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11.07.2015 Aufrufe

UHRENLANDUHREPuristische Ästhetik, kompromisslos jung! Neben den traditionellenModellen bietet Reuge auch sehr moderne Musik«dosen» an.Gegenüber: eine Mondkugel von De Bethune, stark vergrössert.sind neue Maschinen da: eine Décolleteuse, eineCNC-Fräsmaschine, ein Fertigungszentrum. DieProduktionsfläche der THA, die dafür prädestiniertist, zur Manufaktur Carl F. Bucherer zu werden,wird sich von 1000 auf 2000 m 2 erhöhen. BeimPersonal ist die Entwicklung umgekehrt: Von nurnoch 9 wuchs die Anzahl auf das Doppelte, frühereMitarbeiter wurden wieder eingestellt, und neuestossen hinzu. « In fünf Jahren werden wir50 Personen beschäftigen, das ist so geplant »,erklärt Direktor Philippe Roehrich, der von derneuen Besitzerin übernommen wurde. «Wir wollenhier Werke und Module entwickeln und sie produzieren,uns aber auf kleine und mittlere Serienbeschränken.»Ein günstiger Nährboden. Bei diesem neuenMärchen von Sainte-Croix ist nicht bloss eineSchöne aus einem Nickerchen erwacht. DieUhrmacherei lag in einem langen Dornröschenschlaf.Man musste nicht einfach ein bisschen inder Glut stochern, damit das Feuer wieder loderte.Aus meiner Kindheit in diesem Dorf in den 1950erund 1960er Jahren, als die Industrie dort florierteund die Einwohnerzahl 7500 betrug (gegenüber4300 heute), weiss ich, dass man in den Fabrikenvon Sainte-Croix zwar alles Mögliche machte, undschon immer gemacht haben wollte, dabei abervon Uhren gar nie die Rede war… Es war die Zeitder Kameras und Plattenspieler, von Paillard,Thorens und Reuge, grossen Firmen, die sich dieDiversifizierung auf die Fahne geschrieben hatten,und zwar so sehr, dass die Aufzählung ihrerErfolge an ein Inventar à la Prévert erinnert.Obwohl eine Nachbarin, wie viele andere auch,in Heimarbeit Musikdosen verstiftete, kannteich Reuge damals vor allem als Fabrik fürSkibindungen, die berühmten Kandahar, miteinem Sicherheitssystem, von dessen heiklerEinstellung eine Narbe an meinem linken Bein bisheute zeugt…Jean Reuge, der über diese Anekdote lächelnmuss, gehört zu jenen Leuten, die das lebendeGedächtnis dieser unglaublichen Industriesagasind, und er hat sie in einer lesenswerten Schriftfestgehalten*. Er bestätigt, dass die Uhrmachereinach dem Ersten Weltkrieg ganz aus dem Ort verschwundenwar : « Die Uhrmacher von Sainte-Croix hatten sich schon im 18. Jahrhundert aufBestandteile mit Mehrwert wie Quadraturen für*Jean Reuge, Sainte-Croix : Fünf Jahrhunderte Industriegeschichte,Musée des Arts et des Sciences de Sainte-Croix.Erhältlich beim « Journal de Sainte-Croix ».32| watch around Nr. 005 Sommer 2008

NLANDUHRENLANUhren mit Läutwerk spezialisiert und interessiertensich nicht für weniger noble, schlecht bezahlteTeile. Kurzum, sie schafften es nicht, sich vonZulieferern zu eigentlichen Uhrenfabrikanten zumausern und verpassten es Ende des 19. Jahrhunderts,auf den Zug der Industrialisierung aufzuspringen.»Kurioserweise war es den lokalen Behörden niegelungen, Uhrmacher anzuwerben und dieseIndustrie auszubauen, obwohl sie sich darumbemühten. Und dann kamen sie nach zwei, dreiGenerationen des Stillstands wieder fast wie vonselbst. «Das ist wie bei den Pilzen, es gibt einenNährboden dafür, und wenn die Verhältnisse günstigsind, schiessen sie aus dem Boden!» Daranmuss es liegen : am Substrat. Eine geschichtsträchtigeUmgebung, Generationen von Leutenmit geschickten Händen, Tüftler der Feinmechanikund Präzisionsarbeit. Und darauf aufgepfropft dasvorurteilslose, begeisterungsfähige Fremde, denneine Blutauffrischung war sicher nötig. So könnteman sagen, dass dieses so kompetente und leistungsfähigeNetz der neuen Uhrmacher vonSainte-Croix im Grunde im Kleinen die ganzeGeschichte dieses schweizerischen Industriezweigsspiegelt, die sie mit viel Elan fortsetzt. DieMitglieder dieser Truppe helfen einander, tauschensich aus, schätzen sich gegenseitig, tun sichoft zusammen und betrachten sich nie alsKonkurrenten, auch wenn ihre Kundschaft dieselbeist. Das ist mindestens heute ihre Haltung. Und wirwollen optimistisch bleiben, denn ganz gefeit sindsie vor den beängstigenden Auswirkungen desErfolgs der einen oder anderen nicht – vor allemnicht vor dem der andern. •33watch around Nr. 005 Sommer 2008 |

NLANDUHRENLANUhr<strong>en</strong> mit Läutwerk spezialisiert und interessiert<strong>en</strong>sich nicht für w<strong>en</strong>iger noble, schlecht bezahlteTeile. Kurzum, sie schafft<strong>en</strong> es nicht, sich vonZulieferern zu eig<strong>en</strong>tlich<strong>en</strong> Uhr<strong>en</strong>fabrikant<strong>en</strong> zumausern und verpasst<strong>en</strong> es Ende des 19. Jahrhunderts,auf d<strong>en</strong> Zug der Industrialisierung aufzuspring<strong>en</strong>.»Kurioserweise war es d<strong>en</strong> lokal<strong>en</strong> Behörd<strong>en</strong> niegelung<strong>en</strong>, Uhrmacher anzuwerb<strong>en</strong> und dieseIndustrie auszubau<strong>en</strong>, obwohl sie sich darumbemüht<strong>en</strong>. Und dann kam<strong>en</strong> sie nach zwei, dreiG<strong>en</strong>eration<strong>en</strong> des Stillstands wieder fast wie vonselbst. «Das ist wie bei d<strong>en</strong> Pilz<strong>en</strong>, es gibt ein<strong>en</strong>Nährbod<strong>en</strong> dafür, und w<strong>en</strong>n die Verhältnisse günstigsind, schiess<strong>en</strong> sie aus dem Bod<strong>en</strong>!» Daranmuss es lieg<strong>en</strong> : am Substrat. Eine geschichtsträchtigeUmgebung, G<strong>en</strong>eration<strong>en</strong> von Leut<strong>en</strong>mit geschickt<strong>en</strong> Händ<strong>en</strong>, Tüftler der Feinmechanikund Präzisionsarbeit. Und darauf aufgepfropft dasvorurteilslose, begeisterungsfähige Fremde, d<strong>en</strong>neine Blutauffrischung war sicher nötig. So könnteman sag<strong>en</strong>, dass dieses so kompet<strong>en</strong>te und leistungsfähigeNetz der neu<strong>en</strong> Uhrmacher vonSainte-Croix im Grunde im Klein<strong>en</strong> die ganzeGeschichte dieses schweizerisch<strong>en</strong> Industriezweigsspiegelt, die sie mit viel Elan fortsetzt. DieMitglieder dieser Truppe helf<strong>en</strong> einander, tausch<strong>en</strong>sich aus, schätz<strong>en</strong> sich geg<strong>en</strong>seitig, tun sichoft zusamm<strong>en</strong> und betracht<strong>en</strong> sich nie alsKonkurr<strong>en</strong>t<strong>en</strong>, auch w<strong>en</strong>n ihre Kundschaft dieselbeist. Das ist mindest<strong>en</strong>s heute ihre Haltung. Und wirwoll<strong>en</strong> optimistisch bleib<strong>en</strong>, d<strong>en</strong>n ganz gefeit sindsie vor d<strong>en</strong> beängstig<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Auswirkung<strong>en</strong> desErfolgs der ein<strong>en</strong> oder ander<strong>en</strong> nicht – vor allemnicht vor dem der andern. •33watch around Nr. 005 Sommer 2008 |

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