RENLANDUHRENLVIRTUOSENSainte-Croix, bei dem man auf der ganz<strong>en</strong> Welt anMusikdos<strong>en</strong> oder Automat<strong>en</strong> d<strong>en</strong>kt, wird seit einpaar Jahr<strong>en</strong> samt sein<strong>en</strong> Weilern L‘Auberson undLa Chaux auch in Verbindung mit der Uhr<strong>en</strong>industrieg<strong>en</strong>annt. Geht die Industriestadt auf dem«Balkon des Jura» also neue Wege? Nicht wirklich.Eher geht sie zurück zu d<strong>en</strong> Wurzeln, d<strong>en</strong>n im18. und 19. Jahrhundert war sie eine Uhr<strong>en</strong>stadt,bevor sie sich d<strong>en</strong> Grammophon<strong>en</strong>, Radiogerät<strong>en</strong>und Kameras zuwandte. Noch 1878 zählte man dort23 Fabrikant<strong>en</strong>, in der<strong>en</strong> Betrieb<strong>en</strong> 1000 Beschäftigte23000 Uhr<strong>en</strong> herstellt<strong>en</strong>.Das heutige Gescheh<strong>en</strong> spielt sich in ganz ander<strong>en</strong>Dim<strong>en</strong>sion<strong>en</strong> und auf einer ganz ander<strong>en</strong> Eb<strong>en</strong>e abund ist sehr bemerk<strong>en</strong>swert. Keine Rede von gross<strong>en</strong>Fabrik<strong>en</strong> mit riesig<strong>en</strong> Hall<strong>en</strong> und Heerschar<strong>en</strong>von Arbeitern. Die heutig<strong>en</strong> Uhrmacher von Sainte-Croix sind einige originelle Köpfe mit anerkannt<strong>en</strong>,manchmal gar einmalig<strong>en</strong> Tal<strong>en</strong>t<strong>en</strong>, die ein einzigartigesKompet<strong>en</strong>znetzwerk bild<strong>en</strong>. In 20 Jahr<strong>en</strong>hab<strong>en</strong> diese Meister des Unikats oder der limitiert<strong>en</strong>Serie auf ihr<strong>en</strong> Spezialgebiet<strong>en</strong> oder mit vereint<strong>en</strong>Kräft<strong>en</strong> wahre Wunder vollbracht, mit d<strong>en</strong><strong>en</strong> siedie Sammler begeistern konnt<strong>en</strong>. Zwar wiss<strong>en</strong>eher K<strong>en</strong>ner als das grosse Publikum von ihn<strong>en</strong>,aber stets geht es dabei um Produkte von hohemNiveau. Und das Echo in Asi<strong>en</strong> oder d<strong>en</strong> U.S.A. istviel stärker, als die bescheid<strong>en</strong>e Grösse dieserrespektabl<strong>en</strong> Truppe vermut<strong>en</strong> liesse.Künstler am Werk. Alles beginnt, oder beginnt wieder,Ende der 1980er Jahre mit Vianney, François-Paul und Co. Heute müsste man eig<strong>en</strong>tlich eher vonVianney, François, Dominique und Nicolas sprech<strong>en</strong>,d<strong>en</strong>n François-Paul gab nur ein Gastspiel in Sainte-Croix, jedoch ein <strong>en</strong>tscheid<strong>en</strong>des, was niemand<strong>en</strong>erstaun<strong>en</strong> wird, der sein<strong>en</strong> Nachnam<strong>en</strong> erfährt: erlautet Journe. Der Uhrmacher aus Marseille, der zuseinem Onkel gegang<strong>en</strong> war, der in Paris alteUhr<strong>en</strong> restaurierte, liebte die Stadt zu sehr, als dasser sich dauerhaft in einem Dorf des WaadtländerJura hätte niederlass<strong>en</strong> könn<strong>en</strong>, das ihm wohletwa so gut gefiel wie die nordfranzösischeProvinz… Trotzdem gründete er dort 1989 ein ehrgeizigeskleines Unternehm<strong>en</strong>: die THA, TechniquesHorlogères Appliquées. Seine Wahl war nichtzufällig: Dominique Mouret, der alte P<strong>en</strong>dül<strong>en</strong> virtuosrestauriert, war dort tätig, zusamm<strong>en</strong> mit sein<strong>en</strong>Kolleg<strong>en</strong> am C<strong>en</strong>tre International de MécaniqueJean-Philippe Arm25watch around Nr. 005 Sommer 2008 |
UHRENLANDUHREVianney Halters Contemporaine mit ihrer mysteriös<strong>en</strong> Schwungmasse ohneersichtliche Verbindung mit dem z<strong>en</strong>tral<strong>en</strong> Rotor erk<strong>en</strong>nt man gleich.d‘Art (CIMA), alle Meister ihres Fachs. Ausserdemlud Journe ein<strong>en</strong> befreundet<strong>en</strong> Uhrmacher aus derGeg<strong>en</strong>d von Paris zur Zusamm<strong>en</strong>arbeit ein: DieFr<strong>en</strong>ch Connection hat in der Schweizer Uhr<strong>en</strong>brancheschon immer gespielt. Vianney Haltererinnert sich noch gut an j<strong>en</strong>es Weihnachtsess<strong>en</strong>auf der Terrasse des Grand Hôtel des Rasses,an der strahl<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Sonne, mit Blick auf dasNebelmeer: «Ich habe nicht gezögert – so etwasoder die Banlieue von Paris… Und ich habe meineEntscheidung nie bereut. Um in unserem Berufkreativ zu sein, braucht man diese Leb<strong>en</strong>squalität,diese Ruhe, diese Natur.»François-Paul Journe hingeg<strong>en</strong> behielt sein<strong>en</strong>Leb<strong>en</strong>smittelpunkt noch einige Jahre in Paris,bevor er nach G<strong>en</strong>f ging und sich dort mit seinereig<strong>en</strong><strong>en</strong> Marke ein<strong>en</strong> Nam<strong>en</strong> machte. Zuvor hatteer allerdings der THA ein<strong>en</strong> <strong>en</strong>tscheid<strong>en</strong>d<strong>en</strong>Impuls gegeb<strong>en</strong>. Für John Asprey hatte er ein«sympathisches» P<strong>en</strong>del für eine Tasch<strong>en</strong>uhr konstruiert,die sie nach der einst von Abraham LouisBreguet erdacht<strong>en</strong> raffiniert<strong>en</strong> Methode aufzog undregulierte. In der Folge wurde in Sainte-Croix eineweitere Neuinterpretation des sympathisch<strong>en</strong>P<strong>en</strong>dels ausgeheckt, diesmal für eine Armbanduhrvon Breguet, und im Laufe der Jahre verliess<strong>en</strong> rundzwanzig Exemplare dieses Typs die Werkstätt<strong>en</strong>der THA. Die Firma erwarb sich sehr rasch eineexklusive Kundschaft, stellte einzigartige Uhr<strong>en</strong> fürdie grösst<strong>en</strong> Mark<strong>en</strong> her und brillierte mit höchst raffinierterUhrmacherkunst für Sammler. Vianney erinnertsich: «François-Paul kam auf ein<strong>en</strong> Sprungvorbei, gab uns seine sehr solid<strong>en</strong> technisch<strong>en</strong>Anweisung<strong>en</strong>, liess uns aber viel Spielraum und dieFreiheit, die Wege zum Ziel selbst zu <strong>en</strong>tscheid<strong>en</strong>.Es dauerte über ein Jahr, bis wir diese Uhr verstand<strong>en</strong>.Und dann zehn Jahre, um zehn Exemplaredavon herzustell<strong>en</strong>.» Davon kann auch der diskretePierre-André Grimm ein Lied sing<strong>en</strong>, der für dieReglage der ganz<strong>en</strong> Serie verantwortlich war. DieserMann hat mehr als ein<strong>en</strong> Pfeil im Köcher: Er verstehtsich als einer der Letzt<strong>en</strong> seines Fachs meisterhaftauf die Herstellung mechanischer Singvögel, dieeinst eine Spezialität der Region war.Der hervorstech<strong>en</strong>de Charakterzug des InnovatorsJourne ist sein grosser Respekt vor d<strong>en</strong> Meisteruhrmachernder Vergang<strong>en</strong>heit. Dies verbindet ihnseit je und für immer mit all dies<strong>en</strong> Überfliegern derFeinmechanik und Uhrmacherei, die oft über d<strong>en</strong>Wolk<strong>en</strong> schweb<strong>en</strong>. Auch mit Vianney Halter? Undob! Ganz bestimmt sind die Werke dieses etwasverrückt<strong>en</strong> Kreateurs immer eine aug<strong>en</strong>zwinkerndeRever<strong>en</strong>z an die Klassiker, ob sie nun fürdie eig<strong>en</strong>e oder für fremde Mark<strong>en</strong> <strong>en</strong>twickelt wurd<strong>en</strong>.Man d<strong>en</strong>ke an die seltsam<strong>en</strong>, regelrecht derZeit <strong>en</strong>trückt<strong>en</strong> Objekte seiner Kollektion Futur26| watch around Nr. 005 Sommer 2008