württembergische seminar-nachrichten - Seminaristen Online
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2005 48. Heft<br />
WÜRTTEMBERGISCHE SEMINAR-NACHRICHTEN<br />
Mitteilungsblatt des Hilfsvereins für die Evangelischen Seminare<br />
1717
Inhalt<br />
Andacht (Reuß) .................................................. 1719<br />
Die Schöntaler Jahre der jungen Ephora (Wacker) ................... 1723<br />
Provinz und Weltgeist in Maulbronn (Küenzlen) ..................... 1725<br />
Neue Gottesdienstkultur in Maulbronn (Blank) ...................... 1727<br />
Berlin ist eine schöne Stadt... (Caesar) ............................. 1729<br />
Musikprojekt des Seminarchores 2005 ............................. 1730<br />
50 Jahre Abitur (Busch) .......................................... 1732<br />
Seminar Blaubeuren – Jubiläum, Seminarentwicklung .............. 1735<br />
Griechenland-ABC 2005 (Drexler/Probst) ......................... 1739<br />
Studienfahrt zum Bachfest nach Leipzig<br />
(Schneider/Schnigula/Probst) ..................................... 1743<br />
»Die Stadtbibliothek« (Thumm) .................................... 1744<br />
<strong>Seminaristen</strong> in aller Welt ......................................... 1746<br />
Aus dem Kassenbuch des Rechners ............................... 1758<br />
Kurz notiert ...................................................... 1759<br />
Unsere Jüngsten ................................................. 1761<br />
Abiturienten 2005 ................................................ 1767<br />
Wir gratulieren ................................................... 1769<br />
Terminkalender .................................................. 1770<br />
Titelbild: Herzog Christoph, 1515–1568, hat in der Klosterordnung 1556 in den Männerklöstern seines Landes<br />
Klosterschulen eingerichtet. Er »erwies sich als Glücksfall <strong>württembergische</strong>r Geschichte. Er hat ...Grundlage für<br />
Generationen gelegt, Strukturen entworfen, die ... in vielem bis heute nachwirken.« (H.M. Maurer, in: 900 Jahre<br />
Haus Württemberg, Stuttgart 1984) – so auch im Kloster Blaubeuren. Unsere Schule besteht nun bereits seit 450<br />
Jahren. Dieses Jubiläum feiern wir 2006.<br />
Restliche Abbildungen privat.<br />
Die Schriftleitung für die Seminar<strong>nachrichten</strong> liegt beim Evang. Seminar Blaubeuren,<br />
89143 Blaubeuren, Klosterhof 2<br />
Unsere E-mail-Adressen:<br />
Blaubeuren: ephorat@<strong>seminar</strong>blaubeuren.de<br />
Maulbronn: ephorat1@<strong>seminar</strong>maulbronn.de<br />
Herausgeber: Hilfsverein für die Evang. Seminare Württemberg e.V.<br />
Konto Nr. 1 638 660 Sparkasse Blaubeuren (BLZ 630 500 00)<br />
Für dieses Heft verantwortlich: Ephorus Dr. Henning Pleitner, StA Sebastian Gengnagel, Blaubeuren<br />
Hergestellt in der Grafischen Werkstätte der BruderhausDiakonie, 72762 Reutlingen<br />
Auflage: 2400<br />
Beilagenhinweis: Das Programm für das Jubiläum der Seminare ist diesem Heft beigefügt.<br />
Einem Teil der Auflage liegt ein Überweisungsträger des Hilfsvereins für die Evang. Seminare Württemberg bei.<br />
1718
Nicht Milch und Honig, sondern<br />
Brot und Wein<br />
Seminar-Andacht zum Schuljahr-Anfang 2005<br />
über Numeri 13 und 14 in Auszügen<br />
Jörg-Dieter Reuß<br />
Wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Schuljahr, und von einer<br />
Schwellensituation handelt auch die biblische Geschichte, die ich jetzt<br />
mit Ihnen bedenken möchte.<br />
Als die Israeliten den einigermaßen aufregenden Auszug aus Ägypten<br />
hinter sich haben und nach der strapaziösen Wüstenwanderung bis an<br />
die Schwelle des verheißenen Landes vorgedrungen sind, da nehmen die<br />
Dinge eine merkwürdige Wendung. Eine Wendung, die freilich auf ihre<br />
Weise auch wieder typisch ist. Im 13. und 14. Kapitel des Buches Numeri<br />
erfahren wir darüber Folgendes:<br />
Der Herr redete mit Mose und sprach: Sende Leute aus, damit sie das<br />
Land Kanaan erkunden, das ich den Israeliten geben will. (...) Mose sandte<br />
die Leute aus; sie machten sich auf den Weg und erkundeten das<br />
fremde Land. (...) Als sie ins Traubental kamen, schnitten sie eine Weintraube<br />
ab; die war so schwer, dass zwei von ihnen sie auf einer Stange<br />
tragen mussten. (...) Nach vierzig Tagen kamen sie zurück, erstatteten<br />
Bericht und zeigten die Früchte des Landes. Sie erzählten: »Es ist wirklich<br />
ein Land, das von Milch und Honig überfließt. Aber das Volk, das in<br />
dem Land wohnt, ist stark und seine Städte sind gut befestigt. Gegen die<br />
werden wir nichts ausrichten können. (...) Sogar Riesen haben wir gesehen;<br />
klein wie Heuschrecken kamen wir uns daneben vor.«<br />
Da erhob die ganze Volksmenge ein lautes Wehgeschrei und die Leute<br />
weinten die ganze Nacht. Alle miteinander waren voll Unmut gegen Mose<br />
und Aaron und murrten: »Wären wir doch lieber in Ägypten gestorben<br />
oder unterwegs in der Wüste! Was soll’s, dass uns der Herr in dieses<br />
Land bringen will? Was haben wir davon, wenn wir im Kampf umkommen<br />
und unsere Frauen und Kinder dem Feind in die Hände fallen? Zurück<br />
nach Ägypten, das wäre uns lieber!«<br />
Josua und Kaleb aber sagten zu den versammelten Israeliten: »Das Land,<br />
das wir durchwandert und erkundet haben, ist sehr, sehr schön. Wenn<br />
1719
Gott es gut mit uns meint, wird er uns schon hineinbringen in dieses Land<br />
und wird es uns geben. Habt also keine Angst! (...) Wir können es schaffen.<br />
Wir sind stark genug.«<br />
So weit die biblische Erzählung. Wer politisch einigermaßen im Bild ist,<br />
wird sie kaum hören können, ohne dabei an die angespannte und hoch<br />
komplizierte Lage im heutigen Palästina denken zu müssen. Aber lassen<br />
wir das jetzt einmal ganz bewusst beiseite, um im Licht und Schatten dieser<br />
Geschichte unsere eigene Lage zu bedenken.<br />
Es ist eine merkwürdige Geschichte. Merkwürdig schon mal wegen der<br />
perspektivischen Verzerrung, in der hier die Chancen und Gefahren des<br />
Neulandes erscheinen. Riesenhafte Gegner, vor denen man sich klein<br />
fühlt und hilflos wie eine Heuschrecke. Andererseits aber auch Weintrauben,<br />
so groß und schwer, dass zwei an einer davon zu schleppen haben.<br />
Orientalische Lust an der Übertreibung? Vielleicht. Aber denken Sie einmal<br />
an die ersten gemalten Bilder aus den Alpen oder auch an alte Stiche<br />
von Blaubeuren, wie übertrieben hoch und steil die Felsen da erscheinen.<br />
Wenn Menschen etwas Neues zu Gesicht bekommen und davon beeindruckt<br />
sind, kann es ganz leicht passieren, dass ihre Wahrnehmung<br />
ihnen einen Streich spielt und die Sache ein paar Nummern zu groß erscheinen<br />
lässt. Im Guten wie im Bösen.<br />
Wenn wir dann genauer hinschauen, sind die Weintrauben, die uns das<br />
Wasser im Mund zusammenlaufen lassen, immer noch süß und verlockend,<br />
aber sie wiegen doch keinen Zentner. Und die so bedrohlich<br />
erscheinenden Mächte der Gefährdung sind zum Glück ebenfalls keine<br />
Giganten. Manches, was uns heute faszinieren oder ängstigen mag, wird<br />
sich über kurz oder lang auf ein menschliches, überschaubares und handhabbares<br />
Maß reduzieren. Davon können wir getrost ausgehen.<br />
Natürlich ist ein neuer Anfang zunächst einmal mit Unsicherheiten belastet<br />
und darum mit Ängsten besetzt. Wie werde ich mich in der neuen<br />
Umgebung zurechtfinden? Werden die anderen mich mögen oder wenigstens<br />
respektieren? Werde ich den schulischen und menschlichen<br />
Anforderungen gewachsen sein? Kann ich hier meine Individualität entfalten<br />
und dem Anpassungsdruck, wo nötig, standhalten? Solche und<br />
ähnliche Gedanken mögen uns momentan im Kopf herumgehen oder<br />
unterschwellig im Bauch rumoren. Und Sie, liebe Eltern, Sie bangen<br />
natürlich mit. Denn das Wohl Ihrer Kinder liegt Ihnen am Herzen. Und Sie<br />
spüren sehr genau: Es ist ein gewisses Wagnis, die Heranwachsenden<br />
nun zu entlassen in eine größere Dimension von Selbstständigkeit und<br />
Selbstverantwortung.<br />
1720
Wie wird unser Sohn, wie wird unsere Tochter mit den neuen Freiheiten<br />
zurechtkommen? Wird es ihm gelingen, bei den vielen Freizeit-Angeboten<br />
die Schule nicht aus den Augen zu verlieren? Wird sie sich wehren<br />
können, wenn andere über sie herfallen? Und was die Weintrauben<br />
anbelangt: Auch der rechte Umgang damit sowie mit Hopfen und Malz<br />
will ja gelernt sein – und erst recht der Umgang mit den Säften, die man<br />
aus solchen und ähnlichen Gottesgaben braut, keltert und destilliert.<br />
Wie gut, dass das Neuland des Blaubeurer Seminars denn doch nicht<br />
so ganz fremd ist. Auch hier gab und gibt es ja Vortrupps, die das neue<br />
Land bereits erkundet haben. Freunde vielleicht oder Geschwister. Und<br />
erst recht wie gut, dass jene geheimnisvolle Macht mit im Spiel ist, die<br />
wir »Gott« nennen und die uns begleiten will in das neue Land mit seinen<br />
Chancen und Gefahren.<br />
Ein Land, wo Milch und Honig fließen, ist das Seminar nun freilich nicht,<br />
wird es auch im neuen Schuljahr nicht sein. Außer beim täglichen Frühstück,<br />
wo Milch und Honig und auch sonst noch allerlei reichlich vorhanden<br />
sind.<br />
Ob Ihnen das aufgefallen ist an unserer biblischen Geschichte, dass<br />
das eine merkwürdige Sache ist mit der Milch und dem Honig? Die Israeliten<br />
stehen an der Grenze zum Kulturland, und dessen wichtigste<br />
Gaben sind seit je das Brot und der Wein. Darum lesen wir von Melchisedek,<br />
dass er dem wandernden Abraham Brot und Wein angeboten<br />
hat als Zeichen der Gastfreundschaft. Und es muss doch auffallen,<br />
dass die Leute, die Mose als Spione ausgesendet hatte, nicht mit einer<br />
Honigwabe zurückkommen und auch nicht mit einer Milchkanne, sondern<br />
mit einer Weintraube.<br />
Brot und Wein gehören zum guten Leben im fruchtbaren Land. Man<br />
muss freilich einiges dafür tun, bevor man sie genießen kann. In jedem<br />
Stück Brot, in jedem Becher Wein steckt eine Menge menschlicher<br />
Arbeit und auch eine gute Portion Erfindergeist.<br />
Milch und Honig sind dagegen die Nahrung der Nomaden in der<br />
Wüstensteppe. Das heißt, im Grund ist es ja nur die Milch, die aus den<br />
Schafen und Ziegen gemolken und anderntags als saure Dickmilch<br />
getrunken wird. Wilder Honig wird nur ab und zu gefunden, eine<br />
begehrte Rarität, um das harte Leben zu versüßen.<br />
Aber auch von der Milch ist eigentlich immer zu wenig da. Wie sollte<br />
es auch anders sein bei dem kargen Futter, das sich die Herden an<br />
den sonnenverbrannten Hängen der Wüstensteppe zusammensuchen<br />
müssen.<br />
1721
Wenn die Israeliten auf ein Land hoffen, wo Milch und Honig im Überfluss<br />
vorhanden sind, dann ist diese ihre Hoffnung orientiert am gegenwärtigen<br />
Mangel. Was ihnen jetzt gerade abgeht, das und nichts anderes<br />
erhoffen sie von der Zukunft. Ich denke, wir haben wenig Grund, darüber<br />
zu lächeln. Fast immer ist das, was wir Menschen uns erhoffen, ein<br />
getreues Spiegelbild dessen, was wir gegenwärtig entbehren müssen.<br />
Blaubeuren beispielsweise. Blaubeuren sollte am besten so sein wie Maulbronn,<br />
nur ohne die Einschränkungen und Unannehmlichkeiten, die es<br />
dort gelegentlich gegeben hat. Oder es sollte so sein wie meine alte Schule,<br />
von der ich herkomme, nur interessanter und vielleicht etwas persönlicher.<br />
So etwa könnte die Hoffnung aussehen, die manche von Ihnen in den<br />
vergangenen Monaten gehegt haben. Oder liege ich da falsch?<br />
Solche Hoffnungen haben ja auch ihr Recht. Die Milch-und-Honig-Hoffnung<br />
war sicher nötig, damit die Israeliten während der Wüstenwanderung<br />
nicht den Mut verloren. Milch und Honig im Überfluss, das war die<br />
Vision, die sie auf den Beinen hielt. Aber jetzt, wo es ernst wird mit dem<br />
verheißenen Land, da zeigt sich, dass die Sache einen Haken hat. Jetzt<br />
wird diese Art von Hoffnung zu einem Hemmschuh. Denn die Israeliten<br />
schrecken zurück vor dem Land, wie es wirklich ist. Nein, so hatten sie<br />
sich die Sache nicht vorgestellt!<br />
Sie schrecken zurück vor der herrlichen, gefährlichen Zukunft. Stattdessen<br />
schalten sie auf Nostalgie. Sie schwelgen in den Erinnerungen an die<br />
angeblich so gute alte Zeit in Ägypten, wo es zwar keine Freiheit gab,<br />
aber dafür auch keine unbekannten Gefahren. Und so demoralisieren sie<br />
sich selbst und reden sich um den Mut, den sie jetzt aufbringen müssten.<br />
Den Mut, nach vorn zu schauen und etwas Neues zu wagen.<br />
Solche Tragödien spielen sich immer wieder ab, wo die Wogen der Hoffnung<br />
sich brechen an den Klippen der Realität. Doch zum Glück stehen<br />
dann auch immer wieder Menschen auf wie Josua und Kaleb. Menschen,<br />
die sich ein Herz fassen und sagen: Okay, Leute, es ist vielleicht nicht so,<br />
wie wir es uns erträumt haben. Aber die Chancen, die realen Chancen,<br />
sind verlockend. Und ob die Sache wirklich so gefährlich ist, das wollen<br />
wir erst noch sehen.<br />
Gott meint es doch gut mit uns. Nach allem, was wir schon mit ihm erlebt<br />
haben, nach all diesen Erfahrungen von Führung und Bewahrung haben<br />
wir guten Grund, ihm etwas zuzutrauen. Wenn Gott uns Rückendeckung<br />
gibt, dann kann und wird es uns gelingen, gut in das neue Land und in<br />
das neue Schuljahr hineinzukommen. Es wird vielleicht nicht ganz einfach.<br />
Aber wir können es schaffen. Amen.<br />
1722
Die Schöntaler Jahre der jungen Ephora<br />
Zum Gedenken an Lieselotte Hauser, verw. Faber, geb. Ebinger<br />
aus Ludwigsburg (1921–2004)<br />
Wir erinnern mit diesen Zeilen des<br />
dankbaren Gedenkens an Frau Lieselotte<br />
Hauser, verwitwete Faber; sie ist<br />
am 7. Oktober 2004 im Alter von 83<br />
Jahren verstorben und am 12. Oktober<br />
2004 nach einem Trauergottesdienst in<br />
der Nikolaikirche zu Isny auf dem<br />
Friedhof dort kirchlich bestattet worden.<br />
Lilo Hauser war die Ehefrau des ersten<br />
Ephorus in der Nachkriegszeit im Seminar Schöntal, Hans Faber<br />
(1900–1958), <strong>württembergische</strong>r Theologe und Studienrat und Religionslehrer<br />
im Staatsdienst in Württemberg, aus diesem von den Nationalsozialisten<br />
1937 vertrieben und 1939 in den Ruhestand versetzt. Er übernahm<br />
nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs das Ephorenamt für die<br />
erste Nachkriegspromotion 1945–1950 Schöntal/Urach. Als die Dienstwohnung<br />
frei wurde, konnte seine seit 1943 mit ihm verheiratete junge<br />
Frau nach Schöntal ziehen.<br />
Sie war die Frau des Ephorus. Uns aber war sie mehr. Mit der 1948 aufziehenden<br />
Schöntaler Promotion war sie erstmals in tutto tempo zusammen.<br />
Wie die vorige mit vielen Kriegsheimkehrern und die folgenden Promotionen,<br />
Kriegskinder auch sie noch, haben wir unsere Ephora, die<br />
gelernte Blumenbinderin und (noch im Krieg) ausgebildete Katechetin,<br />
erlebt als fröhliche, liebreizende, sorgende und – die kranken Buben –<br />
versorgende junge Mutter der Promotion. Zwei Tage nach ihrer Beerdigung<br />
trafen wir uns in Löwenstein zum Promotionstreffen und konnten<br />
ihrer ehrend und in zutiefst fröhlicher Dankbarkeit gedenken. Einer<br />
erwähnte, unvergessen, den von ihr gebackenen Zwetschgenkuchen für<br />
die Siegergruppe bei einem Stubenwettbewerb.<br />
Als die Promotion 1954–1958 Schöntal/Urach im Juni 2004 mit einem<br />
Promotionstreffen in Schöntal das 50-jährige Jubiläum des Eintritts ins<br />
Seminar feierte, war sie, schon von Krankheit und Operationen gezeichnet,<br />
in ganz starker Nähe der Begegnung unter ihren <strong>Seminaristen</strong> dabei.<br />
Und die Schöntaler Jahre seien die glücklichsten ihres ganzen Lebens<br />
gewesen, hinterließ sie den <strong>Seminaristen</strong>.<br />
1723
1958 war sie Witwe geworden, heiratete dann den ehemaligen Pfarrverweser<br />
in Schöntal, Eugen Hauser, zog zu ihm ins Pfarrhaus von Isny,<br />
bekam einen Buben, Hans-Christian Hauser, verlor kurz darauf zum<br />
zweiten Mal den Ehemann. Doch alle kommende Zeit bis zu ihrem Tod<br />
war erfüllt vom Dienst als Religionslehrerin, Lektorin, Leiterin der Kinderkirche,<br />
Mitarbeiterin im Konfirmandenunterricht und als Vorsitzende des<br />
Kirchengemeinderats, in der Frauenarbeit, Öffentlichkeitsarbeit und im<br />
Einsatz der Gemeinde für die »Dritte Welt«.<br />
Und dem Schreiber dieser Zeilen verriet sie beim Wiedersehen auf einem<br />
Promotionstreffen: »Ich bin sogar noch unter die Theaterleute geraten.«<br />
Ihr Sohn Hans-Christian ist künstlerischer und musikalischer Leiter des<br />
jährlichen Isny-Oper-Festivals. Beim Trauergottesdienst für seine Mutter<br />
spielte er die Orgel.<br />
Es ist nie zu spät, eines lieben Menschen, der von uns gegangen ist, in<br />
herzlicher Dankbarkeit zu gedenken – auch nicht für die <strong>württembergische</strong><br />
Seminargemeinschaft.<br />
Gerhard Wacker (48/52)<br />
Das Maulbronner Plätzlesturnier<br />
geht ins vierte Jahrzehnt seines Bestehens<br />
Nach dem wunderbaren Turnier zum 30-jährigen Jubiläum mit großer<br />
Nachfeier und vielen freudigen Wiedersehen altgedienter Kämpen findet<br />
das kommende Plätzlesturnier statt am 1. Juli 2006; Beginn: 10 Uhr.<br />
Fest angemeldet sind folgende Teams:<br />
01. Rapid Elch<br />
05. Krawalleros<br />
09. Lungies<br />
13. Schlolles Erben<br />
Als mögliche Nachrücker auf der Warteliste stehen:<br />
17. Massendefekt 18. Surprise<br />
Diese beiden Teams werden bei eventuellem Rückzug bereits gemeldeter<br />
Mannschaften als erste ins Teilnehmerfeld aufgenommen.<br />
Wenn ein Team nicht antreten kann, meldet es sich bitte bis spätestens<br />
27. Juni 2006 bei:<br />
Johannes Schmid (72/76) · Denzenberghalde 7 · 72074 Tübingen<br />
Telefon 0 70 71/5 11 87<br />
1724<br />
02. Young Boys Blabich<br />
06. Old Boys Mulich<br />
10. Bravo Girl<br />
14. Dynamo Windrad<br />
03. DwM<br />
07. Maulbronn 10<br />
11. Maulbronn 9<br />
15. NotSchläechter<br />
04. KGK<br />
08. HDT<br />
12. DZR<br />
16. Klosterfrau
Provinz und Weltgeist in Maulbronn<br />
Der Bürgermeister von Maulbronn hat es kürzlich öffentlich ausgesprochen,<br />
deshalb dürfen wir es auch hier sagen: Maulbronn ist eigentlich<br />
ein Straßendorf. Und so weht der Geist der Provinzialität in dieser<br />
Kleinststadt mit seinen oft sympathischen, zuweilen auch etwas merkwürdigen<br />
Wirkungen. Kurzum, ein durchaus liebenswertes schwäbisches<br />
Städtle und eigentlich nicht mehr als ein Straßendorf – wäre da<br />
nicht das Kloster, das allein schon durch seine Architektur einen ganz<br />
anderen Geist dokumentiert. Die UNESCO hat das längst erkannt, als<br />
sie 1993 das Kloster und sein Umfeld zum Weltkulturerbe erklärte. Und<br />
auch dieser Geist der abendländischen Kultur ist im Maulbronner Alltag<br />
nicht weniger präsent als sein frater minor, der Geist der schwäbischen<br />
Provinz.<br />
Ca. 300 000 Gäste pro Jahr aus aller Welt verbreiten internationales<br />
Flair, prominente Besucher wie Politiker, Künstler, Wirtschaftsleute sind<br />
nicht selten, Wissenschaftler verschiedener Fakultäten (Kunsthistoriker,<br />
Architekten, Bauphysiker ...) wechseln sich mit ihren Forschungen<br />
zum Kloster ab. Der Besuch des Evangelischen Kirchbautages, die Diskussionen<br />
mit den Politikern Ute Vogt und Stephan Mappus, die Vorträge<br />
des EKD-Ratsvorsitzenden Bischof Dr. Wolfgang Huber aus Berlin<br />
und von Prof. Dr. Paul Kirchhof aus Heidelberg sind nur Beispiele aus<br />
dem Jahr 2005 für die Anziehungskraft dieses Ortes. Für Freunde des<br />
Kabaretts: Gerhard Polt und die Biermösl-Blosn waren auch da und<br />
haben das Thema Maulbronn spontan in ihr Programm im Pforzheimer<br />
Congress-Centrum eingebaut.<br />
Großes Interesse zeigen auch die Medien. Kameras und Mikrophone<br />
im Unterricht des Seminars sind keine Seltenheit, dabei sind Szenen<br />
mit singenden oder griechisch vorlesenden <strong>Seminaristen</strong> besonders<br />
beliebt. Aus dem vergangenen Schuljahr sei die Reportage »Alltag im<br />
Kloster« des Musikjournalisten Georg Waßmuth genannt, die im Deutschland-Radio<br />
ausgestrahlt wurde, oder die Dokumentation über Maulbronn<br />
und das Seminar, die das japanische Staatsfernsehen im Auftrag<br />
der UNESCO auf den Spuren des alten Europa drehte.<br />
Das Seminar in Maulbronn ist Teil dieser europäischen Kultur, lebt es<br />
doch seit 450 Jahren jenen abendländischen Geist in der Architektur<br />
des Klosters durch die Weitergabe der christlichen Botschaft und der<br />
protestantischen Bildung. Zugegeben, auch in der Geschichte und<br />
Gegenwart des Seminars hat gelegentlich der frater minor, der Geist<br />
der Provinzialität, sein Unwesen getrieben.<br />
1725
Aber: Wo Weltkultur drauf steht, muss Weltkultur drin sein. Kepler, Hölderlin,<br />
Hesse und viele andere der Alten haben das Ihre dazu getan.<br />
Jetzt ist es an uns, diesem Anspruch gerecht zu werden. Seit fast 40<br />
Jahren tun dies die Maulbronner Klosterkonzerte. Es ist ein Glück, dass<br />
die Musik im Kloster Maulbronn seit 60 Jahren von nur zwei in je eigener<br />
Weise charismatischen Musikern geprägt wurde: Martin Süße und Jürgen<br />
Budday. So konnten die Klosterkonzerte das werden, was sie heute<br />
sind: eine Konzertreihe auf internationalem Niveau. Die regelmäßigen<br />
Auftritte von Künstlern wie Emma Kirby, King Singers, Michael Chance,<br />
Midori, Gidon Kremer, Bernd Glemser u.v.a. belegen dies. Auch das<br />
Flaggschiff der Maulbronner Kirchenmusik, der Maulbronner Kammerchor,<br />
ist auf der internationalen Bühne erfolgreich.<br />
Für das Seminar bleibt die Aufgabe, neben dem musikalischen Leben<br />
und in Verknüpfung damit die praxis pietatis im Kloster auch öffentlich<br />
zu leben und so zu einem Ort mit geistlicher Ausstrahlung zu werden.<br />
Zum schulischen Profil des Seminars wird parallel dazu seiner Tradition<br />
gemäß ein Schwerpunkt im Bereich der europäischen Kulturtradition<br />
gehören.<br />
Der Stifter der <strong>württembergische</strong>n Klosterschulen, Herzog Christoph<br />
von Württemberg, hat vor 450 Jahren verwirklicht, was heute jeder Bildungspolitiker<br />
fordert: Förderung der besten und umfassenden Bildung<br />
in einem mit sonstigen Reichtümern nicht gesegneten Land. Wir haben<br />
gerade heute alle Chancen, dass wahr bleibt, was Herzog Christoph<br />
einst über diese Schulen gesagt hat: sie seien »ein solcher Schatz, so in<br />
ganzen teutschen Landen nit kann befunden werden«.<br />
Und das in einem Straßendorf.<br />
Tobias Küenzlen (74/78)<br />
1726
Neue Gottesdienstkultur in Maulbronn<br />
»Herzlichen Dank für diesen Gottesdienst! Wir hätten nicht gedacht,<br />
dass es so etwas noch gibt. Es ist gut zu wissen, dass solche Traditionen<br />
in der Evangelischen Kirche noch nicht ausgestorben sind.« – So<br />
äußerten sich Besucher, die den Klosterbesuch nutzten, um am öffentlichen<br />
Gottesdienst des Seminars teilzunehmen. »Noch nicht ausgestorben«<br />
– das bedeutet in diesem Falle freilich: Anknüpfen an Altbewährtes.<br />
Denn mit der Einführung einer neuen Gottesdienstkultur wandelt<br />
das Evangelische Seminar auf den Spuren der Großen Württembergischen<br />
Kirchenordnung von 1559, in der auch das geistliche Leben<br />
der Klosterschulen geregelt ist.<br />
Seit dem Schuljahr 04/05 lädt das Seminar dazu ein, sich donnerstags<br />
im vierzehntäglichen Turnus von 18.30–19.00 Uhr im Chorgestühl der<br />
Klosterkirche zum öffentlichen Gottesdienst zu versammeln. Mitarbeiter<br />
gibt es viele: Gefragt sind zum Beispiel die Mesnerdienste (vor allem<br />
das Läuten der Glocken ...), die von <strong>Seminaristen</strong> der neunten Klasse<br />
unter der Anleitung eines »ehemaligen« Mesners der letzten Promotion<br />
organisiert werden. Den Lektoren- und Liturgendienst übernehmen<br />
<strong>Seminaristen</strong> der zehnten Klasse in souveräner Weise. Ephorus und<br />
theologischer Repetent wechseln sich in Liturgie und Ansprache ab<br />
oder gestalten den Gottesdienst, etwa bei der Feier des Heiligen<br />
Abendmahls, gemeinsam. Liturgisch trägt der Chor der <strong>Seminaristen</strong><br />
unter der Leitung von Jürgen Budday wesentlich dazu bei, den Geist<br />
dieses einmaligen Ortes erfahrbar werden zu lassen. Wer sich im Chorgestühl<br />
bei Kerzenschein auf Stille, Wort und Gesang einlässt, kann<br />
spüren, dass an diesem Ort jahrhundertelang gebetet wurde.<br />
Dies gilt gleichermaßen für die Klosterkirche, in der die feierlichen<br />
(Abendmahls-) Gottesdienste zu Schuljahresbeginn und -ende stattfinden.<br />
Unter dem Maulbronner Crucifixus versammelt sich die Gemeinde<br />
des Evangelischen Seminars mit vielen Freunden und Gästen – ungeachtet<br />
der winterlichen Kälte – auch zur Weihnachtszeit, um gemeinsam<br />
die Geburt Jesu Christi zu bedenken. Den Buß- und Bettagsgottesdienst<br />
begeht das Seminar in der Winterkirche als Schulgottesdienst,<br />
zu dem es auch das Salzachgymnasium einlädt. Ein besonderes Erlebnis<br />
war der diesjährige »Kreuzweg der Jugend«, den Seminar und Evangelische<br />
Kirchengemeinde gemeinsam veranstalten. Er fand dieses<br />
Jahr ganz im Kloster statt: In Kreuzgang, Herrenrefektorium, Kapitelsaal,<br />
Kreuzganggarten und Klosterkirche gedachten Konfirmanden und<br />
<strong>Seminaristen</strong> des Leidensweges Christi unter der zentralen Bedeutung<br />
des für euch gegeben.<br />
1727
Auch das freiwillige »Andachtsleben« kommt am Seminar nicht zu kurz.<br />
Neben den täglichen Morgenandachten nach dem Frühstück, freitags<br />
zuverlässig von den <strong>Seminaristen</strong> gestaltet, sind die <strong>Seminaristen</strong> zur<br />
Hausschlusszeit zur Begrüßungsandacht in Chorgestühl oder Kreuzgang<br />
eingeladen, wenn sie aus dem Heimreisewochenende zurückkehren. Ein<br />
Angebot, von dem gerne Gebrauch gemacht wird.<br />
So wird auch heute am geistlichen Leben des Seminars sichtbar, was der<br />
Musikjournalist Georg Waßmuth in einer Reportage über das Seminar zur<br />
Sprache bringt – und wovon die Väter der Reformation fest überzeugt<br />
waren: Tradition im evangelischen Sinne ist nicht die Anbetung der<br />
Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.<br />
Nähere Infos zu den Gottesdienstterminen finden Sie auf unserer Website<br />
unter http://www.semi-maulbronn.de unter dem Link »Termine«.<br />
Herzliche Einladung!<br />
Heiko Blank<br />
Herzlich laden wir Sie ein zum<br />
›Tag der offenen Tür‹<br />
im Evangelischen Seminar Maulbronn<br />
am Sonntag,<br />
12. März 2006,<br />
ab 14.00 Uhr<br />
Anmeldeschluss<br />
für das Landexamen:<br />
30. April 2006<br />
Landexamen:<br />
26.–28. Juni 2006 in Kürnbach<br />
1728<br />
Geboten werden:<br />
● Führung durch das Haus<br />
● Musikalische<br />
und andere Darbietungen<br />
● Gespräche mit der Schulleitung<br />
für Interessierte und<br />
ihre Eltern (insbesondere<br />
Schülerinnen und Schüler<br />
der 8. Gymnasialklassen)<br />
● Kaffee und Kuchen
»Berlin ist eine schöne Stadt...«<br />
Studienfahrt Klasse 10 (4. bis 8. Juli 2005)<br />
Wir schreiben den 4. Juli 2005. Ein Tag wie jeder andere auch? Nein, nein<br />
– keineswegs! Es ist früh am Morgen und die Semis der Klasse 10 sehen<br />
noch ein wenig müde aus. Trotzdem haben alle gute Laune: Schließlich<br />
geht’s zur Studienfahrt mit Herrn und Frau Wilhelm nach Berlin.<br />
Die Zugfahrt verläuft recht lustig, aber dennoch sind alle froh, pünktlich<br />
zum Abendessen in der Jugendherberge zu sein. Diese ist wirklich ein<br />
Glückstreffer: Die Zimmer sind nett eingerichtet und sauber, das Essen<br />
schmeckt gut, die Mitarbeiter sind freundlich und die Lage des CVJM-<br />
Heimes ist perfekt – mitten in der Stadt, nur wenige Schritte bis zur<br />
nächsten U-Bahn-Haltestelle am Hackeschen Markt. Von einem »Insider«<br />
bekommt die Klasse noch am selben Abend eine »Einführung« über<br />
gute Einkaufsmöglichkeiten und nette Cafés in Berlin.<br />
In den folgenden Tagen ist dann eine bunte Mischung aus Kultur und Spaß<br />
geboten: Zusammen mit Herrn und Frau Wilhelm, die alles gut geplant<br />
und organisiert haben, sieht, hört, lernt, schmeckt, fühlt die Klasse viele<br />
neue und interessante Dinge. Und für jeden ist etwas dabei, denn es gibt<br />
einiges zu besichtigen:<br />
Die Gedenkstätte des deutschen Widerstandes; die Neue Synagoge; den<br />
Berliner Dom; Schloss Sanssouci in Potsdam; Checkpoint Charlie; das<br />
Pergamon-Museum; das neu errichtete Holocaust-Mahnmal und nicht<br />
zuletzt den Reichstag. Dabei haben Herr und Frau Wilhelm im Vorfeld<br />
viele Führungen organisiert, was die Sache natürlich noch lehrreicher,<br />
interessanter und durch Anekdoten mancher Museumsführer auch spannender<br />
macht.<br />
Auch haben »die Boys und die Mädels«, wie der Führer beim Checkpoint<br />
Charlie zu sagen pflegt, genügend Zeit zur freien Verfügung, um z.B. weitere<br />
Museen zu besichtigen, einkaufen zu gehen oder sich gemütlich in<br />
ein Café zu setzen. Am letzten Abend gibt es noch ein gemeinsames<br />
»Abschiedspizzaessen« bei den »12 Aposteln«.<br />
Nach diesen ereignisreichen Tagen in der Hauptstadt können die Semis<br />
am Mittag des 8. Juli zufrieden wieder nach Hause reisen und sich auf<br />
eine nicht wirklich ruhigere letzte Zeit in Maulbronn freuen.<br />
Im Namen der Klasse möchte ich mich hiermit ganz herzlich bei Herrn<br />
und Frau Wilhelm bedanken. Sie haben alles ganz wunderbar organisiert<br />
und wir alle sind froh, sowohl diese tolle Reise als auch das Segelschullandheim<br />
im letzten Jahr mit Ihnen erlebt haben zu dürfen!<br />
Laura Caesar (03/08)<br />
1729
Musikprojekt des Seminarchores 2005<br />
Musikfreizeit 2005<br />
Schon im Vorfeld wurde viel über sie geredet. Denn ob die diesjährige<br />
Musikfreizeit auf Schloss Kapfenburg (bei Aalen) überhaupt stattfinden<br />
könnte, war aufgrund vieler Krankheitsfälle unklar. Letztendlich entschied<br />
man sich, sie trotz eines stark dezimierten Semichors stattfinden<br />
zu lassen.<br />
Gleich am Mittwochmorgen wurde uns bewusst, dass es weniger eine<br />
Freizeit als eine extreme Probenzeit werden würde. Auf der Kapfenburg<br />
angekommen, begaben wir uns, nach einer kurzen Einführung in die<br />
Räumlichkeiten, gleich zur ersten gemeinsamen Chorprobe in den von<br />
Herrn Budday so getauften »Tutti-Raum«. Schon in dieser ersten Probe<br />
erweiterten wir unser Repertoire um das Stück »Rhythm and Syncopation«,<br />
zu dem am selben Abend auch noch eine Choreographie einstudiert<br />
wurde. Nach dem Mittagessen ging es mit getrennten Proben in<br />
extra dafür zur Verfügung gestellten Räumen weiter; Sopran und Alt<br />
unter Leitung von Simone Obermeyer, der Praktikantin für Kirchenmusik,<br />
Bass und Tenor geleitet von Herrn Budday. Nach dem Abendessen<br />
gab es noch eine gemeinsame Probe, in der das mittags Erlernte<br />
zusammengesetzt wurde. Gegen 21.30 Uhr war, nach kurzen Soloproben,<br />
das Singen für diesen Tag vorbei.<br />
Am nächsten Morgen hieß es ausschlafen! Das Frühstück war um 8.30<br />
Uhr und danach wurde wieder geprobt. Einige Stunden und ein Essen<br />
später gab es weitere getrennte Proben. Am Abend fand eine gemeinsame<br />
Chor- und Orchesterprobe statt. Nach anschließenden Soloproben<br />
und einer reinen Orchesterprobe sanken alle erschöpft in die<br />
Betten.<br />
Am Freitag mussten wir nach dem Frühstück unsere Zimmer räumen,<br />
was aber nicht weiter schlimm war, denn unsere Tätigkeit beschränkte<br />
sich an diesem Tag auf den Tutti-Raum. Wir sangen das gesamte Konzertprogramm<br />
durch, das etwa dreieinhalb Stunden beanspruchte.<br />
Gegen 14.00 Uhr kam unser Bus und brachte uns zurück ins Kloster.<br />
Nach dieser tollen Chorfreizeit bildeten die beiden Konzerte in der Winterkirche<br />
Maulbronn und in der Martinskirche Döffingen den Höhepunkt.<br />
Auch wenn die Veranstaltung am Elternsprechtag in Maulbronn<br />
etwas besser besucht war als die am Sonntag, war bei beiden die Stimmung<br />
überwältigend. Das Publikum erwies sich als durchaus talentiert,<br />
1730
es sang den Kanon »Spring« und das Lied »Amazing Grace« sogar vierstimmig<br />
mit. Trotz vieler Ausfälle wurden noch einmal alle Kräfte mobilisiert<br />
und der Chor lieferte ein gut eineinhalbstündiges, rundes Programm<br />
ab. Es war für jeden Geschmack etwas dabei:<br />
Als erstes standen eine kleine Kantate und Barockstücke auf dem<br />
Programm, danach wurden Spirituals und Gospels gesungen, zum<br />
guten Ende dann vergnügliche und amüsante Musikstücke, wie das<br />
neu erlernte Lied »Rhythm and Syncopation«. Als Zugabe wurden die<br />
Stücke »Ride the Chariot« und »Goodnight Sweetheart« dargeboten, zu<br />
letzterem zog der Chor hinaus. Das gleiche Programm führte der<br />
Semichor rund vier Monate später in Vaihingen (Enz) auf. Auch hier erntete<br />
er großen Beifall.<br />
CD-Aufnahme<br />
Wie im jährlichen Turnus üblich fand am 20. und 21. Juni 2005 eine<br />
CD-Aufnahme im Oratorium statt. Die K&K-Verlagsanstalt unter Leitung<br />
von Andreas Otto Grimminger und Josef-Stefan Kindler leitete<br />
die Aufnahme. Herr Kindler, seine Frau und Herr Grimminger nehmen<br />
auch häufig Klosterkonzerte auf und haben eine eigene Kloster<br />
Maulbronn Edition herausgebracht.<br />
Zwei Tage lang sangen wir sowohl morgens als auch nachmittags<br />
und nahmen Stücke aus unserem Konzertprogramm, das wir schon<br />
in unserer Musikfreizeit erarbeitet hatten, auf.<br />
Von klassischen Kantaten über Spirituals und Gospels bis hin zu<br />
modernen unterhaltsamen Stücken war alles dabei.<br />
In unseren Aufnahmepausen durften wir unser Erarbeitetes anhören<br />
und Herr Kindler und Herr Grimminger erklärten uns ausführlich ihre<br />
Aufnahmetechniken und wie man Musik mit dem Computer schneidet.<br />
Ein herzlicher Dank ergeht deshalb an die K&K-Verlagsanstalt, die<br />
uns diese Aufnahme ermöglicht hat, indem sie sämtliche Kosten dieses<br />
Projektes auf sich nahm. Ohne dies wäre ein solches Projekt am<br />
Seminar undenkbar.<br />
Herzlicher Dank an alle, die zu diesem Musikprojekt beigetragen<br />
haben!<br />
aus: Schülerzeitung des Seminar Maulbronn von Benjamin Hartmann<br />
und Felix Seibert (04/09)<br />
1731
50 Jahre Abitur: Treffen der Promotion<br />
1951/55 in Blaubeuren<br />
Vom 27. bis 29. April 2005 traf sich die Promotion 1951/55 Maulbronn/Blaubeuren<br />
zu ihrem 50-jährigen Abiturjubiläum. Fast alle kamen,<br />
die meisten begleitet von ihren Ehefrauen. Den weitesten Weg<br />
hatte wohl Brigitte Nader, geb. Bogner – aus Argentinien. Manche Kompromotionalen<br />
hatte man seit dem Abi öfters gesehen, andere schon<br />
lange nicht mehr, und beim einen oder anderen musste man zweimal<br />
hinschauen, bis die Erinnerung aufblitzte: »Ja natürlich, das ist doch...«<br />
So war es wichtig und wurde als erfreulich empfunden, dass in diesen<br />
Tagen auch immer wieder Zeit war für Gespräche, nicht nur über Seminarerinnerungen,<br />
sondern auch darüber, was der andere in den Jahren<br />
seither getrieben, gearbeitet, wofür er sich interessiert und wofür er sich<br />
eingesetzt hat.<br />
Dem Beispiel unserer Vorgängerpromotion folgend quartierten wir uns<br />
im Fabri-Institut ein, wo wir sehr gut untergebracht und verpflegt wurden<br />
und wo wir gleich am Mittwochabend den großen Kursraum für<br />
unser Beisammensein hatten. Dort wurde beim Anblick der ausgestellten<br />
Erinnerungsstücke und der Wandzeitung und in den Voten einiger<br />
Kompromotionalen die gemeinsame Zeit im Seminar wieder lebendig.<br />
Vor allem aber brachte uns »Kella« (Albrecht Keller), der unermüdliche<br />
Photograph und Chronist, mit seinen an die Wand ge»beam«ten Bildern<br />
(nennt man so was eigentlich noch »Dias«?) und den Erläuterungen<br />
dazu jene Zeit wieder lebhaft vor Augen. Brigitte Nader/Bogner erzählte<br />
uns von ihrem wechselvollen und interessanten, nicht immer leichten<br />
Lebensweg zwischen Abitur und heute.<br />
Am Donnerstag gingen alle ins Kloster. Karl-Martin Hummel (»Badde«),<br />
der profunde Klosterkenner, und Hans Busch, der am Ort Ansässige,<br />
führten durch das Kloster und erläuterten Klosterbauten, Klosterleben,<br />
den Chor der Klosterkirche und den Hochaltar. Noch einmal sah man,<br />
jetzt nach Jahrzehnten wieder mit wohl größerer Bewusstheit, in was für<br />
einem spektakulären, geradezu einzigartigen spätgotischen Ensemble<br />
wir uns einst mit unbekümmerter Selbstverständlichkeit bewegt hatten.<br />
Danach führte uns Ephorus Dr. Pleitner durch das Seminar und berichtete<br />
über den gegenwärtigen Zustand und die künftigen Perspektiven.<br />
Das Dorment sah noch ziemlich so aus, wie man es in Erinnerung hatte,<br />
aber die Teeküchen, die Mädchenzimmer (seit 1974) und dass die<br />
Mehrheit der <strong>Seminaristen</strong> in einem Neubau in den »Seewiesen« untergebracht<br />
ist: das war für die meisten von uns neu und ungewohnt. Nach<br />
der Oberstufenreform von 1978, die eine enge Kooperation zwischen<br />
1732
Seminar und Ortsgymnasium (zum Vorteil beider) mit sich gebracht hatte,<br />
stehen nun mit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums neue<br />
Veränderungen für die Seminare an. Die Landeskirche hat beschlossen,<br />
die beiden bestehenden Seminare zu erhalten, und zwar so, dass in<br />
Maulbronn wie in Blaubeuren die Jahrgangsstufen 9–12 unterrichtet<br />
werden, womit der Wechsel der Promotionen vom einen ins andere<br />
Seminar entfallen wird. Maulbronn soll einen sprachlichen, Blaubeuren<br />
einen naturwissenschaftlichen Schwerpunkt haben.<br />
Herrn Ephorus Dr. Pleitner haben wir sehr zu danken: einmal dafür,<br />
dass er sich die Zeit genommen hat, uns das Seminar zu zeigen und<br />
dessen Gegenwart und Zukunft klar und ausführlich darzustellen; dann<br />
auch für die Einladung zu einem Nachmittagskaffee im Speisesaal –<br />
herzlichen Dank auch der Hauswirtschaft für ausgezeichneten Kuchen<br />
und Kaffee. Zu danken haben wir dem Ephorus auch dafür, dass er uns<br />
am Abend eine Complet im Chorgestühl ermöglichte, trotz der Schwierigkeiten,<br />
die in der Alarmanlage des Chores und ihrer Funktionsweise<br />
begründet waren.<br />
1733
Nebst der Labung des Leibes war der Nachmittagskaffee dem Gespräch<br />
gewidmet und dem Musikgenuss: Frau Lachnit, Justus Maurer<br />
und Diethelm Gauss erfreuten uns mit Musik für Klavier und Geige. Vor<br />
der Complet führte, auf Bitten einiger Freunde, Hans Busch das Marionettentheater<br />
vor (Szenen aus dem »Teufel mit den 3 goldenen Haaren«),<br />
das er in einem Gewölbe beim Kreuzgang aufgebaut hatte – auch<br />
hier ist dem Ephorus für gastfreundliche Überlassung des Raumes zu<br />
danken.<br />
Das anschließende Singen der Complet war für viele sicher ein bewegendes<br />
Erlebnis: hatten wir sie doch einst oft an diesem Ort gesungen.<br />
An diesem Donnerstag war unser erster Blaubeurer Repetent, Prälat<br />
a.D. Heinrich Leube (38/41), bei uns zu Gast. Seine Erinnerungen an uns<br />
waren, gestand er, nicht so intensiv wie die an die Vorgängerpromotion:<br />
Uns hatte er nur kaum ein halbes Jahr betreut, ehe er das Blaubeurer<br />
Seminar verließ. Unsere Erinnerungen an ihn sind sicher stärker und<br />
positiv; so freuten wir uns, einen beliebten und geachteten Lehrer nach<br />
so langer Zeit so rüstig wiederzusehen.<br />
Ein Höhepunkt des Treffens war ohne Zweifel das Konzert, mit dem es<br />
am Freitagmorgen im Dorment abschloss: Justus Maurer spielte zusammen<br />
mit seiner Tochter Barbara, die als Bratschistin im »ensemble<br />
recherche« in Freiburg spielt und in der ganzen Welt konzertiert. Dargeboten<br />
wurde die »Arpeggione-Sonate« in a-moll von Franz Schubert.<br />
Es war großartig gespielt und ein besonderes Erlebnis.<br />
Ich kann die Essenz dieser Tage der Begegnung nicht besser ausdrücken,<br />
als es Uli Krupka in seinen Schlussworten getan hat. Er sagte:<br />
»Mir scheint, dass diese Tage in Blaubeuren für uns ein Stück Verstehen<br />
unseres Lebens sind: Im Rückwärtsblicken erkennen wir, wie sehr<br />
uns die Seminarzeit geprägt hat, wie wichtig unsere Lehrer und manche<br />
Mitschüler für uns waren, wie damals die beruflichen Weichen gestellt<br />
wurden, wie sehr auch unsere so genannte religiöse Sozialisation entscheidende<br />
Impulse bekommen hat«. Uli erinnerte an die 6 Blumen der<br />
Dankbarkeit, von denen »Doci« (Johannes Wagner) in seiner Predigt<br />
beim Treffen in Maulbronn gesprochen hatte:<br />
Nebst dem Dank dafür, dass wir am Leben sind, nannte er den Dank für<br />
die Kameradschaft, für das gelungene Miteinander-Auskommen, für die<br />
besonderen Privilegien, die wir im Seminar genossen haben, für die<br />
angstfreie, vertrauensvolle Atmosphäre in dieser Zeit und für vielfältige<br />
Kreativität: »Wir spüren in diesen Tagen des Rückblicks, wie sehr uns<br />
das alles noch immer trägt.«<br />
Es war mit seinen Gesprächen, Begegnungen und Wiederbegegnungen<br />
ein gutes Treffen, an das alle gerne zurückdenken werden.<br />
Hans Busch (51/55)<br />
1734
Aus dem »Straßendorf« Maulbronn kommen die <strong>Seminaristen</strong><br />
nach der Klasse 10 in das von Bergen umgebene Kloster in Blaubeuren.<br />
Viel vor allem der pädagogischen Vorarbeit ist dann in<br />
Maulbronn geleistet worden und aus den <strong>Seminaristen</strong> sind<br />
schon oder werden bald verantwortungsbewusste junge Menschen,<br />
denen wir mit Vertrauen in ihr eigenes Verantwortungsgefühl<br />
begegnen und begegnen können. So soll für den Bericht<br />
aus Blaubeuren das stehen, was unsere <strong>Seminaristen</strong> nach dem<br />
Abitur erlebt haben und erleben und selber berichten. Allein auf<br />
das von ihnen auch in diesem Jahr wieder erzielte landesweit<br />
beste Abiturergebnis mit einem Schnitt von 1,9 möchten wir<br />
noch verweisen. Auch daran zeigt sich, dass unser großes Vertrauen<br />
in die Eigenverantwortung der <strong>Seminaristen</strong> nicht nur in<br />
Bezug auf den persönlichen, sondern auch im Bereich der schulischen<br />
Leistungen voll berechtigt ist.<br />
Jubiläum<br />
Das 450-Jahr-Jubiläum der Seminare steht 2006 an. Das kann und<br />
soll gefeiert werden. Im Mittelpunkt steht eine zentrale Feier am Freitag,<br />
dem 12. Mai 2006, in Stuttgart. Auf den Festgottesdienst in der<br />
Stiftskirche um 14.00 Uhr, der musikalisch von <strong>Seminaristen</strong> aus<br />
Maulbronn und Blaubeuren gestaltet werden wird, folgt eine Feier im<br />
Weißen Saal des Schlosses, bei der Prof. E. Jüngel einen Vortrag<br />
über Leben und Lernen halten und Ministerpräsident und Landesbischof<br />
Grußworte sprechen werden.<br />
Neben diese zentrale Veranstaltung treten Feste an den vier Seminarstandorten<br />
des 20. Jahrhunderts:<br />
Den Anfang werden die Jubiläumsfeiern in Maulbronn am 17. und 18.<br />
Juni machen. Während des Tages der Offenen Tür am Samstag gibt<br />
es unter anderem eine Beturnung des historischen Sportplatzes und<br />
am Sonntag nach dem Kantatengottesdienst in der Klosterkirche ein<br />
Mittagessen für alle Besucher.<br />
Am Samstag, dem 24. Juni, sind in Schöntal im Rahmen eines Tages<br />
für die ehemaligen Schöntaler <strong>Seminaristen</strong> ab 15.00 Uhr Begegnungen,<br />
eine Führung und ab 18.00 Uhr ein Konzert des Hymnus Chors<br />
geplant. Als Angebot für die ehemaligen Uracher gibt es am Freitag,<br />
dem 22. September 2006, ab 14.30 Begegnungen in Urach, an die<br />
1735
sich um 17.00 Uhr ein Imbiss im Stiftskeller und um 19.00 Uhr ein<br />
Konzert mit der Bachakademie in der Amanduskirche anschließt.<br />
Vom 6.–8. Oktober folgen die Jubiläumsfeiern in Blaubeuren: Am<br />
Freitag, dem 6. Oktober 2006, wird ein festlicher Ball für alle Ehemaligen,<br />
Aktiven und Freundinnen und Freunde des Seminars in der<br />
Stadthalle stattfinden. Neben dem festlichen Essen werden musikalische<br />
und andere Rückblicke auf die letzten Jahrzehnte im Mittelpunkt<br />
stehen. Am Samstag folgt ein Tag der Offenen Tür im Seminar,<br />
der um 19.30 Uhr mit einem gemeinsamen Konzert der <strong>Seminaristen</strong><br />
mit den Schülern des Hamburger Johanneums beschlossen werden<br />
wird. Den Abschluss bildet ein Festgottesdienst in der Stadtkirche<br />
am Sonntag.<br />
Fortgesetzt werden die Jubiläumsfeiern mit einer Reihe von Vorträgen<br />
»2 x 450 Jahre« in Blaubeuren.<br />
Weiter wird im Mai eine Festschrift zum Seminarjubiläum erscheinen;<br />
ein vom SWR geplanter Fernsehfilm über die Seminare soll zu diesem<br />
Zeitpunkt gesendet werden. Genauere Angaben zu diesen und<br />
zu den weiteren geplanten Veranstaltungen sind in dem Anfang 2006<br />
erscheinenden Sonderprogramm zum Seminarjubiläum enthalten,<br />
das Sie bei den Seminaren anfordern können. Alle diese Angaben finden<br />
Sie auch auf den Homepages der Seminare<br />
(www.<strong>seminar</strong>blaubeuren.de/www.<strong>seminar</strong>maulbronn.de).<br />
Wir sind sehr optimistisch, diese 450-Jahr-Feier nicht nur mit dem<br />
dankbaren Blick zurück, sondern auch mit einem optimistischen<br />
Blick in die Zukunft der beiden verbliebenen Seminare Maulbronn<br />
und Blaubeuren feiern zu können: 450 Jahre – ad multos annos.<br />
Seminarentwicklung<br />
Wir haben guten Grund, unser Jubiläum nicht nur als Rückschau,<br />
sondern mit einer optimistischen Perspektive für die Seminare zu<br />
feiern. Nach der Entscheidung des Vorstands der Seminarstiftung,<br />
beide Seminare künftig getrennt mit den Klassen 9 bis 12 zu führen,<br />
begann die Diskussion über die inhaltliche Füllung dieses formalen<br />
Profils. In Maulbronn werden danach zwei alte Sprachen (neben<br />
Englisch) verbindlich, in Blaubeuren zwei neue (Englisch und Französisch)<br />
neben einer alten, wobei hier Griechisch den Vorzug vor Latein<br />
1736
hat. Diese Anforderungen beschreiben aber mehr die Zugangsvoraussetzung<br />
zum Seminar als das Ziel, das in beiden Schulen im<br />
Erwerb des Europäischen Abiturs mit zwei neuen und zwei alten<br />
Sprachen besteht. Auch Hebräisch und Neugriechisch werden<br />
zumindest in Blaubeuren additiv (weiter) angeboten werden. Beide<br />
Schulen werden zudem weiter ihre Schwerpunkte in Musik und<br />
Religion haben. Der Unterschied der Profile zeigt sich in der<br />
Orientierung Maulbronns am klassischen humanistischen Profil,<br />
während Blaubeuren mehr Offenheit für die in Klasse 8 an modernen<br />
Sprachen und Naturwissenschaften interessierten Schülerinnen<br />
und Schüler zeigt.<br />
Der Beginn der getrennten Seminare ist durch die Dauer des Baufortschritts<br />
in Maulbronn vorgegeben. Die vorliegenden Planungen<br />
eines Einbezugs der Klostermühle und einer Gesamtrenovierung<br />
der Seminargebäude lässt von einer frühest möglichen<br />
Gesamtfertigstellung im Jahr 2011 oder 2012 ausgehen. Der<br />
Umbau des ehemaligen Forstgebäudes in Blaubeuren ist demgegenüber<br />
weit weniger aufwändig: Hier wird ab 2009 eine neunte<br />
Klasse einziehen können.<br />
Über die Finanzierung der besonders in Maulbronn anfallenden<br />
großen Erhaltungs- und Umbaukosten wird sowohl in der Landeskirche<br />
als auch zwischen Kirche und Land noch diskutiert. Da<br />
aber auch auf Seiten des Landes der deutliche Wille, die Seminare<br />
auch in Zukunft fortzuführen, erkennbar ist, gehen wir davon aus,<br />
dass diese Diskussion im Frühjahr 2006 zum Abschluss kommen<br />
wird.<br />
1737
Aus der Klosterordnung 1556<br />
Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Griechenland-ABC 2005<br />
Athen: Die Akropolis offenbarte sich uns als imposante Tempelanlage<br />
und war uns sogar vom Hotel aus allgegenwärtig.<br />
Zwischen Nationalmuseum und Besichtigung der Agora bummelten wir<br />
über Fleisch- und Obstmarkt oder wir ließen uns durch die kleinen<br />
Gässchen des Plakaviertels treiben.<br />
Baden: Dank unserer netten Reiseleitung (siehe u) war es uns fast jeden<br />
Tag vergönnt, uns in die kühlen Fluten des Meeres zu stürzen.<br />
Chaos ist vorprogrammiert, wenn die ganze Seminarfamilie auf große<br />
Fahrt geht: Mitunter gehen Personen, Rucksäcke oder Gegenstände der<br />
Hotels verloren, aber zu guter Letzt taucht (fast) alles wieder auf.<br />
Delphi: Unseren ersten Eindruck des antiken Griechenlands bekamen wir<br />
am Mittelpunkt der Welt: Nicht nur die beeindruckenden Bauten der<br />
frühen Kultstätte brachten uns zum Staunen, sondern auch der Einklang<br />
der gesamten Anlage mit ihrer Umgebung: vor dem Apollontempel den<br />
Blick in die Ferne zu richten – diese Perspektive ist unbeschreiblich.<br />
Natürlich versuchten wir uns auch im Stadion von Delphi als Sprinter, die<br />
Jungs sogar in fast antiker Praxis.<br />
1739
Epidauros: Das größte antike Theater wird uns immer in Erinnerung bleiben.<br />
Vor allem, weil wir seine einzigartige Akustik mit einem Liedle selbst<br />
erprobt haben.<br />
Funfaktor: Der ist natürlich vorprogrammiert, wenn die Seminarfamilie<br />
auf Reisen geht. Insbesondere, wenn man einen eigenen Gute-Laune-Hit<br />
hat (siehe y).<br />
Griechen: Sie sind uns – nicht zuletzt durch unseren Busfahrer Adonis/Antonis/Antonin<br />
(niemand weiß, wie er wirklich hieß) – wegen ihrer<br />
Lebensfreude ans Herz gewachsen. Und natürlich auch wegen ihrer Art,<br />
Probleme zu lösen: Die Alarmsirene des Busses piepst die ganze Zeit,<br />
macht nix, einfach durchschneiden.<br />
Hellas durften wir in seiner landschaftlichen und kulturellen Vielfalt per<br />
Bus, pedes und Schiff kennen und lieben lernen.<br />
Insel Aigina: Die Pistazieninsel offenbarte uns durch ihre kleinen Dörfchen,<br />
den Hafen und den Aphaia-Tempel ein Stück Inselkultur.<br />
Juni und Mai sind die richtigen Monate, um nach Griechenland zu reisen.<br />
Nicht zu heiß, nicht zu kalt, eben gerade richtig.<br />
In Korinth wanderten wir – als Schule mit theologischem Schwerpunkt –<br />
auf den Spuren des Apostels Paulus und auf der Brücke des Kanals von<br />
Korinth.<br />
Luxusjacht: Diese entpuppte sich bei uns eher als eine Fähre, die uns<br />
trockenen Fußes von Ancona nach Igumenitsa brachte. Abends auf dem<br />
Deck zu sitzen, sich den kühlen Wind um die Ohren blasen zu lassen und<br />
das Meer rauschen hören, schon allein deswegen lohnt es sich, mit dem<br />
Schiff zu fahren. Und der Geist reist mit.<br />
Die drei Ms<br />
Mystras: Nach einem kurzen Anstieg konnten wir von oben die atemberaubende<br />
Aussicht auf die gesamte Burganlage genießen.<br />
Meteora: unser erster Anlaufpunkt auf der Reise. Die wunderschönen<br />
kleinen Klöster auf den Spitzen der rauen und riesigen Berge ließen uns<br />
alle Strapazen der langen Fahrt vergessen.<br />
Mykene: die wohl berühmteste Burganlage Griechenlands. Nicht nur<br />
wegen des Schatzes des Agamemnon, sondern auch weil sie uns einiges<br />
über das Leben und die Kultur dieser Zeit vermitteln konnte. Schon<br />
das Löwentor am Eingang berichtet von einer glanzvollen Vergangenheit.<br />
Nestorpalast: Heiß war es, doch im Schatten eines Mandelbaumes konnten<br />
wir uns erholen und sogar frische Mandeln knacken! Am liebsten<br />
hätten wir uns in Nestors Badewanne abgekühlt.<br />
1740
Olympia: Wie sich Olympioniken fühlen, konnten wir erleben, als wir<br />
durch den Eingang ins Stadion einzogen. Der Zauber, der in diesem Ort<br />
mit seinen riesigen Tempelanlagen wohnt, ist bis heute nicht verloren<br />
gegangen.<br />
Poseidontempel: die letzte Station unserer Reise, aber eine der schönsten.<br />
Nie war das Meer blauer, die Sonne schöner und die Kulisse malerischer<br />
als beim Besuch von Kap Sunion. Wer hier war, wird es nie mehr<br />
vergessen.<br />
Quälerei: Ja, auch die gab es auf unserer Griechenlandfahrt. Seien es die<br />
Busfahrten, die sich teilweise über halbe Tage ausdehnten und die uns<br />
manch bange Minuten bescherten (siehe w) oder auch längere Fußmärsche<br />
bei sengender Hitze. Aber dies alles wurde durch unseren Spaß<br />
(siehe F) ausgeglichen.<br />
Retsina: Natürlich durfte der griechische Wein bei unserer Fahrt nicht<br />
fehlen. Und so machten wir uns die lauen Sommernächte zu Nutze und<br />
1741
genossen, ob am Meer oder auf der Dachterrasse, gesellige Abende mit<br />
Wein, Weib und Gesang.<br />
»Sparta liegt vor uns« – hieß es oft, als wir uns unseren Weg durch das<br />
Taygetos-Gebirge bahnten (siehe w). Wir kamen in Sparta an und unsere<br />
Befürchtungen wegen des typischen spartanischen Wohnens zerschlugen<br />
sich im Wind: Das Hotel war 1a. An dem antiken Ort Sparta<br />
konnten wir nicht sehen, was alles noch ausgegraben werden könnte,<br />
wenn nur Geld da wäre.<br />
Tolon: Meer, wohin man blickt, und Sandstrand! Von hier aus unternahmen<br />
wir einige Ausflüge und vor allem gönnten wir uns mal eine Pause<br />
mit viel Strand, Bummeln durch die überfüllte Touristenmeile und vieles<br />
mehr. Hier kamen wir fußballverrückten Semis endlich wieder zu einem<br />
lang ersehnten Kick mit einheimischen Jugendlichen.<br />
Reisegruppe U H L: Unter diesem Decknamen fuhren wir zwei Wochen<br />
durch Griechenland und es stand so viel dahinter: Hier sei im Namen<br />
aller Herrn Adam und Frau Uhl gedankt für eine wunderbare Studienfahrt,<br />
für die Begeisterung an der griechischen Kultur, die sie bei uns<br />
weckten oder vergrößerten, für die perfekte Organisation.<br />
Vasen: Eine einzige Vase unter Glas und höchste Sicherheitsvorkehrungen<br />
– das sind Verhältnisse in hiesigen Museen, nicht in Griechenland:<br />
Vasen, Statuen und, und, und ... findet man überall in großer Zahl und in<br />
einzigartiger Schaffensweise.<br />
Waghalsige Manöver im Taygetos-Gebirge: Manchmal wussten wir<br />
wirklich nicht mehr, ob unser Doppeldeckerbus unter den Gesteinsüberhängen<br />
durchpasste und ob unser Bus für die engen Serpentinen<br />
nicht doch zu breit wäre. Das alles im Anblick einer tiefen Schlucht und<br />
eines wunderbaren Panoramas. Doch auch hier brachte uns Adonis<br />
sicher ans Ziel.<br />
Xylophon: griechisch: �`� �´����, das Holz und ´� ���´� der Ton. Also<br />
Klangholz, denn auch die griechische Sprache soll nicht zu kurz<br />
kommen.<br />
You are the one: Dieser Leitspruch zog sich durch unsere gesamte<br />
Reise. Die griechische Teilnehmerin des Grand Prix bescherte uns mit<br />
ihrem Song lustige Busfahrten, einen immerwährenden Ohrwurm und<br />
eine geniale Nacht in Athen, als Griechenland unter lauten »Hellada«-<br />
Rufen den Grand Prix gewann.<br />
Zeus sei Dank! Vor Blitz und Donner verschonte er uns und so trugen<br />
zuallerletzt auch die olympischen Götter zum Gelingen einer genialen<br />
Studienfahrt der Seminarfamilie bei.<br />
Eva Drexler/Ulrike Probst (01/06)<br />
1742
Studienfahrt zum Bachfest<br />
nach Leipzig 2005<br />
Die Musikneigungskurse 12 und 13 und Herr Weberruß fuhren vom 4. bis<br />
8. Mai 2005 zum Bachfest nach Leipzig. An Himmelfahrt nahmen wir an<br />
einem Gottesdienst in der Ordnung der Bachzeit teil. Trotz enormer Länge<br />
fesselten uns die Musik der Thomaner, streng geregelte Abläufe und eine<br />
aktuelle Predigt. Das Schwerpunktthema »Bach und die Zukunft« beglei-<br />
tete uns über diese Tage: sei es ein Versuch des jungen Leipziger Komponisten<br />
und Dirigenten Steffen Schleiermacher, Matrigale von Gesualdo<br />
mit eigenen modernen Ideen zu verbinden, oder sei es im Chorkonzert<br />
»Natura renovatur« die Gegenüberstellung von Musik der Frührenaissance<br />
mit Musik der Avantgarde in Schönbergs letzten Motetten.<br />
Zwischen Gottesdiensten, Motetten und Konzerten des Thomanerchors<br />
bekamen wir direkten Kontakt zu den Thomanern durch das Forum Thomanum.<br />
Dabei wurde das neue Konzept der Thomanerschule vorgestellt.<br />
Besuche im Bach-Archiv, im Mendelssohn- und Schumannhaus zeigten<br />
uns die bedeutende Musikgeschichte der Stadt Leipzig. Auf der Rückfahrt<br />
machten wir Halt in Naumburg, wo wir in der Pension Academica ziemlich<br />
rustikal übernachteten, um die Hildebrandorgel in der Wenzelskirche zu<br />
besichtigen und unseren letzten Abend zu feiern. Abschließend stand<br />
Schütz auf dem Programm: In Weißenfels bekamen wir eine Führung im<br />
Schützhaus, besichtigten die Schlosskapelle und warfen noch einen Blick<br />
in das kleine, aber feine Novalishaus.<br />
Für die finanzielle Unterstützung der mehrtägigen Studienfahrt danken wir<br />
dem Seminarhilfsverein und der Schulleitung herzlich.<br />
Hanna Schneider/Can Schnigula/Ulrike Probst (01/06)<br />
1743
Anne-Kathrin Thumm (02/07) erhielt für den folgenden Beitrag den<br />
2. Preis im »Anna-Amalia-Schreibwettbewerb«<br />
1744<br />
Die »Stadtbibliothek«<br />
Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Stadtbibliotheken, die unscheinbar<br />
und nur durch unauffällige Schilder gekennzeichnet sind, macht meine<br />
›Stadtbibliothek‹ ihrem Namen alle Ehre – sie ist eine Stadt.<br />
Wer sie betreten will, muss zunächst das Stadttor passieren und sich<br />
einen Ausweis mit der Genehmigung, die Stadt zu besuchen, ausstellen<br />
lassen. Hat man das Tor hinter sich gelassen und schaut sich die Stadtmauer<br />
an, erkennt man, dass sie innen nicht einfach aus Stein besteht,<br />
wie das außen der Fall ist. Innen sind in den Stein Regale eingelassen, in<br />
denen unendlich viele Bücher stehen. In einem großen Bogen umschließt<br />
dieses überdimensionale ›Bücherregal‹ die gesamte Stadt und beherbergt<br />
Unmengen von unterschiedlichsten Büchern. Das reinste Paradies,<br />
in dem man einfach jedes Buch findet, das man sucht. Doch damit noch<br />
lange nicht genug. Die Häuser der Stadt sind nicht bewohnt und jedes<br />
ist entweder einem Autor oder einer Buchgattung gewidmet. So findet<br />
man zum Beispiel ein ›Tolkien Haus‹, ein ›Krimihaus‹ oder ein ›Philosophiehaus‹.<br />
Jedes Haus ist dementsprechend mit Büchern ausgestattet, oft gibt es<br />
sogar einzelne Räume für einzelne Bücher, die dazu passend eingerichtet<br />
sind und in denen man in Ruhe lesen kann.<br />
Wenn man Gedichte mag, ist das ›Haus der Gedichte‹ unbedingt zu empfehlen.<br />
Jedes Zimmer ist einem Gedicht gewidmet. Betritt man den<br />
Raum, bekommt man ein Gedicht vorgetragen und an den Wänden sind<br />
dazu passende Gemälde angebracht, die einen von weiter Ferne träumen<br />
lassen.<br />
Im ›Krimihaus‹ dagegen geht es gruselig zu. Immer wieder hört man<br />
Schüsse fallen oder Schreie, die einem das Blut in den Adern gefrieren<br />
lassen. Das Licht ist nur trüb, es gibt genug dunkle Ecken, in denen der<br />
nächste Mord passieren könnte. Der ideale Ort, um sich beim Lesen noch<br />
mehr, als man es ohnehin schon tut, zu gruseln.<br />
Im ›Philosophiehaus‹ kann man entlang der Räume die Geschichte von<br />
›Sofies Welt‹ und deren Reise nachahmen. Die Räume sind dem Buch<br />
entsprechend in einzelne Zeitabschnitte unterteilt und lassen einen<br />
selbst zu Sofie werden.
So hat die ›Stadtbibliothek‹ mehr zu bieten als nur Bücher. Sie offenbart<br />
dem Leser vielmehr die ganze Welt, die in den Büchern steckt, und bietet<br />
die Möglichkeit, sie zu betreten. Natürlich sind die genannten Häuser nur<br />
einzelne Beispiele, die die wahre Größe und Vielfalt der Stadt nicht widerspiegeln<br />
können.<br />
Damit es möglich ist, sich mehrere Tage dort aufzuhalten, gibt es auch<br />
ein paar andere Häuser, die nicht direkt mit Büchern zu tun haben. Zum<br />
Übernachten steht das ›Haus des buchstäblich guten Schlafs‹ zur Verfügung,<br />
in dem alle Möbel buchstabenförmig gebaut sind. Im Bad findet<br />
man zum Beispiel einen Z-förmigen Spiegel und die Vase auf dem Tisch<br />
ist wie ein H geformt, in das man zwei Blumensträuße stellen kann.<br />
Zum Essen geht man ins ›Literaturcafé‹ und sollte man irgendwann keine<br />
Lust mehr zum Lesen haben, besucht man einfach das Kino, in dem jede<br />
Menge Buchverfilmungen gezeigt werden.<br />
Ich bin mir sicher, wer diese ›Stadtbibliothek‹ betritt, wird sie so schnell<br />
nicht mehr verlassen...<br />
Theater 2006<br />
Bertolt Brecht/Kurt Weill<br />
Die Dreigroschenoper<br />
Aufführungen im Dorment des Klosters Blaubeuren<br />
● Freitag, 24. März 2006, 19.30 Uhr<br />
● Samstag, 25. März 2006, 18.00 Uhr<br />
● Sonntag, 26. März 2006, 18.00 Uhr<br />
Vorverkauf ab 6. Februar: Mo.–Fr. 8.30 Uhr bis 12.00 Uhr<br />
Telefon: (0 73 44) 9 62 60<br />
1745
1746<br />
<strong>Seminaristen</strong> in aller Welt<br />
Nordirland<br />
Eigentlich ist es mehr ein Zufall, dass ich hier gelandet bin. Ich wollte<br />
nach dem Abi ein Jahr ins Ausland und nach längeren Umwegen bin ich<br />
in Camphill Community Mourne Grange, Nordirland angekommen.<br />
Mourne Grange ist eine Gemeinschaft mit erwachsenen geistig Behinderten,<br />
die wir Villager nennen. Unser Camphill liegt wunderschön zwischen<br />
den Mourne Mountain und der Irischen See.<br />
60 Villager leben und arbeiten hier, insgesamt mit allen Co-workern und<br />
ihren Kindern sind wir etwa 140 Leute. Mourne Grange ist aufgebaut wie<br />
ein kleines Dorf, wir haben einen kleinen Laden für den täglichen Bedarf,<br />
eine Kapelle, einen Geschenkeladen mit Café und Dawn Hall. In Dawn<br />
Hall findet unser kulturelles Leben statt: Vorträge und Konzerte, Theaterstücke<br />
und manchmal eine Performance. Diese Abende sind die Höhepunkte<br />
der Woche und die Villager lieben sie sehr. Wir hören und sehen<br />
sehr moderne Sachen, aber auch Klassisches, und natürlich nicht zu vergessen<br />
die typisch irische Musik<br />
Ich lebe hier bei einer Familie mit zwei kleinen Töchtern, acht und drei<br />
Jahre alt. Wir leben in »Iona«, so heißt unser Haus, mit fünf Villagern. Um<br />
eine von ihnen kümmere ich mich vom Aufstehen bis zum Ins-Bett-<br />
Gehen. Sie hat Alzheimer und braucht immer jemanden um sich. Natürlich<br />
haben alle unsere Hausbewohner ihre Ticks und Tricks, aber ich<br />
habe sie inzwischen sehr gut kennen gelernt und komme mit allen gut<br />
zurecht.<br />
Den Vormittag über arbeite ich im Shannagh-work-shop, benannt nach<br />
dem Haus, in dem er stattfindet. Hier arbeiten die älteren Leute und<br />
die, die nicht mehr so viel können. Wir trocknen Kräuter und machen Tee<br />
daraus, filzen Armbänder, Ketten, Broschen oder Haarbänder, die in<br />
unserem Laden verkauft werden. Wir ziehen Kerzen, stricken Schals,<br />
schöpfen Papier ... Kurz gesagt: Meiner Fantasie, etwas Neues auszuprobieren,<br />
sind keine Grenzen gesetzt, so lange es sich verkaufen lässt.<br />
Ich bereite alles vor, helfe, wo es nötig ist, und mache alles schließlich<br />
zum Verkauf fertig. Wichtig ist gerade in diesem work-shop der soziale<br />
Aspekt. Wir unterhalten uns viel und singen gemeinsam, um die Villager<br />
geistig fit zu halten.<br />
Nachmittags arbeite ich in der Weberei. Hier musste ich vieles erst einmal<br />
lernen: wie man die Farben aussucht, die einzelnen Fäden entsprechend<br />
ordnet und schließlich auf den Webstuhl spannt. Dann beginnt das<br />
eigentliche Weben. Das machen die Villager, aber das Aufsetzen eines<br />
neuen Webstuhls nimmt viel Zeit in Anspruch. Es gibt auch verschiedene
Webtechniken und um Muster zu weben, muss man sehr konzentriert<br />
arbeiten, das schaffen nur wenige unserer Villager. Wir stellen Wandbehänge<br />
und kleine Teppiche, Tischdeckchen, Schals und Taschen her.<br />
Wichtig für unser Leben hier sind die verschiedenen jahreszeitlichen<br />
Feste, die wir alle gemeinsam mit einem Tanzabend, einer Party oder<br />
einem großen gemeinsamen Mahl für das ganze Dorf feiern. Solche<br />
Abende sind die Höhepunkte im Monat. Es wird für das entsprechende<br />
Fest immer etwas vorbereitet, sei es von der Bäckerei, von den Schulkindern<br />
unserer Mini-Waldorfschule oder sonst irgendeiner Gruppe. Zu<br />
jedem Fest gibt es die entsprechenden Lieder und Bräuche, manches<br />
kenne ich von daheim, anderes ist neu.<br />
An meinem freien Tag erkunde ich, allein oder mit anderen Co-workern,<br />
die Gegend, gehe in die nächste Stadt oder fahre auch mal nach Dublin<br />
oder Belfast. Manchmal braucht man auch nur einen Tag ein bisschen<br />
Ruhe und Erholung.<br />
Jana Maier (00/05)<br />
Sturts Farm. A Place Where Everyone Grows<br />
Ich melde mich aus Südengland und bin in der Camphill-Community<br />
gelandet, in der ein Enkelsohn von Karl König den Farmbetrieb leitet.<br />
Sturts Farm ist eine Community für ca. 20 erwachsene Menschen mit special<br />
needs und learning disabilities, wir nennen sie Companions. Wir leben<br />
in vier unabhängig voneinander geführten Hausgemeinschaften mit jeweils<br />
bis zu 13 Bewohnern, wobei jeder am Flair des Hauses mitgestaltet. Die<br />
Community basiert auf den Gefühlen von Vertrauen und Angenommensein,<br />
was die Companions ungemein stärkt. Jeder trägt seinen Teil dazu<br />
bei, dass der Haushalt funktioniert. Ich helfe als Co-worker im kleinsten<br />
Haus mit, in dem drei Companions, die Hauseltern und ich leben.<br />
Unser Arbeitstag beginnt morgens mit einer Zusammenkunft (Morning<br />
Gathering), bei der wir den Tagesablauf besprechen.<br />
Es wird in drei Gebieten gearbeitet – landwork, workshops und housecraft,<br />
wobei der Schwerpunkt bei der landwirtschaftlichen Arbeit liegt. In<br />
einem der drei Bereiche tritt jeder Companion ins wirkliche Arbeitsleben<br />
ein.<br />
Ich selbst bin der Arbeit im Garten zugeteilt. Wir versorgen sowohl unsere<br />
eigene Community als auch zwei umliegende Camphills und die lokale<br />
Bevölkerung, die in unserem Farm Shop einkauft, mit frischem Gemüse.<br />
Außerdem produzieren wir Hartkäse, Frischkäse, Joghurt, Marmelade<br />
und Säfte.<br />
Es ist herrlich, so viel outdoor zu sein, und ich habe schon kistenweise<br />
Bohnen gepflückt, Krautköpfe geerntet, Karotten, Rettiche und Rote<br />
Bete aus der Erde gezogen, Kartoffeln gelesen, Mangold-Blätter gezupft<br />
oder Maiskolben vom langen Stängel getrennt.<br />
1747
Die Companions helfen mit, wo sie können, sie brauchen nur die nötigen<br />
Anweisungen und Unterstützung der Co-worker. Manche sind sogar so<br />
selbstständig, dass sie schwierigere Aufgaben übernehmen können.<br />
Debbie z.B. kocht einmal wöchentlich Lasagne für 10 Leute. David sorgt<br />
dafür, dass alle landworker morgens und mittags eine teabreak bekommen,<br />
Alexandra bäckt Pizza, Neil verteilt die Post und Penny läutet<br />
vor und nach der Arbeit die Community-Glocke. Jeder hat einen Job, der<br />
seinen Fähigkeiten angpasst ist.<br />
Im Haus teile ich mir mit meiner housemother das Kochen. Aber ich muss<br />
natürlich auch Dinge wie Wäsche waschen und putzen erledigen. Auch<br />
die Wochenenden fallen in meine Arbeitszeit. Ich gehe samstags mit den<br />
companions auf shoppingtour, damit sie auch mit der Bevölkerung in<br />
Kontakt kommen und nicht nur hinter den schützenden Mauern der Community<br />
leben.<br />
Im Winter dann, wenn draußen auf der Farm und im Garten nicht mehr<br />
viel zu tun ist, werden Kurse in Malen, Theater spielen, Musik und Holzarbeit<br />
angeboten. Feste spielen auf Sturts Farm eine große Rolle, um<br />
Höhepunkte zu gestalten. Ich habe bisher Michaelmas erlebt, das wir<br />
Ende September gefeiert haben. Wir strömten auf die Felder und ernteten<br />
von allem, was wir anbauen. Die Gaben wurden auf Strohballen um<br />
ein Bild von St. Michael gruppiert und wir haben Michaelmas-Songs<br />
gesungen und getanzt.<br />
Die Companions werden ermutigt ihre Freizeit selbst zu gestalten und<br />
eigene Initiativen zu entwickeln. Es gibt z.B. ein wöchentliches Meeting,<br />
bei dem jeder seine Wünsche und Verbesserungsvorschläge äußern<br />
kann. Die Gesprächsleitung übernimmt ein Companion.<br />
Im letzten Meeting hat Companion John vorgeschlagen, unser jährliches<br />
Weihnachtsessen mit allen Eltern und den friends of Sturts, das traditionellerweise<br />
groß in einem teuren Pub zelebriert wird, ausfallen zu lassen<br />
und das Geld statt dessen an ein ärmeres Camphill in Südafrika zu spenden,<br />
und zwar an Hemel en Aarde in Hermanus, wo Steffi gerade lebt.<br />
Herzlich grüße ich in diesem Sinne von Sturts Farm in West Moors (bei<br />
Bournemouth) und schließe mit einem Zitat von Karl König:<br />
1748<br />
»OnIy the help from man to man,<br />
the encounter of ego with ego –<br />
the awareness of the other person’s individuality –<br />
without enquiring into his creed<br />
or his world conception or his political affiliation,<br />
but simply the meeting, eye to eye, of two individualities –<br />
onIy this creates the kind of Curative Education<br />
which may counter and heal the thread<br />
to our innermost humanity.«<br />
Muriel Müth (00/05)
Camping on a South African hill<br />
5.30 Uhr, 28. Oktober. Im jetzt wohl immer nebligeren Blaubeuren schläft<br />
wohl unsere Seminarfamilie noch den Schlaf der Gerechten. Höchstens<br />
Roland werkelt vielleicht schon an einem kaputten Schloss im Neubaukeller...<br />
Einige tausend Kilometer weiter südlich, an der Westküste Südafrikas,<br />
ca. 50 km nördlich von Cape Town, am Rande der »Greater Cape Town<br />
Area«, wo auf dünn besiedeltem Flachland einzelne Farmen dem extrem<br />
kargen, sandigen Boden trotzen, werden 28 Kühe von vier verschlafenen<br />
Menschen aus den »nightkraals« gerufen und kurz danach unter der<br />
gerade aufgehenden Sonne an Melkmaschinen gestöpselt und gemolken.<br />
Ungefähr eineinhalb Stunden später treiben dieselben inzwischen<br />
etwas weniger verschlafenen Menschen dieselben Kühe auf eine Weide<br />
des ca. 250 ha umfassenden Geländes von Camphill Village West Coast.<br />
Die vier Menschen trotten zurück zum Farmgebäude, um in der jetzt<br />
bereits warmen Frühlingssonne schnell ein Müsli mit noch fast warmer<br />
Milch und frischem Joghurt zu verschlingen und dann mit der eigentlichen<br />
Tagesarbeit zu beginnen – Zäune aufstellen, Schweine füttern,<br />
Hühnerställe ausmisten, Alfalfa säen oder »500« auf Felder und Wiesen<br />
sprühen – in viel Wasser gelöste Kuhscheiße, die in vergrabenen Kuhhörnern<br />
sechs Monate überwinterte, um kosmische Energien aufzunehmen.<br />
Die vier Menschen – drei davon mehr oder weniger geistig behindert, der<br />
vierte in diesem Fall ich – die an diesem Tag on milking duty sind, haben<br />
inzwischen Verstärkung von den anderen Farmern bekommen, so dass<br />
nun zwei Co-worker und ca. 10 Villager die Spaten schwingen, während<br />
man sich im vermutlich noch immer nebligen Blaubeuren in Faust und<br />
Differenzialgleichungen vertieft.<br />
Ein typisches Beispiel eines Tagesbeginns hier. Im August rückte ich an,<br />
mitten in den südafrikanischen Winter mit viel Regen (über den nur ich<br />
irritiert war) und angesichts unbeheizter Häuser fies kalten Nächten. Das<br />
Camphill Village West Coast ist eines der drei südafrikanischen Camphills,<br />
mit knapp 100 Villagern und insgesamt ca. 150 Leuten relativ groß.<br />
Villager und Co-worker leben in Häusern zusammen und sind in irgendeinem<br />
Workshop (hier u.a. Farm, Molkerei, Garten, Bäckerei, Handarbeit)<br />
beschäftigt. Während der Apartheid war es Camphill untersagt, schwarze<br />
oder farbige Villager aufzunehmen. In den letzten elf Jahren wurde nun<br />
viel daran gesetzt, gezielt wirtschaftlich schwächere Bedürftige und<br />
Angehörige nicht-weißer Ethnien aufzunehmen, so dass nun ein recht<br />
buntes Durch- und Miteinander verschiedener Kulturen und Sprachen<br />
(v.a. Englisch, Afrikaans und Xhosa) herrscht.<br />
Wir beginnen um sechs morgens mit der Arbeit, um wegen der Mittagshitze<br />
um elf aufhören zu können, dann nachmittags von zwei bis fünf. Das<br />
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ständige Im-Freien-Sein, die Arbeit mit Natur und Tieren ist nach 13 Jahren<br />
Hirn- und Sitzfleischtraining sehr angenehm. Es tut gut, mal körperlich<br />
aktiv zu werden und die natürliche Umgebung des Menschen zu erleben,<br />
Teil von ihr zu sein. Da man als Mitglied der Seminarfamilie zwar<br />
eine zünftige humanistische Grundausbildung erhält, diese aber zumindest<br />
in meinem Fall mit Verkümmerung jeglicher Muskeln verbunden ist,<br />
war ich abends anfangs immer vollkommen platt (»Warum schlafe ich<br />
hier im Sessel ein, es ist grade halb neun? Ach so, das ist also Arbeit...«),<br />
inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Krass ist eben, dass man nach<br />
Arbeitsende nicht in diesem Sinne frei hat, sondern dann das Haus<br />
geschmissen werden muss. In meinem Fall sind es acht Villager, die je<br />
nach capability auf Abendessen, Baden, Beschäftigung oder ... warten.<br />
Von Zeit zu Zeit ist es äußerst stressig und man ist froh, endlich seine Tür<br />
zumachen zu können, insgesamt ist das Zusammenleben mit den Achten,<br />
meiner housemother und einer südafrikanischen Freiwilligen aber<br />
schön und spannend. Berichte über »meine« Villager könnten Bände füllen<br />
– da ist Halcot, der weder spricht noch hört, aber ein Temperament<br />
hat, dessen Spannweite von Blumen-Schenken bis zu handfesten Kämpfen<br />
reicht, oder Linda, eine 34-jährige Xhosa, die vor 17 Jahren als Highschool-Schülerin<br />
von ihrem Vater ins Koma geprügelt wurde und mit<br />
einem brain damage wieder aufwachte und jetzt der Sonnenschein in<br />
unserem Haus ist.<br />
Südafrika an sich ist... es gibt kein Wort, mit dem man das Land zusammenfassend<br />
und ausreichend beschreiben kann – Wahnsinn einfach. Von<br />
der finanziellen Diskrepanz weiß man ja, und diese lässt sich in Cape<br />
Town auch hautnah und frustrierend erleben, wo feine Menschen auf<br />
Balkonen Hummer und Eis essen, während im wahrsten Sinn des Wortes<br />
unter ihnen Straßenkinder um Geld betteln; aber auch klimatisch und kulturell<br />
fühlt man sich wie in einem Miniaturmodell der ganzen Welt. Staubtrockene<br />
Wüstenregionen und daneben im Winter schneebedeckte Berge,<br />
Hightech-Krankenhäuser in Kapstadt und townships, die wie kleine<br />
geschlossene Systeme mit eigenen Einkaufsständen, »Medizinmännern«<br />
und Kneipen irgendwie funktionieren. Wir sind hier insgesamt 14 Freiwillige,<br />
sieben Deutsche und sieben Südafrikaner, die überwiegend aus den<br />
umliegenden townships kommen, durch die wir, wenn wir ihre Familien<br />
besuchen, zumindest ein bisschen Einblick in das Leben von Menschen<br />
bekommen, die ohne Strom, Wasser und oft Arbeit in Wellblechbaracken<br />
wohnen und uns europäische Wohlstandskinder »trotzdem« freundlich<br />
empfangen und zum Essen einladen. Leider sind unsere Möglichkeiten,<br />
in das »echte« Südafrika einzutauchen, auf solche Besuche und<br />
Wochenendtrips beschränkt, da das Camphill viel Zeit, Arbeit und<br />
Energie verlangt und beinahe hermetisch von der Außenwelt abgeriegelt<br />
funktioniert – seit ich hier bin, beschränkt sich mein Wissen von den<br />
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Geschehnissen in outer space auf vage Berichte oder sporadische Nachrichtensendungen<br />
über Große Koalitionen und Wirbelstürme in Amerika.<br />
Hier lebt man schlicht in einer anderen Realität – plötzlich sind Euterentzündungen<br />
und Halcots Durchfall entscheidend und nicht mehr Parlamentsbeschlüsse<br />
oder die Schuldfrage in »Effi Briest«. Langfristig würde<br />
sich bei mir, glaube ich, ein Koller einstellen – ein jahrzehntelanges Leben<br />
wie bei vielen der permanent workers hier, die völlig in ihrem Camphill-<br />
Dasein aufgehen ... nee. Aber um ein Jahr anders zu leben, Abstand und<br />
neue Perspektiven zu gewinnen, erlebe ich mein Gewerkel hier als bereichernd.<br />
Urban Lempp (00/05)<br />
Drei Monate in Ecuador<br />
Ich hatte zwischen Zivildienst und Studienbeginn ein paar Monate Zeit, in<br />
denen ich irgendetwas machen wollte, wofür Semesterferien zu kurz<br />
sind. Und so wurde ich Anfang Juni am Flughafen von Quito/Ecuador<br />
von der Leiterin der Schule abgeholt, in der ich, da ich noch kein Wort<br />
Spanisch konnte, zu einem vierwöchigen Sprachkurs angemeldet war.<br />
Dabei wurde ein rasantes Tempo verlangt. Nach drei Tagen habe ich<br />
angefangen ein paar Sätze Spanisch zu reden, die ich mir nicht vorher<br />
zurechtgelegt hatte. In der zweiten Woche kamen die Zeiten dran, in<br />
der dritten musste ich meiner Lehrerin die Sage von Zeus und Europa<br />
erzählen und als Hausaufgabe die politischen Systeme Ecuadors und<br />
Deutschlands vergleichen. Manchmal wurden im Unterricht Ausflüge in<br />
Quitos koloniale Altstadt, auf Märkte oder in den botanischen Garten<br />
gemacht und abends hat die Schule oft Veranstaltungen angeboten, zum<br />
Beispiel spanische Filme oder Salsastunden.<br />
Nach der vierten Woche hatte ich im Alltag kaum noch Verständigungsprobleme<br />
und konnte mit etwas Mühe auch Zeitung lesen und Radio verstehen.<br />
Anschließend bin ich ins Amazonasbecken gefahren.<br />
Den nächsten Monat habe ich in einer Gemeinschaft der Quechua-Indianer<br />
gelebt. Zusammen mit Cesar, einem der Männer, wohnte ich in der<br />
luxuriösesten Hütte des Dorfes, mit Matratze, Moskitonetz und einem<br />
richtigen Tisch. Cesar hat mir gezeigt, wann ich wo was wie machen sollte<br />
und hat mir dabei geholfen. Er war mein Regenwaldführer, Freizeitbetreuer,<br />
Koch, und da er siebzehn Jahre in Quito gelebt hatte und gut spanisch<br />
sprach, war er auch Fragenbeantworter und bei Bedarf Dolmetscher.<br />
Denn obwohl das Dorf nur eine Stunde Busfahrt und eine Stunde<br />
Wanderung von der nächsten Kleinstadt entfernt im Regenwald liegt, die<br />
Leute westliche Kleider tragen und eine Art Grundschule existiert, ist die<br />
Mutter- und Umgangssprache immer Quechua. Natürlich war erst mal<br />
einiges ungewohnt: das Klima, wenn ich nach dem Abtrocknen ebenso<br />
1751
nass war wie vorher; das Essen, wenn in der Suppe irgendwelche Pfoten<br />
und Krallen schwammen oder sich das vermeintlich hartgekochte<br />
Vogelei als hartgekochtes Vogelküken erwies; nachts, wenn im Strohdach<br />
unserer Hütte fünf Taranteln auf Insektenjagd gingen; eigentlich<br />
fast alles.<br />
Bei den alltäglichen Arbeiten war das nicht anders. Gleich am ersten Tag<br />
wäre ich fast mit dem wackligen Einbaum gekentert, am zweiten konnte<br />
ich nicht tief genug tauchen, um die mit Lianengift betäubten Fische vom<br />
Grund des Flusses zu holen... Für die Indianer ist all das nicht nur kein<br />
Problem, sie haben auch oft nicht verstanden, weshalb es da für mich<br />
Probleme geben konnte.<br />
Wenn es nicht regnete, haben wir nach dem Frühstück gearbeitet, fast<br />
immer irgendetwas mit der Machete. Von Rasenmähen bis Baumfällen<br />
und von Einbaumschnitzen bis Löchergraben gibt es eigentlich kaum<br />
etwas, wofür die Quechuas keine Machete brauchen. Es ist fast ihr einziges<br />
Werkzeug. Ich habe geholfen, die kleinen Felder, die nach einigen<br />
Jahren Brache stets wieder dicht überwuchert sind, für erneute Bestellung<br />
zu roden, zu bepflanzen oder auch abzuernten. Ich habe mich beim<br />
Einbaumbauen versucht und bei verschiedenen Fischtechniken.<br />
Einmal hatten die Männer Holz gefällt und zurechtgeschlagen, das zum<br />
Verkauf an eine westliche Firma einige Kilometer bis an die nächste<br />
Straße transportiert werden musste. Es wurde in Einbäume verladen, die<br />
flussaufwärts gestochert wurden. Wenn wir an Stromschnellen kamen,<br />
mussten wir aussteigen und die schweren Boote die Strömungskanäle<br />
hochziehen, sonst wären wir auf Grund gekommen. Und oft genug ist<br />
jemand auf den glatten Kieseln ausgerutscht, wurde weggespült und<br />
musste von vorne anfangen. In den Wellen schlugen die Boote voll, und<br />
wir konnten sie nur mit größter Mühe vorm völligen Sinken retten. So ging<br />
es den halben Tag. Für jeden Stamm bekamen die Männer dann etwa<br />
drei Dollar.<br />
Nachmittags habe ich die Familien des Dorfes besucht, die Schamanen<br />
ausgefragt, im Fluss gebadet, mit den Kindern gespielt und versucht,<br />
ihnen Englisch beizubringen. Im Gegenzug mühten sich die Kinder ab,<br />
damit ich Quechua lerne. Und nach Sonnenuntergang wurde gegessen<br />
und erzählt. Oft waren es Geschichten über den Wald, von Anakonda,<br />
Jaguar und Flussdelphin oder verschiedenen Teufeln, die nachts ihr<br />
Unheil treiben sollen. Manchmal auch von Verwandten, die illegal in Spanien<br />
leben, von Ölfirmen und korrupten Funktionären.<br />
Einmal haben Cesar und ich aus Balsastämmen ein Floß gebaut, mit dem<br />
wir ein Wochenende lang die Dschungelflüsse hinuntergefahren sind und<br />
1752
eine Auswilderungsstation für illegal gefangene Wildtiere besucht haben.<br />
Ein anderes Mal haben wir Nachbardörfer besucht und wurden zu einer<br />
Hochzeit eingeladen. So war ich bald in der ganzen Gegend bekannt wie<br />
ein bunter Hund. Dabei habe ich viel über den Regenwald gelernt, aber<br />
auf eine ganz andere Art, als es in unseren Büchern steht. Schon die<br />
Ansätze sind völlig unterschiedlich. Während die Wissenschaftler zum<br />
Beispiel darüber streiten, ob es am Amazonas zehn oder fünfzig Millionen<br />
unentdeckte Arten gibt, die sie aber grundsätzlich alle systematisieren<br />
wollen, kennen die Indianer das, was für sie eine Bedeutung hat:<br />
Pflanzen und Tiere, die man essen kann, Kräuter, die heilen, Ameisennester,<br />
deren Duft Moskitos vertreibt, Lianen, aus denen man trinken<br />
kann und unzählige andere. Alles, was ihnen nichts nutzt und auch nicht<br />
gerade schadet, läuft unter Unkraut, heißt einfach Baum, Busch oder<br />
Pflanze und ist uninteressant.<br />
Allerdings sind die Quechuas im Zwiespalt zwischen ihrer Lebensweise<br />
und dem, was sie, nicht zuletzt über Leute wie mich, vom Westen mitkriegen.<br />
Sie haben dann Probleme zu verstehen, dass nicht unbedingt<br />
alles Westliche gut und für sie auf jeden Fall immer ein Fortschritt ist. Das<br />
fängt damit an, dass sich einer der Männer von einer Entwicklungshilfeorganisation<br />
eine Motorsäge hat sponsern lassen, für die er nun Benzin<br />
kaufen muss. Oder dass sie bei Verletzungen, die die Schamanen nicht<br />
heilen können, lieber meine Medikamente wollten als mühsam im Wald<br />
Kräuter zu suchen und Baumsäfte zu zapfen. Oder dass sie mittlerweile<br />
auch mit Dynamit fischen, was zwar schneller geht, aber die Fischbestände<br />
stark dezimiert. Als Ersatz für das verlorene Wissen und Können<br />
benötigen sie für zunehmend mehr Dinge Geld, das sie nicht haben. Und<br />
dementsprechend schlechter wird ihr Leben.<br />
Anschließend habe ich ein paar Tage Urlaub gemacht, bevor ich mit<br />
einem Freund aus der Sprachschule weitergereist bin. Wir waren zwei<br />
Wochen in Bergdörfern der südlichen Anden und zwei Wochen in den<br />
Mangrovensümpfen und Regenwäldern der Nordküste, was besonders<br />
interessant war, weil die Bevölkerung dort fast nur aus Nachkommen von<br />
schwarzen Sklaven besteht. In beiden Gegenden sind Straßen nur selten<br />
und in sehr schlechtem Zustand und wir waren oft die ersten Ausländer<br />
seit langer Zeit.<br />
In diesen drei Monaten wusste ich morgens nie, welche Überraschungen<br />
der Tag bringen würde. Sicher war nur, dass es jede Menge sein würden.<br />
Diese Zeit war insgesamt zwar anstrengend, aber oft sehr lustig, meistens<br />
schön und immer unglaublich interessant.<br />
Martin Hitziger (99/04)<br />
1753
1754<br />
Ein Semester in Singapur<br />
Zehn Breitengrade nördlich des Äquators und nur einen südöstlichen<br />
Katzensprung vom letztjährigen Tsunami-Gebiet entfernt liegt der Inselstaat<br />
Singapur. Als Austauschstudentin an der National University of Singapore<br />
konnte ich ein Semester in dieser lebhaften Metropole verbringen,<br />
dessen Land mit knapp 4,5 Mio. Einwohnern in die Größenordnung<br />
Norwegens fällt, allerdings auf einem Bruchteil der Landesfläche. Sieht<br />
man Bilder von Singapur aus den Sechzigern und Siebzigern, hält man es<br />
kaum für möglich, in welcher Rekordzeit das damals stark verdreckte<br />
Entwicklungsland, dessen Fluss einer Kloake glich, zur Industrienation<br />
und einem der saubersten Orte der Welt geworden ist. Vor diesem Hintergrund<br />
rücken die teilweise streng wirkenden Gesetze, die nicht nur<br />
Kaugummi verbieten und das Essen und Trinken in öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
untersagen, sondern jede Art der Verschmutzung mit einem<br />
Bußgeld ab Euro 500 bestrafen, in ein anderes Licht. Singapurs Leistung<br />
wird besonders deutlich, wenn man den Blick auf die umliegenden Länder<br />
schweifen lässt und den Kontrast zu den Nachbarn feststellt.<br />
Die Bevölkerung ist ein »melting-pot« aus Chinesen, Malaien, Indern<br />
und einigen westlichen Kaukasiern, die »expatriots« bzw. »expats«<br />
genannt werden. Wichtiges Bindeglied zwischen den einzelnen Gruppen<br />
ist die englische Amtssprache, die hier wegen manch spezieller<br />
Aussprache auch als »Sing-Iish« bekannt ist. Die vielen verschiedenen<br />
Kulturen machen Singapur zum kulinarischen Schlaraffenland. Nicht<br />
nur in »Little India« werden Köstlichkeiten feilgeboten, sondern in der<br />
ganzen Stadt findet man die »Hawker-Centers«. Dies ist eine Art<br />
geschlossener Markt, meist in Erd- und Dachgeschossen von Kaufhäusern,<br />
in denen bis zu zwanzig Essbuden ihre Spezialitäten anbieten. So<br />
reicht das Angebot von thailändischen »hotplates« und »japanese<br />
noodle« über »muslim food« bis hin zum chinesischen »dumpling« –<br />
einer Art Maultasche. Für Fruchtfanatiker sind die frischgepressten Säfte<br />
aus Ananas, Mango, Kiwi und anderen Früchten eine wahre Oase.<br />
Diese kann man in jeglicher Konstellation genießen und die Vitaminspritze<br />
wird schnell zur Sucht.<br />
Um Asien zu entdecken ist Singapur ein ideales Sprungbrett. Reisen ist<br />
selbst für den (westlichen) Studentenbeutel problemlos möglich, denn ob<br />
Malaysia, Vietnam oder Thailand, Kost und Logis werden zum Spottpreis<br />
angeboten und Billigfluglinien à la Ryanair sowie Bus, Bahn und Boot<br />
sorgen für den Transport zum Wunschziel. Besonders positiv sehe ich an<br />
meinem Austauschsemester die Möglichkeit, in unbekannte Gedankenstrukturen<br />
einzutauchen und das eigene Fach aus einem neuen Blickwinkel<br />
zu betrachten. In einem Land, in dem auf manchen Gesetzesbruch<br />
nicht nur Rohrstockprügel (Frauen ausgeschlossen), sondern auch die
Todesstrafe steht, waren Diskussionen in Vorlesungen zum Strafrecht<br />
und zu den Menschenrechten sehr aufschlussreich, da sie Einblicke in<br />
die Grundeinstellung und Auffassung der Singapurer zum Thema Leben,<br />
Strafe und Gerechtigkeit gegeben haben.<br />
Letzten August hat die junge Nation unter dem Motto »The Future is Ours<br />
to make« ihren 40. Jahrestag gefeiert. Unabhängig von möglichen Vorbehalten<br />
gegenüber Singapurs politischem System, dessen »Demokratie«<br />
faktisch nur eine Partei zur Wahl stellt, darf man sich zweifellos von der<br />
Leistung und Motivation dieses eifrigen Volkes inspirieren lassen.<br />
Die Zukunft liegt in unserer Hand.<br />
Elisabeth Kremer (97/02)<br />
Rumänien<br />
Ich mache ein FSJ bei der »evangelischen Stadtpfarrkirche A.B. (Augsburger<br />
Bekenntnisses) Hermannstadt«. Das ist die Hauptkirche der Protestanten<br />
in Siebenbürgen und in ganz Rumänien. Der rumänische Name<br />
für Hermannstadt ist Sibiu.<br />
Im August hatten wir ein zehntägiges Vorbereitungs<strong>seminar</strong>, das von<br />
Karlsruhe organisiert wurde. Teilnehmer waren sieben Mädchen. Von<br />
denen sind mit mir zusammen vier in Hermannstadt: eine im Obdachlosenheim<br />
»Casa Buna«, eine im Altenheim und zwei, Maria und ich, in<br />
der Kirchengemeinde der Stadtpfarrkirche.<br />
Nun bin ich schon über 4 Wochen hier und will versuchen, meine ersten<br />
Erfahrungen zu Papier zu bringen.<br />
Mein Aufgabenbereich ist folgendermaßen definiert:<br />
Ein Drittel ist Altenarbeit. Das heißt, ich habe sieben alte Menschen zu<br />
besuchen, die meistens alleine sind und sich freuen, jemanden zum<br />
Reden und zum Zuhören zu haben. Es sind Siebenbürger Sachsen, von<br />
denen sich die ersten im 13. Jahrhundert hier angesiedelt haben und die<br />
ihre eigene Sprache – einen für mich unverständlichen deutschen Dialekt,<br />
der dem Luxemburgischen ähnelt –, ihre Kultur, Religion und Tradition<br />
bis jetzt weitergeführt haben. Da alle Angehörigen oder Freunde meiner<br />
Besuchsgruppe entweder gestorben oder spätestens bei der Wende<br />
1989/90 in den Westen ausgewandert sind, sind sie froh, deutsch sprechen<br />
zu können, weil sie den Alltag nur noch mit der rumänischen Sprache<br />
meistern. Auch hört sich niemand außer uns Kirchenpraktikanten<br />
die Klagen über den Kommunismus, die Russlanddeportationen und die<br />
Vereinsamung der Sachsen an. Der Altersdurchschnitt der Siebenbürger<br />
1755
Sachsen in Rumänien liegt bei mehr als 60 Jahren. Ich kenne bis jetzt<br />
noch keine jugendlichen Sachsen.<br />
Ein anderes Drittel ist die Kinder- und Jugendarbeit.<br />
Dazu gehört der Religionsunterricht, den wir mit Hilfe einer ausgebildeten<br />
Musik- und Religionspädagogin vorbereiten und alle drei Wochen<br />
einmal für Grundschulkinder und einmal für Gymnasiasten bis zur 8.<br />
Klasse halten.<br />
Bis jetzt hat er erst einmal stattgefunden. Mir hat es Spaß gemacht, da<br />
die Kinder unkompliziert sind. Ein großer Teil des Unterrichts ist bei den<br />
Grundschülern Spracharbeit, die wir leisten müssen. Die Kleinen sind<br />
Rumänen, die zwar seit dem Kindergarten deutsch lernen, mit denen<br />
man aber noch viele Aussprache- und Verständnisübungen machen<br />
muss. So ist Erika, die Hauptverantwortliche, etwas unzufrieden, weil sie<br />
ihnen religionspädagogisch noch nicht viel mitgeben kann.<br />
Die Jugendgruppe ist auch ein wichtiger Bestandteil. Es gibt einen<br />
Jugendpfarrer, der mit uns das Programm vorbereitet. Wir haben schon<br />
einen Tagesausflug nach Schaessburg gemacht. Diese Stadt wird mit<br />
Rothenburg ob der Tauber verglichen. Mir wurde aufgetragen, mit einem<br />
alten klapprigen 9-Personen-Transporter über Schlaglöcher, durch enge<br />
Gässchen, über Dörfer, an Kuh- und Schafherden vorbei bzw. mittendurch<br />
und Pferdekutschen hinterher zu fahren und ich bin froh, dass wir<br />
heil zurückgekommen sind.<br />
Das letzte Drittel ist Küsterdienst. Dies bedeutet Putzarbeit. Gelegentlich<br />
müssen wir auch der Küsterin beim Säubern der Gästezimmer und der<br />
anderen Räumlichkeiten der Kirche und des Pfarramts helfen.<br />
Meine weitere Zeit kann ich variabel einteilen. Manchmal sind Kirchenführungen<br />
an der Reihe, manchmal Fahrdienste, Telefondienst im Sekretariat,<br />
kleine Botengänge...<br />
Charlotte Apel (00/05)<br />
1756<br />
Abitur 1992<br />
An den Frühsommer 1992 erinnere ich mich noch sehr gut: Abiturprüfung,<br />
letzte Spaziergänge durch das lieb gewonnene Blaubeuren,<br />
Abschied von vielen Freunden, mehr oder weniger konkrete Zukunftsplanungen.<br />
Der Kalender der Weltgeschichte vermerkt für das Jahr 1992<br />
allerdings wesentlich umwälzendere und dramatischere Ereignisse: Der<br />
blutige Zerfall Jugoslawiens nimmt seinen Anfang, an dessen Ende eine<br />
Viertelmillion Tote sowie Flucht, Vertreibung und Elend von noch wesentlich<br />
mehr Menschen stehen würde.<br />
1992 gab es die Institution, für die ich heute arbeite, noch nicht. Das<br />
Internationale Tribunal für das ehemalige Jugoslawien, gegründet 1993
vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, soll der Straflosigkeit der<br />
Hauptverantwortlichen für diese Verbrechen ein Ende setzen und den<br />
Opfern eine Stimme geben. Bis zum heutigen Tag wurden 161 Personen<br />
angeklagt; zu den laufenden Verfahren zählt auch das gegen den ehemaligen<br />
serbischen Präsidenten Slobodan Milosević. 1992 aber wäre es mir<br />
sicher nicht in den Sinn gekommen, dass ich eines Tages Zeugenaussagen<br />
über Kriegsverbrechen aufnehmen und Richtern aus aller Herren<br />
Länder beim Schreiben von Urteilen assistieren würde.<br />
Eine zielstrebige Planung in diese Richtung gab es also nicht. Vielmehr<br />
entschied ich mich für das Studium der Rechtswissenschaften, das einem<br />
die Festlegung auf einen bestimmten Beruf ziemlich lange erspart. Es war<br />
eher eine Wahl der Vernunft als des Herzens, aber in Städten wie Passau,<br />
Prag und Dresden zu studieren entschädigte für manche Durststrecke.<br />
Nach dem ersten juristischen Staatsexamen kam eine Stipendiums-Ausschreibung<br />
der Robert-Bosch-Stiftung gerade recht, um etwas Neues<br />
auszuprobieren. Inspiriert durch die zufällige Lektüre eines Zeitungsartikels<br />
über den schleppenden Friedensprozess auf dem Balkan machte ich<br />
mich mit einem selbstkonzipierten Projekt zum Menschenrechtsschutz<br />
für ein Jahr auf den Weg nach Bosnien-Herzegowina. Die Arbeit vor Ort<br />
in mehreren internationalen Organisationen erwies sich als prägende<br />
Erfahrung. Selten habe ich in so kurzer Zeit so viele Menschen aus unterschiedlichen<br />
Ländern kennen gelernt, und mich faszinierten sowohl das<br />
Land und seine Menschen als auch die rechtlichen Probleme, die sich in<br />
einer Nachkriegssituation stellen.<br />
Nach weiteren zwei Jahren Referendariat in Dresden bot sich die Chance,<br />
den eingeschlagenen Weg am Jugoslawien-Tribunal in Den Haag<br />
fortzusetzen, und zwar als ›Legal Officer‹ an einer der drei Strafkammern.<br />
Für meine Frau und unsere zwei Kinder erwies sich die Umstellung zum<br />
Glück als problemlos. Wir wohnen in einer typisch holländischen Wohnung<br />
mit großen Fenstern ohne Gardinen und unweit vom Strand.<br />
»Ist Deine Arbeit nicht sehr belastend?« werde ich oft gefragt. Ja, sie kann<br />
es sein, wenn Zeugen in Tränen ausbrechen oder Bilder von Exekutionen<br />
im Gerichtssaal herumgereicht werden. Ein Großteil meines täglichen<br />
Brotes besteht jedoch in der Lösung von Rechtsfragen, mit Englisch und<br />
Französisch als Arbeitssprachen. Das Tribunal urteilt auf der Grundlage<br />
von Völkergewohnheitsrecht und orientiert sich an der Rechtsprechung<br />
der Nürnberger Prozesse. Weil viele Rechtsbereiche nicht geregelt sind,<br />
müssen kreative juristische Lösungen erarbeitet werden. Die Zukunft wird<br />
zeigen, ob das Tribunal dazu beitragen kann, dass sich solche Verbrechen<br />
– im ehemaligen Jugoslawien und anderswo – nicht wiederholen.<br />
Tilman Blumenstock (87/92)<br />
1757
Aus dem Kassenbuch des Rechners<br />
Schuljahr (1. 10.–30. 9.)<br />
Einnahmen:<br />
2003/04 2004/05<br />
Spenden 13.652,23 € 13.393,92 €<br />
Zinsen 01.417,20 € 1.585,47 €<br />
Rückzahlung von Wertpapieren 15.338,76 € 6.135,50 €<br />
Summe<br />
Ausgaben:<br />
30.408,19 € 21.114,89 €<br />
Ausschüttung 05.000,00 € 5.000,00 €<br />
Mann-Preis 00.667,00 € 400,00 €<br />
Neues Testament 00.703,80 € 734,40 €<br />
Seminar<strong>nachrichten</strong> 04.459,76 € 4.915,01 €<br />
Sonderzuweisungen Blaubeuren 02.034,00 € 6.359,96 €<br />
Sonderzuweisungen Maulbronn 01.200,00 €<br />
Sonstiges 0.0549,02 € 196,36 €<br />
Kauf von Wertpapieren 17.283,71 € 5.000,00 €<br />
Summe 31.897,29 € 22.605,73 €<br />
Kontostand:<br />
Konto des Seminarhilfsvereins:<br />
03.728, 35 € 2.237, 51 €<br />
1 638 660 (BLZ 630 500 00) Sparkasse Blaubeuren<br />
Allen Spendern herzlichen Dank! Gerhard Adam (55/59)<br />
Der Seminarhilfsverein dankt Herrn Gerhard Adam (55/59) sehr herzlich<br />
für seine 18-jährige Tätigkeit als Geschäftsführer des Vereins und<br />
wünscht ihm alles erdenklich Gute für seinen wohlverdienten Ruhestand!<br />
Ich habe zum 1. Oktober 2005 das Amt von Herrn Adam, meinem<br />
ehemaligen Lateinlehrer, übernommen.<br />
Ich bitte die Promotionssprecher, alle für die Geschäftsführung wichtigen<br />
Informationen (Adressenänderungen, Wechsel des Promotionssprechers,<br />
Änderung der Zahl der gewünschten Seminar<strong>nachrichten</strong><br />
u.a.), soweit sie Ihnen mitgeteilt werden, mir unter der Postadresse<br />
des Evang. Seminars Blaubeuren oder meiner E-Mail-Adresse<br />
(djglaukon@gmx.de) zukommen zu lassen!<br />
Zu diesem Zweck sollten alle Ehemaligen ihrerseits ihren Promotionssprecher<br />
mit Informationen dieser Art versorgen. So kann vermieden<br />
werden, dass eine große Zahl von Seminar<strong>nachrichten</strong> – wie in den<br />
letzten Jahren geschehen – wieder zurückgesandt wird!<br />
Vielen Dank für Ihre Mithilfe! Sebastian Gengnagel (87/92)<br />
1758
Maulbronn<br />
Wir begrüßen<br />
Kurz notiert<br />
Herrn Adrian Nüssel, der seit 2005 im Seminar Maulbronn Griechisch und<br />
Latein unterrichtet.<br />
Ich heiße Adrian Nüssel, bin 40 Jahre alt. Mein<br />
Geburtstag fällt auf den mythischen Gründungstag<br />
der Stadt Rom. Kein Wunder, dass ich mir<br />
schon nach weniger als zwei Jahren Lateinunterricht<br />
gegen Ende der achten Klasse in den Kopf<br />
setzte, Latein zu studieren. Noch schneller, nämlich<br />
nach nur einem halben Jahr, kam der Wunsch,<br />
auch Griechisch zu studieren. Nach meiner Schulzeit,<br />
die ich komplett in meiner Heimatstadt Essen<br />
verbrachte, habe ich dann in Bochum Griechisch<br />
und Latein bis zum ersten Staatsexamen studiert.<br />
Daneben habe ich das Grundstudium auch in Englisch<br />
absolviert und zeitweise als studentische Hilfskraft am Institut für<br />
Philosophie der Ruhr-Universität in Bochum gearbeitet. Ohne diese<br />
»Nebentätigkeiten« und ein Erasmus-Stipendium an der University of<br />
Sheffield, die mein Studium insgesamt beträchtlich verlängerten, hätte<br />
ich viele Anregungen für meine wissenschaftlichen Interessen nicht<br />
erhalten.<br />
Nach dem Examen war ich sechs Jahre lang in Heidelberg. Höhepunkte<br />
dieser Zeit waren zwei Einladungen zu Vorträgen nach Cambridge. Wer<br />
einmal, vom genius loci inspiriert, an einem schönen Spätsommernachmittag<br />
einen platonischen Dialog im Garten eines alten College gelesen<br />
hat, wird diese friedliche Atmosphäre gelehrter Kultur niemals vergessen.<br />
Nach dem Referendariat am Görres-Gymnasium in Düsseldorf begann<br />
meine Odyssee, die mich über Anstellungen in Bochum, Eisenach, Naumburg,<br />
Rudolstadt und Königsee im Thüringer Wald nun nach Maulbronn<br />
geführt hat.<br />
Meine Interessen sind vielfältig. Nicht nur der Klassischen Philologie,<br />
sondern auch der klassischen Musik gilt meine Leidenschaft. Seit meinem<br />
16. Lebensjahr singe ich in Chören. Natürlich bin ich auch in Maulbronn<br />
schon in die Kantorei eingetreten. Wenn es meine Zeit erlaubt, lese<br />
ich gerne (vor allem die deutsche Literatur des Barock sowie die Werke<br />
unseres alten Semis Hölderlin) oder hantiere mit Töpfen und Pfannen.<br />
1759
Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Ich habe viel verloren<br />
gegangenen Spaß an meinem Beruf zurückgewonnen. Das liegt nicht nur<br />
daran, dass ich hier endlich wieder Griechisch unterrichten kam. Hier<br />
herrscht ein anderer Geist als an herkömmlichen Schulen. Das gilt für das<br />
Kollegium, das mich bei der Eingewöhnung an den Internatsbetrieb<br />
immer tatkräftig unterstützt, und für die Semis, mit denen ich im Unterricht<br />
ganz anders arbeiten kann als in meinen Klassen der letzten zwei<br />
Jahre. Der Repetentendienst ist natürlich manchmal anstrengend. Ich<br />
möchte aber keinesfalls auf ihn verzichten, weil er Ausdruck dessen ist,<br />
was uns vor anderen Schulen auszeichnet: Wir sind eben nicht nur eine<br />
Lern-, sondern auch eine Lebensgemeinschaft, die ihren Grund hat im<br />
gemeinsamen Glauben.<br />
Wir danken<br />
Herrn Studienrat Helmut Spahmann, der mit dem Schuljahr 2004/05<br />
seinen Dienst am Seminar Maulbronn beendet und eine neue Aufgabe<br />
am Ganerben-Gymnasium in Künzelsau übernommen hat. Drei Jahre<br />
lang betreute er als staatlicher Repetent die <strong>Seminaristen</strong> und unterrichtete<br />
die Fächer Latein und Sport. Herr Spahmann, selbst Seminarist<br />
der Promotion 72/76 Maulbronn/Blaubeuren, war vor seiner Zeit als<br />
Repetent viele Jahre Internatslehrer am Evang. Schulzentrum in Michelbach/Bilz.<br />
Mit ihm kam also ein ausgewiesener »Profi« nach Maulbronn. Durch vielerlei<br />
Aktivitäten, auch mit seinen handwerklichen Fähigkeiten, hat er<br />
das Seminarleben gehörig bereichert. Wir danken Herrn Spahmann für<br />
seinen Dienst und wünschen ihm in seiner neuen Heimat, die für ihn<br />
zugleich die alte ist, alles Gute und Gottes Segen.<br />
Wir beglückwünschen<br />
Herrn und Frau Maier-Frey zur Geburt ihrer Tochter Judith und<br />
Herrn und Frau Wilhelm zur Geburt ihrer Tochter Jule.<br />
1760
Unsere Jüngsten – die Promotion 2005–2010<br />
Von links nach rechts:<br />
Hintere Reihe: Miriam Bork (Herxheim), Lukas Scheid (Güglingen), Moritz<br />
Eckle (Blaubeuren), Joachim Weißbeck (Heilbronn), Johannes Bucher<br />
(Köngen), Felix Schreiber (Melbourne, Australien), Tobias Fischer (Eislingen),<br />
Felix Steininger (Calw-Hirsau)<br />
Mittlere Reihe: Eva Sterzer (Herrenberg), Max Neugebauer (Maulbronn),<br />
Katharina Stiller (Neunkirchen), Käthe Krokenberger (Blaubeuren)<br />
Vordere Reihe: Sarah Krempel (Bad Herrenalb), Dorothee Jung (Pfullingen),<br />
Johanna Teuffel (Reutlingen), Anne Heizelmann (Ulm), Saskia Bach<br />
(Lichtenstein), Grischa Runge (Ludwigsburg)<br />
Kniend: Lea Schneider (Blaubeuren), Ludwig Probst (Alfdorf), Amelie-<br />
Janina Renz (Günzburg), Simeon Schüz (Römerstein), Jonas Bauschert<br />
(Ludwigsburg), Dennis Klose (Kuchen), Corinna Welsch (Rödermark),<br />
Katharina Chmielewski (Remseck)<br />
1761
musica sacra 2006 – »Atem und Geist«<br />
Gottesdienste und Konzerte vom 10. bis 16. Juni 2006<br />
Samstag, 10. Juni 2006 Collegium 1704<br />
Klosterkirche Ensemble für Alte Musik<br />
Sonntag, 11. Juni 2006 Orgelkonzert<br />
Klosterkirche Erika Krautter-Budday<br />
Donnerstag, 15. Juni 2006 Hamburger Ratsmusik<br />
Klosterkirche Klaus Mertens, Bariton<br />
Ulrich Wedemeyer, Laute<br />
Simone Eckert, Gambe<br />
Freitag, 16. Juni 2006 Wiener Glasharmonika-Duo<br />
Klosterkirche Musik für Verrophon von Mozart und A. Pärt<br />
Kammermusikwoche<br />
mit Bernd Glemser<br />
Samstag, 9. Sept. 2006 Kammermusikkonzert mit Bernd Glemser<br />
Laienrefektorium und Daniel Müller-Schott, Violoncello<br />
Sonntag, 10. Sept. 2006 Gewandhaus-Quartett<br />
Laienrefektorium mit Bernd Glemser<br />
Montag, 11. Sept. bis Meisterkurs Bernd Glemser<br />
Freitag, 15. Sept. 2006<br />
Freitag, 15. Sept. 2006 Klavierabend Bernd Glemser<br />
Laienrefektorium<br />
Samstag, 16. Sept., 15 Uhr Abschlusskonzert des Meisterkurses<br />
Samstag, 16. Sept. 2006 Klavierabend mit Cyprien Katsaris<br />
Laienrefektorium<br />
1762
Blaubeuren<br />
Wir begrüßen die neue Klasse 11 in Blaubeuren<br />
hintere Reihe:<br />
Antonia Menzel, Maria Scheib, Sophie Sterzer, Isabella Otto, Coretta<br />
Kehrel, Cordula Hornung, Fabian Herz, Hanna Hitziger, Amelie Spätgens,<br />
Laura Caesar<br />
mittlere Reihe:<br />
Daniela Rosenberger, Lena Renkenberger, Maren Husemann, Hannah-<br />
Sophie Schüz, Judith Gerber<br />
vordere Reihe:<br />
Benedikt Jetter, Carsten Müller, Hans-Ulrich Probst, Max Gerhardt,<br />
Mario Lutz, Leo Rang<br />
1763
Wir begrüßen Herrn Sebastian Gengnagel<br />
Mein Name ist Sebastian Gengnagel. Zum laufenden<br />
Schuljahr 2005/2006 bin ich als Lehrer ans<br />
Seminar zurückgekehrt, an dem ich von 1987–92<br />
Schüler war. Meine Fächer sind Latein, Griechisch<br />
und Geschichte – daneben betreue ich in diesem<br />
Jahr auch die Theater-AG.<br />
Geboren (4. Juni 1973) und aufgewachsen bin<br />
ich in Stuttgart. Vor meiner Seminarzeit besuchte<br />
ich das Karls-Gymnasium, danach führte mich<br />
mein Zivildienst nach Freiburg in die Individuelle<br />
Schwerstbehindertenbetreuung (1992/1993). Im<br />
Anschluss studierte ich in Tübingen Latein, Griechisch und Geschichte –<br />
ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes ermöglichte<br />
mir 1997 ein Auslandsjahr an der Washington University in St. Louis<br />
(Missouri/USA). Zum Referendariat kehrte ich wieder nach Stuttgart<br />
zurück, wo ich am Karls-Gymnasium und am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium<br />
tätig war.<br />
Ich freue mich sehr, wieder am »Semi« zu sein. Von meinem Lehrer<br />
Gerhard Adam (55/59) übernahm ich mit Antritt meiner Stelle auch das<br />
Amt als Geschäftsführer des Seminarhilfsvereins. So werde ich in<br />
Zukunft mit Seminaristinnen und <strong>Seminaristen</strong> aller Generationen im<br />
Austausch stehen...<br />
Wir gratulieren<br />
Familie Körner zur Geburt ihres dritten Sohnes Johannes und Herrn<br />
Körner speziell, der zum Oberstudienrat ernannt wurde.<br />
1764<br />
Wir danken<br />
Herrn Gerhard Adam (55/59),<br />
den wir zum Ende des<br />
Schuljahres 2004/05 in den<br />
Ruhestand verabschiedeten.<br />
▼
Noch im Sommer habe ich mir nicht vorstellen können, wie das gehen soll:<br />
Das Seminar ohne Herrn Adam. Ohne ihn, den Organisator der Griechenlandreisen,<br />
ohne ihn, den ruhenden Pol in turbulenten Konferenzen, ohne<br />
ihn, den Geschäftsführer des Seminarhilfsvereins, ohne ihn, den begeisterten<br />
und über Jahrzehnte andere begeisternden Lehrer. »Herr Adam –<br />
wir lieben dich« steht immer noch an einer der Tafeln in den Unterrichtsräumen.<br />
Und niemand hat es seither weggewischt. Es war nicht nur die<br />
schiere Menge an Arbeit, die er – immer stillvergnügt wirkend – bewältigt<br />
hat, die Unmenge an Überstunden, die er mit in seinen Ruhestand genommen<br />
hat, es war vor allem seine besonnene, lebenskluge und menschliche<br />
Art, die das Leben im Seminar über die Jahre mit geprägt hat. Viele Se-<br />
minaristinnen und <strong>Seminaristen</strong> und auch das Seminar als Ganzes haben<br />
ihm viel zu danken.<br />
Einen solchen Dank wollte er selber als bewusst evangelischer und theologisch<br />
hoch gebildeter Christ nie hören. Ihm war schon durch seine<br />
Seminarprägung klar: Allein aus Gnade, nicht aus Werken, nur als Christen<br />
und nicht als Leistungsträger kommt Gott uns nahe. Für alle unsere<br />
Werke gilt: »wir sind unnütze Knechte«. Für den Glauben aber gilt: »allein<br />
aus Gnade sind wir angenommen«.<br />
Daher zu seinem Abschied kein Blick zurück und kein Verlieren in einem<br />
Dank, der sowieso größer sein müsste, als wir ihn ausdrücken können.<br />
»Herr Adam – wir lieben dich«, schrieben die <strong>Seminaristen</strong>. Ich sage es<br />
einfach so: Herr Adam, ich wünsche Ihnen von Herzen einen schönen, langen<br />
und gesundheitlich möglichst wenig eingeschränkten Ruhestand.<br />
Ephorus Dr. Henning Pleitner<br />
1765
Auch ein »Seminarist« – Hans Hermann<br />
Vor 100 Jahren, am 6. Dezember 1905, wurde Hans Hermann in Blaubeuren<br />
geboren. Der gelernte Schlosser stand viele Jahre im Dienst der<br />
Allgemeinheit und sein Lebensweg soll skizzenhaft nachgezeichnet<br />
werden.<br />
Aufgewachsen in Blaubeuren mit vier weiteren Geschwistern, verlor die<br />
Familie früh den Vater, der 1916 im Ersten Weltkrieg in Frankreich fiel.<br />
Schulbildung an der Volksschule und wie so häufig fehlte für eine weiterführende<br />
Schule das Geld. Schulgeld war damals üblich. Die Mutter<br />
musste ihre fünf Kinder durchbringen. Hans Hermann absolvierte eine<br />
Schlosserlehre, bildete sich bei größeren Firmen weiter, kehrte 1935<br />
nach Blaubeuren zurück und fand dort Arbeit.<br />
1948 wurde er Klosterführer und Hausmeister am Seminar. Er galt als<br />
sehr versierter Interpret des Hochaltars und erläuterte mehr als 80 000<br />
Besuchern den Chorraum mit dem einzigartigen Kleinod, das so viele<br />
Wirren, Kriege und Umwälzungen seit über 500 Jahren unbeschadet<br />
überstand.<br />
1970 trat Hans Hermann in den Ruhestand, gleichzeitig zog er sich aus<br />
dem öffentlichen Leben zurück, das am 27. 1. 1946 mit der Wahl in den<br />
ersten frei und demokratisch gewählten Gemeinderat nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg begonnen hatte. Ein Ereignis zeigte schon 1940 seine<br />
demokratische und aufrechte Gesinnung: Wegen »defätistischer Äußerungen«<br />
gegen das NS-Regime wurde er denunziert und acht Wochen<br />
lang im Ulmer Gefängnis festgehalten.<br />
22 Jahre lang wirkte er im Gemeinderat, war Fraktionsvorsitzender,<br />
stellvertretender Bürgermeister und Mitglied des Kreistages. Ämter,<br />
nach denen er sich nicht drängte, aber sie gaben ihm Gelegenheit, seine<br />
christliche Überzeugung in die Tat umzusetzen.<br />
Neben dem kommunalen war Hans Hermann das kirchliche Leben ein<br />
großes Anliegen: Lektor während des Krieges in den umliegenden<br />
Gemeinden, sehr aktiv in der Jugendarbeit und über 30 Jahre lang<br />
Kirchengemeinderat bis 1972. Hans Hermann, der am 7. März 1976<br />
verstarb, ließ sich vom Bibelwort leiten: »Seid Täter des Wortes, nicht<br />
Hörer allein.«<br />
Manfred Daur<br />
1766
Abiturienten 2005<br />
von links nach rechts: Lutz Walter, Florian Vogl, Falko Kötter, Miriam<br />
Barth, Isa Haberding, Jana Maier, Stefanie Frenkel, Dorothea Raden,<br />
Anja Scheinert, Urban Lempp, Manuel Roller, Muriel Müth, Marion<br />
Wagner, Silke Scheiner, Desirée Rupp, David Scheub, Bettina Wagner,<br />
Dorothea Wagner, Markus Roller, Ines Darilek, Jakob Ruopp, Johannes<br />
Anhorn, Charlotte Apel<br />
1767
Theateraufführung 2005:<br />
Agatha Christie’s »Und dann gab’s keines mehr...«<br />
Die Theateraufführung von Agatha Christie’s »Und dann gab’s keines<br />
mehr« war in diesem Jahr ein voller Erfolg. Die Theatergruppe hat sich<br />
wieder mächtig ins Zeug gelegt, geprobt, Text gelernt, die Kulissen und<br />
Requisiten ausgesucht, geschminkt ...<br />
Die Aufführungen waren gut besucht und der Applaus war berauschend.<br />
Dies war leider die letzte Aufführung unter Herrn Pretz. Ab jetzt übernimmt<br />
Herr Gengnagel (87/92) diese Aufgabe. Wir danken Herrn Pretz für<br />
das große Engagement, das er bei der Theater-AG an den Tag gelegt hat.<br />
Sein Temperament bei den Proben wird uns in guter Erinnerung bleiben<br />
(Zitat: »Nicht aus der Rolle fallen, proben wir jetzt oder machen wir ein<br />
Happening?«).<br />
Wir freuen uns auf die Arbeit mit Herrn Gengnagel und sind schon<br />
gespannt, wie die Aufführung dieses Schuljahr wird.<br />
1768<br />
Wargraves Plan geht auf. Es sind nur<br />
noch Vera Claythorne und Phillip<br />
Lombard übrig, einer von beiden muss<br />
der Mörder sein. Da verliert Vera die<br />
Nerven ...<br />
Wie von Wargrave geplant, treffen alle<br />
auf der kleinen Insel vor der Küste<br />
Englands ein. Die allgemeine Verwunderung<br />
über den abwesenden Gastgeber<br />
ist deutlich spürbar.
Wir gratulieren<br />
zu Preisen beim Mann-Preis-Wettbewerb 2005<br />
1. Preis: Hanna Rabus<br />
2. Preis: Tobias Hitziger und Cordula Modrack<br />
zu Preisen für hervorragendes soziales Engagement<br />
Jakob Ruopp, Florian Vogl<br />
zu Preisen für hervorragende Leistungen in allen Fächern<br />
Falko Kötter, Urban Lempp, Manuel Roller, Marcus Roller<br />
zum Scheffelpreis<br />
Falko Kötter<br />
zum Bogner-Oppermann-Preis<br />
Desirée Rupp<br />
zum Preis der Stiftung Humanismus Heute<br />
des Landes Baden-Württemberg<br />
Marcus Roller<br />
zum Apollinaire-Preis der Robert-Bosch-Stiftung<br />
Urban Lempp<br />
zu Fachpreisen für hervorragende Leistungen in verschiedenen<br />
Fächern<br />
Bildende Kunst – Stefanie Frenkel<br />
Evangelische Religion – Stefanie Frenkel, Jana Maier<br />
Englisch – Dorothea Raden<br />
Griechisch – Desirée Rupp<br />
Musik – Charlotte Apel, Muriel Müth<br />
den Schulsiegern bei »Jugend debattiert«<br />
Ulrike Probst, Jonathan Wahl<br />
zum 2. Preis im »Anna-Amalia-Schreibwettbewerb«<br />
Anne-Kathrin Thumm<br />
dem Team »Evang. Seminar Blaubeuren« – Johann Daxer (01/06),<br />
Georg Daxer (89/94), Cäcilie Daxer (95/00) und Thomas Bräuchle (01/<br />
06) zur erfolgreichen Teilnahme (Mannschaftswertung 349 von 905)<br />
beim Halbmarathon der Stuttgarter Zeitung 2005<br />
Thomas Bräuchle (01/06) und Hans-Ulrich Probst (03/08) zur erfolgreichen<br />
Teilnahme beim Ulmer »Einstein-Marathon« 2005<br />
1769
Terminkalender 2004/2005 Maulbronn<br />
13. 9. 2004 Aufnahmefeier der Promotion 2004/2009<br />
02. 10. 14.30 Uhr »Das Kloster lebt« – Texte und Lieder im Seminar<br />
08. 11. Pädagogischer Tag der beiden Seminare in Blaubeuren<br />
13. 11. Elternsprechtag<br />
17. 11. Gemeinsamer Gottesdienst mit dem Salzach-Gymnasium<br />
Maulbronn zum Buß- und Bettag, anschließend Exkursion<br />
ins Waldensermuseum in Ötisheim<br />
27. 11. Besuch der Ausstellung »Hannibal ad portas« im Landesmuseum<br />
in Karlsruhe (Klassen 9 und 10)<br />
28. 11. Adventsfrühstück<br />
16. 12. Hausmusikabend in der Abt-Entenfuß-Halle<br />
17. 12. Seminarweihnachtsfeier mit Abendmahlsgottesdienst<br />
(Klosterkirche)<br />
11. 1. 2005 Klasse 10 zu Besuch im Landtag Baden-Württemberg in<br />
Stuttgart<br />
13./14. 2. Pädagogische Tage in der ehemaligen Synagoge<br />
Freudental<br />
20. 2. Tag der offenen Tür<br />
25./27. 2. Skiwochenende in Füssen<br />
02.–4. 3. Musikfreizeit auf Schloss Kapfenburg<br />
05. 3. Elternsprechtag<br />
05.–6. 3. Konzert der Seminaristinnen/<strong>Seminaristen</strong> in der Winterkirche<br />
in Maulbronn und in der Martinskirche in Döffingen<br />
19. 3. Besuch des KZ Dachau/Besuch der Theateraufführung in<br />
Blaubeuren: Agatha Christie: Und dann gab’s keines mehr...<br />
23. 4. Abschlussball Klasse 9 in Mühlacker<br />
29. 4. Stefan Mappus, Fraktionsvorsitzender der CDU, besucht<br />
Klasse 10<br />
04. 5. Ute Vogt (SPD) besucht Klasse 10<br />
04./5. 6. Klostertag mit Eröffnungsgottesdienst<br />
04.–19. 6. musica sacra »Segen – Fluch«<br />
18. 6. Elternsprechtag<br />
20.–22.6. Landexamen, Schlusssitzung am 23.6.<br />
24. 6. Fahrt der »Franzosen« von Klasse 9 und 10 nach Nancy<br />
02. 7. Plätzlesturnier<br />
03.–8. 7. Segelschullandheim Klasse 9 in Überlingen und Städtefahrt<br />
Klasse 10 nach Berlin<br />
20. 7. Klosterprojekttag<br />
21. 7. Klostertag<br />
23. 7. Abschiedskonzert der Gesangsklasse Annetraut Flitz im<br />
Oratorium<br />
26. 7. Abschlussfeier, Verabschiedung der Klasse 10<br />
1770
Terminkalender 2004/2005 Blaubeuren<br />
29. 8. 2004 Klosterkonzert. Schwarzmeer DonKosaken,<br />
Sakrale Gesänge<br />
12. 9. Schuljahrsbeginn- und Investiturgottesdienst in der<br />
Stadtkirche<br />
16. 9. Mörike-Nacht. Lutz Kirchhof, Barocklaute<br />
19. 9.–25. 9. Studienfahrt der Jahrgangsstufe 13 nach Rom und an die<br />
Spree<br />
25. 9. Klosterkonzert. Trio Lukas David, Detmold<br />
10. 10. von den <strong>Seminaristen</strong> gestalteter Gottesdienst in der<br />
Stadtkirche Blaubeuren<br />
22. 10. Treffen und gemeinsames Mittagessen mit der Promotion<br />
45/49<br />
30. 10. Klosterkonzert. Charlottenburger Klaviertrio<br />
08. 11. Gemeinsamer pädagogischer Tag in Blaubeuren<br />
20. 11. Elternsprechtag<br />
21. 11. Klosterkonzert. Requiem aeternam, Gregorianik und<br />
Orgelversetten<br />
19. 12. Weihnachtsmusik. Chor und Orchester des Seminars<br />
21. 12. Weihnachtsgottesdienst und Weihnachtsfeier im Seminar<br />
16. 1. 2005 Junge Solisten im Dorment<br />
26.–28. 1. Musikfreizeit. Konzert in Mehrstetten<br />
04. 2. Schulfinale »Jugend debattiert«<br />
26. 2. Klosterkonzert. Libor Sima (Saxophone), Franz Bach<br />
(Percussion)<br />
12. 3. Rock bis Heavy Metal. Bands aus Blaubeuren<br />
18./19./<br />
20. 3. Aufführung der Theater-AG. Agatha Christie,<br />
»Und dann gab’s keines mehr«<br />
05. 4.–13. 4. schriftliches Abitur<br />
04. –8. 5. Studienfahrt. Bachfest Leipzig<br />
12. 5.–27. 5. Griechenlandfahrt des gesamten Seminars<br />
03. 6. Klosterkonzert. Mozart-Abend. Martin Vorreiter, Klavier<br />
04./5. 6. Kunsttage und 24-Stunden-Kick<br />
23./24. 6. mündliches Abitur<br />
25. 6. Abitur-Abschlussfeier<br />
11. 7.–16. 7. Pragfahrt der Klasse 11<br />
25. 7. Verabschiedung von Herrn Gerhard Adam<br />
31. 7. Musik Picknick im Kloster. Sommerliche Musiktage Ulm<br />
1771
1772<br />
I<br />
II<br />
III<br />
Die Evangelischen Seminare<br />
Maulbronn/Blaubeuren<br />
bilden gemeinsam ein<br />
altsprachliches Gymnasium mit kirchlichem Internat<br />
(von Klasse 9 bis zum Abitur).<br />
Schulische Voraussetzungen:<br />
Absolvierung der Gymnasialklasse 8<br />
Merkmale der Evangelischen Seminare:<br />
Griechisch 3. Fremdsprache ab Klasse 9.<br />
Instrumentalunterricht im Haus.<br />
Kantorei. Klosterkonzerte.<br />
Tennisplatz und Badesee am Haus.<br />
Offenes, christlich geprägtes Gemeinschaftsleben.<br />
Klasse 11–13:<br />
Breit gefächertes Kursangebot durch Zusammenarbeit<br />
mit dem Gymnasium Blaubeuren.<br />
Hebräisch-AG. Orgel-C-Kurs. Kletter-AG.<br />
Und wie geht’s »danach« weiter?<br />
Staatliches Vollabitur als Abschluss,<br />
Grundlage für jede Studienrichtung.<br />
Optimale Voraussetzung für Theologie,<br />
da das »Sprachenjahr« wegfällt!<br />
ABITUR AM »SEMI«<br />
●<br />
PHILOSOPHIE<br />
MUSIK<br />
PHILOLOGIE JURA<br />
MEDIZIN NATURWISSENSCHAFTEN<br />
THEOLOGIE<br />
UNTERBRINGUNG IM<br />
KLOSTER MAULBRONN<br />
NACH KLASSE 10 UMZUG<br />
DES GANZEN JAHRGANGS<br />
NACH BLAUBEUREN INS<br />
KLOSTER:<br />
Seminar-<br />
Ephorat<br />
Maulbronn<br />
Klosterhof 17<br />
75433 Maulbronn<br />
Telefon<br />
(0 70 43) 20 53<br />
Telefax 20 54<br />
www.<br />
<strong>seminar</strong>maulbronn.de<br />
E-Mail:<br />
ephorat1@<br />
<strong>seminar</strong>maulbronn.de<br />
Seminar-Ephorat<br />
Blaubeuren<br />
Klosterhof 2<br />
89143 Blaubeuren<br />
Telefon<br />
(0 73 44) 96 2610<br />
Telefax 96 26 96<br />
www.<br />
<strong>seminar</strong>blaubeuren.de<br />
E-Mail: ephorat@<br />
<strong>seminar</strong>blaubeuren.de