auswahl eines Reifegradmodells liefern.<br />
Bedürfnis<br />
oder<br />
Chance<br />
erkennen<br />
Konstruktion Anwendung<br />
Zweck<br />
best<strong>im</strong>men<br />
Weiterentwicklung<br />
reflektieren<br />
Modell<br />
entwickeln<br />
Modell<br />
evaluieren<br />
Anwendung<br />
vorbereiten<br />
Modell<br />
anwenden<br />
Modell<br />
auswählen<br />
Erfahrungen<br />
festhalten<br />
und lernen<br />
Abbildung 78: Zyklen der Reifegradmodellkonstruktion und -anwendung 125<br />
9.2 Kritische Würdigung<br />
Bedürfnis<br />
erkennen<br />
Im Rahmen einer multiperspektivischen Evaluation ist das Reifegradmodell <strong>im</strong> vorhe-<br />
rigen Kapitel 8 bereits einer kritischen Bewertung der erarbeiteten Ergebnisse unterzo-<br />
gen worden. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass die konstruierte Problem-<br />
lösung gleichermassen den theoretischen Anforderungen einer wissenschaftlichen Ar-<br />
beit als auch den Ansprüchen der Praxis genügt und somit ein positiver Nutzen gene-<br />
riert wird. Noch unreflektiert ist die Fragestellung, ob das Reifegradmodell den An-<br />
spruch der Allgemeingültigkeit und des Empfehlungscharakters zureichend erfüllt. 126<br />
Dies ist der Fall, wenn die abstrahierten Ergebnisse der Artefaktkonstruktion resp. das<br />
Artefakt selbst den Erfordernissen einer (Design-)Theorie nachkommt. GREGOR de-<br />
finiert diesbezüglich sechs notwendige und zwei hinreichende Voraussetzungen [vgl.<br />
Gregor 2007, S. 322 f.]:<br />
� Zweckbest<strong>im</strong>mung (causa finalis): Das entwickelte Reifegradmodell muss seine<br />
intendierte Zielfunktion definieren und den Wirkungsbereich abgrenzen. In der<br />
125 Übernommen aus [Mettler 2009, S. 8].<br />
126 Wie in Abschnitt 3.2 erläutert, ist ein Reifegradmodell eine spezielle Form eines Referenzmodells und sollte<br />
folglich auch nach diesen Kriterien beurteilt werden.
Schlussbetrachtung 249<br />
vorliegenden Arbeit ist dies auf unterschiedliche Weise erfolgt: Einerseits ist zu<br />
Beginn der Arbeit der Wirkungsbereich <strong>im</strong> Hinblick auf die Gestaltung des Kran-<br />
kenhauseinkaufs klar eingegrenzt und unterschiedliche Gestaltungsziele formuliert<br />
worden. Andererseits ist anhand einer morphologischen Analyse möglicher De-<br />
signentscheide ein Bezugsrahmen für den Entwurf des Reifegradmodells formuliert<br />
worden, der als weiterer Anhaltspunkt für die Zweckbest<strong>im</strong>mung dient.<br />
� Konstruktdefinition (causa materialis): Die für die Artefaktkonstruktion benötigten<br />
Entitäten müssen entsprechend definiert werden. Dies ist in der vorliegenden Ar-<br />
beit <strong>im</strong> Zuge der Grundlegung der Reifegradmodellentwicklung geschehen. Auf<br />
Basis der dort beschriebenen Metaentitäten sind in einem weiteren Schritt die ein-<br />
zelnen Metaentitäten, <strong>im</strong> Sinne von Gestaltungsobjekten, instanziiert und mittels<br />
Ontologie formalisiert worden.<br />
� Form- und Strukturprinzipien (causa formalis): Nebst der Definition der grundle-<br />
genden Entitäten ist auch ein „Bauplan“ der Artefaktkonstruktion zu spezifizieren.<br />
Infolgedessen sind auf Basis der Untersuchung unterschiedlicher Referenz- und<br />
Reifegradmodelle die konzeptuellen Inhalte und Struktur des hier entwickelten Ar-<br />
tefakts anhand von Metamodellen abgebildet worden. Ferner sind die einzelnen<br />
Schritte des Vorgehens, wie das Reifegradmodell entwickelt wurde, textuell be-<br />
schrieben.<br />
� Begründete Wissensbasis: Das konstruierte Artefakt baut auf akzeptiertem Wissen<br />
auf. Ausgangspunkt der Artefaktkonstruktion bildet die Untersuchung der theoreti-<br />
schen und konzeptionellen Grundlagen. Ferner greifen die Anforderungsanalyse<br />
und die anschliessende Konstruktion explizit auf die bestehende Wissensbasis ver-<br />
schiedener Disziplinen zurück.<br />
� Wandlungsfähigkeit des Artefakts: Der Grad der Wandelungsfähigkeit eines Arte-<br />
fakts ist explizit zu beschreiben. Die Situativität spielt, anders als bei den meisten<br />
Reifegradmodellen, in der vorliegenden Arbeit eine bedeutende Rolle. Indem ver-<br />
schiedene Konfigurationsszenarien textuell beschrieben und in einer Konfigurati-<br />
onsmatrix formalisiert werden, kann eine situationsgerechte Reifebeurteilung ga-<br />
rantiert werden. In diesem Zusammenhang sind jedoch zwei L<strong>im</strong>itationen aufzu-<br />
führen: Zum einen ist die Trennschärfe der definierten Szenarien noch zu ungenau,<br />
was sich in einer hohen Wahrscheinlichkeit einer Fehlklassifikation ausdrückt. 127<br />
Zum anderen fussen die verdichteten Konfigurationsaussagen der definierten Mat-<br />
127 Vgl. Abschnitt 8.6.3.
250 Schlussbetrachtung<br />
rix ausschliesslich auf die Erkenntnisse der gängigen Literatur und konnten nicht<br />
<strong>im</strong> Detail evaluiert werden. Im Rahmen der Assessments bei den Krankenhäusern<br />
wurde die szenariobasierte Reifebeurteilung zumindest nicht als unrichtig oder als<br />
unpassend wahrgenommen. Aus den dargelegten Erläuterungen ergibt sich deshalb<br />
ein zusätzlicher Forschungsbedarf <strong>im</strong> Hinblick auf die inhaltliche Anpassungen<br />
und Erweiterungen der Konfiguration des Reifegradmodells.<br />
� Überprüfbare Prämissen: Die letzte zwingende Voraussetzung ist die Formulie-<br />
rung überprüfbarer Aussagen aus den Ergebnissen des Artefakts [vgl. Gregor 2007,<br />
322]. Generell kann gesagt werden, dass mit Ausnahme des CMMI nur wenig<br />
überprüfbare Erkenntnisse zur Effizienz und Effektivität von Reifegradmodellen<br />
existieren. Im Zuge der Evaluation aus epistemologischer Perspektive konnte erst-<br />
mals gezeigt werden, dass die Situativität bei der Reifebeurteilung von Bedeutung<br />
ist. Ferner lassen die Ergebnisse der Befragung den Schluss zu, dass der Nutzen<br />
von Reifegradmodellen pr<strong>im</strong>är auf Individualebene und erst sekundär auf der orga-<br />
nisationalen Ebene entsteht. Da letzterer erst verzögert auftritt ist eine finale Aus-<br />
sage über die Nützlichkeit des entwickelten Reifegradmodells nicht möglich und<br />
kann somit als Kritikpunkt gesehen werden. Eine weitere L<strong>im</strong>itation ist die fehlen-<br />
de Evaluation der Korrektheit der definierten Reife- und Fähigkeitsgrade. Ähnlich<br />
wie der organisationale Nutzen kann dies erst durch eine erneute Erhebung bzw.<br />
einer Langzeitbetrachtung belegt werden. Speziell in Bezug auf die vorliegende<br />
Arbeit ist auch die geringe Stichprobengrösse von n = 15 Krankenhäuser als weite-<br />
rer Kritikpunkt aufzuführen. Hieraus motiviert sich unmittelbar der Bedarf einer<br />
weitergehenden empirischen Absicherung der dargelegten Ergebnisse.<br />
� Implementierungsprinzipien (causa efficiens): Eine hinreichende Voraussetzung ist<br />
die Beschreibung von Implementierungsprinzipien, d. h. wie das Artefakt konkret<br />
zu <strong>im</strong>plementieren ist. Im Hinblick auf das entwickelte Reifegradmodell kann eine<br />
mögliche Form die Definition einer Begutachtungsmethode sein. 128 Da in der vor-<br />
liegenden Arbeit die Konstruktion des Modells <strong>im</strong> Vordergrund stand und weniger<br />
deren Anwendung ist das Vorgehen zur Begutachtung nur in Teilen spezifiziert.<br />
Zentrale Elemente einer ordentlichen Methode (z. B. Vorgehens-, Dokumentations-<br />
und Rollenmodell) fehlen. Dementsprechend besteht auch hier ein Bedarf für wei-<br />
tere Forschungsbemühungen.<br />
128 Vgl. Abschnitt 3.2.4.
Schlussbetrachtung 251<br />
� Darlegende Instanziierung: Eine weitere hinreichende Voraussetzung ist die In-<br />
stanziierung der angedachten Annahmen und Prinzipien. Dies ist in der vorliegen-<br />
den Arbeit durch die Entwicklung eines relativ einfachen Prototyps erfolgt. Die<br />
Funktionen des Prototyps sind rud<strong>im</strong>entär, jedoch konnten dadurch wichtige Erfah-<br />
rungen gesammelt werden, welche auch für die Evaluation des Reifegradmodells<br />
genutzt werden konnten. Aufgrund der positiven Ergebnisse der ex post Befragung<br />
besteht eine mögliche Entwicklungsrichtung der vorliegenden Arbeit darin, die<br />
Funktionalitäten des Prototyps weiter auszubauen und allenfalls weitere Reife-<br />
gradmodelle dadurch zu unterstützen.<br />
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das entwickelte Reifegradmodell<br />
durchaus als (Design-)Theorie verstanden werden kann. 129 Die Allgemeingültigkeit<br />
und der Empfehlungscharakter sind ins<strong>of</strong>ern gegeben, als dass das Reifegradmodell<br />
durch Praktiker weitestgehend positiv bewertet und die Richtlinien fundierter Design<br />
Research Forschung eingehalten wurden.<br />
9.3 Ausblick und mögliche Anschlusspunkte<br />
Mit der Entwicklung eines Reifegradmodells für das <strong>Supply</strong> <strong>Management</strong> in Kranken-<br />
häusern greift die vorliegende Arbeit einerseits inhaltliche als auch methodische Fra-<br />
gestellungen heraus. Folgende inhaltliche Erweiterungen oder Ergänzungen der vor-<br />
liegenden Arbeit umreissen mögliche Anschlusspunkte für weiterführende For-<br />
schungsarbeiten:<br />
� Weiterführende empirische Erhebungen in Krankenhäusern: Wie bereits erläutert,<br />
ist ein erkannter Schwachpunkt der vorliegenden Arbeit die geringe Stichproben-<br />
grösse. Auch konnte nicht für jedes der spezifizierten Szenarien eine ausreichend<br />
grosse Testbasis zur Verfügung gestellt werden (z. B. Krankenhäuser mit ausgela-<br />
gerten Einkaufsorganisationen). Deshalb ist diese mit Rücksicht auf die weitere<br />
Überarbeitung und Evaluation des Reifegradmodells entsprechend auszuweiten,<br />
insbesondere dann, wenn eine längerfristige Überprüfung der Korrektheit und des<br />
Nutzens des entwickelten HSRM 3 Reifegradmodells angestrebt wird. Um an die<br />
notwendige Testbasis zu gelangen, ist eine Ausdehnung des Befragungsradius auf<br />
Krankenhäuser des gesamten deutschsprachigen Raums erforderlich. Dies sollte<br />
129 Wie in Abschnitt 1.4.2 erläutert geht die vorliegende Arbeit davon aus, dass die entwickelten Artefakte die<br />
Theorien der gestaltungsorientierten Forschung sind und dementsprechend keine eigenständige Ergebnisse<br />
repräsentieren.
252 Schlussbetrachtung<br />
aufgrund der hohen Ähnlichkeit dieser Gesundheitssysteme jedoch unproblema-<br />
tisch sein. Hierdurch erhalten nicht nur die Aussagen in Bezug auf den Zustand der<br />
Branche ein höheres Gewicht, sondern es kann auch die grenzüberschreitende Zu-<br />
sammenarbeit und Vernetzungsfähigkeit der einzelnen Organisationen in diesem<br />
Bereich gestärkt werden.<br />
� Ausdetaillierung des Begutachtungsverfahrens: Gemäss der Ergebnisse der nutzer-<br />
bezogenen Evaluation spricht sich eine Mehrheit der befragten Einkaufsverant-<br />
wortlichen für eine Selbstbeurteilung oder unterstützte Selbstbeurteilung aus. 130<br />
Dies erfordert eine weitere Ausdifferenzierung der Vorgehensweise, wie die not-<br />
wendigen Daten erhoben und interpretiert werden. An dieser Stelle können weitere<br />
Forschungsarbeiten ansetzen, welche die hier aufgezeigten Techniken zur Konfigu-<br />
ration, Erhebung und Analyse sowie das Bewertungsmodell in einer weiterführen-<br />
den Begutachtungsmethode integrieren und komplettieren.<br />
� Weiterentwicklung des Prototyps: Aus der nutzerbezogenen Evaluation kommt<br />
ebenfalls der Wunsch einer besseren Toolunterstützung zu Tage. Da der entwickel-<br />
te Prototyp lediglich zu Evaluationszwecken angefertigt wurde, sind wesentliche<br />
Funktionen wie z. B. der Import und Export von Daten weggelassen worden. Auch<br />
ist die spezifizierte Ontologie nicht direkt mit dem Prototyp gekoppelt (ontology-<br />
based design). Infolgedessen könnte in weiterführenden Forschungsarbeiten die<br />
Funktionalität des Prototyps kontinuierlich ausgebaut werden, zumal eine hohe<br />
Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Nutzer diesen auch tatsächlich anwenden<br />
werden. Um einfache Modellanpassungen zu ermöglichen sollte eine Schnittstelle<br />
zwischen dem Prototyp und der Ontologie geschaffen werden (ontology-driven de-<br />
sign).<br />
� Ergänzende lieferantenseitige Reifebeurteilung: Das in der vorliegenden Arbeit<br />
entwickelte Reifegradmodell adressiert die Thematik „<strong>Supply</strong> <strong>Management</strong>“ über-<br />
wiegend aus einem organisationsinternen Blickwinkel und ist deshalb hauptsäch-<br />
lich für die (interne) Standortbest<strong>im</strong>mung gedacht. Um auch eine lieferantenseitige<br />
(externe) Beurteilung der Stärken und Schwächen des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs zu er-<br />
halten, bietet sich eine entsprechende Erweiterung des Modells an.<br />
� Ausweitung auf angrenzende Gestaltungsbereiche: Das entwickelte Reifegradmo-<br />
dell unterstützt die Krankenhäuser lediglich in Bezug auf einen sehr begrenzten<br />
administrativen Bereich in der Bestrebung die Effektivität und Effizienz zu erhö-<br />
130 Vgl. Abschnitt 8.4.3.
Schlussbetrachtung 253<br />
hen. Auf Grundlage der vorliegenden Arbeit kann z. B. der Versuch unternommen<br />
werden, weitere Themenstellungen durch Reifegradmodelle abzubilden.<br />
Neben den aufgezeigten inhaltlichen Erweiterungen, können auch die folgenden (for-<br />
schungs-)methodischen Anschlusspunkte genannt werden:<br />
� Konkretisierung des Konstruktions- und Evaluationsvorgehens: Die Konstruktion<br />
und Evaluation von Reifegradmodellen ist <strong>im</strong> Vergleich zu anderen Themenkom-<br />
plexen der WI wie z. B. Referenzmodellierung oder konzeptuelle Modellierung<br />
<strong>im</strong>mer noch in den Anfängen begriffen. Im Zuge der Grundlegung des hier entwi-<br />
ckelten Reifegradmodells konnten lediglich zwei Ansätze identifiziert werden,<br />
welche sich mit der Systematisierung des Problemlösungsprozesses solcher Arte-<br />
fakte beschäftigen. Beispielsweise könnte das hier spezifizierte Bottom-up-<br />
Verfahren zur Konzeption von Reifegradmodellen weiter verfeinert und zu einem<br />
alternativen Vorgehensmodell erweitert werden. Des Weiteren könnte auch der<br />
Versuch unternommen werden, das spezifizierte Entwurfsmuster in die bestehen-<br />
den Vorgehensmodelle einfliessen zu lassen.<br />
� Intensivierung des situativen Reifegradmodellkonzepts: Im Rahmen dieser Arbeit<br />
wurde erstmals das Konzept der Situativität in der Entwicklung von Reifegradmo-<br />
dellen angewendet. Die Evaluation hat zudem gezeigt, dass dies durchaus berech-<br />
tigt ist. Die gemachten Erfahrungen könnten in weiteren Forschungsarbeiten auf-<br />
gegriffen, kritisch reflektiert und weiterentwickelt werden (z. B. Konstruktion von<br />
Reifegradmodellen, welche nicht nur eine situative Bewertung ermöglichen, son-<br />
dern auch helfen die opt<strong>im</strong>ale Gestaltungssituation zu best<strong>im</strong>men).<br />
� Vereinigung und Wiederverwendung bestehender Reifegradmodelle: Aufgrund der<br />
zunehmenden Beliebtheit von Reifegradmodellen existieren <strong>im</strong>mer mehr Modelle,<br />
welche die gleichen oder zumindest sehr ähnliche Gestaltungsbereiche abdecken.<br />
Die umfassende Erhebung des vorhandenen Spektrums an Reifegradmodellen<br />
könnte als Anschlusspunkt zweier Aspekte dienen: 131 Einerseits könnte basierend<br />
auf dieser <strong>List</strong>e ein Reifegradmodellkatalog entwickelt werden, der die Wieder-<br />
verwendung und Wiederauffindung erhöht [vgl. Mettler et al. 2009]. Andererseits<br />
könnten Doppelspurigkeiten min<strong>im</strong>iert werden, indem themenverwandte Modelle<br />
zusammengefasst werden. Die spezifizierte Ontologie könnte als Ausgangspunkt<br />
für die Modellvereinigung dienen.<br />
131 Vgl. Anhang E.
254 Schlussbetrachtung<br />
� Systematisierung von Erfahrungen und Modellevolution: In Anlehnung an die auf-<br />
gezeigten Zyklen der Reifegradmodellkonstruktion und -anwendung stellt sich<br />
schlussendlich auch die Frage, wie man die Erfahrungen aus Assessments generali-<br />
sieren und wie dieses Wissen wiederum in die Modellbasis einfliessen kann. Da-<br />
durch könnte der „knowing-doing gap“, welcher dem Konzept der Referenzmodel-<br />
lierung und Reifegradmodellen anhaftet [vgl. Pfeffer, Sutton 1999, S. 85], über-<br />
wunden werden.<br />
Schliesslich bleibt festzuhalten, dass angesichts der Vielzahl an <strong>of</strong>fenen Fragestellun-<br />
gen sich diese Arbeit nicht als Ult<strong>im</strong>a ratio in Bezug auf die aufgezeigten Inhalte und<br />
Methoden versteht. In Anbetracht der zunehmenden Popularität des Reifegradmodell-<br />
konzepts in Forschung und Praxis können aber die gewonnenen Erkenntnisse als An-<br />
regung bei der Entwicklung, Erweiterung und Evaluation solcher Modelle dienen.
Anhang 255<br />
Anhang<br />
Der Anhang fasst die wesentlichen Dokumente, die in die vorliegende Ausarbeitung<br />
eingeflossen sind zusammen. Zunächst werden die Kontaktinformationen der an der<br />
Erstellung der Fallstudien und quantitativen Querschnittsanalyse beteiligten An-<br />
sprechpartnerinnen und Ansprechpartner dokumentiert (Anhang A). Im Anschluss<br />
wird der Gesprächsleitfaden für die Erhebung der Fallstudien (Anhang B) und der Fra-<br />
gebogen für die empirische Evaluation des Artefakts (Anhang C) präsentiert. Ab-<br />
schliessend werden die untersuchten Reifegradmodelle (Anhang D) dargestellt.<br />
A. Ansprechpartner<br />
Die quantitative Querschnittsanalyse sowie die Fallstudien wurden auf Basis von In-<br />
terviews und Dokumentanalysen zusammengestellt. Es sei den folgenden Interview-<br />
partnern für Ihre Bereitschaft zur Teilnahme an der Erhebung nochmals herzlich ge-<br />
dankt:<br />
Name Funktion Anschrift<br />
Manfred Bartels Leiter Einkauf Investiti-<br />
onen<br />
Stefan Bernleithner Leiter Einkauf und Lo-<br />
gistik<br />
Reto Bucher Leiter Beschaffung und<br />
Logistik<br />
Kantonsspital Winterthur, Brauerstrasse 15, 8401<br />
Winterthur<br />
GZO Spital Wetzikon, Spitalstrasse 66, 8620 Wetz-<br />
ikon<br />
Kantonsspital Aarau, Tellstrasse, 5001 Aarau<br />
Vreni Bürgi Leiterin Apotheke Spital Uster, Brunnenstrasse 42, 8610 Uster<br />
Wolfgang Dröscher Leiter Einkauf und Lo-<br />
gistik<br />
Uniklinik Balgrist, Forchstrasse 340, 8008 Zürich<br />
André Dubied ehem. Leiter Apotheke Kantonsspital Baden, Im Ergel, 5404 Baden<br />
Richard Egger Leiter Medizinische<br />
Dienste<br />
Viktor Gubler Leiter Einkauf<br />
Verbrauchsmaterial<br />
Martin Gut Leiter Beschaffung und<br />
Logistik<br />
Spitalregion Oberaargau, St. Urbanstrasse 67, 4901<br />
Langenthal<br />
Kantonsspital Winterthur, Brauerstrasse 15, 8401<br />
Winterthur<br />
SpitalSTS AG, <strong>Krankenhaus</strong>strasse 12, 3600 Thun
256 Anhang<br />
Name Funktion Anschrift<br />
Christian Heeb Geschäftsführer Gesundheitswesen Beschaffung & Logistik<br />
(GEBLOG), Münstergasse 17, 8001 Zürich<br />
Daniel Maag Leiter Einkauf <strong>Universität</strong>sSpital Zürich, Spöndlistrasse 9, 8091<br />
Zürich<br />
Robert Marsam Leiter Beschaffung und<br />
Logistik<br />
Kantonsspital Baden AG, Im Ergel, 5404 Baden<br />
Enea Martinelli Leiter Apotheke Spitäler FMI AG, Weissenaustrasse 27, 3800 Unterseen<br />
Marco Reist Leiter Zentrale Dienste Kantonsspital Liestal, Rheinstrasse 26, 4410 Liestal<br />
Roland Rubin Leiter Einkauf und Lo-<br />
gistik<br />
Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland,<br />
Alte Landstrasse 106, 9445 Rebstein<br />
Jürg Schiesser Leiter Logistik Kantonsspital St. Gallen, Rorschacher Strasse 95,<br />
9007 St. Gallen<br />
Werner Wasmer Leiter Einkauf Luzerner Kantonsspital, 6000 Luzern<br />
Edgar Zbinden Leiter Materialwirt-<br />
Andreas Z<strong>im</strong>mermann<br />
schaft<br />
Leiter Materialwirt-<br />
schaft<br />
Martin Zurburg Bereichsleiter Einkauf<br />
und Logistik<br />
Spital Uster, Brunnenstrasse 42, 8610 Uster<br />
Stadtspital Waid, Tièchestrasse 99, 8037 Zürich<br />
Kantonsspital Graubünden, Loestrasse 170, 7000<br />
Chur<br />
Tabelle 52: Ansprechpartner für Fallstudien und quantitative Querschnittsanalyse<br />
B. Gesprächsleitfaden für Fallstudien<br />
Die in dieser Arbeit enthaltenen Fallstudien wurden auf Grundlage von strukturierten<br />
Interviews sowie vertiefenden Nachbesprechungen erstellt. Nachfolgend sei der gene-<br />
rische Gesprächsleitfaden dargestellt, der bei allen beteiligten Krankenhäusern für die<br />
initiale Erhebung der Fallstudien zum Einsatz kam. Ablauf und Inhalte der Nachbe-<br />
sprechung waren einzelfallspezifisch und deswegen hier nicht näher erläutert.
Anhang 257<br />
Allgemeine Informationen zum <strong>Krankenhaus</strong><br />
A01 Was ist der pr<strong>im</strong>äre Leistungsauftrag des <strong>Krankenhaus</strong>es?<br />
A02 Wie will sich das <strong>Krankenhaus</strong> positionieren?<br />
A03 Was für org. Strukturen (Abteilungen, Institute, etc.) hat das <strong>Krankenhaus</strong>?<br />
A04 Wie viele Mitarbeiter hat das <strong>Krankenhaus</strong>?<br />
A05 Wie viele Betten hat das <strong>Krankenhaus</strong>?<br />
A06 Wie hoch schätzen Sie den medizinischen Bedarf in CHF pro Jahr?<br />
Allgemeine Informationen zum <strong>Krankenhaus</strong>einkauf<br />
B01 Was ist der Leistungsauftrag des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs?<br />
B02 Wie viele Mitarbeiter setzen sich ausschliesslich mit der Beschaffung auseinandersetzen?<br />
B03 Wie ist die <strong>Krankenhaus</strong>einkauf in die Strukturen des <strong>Krankenhaus</strong>es eingebunden?<br />
B04 In welchen Bereichen wird mit anderen Krankenhäusern zusammengearbeitet?<br />
B05 In welchen Bereichen wird mit Lieferanten zusammengearbeitet?<br />
B06 Was für einen Stellenwert hat der <strong>Krankenhaus</strong>einkauf heute?<br />
B07 Wie soll der <strong>Krankenhaus</strong>einkauf in Zukunft ausgestaltet werden?<br />
Aufgaben und Aktivitäten des <strong>Krankenhaus</strong>einkaufs<br />
C01 Wie werden die Bedarfe ermittelt (Planung, Forecasting des Bedarfs)?<br />
C02 Wer ist für die Bedarfsermittlung zuständig?<br />
C03 Wie wird heute der Vorgang der Bedarfsermittlung geführt (Kennzahlen, Führungsgrössen)?<br />
C04 Wie wird bestellt (zentral/dezentral)?<br />
C05 Wie häufig werden Bestellungen ausgelöst?<br />
C06 Wie werden Bestellungen an die Lieferanten übermittelt (EDI, Fax, Telefon, Email etc.)?<br />
C07 Welche Infrastruktur und Hilfsmittel kommt dabei zum Einsatz?<br />
C08 Wie wird heute der Vorgang der Bestellabwicklung geführt (Kennzahlen, Führungsgrössen)?<br />
C09 Wie wird der Wareneingang registriert?<br />
C10 Wer ist für die Eingangskontrolle (Menge, Qualität) zuständig und wie wird geprüft?<br />
C11 Wird geprüft, ob das Material defekt/ abgelaufen ist?<br />
C12 Welche Dokumente/Daten werden dabei erfasst?<br />
C13 Welche Infrastruktur kommt dabei zum Einsatz?<br />
C14 Wie viele Anlieferorte gibt es (zentral/dezentral)?<br />
C15 Wie wird heute der Vorgang der Wareneingangskontrolle geführt (Kennzahlen, Führungsgrössen)?<br />
C16 Was passiert bei Retouren (Abschiebung an Lieferanten, Entsorgung)?
258 Anhang<br />
C. Evaluationsfragebogen<br />
Die nachfolgende Aufstellung dokumentiert den Fragebogen für die Evaluation des<br />
Reifegradmodells aus ökonomischer Perspektive und Nutzerperspektive.<br />
Allgemeine Angaben<br />
A01 Organisationstyp [ ] Spital [ ] Andere ...........................................<br />
A02<br />
A03<br />
A04<br />
Koordinationsform des<br />
Einkaufs (nur Spitäler)<br />
Ihr Funktionsbereich in Ihrer<br />
Organisation<br />
Anzahl Mitarbeitende in Ihrer<br />
Organisation<br />
[ ] Dezentraler<br />
Einkauf<br />
A05 Ihr Kenntnisstand <strong>im</strong> Bereich [ ] Einsteiger<br />
Qualität des Modells (Inhalt)<br />
Die behandelten Inhalte des Reifegradmodells ...<br />
[ ] Zentraler<br />
Einkauf<br />
[ ] Regionales<br />
Netzwerk<br />
[ ] Einkaufs<br />
kooperation<br />
[ ] Ausgelagert<br />
[ ] Einkauf [ ] Logistik [ ] IT [ ] Andere ............................<br />
[ ] Bis zu 50 [ ] 51-200 [ ] 201-1‘000 [ ] 1‘001-5‘000 [ ] Über<br />
5‘000<br />
[ ] Fortgeschritten<br />
st<strong>im</strong>me<br />
völlig zu<br />
[ ] Experte<br />
st<strong>im</strong>me<br />
eher zu<br />
bin unentschieden<br />
st<strong>im</strong>me eher<br />
nicht zu<br />
st<strong>im</strong>me<br />
überhaupt<br />
nicht zu<br />
B01 sind relevant für meine Arbeit [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
B02 sind meiner Meinung nach verständlich [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
B03 sind meiner Meinung nach vollständig [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
B04 sind meiner Meinung nach konsistent [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
B05 sind meiner Meinung nach zuverlässig [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
B06 sind meiner Meinung nach zeitgemäss [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
B07 sind meiner Meinung nach nachhaltig [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
Qualität der Implementierung (Toolunterstützung)<br />
Das zur Verfügung gestellte Tool ...<br />
st<strong>im</strong>me<br />
völlig zu<br />
st<strong>im</strong>me<br />
eher zu<br />
bin unentschieden<br />
st<strong>im</strong>me eher<br />
nicht zu<br />
st<strong>im</strong>me<br />
überhaupt<br />
nicht zu<br />
C01 ist einfach zu bedienen [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
C02 ist übersichtlich gestaltet [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
C03 ist weitgehend stabil [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
C04<br />
ist aufgrund der Systemanforderungen in meiner Organisation ohne<br />
Weiteres anwendbar<br />
[ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
C05 entspricht weitgehend meinen Bedürfnissen/Vorstellungen [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
C06 hilft die Ergebnisse des Reifegradmodells besser zu verstehen [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
C07 hilft die Ergebnisse des Reifegradmodells besser zu visualisieren [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
C08<br />
hilft die Ergebnisse des Reifegradmodells besser anderen zugänglich<br />
zu machen<br />
[ ] [ ] [ ] [ ] [ ]
Anhang 259<br />
Nutzen für die persönliche Entscheidungsfindung<br />
Das Reifegradmodell ...<br />
st<strong>im</strong>me<br />
völlig zu<br />
st<strong>im</strong>me<br />
eher zu<br />
bin unentschieden<br />
st<strong>im</strong>me eher<br />
nicht zu<br />
st<strong>im</strong>me<br />
überhaupt<br />
nicht zu<br />
D01 hilft mir Stärken und Schwächen zu identifizieren [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
D02 hilft mir Veränderungen nachhaltig zu planen [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
D03 hilft die Zeit der Entscheidungsfindung zu verkürzen [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
D04 hilft qualitativ bessere Entscheidungen zu treffen [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
D05 hilft mir Veränderungen anschaulich zu kommunizieren [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
D06 hilft die Akzeptanz der gemachten Entscheidungen zu erhöhen [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
D07 hilft mir Veränderungen systematisch zu analysieren [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
D08 hilft das persönliche Wissen zu erweitern [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
Nutzen für die Organisation<br />
Das Reifegradmodell ...<br />
st<strong>im</strong>me<br />
völlig zu<br />
st<strong>im</strong>me<br />
eher zu<br />
bin unentschieden<br />
st<strong>im</strong>me eher<br />
nicht zu<br />
st<strong>im</strong>me<br />
überhaupt<br />
nicht zu<br />
E01 hilft, dass der Einkauf die Organisationsziele erreicht [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
E02 hilft die Beziehung zu Lieferanten nachhaltig zu verbessern [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
E03 hilft, dass der Einkauf besser auf Veränderungen vorbereitet ist [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
E04<br />
E05<br />
hilft die Positionierung des Einkaufs innerhalb der Organisation zu<br />
verbessern<br />
hilft die Positionierung des Einkaufs gegenüber des Beschaffungsmarktes<br />
zu verbessern<br />
[ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
[ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
E06 hilft die Wirtschaftlichkeit des Einkaufs zu erhöhen (Effektivität) [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
E07 hilft die Leistungsfähigkeit des Einkaufs zu erhöhen (Effizienz) [ ] [ ] [ ] [ ] [ ]<br />
Abschliessende Fragen<br />
F01: Was hat Ihnen am Reifegradmodell besonders gut gefallen?<br />
F02: Was hat Ihnen am Reifegradmodell weniger gut gefallen?<br />
F03: Welche inhaltlichen Aspekte fehlen Ihrer Meinung nach, resp. was würde die Qualität der Modellinhalte erhöhen?<br />
F04: Welche funktionellen Aspekte fehlen Ihrer Meinung nach, resp. was würde die Benutzerfreundlichkeit des Tools erhöhen?<br />
F05: Werden Sie das Reifegradmodell in Zukunft anwenden,<br />
[ ] ja [ ] ja, wenn kostenfrei [ ] nein [ ] weiss nicht<br />
F06: Wer sollte das Assessment durchführen?<br />
[ ] Ich selbst<br />
(Self-Assessment)<br />
[ ] Ich selbst, aber unterstützt<br />
durch einen Berater<br />
(Third-party assisted)<br />
[ ] Durch Berater<br />
(Certified Pr<strong>of</strong>essionals)<br />
[ ] weiss nicht
260 Anhang<br />
D. Verzeichnis der Reifegradmodelle<br />
Zum Nachweis der Notwendigkeit der Entwicklung eines neuen Reifegradmodells<br />
sind in der vorliegenden Arbeit insgesamt 117 Reifegradmodelle identifiziert und ana-<br />
lysiert worden. Die nachfolgende Tabelle 53 stellt die untersuchten Zeitschriften- und<br />
Konferenzbeiträge dar.<br />
Nr. Autor Quelle Jahr Bereich<br />
1 Bryant, A. CASE Tools and Method Integration, Proc. <strong>of</strong> the IEE<br />
Colloquium on CASE (Computer Aided S<strong>of</strong>tware Engi-<br />
2 Kubicki,<br />
C.<br />
3 Paulk, M.<br />
C. et al.<br />
4 Gowda,<br />
R.G.; Satterthwaite,<br />
C.P.<br />
5 Burnstein,<br />
I. et al.<br />
neering): Towards S<strong>of</strong>tware Process Maturity, S. 7.1-7.5<br />
The System Administrator Maturity Model, Proc. <strong>of</strong> the<br />
7th USENIX Conference on System Administration, S.<br />
213-225<br />
Capability maturity model, version 1.1, IEEE S<strong>of</strong>tware, 10,<br />
4, S.18-27<br />
<strong>Management</strong> Issues in Developing Reusable Avionics<br />
S<strong>of</strong>tware, Proc. <strong>of</strong> the IEEE Aerospace and Electronics<br />
Conference, S. 866-873<br />
Developing a Testing Maturity Model for S<strong>of</strong>tware Test<br />
Process Evaluation and Improvement, Proc. <strong>of</strong> the Interna-<br />
tional Test Conference, S. 581-589<br />
6 Cusick, K. The Systems Engineering Capability Maturity Model:<br />
Where to Start? Proc. <strong>of</strong> the IEEE Aerospace and Electro-<br />
7 Hassan, S.<br />
Z.; Sher-<br />
dil,K.<br />
8 Saiedian,<br />
H.; Carr,<br />
N.<br />
9 Capone,<br />
J.M. et al.<br />
10 Earthy,<br />
J.V. et al.<br />
nics Conference, S. 410-416<br />
A Contingency Based Capability Maturity Model for Developing<br />
Countries, Proc. <strong>of</strong> the 3rd Pacific Asia Confe-<br />
rence on Information Systems, S. 741-753<br />
Characterizing a S<strong>of</strong>tware Process Maturity Model for<br />
Small Organizations, ACM SIGICE Bulletin, 23, 1, S. 2-11<br />
Concepts for a Network Maturity Model, Proc. <strong>of</strong> the IEEE<br />
Workshop on Application-Specific S<strong>of</strong>tware Engineering<br />
Technology, S. 102-107<br />
A Human Factors Integration Capability Maturity Model,<br />
Proc. <strong>of</strong> the International Conference on Human Interfaces<br />
in Control Rooms, Cockpits and Command Centres, S.<br />
320-326<br />
11 Vetter, R. The Network Maturity Model for Internet Development,<br />
IEEE Computer, 32, 10, S. 117-118<br />
12 Clark, T.;<br />
Jones, R.<br />
13 Conwell,<br />
C. L. et al.<br />
14 Kwak,<br />
Y.H.; William,<br />
C.<br />
Organisational Interoperability Maturity Model for C2,<br />
Proc. <strong>of</strong> the 1999 Command and Control Research and<br />
Technology Symposium, S. 1-13<br />
Capability Maturity Models Support <strong>of</strong> Modeling and S<strong>im</strong>ulation<br />
Verification, Validation, and Accreditation, Proc.<br />
<strong>of</strong> the Winter S<strong>im</strong>ulation Conference S. 819-828<br />
The Berkeley Project <strong>Management</strong> Process Maturity Model:<br />
Measuring the Value <strong>of</strong> Project <strong>Management</strong>, Proc. <strong>of</strong><br />
the 2000 IEEE Engineering <strong>Management</strong> Society, S. 1-5<br />
1993 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
1993 IT-Betrieb<br />
1993 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
1994 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
1996 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
1997 IT-<br />
Manage-<br />
ment<br />
1997 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
1997 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
1998 Internet &<br />
World Wide<br />
Web<br />
1999 Personalführung<br />
1999 Internet &<br />
World Wide<br />
Web<br />
1999 Architekturmanagement<br />
2000 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
2000 Projektmanagement
Anhang 261<br />
Nr. Autor Quelle Jahr Bereich<br />
15 Senyard,<br />
A. et al.<br />
16 Brohman,<br />
M.K.;<br />
Parent, M.<br />
17 Harigopal,<br />
U.; Satya-<br />
das, A.<br />
18 Holland,<br />
C. P.;<br />
Light, B.,<br />
19 Kajko-<br />
Mattsson,<br />
M. et al.<br />
20 Nawrocki,<br />
J. et al.<br />
21 Berztiss,<br />
A. T.<br />
22 Curtis, B.<br />
et al.<br />
23 Jacobs, J.<br />
C.; Trienekens,<br />
J.<br />
J. M.<br />
24 Nightingale,<br />
D. J.;<br />
Mize, J. H.<br />
25 Suchan,<br />
W.<br />
26 Forbes, J.<br />
A.; Baker,<br />
E. R.<br />
27 Gillies, A.;<br />
Howard, J.<br />
Towards the S<strong>of</strong>tware Engineering <strong>of</strong> Neural Networks: A<br />
Maturity Model, Proc. <strong>of</strong> the 2000 Australian S<strong>of</strong>tware<br />
Engineering Conference, S. 45-51<br />
Gaining Insight from the Data Warehouse: The Competence<br />
Maturity Model, Proc. <strong>of</strong> the 34th Annual Hawaii<br />
International Conference on System Sciences, S. 1-10<br />
Cognizant Enterprise Maturity Model (CEMM), IEEE<br />
Transactions on Systems, Man, and Cybernetics, Part C:<br />
Applications and Reviews, 31, 4, S. 449-459<br />
A Stage Maturity Model for Enterprise Resource Planning<br />
Systems Use, ACM SIGMIS Database, 32, 2, S. 34-45<br />
Corrective Maintenance Maturity Model (CM3): Maintainer's<br />
Education and Training, Proc. <strong>of</strong> the 23rd International<br />
Conference onS<strong>of</strong>tware Engineering, S. 610-619<br />
Toward Maturity Model for Extreme Programming, Proc.<br />
<strong>of</strong> the 27th Euromicro Conference, S. 233-239<br />
Capability Maturity for Knowledge <strong>Management</strong>, Proc. <strong>of</strong><br />
the 13th International Workshop on Database and Expert<br />
Systems Applications, S. 162-166<br />
The People Capability Maturity Model, Arbeitsbericht,<br />
S<strong>of</strong>tware Engineering Institute, Carnegie Mellon Universi-<br />
ty<br />
Towards a Metrics Based Verification and Validation Maturity<br />
Model, Proc. <strong>of</strong> the 10th International Workshop on<br />
S<strong>of</strong>tware Technology and Engineering Practice, Montreal,<br />
S. 123-128<br />
Development <strong>of</strong> a Lean Enterprise Transformation Maturity<br />
Model, Information-Knowledge-Systems <strong>Management</strong>,<br />
3, 1, S. 15-30<br />
The Organizational Information Infrastructure Maturity<br />
Model: Implications for IT Pr<strong>of</strong>essionals, Proc. <strong>of</strong> the 8th<br />
Americas Conference on Information Systems, S. 1-6<br />
Improving Hardware, S<strong>of</strong>tware, and Training Deployment<br />
Processes, Proc. <strong>of</strong> the International Conference onS<strong>of</strong>t-<br />
ware Maintenance, S. 377-380<br />
Managing Change in Process and People: Combining a<br />
Maturity Model with a Competency-based Approach, Total<br />
Quality <strong>Management</strong> & Business Excellence, 14, 7, S. 779-<br />
787<br />
28 Hillson, D. Assessing Organisational Project <strong>Management</strong> Capability,<br />
Journal <strong>of</strong> Facilities <strong>Management</strong>, 2, 3, S. 298-311<br />
29 Huang, S.;<br />
Tilley, S.<br />
30 Luftman,<br />
J.<br />
31 Pennypacker,<br />
J.<br />
S.; Grant,<br />
K. P.<br />
Towards a Documentation Maturity Model, Proc. <strong>of</strong> the<br />
21st Annual International Conference on Documentation,<br />
S. 93-99<br />
Assessing IT/Business Alignment, Information Systems<br />
<strong>Management</strong>, 20, 4, S. 9-15<br />
Project <strong>Management</strong> Maturity: An Industry Benchmark,<br />
Project <strong>Management</strong> Journal, 34, 1, S. 4<br />
2000 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
2001 Datenbanken<br />
& Data<br />
Warehou-<br />
sing<br />
2001 Architekturmanagement<br />
2001 IT-<strong>Management</strong><br />
2001 IT-Betrieb<br />
2001 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
2002 Wissensmanagement<br />
2002 Personalentwicklung<br />
2002 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
2002 Prozessmanagement<br />
2002 IT-<strong>Management</strong><br />
2003 IT-<strong>Management</strong><br />
2003 Change<br />
<strong>Management</strong><br />
2003 Projektmanagement<br />
2003 Wissensmanagement<br />
2003 IT/Business<br />
Alignment<br />
2003 Projektmanagement
262 Anhang<br />
Nr. Autor Quelle Jahr Bereich<br />
32 Ruzhi, X.<br />
et al.<br />
33 Serrano,<br />
M. A. et<br />
al.<br />
34 Muller, M.<br />
J. et al.<br />
35 Avritchir,<br />
J. et al.<br />
36 Bouchaib,<br />
B.<br />
37 Cottam, I.<br />
et al.<br />
38 Jeffery,<br />
M.; Leli-<br />
veld, I.<br />
39 Kaner, M.;<br />
Karni, R.<br />
40 Leem, C.<br />
S.; Yoon,<br />
Y.<br />
41 Lockamy,<br />
A.; Mc-<br />
Cormack,<br />
K.<br />
42 Marshall,<br />
S.; Mit-<br />
chell, G.<br />
43 Ren, Y. T.;<br />
Yeo, K.T.<br />
CMM-based S<strong>of</strong>tware Risk Control Opt<strong>im</strong>ization, Proc. <strong>of</strong><br />
the IEEE International Conference on Information Reuse<br />
and Integration, S. 499-503<br />
An Experience on Using the Team S<strong>of</strong>tware Process for<br />
Implementing the Capability Maturity Model for S<strong>of</strong>tware<br />
in a Small Organization, Proc. <strong>of</strong> the 3rd International<br />
Conference on Quality S<strong>of</strong>tware, S. 327-334<br />
Introducing Chat into Business Organizations: Toward an<br />
Instant Messaging Maturity Model, Proc. <strong>of</strong> the 2003 International<br />
ACM SIGGROUP Conference on Supporting<br />
Group Work, S. 50-57<br />
A Maturity Model for Offshore Insourcing: A Research<br />
Proposal, Proc. <strong>of</strong> the 10th Americas Conference on In-<br />
formation Systems, S. 1-10<br />
Toward a Capability Maturity Model for the <strong>Management</strong><br />
<strong>of</strong> Outsourcing Information Services, Proc. <strong>of</strong> the 10th<br />
Americas Conference on Information Systems, S. 1-10<br />
A Local Government CRM Maturity Model: A Component<br />
in the Transformational Change <strong>of</strong> UK Councils, Proc. <strong>of</strong><br />
the 10th Americas Conference on Information Systems, S.<br />
1-10<br />
Best Practices in IT Portfolio <strong>Management</strong>, MIT Sloan<br />
<strong>Management</strong> Review, 45, 3, S. 41-49<br />
A Capability Maturity Model for Knowledge-based Decisionmaking,<br />
Information-Knowledge-Systems Manage-<br />
ment, 4, 4, S. 225-252<br />
A Maturity Model and an Evaluation System <strong>of</strong> S<strong>of</strong>tware<br />
Customer Satisfaction: The Case <strong>of</strong> S<strong>of</strong>tware Companies<br />
in Korea, Industrial <strong>Management</strong> & Data Systems, 104, 4,<br />
S. 347-354<br />
The Development <strong>of</strong> a <strong>Supply</strong> Chain <strong>Management</strong> Process<br />
Maturity Model Using the Concepts <strong>of</strong> Business Process<br />
Orientation, <strong>Supply</strong> Chain <strong>Management</strong>, 9, 4, S. 272-278<br />
Applying SPICE to E-Learning: An E-Learning Maturity<br />
Model? Proc. <strong>of</strong> the 6th Conference on Australasian Com-<br />
puting Education, S. 185-191<br />
Risk <strong>Management</strong> Capability Maturity Model for Complex<br />
Product Systems (CoPS) <strong>Projects</strong>, Proc. <strong>of</strong> the IEEE Inter-<br />
national Engineering <strong>Management</strong> Conference, S. 807-811<br />
44 Renken, J. Developing an IS/ICT <strong>Management</strong> Capability Maturity<br />
Framework, Proc. <strong>of</strong> the 2004 Annual Research Conference<br />
<strong>of</strong> the South African Institute <strong>of</strong> Computer Scientists<br />
and Information Technologists on IT Research in Develop-<br />
45 Sawaya,<br />
N.; Trapa-<br />
nese, P.<br />
46 Shackleton,<br />
P. et<br />
al.<br />
ing Countries, S. 53-62<br />
Measruing Project <strong>Management</strong> Maturity, Security Distributing<br />
& Marketing, 34, 1, S. 44-46<br />
Evolution <strong>of</strong> Local Government E-Services: The Applicability<br />
<strong>of</strong> E-Business Maturity Models, Proc. <strong>of</strong> the 37th<br />
Annual Hawaii International Conference on System<br />
Science, S. 1-9<br />
2003 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
2003 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
2003 Internet &<br />
World Wide<br />
Web<br />
2004 Projektmanagement<br />
2004 IT-Outsourcing<br />
2004 Change<br />
<strong>Management</strong><br />
2004 IT <strong>Management</strong><br />
2004 Wissensmanagement<br />
2004 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
2004 <strong>Supply</strong><br />
Chain <strong>Management</strong><br />
&<br />
E-Business<br />
2004 E-Learning<br />
2004 Projektmanagement<br />
2004 IT-<strong>Management</strong><br />
2004 Projektmanagement<br />
2004 Architekturmanagement
Anhang 263<br />
Nr. Autor Quelle Jahr Bereich<br />
47 Valerie,<br />
M. et al.<br />
48 April, A.<br />
et al.<br />
49 Beecham,<br />
S. et al.<br />
50 Braungarten,<br />
R. et<br />
al.<br />
51 Davison,<br />
R. M. et al.<br />
52 Evaristo,<br />
R. et al.<br />
53 Garrett, G.<br />
A.; Ren-<br />
don, R. G.<br />
54 Hung, Y.-<br />
H. et al.<br />
55 Ju, A.;<br />
Wang A.<br />
Bridging the Business/IT Gap through the Relationship<br />
<strong>Management</strong> Maturity Model, Proc. <strong>of</strong> the 14th Australa-<br />
sian Conference on Information Systems, S. 1-10<br />
S<strong>of</strong>tware Maintenance Maturity Model (SMmm), Journal<br />
<strong>of</strong> S<strong>of</strong>tware Maintenance, 17, 3, S. 197-223<br />
Defining a Requirements Process Improvement Model,<br />
S<strong>of</strong>tware Quality Control, 13, 3, S. 247-279<br />
A Metrics Data Base Maturity Model, Proc. <strong>of</strong> the 9th International<br />
Multitopic Conference, S. 1-6<br />
From Government to E-government: A Transition Model,<br />
Information Technology & People, 18, 3, 280-299. Library,<br />
Information Science & Technology Abstracts, EBSCO-<br />
host (accessed October 18, 2008).<br />
Wholly Owned Offshore Subsidiaries for IT Development:<br />
A Program <strong>of</strong> Research, Proc. <strong>of</strong> the 38th Annual Hawaii<br />
International Conference on System Sciences, S. 258b<br />
Managing Contracts in Turbulent T<strong>im</strong>es: The Contract<br />
<strong>Management</strong> Maturity Model, Contract <strong>Management</strong>, 45,<br />
9, S. 48-57<br />
On Constructing a Knowledge <strong>Management</strong> Pyramid<br />
Model, Proc. <strong>of</strong> the IEEE International Conference on<br />
Information Reuse and Integration, S. 1-6<br />
Information Security Models and Metrics, Proc. <strong>of</strong> the 43rd<br />
Annual Southeast Regional Conference, S. 178-184<br />
56 Korn, D. Making A Flexible Machine Tool More Flexible, Modern<br />
Machine Shop, 78, 4, S. 74-77<br />
57 Kruger, C.<br />
J.; Snyman,<br />
M.<br />
M.<br />
58 Kyung-<br />
Seok, R.<br />
Formulation <strong>of</strong> a Strategic Knowledge <strong>Management</strong> Maturity<br />
Model, South African Journal <strong>of</strong> Information <strong>Management</strong>,<br />
7, 2, S. 1-1<br />
A Study on Data Quality <strong>Management</strong> Maturity Model,<br />
Proc. <strong>of</strong> the 7th International Conference onAdvanced<br />
Communication Technology, S. 598-603<br />
59 Lapide, L. An S&OP Maturity Model, Journal <strong>of</strong> Business Forecasting,<br />
24, 3, S. 15-28<br />
60 Leonard,<br />
A<br />
61 Maybury,<br />
M.<br />
62 Mearian,<br />
L.<br />
A Conceptual Framework for Explaining the Value <strong>of</strong> End<br />
User Maturity Levels for IT <strong>Management</strong>, Proc. <strong>of</strong> the<br />
2005 Annual Research Conference <strong>of</strong> the South African<br />
Institute <strong>of</strong> Computer Scientists and Information Technologists<br />
on IT Research in Developing Countries, S. 152 -<br />
158<br />
Collaboration Operations: Ensuring Success, Proc. <strong>of</strong> the<br />
2005 International Symposium on Collaborative Technologies<br />
and Systems, S. 2-3<br />
Financial Firms Create Disaster Recovery Standards,<br />
Computerworld, 39, 38, S. 8-8<br />
2004 IT/Business<br />
Alignment<br />
2005 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
2005 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
2005 Datenbanken<br />
& Data<br />
Warehou-<br />
sing<br />
2005 Change<br />
<strong>Management</strong><br />
2005 IT-Outsourcing<br />
2005 Wirtschaftsrecht<br />
2005 Wissensmanagement<br />
2005 IT-<br />
Sicherheit<br />
2005 Hardware<br />
2005 Wissensmanagement<br />
2005 Datenqualität<br />
2005 <strong>Supply</strong><br />
Chain <strong>Management</strong><br />
&<br />
E-Business<br />
2005 IT-<strong>Management</strong><br />
2005 E-<br />
Collaboration<br />
2005 IT-<br />
Sicherheit
264 Anhang<br />
Nr. Autor Quelle Jahr Bereich<br />
63 Natarajan,<br />
G.<br />
64 Paulzen,<br />
O. et al.<br />
65 Ramasubbu,<br />
N. et<br />
al.<br />
66 Aggestam,<br />
L.<br />
67 Canfora,<br />
G. et al.<br />
68 Crawford,<br />
J. K.<br />
A KM Maturity Model for the S<strong>of</strong>tware Industry, KM Review,<br />
8, 1, S. 20-23<br />
A Maturity Model for Quality Improvement in Knowledge<br />
<strong>Management</strong>, Proc. <strong>of</strong> the 12th Australasian Conference on<br />
Information Systems, S. 1-11<br />
Leveraging Global Resources: A Process Maturity Framework<br />
for Managing Distributed development, IEEE S<strong>of</strong>t-<br />
ware, 22, 3, S. 80-86<br />
Towards a Maturity Model for Learning Organizations –<br />
the Role <strong>of</strong> Knowledge <strong>Management</strong>, Proc. <strong>of</strong> the 17th<br />
International Conference on Database and Expert Systems<br />
Applications, S. 141-145<br />
Applying a Framework for the Improvement <strong>of</strong> S<strong>of</strong>tware<br />
Process Maturity, S<strong>of</strong>tware - Practice & Experience, 36, 3,<br />
S. 283-304<br />
The Project <strong>Management</strong> Maturity Model, Information<br />
Systems <strong>Management</strong>, 23, 4, S. 50-58<br />
69 Feng, J. A Knowledge <strong>Management</strong> Maturity Model and Application,<br />
Technology <strong>Management</strong> for the Global Future, 3,<br />
S.1251-1255<br />
70 Griffin, J. Adding Value: Enterprise Information Maturity Model,<br />
DM Review, 16, 2, S. 39-39<br />
71 Hirschhe<strong>im</strong>,<br />
R. et<br />
al.<br />
72 Kushnick,<br />
P. E.<br />
73 Naras<strong>im</strong>halu,<br />
A.D.<br />
74 Santanen,<br />
E. et al.<br />
75 Sen, A. et<br />
al.<br />
76 Stefanovic,<br />
J.;<br />
Shenhar,<br />
A.<br />
77 Strutt, J. E.<br />
et al.<br />
78 Thompson,<br />
E.<br />
79 Thomson,<br />
K. L.;<br />
Solms, R.<br />
A Marketing Maturity Model for IT: Building a Customercentric<br />
IT Organization, IBM Systems Journal, 45, 1, S.<br />
181 -200<br />
Desktop CMM Tracks Down Bad Blades, Machine Design,<br />
78, 5, S. 30-30<br />
RECAMM: A Research Capability Maturity Model for<br />
Managing Technological Innovations, Proc. <strong>of</strong> the Technology<br />
<strong>Management</strong> for the Global Future Conference, S.<br />
761-766<br />
The Collaboration Engineering Maturity Model, Proc. <strong>of</strong><br />
the 39th Annual Hawaii International Conference on Sys-<br />
tem Sciences, S. 16c<br />
Data Warehousing Process Maturity: An Exploratory<br />
Study <strong>of</strong> Factors Influencing User Perceptions," IEEE<br />
Transactions on Engineering <strong>Management</strong>, 53, 3, S. 440-<br />
455<br />
Toward a New Project <strong>Management</strong> Maturity Model, Proc.<br />
<strong>of</strong> the Technology <strong>Management</strong> for the Global Future<br />
Conference, S. 2156-2180<br />
Capability Maturity Models for Offshore Organisational<br />
<strong>Management</strong>, Environment International, 32, 8, S. 1094-<br />
1105<br />
Using a Subject Area Model as a Learning Improvement<br />
Model, Proc. <strong>of</strong> the 8th Australian Conference on Compu-<br />
ting Education, S. 197-203<br />
Towards an Information Security Competence Maturity<br />
Model, Computer Fraud & Security, 5, S. 11-15<br />
2005 Wissensmanagement<br />
2005 Wissensmanagement<br />
2005 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
2006 Wissensmanagement<br />
2006 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
2006 Projektmanagement<br />
2006 Wissensmanagement<br />
2006 IT/Business<br />
Alignment<br />
2006 Marketing<br />
2006 Hardware<br />
2006 Innovationsmanagement<br />
2006 E-Collaboration<br />
2006 Wissensmanagement<br />
2006 Projektmanagement<br />
2006 Auditierung<br />
2006 E-Learning<br />
2006 IT-<br />
Sicherheit
Anhang 265<br />
Nr. Autor Quelle Jahr Bereich<br />
v.<br />
80 Wilson, F.;<br />
Town, J.<br />
S.<br />
81 Alvaro, A.<br />
et al.<br />
82 Chinowsky,<br />
P.<br />
et al.<br />
83 Feng, J.;<br />
Li, X.<br />
84 Fengyong,<br />
Z.; Renhui,<br />
L.<br />
85 Halle, B.<br />
v.<br />
86 Lin, C et<br />
al.<br />
87 Lutteroth,<br />
C. et al.<br />
88 MacGillivray,<br />
B. H.<br />
et al.<br />
89 Mc Caffery,<br />
F.;<br />
Coleman,<br />
G.<br />
Benchmarking and Library Quality Maturity, Performance<br />
Measurement and Metrics, 7, 2, S. 75-82<br />
A S<strong>of</strong>tware Component Maturity Model (SCMM), Proc. <strong>of</strong><br />
the 33rd Conference on S<strong>of</strong>tware Engineering and Advanced<br />
Applications, S. 83-92<br />
Learning Organizations in Construction, Journal <strong>of</strong> <strong>Management</strong><br />
in Engineering, 23, 1, S. 27-34<br />
Enterprise Technology <strong>Management</strong> Maturity Model and<br />
Application, Portland International Center for <strong>Management</strong><br />
<strong>of</strong> Engineering and Technology, S. 86-90<br />
Study on Framework <strong>of</strong> Construction Project <strong>Management</strong><br />
Maturity Model, Proc. <strong>of</strong> the International Conference on<br />
Service Systems and Service <strong>Management</strong>, S. 1-5<br />
The Rule Maturity Model: Five Steps to an Agile Enterprise,<br />
Intelligent Enterprise, 10, 7, S. 19-19<br />
Realising B2B E-Commerce Benefits: The Link with IT<br />
Maturity, Evaluation Practices, and B2BEC Adoption Readiness,<br />
European Journal <strong>of</strong> Information Systems, 16, 6,<br />
806-819<br />
A Maturity Model for Computing Education, Proc. <strong>of</strong> the<br />
9th Australasian Conference on Computing Education, S.<br />
107-114<br />
Benchmarking Risk <strong>Management</strong> Within the International<br />
Water Utility Sector. Part II: A Survey <strong>of</strong> Eight Water Util-<br />
ities, Journal <strong>of</strong> Risk Research, 10, 1, S. 105-123<br />
Developing a Configuration <strong>Management</strong> Capability Model<br />
for the Medical Device Industry, International Journal <strong>of</strong><br />
Information Systems and Change <strong>Management</strong>, 2, 2, S.<br />
139-154<br />
90 Pullen, W. A Public Sector HPT Maturity Model, Performance Improvement,<br />
46, 4, S. 9-15<br />
91 Tapia, R.<br />
S. et al.<br />
92 Tiku, S. et<br />
al.<br />
93 Vaidyanathan,<br />
K.;<br />
Howell, G.<br />
94 White, G.<br />
B.<br />
Validating Adequacy and Suitability <strong>of</strong> Business-IT<br />
Alignment Criteria in an Inter-Enterprise Maturity Model,<br />
Proc. <strong>of</strong> the 11th IEEE International Enterprise Distributed<br />
Object Computing Conference, S. 202-213<br />
Using a Reliability Capability Maturity Model to Benchmark<br />
Electronics Companies, International Journal <strong>of</strong><br />
Quality & Reliability <strong>Management</strong>, 24, 5, S. 547-563<br />
Construction <strong>Supply</strong> Chain Maturity Model: Conceptual<br />
Framework, Proc. <strong>of</strong> the International Conferences on<br />
Lean Construction, S. 170-180<br />
The Community Cyber Security Maturity Model, Proc. <strong>of</strong><br />
the 40th Annual Hawaii International Conference on System<br />
Sciences, S. 99<br />
2006 Auditierung<br />
2007 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
2007 Wissensmanagement<br />
2007 IT-<strong>Management</strong><br />
2007 Projektmanagement<br />
2007 Architekturmanagement<br />
2007 <strong>Supply</strong><br />
Chain <strong>Management</strong><br />
&<br />
E-Business<br />
2007 E-Learning<br />
2007 Projektmanagement<br />
2007 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
2007 IT-<strong>Management</strong><br />
2007 IT/Business<br />
Alignment<br />
2007 Auditierung<br />
2007 <strong>Supply</strong><br />
Chain <strong>Management</strong><br />
&<br />
E-Business<br />
2007 Internet &<br />
World Wide<br />
Web<br />
95 Yan, X.; A Study on Information Quality Maturity Model in Enter- 2007 Datenquali-
266 Anhang<br />
Nr. Autor Quelle Jahr Bereich<br />
S<strong>im</strong>a, Z. prise, Proc. <strong>of</strong> the IEEE International Conference on Service<br />
Operations and Logistics, and Informatics, S. 1-6<br />
tät<br />
96 Christian- ImprovAbility guidelines for Low-maturity Organizations, 2008 Projektsen,<br />
M.; S<strong>of</strong>tware Process: Improvement and Practice, 13, 4, S.<br />
management<br />
Johansen,<br />
J.<br />
319-325<br />
97 Ciol- Towards a Process Maturity Model for Open Source S<strong>of</strong>t- 2008 S<strong>of</strong>twarekowski,ware,<br />
Proc. <strong>of</strong> the 32nd Annual IEEE International Comentwicklung M.; Soto,<br />
M.<br />
puter S<strong>of</strong>tware and Applications, S. 1213-1214<br />
98 CMMI CMMI for Acquisition, Arbeitsbericht, S<strong>of</strong>tware Enginee- 2008 <strong>Supply</strong><br />
Product ring Institute, Carnegie Mellon University<br />
Chain Man-<br />
Team<br />
agement &<br />
E-Business<br />
99 Danesh- Representation <strong>of</strong> Knowledge in Information Technology 2008 Wissensgar,<br />
F. et Service Capability Maturity Model (IT Service CMM),"<br />
management<br />
al. Proc. <strong>of</strong> the 2nd International Conference on Research<br />
Challenges in Information Science, S. 215-226<br />
100 Drinka, Controlling Curriculum Redesign with a Process Im- 2008 Personal-<br />
D.; Yi- provement Model, Journal <strong>of</strong> Information Systems Educaentwicklung Miin Yen,<br />
M.<br />
tion 19, 3, S. 331-342<br />
101 Gott- Maturity Levels for Cr<strong>im</strong>inal Organizations, International 2008 Wirtschaftsschalk,<br />
P. Journal <strong>of</strong> Law, Cr<strong>im</strong>e & Justice, 36, 2, S. 106-114<br />
recht<br />
102 Gottschalk,<br />
P.<br />
103 Hogan, T.<br />
J.<br />
104 Jørgensen,<br />
F. et al.<br />
Maturity Model for Email Communication in Knowledge<br />
Organizations: The Case <strong>of</strong> Police Investigations, Interna-<br />
tional Journal <strong>of</strong> Law, Cr<strong>im</strong>e and Justice, 36, 1, S. 54-66<br />
The Adaptive Leadership Maturity Model, Organization<br />
Development Journal, 26, 1, S. 55-61<br />
Examining the Role <strong>of</strong> Human Resource <strong>Management</strong> in<br />
Continuous Improvement, International Journal <strong>of</strong> Tech-<br />
nology <strong>Management</strong> 42, 1/2, S. 127-142<br />
105 Joslin, R. The Knowledge <strong>Management</strong> Maturity Model, CRM Magazine,<br />
11, 11 S. 8-8<br />
106 Niazi, M.<br />
et al.<br />
107 Oh, H. et<br />
al.<br />
A Measurement Framework for Assessing the Maturity <strong>of</strong><br />
Requirements Engineering Process, S<strong>of</strong>tware Quality Con-<br />
trol, 16, 2, S. 213-235<br />
Opt<strong>im</strong>izing Test Process Action Plans by Blending Testing<br />
Maturity Model and Design <strong>of</strong> Exper<strong>im</strong>ents, Proc. <strong>of</strong> the<br />
8th International Conference on Quality S<strong>of</strong>tware, S. 57-66<br />
108 Prosch, M. Protecting Personal Information Using Generally Accepted<br />
Privacy Principles (GAPP) and Continuous Control Monitoring<br />
to Enhance Corporate Governance, International<br />
109 Ryu, H. et<br />
al.<br />
110 Saco, R.<br />
M.<br />
Journal <strong>of</strong> Disclosure and Governance 5, 2, S. 153-166<br />
A Strategic Test Process Improvement Approach Using an<br />
Ontological Description for MND-TMM, Proc. <strong>of</strong> the 7th<br />
IEEE/ACIS International Conference on Computer and<br />
Information Science, S. 561-566<br />
2008 Internet &<br />
World Wide<br />
Web<br />
2008 Personalführung<br />
2008 Personalentwicklung<br />
2008 Wissensmanagement<br />
2008 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
2008 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
2008 IT-<br />
Sicherheit<br />
2008 S<strong>of</strong>twareentwicklung<br />
Maturity Models, Industrial <strong>Management</strong> 50, 4, S. 11-15 2008 Prozessmanagement
Anhang 267<br />
Nr. Autor Quelle Jahr Bereich<br />
111 Shahkooh,<br />
K. A. et al.<br />
112 Sheth, S.<br />
et al.<br />
113 Solli-<br />
Sæether,<br />
H.; Gott-<br />
schalk, P.<br />
114 von<br />
Konsky,<br />
B. R.;<br />
Ivins, J.<br />
115 Woodhouse,<br />
S.<br />
116 Zhang, H.<br />
et al.<br />
117 CMMI<br />
Product<br />
Team<br />
A Proposed Model for E-government Maturity, Proc. <strong>of</strong> the<br />
3rd International Conference on Information and Commu-<br />
nication Technologies, S. 1-5<br />
A Dashboard for Measuring Capability when Designing,<br />
Implementing and Validating Business Continuity and<br />
Disaster Recovery <strong>Projects</strong>, Journal <strong>of</strong> Business Continuity<br />
& Emergency Planning, 2, 3, S. 221-239<br />
Maturity in IT Outsourcing Relationships: An Exploratory<br />
Study <strong>of</strong> Client Companies, Industrial <strong>Management</strong> & Data<br />
Systems, 108, 5, S. 635-649<br />
Assessing the Capability and Maturity <strong>of</strong> Capstone S<strong>of</strong>tware<br />
Engineering <strong>Projects</strong>, Proc. <strong>of</strong> the 10th Conference on<br />
Australasian Computing Education, S.171-180<br />
An ISMS (Im)-Maturity Capability Model, Proc. <strong>of</strong> the 8th<br />
IEEE International Conference on Computer and Informa-<br />
tion Technology Workshops, S. 242-247<br />
A Research <strong>of</strong> Outsourcing Decision-making Based on<br />
Outsourcing Market Maturity, Proc. <strong>of</strong> the International<br />
Symposium on Electronic Commerce and Security, S.629-<br />
632<br />
CMMI for Services, Arbeitsbericht, S<strong>of</strong>tware Engineering<br />
Institute, Carnegie Mellon University<br />
Tabelle 53: Untersuchte Reifegradmodelle<br />
2008 Architekturmanagement<br />
2008 IT-<br />
Sicherheit<br />
2008 IT-Outsourcing<br />
2008 Projektmanagement<br />
2008 IT-<strong>Management</strong><br />
2008 IT-Outsourcing<br />
2009 Architekturmanagement
Literatur 269<br />
Literatur<br />
A<br />
[Ahern et al. 2003]<br />
Ahern, D. M.; Clouse, A.; Turner, R.: CMMI Distilled: A Practical Introduction<br />
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Ahlemann, F.; Teuteberg, F.; Brune, G.: Ontologie-basierte Attributierung von<br />
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Aier, S.; Riege, C.; Schönherr, M.; Bub, U.: Situative Methodenkonstruktion<br />
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Anderson, J. C.; Hakansson, H.; Johanson, J.: Dyadic Business Relationships<br />
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15.<br />
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B<br />
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Baacke, L.; Fitterer, R.; Mettler, T.; Rohner, P.: A Methodology for ICT Impact<br />
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International Conference Electronic Government, Turin, Italien 2008, S. 21-28.<br />
[Baacke et al. 2008b]<br />
Baacke, L.; Fitterer, R.; Mettler, T.; Rohner, P.: Transformational Government:<br />
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Proceedings <strong>of</strong> the 8th European Conference on E-Government, Lausanne<br />
2008, S. 43-50.<br />
[Baacke et al. 2009]<br />
Baacke, L.; Mettler, T.; Rohner, P.: Component-Based Process Modelling in<br />
Health Care. Proceedings <strong>of</strong> the 17th European Conference on Information<br />
Systems, Verona, Italien 2009, S. 2390-2402.<br />
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Back, A.; von Krogh, G.; Enkel, E.: The CC Model as Organizational Design<br />
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[Backhaus et al. 2006]<br />
Backhaus, K.; Erichson, B.; Plinke, W.; Weiber, R.: Multivariate<br />
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Bagozzi, R. P.; Phillips, L. W.: Representing and Testing Organizational<br />
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Bakos, Y. J.; Brynjolfsson, E.: Information Technology, Incentives, and the<br />
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Ballou, R. H.; Gilbert, S. M.; Mukherjee, A.: New Managerial Challenges from<br />
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[Balzert 2005]<br />
Balzert, H.: Lehrbuch Grundlagen der Informatik. 2. Aufl., Spektrum<br />
Akademischer Verlag, Heidelberg 2005.<br />
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Barnard, C. I.: The Functions <strong>of</strong> the Executive (Nachdruck von 1938). Harvard<br />
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[Bass 2008]<br />
Bass, B. M.: The Bass Handbook <strong>of</strong> Leadership: Theory, Research and<br />
Managerial Applications. 4. Aufl., Free Press, New York 2008.<br />
[Baumöl 2008]<br />
Baumöl, U.: Change <strong>Management</strong> in Organisationen: Situative<br />
Methodenkonstruktion für flexible Veränderungsprozesse. Gabler, Wiesbaden<br />
2008.<br />
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Becker, T.: Prozesse in Produktion und <strong>Supply</strong> Chain opt<strong>im</strong>ieren. 2. Aufl.,<br />
Springer, Berlin, Heidelberg 2008.<br />
[Becker et al. 1995]<br />
Becker, J.; Rosemann, M.; Schütte, R.: Grundsätze ordnungsmässiger<br />
Modellierung. In: Wirtschaftsinformatik 37 (1995) 5, S. 435-445.<br />
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Becker, J.; Algermissen, L.; Delfmann, P.; Knackstedt, R.:<br />
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[Becker et al. 2002b]<br />
Becker, J.; Delfmann, P.; Knackstedt, R.; Kuropka, D.: Konfigurative<br />
Referenzmodellierung. In: Becker, J.; Knackstedt, R. (Hrsg.):<br />
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[Becker et al. 2003]<br />
Becker, J.; Holten, R.; Knackstedt, R.; Niehaves, B.: Forschungsmethodische<br />
Positionierung in der Wirtschaftsinformatik: Epistemologische, ontologische<br />
und linguistische Leitfragen. Arbeitsbericht, Institut für Wirtschaftsinformatik,<br />
Westfälische Wilhelms-<strong>Universität</strong> Münster, Münster 2003.
272 Literatur<br />
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Becker, J.; Delfmann, P.; Knackstedt, R.: Konstruktion von<br />
Referenzmodellierungssprachen: Ein Ordnungsrahmen zur Spezifikation von<br />
Adaptionsmechanismen für Informationsmodelle. In: Wirtschaftsinformatik 46<br />
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[Becker et al. 2008]<br />
Becker, J.; Niehaves, B.; Olbrich, S.; Pfeiffer, D.: Forschungsmethodik einer<br />
Integrationsdisziplin: Eine Fortführung und Ergänzung zu Lutz Heinrichs<br />
"Beitrag zur Geschichte der Wirtschaftsinformatik" aus gestaltungsorientierter<br />
Perspektive. Arbeitsbericht, Institut für Wirtschaftsinformatik, Westfälische<br />
Wilhelms-<strong>Universität</strong> Münster, Münster 2008, S. 5-26.<br />
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Becker, J.; Knackstedt, R.; Pöppelbuß, J.: Entwicklung von Reifegradmodellen<br />
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Becker, J.; Schütte, R.: Referenz-Informationsmodelle für den Handel: Begriff,<br />
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Adaption von Referenzmodellen. In: Krallmann, H. (Hrsg.):<br />
Wirtschaftsinformatik '97: Internationale Geschäftstätigkeit auf der Basis<br />
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Physica-Verlag, Heidelberg 1997, S. 427-448.<br />
[Beckmann, Heckhausen 2006]<br />
Beckmann, J.; Heckhausen, H.: Motivation durch Erwartung und Anreiz. In:<br />
Heckhausen, J.; Heckhausen, H. (Hrsg.): Motivation und Handeln. 3 Aufl.,<br />
Springer, Berlin et al. 2006, S. 105-142.<br />
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Bortz, J.; Döring, N.: Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und<br />
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Boston Consulting Group: Aktuelle Trends <strong>im</strong> Beschaffungsmanagement für<br />
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[Boulding 1981]<br />
Boulding, K. E.: Evolutionary Economics. Sage Publications, Beverly Hills<br />
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Boutellier, R.; Corsten, D.: Basiswissen Beschaffung. 2. Aufl., Hanser,<br />
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Boutellier, R.; Wagner, S. M.: Markt- und kundenorientierte <strong>Supply</strong> Chain<br />
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Kompetenzen für <strong>Supply</strong> Chain Manager. Springer, Berlin et al. 2007, S. 99-<br />
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Wirtschaftsinformatik 51 (2009) 1, S. 148-151.<br />
[Winter 2009b]<br />
Winter, R. (Hrsg.): <strong>Management</strong> von Integrationsprojekten. Springer, Berlin et<br />
al. 2009.<br />
[Winter et al. 2009]<br />
Winter, R.; Gericke, A.; Bucher, T.: Method versus Model: Two Sides <strong>of</strong> the<br />
Same Coin? Proceedings <strong>of</strong> the 5th International Workshop on Cooperation &<br />
Interoperability - Architecture & Ontology, Amsterdam 2009, S. 1-15.<br />
[Witschi 2007]<br />
Witschi, U.: Konfliktkompetenz. In: Rudolph, T.; Drenth, R.; Meise, J. N.<br />
(Hrsg.): Kompetenzen für <strong>Supply</strong> Chain Manager. Springer, Berlin et al. 2007,<br />
S. 207-222.
Literatur 309<br />
[Wohlgemuth 2002]<br />
Wohlgemuth, O.: <strong>Management</strong> netzwerkartiger Kooperationen: Instrumente für<br />
die unternehmensübergreifende Steuerung. Deutscher <strong>Universität</strong>s-Verlag,<br />
Wiesbaden 2002.<br />
[Womack et al. 1990]<br />
Womack, J. P.; Jones, D. T.; Roos, D.: The Machine That Changed the World:<br />
The Story <strong>of</strong> Lean Production. Free Press, New York 1990.<br />
[Wortmann 2006]<br />
Wortmann, F.: Entwicklung einer Methode für die unternehmensweite<br />
Autorisierung. Dissertation, Institut für Wirtschaftsinformatik, <strong>Universität</strong> St.<br />
Gallen, St. Gallen 2006.<br />
[Wottawa, Thierau 1998]<br />
Wottawa, H.; Thierau, H.: Lehrbuch Evaluation. 2. Aufl., Huber, Bern 1998.<br />
[Wüstneck 1963]<br />
Wüstneck, K. D.: Zur philosophischen Verallgemeinerung und Best<strong>im</strong>mung des<br />
Modellbegriffs. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 11 (1963) 12, S. 1504-<br />
1523.<br />
Y<br />
[Yin 2002]<br />
Yin, R. K.: Case Study Research: Design and Methods. 5. Aufl., Sage<br />
Publications, Thousand Oaks et al. 2002.<br />
Z<br />
[Zarnekow et al. 2002]<br />
Zarnekow, R.; Brenner, W.; Eyholzer, K.: E-Procurement in der öffentlichen<br />
Beschaffung. In: HMD - Praxis Der Wirtschaftsinformatik 226 (2002), S. 44-<br />
58.<br />
[Zollenkop 2006]<br />
Zollenkop, M.: Geschäftsmodellinnovation. Deutscher <strong>Universität</strong>s-Verlag,<br />
Wiesbaden 2006.
310 Lebenslauf<br />
Lebenslauf<br />
Persönliche Angaben<br />
Name Tobias Mettler<br />
Geburtsdatum 27. November 1979<br />
Geburtsort Münsterlingen, Schweiz<br />
Studium und schulischer Werdegang<br />
04. 2006 – 10. 2009 <strong>Universität</strong> St. Gallen<br />
Doktoratsstudium<br />
10. 1999 – 03. 2004 <strong>Universität</strong> St. Gallen<br />
Lizentiat der Wirtschaftswissenschaften,<br />
Vertiefung Informationsmanagement<br />
08. 1994 – 02. 1999 Kantonsschule Romanshorn<br />
Matura<br />
Berufserfahrung und praktische Tätigkeiten<br />
01. 2010 – heute SAP Research, CEC St. Gallen<br />
Senior Researcher<br />
04. 2006 – 09. 2009 Institut für Wirtschaftsinformatik, <strong>Universität</strong> St. Gallen<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von<br />
Pr<strong>of</strong>. Dr. Robert Winter<br />
06. 2004 – 03. 2006 Solution Providers <strong>Management</strong> Consulting<br />
Business Analyst<br />
08. 2003 – 12. 2003 Ancoso Business Technologies<br />
S<strong>of</strong>twareentwickler<br />
03. 2002 – 12. 2003 Institut für Wirtschaftsinformatik, <strong>Universität</strong> St. Gallen<br />
Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl von<br />
Pr<strong>of</strong>. Dr. Robert Winter<br />
02. 2001 – 03. 2001 Thurgauer Kantonalbank<br />
02. 2000 – 03. 2000 Sachbearbeiter <strong>im</strong> Fachzentrum Anlegen in den Bereichen<br />
Namenaktienbuchhaltung und Wertschriftenabwicklung