Das kleine 1x1 des Universums - WDR.de

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11.07.2015 Aufrufe

Doch zur selben Zeit machte dort ein viel weniger prominenterAstronom eine beunruhigende Entdeckung. Fritz Zwickyuntersuchte die Bewegung der Galaxien im sogenannten Coma-Haufen. Er kam zu dem Schluss, dass die gegenseitigeAnziehung der Galaxien durch ihre Schwerkraft eigentlich nichtausreichen dürfte, um den Haufen beieinander zu halten. SeineFolgerung: Es musste in dem Haufen eine große Mengeunsichtbarer Materie geben – Dunkle Materie. Doch diese Ideefand wenig Resonanz bei den Kollegen – vielleicht auch, weilZwicky als schwieriger Charakter galt. Die Dunkle Materie gerietin Vergessenheit.Erst Anfang der 1970er-Jahrerückte die Dunkle Materie wieder inden Fokus der Wissenschaft. Diejunge Astronomin Vera Rubinuntersuchte, wie schnell sich dieSterne in Galaxien um das Zentrumdrehen. Sie erwartete eigentlich,das Gleiche zu finden wie bei derBewegung der Planeten inunserem Sonnensystem: Je weiter weg die Sterne vom Zentrumder Anziehungskraft sind, desto langsamer sollten sie unterwegssein. Doch zu ihrer Überraschung stellte Rubin etwas anderesfest: In den Außenbereichen der Galaxien waren die Sterne fastgenauso schnell wie im Zentrum. Eigentlich müsste das dazuführen, dass die Galaxien auseinanderfliegen, die äußeren SterneDie Amerikanerin Vera Rubin findet inden 1970er-Jahren Hinweise auf dieDunkle Materieweggeschleudert werden. Doch die Galaxien blieben stabil.Rubins Entdeckung warf tiefgreifende Fragen auf – und belebteZwickys These neu: Es musste viel mehr Masse geben als die derleuchtenden Sterne. Die rätselhafte Dunkle Materie – es schiensie wirklich zu geben!Wie viel Dunkle Materie gibt es?Weltweit machten sich jetzt Astronomen auf die Jagd nach derfehlenden Masse im Universum. Zunächst versuchten sie, dieDunkle Materie durch herkömmliche astronomische Objekte zuerklären, die nur sehr schlecht zu beobachten sind: erkalteteSonnen, Planeten, dunkle Gaswolken. Astronomen bezeichnendiese Objekte auch als MACHOs (engl.: Massive Compact HaloObjects). Sogar die damals gerade erst indirekt beobachtetenSchwarzen Löcher bezogen sie in die Überschlagsrechnung ein.Doch unter dem Strich war das alles zu wenig. Es blieb einDefizit. Die Dunkle Materie bestand offenbar aus einem anderen,noch unbekannten Stoff.Während die Beschaffenheit der Dunklen Materie unklar bleibt,gelingt es den Astronomen immer besser, ihre Mengeabzuschätzen. Das liegt auch an besseren Teleskopen. Seit den1990er-Jahren liefert zum Beispiel das HubbleWeltraumobservatorium immer genauere Messdaten. Esvereinfacht das Auffinden sogenannter Gravitationslinsen, indenen große Massen-Ansammlungen – wie zum Beispiel15

Galaxienhaufen – den Raumverbiegen und das Licht vondahinter liegenden Objektenverformen. Je mehr Masse in derLinse ist, desto stärker wird dasLicht abgelenkt. Auch hier ist dasErgebnis eindeutig: In denGalaxienhaufen ist viel mehr dunkleals leuchtende Materie. Für einenkleinen Abschnitt des Himmels können die Astronomen auf dieseWeise sogar die Verteilung der Dunklen Materie berechnen. DasErgebnis: Es gibt fünfmal mehr Dunkle Materie als sichtbare.In einer Gravitationslinse verzerren großeMassen das Licht dahinter liegenderGalaxien.Woraus besteht Dunkle Materie?Auf der Suche nach der Beschaffenheit der Dunklen Materiebekommen die Kosmologen Hilfe aus einer unerwartetenRichtung. Schon seit den 1970er-Jahren postulierenTeilchenphysiker, dass es eine ganze Reihe von nochunentdeckten Elementarteilchen geben könnte. Diese WIMPs(engl.: Weakly Interacting Massive Particles) sollten nicht mitelektromagnetischer Strahlung - also Licht, Röntgenstrahlen,Radiowellen - wechselwirken und deshalb für Teleskopeunsichtbar sein. Die Prognosen der Physiker, was die Massen undHäufigkeit dieser Teilchen betrifft, passen erstaunlich gut zu denastronomischen Daten. Doch weder Kosmologen nochTeilchenphysiker haben bis jetzt WIMPs beobachten können.Rund um den Globus laufen zur Zeit etliche Experimente, um dieDunkle Materie direkt nachzuweisen. Hauptansatzpunkt dabei istdie Vorhersage, dass die WIMPs neben der Schwerkraft auch fürdie sogenannte schwache Kernkraft empfänglich sind.Hunderttausende Teilchen der Dunklen Materie strömen Sekundefür Sekunde durch jeden Quadratzentimeter der Erde. Statistischgesehen sollte einmal pro Jahr eines von ihnen über dieschwache Kernkraft an einem Atomkern hängenbleiben. Diemeisten Experimente versuchen, genau diese Kollisionen zumessen.Allein unter dem Gran SassoMassiv in den italienischenAbruzzen laufen dreiunterschiedliche Experimente. DieMessgeräte sind durch 1.400Meter Fels von der störendenkosmischen Strahlungabgeschirmt. Eines derExperimente dort sowie eines inden USA und eines auf der internationalen Raumstation ISSgeben Hinweise auf mögliche Zusammenstöße von WIMPs mitAtomkernen. Leider passen die Ergebnisse der unterschiedlichenExperimente nicht zusammen, so dass weitere Untersuchungenzeigen müssen, ob wirklich WIMPs die Dunkle Materieausmachen. Andernfalls müssen die Astronomen nach eineranderen Erklärung für die fehlende Masse im Universum suchen.Auch der AMS-Detektor an derinternationalen Raumstation sucht nachder Dunklen Materie16

Doch zur selben Zeit machte dort ein viel weniger prominenterAstronom eine beunruhigen<strong>de</strong> Ent<strong>de</strong>ckung. Fritz Zwickyuntersuchte die Bewegung <strong>de</strong>r Galaxien im sogenannten Coma-Haufen. Er kam zu <strong>de</strong>m Schluss, dass die gegenseitigeAnziehung <strong>de</strong>r Galaxien durch ihre Schwerkraft eigentlich nichtausreichen dürfte, um <strong>de</strong>n Haufen beieinan<strong>de</strong>r zu halten. SeineFolgerung: Es musste in <strong>de</strong>m Haufen eine große Mengeunsichtbarer Materie geben – Dunkle Materie. Doch diese I<strong>de</strong>efand wenig Resonanz bei <strong>de</strong>n Kollegen – vielleicht auch, weilZwicky als schwieriger Charakter galt. Die Dunkle Materie gerietin Vergessenheit.Erst Anfang <strong>de</strong>r 1970er-Jahrerückte die Dunkle Materie wie<strong>de</strong>r in<strong>de</strong>n Fokus <strong>de</strong>r Wissenschaft. Diejunge Astronomin Vera Rubinuntersuchte, wie schnell sich dieSterne in Galaxien um das Zentrumdrehen. Sie erwartete eigentlich,das Gleiche zu fin<strong>de</strong>n wie bei <strong>de</strong>rBewegung <strong>de</strong>r Planeten inunserem Sonnensystem: Je weiter weg die Sterne vom Zentrum<strong>de</strong>r Anziehungskraft sind, <strong><strong>de</strong>s</strong>to langsamer sollten sie unterwegssein. Doch zu ihrer Überraschung stellte Rubin etwas an<strong>de</strong>resfest: In <strong>de</strong>n Außenbereichen <strong>de</strong>r Galaxien waren die Sterne fastgenauso schnell wie im Zentrum. Eigentlich müsste das dazuführen, dass die Galaxien auseinan<strong>de</strong>rfliegen, die äußeren SterneDie Amerikanerin Vera Rubin fin<strong>de</strong>t in<strong>de</strong>n 1970er-Jahren Hinweise auf dieDunkle Materieweggeschleu<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Doch die Galaxien blieben stabil.Rubins Ent<strong>de</strong>ckung warf tiefgreifen<strong>de</strong> Fragen auf – und belebteZwickys These neu: Es musste viel mehr Masse geben als die <strong>de</strong>rleuchten<strong>de</strong>n Sterne. Die rätselhafte Dunkle Materie – es schiensie wirklich zu geben!Wie viel Dunkle Materie gibt es?Weltweit machten sich jetzt Astronomen auf die Jagd nach <strong>de</strong>rfehlen<strong>de</strong>n Masse im Universum. Zunächst versuchten sie, dieDunkle Materie durch herkömmliche astronomische Objekte zuerklären, die nur sehr schlecht zu beobachten sind: erkalteteSonnen, Planeten, dunkle Gaswolken. Astronomen bezeichnendiese Objekte auch als MACHOs (engl.: Massive Compact HaloObjects). Sogar die damals gera<strong>de</strong> erst indirekt beobachtetenSchwarzen Löcher bezogen sie in die Überschlagsrechnung ein.Doch unter <strong>de</strong>m Strich war das alles zu wenig. Es blieb einDefizit. Die Dunkle Materie bestand offenbar aus einem an<strong>de</strong>ren,noch unbekannten Stoff.Während die Beschaffenheit <strong>de</strong>r Dunklen Materie unklar bleibt,gelingt es <strong>de</strong>n Astronomen immer besser, ihre Mengeabzuschätzen. <strong>Das</strong> liegt auch an besseren Teleskopen. Seit <strong>de</strong>n1990er-Jahren liefert zum Beispiel das HubbleWeltraumobservatorium immer genauere Messdaten. Esvereinfacht das Auffin<strong>de</strong>n sogenannter Gravitationslinsen, in<strong>de</strong>nen große Massen-Ansammlungen – wie zum Beispiel15

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