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<strong>Der</strong> <strong>Lockruf</strong> <strong>des</strong> <strong>Südens</strong><br />
Ein Reisebericht von Helmold und Hannelore Ulbricht<br />
Port Camargue den 22.Juni 2006-<br />
Tilikum hängt am Anker und geigt in der langen Dünung vor der<br />
Mole von Port Camargue im Golf von Lyon.<br />
<strong>Der</strong> Wind reicht nicht zum Segeln, also ist Badetag angesagt.<br />
Ich liege auf dem Vorschiff in der Sonne und genieße das Auf<br />
und Ab.<br />
Meine Crew-Frau Hannelore hingegen<br />
kämpft in diesem Jahr mit der Seekrank-<br />
heit und ist nicht gut drauf.<br />
Dagegen müssen wir was unternehmen.<br />
Unser drittes Crewmitglied, Kater Charly,<br />
hat sich wohl in sein Schicksal ergeben<br />
und schläft in der Kajüte neben dem<br />
Schwertkasten. Obwohl das Thermometer<br />
38 Grad zeigt, weht ein leichter Luftzug<br />
durch das Schiff und streift seinen<br />
schwarzen Pelzmantel.<br />
Seit Pfingstsonnabend haben wir<br />
so ein Hochsommerwetter.<br />
Wir hatten uns danach gesehnt,<br />
das ganze Winterhalbjahr, und<br />
nun würden wir uns über einen<br />
Regentag freuen, aber nur einen!<br />
Während ich so beim Auf und Ab<br />
<strong>des</strong> Bootes in den blauen Himmel,<br />
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und auf die imposante Küstenkulisse von La Grande Motte<br />
schaue, läuft noch einmal die gesamte Reise bis hierher wie ein<br />
Film an meinem geistigen Auge vorüber.<br />
Unser Jollenkreuzer Tilikum, ein Stahlsegelboot, knapp 9m lang<br />
und 2,7m breit, 1975 selbst gebaut, ist in 30 Jahren<br />
Fahrtenseglerpraxis, so gut ausgerüstet, dass wir zwei Rentner<br />
gut für längere Zeit darauf leben können.<br />
Da dies unsere 3.Langfahrt von Neustrelitz zum Mittelmeer ist,<br />
haben wir auch schon Erfahrung in der Auswahl der Ausrüstung<br />
und der Ladeliste für unverzichtbare Sachen.<br />
2003, bei unserer letzten Reise, es war der extrem heiße<br />
Sommer, da waren wir nur drei Wochen am Mittelmeer, weil<br />
wir in der bekanntermaßen windreichsten Region <strong>des</strong> Golfs von<br />
Lyon keinen Wind hatten und uns an die Müritz zurück gesehnt<br />
haben.<br />
Nun, nach drei Jahren hat es wieder gekribbelt denn der<br />
Sommer 2005 war auch nicht so toll.<br />
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Also keimte im Herbst 2005 der Gedanke: Wir versuchen es<br />
noch mal. Wir werden beide 68 in diesem Jahr und wer weiß<br />
wie lange wir den Segelsport noch ausüben können.<br />
Wir sind heiß auf Langfahrt und so freuen wir uns den ganzen<br />
Winter über auf den Starttermin, den wir auf den 26. April,<br />
spätestens 1. Mai gelegt haben.<br />
Das Boot ist bereits im Herbst startklar gemacht worden, so<br />
entfällt das übliche Warten auf Lackierwetter im Frühjahr. Nur<br />
das lang anhaltende Eis auf der Woblitz machte uns etwas<br />
Sorgen. Aber pünktlich zum 26.April war alles wunschgemäß.<br />
Das Boot mit etwa einer Tonne Zuladung war voll<br />
ausgelastet . Gesamtgewicht ca.4,5 t<br />
Neben 80 Flaschen Mineralwasser und zig Konservendosen<br />
hatten wir 60 Fl. Bier und ein paar Flaschen Moselwein unserer<br />
Lieblingsrebe für Unterwegs gebunkert.<br />
Natürlich auch 120 Ltr. Diesel u. 30 Liter Benzin für den<br />
Notfall-Außenborder, den wir eigentlich nicht benutzen<br />
wollten. Dazu kamen noch 140 Ltr. Trinkwasser und jede Menge<br />
Klamotten für je<strong>des</strong> Wetter. Bei 5 Monaten Reisezeit muss man<br />
schon gut überlegen.<br />
Da wir ca. 5 Wochen in Nordeuropa herumschippern würden,<br />
mussten wir natürlich auch noch an warme Sachen denken, die<br />
viel Platz brauchen. 40 kg Kartoffeln u. 40 kg Katzenstreu für<br />
Charly hätte ich fast noch vergessen.<br />
Unser Boot hat eigentlich vier Schlafplätze. Am Abfahrtstag<br />
hatten wir nur noch zweieinhalb Schlafplätze.<br />
Da ja auch die Segel und das stehende und laufende Gut unter<br />
Deck verstaut werden musste, war alles belegt.<br />
<strong>Der</strong> Mast gelegt und fest verschnürt, starten wir in den Morgen<br />
<strong>des</strong> 26.April 2006.<br />
Da es ein Wochentag ist, geht die Fahrt flott voran die Havel<br />
abwärts. Durch die paar Schleusen, lächerlich gegen das was<br />
uns noch erwartet, kommen wir gut voran.<br />
3
Am späten Nachmittag machen wir in Zehdenik fest, werden<br />
von einem freundlichen Hafenmeister begrüßt und nach dem<br />
Woher und Wohin gefragt. Er bewundert unseren Mut zu so<br />
einer Reise.<br />
Die nächste Strecke bis Ketzin<br />
verläuft ohne größere Ereignisse.<br />
In der Ketziner Havel wollen wir<br />
in einer seenartigen Erweiterung<br />
Anker werfen zum Übernachten.<br />
Hier waren wir schon einmal und<br />
ein Charterboot liegt auch schon<br />
hier. Also los geht’s, doch dann<br />
ein Poltern und Schleifen von<br />
Schwert und Ruder über den<br />
Grund. Das ist eigentlich nicht<br />
weiter schlimm denn bei<strong>des</strong><br />
kann schnell aufgeholt werden.<br />
Hier ist aber der Ruderniederholer<br />
gebrochen der das Ruder immer<br />
senkrecht unten halten muss,<br />
um den Ruderdruck an der Pinne<br />
möglichst gering zu halten.<br />
Ich muss den Schaden reparieren ob ich will oder nicht und<br />
zwar an der Badeleiter hängend mit den Füßen im kalten<br />
Wasser. Wassertemperatur 6 bis 7 Grad, auch das überlebe ich<br />
und wir haben eine ruhige Nacht ohne Hafenlampen.<br />
<strong>Der</strong> Morgen ist schön am 28.4. und wir stehen gegen 7 Uhr auf,<br />
frühstücken und genießen die frühe Sonne. Ich rate meiner<br />
Steuerfrau, etwas in Ufernähe aus der Bucht wieder in die<br />
Havel zu fahren und habe noch das Ankergeschirr aufzuklaren.<br />
Plötzlich ein sanfter Ruck und wir sitzen fest auf einer<br />
schlickigen Sandbank. Da hier keine Tonnen liegen und wir auch<br />
kein Echolot haben, war niemanden dieses Missgeschick<br />
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vorzuwerfen. Und was machen wir nun? Vorwürfe halfen nun<br />
auch nicht mehr. Wir mussten versuchen mit eigener Kraft aus<br />
dieser misslichen Lage heraus zu kommen. Weit und breit war<br />
kein Mensch zu sehen, der uns hätte helfen können. Um uns<br />
herum waren noch ca. 50 cm Wassertiefe. Alles Schaukeln und<br />
Schiebeversuche mit dem langen Staken waren vergeblich. So<br />
setzen wir unsere ganze Hoffnung auf die 30 PS unseres<br />
Lombardini, der im Rückwärtsgang bei halber Kraft dann nach<br />
10 Minuten das Schiff wieder frei geschaufelt hatte.<br />
Wir haben uns dann in Ufernähe eine Fahrrinne zur Havel<br />
gesucht und waren froh ,den Schreck in der Morgenstunde so<br />
glimpflich hinter uns zu haben.<br />
Die Havel von Ketzin bis Brandenburg ist ein recht schönes<br />
Revier und um diese Zeit nur mit einigen Berufschiffen<br />
befahren. Es folgten der Plauer See und der Elbe-Havel-Kanal<br />
mit den Schleusen Wusterwitz und Zerben . Vor Niegripp<br />
übernachten wir in einem großen Kiesloch, um am nächsten Tag<br />
die Elbe auf dem neuen Wasserstraßenkreuz zu überqueren.<br />
.Über Funk haben wir uns bei der Schleuse Hohenwarte<br />
angemeldet, müssen aber doch einige Zeit warten, wegen <strong>des</strong><br />
Einbahnverkehrs über die Elbe. Als wir dann aus der Schleuse<br />
ins Oberwasser fahren, kommt uns eine Motoryacht aus<br />
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Zehdenik entgegen, <strong>des</strong>sen Skipper winkt ganz aufgeregt zu<br />
uns herüber. Er war 3 Wochen zuvor bei uns zu Hause und hat<br />
sich Tipps für eine Überführung aus Holland geholt. Nun war er<br />
auf dem Heimweg und wir freuen uns mit ihm , dass alles gut<br />
geklappt hat.<br />
Die Fahrt über die Elbe durch den Trog ist doch imposant, wenn<br />
man dieses gewaltige Bauwerk<br />
so hautnah selbst erlebt.<br />
<strong>Der</strong> Mittellandkanal (MLK) ist relativ langweilig, weil er die<br />
ersten 20 Km bis Haldensleben fast schnurgerade verläuft. Dort<br />
wollten wir den neuen Sporthafen mal nutzen und ein paar<br />
Freunde in unserer alten Heimatstadt besuchen. Wir stammen<br />
beide von hier, haben zwar keine Verwandten mehr hier aber<br />
noch ein paar Schulfreunde.<br />
Unsere Freunde Günter und Helga waren zwar nicht zu Hause<br />
aber zwei andere auch schon ältere Segelfreunde Lutz und<br />
Betty trafen wir an. Sie haben uns spontan zum Klönsnak zu<br />
sich nach Hause eingeladen. Das war uns auch recht, denn das<br />
Wetter war auch nicht so toll , kühl und regnerisch , so dass wir<br />
auf dem Boot auch heizen mussten . <strong>Der</strong> Abend war ausgefüllt<br />
mit den gegenseitigen Erzählungen der letzten Reisen und zwei<br />
Flaschen Rotwein mussten ihre Korken lassen.<br />
Wir verabschiedeten uns gegen 23 Uhr und wünschen beiden<br />
noch alles Gute, denn mit ihrer Gesundheit steht es auch nicht<br />
mehr zum Besten . Beide sind über 75.<br />
Den Sonntagnachmittag und -abend können wir dann doch noch<br />
mit unseren alten Freunden<br />
Günter und Helga verbringen. Sie sind früher zurückgekommen<br />
als erwartet und holen uns vom Hafen ab. So verbringen wir<br />
einige schöne gemeinsame Stunden.<br />
Am Vormittag hatten wir einen ausgiebigen Stadtbummel durch<br />
unser Haldensleben gemacht und konnten feststellen, dass sich<br />
die Stadt gut von der Erstarrung der Vorwendezeit erholt und<br />
dank der Industrieansiedlungen am Stadtrand zu einer<br />
wohlhabenden Stadt geworden ist.<br />
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Dies wird auch sichtbar durch die sehr niedrigen<br />
Arbeitslosenzahlen in der Region. <strong>Der</strong> neue Sporthafen ist auch<br />
ein Beispiel dafür , er gehört der Stadt.<br />
Montag früh 1. Mai . Nach dem Frühstück und der üblichen<br />
Morgenzeremonie geht es weiter Richtung Westen. Gegen<br />
Mittag erreichen wir Wolfsburg die Autostadt und am Abend<br />
machen wir beim BMC Braunschweig fest , haben Strom und<br />
Wasser und eine geheizte Sanitäranlage.<br />
Wir sind die einzigen Gäste am Steg.<br />
<strong>Der</strong> Dienstag wird wieder ein langer Tag, obwohl es mit den<br />
beiden Schleusen Anderten und Süllfeld auf dem MLK gut<br />
klappt, sind wir gegen 20 Uhr 30 in Minden und machen an der<br />
Kaimauer hinter der Weserüberführung fest. Hier ist eine<br />
kostenlose Liegestelle für Sport- und Berufschiffe, aber mit<br />
Beleuchtung. Wir sind totmüde und schlafen gut.<br />
Am Mittwoch erreichen wir Recke, 13 Km vom Ende <strong>des</strong> MLK.<br />
Ein schöner Hafen in dem wir immer einen Ruhetag einlegen.<br />
Ich hatte mich am Nachmittag per Handy beim Hafenmeister<br />
Helmut Robbes angemeldet und er hat uns einen Stegplatz<br />
reserviert.<br />
Recke ist ein hübsches kleines Städtchen im Emsland etwa 1,5<br />
Km vom Kanal entfernt. Wir fahren mit den Bordrädern das<br />
kurze Stück bis zum Ort und bekommen alles was wir brauchen.<br />
Die Crewfrau kauft sich noch eine<br />
neue Armbanduhr für 39 Euro, hübsch<br />
und praktisch für den Bordbetrieb. Am<br />
Nachmittag bei einem Rundgang auf dem<br />
Hafengelände, es gibt einige Um-<br />
und Neubauten, die wir besichtigen wollen,<br />
gibt es einen kleinen Unfall.<br />
Die Crew-Frau stolpert<br />
über eine Pflasterkante und stürzt.<br />
Blaue Flecken und aufgeschlagene Knie<br />
sind die schmerzhaften Folgen. Wir können<br />
die medizinische Versorgung mit Bordmitteln<br />
durchführen und am nächsten Tag geht es<br />
gleich richtig zur Sache.<br />
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Die letzten paar Kilometer bis Bergeshövede dann geht es nach<br />
Süden in den DEK- Dortmund-Ems-Kanal bis Datteln.<br />
8<br />
Schleuse<br />
Datteln<br />
Gleich am Anfang gibt es eine 10 Km lange Baustelle, hier wird<br />
der DEK verbreitert und es werden neue Brücken gebaut. Es<br />
herrscht starker Verkehr durch Berufsschiffe aller Kaliber, von<br />
300 bis 3000 t also alle vier Augen auf und Funk Kanal 10 an.<br />
Gegen 17 Uhr nach ca. 80 Km erreichen wir den Sporthafen der<br />
Kanalstadt Datteln.<br />
Abend in Datteln<br />
am DEK
Wir werden freundlich empfangen und mit allem nötigen,<br />
sprich Strom, Wasser und Schlüssel für die Toilette versorgt.<br />
Wir quatschen mit einigen Skippern über alles Mögliche und<br />
machen dann noch einen Spaziergang , ein Telefonat mit<br />
meiner Schwester zu Hause sagt: alles OK.<br />
Ich hatte heute versucht, nach der Baustelle ein langsam<br />
fahren<strong>des</strong> Berufschiff zu überholen, ohne den Skipper über<br />
Funk zu fragen ob er einverstanden ist. Das war ein Fehler.<br />
Obwohl ich sehr zügig auf ihn aufgelaufen bin , gelang es nicht<br />
ab Schiffsmitte den starken Sog zu überwinden. Ich musste den<br />
Überholvorgang abbrechen, obwohl der Kanal hier sehr breit<br />
war. Hinter der Schleuse Münster, wir waren zusammen in der<br />
Schleuse, fragte ich den Käpten, ob ich überholen könnte? Er<br />
stimmte zu und alles ging problemlos vonstatten.<br />
Er nahm etwas Fahrt aus seinem Schiff und wir kamen schnell<br />
vorbei und brauchten nicht ewig hinter ihm herzujockeln, was<br />
denn doch nervt. Dattel- Dorsten ging auch problemlos, wir<br />
fahren nun auf dem Wesel-Dattel-Kanal ( WDK)<br />
In Dorsten ist ein praktischer Kai mitten in der Stadt aber<br />
unruhig, wegen der vielen durchfahrenden Schiffe und der oft<br />
randalierenden Kinder und Halbwüchsigen.<br />
Meist Ausländerkinder die in ihrem Tun auch noch von den im<br />
Gartenlokal sitzenden Eltern bestärkt werden. Dafür ist das<br />
Einkaufen schnell erledigt und eine Shell-Tanke ist auch in 600<br />
Meter Entfernung , mit dem Fahrrad und Kanister raz-baz<br />
erreicht.<br />
Am Abend kamen noch zwei Boote, unter anderen MY Rosita<br />
aus Frohse , die jetzt in Berlin wohnen . Ich half dem Skipper<br />
beim Anlegen da er Schwierigkeiten hatte , sein<br />
Querstrahlruder war defekt . Er lud mich dann zu einem Bier<br />
auf seine monströse Yacht ein und der riesige<br />
Schwarzweiß gefleckter Hund leckte ständig an meinen Händen<br />
und Füssen. Das Ehepaar wollte auch nach Südfrankreich, aber<br />
sie hatten nicht genügend Unterlagen und keinerlei<br />
Französischkenntnisse. Sie wollten das Schiff über Winter in Fos<br />
im Wasser liegen lassen- naja. FORTSETZUNG FOLGT !<br />
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