4 Grundlagen des Schneidens
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4 <strong>Grundlagen</strong> <strong>des</strong> <strong>Schneidens</strong><br />
4.1 Schneidvorgang und Schneidarten<br />
Schneiden ist ein spanloses Zerteilen von Werkstoff entlang einer Schnittlinie (siehe<br />
Übersichtstafel II, S. 7), die beim Ausschneiden einer Außen- oder Innenform (Scherschneiden)<br />
in sich geschlossen (geschlossene SchnittlinieFehler! Textmarke nicht definiert.), beim<br />
Abschneiden bzw. Ausklinken dagegen offen (offene Schnittlinie) ist. Das dazu verwendete<br />
Werkzeug hat als Hauptbestandteile Schneidstempel und Schneidplatte bzw. Matrize. Deren<br />
Schneidkanten Sk, Schneiden genannt, bilden sich aus den beiden Schneidflächen, der Druckfläche<br />
AD und Freifläche AF (Bild 4.1). Die Druckflächen AD <strong>des</strong> Stempels und der Matrize<br />
üben die Schneidkraft auf den zu trennenden Werkstoff aus, sie sind der Werkstückoberfläche<br />
zugekehrt. Nach dem Trennen gleiten die Schnittflächen <strong>des</strong> Werkstoffes entlang den Freiflächen<br />
Af.<br />
Beim Ausschneiden (geschlossene Schnittlinie) wirken auf den Werkstoff durch den eindringenden<br />
Schneidstempel Druckkräfte Fs (Bild 4.1).<br />
S k = Schneide<br />
u S = Schneidspalt<br />
F S = maximale Umform- und (oder) Schneidkraft<br />
F F = Freiflächen-(Seiten)kraft senkrecht dazu<br />
sp = Stempelspiel = 2 u s<br />
Bild 4.1 Schneidvorgang beim Lochen (geschlossene Schnittlinie) Erklärungen: Schneide S k (Schneidkante)<br />
ist die Durchdringungslinie der Schneidflächen A D und A F, die den Schneidkeil bilden. Bildfolge:<br />
a) Schneidbeginn nach elastischer Verformung; Beginn <strong>des</strong> Fließens (plastische Verformung)<br />
b) und c) Ende <strong>des</strong> Fließens, Bruchbeginn<br />
d) Bruchende, Trennung beendet, Reibkraft wirkt noch<br />
e) Ende <strong>des</strong> Arbeitshubes, Stempel dringt in die Öffnung der Schneidplatte ein (e T = Eintauchtiefe)<br />
f) Kraft-Weg-Diagramm, Stempelspiel sp bei I normal; bei II klein<br />
g) Kraftvektoren beim Schneiden<br />
h) Schnittflächenaufteilung<br />
Beim Schneidvorgang wird der zu trennende Werkstoff zunächst elastisch verformt. Beim<br />
Zusammendrücken weicht er auch seitlich aus. Daraus entstehen Seitenkräfte FF. Danach er-<br />
16
4.1 Schneidvorgang und Schneidarten 17<br />
folgt eine plastische Verformung ohne Trennung. So entsteht eine abgerundete Kante. Nun<br />
folgt durch vorauseilende Rissbildung ein Trennvorgang, wobei die Werkstoffteile aufeinander<br />
gleiten. Folge davon ist die Gleitfläche, auch Glattfläche genannt (Bild 4.4), in der der Werkstoff<br />
fließt.<br />
Nach Beendigung <strong>des</strong> Fließvermögens entstehen Kerbrisse, denen der Bruch und somit die<br />
Bruchebene (Bruchfläche, Bild 4.4) folgt.<br />
Der Schneidvorgang kann hinsichtlich <strong>des</strong> Werkstoff Verhaltens in drei Abschnitte gegliedert werden:<br />
1. Elastisches Verformen mit seitlichem Ausweichen (Bild 4.1a)<br />
2. Plastisches Verformen durch Druck (Einziehkante)<br />
3. Fließen entlang der Gleitebenen (Bild 4.1b-c). Hier sind die Teile noch nicht getrennt.<br />
4. Abreißen (Bruch) durch Überschreitung der Brechkraft (Bild 4.1d).<br />
Diese drei Teilvorgänge sind auf der Schnittfläche <strong>des</strong> Stanzteils als drei unterschiedliche Bereiche zu<br />
erkennen:<br />
Bereich 1: Anrundung: Schmale Rand- und Stegbreiten etwas gekippt.<br />
Bereich 2: Scherzone, Schnittfläche glänzend glatt. Im Fließzustand wird hier der Werkstoff an die<br />
Freiflächen A F gepresst.<br />
Bereich 3: Bruchzone, Bruchfläche mit Kerbrissen und anschließendem Abriss, matt, körnig. Die Anteile<br />
an den einzelnen Bereichen sind von mehreren Bedingungen abhängig:<br />
1) Schneidspalt u S<br />
Je kleiner der Schneidspalt, <strong>des</strong>to größer der Anteil der Schnittfläche.<br />
2) Verformungsverhalten <strong>des</strong> Werkstoffes<br />
Je duktiler (fließfähiger) der Werkstoff, <strong>des</strong>to größer der Anteil der Schnittfläche.<br />
3) Tribologisches Verhalten von Schneid- und Bandwerkstoffen sowie Schmiermitteln.<br />
Beim Abschneiden (offene Schnittlinie) entsteht durch die gleichgroßen, parallel und gegensinnig<br />
gerichteten Druckkräfte <strong>des</strong> Schneidstempels und der Schneidplatte ein Kräftepaar, d.h. ein<br />
Drehmoment M (Bild 4.21 II); eine feste oder federnde Gegenhalterplatte P soll das Moment aufnehmen.<br />
Durch die Seitenkraft FF werden bei dickem Blech während <strong>des</strong> Abtrennens schmaler<br />
Bild 4.2<br />
Offene Schnittlinie<br />
I Schema: M Drehmoment, hervorgerufen durch<br />
Schnittkraft Fs; Gegenhalterplatte P nimmt M auf<br />
II federnder Längenanschlag zum Schneiden dicker<br />
Bleche (Abschneidwerkzeug)<br />
1 feste Abstreifplatte, zugleich Gegenhalterplatte P<br />
2 Kopfplatte<br />
3 Druckplatte<br />
4 Stempelführung einsatzgehärtet, im Werkzeug<br />
seitlich und rückwärts geführt<br />
5 Schneidstempel, mit Kopfplatte (2) und Stempelführung<br />
(4) verschraubt, Neigung der Druckfläche<br />
(Schneide) quer zum Streifen<br />
6 Schneidplatte, lichte Höhe zwischen den Teilen<br />
(1) und (6), h2 = Blechdicke + (0,3 ... 0,5) mm<br />
7 federnder Anschlag, einsatzgehärtet, mit zwei<br />
Schraubenfedern je ≈ 300 N Vorspannkraft zur<br />
Aufnahme der Streifenanschlagskraft<br />
8 Halter, einsatzgehärtet, mit Teil 4 verschraubt und<br />
verstiftet<br />
9 federnde Streifenführung
18 4 <strong>Grundlagen</strong> <strong>des</strong> <strong>Schneidens</strong><br />
Abschnitte Werkstoffteilchen seitlich weggedrückt, wodurch der Einbau eines federnden<br />
Längenanschlages notwendig wird (Bild 4.2 II). Dieser verbessert die Schnittflächengüte und<br />
erhöht zugleich Standmenge sowie Lebensdauer <strong>des</strong> Werkzeuges.<br />
Der Schneidstempel (Bild 4.2 II, Teil 5) wird zum Schärfen ausgebaut. Damit er nachher auf dem Halter<br />
(8) wieder satt aufliegt, ist die Stempelführung (4) ebenfalls kopfseitig abzuschleifen.<br />
Beim Feinschneiden werden Bleche über 1 mm Dicke mit einem Schneidspalt us von 0,5 bis<br />
0,6 % der Blechdicke bei gleichzeitiger Behinderung <strong>des</strong> seitlichen Einzugs <strong>des</strong> Werkstoffes<br />
mit der Ringzacke oder einer Blechklemmung geschnitten. So entsteht eine Scherzone (Glattfläche)<br />
auf der ganzen Schnittfläche, die glänzend ist. Bild 4.3 zeigt das Ablaufschema im<br />
Feinschneidwerkzeug. Nach dem Einschieben <strong>des</strong> Ban<strong>des</strong> (A) wird die Ringzackenkraft FR<br />
und gleichzeitig die Gegenkraft FG aufgebracht (B). Dann folgt die Schneidkraft FS für<br />
Durchsetzungen (C) oder zum Lochen (D). Sodann wird die Matrize nach unten bewegt (E)<br />
und das Werkstück mit der Kraft FRA ausgestoßen (F), sowie das Band und das Werkstück<br />
FGA ausgeschoben (G und H).<br />
Bild 4.3<br />
Ablaufschema mit acht<br />
verschiedenen Werkzeugstellungen<br />
beim<br />
Feinschneiden [1]
4.3 Maßtoleranzen geschnittener Teile 19<br />
4.2 Oberflächenbeschaffenheit von Schnittflächen<br />
Beim normalen Schneiden und Hochleistungsschneiden mit Schneidspalten us von 3 bis 5 %<br />
der Blechdicke entsteht nach dem Einziehbereich (Abrundung) der Glattschnitt und danach der<br />
Bruchbereich. Je nach Werkstoff und Schneidspalt beträgt der Glattbereich 20 bis 60 % der<br />
Blechdicke. Bei duktilen Werkstoffen ist dieser Bereich größer als bei spröden.<br />
Beim Feinschneiden eines geeigneten Werkstoffes erreicht man mit einem Schneidspalt von<br />
0,5 % der Blechdicke auf der gesamten Schnittfläche einen Glattschnitt (Bild 4-4). Dabei wird<br />
das Werkstoffgefüge stark verformt. Die Kristalle werden in Schnittrichtung verfestigt bzw.<br />
kalt aufgehärtet. Bild 4.4 zeigt die Strukturen an der Oberfläche und die Härte in verschiedenen<br />
Abständen von der Oberfläche. Dies ist günstig für Funktionsteile mit höherer Flächenpressung<br />
wie bei Zahnrädern, Schnappschlössern usw.<br />
4.3 Maßtoleranzen geschnittener Teile<br />
Bild 4.4<br />
Schnittflächen mit Kaltaufhärtung<br />
beim Normalschneiden<br />
(links) und Feinschneiden<br />
(rechts) [1]<br />
Beim Hochleistungsschneiden dünner Bleche erreicht man Maßtoleranzen an Stanzteilen von<br />
± 0,003 mm. Beispiele dazu sind die Chipträger oder lead frames (Bild 4.5). Diese Anforderungen<br />
treiben jedoch die Werkzeugkosten in die Höhe. Beim Feinschneiden gelten für<br />
Werkstücke von 2 bis 12 mm Dicke und bis 20 mm Breite Maßtoleranzen von ± 0,025 mm.<br />
Ein Beispiel für die Bemaßung eines Feinschnittteils zeigt Bild 4.6. Hohe Anforderungen sind<br />
nur an die besonderen Funktionsmaße zu stellen. An den Rauhheitsangaben sind die Anteile<br />
der Glatt- zu Bruchfläche angegeben.
20 4 <strong>Grundlagen</strong> <strong>des</strong> <strong>Schneidens</strong><br />
Bild 4.6 Bemaßung von Feinschnittflächen<br />
4.4 Schneidkraft<br />
Bild 4.5<br />
4.4.1 Bestimmung der Schneidkraft<br />
Die erforderliche Schneidkraft Fs [N] ist hauptsächlich abhängig von<br />
Stanzteil für Elektronikindustrie:<br />
Chipträger (lead frame) mit 208<br />
Anschlüssen (Leitungsträger)<br />
Strangdicke 0,14<br />
Strangbreite 0,13 mm<br />
Abstand 0,1 mm<br />
Werkstoff: Kupferlegierung<br />
Toleranzen + 0 ... 0,003 mm<br />
Hubfrequenz n = 250 H/min<br />
• Länge [mm] der Schnittlinien bei Berücksichtigung der Schnittform,<br />
• Blechdicke s [mm],<br />
• Schneidwiderstand oder spezifische Schneidkraft <strong>des</strong> Werkstoffes ks [N/mm 2 ] Tabelle 4.1,<br />
• Schärfe der Schneiden,<br />
• Größe <strong>des</strong> Schneidspaltes,<br />
• Oberflächengüte der Druck- und Freiflächen (siehe Bild 4.1a) <strong>des</strong> Stempels und der<br />
Schneidplatte,<br />
• Art der Schmierung.