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sterbebegleitung in der intensivpflege. eine herausforderung

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STERBEBEGLEITUNG IN DER INTENSIVPFLEGE.<br />

EINE HERAUSFORDERUNG FÜR DIE PFLEGENDEN<br />

Diplomarbeit an <strong>der</strong> Ev. Fachhochschule<br />

Rhe<strong>in</strong>land-Westfalen-Lippe<br />

Im Studiengang Pflege<br />

von:<br />

SUSANNE TRAMBEREND<br />

Referent<strong>in</strong>: Prof. Dr. U. Koch-Straube<br />

Koreferent: Prof. Dr. W. Kunstmann<br />

Bochum, den 28. Juni 2005


Inhaltsverzeichnis<br />

2<br />

1 E<strong>in</strong>leitung .......................................................................... 4<br />

1.1 Begründung <strong>der</strong> Arbeit........................................................ 4<br />

1.2 Kapitelüberblick................................................................... 5<br />

2 Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Intensivpflege....................... 8<br />

2.1 Def<strong>in</strong>itionen ......................................................................... 8<br />

2.2 Situation des Intensivpatienten ........................................... 8<br />

2.3 Aufgaben des Pflegepersonals ........................................... 9<br />

2.4 Personalbedarf.................................................................. 10<br />

2.5 Pflegerische Organisation................................................. 12<br />

2.6 Zusammenarbeit von Pflegepersonal und Ärzten............. 12<br />

3 Sterbebegleitung auf <strong>der</strong> Intensivstation – e<strong>in</strong>e<br />

Situationsbeschreibung................................................. 14<br />

3.1 Begriffsdef<strong>in</strong>itionen ........................................................... 14<br />

3.2 Aspekte <strong>der</strong> Sterbebegleitung.......................................... 15<br />

3.2.1 Patienten und Angehörige................................................ 18<br />

3.2.2 Institutionelle Rahmenbed<strong>in</strong>gungen ................................. 21<br />

3.2.3 Professionelle Unterstützung und Kooperation ................ 24<br />

3.2.4 Pflegepersonal ................................................................. 25<br />

4 Psychische Belastungen <strong>der</strong> Pflegenden im Rahmen<br />

4.1.<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung auf <strong>der</strong> Intensivstation und<br />

Formen <strong>der</strong> Bewältigung ............................................... 29<br />

Psychische Belastungen <strong>der</strong> Intensivpflegekräfte im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung .......................................... 29<br />

4.2 Formen <strong>der</strong> Bewältigung psychischer Belastungen.......... 34<br />

4.2.1 Burnout – Syndrom........................................................... 40<br />

5. Thema Sterbebegleitung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausbildung und<br />

Fachweiterbildung.......................................................... 43<br />

5.1 Notwendige Kompetenzen für die <strong>in</strong>tensivpflegerische<br />

Sterbebegleitung............................................................... 43<br />

5.2 Krankenpflegeausbildung ................................................. 45<br />

5.3 Fachweiterbildung............................................................. 51<br />

6 Situation <strong>der</strong> professionellen Pflegekräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Hospizbewegung............................................................ 57<br />

6.1 Entwicklung <strong>der</strong> Hospizbewegung <strong>in</strong> Deutschland ........... 57


3<br />

6.2 Die Hospizidee.................................................................. 59<br />

6.3 Das Projekt Spes Viva ...................................................... 62<br />

6.4 Situation <strong>der</strong> professionellen Pflegekräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Hospizarbeit ...................................................................... 65<br />

6.5 Gegenüberstellung verschiedener Aspekte <strong>der</strong> Arbeits-<br />

7<br />

situationen von Pflegenden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hospizarbeit und<br />

Intensivpflegenden im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung ...... 68<br />

Resümee ......................................................................... 74<br />

7.1 Wor<strong>in</strong> besteht die Herausfor<strong>der</strong>ung für die<br />

Intensivpflegekräfte im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung? ... 74<br />

7.2 Möglichkeiten <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung und Perspektiven<br />

zur Verbesserung <strong>der</strong> <strong>in</strong>tensivpflegerischen Sterbebegleitung<br />

......................................................................... 77<br />

Literatur .......................................................................................... 86<br />

Bil<strong>der</strong>verzeichnis / Tabellennachweis............................................... 92<br />

Erklärung .......................................................................................... 93


1 E<strong>in</strong>leitung<br />

1.1 Begründung <strong>der</strong> Arbeit<br />

4<br />

In den letzten Jahren s<strong>in</strong>d die Fragen nach Sterben und Tod <strong>in</strong> unserer<br />

Gesellschaft zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> Fachkreisen vermehrt thematisiert und<br />

diskutiert worden. Hierbei wurden gesellschaftliche Entwicklungen <strong>der</strong><br />

letzten Jahrzehnte, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die demographische Entwicklung,<br />

die verän<strong>der</strong>te Rolle <strong>der</strong> Frau und die geän<strong>der</strong>ten Familienstrukturen<br />

und ihr E<strong>in</strong>fluss auf die Bed<strong>in</strong>gungen des Sterbens betrachtet. Diese<br />

Diskussion zeigt sich unter an<strong>der</strong>em <strong>in</strong> <strong>der</strong> Etablierung von Hospizen<br />

und Palliativstationen <strong>in</strong> den letzten fünfzehn Jahren <strong>in</strong> Deutschland,<br />

<strong>der</strong>en Anliegen es ist, e<strong>in</strong> Sterben <strong>in</strong> Würde und weitgehen<strong>der</strong><br />

Selbstbestimmung zu ermöglichen. Die allgeme<strong>in</strong> akzeptierten<br />

Vorstellungen e<strong>in</strong>er menschenwürdigen Sterbebegleitung 1 (vgl.<br />

Satzung <strong>der</strong> BAG), sollten jedoch, so die nahe liegende For<strong>der</strong>ung, <strong>in</strong><br />

je<strong>der</strong> Umgebung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sterbebegleitung erfolgt, umgesetzt werden<br />

(vgl. Rönsch 1992).<br />

Diese Diskussion und die Erfahrungen und Beobachtungen während<br />

me<strong>in</strong>er jahrelangen Tätigkeit als Krankenschwester auf e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären<br />

Intensivstation sensibilisierten mich für die Problematik <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Intensivpflege. Durch die Er<strong>in</strong>nerung an<br />

bee<strong>in</strong>druckende, aber auch belastende Situationen, an Gefühle von<br />

Hilflosigkeit und Isolation, kam die Frage auf, wie die Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

e<strong>in</strong>er menschenwürdigen Sterbebegleitung auf e<strong>in</strong>er Intensivstation<br />

von den Pflegenden bewältigt werden kann. Die beson<strong>der</strong>e<br />

Betrachtung <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> Pflegekräfte <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

beruht auf <strong>der</strong> Annahme, dass sie durch ihre Nähe und Präsenz am<br />

Krankenbett e<strong>in</strong>e Schlüsselfunktion <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

1 Der Begriff <strong>der</strong> Menschenwürde <strong>in</strong> Bezug auf den Sterbenden soll dabei<br />

folgen<strong>der</strong>maßen verstanden werden: „ Menschenwürde bezeichnet die <strong>der</strong><br />

Person eigene unbed<strong>in</strong>gte Wertqualität und verlangt nach e<strong>in</strong>em Schutzraum<br />

<strong>der</strong> Person, welcher ohne Schaden für das menschliche schlechth<strong>in</strong><br />

nicht verletzt werden kann.“ (Brathuhn 1999: 88)<br />

Um e<strong>in</strong> menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen, muss dem Menschen<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er letzten Lebensphase Wahrhaftigkeit, Achtung und Wertschätzung<br />

entgegengebracht werden. E<strong>in</strong>geschlossen ist überdies <strong>der</strong> Aspekt <strong>der</strong><br />

Unterstützung durch För<strong>der</strong>ung und Ergänzung se<strong>in</strong>er eigenen Kräfte<br />

(Brathuhn 1999: 88).


5<br />

e<strong>in</strong>nehmen (vgl. Magnusson/ Dietrich 2004). Unter e<strong>in</strong>em<br />

entmenschlichten und mechanisierten Umgang mit dem sterbenden<br />

Menschen, wie er gerade den Intensivstationen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

oft zugeschrieben wird und <strong>der</strong> auch Teil me<strong>in</strong>er beruflichen Erfahrung<br />

ist, leiden nicht nur <strong>der</strong> betroffene Patient und se<strong>in</strong>e Angehörigen,<br />

son<strong>der</strong>n auch die Pflegekräfte <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>em Maße, obwohl sie<br />

gestalterisch großen Anteil daran haben.<br />

1.2 Kapitelüberblick<br />

Auf <strong>der</strong> Grundlage dieser Überlegungen ergeben sich für diese Arbeit<br />

folgende Leitfragen, <strong>der</strong>en Beantwortung die umfassende Bearbeitung<br />

des Themas gewährleisten soll:<br />

I. Wie stellt sich die Situation <strong>der</strong> Sterbebegleitung auf <strong>der</strong><br />

Intensivstation <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e aus Sicht des Pflegepersonals<br />

dar?<br />

II. Welche beson<strong>der</strong>en psychischen Belastungen bed<strong>in</strong>gt die<br />

Betreuung sterben<strong>der</strong> Patienten für die Intensivpflegekräfte?<br />

Wie werden diese Belastungen bewältigt?<br />

III. Wie wird das Pflegepersonal auf die Aufgabe <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung <strong>in</strong> Aus– und Weiterbildung vorbereitet?<br />

IV. Wie stellt sich die Situation <strong>der</strong> Begleiter <strong>in</strong> den neueren<br />

Ansätzen und Vorstellungen von menschenwürdiger Sterbebegleitung<br />

dar? Gibt es Diskrepanzen zwischen den Bed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hospizbewegung tätigen Pflegekräfte und<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sterbebegleitung tätigen Intensivpflegekräfte?<br />

Wenn ja, welcher Art s<strong>in</strong>d diese?<br />

V. Wor<strong>in</strong> besteht die Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Intensivpflegekräfte <strong>in</strong><br />

Bezug auf die Sterbebegleitung?<br />

VI. Welche Möglichkeiten <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen zur Verbesserung<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>tensivpflegerischen Sterbebegleitung gibt es?<br />

Der Aufbau und die Glie<strong>der</strong>ung dieser Arbeit orientieren sich an den<br />

Inhalten und <strong>der</strong> Abfolge dieser Fragen.


6<br />

Zum grundlegenden Verständnis <strong>der</strong> Thematik werden im zweiten<br />

Kapitel die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, <strong>in</strong> denen die Pflege auf <strong>der</strong> Intensivstation<br />

stattf<strong>in</strong>det, umrissen.<br />

Die Intention des dritten Kapitels ist die Annäherung an die Fragen,<br />

wie die beson<strong>der</strong>en Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Intensivstation die Sterbebegleitung<br />

bee<strong>in</strong>flussen und welche Probleme diesbezüglich vor allem<br />

von Seiten <strong>der</strong> Pflegekräfte aufgezeigt und empfunden werden.<br />

Hierzu wird die Situation <strong>der</strong> Sterbebegleitung auf Intensivstationen,<br />

wie sie sich <strong>in</strong> Erfahrungsberichten und <strong>in</strong> den Ergebnissen von<br />

Befragungen Angehöriger und Pflegepersonen abbildet, dargestellt.<br />

Lei<strong>der</strong> liegen zu den meisten Aspekten dieses speziellen Themas<br />

noch ke<strong>in</strong>e veröffentlichten Untersuchungen vor; auch existiert nur<br />

wenig beschreibende und bewertende Literatur. Überdies verläuft<br />

auch auf den Intensivstationen jedes Sterben an<strong>der</strong>s und ist von<br />

unzähligen Faktoren abhängig, die e<strong>in</strong>e umfassende Untersuchung<br />

und Analyse unmöglich sche<strong>in</strong>en lassen. Aus diesem Grunde erheben<br />

die Darstellungen ke<strong>in</strong>en Anspruch auf Vollständigkeit, zeigen<br />

aber <strong>in</strong> diesem Zusammenhang wichtige Aspekte auf.<br />

Zur Vertiefung <strong>der</strong> Situationsanalyse <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sterbebegleitung tätigen<br />

Intensivpflegekräfte werden <strong>in</strong> Kapitel vier die beson<strong>der</strong>en diesbezüglichen<br />

Belastungen <strong>der</strong> Pflegekräfte mittels zusammenfassen<strong>der</strong><br />

Darstellung deskriptiver und empirischer Untersuchungen vorgestellt.<br />

Im zweiten Teil des Kapitels erfolgt dann e<strong>in</strong>e Betrachtung und<br />

Zuordnung beschriebener Verhaltensphänomene des Intensivpflegepersonals<br />

im H<strong>in</strong>blick auf mögliche Bewältigungsreaktionen unter<br />

Zuhilfenahme theoretischer Ordnungsmuster. Kapitelabschließend<br />

wird das von Wagner (1993:114) als „... resignative Form <strong>der</strong> Enttäuschungsverarbeitung...“<br />

def<strong>in</strong>ierte Burnout–Syndrom und se<strong>in</strong>e Relevanz<br />

<strong>in</strong> Bezug auf die Bewertung <strong>der</strong> Bewältigungsversuche <strong>der</strong><br />

Intensivpflegekräfte betrachtet.<br />

In Kapitel fünf erfolgt e<strong>in</strong>e Analyse <strong>der</strong> Gesetze und Richtl<strong>in</strong>ien <strong>der</strong><br />

Krankenpflegeausbildung und <strong>der</strong> Fachweiterbildung für Intensivpflege<br />

und Anästhesie <strong>in</strong> Bezug auf die Vermittlung von Kompetenzen<br />

für die Sterbebegleitung. Um e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck von <strong>der</strong> Umsetzung


7<br />

<strong>der</strong> Vorgaben zu vermitteln werden zudem Aussagen von <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aus–<br />

und Weiterbildung tätigen Lehrern für Pflegeberufe vorgestellt.<br />

Zur Beschreibung <strong>der</strong> neueren Ansätze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Begleitung sterben<strong>der</strong><br />

Menschen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Kapitel sechs die Ideen und Grundsätze <strong>der</strong><br />

Hospizbewegung <strong>in</strong> Deutschland aufgeführt. Des Weiteren wird e<strong>in</strong><br />

Projekt, im Rahmen dessen die Umsetzung dieser Grundsätze <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Krankenhaus versucht wurde, beschrieben. Auf <strong>der</strong> Grundlage<br />

dieser Darstellungen werden Aussagen zu <strong>der</strong> Situation und den<br />

Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hospizbewegung tätigen professionellen<br />

Pflegekräfte gemacht. Im Vergleich mit <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> Intensivpflegekräfte<br />

werden Unterschiede herausgearbeitet, die wie<strong>der</strong>um<br />

Anhaltspunkte zur Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>in</strong>tensivpflegerischen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung bieten.<br />

Die Gesamtheit <strong>der</strong> Aussagen zusammenfassend kommt es im<br />

ersten Teil des Kapitels sieben zu e<strong>in</strong>er Beantwortung <strong>der</strong> Frage,<br />

wor<strong>in</strong> die Herausfor<strong>der</strong>ung für die Pflegekräfte im Blick auf die Sterbebegleitung<br />

auf <strong>der</strong> Intensivstation besteht. Abschließend werden<br />

auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit dargestellten Aspekte im zweiten<br />

Teil des Kapitels Verän<strong>der</strong>ungsmöglichkeiten und Perspektiven zur<br />

Verbesserung <strong>der</strong> <strong>in</strong>tensivpflegerischen Sterbebegleitung erarbeitet.<br />

Zu <strong>der</strong> <strong>in</strong> dieser Arbeit verwendeten Term<strong>in</strong>ologie ist erläuternd festzustellen,<br />

dass im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er besseren Lesbarkeit jeweils nur e<strong>in</strong><br />

Genus angegeben wird, was ke<strong>in</strong>e Diskrim<strong>in</strong>ierung des jeweils an<strong>der</strong>en<br />

Geschlechtes darstellen soll.


2 Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Intensivpflege<br />

2.1 Def<strong>in</strong>itionen<br />

8<br />

Die Patientenversorgung auf e<strong>in</strong>er Intensivstation ist gekennzeichnet<br />

durch e<strong>in</strong>en über das sonstige Maß weit h<strong>in</strong>ausgehenden mediz<strong>in</strong>ischen<br />

und pflegerischen Aufwand (Larsen 1987:359). „Intensivbehandlung“<br />

wird von Law<strong>in</strong> (1989:15) als „Anwendung aller therapeutischen<br />

Möglichkeiten zum temporären Ersatz gestörter o<strong>der</strong> ausgefallener<br />

vitaler Organfunktionen bei gleichzeitiger Behandlung des<br />

diese Störung verursachenden Grundleidens“ def<strong>in</strong>iert. Die Zielsetzung<br />

e<strong>in</strong>er Intensivbehandlung wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong><br />

lebenswichtigen Organfunktionen gesehen, die e<strong>in</strong>e Behandlung <strong>der</strong><br />

Grun<strong>der</strong>krankung und e<strong>in</strong>e Fortsetzung des Lebens „unter tragbaren<br />

Bed<strong>in</strong>gungen“ (Law<strong>in</strong>1989:15) ermöglicht. So konzentrieren sich die<br />

ärztlichen Bemühungen auf <strong>der</strong> Intensivstation <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf den<br />

Erhalt, die Wie<strong>der</strong>herstellung o<strong>der</strong> den Ersatz lebenswichtiger<br />

Körperfunktionen. Hierbei bedient man sich e<strong>in</strong>er von den Erkenntnissen<br />

<strong>der</strong> Pathophysiologie abgeleiteten gezielten, <strong>in</strong>tensiven<br />

Therapie und dem E<strong>in</strong>satz hochdifferenzierter technischer Geräte.<br />

Der Begriff „Intensivpflege“ umfasst alle pflegerischen Maßnahmen,<br />

die <strong>in</strong> <strong>der</strong> spezifischen Situation <strong>der</strong> Patienten auf <strong>der</strong> Intensivstation<br />

notwendig s<strong>in</strong>d (Larsen1987:15).<br />

2.2 Situation des Intensivpatienten<br />

Die Situation des Intensivpatienten ist gekennzeichnet durch e<strong>in</strong>e<br />

schwere o<strong>der</strong> sogar akut lebensbedrohliche Erkrankung. Der Patient<br />

bef<strong>in</strong>det sich somit objektiv <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er „Extremsituation, die e<strong>in</strong><br />

beson<strong>der</strong>es Abwehr– o<strong>der</strong> Anpassungsverhalten erfor<strong>der</strong>t“ (Larsen<br />

1987: 365) Dabei s<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e persönliche Freiheit und Individualität<br />

durch den Aufenthalt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er fremden, häufig als bedrohlich<br />

empfundenen Umgebung e<strong>in</strong>geschränkt und die Kontakte zu se<strong>in</strong>em<br />

vertrauten sozialen Umfeld weitestgehend unterbrochen. Infolge <strong>der</strong><br />

Erkrankung und <strong>der</strong> häufig unangenehmen, schmerzhaften Therapie<br />

kommt es zu E<strong>in</strong>schränkung <strong>der</strong> Bewegungsfähigkeit bzw. -möglich-


9<br />

keit. Oft s<strong>in</strong>d auch die Möglichkeiten vor allem <strong>der</strong> verbalen<br />

Kommunikation e<strong>in</strong>geschränkt. Die Folge ist e<strong>in</strong>e weitreichende<br />

Abhängigkeit von Pflegepersonal und Ärzten.<br />

Die Intensivbehandlung betreffend werden folgende Faktoren als<br />

beson<strong>der</strong>s belastend für die Patienten angesehen: hoher E<strong>in</strong>satz<br />

technischer Geräte, Unruhe, Lärm und Hektik, fehlen<strong>der</strong> Tag-Nacht-<br />

Rhythmus, fehlende Intimsphäre, Reizarmut o<strong>der</strong> Überstimulierung,<br />

Häufigkeit von Pflege– und Überwachungsmaßnahmen, Verlust <strong>der</strong><br />

Kontrolle von Blase und Darm, Miterleben des Sterbens von<br />

Mitpatienten (Larsen 1987: 365).<br />

Sicher können sich letztlich alle Maßnahmen <strong>der</strong> Intensivbehandlung<br />

potentiell belastend auswirken und <strong>in</strong> ihrer Folge psychische Störungen<br />

bei den Patienten auslösen. Untersuchungen bezüglich <strong>der</strong><br />

Belastungen von Intensivpatienten haben jedoch, entgegen <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Öffentlichkeit vorherrschenden Annahme, gezeigt, dass viele<br />

Patienten die Intensivbehandlung und die apparative Ausstattung<br />

eher als beruhigend und „Sicherheit vermittelnd“ empf<strong>in</strong>den (vgl.<br />

Larsen 1987: 365; Timm 2000: 17ff.) denn als Belastung.<br />

2.3 Aufgaben des Pflegepersonals<br />

Für die Erfüllung ihrer vielfältigen Aufgaben auf <strong>der</strong> Intensivstation<br />

werden von den Pflegepersonen beson<strong>der</strong>e E<strong>in</strong>satzbereitschaft,<br />

fachliche Kompetenz sowie große physische und psychische<br />

Belastbarkeit erwartet (Timm 2000:18). Die wichtigsten Aufgabenbereiche<br />

s<strong>in</strong>d die sach- und fachkundige, umfassende und geplante<br />

Pflege, die Mitwirkung an <strong>der</strong> Therapie <strong>in</strong> Form von Assistenz bei<br />

diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, sowie die<br />

kont<strong>in</strong>uierliche Beobachtung und Überwachung des Intensivpatienten.<br />

Hierzu s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e regelmäßige Erhebung und Dokumentation<br />

unterschiedlicher Parameter zu gewährleisten (Reeh 2002: 8).<br />

Weiterh<strong>in</strong> fällt die Gerätewartung, -überwachung und -bedienung und<br />

<strong>der</strong> sachgerechte Umgang mit Materialien, wie Instrumenten,<br />

Produkten, Hilfs- und Arzneimitteln <strong>in</strong> den pflegerischen Aufgabenbereich.<br />

In Notfallsituationen ist kompetentes und schnelles Handeln im


10<br />

Rahmen <strong>der</strong> kardiopulmonalen Wie<strong>der</strong>belebung vonnöten (vgl. Timm<br />

2000). H<strong>in</strong>zu kommen organisatorische und adm<strong>in</strong>istrative Aufgaben<br />

zur Gewährleistung des Stationsablaufes. Da im Bereich <strong>der</strong><br />

Intensivbehandlung pflegerische und ärztliche Tätigkeiten zwangsläufig<br />

überlappen, werden von den Pflegenden oft zusätzlich Arbeiten<br />

aus dem ärztlichen Bereich, wie <strong>in</strong>travenöse Injektionen o<strong>der</strong><br />

Verän<strong>der</strong>ungen von Gerätee<strong>in</strong>stellungen, übernommen. Die vielfachen<br />

Wechselbeziehungen und Abhängigkeiten des pflegerischen<br />

und ärztlichen Personals <strong>der</strong> Intensivstation führen idealer weise zu<br />

e<strong>in</strong>er partnerschaftlichen Zusammenarbeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e strikte<br />

Aufgabentrennung nicht nötig ist. Deshalb wird <strong>in</strong> Beschreibungen<br />

und Darstellungen <strong>der</strong> <strong>in</strong>tensivtherapeutischen Arbeit häufig von<br />

e<strong>in</strong>em Behandlungsteam gesprochen.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs ist die Pflegeperson aufgrund ihrer Aufgaben und nahezu<br />

ständigen Präsenz am Patientenbett die zentrale Bezugsperson des<br />

Patienten und nimmt daher aus psychologischer Sicht e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Intensivbehandlung e<strong>in</strong> (Larsen 1987: 370). So fällt die<br />

psychosoziale Betreuung des Intensivpatienten, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>tensivmediz<strong>in</strong>ischen<br />

Literatur immer wie<strong>der</strong> große Bedeutung zugemessen<br />

wird (vgl. Larsen 1987, Law<strong>in</strong> 1989), mit ihren hohen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

an kommunikative und emotionale Kompetenzen hauptsächlich den<br />

Pflegenden zu.<br />

Als weitere <strong>in</strong>tensivpflegerische Aufgaben werden die Angehörigenarbeit,<br />

Zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en Professionen, Anleitung von<br />

Mitarbeitern sowie die eigene Fortbildung ausgewiesen (vgl. Allgeier<br />

1999:7)<br />

2.4 Personalbedarf<br />

Bei <strong>der</strong> Vielfältigkeit <strong>der</strong> Aufgaben wird deutlich, dass e<strong>in</strong>e effektive<br />

Intensivbehandlung nur bei e<strong>in</strong>er angemessenen Besetzung <strong>der</strong><br />

Intensivstation mit qualifiziertem Personal geleistet werden kann.<br />

Die Anzahl <strong>der</strong> Pflegekräfte pro Intensivbett wurde <strong>in</strong> den<br />

vergangenen Jahren krankenhausspezifisch mit den Kostenträgern<br />

ausgehandelt und <strong>in</strong>dividuell festgelegt. Da es hierbei faktisch nicht


11<br />

um die Anzahl von Stellen geht, son<strong>der</strong>n um das Gesamtbudget des<br />

Krankenhauses, liegt die Personalbesetzung, sowohl bezüglich <strong>der</strong><br />

Anzahl als auch <strong>der</strong> Qualifikation <strong>der</strong> Mitarbeiter, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entscheidung<br />

des Krankenhausdirektoriums und kann daher <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen<br />

Krankenhäusern recht unterschiedlich ausfallen. Um e<strong>in</strong>e ungefähre<br />

Vorstellung zu vermitteln, seien hier Anhaltszahlen <strong>der</strong> deutschen<br />

Krankenhausgesellschaft (<strong>in</strong>: Allgeier 1999:12) genannt:<br />

Intensivüberwachung<br />

1 Pflegekraft für 1,68-0,88 Betten<br />

Intensivbehandlung<br />

1 Pflegekraft für 0,59-0,43 Betten<br />

bei > 20% Beatmungspatienten 3 Pflegekräfte pro Bett<br />

bei > 50 % Beatmungspatienten 4 Pflegekräfte pro Bett<br />

Bei <strong>der</strong> Berechnung ist <strong>der</strong> Jahresdurchschnitt <strong>der</strong> belegten Betten<br />

maßgeblich.<br />

Für das ärztliche Personal werden als Richtwert 1 Stationsarzt für 2-3<br />

Intensivpatienten angegeben (Larsen 1987: 361).<br />

Angesichts <strong>der</strong> Tatsache, dass über die Personalbesetzung sowohl<br />

zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern als auch zwischen<br />

Krankenkassen und Krankenhausvertretern immer wie<strong>der</strong> kontrovers<br />

diskutiert wird, ist zu bemerken, dass sich Rationalisierungsbestrebungen<br />

<strong>der</strong> Krankenhäuser häufig hauptsächlich auf den Aspekt des<br />

Arbeitskräftee<strong>in</strong>satzes konzentrieren (vgl. Nean<strong>der</strong> 2004:1).<br />

Neben Pflegekräften und Ärzten können Mitarbeiter an<strong>der</strong>er Professionen<br />

im Fachbereich <strong>der</strong> Intensivbehandlung tätig se<strong>in</strong>, z.B.:<br />

• Mitarbeiter im Stationssekretariat<br />

• Physiotherapeuten<br />

• Psychologen, Sozialarbeiter, Seelsorger<br />

• Personal für Re<strong>in</strong>igung und Versorgung<br />

• Techniker<br />

• Hygienefachkräfte


12<br />

2.5 Pflegerische Organisation<br />

Um den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Intensivpflege gerecht zu werden, ist e<strong>in</strong>e<br />

spezielle Ausbildung des Pflegepersonals erfor<strong>der</strong>lich. Diese Qualifizierung<br />

zur Fachpflegekraft für Intensivpflege und Anästhesie erfolgt<br />

zurzeit <strong>in</strong> den meisten Bundeslän<strong>der</strong>n als zweijährige berufsbegleitende<br />

Weiterbildung (Larsen 1987:362). Im Idealfall s<strong>in</strong>d alle Mitarbeiter<br />

e<strong>in</strong>er Intensivstation ausgebildete Fachpflegekräfte.<br />

Die Organisation <strong>der</strong> Intensivpflege erfolgt <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zel– o<strong>der</strong> Gruppenpflege,<br />

wobei e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zelne Pflegekraft für die Betreuung e<strong>in</strong>es<br />

Patienten bzw. e<strong>in</strong>er Gruppe von Patienten (2 - 3) zuständig ist.<br />

Angestrebt <strong>in</strong> dieser Versorgungsform ist die Bezugspflege, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die<br />

Pflegeperson über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum kont<strong>in</strong>uierlich denselben<br />

Patienten betreut, um die Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensivere,<br />

vertrauensvolle Beziehung zwischen Pflegeperson und Patient zu<br />

schaffen. Beson<strong>der</strong>e Beachtung verlangt die E<strong>in</strong>teilung bzw. Zuordnung<br />

<strong>der</strong> Pflegekräfte zu den jeweiligen Patienten. Hierbei s<strong>in</strong>d<br />

Wissensstand, Belastungsfähigkeit und Persönlichkeit <strong>der</strong> Pflegenden<br />

zu berücksichtigen (vgl. Allgeier 1999: 6).<br />

Die pflegerische Arbeit wird im Schichtdienst geleistet, <strong>der</strong> sich<br />

unterteilt <strong>in</strong> Früh–, Spät– und Nachtdienst mit entsprechenden<br />

zwischengeschalteten Ruhezeiten. Auf <strong>der</strong> Intensivstation ist die<br />

zahlenmäßige Besetzung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Schichten <strong>in</strong> den meisten<br />

Fällen gleich (vgl. Law<strong>in</strong> 1989).<br />

2.6 Zusammenarbeit von Pflegepersonal und Ärzten<br />

Durch die beson<strong>der</strong>en Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Arbeitssituation auf <strong>der</strong><br />

Intensivstation kommt <strong>der</strong> Zusammenarbeit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Berufsgruppen<br />

dort e<strong>in</strong>e große Bedeutung zu. Insbeson<strong>der</strong>e die Kooperation<br />

von Ärzten und Pflegepersonal als so genannten<br />

„Hauptakteuren“ ist hierbei zu betrachten. So wird <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Intensivtherapie die Durchführung <strong>der</strong> eigentlichen Therapie stärker<br />

als <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Diszipl<strong>in</strong>en auf die Ebene <strong>der</strong> Pflegefachkraft<br />

verlagert, wobei <strong>der</strong> Arzt hauptsächlich anordnend tätig ist. Nach<br />

Laubach (1986: 160ff.) wird <strong>in</strong>tensivmediz<strong>in</strong>isches Handeln von


13<br />

Aufgabenverteilungen und Kompetenzüberschreitungen, die von<br />

Pflegepersonal und den jeweiligen Ärzten <strong>in</strong> längeren Prozeduren<br />

aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abgestimmt werden müssen, bestimmt. E<strong>in</strong>e<br />

komplikationslose Zusammenarbeit erfor<strong>der</strong>t somit unter an<strong>der</strong>em<br />

e<strong>in</strong>e längere <strong>in</strong>tensivmediz<strong>in</strong>ische Tätigkeit von ärztlicher Seite und<br />

e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Regelung ärztlicher Zuständigkeiten, die dann <strong>in</strong><br />

bestimmten Bereichen an die Pflegekräfte abgegeben werden<br />

können. Unterschiedliche ärztliche Funktionsverteilungen und<br />

Probleme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Abstimmung <strong>der</strong> ärztlichen Therapie wirken sich<br />

demzufolge auch auf die Aufgabenverteilung und Handlungsvollzüge<br />

des pflegerischen Bereiches aus (Dorfmüller 2004:4).<br />

Trotz dieser <strong>in</strong> weiten Teilen überlappenden Zusammenarbeit kann<br />

nicht von Hierarchiefreiheit im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen, kompetenten<br />

und spezialisierten Behandlungsteams gesprochen werden. Nach<br />

Laubach (1988 <strong>in</strong>: Dorfmüller 2004:6) gelten auch auf <strong>der</strong> Intensivstation<br />

nach wie vor die Regeln <strong>der</strong> rollenspezifischen Ausbildung<br />

und Funktionsverteilung. „Sowohl die <strong>in</strong>tensivmediz<strong>in</strong>ischen Zielsetzungen<br />

als auch die aus ihnen abgeleiteten typisierten Handlungsmuster<br />

be<strong>in</strong>halten die Hierarchie mediz<strong>in</strong>ischer Kompetenz über die<br />

pflegerischen Funktionen wie im übrigen kl<strong>in</strong>isch-praktischen auch<br />

über spezifisch-pflegerische Kompetenzen.“(Laubach und Mitarb. zit.<br />

<strong>in</strong>: Dorfmüller 2004:7)<br />

Blickhardt (1989 <strong>in</strong> Dorfmüller 2004:6) sieht unter an<strong>der</strong>en Konfliktansätzen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zusammenarbeit eben diese Hierarchie, die trotz hoher<br />

fachlicher, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e psychosozialer Kompetenzen dem Pflegepersonal<br />

nur mangelhafte Mitsprachemöglichkeit gewähre. Für alle<br />

Berufsgruppen bedeutsam seien demgegenüber die Probleme <strong>der</strong><br />

Konkurrenz und Kompetenzunsicherheiten zu nennen.<br />

Zu berücksichtigen ist, dass sich alle wesentlichen Stressoren physischer,<br />

emotionaler o<strong>der</strong> organisatorischer Art auf das Arbeitsklima<br />

bzw. die Kooperation <strong>der</strong> Berufsgruppen auswirken.


14<br />

3 Sterbebegleitung auf <strong>der</strong> Intensivstation – e<strong>in</strong>e<br />

Situationsbeschreibung<br />

3.1 Begriffsdef<strong>in</strong>itionen<br />

Vorausschickend soll das dieser Arbeit zugrunde liegende Verständnis<br />

des Begriffes „Sterbebegleitung“ näher bestimmt werden. Mit<br />

„Sterbebegleitung“ ist Hilfe und Beistand im Sterbeprozess und<br />

darüber h<strong>in</strong>aus geme<strong>in</strong>t, sowohl für den Sterbenden selbst als auch<br />

für se<strong>in</strong>e Angehörigen (Timm 2000:15). So haben sich nach Zwierle<strong>in</strong><br />

(2004:19) alle diesbezüglichen Bemühungen an <strong>der</strong> akzeptierten<br />

Selbstbestimmung und daraus resultierenden Selbstverwirklichung<br />

des Menschen zu orientieren. „Solange es irgendwie möglich ist,<br />

sollte das Gespräch mit dem Sterbenden gesucht werden, um zu<br />

erfahren, was aus se<strong>in</strong>er Sicht verän<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> verbessert werden<br />

sollte, welche Begleitung gewünscht und wie was geregelt werden<br />

soll. Wenn ke<strong>in</strong>e klare mündliche Mitteilung und auch ke<strong>in</strong>e<br />

Patientenverfügung o<strong>der</strong> etwas Vergleichbares vorliegen, so ist <strong>der</strong><br />

mutmaßliche Wille des Sterbenden aus all se<strong>in</strong>en Lebensäußerungen<br />

und <strong>der</strong> Gesamtsituation unter Beiziehung möglichst an<strong>der</strong>er<br />

maßgeblicher Quellen wie Freunde, Angehörige, gesetzlich<br />

bestimmte Vertreter usw. zu ermitteln.“ (Zwierle<strong>in</strong> 2004:19) Auf <strong>der</strong><br />

Grundlage dieses Verständnisses ist im Rahmen <strong>der</strong> Begleitung <strong>der</strong><br />

jeweilige Lebensrhythmus des Sterbenden zu beachten, so dass<br />

se<strong>in</strong>e Bedürfnisse körperlicher, seelischer, sozialer, geistiger o<strong>der</strong><br />

spiritueller Art wahrgenommen und befriedigt werden (vgl. Zwierle<strong>in</strong><br />

2004:20). Zur Def<strong>in</strong>ition des Begriffes „Begleitung“ zieht Sporken<br />

(1992:12) e<strong>in</strong>en Vergleich zur Musik heran, bei <strong>der</strong> das begleitende<br />

Instrument sich an <strong>der</strong> Vorgabe des tonangebenden Instrumentes<br />

orientiert und hierzu ergänzend die zweite Partie spielt. Dieser<br />

Vergleich impliziert Offenheit, Wachsamkeit, gebotene Zurückhaltung<br />

und die „Fähigkeit, das Instrument zu spielen“(Sporken 1992:12) als<br />

Haltung und Voraussetzung des Begleiters.<br />

Da die Begleitung des Sterbenden unmittelbar mit <strong>der</strong> Begleitung <strong>der</strong><br />

Angehörigen verknüpft ist, sollen <strong>in</strong> dieser Arbeit beide Aspekte <strong>in</strong><br />

dem Begriff <strong>der</strong> Sterbebegleitung gefasst se<strong>in</strong>.


15<br />

Unter Angehörigen werden hierbei nicht nur Personen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

verwandtschaftlichen Verhältnis zu dem Patienten stehen, verstanden,<br />

son<strong>der</strong>n „... jene direkten Bezugspersonen, die dem Patienten<br />

am nächsten stehen, ihm freundschaftlich helfend beistehen können<br />

und zu denen <strong>der</strong> Patient das tiefste persönliche Verhältnis hat.“<br />

(Herzig 1978 zit. <strong>in</strong>: Timm 2000:22)<br />

3.2 Aspekte <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

Grundlegend bedeutsam für die Frage, wie Sterbebegleitung unter<br />

den Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er Intensivstation stattf<strong>in</strong>det, ist die Kenntnis <strong>der</strong><br />

beson<strong>der</strong>en, durch Bed<strong>in</strong>gungen und Zielsetzung geprägten „Kultur“<br />

e<strong>in</strong>er Intensivstation, und <strong>der</strong> dar<strong>in</strong> implizit enthaltenen E<strong>in</strong>stellung zu<br />

Tod und Sterben.<br />

Intensivstationen s<strong>in</strong>d meist abgeschlossene E<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong>nerhalb des<br />

Krankenhauses, die räumlich getrennt von den an<strong>der</strong>en Stationen<br />

liegen. Es wird mit Hilfe vieler nur <strong>in</strong>tern verständlicher Begrifflichkeiten<br />

kommuniziert und sich e<strong>in</strong>er Vielzahl spezifischer Rituale, von<br />

hygienischen Bestimmungen über Pflegemethoden bis zur Versorgung<br />

Verstorbener bedient. Steppe (1992: 595) beschreibt e<strong>in</strong> sich<br />

aufgrund <strong>der</strong> ihr zugeschriebenen Bedeutung und des speziellen<br />

Sett<strong>in</strong>gs <strong>der</strong> Intensivstation entwickelndes ausgeprägtes „Elitebewusstse<strong>in</strong>“<br />

des dort tätigen Pflegepersonals. Gleichzeitig besteht e<strong>in</strong>e<br />

große Distanz zu den an<strong>der</strong>en Bereichen des Krankenhauses, die<br />

häufig e<strong>in</strong>er Isolation gleichkommt. Dabei wird die Gruppe <strong>der</strong> auf <strong>der</strong><br />

Intensivstation Tätigen durch die vorrangige geme<strong>in</strong>same Zielsetzung<br />

<strong>der</strong> Bekämpfung, bzw. nach Schors (1979:357) zugespitzt formuliert,<br />

<strong>der</strong> Abschaffung des Todes gee<strong>in</strong>t.<br />

Intention <strong>der</strong> Intensivbehandlung e<strong>in</strong>es Patienten ist demzufolge, se<strong>in</strong><br />

Leben oftmals unter E<strong>in</strong>satz aller verfügbaren mediz<strong>in</strong>ischen und<br />

technischen Mittel zu erhalten. Dieser Umstand hat <strong>der</strong> Intensivstation<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit den weit verbreiteten Ruf <strong>der</strong> „seelenlosen<br />

Apparatemediz<strong>in</strong>“ e<strong>in</strong>gebracht. Ungeachtet <strong>der</strong> Wertung dieser<br />

Annahme werden die Probleme <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Mediz<strong>in</strong> und Pflege im<br />

Spannungsfeld zwischen diagnostischen und therapeutischen


16<br />

Möglichkeiten und daraus resultierenden ethischen Fragen auf <strong>der</strong><br />

Intensivstation beson<strong>der</strong>s offensichtlich und anschaulich (vgl. Timm<br />

2000:18).<br />

So hat sich durch die mediz<strong>in</strong>ischen Möglichkeiten e<strong>in</strong>er Intensivstation,<br />

wie <strong>der</strong> Ersatz ausgefallener Organfunktionen durch technische<br />

Geräte und <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz hochpotenter Medikamente, nach Pankn<strong>in</strong><br />

und Leischker (2003:698) das Verständnis vom Tod generell, aber<br />

vor allem bei Ärzten und Pflegepersonal, weitgehend verän<strong>der</strong>t. Der<br />

Tod ersche<strong>in</strong>t eher als Versagen <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Technik und<br />

Behandlung denn als letzter Lebensabschnitt. Zum<strong>in</strong>dest <strong>der</strong> Zeitpunkt<br />

des Todes wird unter E<strong>in</strong>satz von viel Energie als abwendbar<br />

und verän<strong>der</strong>bar erlebt und angesehen (vgl. Steppe 1992:599). Diese<br />

E<strong>in</strong>stellung steht offensichtlich im Wi<strong>der</strong>spruch zu den im Vorh<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

geschil<strong>der</strong>ten Vorstellungen e<strong>in</strong>er Sterbebegleitung, die das Zulassen<br />

von Sterben und die Akzeptanz des Todes ermöglichen.<br />

Verstärkt wird diese Haltung bei den behandelnden Ärzten durch<br />

juristische Unsicherheiten. Die Frage nach strafrechtlich relevantem<br />

Verhalten z.B. <strong>in</strong> Bezug auf Beendigung <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Therapie<br />

o<strong>der</strong> des Gerätee<strong>in</strong>satzes bei nicht entscheidungsfähigen Patienten<br />

ist e<strong>in</strong>zelfallabhängig und häufig nicht e<strong>in</strong>fach zu klären.


17<br />

Vere<strong>in</strong>fachte 2 Darstellung <strong>der</strong> rechtlichen Fakten zur<br />

Sterbebegleitung<br />

Verzicht bzw. Abbruch e<strong>in</strong>er bereits begonnenen Behandlung (z.B.<br />

Abstellen e<strong>in</strong>er Beatmungsmasch<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> Verzicht auf künstliche<br />

Ernährung)<br />

im Sterbeprozess nicht im Sterbeprozess<br />

zulässig zulässig<br />

mit Zustimmung ohne Zustimmung<br />

(Patientenautonomie)<br />

unzulässig, ggf.<br />

strafbares<br />

Tötungsdelikt:<br />

Totschlag (§ 212<br />

StGB) bzw. Mord<br />

(§211 StGB)<br />

2004 wurden allerd<strong>in</strong>gs von <strong>der</strong> Bundesärztekammer Grundsätze zur<br />

ärztlichen Sterbebegleitung veröffentlicht, die den Ärzten als<br />

Richtl<strong>in</strong>ie bei <strong>der</strong> Entscheidungsf<strong>in</strong>dung dienen sollen (vgl.<br />

Bundesärztekammer 2005). Der beschriebene kurative Ansatz <strong>der</strong><br />

Intensivstationen und juristische Unsicherheiten tragen grundlegend<br />

dazu bei, dass das Sterben e<strong>in</strong>es Patienten von den<br />

Intensivmitarbeitern häufig als Versagen erlebt und von<br />

Schuldgefühlen begleitet wird (Schors 1979:356). In diesem Kontext<br />

s<strong>in</strong>d verschiedene frühe Untersuchungen und Beobachtungen zu<br />

nennen, die e<strong>in</strong>e wahrnehmbare Abwendung und weitgehende<br />

Ignoranz <strong>der</strong> Ärzte und auch des Pflegepersonals gegenüber<br />

Patienten, ab dem Zeitpunkt, an dem <strong>der</strong>en Sterbeprozess als<br />

unabwendbar e<strong>in</strong>gestuft wird, beschreiben (vgl. Glaser, Strauss 1965/<br />

Schors 1979:351). Auf Erklärungsansätze dieser Phänomene wird <strong>in</strong><br />

Kapitel 4.2 näher e<strong>in</strong>gegangen.<br />

2 Verkompliziert werden die beschriebenen Entscheidungsabläufe durch<br />

Fragen wie z.B. <strong>der</strong> rechtlichen Relevanz von Patientenverfügungen,<br />

Def<strong>in</strong>ition des Sterbeprozesses (Grafik nach Hospiz-Gruppe „Albatros“<br />

Augsburg e.V.).


18<br />

Unter Berücksichtigung dieser grundsätzlichen Haltung, die sich aus<br />

<strong>der</strong> ursprünglichen Intention <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung von Intensivstationen<br />

ergibt und vielfach bis heute unreflektiert erhalten ist, sollen im<br />

folgenden detailliertere Betrachtungen von E<strong>in</strong>zelaspekten <strong>der</strong><br />

Betreuung Sterben<strong>der</strong> erfolgen.<br />

3.2.1 Patienten und Angehörige<br />

Auch Hilde Steppe (1992:597), die selbst lange als Kranken -<br />

schwester <strong>in</strong> <strong>der</strong> Intensivpflege tätig war, beschreibt die Seltenheit<br />

des „erwarteten und akzeptierten Todes“ auf <strong>der</strong> Intensivstation. Sie<br />

problematisiert <strong>in</strong> diesem Zusammenhang zum e<strong>in</strong>en die häufig<br />

kurzen Liegezeiten <strong>der</strong> Patienten auf <strong>der</strong> Intensivstation, die e<strong>in</strong>en<br />

Beziehungsaufbau erschweren. Außerdem s<strong>in</strong>d die sterbenden<br />

Patienten auf <strong>der</strong> Intensivstation häufig <strong>in</strong> ihrer Wahrnehmung bee<strong>in</strong>trächtigt,<br />

wenn auch <strong>in</strong> unterschiedlicher Form (vgl. Salomon 2004).<br />

Die Skala reicht vom komatösen o<strong>der</strong> tief sedierten bis zum wachen<br />

Patienten. Die Wahrnehmungsbee<strong>in</strong>trächtigung erschwert bzw.<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t <strong>in</strong> vielen Fällen zum<strong>in</strong>dest die verbale Kommunikation. So<br />

können mögliche Wünsche und Bedürfnisse des Patienten häufig nur<br />

erahnt o<strong>der</strong> über den Kontakt zu den Angehörigen erforscht werden.<br />

Allgeme<strong>in</strong> ist festzustellen, dass sowohl Patienten als auch Angehörige<br />

auf ihre teilweise extreme physische und psychosoziale Situation<br />

mit zahlreichen Formen von <strong>in</strong>dividuellen Bewältigungsmustern<br />

antworten, aufgrund <strong>der</strong>er sie Verhaltensweisen zeigen können, die<br />

für an<strong>der</strong>e schwer verständlich bzw. nicht nachvollziehbar s<strong>in</strong>d<br />

(Dorfmüller 2004:3). Als Beispiel sollen die so genannten<br />

„Sterbephasen“ nach Kübler–Ross (1996) herangezogen werden,<br />

obwohl sie sich nur auf e<strong>in</strong>en längerfristigen Sterbeprozess beziehen<br />

und die Psychodynamik, vor allem bei Angehörigen e<strong>in</strong>es plötzlich<br />

versterbenden Patienten, nicht erfassen. Demnach durchlaufen e<strong>in</strong><br />

Sterben<strong>der</strong> und zeitversetzt auch se<strong>in</strong>e Angehörigen mehrere psychische<br />

Phasen <strong>der</strong> Bewältigung, die sich <strong>in</strong> Verleugnung, Zorn,<br />

Aggression o<strong>der</strong> Depression äußern können. Diese Bewältigungsstrategien<br />

als solche zu erkennen, vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abzugrenzen und


19<br />

adäquat auf sie e<strong>in</strong>zugehen, ist schwierig und bedarf e<strong>in</strong>er fundierten<br />

psychologischen Schulung (Dorfmüller2004:3).<br />

E<strong>in</strong>er Befragung am Universitätskl<strong>in</strong>ikum München entnommene<br />

Aussagen von Angehörigen über ihr Erleben <strong>der</strong> Intensivstation,<br />

zeigen, dass Informationen und E<strong>in</strong>drücke sehr unterschiedlich<br />

empfunden wurden. Das Alter des Patienten, die Art <strong>der</strong> B<strong>in</strong>dung an<br />

ihn, evtl. eigene Krankheiten und Störungen zeitigen verschiedene<br />

Empf<strong>in</strong>dungen und Reaktionen (vgl. Kerkmann 1997). Unterschiede<br />

ergeben sich auch durch die Art <strong>der</strong> Erkrankung des Patienten und<br />

die Möglichkeit <strong>der</strong> Vorbereitung auf das Geschehen im Gegensatz<br />

zu e<strong>in</strong>em überraschenden Akutereignis (vgl. Dorfmüller 2004). Nach<br />

Kerkmann (1997) s<strong>in</strong>d wichtige Aspekte zur Situationsbewältigung die<br />

regelmäßige, offene, verständliche, e<strong>in</strong>fühlsame und ehrliche<br />

Information über den Zustand des Patienten. Die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong><br />

Angehörigen <strong>in</strong> die pflegerische Versorgung wurde positiv bewertet,<br />

demgegenüber wurde es als angsterzeugend erlebt, wenn<br />

Angehörige ohne Angabe von Gründen herausgeschickt wurden.<br />

In e<strong>in</strong>er Untersuchung von Hermanns (1989 <strong>in</strong>: Timm 2000:26), bei<br />

<strong>der</strong> Sterben und Tod auf e<strong>in</strong>er operativen Intensivstation aus Sicht<br />

<strong>der</strong> Angehörigen beurteilt werden sollte, wurde die mangelnde<br />

Aufklärung vor <strong>der</strong> Konfrontation mit <strong>der</strong> Intensivbehandlung beklagt.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs fühlten sich 90% <strong>der</strong> Befragten mit ihren Fragen und<br />

Sorgen von den Pflegekräften und Ärzten ernst genommen. 66,7%<br />

empfanden den Tod auf <strong>der</strong> Intensivstation als nicht würdevoll. 52,7%<br />

wünschten dementsprechend niemandem, auf diese Weise zu<br />

sterben und 57,1% befürchteten, dass ihre Angehörigen sehr e<strong>in</strong>sam<br />

gestorben s<strong>in</strong>d. Obwohl sich 62,1% retrospektiv gewünscht hätten,<br />

beim Sterben anwesend gewesen zu se<strong>in</strong>, starben nur 14% <strong>der</strong><br />

Patienten <strong>in</strong> Anwesenheit ihrer Angehörigen. Die Gründe für diese<br />

niedrige Zahl werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Untersuchung nicht erläutert. Das<br />

Verhältnis zu den und die Informationsvermittlung durch die betreuenden<br />

Personen wurde allgeme<strong>in</strong> positiv e<strong>in</strong>geschätzt, gleichwohl<br />

viele Angehörige sich e<strong>in</strong>en weitergehenden Austausch mit diesen<br />

über das Erlebte wünschten.


20<br />

Die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur immer wie<strong>der</strong> erhobene For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

<strong>der</strong> Angehörigen <strong>in</strong> den Pflegeprozess hat sich bisher <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis<br />

vor allem <strong>in</strong> den Krankenhäusern nicht durchgesetzt. Tatsächlich<br />

kann durch die Anwesenheit <strong>der</strong> Angehörigen nicht nur das subjektive<br />

Empf<strong>in</strong>den <strong>der</strong> Patienten verbessert werden, die Angehörigen<br />

werden durch die Integration von ihrer Hilflosigkeit befreit und <strong>in</strong> die<br />

Lage versetzt, etwas für die nahe stehende Person zu tun. Dieser<br />

Umstand erleichtert nicht nur die akute Bewältigung <strong>der</strong> Situation,<br />

son<strong>der</strong>n auch die spätere Trauerarbeit (vgl. Walle 2004).<br />

E<strong>in</strong>e Umfrage von Hülsken und Oymanns (1996), die sich an Pflegepersonal<br />

und Angehörige von 140 nordrhe<strong>in</strong>-westfälischen Intensivstationen<br />

richtete, zeigt, dass die Mehrheit <strong>der</strong> befragten Angehörigen<br />

e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>beziehung <strong>in</strong> die Pflege begrüßen würde und sie als emotionale<br />

Entlastung empfände. Demgegenüber wurde festgestellt, dass<br />

auf nahezu ke<strong>in</strong>er <strong>der</strong> untersuchten Intensivstationen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

herrschten, die e<strong>in</strong>e Integration <strong>der</strong> Angehörigen <strong>in</strong> dem gewünschten<br />

Maß zuließen. Hierbei wurden sowohl die organisatorischen<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen als auch die mangelnde Ausbildung und<br />

Schulung <strong>der</strong> Pflegepersonen im Umgang mit Angehörigen<br />

problematisiert.<br />

Die Begleitung <strong>der</strong> Angehörigen durch die Pflegeperson endet <strong>in</strong> den<br />

meisten Krankenhäusern mit <strong>der</strong> Verabschiedung <strong>der</strong> Angehörigen<br />

von dem Verstorbenen auf <strong>der</strong> Intensivstation bzw. im Aufbahrungsraum,<br />

direkt bis wenige Stunden nach E<strong>in</strong>tritt des Todes. E<strong>in</strong>e<br />

Evaluationsstudie <strong>der</strong> Aufbahrungspraxis und pflegerischen Aufbahrungsarbeit<br />

im Geme<strong>in</strong>schaftskrankenhaus Herdecke (Plenter/<br />

Uhlmann2000) kommt zu dem Ergebnis, dass durch die längerfristige<br />

Aufbahrung und Möglichkeit zur Verabschiedung von Verstorbenen<br />

die Bewältigung von Tod und Trauer im Krankenhaus sowohl bei den<br />

Angehörigen als auch bei den beteiligten Mitarbeitern geför<strong>der</strong>t wird.<br />

Grundlegende Elemente <strong>der</strong> Aufbahrungspraxis s<strong>in</strong>d die <strong>in</strong>dividuelle<br />

Unterstützung <strong>der</strong> Angehörigen durch die Pflegenden und die<br />

angemessenen räumlichen Bed<strong>in</strong>gungen, auf die im Rahmen <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>stitutionellen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen noch e<strong>in</strong>gegangen wird. Die<br />

Aufbahrungspraxis im Krankenhaus Herdecke zeichnet sich durch die


21<br />

Möglichkeit <strong>der</strong> Aufbahrung <strong>der</strong> Verstorbenen im Zeitraum vom E<strong>in</strong>-<br />

tritt des Todes bis zur Abholung durch den Bestatter aus. In dieser<br />

Zeit können die Angehörigen nach ihren Vorstellungen und persönli-<br />

chen Gestaltungswünschen von dem Verstorbenen Abschied<br />

nehmen und werden hierbei je nach Wunsch von <strong>der</strong> betreuenden<br />

Pflegeperson begleitet und beraten. Die Befragung <strong>der</strong> Angehörigen<br />

machte deutlich, dass durch die beschriebene Praxis die Realisierung<br />

des Todes des vertrauten Menschen unterstützt und das Zulassen<br />

schmerzvoller Gefühle erleichtert wurde. Diese Aspekte gelten als<br />

för<strong>der</strong>nd für den Trauerprozess und se<strong>in</strong>e Bewältigung (vgl. Plenter/<br />

Uhlmann 2000).<br />

3.2.2 Institutionelle Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

Beispiel e<strong>in</strong>es Bettenplatzes auf e<strong>in</strong>er Intensivstation<br />

(Quelle s. Bil<strong>der</strong>verzeichnis)<br />

Analysen e<strong>in</strong>zelner Erfahrungsberichte von Pflegekräften (Timm<br />

2004) zeigen, dass die <strong>in</strong>stitutionellen und personellen Umstände,<br />

unter denen e<strong>in</strong>e Sterbebegleitung stattf<strong>in</strong>det, für <strong>der</strong>en


22<br />

Gestaltungsmöglichkeiten e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen. Problematisiert<br />

werden <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die typische, funktionale Gestaltung<br />

<strong>der</strong> Räumlichkeiten e<strong>in</strong>er Intensivstation und die dadurch häufig<br />

fehlende Möglichkeit, e<strong>in</strong>em sterbenden Patienten und se<strong>in</strong>en Angehörigen<br />

e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelzimmer zur Verfügung zu stellen, was die persönlichere<br />

Gestaltung des Umfeldes und Abschirmung des Patienten und<br />

se<strong>in</strong>er Angehörigen von dem stationären Alltagsgeschehen sehr<br />

erschwert.<br />

Der For<strong>der</strong>ung, dass Room<strong>in</strong>g–In für die Angehörigen sterben<strong>der</strong><br />

Patienten möglich se<strong>in</strong> muss (Sitzmann 2001), kann somit wohl nicht<br />

immer Rechnung getragen werden. Ebenso wird auf das häufige<br />

Fehlen geeigneter Räumlichkeiten für Gespräche und pflegerisch–<br />

behandlungsbed<strong>in</strong>gte Wartezeiten <strong>der</strong> Angehörigen h<strong>in</strong>gewiesen.<br />

Um die Freistellung e<strong>in</strong>er Pflegekraft für e<strong>in</strong>e Sterbebegleitung leisten<br />

zu können, ist e<strong>in</strong> ausreichen<strong>der</strong> Personalschlüssel auf <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Station Voraussetzung, <strong>der</strong> nicht realistisch zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t (vgl.<br />

An<strong>der</strong>sen 1987:83). Zeitmangel stellt sich im Bezug auf die<br />

Sterbebegleitung zwar nicht als vorrangiger, aber auch nicht als<br />

unerheblicher Belastungsfaktor für das Pflegepersonal dar, da er <strong>in</strong><br />

Berichten und Befragungen immer wie<strong>der</strong> thematisiert wird (Klockenbusch<br />

1986:47 / Timm 2000:72).<br />

E<strong>in</strong>e Möglichkeit des räumlichen und zeitlichen Rückzuges <strong>der</strong><br />

Pflegekraft vom stationären Arbeitsgeschehen nach e<strong>in</strong>er beendeten<br />

Sterbebegleitung, wie sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur gefor<strong>der</strong>t wird, wird <strong>in</strong> den<br />

Berichten <strong>der</strong> Pflegekräfte nicht erwähnt.<br />

Die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Sterbebegleitung <strong>in</strong> die pflegerische Gesamtkonzeption<br />

des Krankenhauses sowie das Vorhandense<strong>in</strong> von Leitl<strong>in</strong>ien<br />

für pflegerisches Handeln im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung machen<br />

zum e<strong>in</strong>en <strong>der</strong>en Bedeutung und Wertschätzung <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>richtung deutlich und führen zur Reduktion von Unsicherheitsgefühlen<br />

bei den Pflegekräften. Dies bestätigte sich auch im Rahmen<br />

e<strong>in</strong>es Forschungsprojektes zur Praxis <strong>der</strong> Sterbebegleitung <strong>in</strong><br />

Sachsen von 1999. Innerhalb des Projektes wurden <strong>in</strong> allen relevanten<br />

E<strong>in</strong>richtungen Sachsens (Krankenhäuser und Altenpflegeheime)<br />

Erhebungen bezüglich <strong>der</strong> Sterbebegleitung durchgeführt


23<br />

(Kaluza/Töpferwe<strong>in</strong> 2001). Ergebnisse <strong>der</strong> Untersuchung zeigen,<br />

dass „über e<strong>in</strong>e hohe Belastung und Unsicherheit bei dem begleitenden<br />

Pflegepersonal vor allem dann berichtet wird, wenn die Bed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung nur wenig auf die Begleitung Sterben<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>gestellt s<strong>in</strong>d. Dort wo Sterbebegleitung e<strong>in</strong> fester, selbstverständlicher<br />

Bestandteil <strong>der</strong> Pflegetätigkeit ist, geht das Pflegepersonal<br />

souveräner mit den entsprechenden Anfor<strong>der</strong>ungen um.“ (Kaluza/<br />

Töpferwe<strong>in</strong> 2001:588) Auch die <strong>in</strong>stitutionelle Betreuung und Begleitung<br />

<strong>der</strong> Pflegekräfte wirkt sich nach Aussage <strong>der</strong> Untersuchung<br />

deutlich auf die Praxis und das Empf<strong>in</strong>den <strong>der</strong> Pflegekräfte bezüglich<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung aus: „...auffallend ist, dass die Pflegekräfte mit<br />

e<strong>in</strong>em ausreichenden<br />

Bildungs- und Betreuungsangebot die Anfor<strong>der</strong>ungen und Belastungen,<br />

die mit <strong>der</strong> Begleitung Sterben<strong>der</strong> entstehen, sichtlich souveräner<br />

bewältigen“. Das Gefühl, alle<strong>in</strong> gelassen zu se<strong>in</strong> sowie<br />

konflikthafte Beziehungen zu Angehörigen werden bei <strong>der</strong> Gruppe mit<br />

gutem Betreuungsangebot von deutlich weniger Pflegenden<br />

empfunden als bei <strong>der</strong> Gruppe ohne ausreichendes Angebot (Kaluza/<br />

Töpferwe<strong>in</strong> 2001: 589).<br />

Grundlegend wird als Ergebnis des Forschungsprojektes <strong>in</strong> Sachsen<br />

festgestellt, dass mit Ausnahme <strong>der</strong> Fort– und Weiterbildung Maßnahmen<br />

zur Betreuung und Anleitung <strong>der</strong> Pflegekräfte für die Bewältigung<br />

<strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung eher<br />

selten seien. Die vorhandenen Angebote seien überdies nicht immer<br />

geeignet, zur Kompetenzerhöhung <strong>der</strong> Pflegenden beizutragen<br />

(Kaluza/Töpferwe<strong>in</strong> 2001: 589). Lei<strong>der</strong> gibt es ke<strong>in</strong>e repräsentativen<br />

Untersuchungen, die Aussagen über die Quantität und Qualität <strong>der</strong><br />

Betreuung <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sterbebegleitung tätigen Pflegekräfte <strong>in</strong><br />

Krankenhäusern bzw. auf Intensivstationen <strong>in</strong> Deutschland zulassen.<br />

Die immer wie<strong>der</strong> erhobene For<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>schlägigen Literatur<br />

nach Betreuung und Begleitung <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sterbebegleitung tätigen<br />

Pflegekräfte lässt jedoch diesbezüglich auf e<strong>in</strong>en Mangel schließen<br />

(vgl. Sitzmann 2001, Kerkmann 1997, Dorfmüller 2004).


24<br />

3.2.3 Professionelle Unterstützung und Kooperation<br />

In den vorliegenden analysierten Erfahrungsberichten von Timm<br />

(2000) wird die Unterstützung durch Kollegen als fehlend bzw. nicht<br />

hilfreich empfunden. An<strong>der</strong>erseits wird von Seiten <strong>der</strong> begleitenden<br />

Pflegekräfte nicht deutlich Hilfe und Unterstützung von den Kollegen<br />

e<strong>in</strong>gefor<strong>der</strong>t. Es werden überdies Diskrepanzen bezüglich <strong>der</strong><br />

Vorstellungen von Sterbebegleitung zwischen den verschiedenen<br />

Pflegepersonen deutlich (Timm 2000:85).<br />

Ebenso zeigen Schil<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Pflegekräfte, dass „die Leistung<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung“ im Kontext <strong>der</strong> stationären Arbeit nicht beson<strong>der</strong>s<br />

geschätzt und anerkannt wird, bzw. zum<strong>in</strong>dest bei den Begleitern<br />

die Annahme besteht, dass es so sei. Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Untersuchung<br />

von Klockenbusch (1986:50) gaben mehr als die Hälfte <strong>der</strong> Befragten<br />

an, dass Gespräche mit Sterbenden von den Kollegen nicht als<br />

„richtige Arbeit“ bewertet würden.<br />

Das Verhalten <strong>der</strong> Ärzte gegenüber den Pflegekräften im Rahmen<br />

analysierter Begleitungen verdeutlicht e<strong>in</strong> häufig unterschiedliches<br />

Verständnis vom Wert und <strong>der</strong> Berechtigung <strong>der</strong> Sterbebegleitung auf<br />

<strong>der</strong> Intensivstation. Die Reaktionen von Seiten <strong>der</strong> Ärzte reichen von<br />

Des<strong>in</strong>teresse über Unverständnis bis zu Anerkennung gegenüber <strong>der</strong><br />

pflegerischen Art <strong>der</strong> Begleitung. In allen Fällen s<strong>in</strong>d die anwesenden<br />

Ärzte an <strong>der</strong> Sterbebegleitung eher unbeteiligt und treten hauptsächlich<br />

bei <strong>der</strong> Erledigung von Formalitäten o<strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischer<br />

Begutachtung <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung. Therapeutische Handlungen bzw.<br />

Visiten werden von den Pflegekräften im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

eher als störend denn als hilfreich empfunden. Die hierarchische<br />

Struktur verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t offensichtlich e<strong>in</strong>en kollegialen Austausch und<br />

Konsens über die Art <strong>der</strong> Begleitung (Timm 2000:44).<br />

Auf mangelhafte <strong>in</strong>terprofessionelle Information, Diskussion und<br />

Absprache verweisen auch Erlebnisberichte (vgl. An<strong>der</strong>sen 1987)<br />

und die Ergebnisse verschiedener Befragungen von Pflegepersonal<br />

(vgl. Klockenbusch 1986, Kaluzza/Töpferwe<strong>in</strong> 2001), die die häufig<br />

fehlende Nachvollziehbarkeit bezüglich des E<strong>in</strong>satzes lebensverlängern<strong>der</strong><br />

Maßnahmen o<strong>der</strong> diagnostischer Verfahren <strong>in</strong> Anbetracht<br />

e<strong>in</strong>es sterbenden Patienten thematisieren. Das Mittragen und die


25<br />

Ausführung dieser Maßnahmen, ohne an <strong>der</strong> Entscheidung darüber<br />

beteiligt worden zu se<strong>in</strong>, lösen bei den Pflegekräften Konflikte und<br />

Schuldgefühle gegenüber den Patienten aus (An<strong>der</strong>sen 1987:61ff.,<br />

Klockenbusch 1986:52ff., Pankn<strong>in</strong>/Leischker 2003).<br />

3.2.4 Pflegepersonal<br />

In <strong>der</strong> Untersuchung von Klockenbusch (1986) bezüglich des<br />

Belastungserlebens von Pflegepersonal (nicht speziell des Intensivpflegepersonals)<br />

durch die Betreuung Sterben<strong>der</strong> äußern die<br />

Mehrzahl <strong>der</strong> befragten Pflegekräfte die Me<strong>in</strong>ung, dass die Sterbebegleitung<br />

im Krankenhaus e<strong>in</strong>en relativ ger<strong>in</strong>gen Stellenwert<br />

e<strong>in</strong>nehme. Weiterh<strong>in</strong> wird von e<strong>in</strong>igen Pflegekräften <strong>der</strong> häufig<br />

respektlose Umgang mit Tod und Sterben im Krankenhaus beklagt.<br />

Abwendung vom Patienten, Zynismus und mechanisches Arbeiten<br />

seien im Umgang mit Sterbenden oft anzutreffen. Es gäbe e<strong>in</strong><br />

generelles Bemühen im Krankenhaus, die Realität des Sterbens zu<br />

verschleiern, was sich auch daran zeige, dass die Konfrontation<br />

an<strong>der</strong>er Patienten mit Sterbenden weitestgehend vermieden werde.<br />

In Korrelation dazu sieht e<strong>in</strong> Grossteil <strong>der</strong> Befragten Sterbebegleitung<br />

nicht als persönlich befriedigende professionelle Aufgabe an. Lediglich<br />

e<strong>in</strong>e von sechzehn Befragten bezeichnet das friedliche Sterben<br />

e<strong>in</strong>es Patienten als professionellen „Erfolg“ (Klockenbusch<br />

1986:49ff.).<br />

Im Rahmen des bereits zitierten Forschungsprojektes <strong>in</strong> Sachsen<br />

(Kaluza/Töpferwe<strong>in</strong> 2001) wurde bei dem Pflegepersonal <strong>der</strong><br />

Krankenhäuser e<strong>in</strong>e als hoch empfundene Belastung durch den<br />

häufigen Umgang mit Tod und Sterben festgestellt. Die befragten<br />

Pflegekräfte berichteten vor allem von Unsicherheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kommunikation<br />

mit Sterbenden und <strong>der</strong>en Angehörigen.<br />

Der vorliegenden Literatur zufolge stellt angemessene Nähe und<br />

Distanz zu den sterbenden Patienten und ihren Angehörigen für viele<br />

Pflegekräfte e<strong>in</strong> bedeutsames Problem im Rahmen von Sterbebegleitung<br />

dar (vgl. An<strong>der</strong>sen 1987:65, Timm 2001:76). Das Zulassen<br />

von Nähe ist nach Äußerung <strong>der</strong> befragten Pflegekräfte unter


26<br />

an<strong>der</strong>em verbunden mit <strong>der</strong> Angst, vere<strong>in</strong>nahmt zu werden<br />

(An<strong>der</strong>sen 1987:65) bzw. an die eigene Sterblichkeit er<strong>in</strong>nert zu<br />

werden (Klockenbusch 1986:51). Häufig vorkommende Stimmungsschwankungen,<br />

Aggressionen und Missstimmungen des sterbenden<br />

Patienten tragen zur Verunsicherung <strong>der</strong> Pflegekräfte bei.<br />

Vermeidung emotionaler Nähe wird auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beobachtung e<strong>in</strong>er<br />

Sterbebegleitung auf e<strong>in</strong>er Intensivstation deutlich, die <strong>in</strong> Abwesenheit<br />

von Angehörigen des sterbenden Patienten stattf<strong>in</strong>det. Die für die<br />

Betreuung und Begleitung zuständige Pflegekraft wendet sich dem<br />

Sterbenden jeweils nur zu den pflegepraktischen Handlungen zu und<br />

kümmert sich ansonsten um Gerätewartung und stationäre Umfeldarbeiten.<br />

Der E<strong>in</strong>tritt des Todes wird von <strong>der</strong> zuständigen Pflegekraft<br />

und <strong>der</strong> Ärzt<strong>in</strong> an <strong>der</strong> Monitorzentrale 3 verfolgt. In <strong>der</strong> späteren<br />

Reflexion verbalisiert die Pflegekraft die hohe Wertigkeit <strong>der</strong> Sterbebegleitung,<br />

was von <strong>der</strong> beobachtenden Person als paradoxes<br />

Verhalten gewertet wird (Timm 2001:82ff.).<br />

Ambivalent ist sche<strong>in</strong>bar ebenso die Ansicht <strong>der</strong> Pflegekräfte, <strong>in</strong>wieweit<br />

sie emotionale Reaktionen im Rahmen ihrer Tätigkeit zeigen<br />

dürfen (vgl. Timm 2001: 78). Vielfach s<strong>in</strong>d sie <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung, ihre<br />

berufliche Rolle for<strong>der</strong>e von ihnen, immer sicher und souverän<br />

auftreten zu müssen (vgl. Klockenbusch 1986: 42ff.), was sie dann<br />

wie<strong>der</strong>um als une<strong>in</strong>lösbaren Anspruch empf<strong>in</strong>den.<br />

Auch und gerade negative Gefühle gegenüber den Patienten, vor<br />

allem den sterbenden, gestehen sich Pflegende häufig nicht zu (vgl.<br />

Klockenbusch 1986:101).<br />

Als Ergebnis <strong>der</strong> Analyse dreier Erfahrungsberichte e<strong>in</strong>er<br />

Intensivpflegekraft problematisiert Timm (2001:91ff.) weitere Aspekte<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung. Sie resümiert, dass die eigenen, unreflektierten<br />

Vorstellungen <strong>der</strong> Pflegekräfte von <strong>der</strong> „richtigen“ Art <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung, sofern sie nicht umgesetzt werden können o<strong>der</strong> auf<br />

Wi<strong>der</strong>stand stoßen, zu fehlen<strong>der</strong> Flexibilität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong><br />

Begleitung und zu persönlicher Unzufriedenheit <strong>der</strong> Pflegenden mit<br />

<strong>der</strong> eigenen Arbeit führten. Gleichzeitig seien diese Vorstellungen<br />

3 Das zentrale Monitor<strong>in</strong>g ist e<strong>in</strong>e elektronische Überwachungse<strong>in</strong>heit,<br />

welche die wesentlichen Vitalparameter aller Intensivpatienten anzeigt. Sie<br />

bef<strong>in</strong>det sich an e<strong>in</strong>em zentral gelegenen Platz <strong>der</strong> Intensivstation.


27<br />

jedoch von den Pflegekräften selbst nicht klar def<strong>in</strong>iert und würden<br />

gegenüber <strong>der</strong> Umgebung auch nicht verbalisiert. Divergierende<br />

Vorstellungen <strong>der</strong> Angehörigen, die <strong>in</strong> <strong>der</strong>en Verhalten deutlich<br />

würden, führten zu Unverständnis bei den Pflegenden. Je fester und<br />

<strong>in</strong>dividueller die Vorstellungen von Angehörigen sich darstellten,<br />

desto verunsicherter fühle sich die Pflegekraft im Rahmen <strong>der</strong><br />

Begleitung, wobei jedoch ke<strong>in</strong>e Reflexion des eigenen Handelns o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> eigenen Vorstellungen vorgenommen werde.<br />

Beispielsweise wurde die Ablehnung <strong>der</strong> den Angehörigen angebotenen<br />

Hilfe von <strong>der</strong> Pflegekraft als persönliche Ablehnung erlebt. Die<br />

Übernahme von pflegerischen Handlungen durch Angehörige sowie<br />

<strong>der</strong>en ständige Anwesenheit am Krankenbett lösten bei <strong>der</strong> betreuenden<br />

Krankenschwester Unsicherheiten bezüglich <strong>der</strong> eigenen<br />

Pflegekompetenz und das Gefühl, kontrolliert zu werden aus (Timm<br />

2001:57).<br />

E<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Begleitungssituation, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Pflegekraft ihre Vorstellungen<br />

von Sterbebegleitung weitestgehend umsetzen konnte, wurde<br />

von ihr als befriedigend und erfolgreich empfunden.<br />

In <strong>der</strong> Literatur kommt immer wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e ambivalente Haltung des<br />

Pflegepersonals gegenüber den Angehörigen zum Ausdruck.<br />

Während diese <strong>in</strong> <strong>der</strong> emotionalen Unterstützung des Patienten<br />

hauptsächlich als Entlastung erlebt werden, stellen sie für viele<br />

Pflegekräfte jedoch auch oft e<strong>in</strong>e zusätzliche Belastung dar. In<br />

diesem Zusammenhang genannte Aspekte s<strong>in</strong>d die ständige<br />

Konfrontation mit den Ängsten, Problemen und <strong>der</strong> Trauer <strong>der</strong><br />

Angehörigen sowie Schuldzuweisungen für den Zustand des Patienten<br />

von Seiten <strong>der</strong> Angehörigen an das Pflegepersonal o<strong>der</strong> auch die<br />

eigene Identifikation <strong>der</strong> Pflegekraft mit <strong>der</strong> Person und dem Schicksal<br />

des Angehörigen (vgl. Klockenbusch 1986: 98ff.).<br />

Relativ häufig sche<strong>in</strong>t die Betreuung Sterben<strong>der</strong> für die Pflegekräfte<br />

mit <strong>der</strong> Er<strong>in</strong>nerung an Sterbebegleitungen im privaten Bereich<br />

verbunden zu se<strong>in</strong>. Da diese Erfahrungen sehr unterschiedlich s<strong>in</strong>d,<br />

werden die begleitenden Gefühle je nach Art und Intensität als<br />

erschwerend o<strong>der</strong> hilfreich bei <strong>der</strong> Sterbebegleitung von Patienten<br />

erlebt (Klockenbusch 1986:77, Timm 2001:80).


28<br />

Wie<strong>der</strong>holt empf<strong>in</strong>den sich Pflegekräfte als „alle<strong>in</strong>gelassen“ <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

jeweiligen Situation <strong>der</strong> Sterbebegleitung. Dieses Gefühl bezieht sich<br />

<strong>in</strong> den Erfahrungsberichten auf die als mangelhaft empfundene<br />

Unterstützung durch Kollegen und anwesende Ärzte (Timm 2001:55).<br />

Insgesamt wird über ger<strong>in</strong>ge Möglichkeiten, sich mit an<strong>der</strong>en im<br />

Kl<strong>in</strong>ikalltag über Grenzsituationen <strong>in</strong> <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Versorgung<br />

auszusprechen, berichtet. Auch Ängste <strong>der</strong> Pflegekräfte vor<br />

Bloßstellung und Unverständnis verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n den kollegialen<br />

Austausch diesbezüglich, so dass die Verarbeitung des Erlebten <strong>in</strong><br />

die Privatsphäre verlagert wird(vgl. Hampe 1995, Kücük 2004).<br />

An<strong>der</strong>sen (1987:103) beschreibt von ihr im <strong>in</strong>tensivpflegerischen<br />

Alltag beobachtete Verhaltensweisen, die sie als Abwehrmechanismen<br />

gegenüber psychischen Belastungen und daraus resultierenden<br />

Gefühlen wertet. Hierzu zählt sie die verstärkte H<strong>in</strong>wendung von<br />

Pflegekräften zu patientenfernen Tätigkeiten, wie Apparatetechnik,<br />

organisatorischen o<strong>der</strong> adm<strong>in</strong>istrativen Aufgaben, ebenso wie e<strong>in</strong>e<br />

betont raue und gefühllose Sprache <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kommunikation über die<br />

Patienten, e<strong>in</strong> häufig deplaziert wirken<strong>der</strong> Humor, ständiger Aktivismus<br />

und das Bemängeln verschiedenster, eher nebensächlicher<br />

Gegebenheiten.<br />

Diese Verhaltensphänomene werden auf dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong><br />

speziellen psychischen Belastungen des Pflegepersonals im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung im folgenden Kapitel näher beleuchtet.


29<br />

4 Psychische Belastungen <strong>der</strong> Pflegenden im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung auf <strong>der</strong><br />

Intensivstation und Formen <strong>der</strong> Bewältigung<br />

4.1. Psychische Belastungen <strong>der</strong> Intensivpflegekräfte im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

Die vorangegangenen Darstellungen machen deutlich, dass das<br />

Verhalten von Intensivpflegepersonal e<strong>in</strong>e hohe Relevanz für die<br />

Gestaltung <strong>der</strong> Sterbebegleitung besitzt. So sche<strong>in</strong>t die e<strong>in</strong>gehen<strong>der</strong>e<br />

Betrachtung <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Belastungen, die aus <strong>der</strong> Betreuung<br />

sterben<strong>der</strong> Patienten auf <strong>der</strong> Intensivstation für die Pflegenden<br />

entstehen, geboten, da diese möglicherweise das Verhalten <strong>der</strong><br />

Pflegekräfte bee<strong>in</strong>flussen.<br />

Der Begriff <strong>der</strong> „Belastung“ soll dabei im Kontext dieser Arbeit als<br />

Synonym für die Begrifflichkeit „Stress“ nach <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition von<br />

Lazarus, die sich aus dem von ihm entwickelten Transaktionalen<br />

Modell herleitet, gebraucht werden. Danach handelt es sich bei dem<br />

Erleben von Belastung bzw. Stress um e<strong>in</strong> subjektives Geschehen,<br />

bei dem e<strong>in</strong>erseits die Anfor<strong>der</strong>ungen aus <strong>der</strong> Umwelt und an<strong>der</strong>erseits<br />

die E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> eigenen Möglichkeiten, diese Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

zu bewältigen, ausschlaggebend s<strong>in</strong>d. Demnach ist Stress die<br />

erlebte Überfor<strong>der</strong>ung aus dem Missverhältnis zwischen subjektiv<br />

bedeutsamen Anfor<strong>der</strong>ungen und persönlichen Handlungsmöglichkeiten.<br />

Lazarus unterscheidet bei den stressrelevanten Situationen drei<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Bewertung durch die betreffende Person:<br />

Schädigung bzw. Verlust, Bedrohung und Herausfor<strong>der</strong>ung. Die<br />

jeweilige Bewertung ruft unterschiedliche emotionale Reaktionen<br />

hervor und bestimmt den gesamten Bewältigungsprozess (Starke<br />

2000) 4 .<br />

Auf dem H<strong>in</strong>tergrund dieses Verständnisses werden nun die<br />

psychischen Belastungen, die dem Intensivpflegepersonal im<br />

4<br />

Die theoretischen Aspekte <strong>der</strong> Bewältigung werden <strong>in</strong> 4.2 e<strong>in</strong>gehen<strong>der</strong><br />

behandelt.


30<br />

Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung und aus <strong>der</strong> Arbeit auf <strong>der</strong><br />

Intensivstation generell, sofern <strong>in</strong> diesem Zusammenhang relevant,<br />

erwachsen können, dargestellt. E<strong>in</strong>e Beschäftigung mit den<br />

physischen Belastungen erfolgt an dieser Stelle nicht, da die<br />

psychischen Belastungen im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung e<strong>in</strong>e<br />

vorrangige Stellung e<strong>in</strong>nehmen (vgl. Laubach 1986:94).<br />

Die Darstellung geschieht <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Zusammenfassung <strong>der</strong><br />

diesbezüglich wichtigsten Ergebnisse deskriptiver und empirischer<br />

Untersuchungen <strong>in</strong> Deutschland seit Ende <strong>der</strong> 60er Jahre. Die<br />

hauptsächliche Beschränkung auf deutsche Literatur erfolgt dabei<br />

unter <strong>der</strong> Annahme, dass sie die Situation <strong>der</strong> Intensivpflegekräfte<br />

unter den <strong>in</strong> Deutschland herrschenden Bed<strong>in</strong>gungen am besten<br />

abbildet.<br />

H<strong>in</strong>weise auf Belastungen <strong>der</strong> Pflegekräfte aus Kapitel 3 fließen<br />

ebenfalls <strong>in</strong> die Darstellungen e<strong>in</strong>.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> psychischen Belastungen, die den Pflegekräften aus<br />

den <strong>in</strong>stitutionellen und strukturellen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Arbeit auf <strong>der</strong><br />

Intensivstation erwachsen und die für die Sterbebegleitung e<strong>in</strong>e<br />

wichtige Rolle spielen, weist Laubach (1986:150) auf die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> häufig wechselnden Aufgabenbereiche und unvorhergesehenen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungswechsel verbunden mit ständiger Notfallbereitschaft h<strong>in</strong>,<br />

welche e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensivpflegerisches Spezifikum darstellen. Die <strong>in</strong>sgesamt<br />

hohe Verantwortung <strong>der</strong> Pflegenden mündet nach Steppe<br />

(1992:598) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en fast nicht e<strong>in</strong>zulösenden Anspruch an Vollkommenheit<br />

und permanente Verfügbarkeit von Wissen und Erfahrung<br />

<strong>der</strong> Pflegekräfte.<br />

Bezüglich <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit dem ärztlichen Personal wird <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Untersuchung von Laubach, Scheer, Klapp (1984:238) die<br />

ger<strong>in</strong>ge Präsenz <strong>der</strong> Ärzte und die vom Pflegepersonal als nicht<br />

ausreichend empfundene Unterstützung <strong>der</strong> Pflege ebenso wie <strong>der</strong><br />

häufige ärztliche Zuständigkeitswechsel auf <strong>der</strong> Intensivstation als e<strong>in</strong><br />

Aspekt pflegerischer Belastung identifiziert. Schara (1990:430) sieht<br />

<strong>in</strong> Missverständnissen unter Kollegen, unterschiedlicher Arbeitsauffassung<br />

und -moral und differierenden Therapieauffassungen


31<br />

belastende Konfliktpunkte <strong>in</strong> <strong>der</strong> pflegerischen Arbeit. Als möglicherweise<br />

verursachend für Kommunikationsstörungen im Behandlungsteam<br />

verweist Laubach (1986:11) auf Rollenkonflikte <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

und die arbeitsbed<strong>in</strong>gte <strong>in</strong>dividuelle Anspannung. Auch Bernhard und<br />

Schäfer (1984:205) beschreiben schwere Störungen <strong>der</strong> Interaktion<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Pflegeteams aufgrund von emotionaler Überlastung<br />

<strong>der</strong> Pflegekräfte durch die Begleitung leiden<strong>der</strong> Patienten, wobei die<br />

Interaktionsstörung <strong>in</strong> Abhängigkeit von Leidensdauer <strong>der</strong> betreuten<br />

Patienten und therapeutischer Ohnmacht anzusteigen sche<strong>in</strong>t.<br />

Den Umgang mit dem Patienten betreffend wird <strong>in</strong> Untersuchungen<br />

auf die Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> Patientensituation auf Intensivstationen<br />

h<strong>in</strong>gewiesen. Hierbei s<strong>in</strong>d unter an<strong>der</strong>em Beatmung mit den<br />

begleitenden E<strong>in</strong>schränkungen, Reanimation 5 , beson<strong>der</strong>s lange o<strong>der</strong><br />

kurze Liegezeiten und Bewusstse<strong>in</strong>sverän<strong>der</strong>ungen bzw. Wahrnehmungsverän<strong>der</strong>ungen,<br />

die vom Pflegepersonal als belastend erlebt<br />

werden, zu nennen (Laubach 1986/ Schara 1990). Generell wird die<br />

ständige große Nähe und Zuwendung zu den Patienten sowie die<br />

tägliche Konfrontation mit Leid und Sterben von den Pflegekräften als<br />

Belastung empfunden (Fischbach 1986 <strong>in</strong>: Brown 1995:66). ). Nach<br />

Schara (1990:430) spielen dabei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e das Gefühl <strong>der</strong> hohen<br />

Mitverantwortung am Zustand des Patienten sowie Ohnmachtsgefühle<br />

bei nicht erwünschtem Genesungsverlauf e<strong>in</strong>e Rolle.<br />

Beson<strong>der</strong>s belastend sei die Betreuung <strong>der</strong> Schwerkranken durch<br />

den erlebten Rollenkonflikt <strong>der</strong> Pflegekräfte zwischen <strong>der</strong> fürsorglich<br />

Pflegenden e<strong>in</strong>erseits und <strong>der</strong> Beteiligung an den, häufig als quälend<br />

empfundenen, diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen<br />

an<strong>der</strong>erseits (vgl. Bernhard/Schäfer 1984:207). Steppe (1992:598)<br />

bezeichnet diese Situation als Paradoxon, <strong>in</strong> dem sich <strong>der</strong><br />

5 Reanimation ist das Synonym für Wie<strong>der</strong>belebung.<br />

Schors (1979:358) nimmt aus psychologischer Sicht Stellung zu <strong>der</strong><br />

mediz<strong>in</strong>ischen Intervention <strong>der</strong> Reanimation. Er sieht hier<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e tägliche<br />

Extremsituation, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich die Mitarbeiter aufgrund von immer zum<strong>in</strong>dest<br />

<strong>in</strong> Teilen vorhandener Identifikation mit dem Sterbenden „immer von<br />

neuem von Vernichtung bedroht fühlen“. Der Vorgang <strong>der</strong> Reanimation<br />

h<strong>in</strong>terlasse e<strong>in</strong> starkes Gefühl von Schwäche, Erschöpfung und häufig<br />

Hilflosigkeit, was er <strong>in</strong> <strong>der</strong> körperlichen aber vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> psychischen<br />

Belastung <strong>der</strong> Mitarbeitenden begründet sieht. Diese entstehe aus dem<br />

Kampf gegen die Akzeptanz <strong>der</strong> Unausweichlichkeit des Todes, <strong>der</strong> auf<br />

Intensivstationen konsequent geführt werde.


32<br />

traditionelle Anspruch <strong>der</strong> Krankenpflege, Fürsorge und Nähe zu<br />

geben und Distanz, rationale Wahrnehmung, Interpretation und<br />

Verarbeitung von Patientendaten gegenüberstehen, woraus dem<br />

Pflegepersonal starke Schuldgefühle entstehen können 6 .<br />

In <strong>der</strong> Angehörigenarbeit wird häufiger Kontakt zu beunruhigten<br />

Angehörigen als Belastungsfaktor für Pflegekräfte benannt<br />

(Freyberger/ Bessert 1974 <strong>in</strong>: Brown 1995:64), wobei Angehörige von<br />

sterbenden Patienten nach Schara (1990:430) aufgrund ihrer<br />

emotionalen Betroffenheit vom Pflegepersonal als beson<strong>der</strong>s<br />

schwierig und anstrengend erlebt werden. So werden <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Beziehung zu Patienten und Angehörigen <strong>in</strong> <strong>der</strong> speziellen Situation<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung Belastungen <strong>der</strong> Pflegekräfte aus <strong>der</strong> psychischen<br />

Situation und emotionalen Gestimmtheit <strong>der</strong> Patienten und<br />

Angehörigen sowie das „Mitleiden“ im Angesicht von Leid und Qual<br />

beschrieben (Schara1990:430). Die mangelnde o<strong>der</strong> nicht erfolgte<br />

Aufklärung des Patienten über se<strong>in</strong>en Zustand führt durch die<br />

zwangsläufig fehlende Echtheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beziehung zwischen Pflegekraft<br />

und Patient ebenso zu Belastungen wie die Weiterführung o<strong>der</strong><br />

Initiierung s<strong>in</strong>nloser, therapeutischer Maßnahmen, die e<strong>in</strong>em<br />

sterbenden Patienten nach Empf<strong>in</strong>den <strong>der</strong> Pflegenden zusätzliches<br />

Leid verursachen (vgl. Klockenbusch 1986:55ff.). Hieraus ergeben<br />

sich neben Belastungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beziehung zum Patienten auch<br />

Konflikte <strong>in</strong> <strong>der</strong> pflegerisch–mediz<strong>in</strong>ischen Zusammenarbeit. Weitere<br />

Ursachen für Belastungen aus Interrollenkonflikten können, wie <strong>in</strong><br />

Kap.3 dargestellt, aus unterschiedlichen Auffassungen und Vorstellungen<br />

von Wertigkeit und Gestaltung <strong>der</strong> Sterbebegleitung zwischen<br />

Pflegepersonal und Kollegen, Ärzten o<strong>der</strong> Angehörigen resultieren.<br />

Auch das Gefühl <strong>der</strong> Isolation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sterbebegleitung, bei fehlen<strong>der</strong><br />

kollegialer Unterstützung und mangeln<strong>der</strong> Wertschätzung <strong>der</strong> Tätigkeit<br />

durch an<strong>der</strong>e, gehört <strong>in</strong> diesen Kontext.<br />

6 E<strong>in</strong>e generelle Schuldgefühlsneigung des Intensivpflegepersonals wird<br />

nach Bernhard/Schäfer (1984:207) objektivierbar an <strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

Untersuchungen nachgewiesenen negativen Selbste<strong>in</strong>schätzung von<br />

Pflegekräften aus <strong>der</strong> Intensivpflege, die durch e<strong>in</strong>e auffällige Diskrepanz<br />

zwischen Real– und Idealbild <strong>der</strong> eigenen Person zum Ausdruck kommt.


33<br />

Generell bedeutet die Konfrontation mit dem Tod für die Pflegekräfte<br />

die Konfrontation mit <strong>der</strong> eigenen Todesangst, was je nach Grad <strong>der</strong><br />

persönlichen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung e<strong>in</strong>e starke Belastung darstellen<br />

kann. Klockenbusch (1986:105) geht davon aus, dass die diffus<br />

vorhandene Todesangst des Pflegepersonals durch die Dämonisierung<br />

des Todes im Krankenhaus und schockierende, unreflektierte<br />

Erlebnisse aus dem beruflichen Alltag verstärkt wird.<br />

Zugleich wird entgegen den bereits beschriebenen „Allmachtsphantasien“<br />

<strong>der</strong> Intensivtherapie die Realität <strong>der</strong> Vergänglichkeit deutlich,<br />

wobei existentielle Fragen ganz neu aufbrechen können. Beson<strong>der</strong>s<br />

bedrohlich werden diese Belastungen erlebt, wenn e<strong>in</strong>e Identifikation 7<br />

<strong>der</strong> Pflegeperson mit dem sterbenden Patienten o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>en Angehörigen<br />

stattf<strong>in</strong>det. Bezüglich <strong>der</strong> Bewertung e<strong>in</strong>zelner Ereignisse auf<br />

ihre Belastungswirkung h<strong>in</strong>, stellt Laubach (1986:152) den Tod<br />

jüngerer Menschen als deutlich belasten<strong>der</strong> für das Pflegepersonal<br />

dar als den Todesfall im Allgeme<strong>in</strong>en. Dies kann unter an<strong>der</strong>em<br />

dadurch begründet se<strong>in</strong>, dass aufgrund des Lebensalters <strong>in</strong> diesen<br />

Fällen häufiger e<strong>in</strong>e Identifikation des Pflegepersonals mit dem<br />

Patienten stattf<strong>in</strong>det. Ebenso kann die Begleitung e<strong>in</strong>es sterbenden<br />

Patienten zu e<strong>in</strong>er Reaktivierung unverarbeiteter, persönlicher<br />

Verluste und Erfahrungen, z.B. <strong>der</strong> Tod e<strong>in</strong>es Familienangehörigen,<br />

führen.<br />

Bereits beschrieben (vgl.Kap.3) wurde die Verunsicherung des<br />

Pflegepersonals <strong>in</strong> <strong>der</strong> Konfrontation mit dem sterbenden Patienten<br />

auf dem H<strong>in</strong>tergrund des ver<strong>in</strong>nerlichten kurativen Ansatzes e<strong>in</strong>er<br />

Intensivstation. Krüger und Naurath (1989 <strong>in</strong>: Brown 1995:66)<br />

betonen die Schwierigkeit <strong>der</strong> existentiellen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung im<br />

Angesicht nutzloser therapeutischer Bemühungen. Hieraus resultierten<br />

häufig Schuldgefühle seitens <strong>der</strong> Pflegenden, ihrem professionellen<br />

Auftrag nicht gerecht geworden zu se<strong>in</strong> (vgl. Schors 1979:356).<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf den Tod des betreuten Patienten ist zu beachten,<br />

dass auch Pflegende trauern und den daraus erwachsenden Belas-<br />

7<br />

Identifikation (lat.): Gleichsetzung (Meyers großes Taschenlexikon, Bd.10:<br />

119)


34<br />

tungen mehr o<strong>der</strong> weniger stark ausgesetzt s<strong>in</strong>d (vgl. Sitzmann<br />

2001:209).<br />

Organisatorische Bed<strong>in</strong>gungen werden bezüglich <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

von den Pflegenden hauptsächlich dann als Belastung erlebt,<br />

wenn sie <strong>der</strong> Bedürfniserfüllung des Sterbenden im Wege stehen<br />

(vgl. Kap. 3).<br />

Unabhängig von <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> Sterbebegleitung kommt Laubach<br />

(1986:182), <strong>der</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Untersuchung <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e das Verhältnis<br />

objektiver Anfor<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>er Intensivstation und subjektiv<br />

empfundener Belastungen des Pflegepersonals analysiert, zu dem<br />

Ergebnis, dass die <strong>in</strong>stitutionellen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und hier vor<br />

allem die technische Ausstattung <strong>der</strong> Station auch auf das<br />

psychische Belastungserleben <strong>der</strong> Pflegekräfte großen E<strong>in</strong>fluss<br />

nimmt. Se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach führen die vielfältigen und komplexen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen auf e<strong>in</strong>er Intensivstation zu e<strong>in</strong>er Rout<strong>in</strong>isierung und<br />

Generalisierung von Handlungsabläufen, die die sozialen Beziehungen<br />

und Interaktionen zwischen dem Behandlungsteam und den<br />

Patienten e<strong>in</strong>schränken.<br />

4.2 Formen <strong>der</strong> Bewältigung psychischer Belastungen<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf die mannigfachen Belastungen, denen Intensivpflegekräfte<br />

im Rahmen ihrer Arbeit augensche<strong>in</strong>lich ausgesetzt s<strong>in</strong>d, stellt<br />

sich die Frage, wie die Pflegekräfte mit diesen Belastungen umgehen.<br />

Zur Annäherung an diese Frage, werden im Folgenden die im<br />

Vorh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> beschriebenen pflegerischen Verhaltensphänomene, unter<br />

dem Aspekt <strong>der</strong> Bewältigung belasten<strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen, beleuchtet.<br />

Der hierzu notwendige theoretische Bezugsrahmen orientiert sich an<br />

begrifflichen Def<strong>in</strong>itionen und Ordnungsmustern, die von Filipp und<br />

Aymanns (1997:277ff.) zur Beschreibung und Darstellung von Bewältigungsstrategien<br />

vorgestellt werden.<br />

Demnach sollen unter Bewältigungsverhalten alle Versuche verstanden<br />

werden, die Menschen <strong>in</strong> belastenden Situationen e<strong>in</strong>setzen, um


35<br />

mit den jeweiligen Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Situation umzugehen 8 . So<br />

def<strong>in</strong>iert stellt Bewältigung e<strong>in</strong>en übergeordneten Begriff dar, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Vielfalt von Verhaltensweisen beschreibt, die sehr unterschiedliche<br />

Funktionen im Angesicht von Verlust und Bedrohung erfüllen<br />

können 9 . Dabei muss jedoch die Individualität von<br />

Bewältigungsverhalten berücksichtigt werden, die das unterschiedliche<br />

Erleben und Bewerten objektiv gleicher Ereignisse o<strong>der</strong> Bed<strong>in</strong>gungen<br />

erklärt (Filipp, Aymanns 1997: 280ff.).<br />

Zur Beschreibung und Unterscheidung von Bewältigungsreaktionen<br />

unterscheiden Filipp und Klauer (1988 <strong>in</strong>: Filipp, Aymanns<br />

1997:281ff.) drei Dimensionen: die Ebene <strong>der</strong> Reaktion, die zwischen<br />

Bewältigung durch kognitive Prozesse o<strong>der</strong> Aktion unterscheidet, die<br />

Ebene <strong>der</strong> sozialen E<strong>in</strong>gebundenheit und die Ebene des Aufmerksamkeitsfokus.<br />

Die Ebene <strong>der</strong> sozialen E<strong>in</strong>gebundenheit differenziert zwischen<br />

Bewältigungsverhalten <strong>in</strong> Form von sozialem Rückzug o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Form<br />

von E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> sozialen Umgebung bzw. Aktivierung<br />

<strong>der</strong>selben. Die Mobilisierung sozialer Unterstützung im Rahmen <strong>der</strong><br />

Bewältigungsbemühungen ist dabei abhängig von den Gegebenheiten<br />

des sozialen Umfeldes und se<strong>in</strong>er Verfügbarkeit sowie den<br />

Persönlichkeitsvariablen des Hilfesuchenden. Beachtenswert, vor<br />

allem im H<strong>in</strong>blick auf das berufliche Selbstbewusstse<strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflegekräfte,<br />

ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die festgestellte negative<br />

Korrelation zwischen dem Selbstbewusstse<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Person und <strong>der</strong><br />

Suche nach Unterstützung (Nadler 1991 <strong>in</strong>: Filipp,<br />

Aymanns1997:287).<br />

8 Nach dem Analysemodell von Filipp (1995) wird <strong>der</strong> Umgang mit e<strong>in</strong>er<br />

aktuellen Stresssituation von den bisherigen Erfahrungen <strong>der</strong> Person mit<br />

Ereignissen und <strong>der</strong>en Bewältigung, von den aktuellen<br />

Situationsmerkmalen und den Personenmerkmalen bestimmt. Auf diesem<br />

H<strong>in</strong>tergrund werden Situationen e<strong>in</strong>geschätzt und Ressourcen<br />

bereitgestellt.<br />

9 Bewältigung e<strong>in</strong>er Situation kann dabei das Meistern, das Tolerieren o<strong>der</strong><br />

das Vermeiden von Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Situation beschreiben (Filipp,<br />

Aymanns 1997:280). Verschiedene Autoren s<strong>in</strong>d unterschiedlicher Ansicht<br />

über den „Wert“ von defensiven Verhaltensweisen im H<strong>in</strong>blick auf Bewältigung.<br />

E<strong>in</strong>ige von ihnen lehnen die Subsumierung solchen Verhaltens, z.B.<br />

das <strong>der</strong> Leugnung, unter e<strong>in</strong> Bewältigungskonzept ab (vgl. Filipp,<br />

Aymanns 1997:283).


36<br />

Interessant für das allgeme<strong>in</strong>e Verständnis pflegerischer Handlungen<br />

und Motivationen sche<strong>in</strong>t ebenso <strong>der</strong> Aspekt, dass nicht nur das<br />

Suchen nach Hilfe, son<strong>der</strong>n auch das „Hilfe geben“ e<strong>in</strong>e Form von<br />

Bewältigung darstellen kann. Midlarsky (1991 <strong>in</strong> Filipp, Aymanns<br />

1997) beschreibt <strong>in</strong> diesem Zusammenhang fünf Effekte, die das<br />

„Hilfehandeln“ für die Bewältigung belasten<strong>der</strong> Situationen haben<br />

kann:<br />

• Ablenkung von eigenen Schwierigkeiten<br />

• Erhöhung <strong>der</strong> eigenen Bedeutsamkeit<br />

• Verstärkung <strong>der</strong> Wahrnehmung eigener Kompetenz<br />

• Allgeme<strong>in</strong>e positive Bee<strong>in</strong>flussung <strong>der</strong> Stimmung<br />

• Begünstigung sozialer E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung, Schutz vor E<strong>in</strong>samkeit<br />

Unter diesem Aspekt wird die von e<strong>in</strong>er Pflegekraft als persönliche<br />

Zurückweisung empfundene Ablehnung ihres Unterstützungsangebotes<br />

im Rahmen e<strong>in</strong>er Sterbebegleitung (vgl. Kap. 3.2.5), als Verlust<br />

e<strong>in</strong>er persönlichen Bewältigungsmöglichkeit verständlich.<br />

In <strong>der</strong> e<strong>in</strong>schlägigen Literatur wird <strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong> Aufmerksamkeit im<br />

Bewältigungsprozess bezüglich <strong>der</strong> Unterscheidung von Bewältigungsverhalten<br />

e<strong>in</strong>e fundamentale Bedeutung zugeschrieben (Filipp,<br />

Aymanns 1997:282). So kann durch Bewältigungsverhalten die<br />

Aufmerksamkeit entwe<strong>der</strong> auf die Ursache <strong>der</strong> Belastung gerichtet<br />

werden, o<strong>der</strong>, möglicherweise auch nur selektiv, von ihr abgelenkt<br />

werden. Diese beiden Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> Annäherung versus Vermeidung<br />

können phasenweise ablaufen. Sie haben zum Ziel, emotionale<br />

Überfor<strong>der</strong>ung zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n und trotzdem ausreichende Realitätsnähe<br />

zu erhalten, um „Funktionsfähigkeit“ zu ermöglichen. Das<br />

Vermeidungsverhalten kann sich z.B. <strong>in</strong> Form von Verleugnung,<br />

Verschiebung und Verdrängung äußern 10 .<br />

Auch die differenziertere E<strong>in</strong>ordnung des beschriebenen pflegerischen<br />

Verhaltens sche<strong>in</strong>t mit dieser Art <strong>der</strong> Unterscheidung am<br />

10 Def<strong>in</strong>itionen nach Fröhlich (1998:37): „Verdrängung: störende Wünsche,<br />

Gedanken, Gefühle o<strong>der</strong> Erfahrungen nicht vergegenwärtigen bzw.<br />

er<strong>in</strong>nern.<br />

Verschiebung: Verlagerung von Gefühlen o<strong>der</strong> Reaktionen auf bedrohliche<br />

Objekte o<strong>der</strong> Ereignisse auf an<strong>der</strong>e, ähnliche bzw. weniger bedrohliche.<br />

Verleugnung: Nichtanerkennen bestimmter Aspekte <strong>der</strong> Realität, die für<br />

an<strong>der</strong>e ganz offensichtlich s<strong>in</strong>d.“


37<br />

ehesten möglich, da die Frage, woh<strong>in</strong> die Aufmerksamkeit durch das<br />

jeweilige Verhalten gelenkt wird, wahrsche<strong>in</strong>licher zu beurteilen ist,<br />

als z.B. kognitive Prozesse, die häufig, vor allem <strong>in</strong> Beschreibungen<br />

und Beobachtungen nicht offenkundig werden, o<strong>der</strong> soziale E<strong>in</strong>gebundenheit,<br />

die z.B. <strong>in</strong> isolierten Situationsbeschreibungen nicht<br />

dargestellt wird. Durch die Betrachtung <strong>der</strong> beschriebenen<br />

Verhaltensphänomene als möglicherweise aufmerksamkeitszuwendende<br />

bzw. vermeidende Reaktion auf belastende Situationen, soll<br />

die Funktionalität des Verhaltens <strong>in</strong> <strong>der</strong> jeweiligen Situation verdeutlichet<br />

werden. Im Rahmen <strong>der</strong> bearbeiteten Literatur sche<strong>in</strong>en die<br />

vermeidenden Formen <strong>der</strong> Bewältigungsversuche dabei <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Anwendung zu überwiegen. Ihnen ist zuzurechnen:<br />

• Vermeidung engeren menschlichen Kontaktes bzw. ganz<br />

allgeme<strong>in</strong> verr<strong>in</strong>gerte Zuwendung zu dem betreuten Patienten<br />

durch z.B. vermehrte Zuwendung zu an<strong>der</strong>en Tätigkeiten (vgl.<br />

Kap. 3:3)<br />

• Restriktive Regelung <strong>der</strong> Besuchszeiten für Angehörige bzw.<br />

mangelnde Integration <strong>der</strong> Angehörigen <strong>in</strong> die Pflege und<br />

Betreuung Sterben<strong>der</strong> (vgl. Kap. 3.2.1)<br />

• Ständige Aktivität und Rastlosigkeit, die von Schors (1979:<br />

352) als Teil <strong>der</strong> Atmosphäre auf Intensivstationen beschrieben<br />

wird, als sog. „overenergetic treatment“ (vgl. Kap. 3.2.5)<br />

• Emotionslose, betont raue Sprache o<strong>der</strong> deplaziert wirken<strong>der</strong><br />

Humor im kollegialen Austausch über eigentlich emotional<br />

besetzte Vorgänge im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er selektiven Verleugnung <strong>der</strong><br />

emotionalen Anteile (vgl. Kap. 3.2.5)<br />

• Konzentration auf somatische Probleme <strong>der</strong> Patienten im<br />

S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Verleugnung psycho-sozialer Aspekte (vgl. Kap.<br />

3.2.5)<br />

• Aussparen und Ablenken vom Thema Sterben <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kommunikation mit dem Patienten (vgl. Kap. 3.2.5)<br />

• Schnellstmögliche Versorgung und möglichst unauffällige<br />

Entfernung <strong>der</strong> Verstorbenen von <strong>der</strong> Station und direkte<br />

Wie<strong>der</strong>aufnahme <strong>der</strong> normalen Stationsarbeit (vgl. Kap. 3.2.5)


38<br />

• Bewusstes „nicht Nachdenken“ bzw. Ausblenden (vgl. Kap.<br />

3.2.5)<br />

Als Bewältigungsstrategien bezüglich <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong> extremen<br />

Belastungssituation auf <strong>der</strong> Intensivstation bzw. im Umgang mit<br />

Schwerkranken werden unter an<strong>der</strong>em die Ablenkung durch erhöhte<br />

Freizeitaktivitäten o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gebrauch von Genussmitteln sowie die<br />

Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> Arbeitszeit und die Rotation <strong>in</strong>nerhalb<br />

verschiedener Abteilungen beschrieben (Klitz<strong>in</strong>g - Naujoks 1995:104,<br />

Klockenbusch 1986:80). Nach Laubach (1986:22) sei bei längerer<br />

<strong>in</strong>tensivpflegerischer Tätigkeit <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong> Rückzug <strong>der</strong> Pflegenden<br />

aus dem belastenden Bereich <strong>der</strong> direkten Patientenversorgung h<strong>in</strong><br />

zu organisatorischen o<strong>der</strong> adm<strong>in</strong>istrativen Aufgaben zu beobachten.<br />

Als genannte Bewältigungsversuche, die ihre Aufmerksamkeit auf die<br />

ursächliche Belastung richten, könnten gelten:<br />

• Interkollegiale Reflexion erfolgter Sterbebegleitungen (vgl.<br />

Kap. 3.2.5)<br />

• Ausdrücken eigener Hilflosigkeit gegenüber Kollegen und<br />

Ärzten (vgl. Kap. 3.2.5)<br />

• Inanspruchnahme von Fortbildungen (vgl. Kap. 3.2.2/ 3.2.5)<br />

• Teilnahme an <strong>in</strong>stitutionell angebotenen Begleitungsmaßnahmen,<br />

wie z.B. Supervisionsgruppen (vgl. Kap. 3.2.2)<br />

Nach Angaben des Pflegepersonals f<strong>in</strong>den auch affektive Reaktionen<br />

auf belastende Situationen, wie Äußerungen von Angst o<strong>der</strong> Ärger,<br />

We<strong>in</strong>en, Gelächter o<strong>der</strong> Aufschreien statt, s<strong>in</strong>d aber vergleichsweise<br />

selten (Laubach 1986:22).<br />

Die Darstellung <strong>der</strong> offensichtlichen und versteckten Bewältigungsreaktionen<br />

Pflegen<strong>der</strong> wirft die Frage nach dem Erfolg <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Strategien für die Verarbeitung belasten<strong>der</strong> Aspekte aus <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung auf.<br />

Bezüglich <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Effektivität von Bewältigungsverhalten<br />

besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur weitgehende E<strong>in</strong>igkeit darüber, dass diese<br />

aufgrund <strong>der</strong> Prozesshaftigkeit des Geschehens, <strong>der</strong> Vielfalt <strong>der</strong><br />

bee<strong>in</strong>flussenden Faktoren und <strong>der</strong> problematischen Auswahl von<br />

Bewertungskriterien schwierig sei (vgl. Filipp, Aymanns 1997:280;


39<br />

Filipp 1995:40) und auch <strong>in</strong> Fachkreisen kontrovers diskutiert werde<br />

(Filipp, Aymanns1997:283) 11 . Bezüglich des Vermeidungsverhaltens<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Leugnung stellen Filipp und Aymanns (1997:282) allerd<strong>in</strong>gs<br />

fest, dass sie zweifelsohne e<strong>in</strong>e wichtige Funktion erfüllten, da sie <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Lage seien, negative Affektreaktionen deutlich zu m<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

An<strong>der</strong>erseits könnten sie aber Versuche <strong>der</strong> Realitätsverän<strong>der</strong>ung<br />

sowie e<strong>in</strong>e bessere Anpassungsleistung an e<strong>in</strong>e Situation beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

bzw. verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Auf <strong>der</strong> Grundlage e<strong>in</strong>er Metaanalyse e<strong>in</strong>schlägiger<br />

Studien von Mullen und Suls (1982 <strong>in</strong>: Filipp, Aymanns1997:284)<br />

kommen sie zu <strong>der</strong> Annahme, dass <strong>der</strong> kurzfristige Aufmerksamkeitsentzug<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> konkreten belastenden Situation mit anschließen<strong>der</strong><br />

gesteigerter Zuwendung zu <strong>der</strong> Belastungsursache wohl die<br />

effektivste Bewältigungsstrategie sei, wobei als allgeme<strong>in</strong>es Ziel von<br />

Bewältigung die Integration des Erlebten <strong>in</strong> den eigenen Lebensentwurf<br />

(Wettreck 2004:6) bzw. <strong>in</strong> das eigene Selbst- und Weltbild<br />

(Filipp, Aymanns1997:283) gesehen wird.<br />

Legt man diese Annahmen zugrunde, so ist auch für die beschriebenen<br />

abwehrenden pflegerischen Verhaltensweisen anzunehmen,<br />

dass sie, sofern sie unreflektiert und dauerhaft bestehen bleiben,<br />

eher negative als positive Auswirkungen für die Pflegekraft und ihre<br />

berufliche Situation haben 12 .<br />

Die Aufmerksamkeitszuwendung im S<strong>in</strong>ne von Beschäftigung mit den<br />

belastenden Faktoren aus <strong>der</strong> Sterbebegleitung müssten demnach<br />

langfristig e<strong>in</strong>e Reduzierung <strong>der</strong> bedrohlichen Anteile bzw. e<strong>in</strong>e<br />

Erhöhung <strong>der</strong> persönlichen Ressourcen <strong>der</strong> Pflegenden mit diesen<br />

Belastungen umzugehen, zur Folge haben. Diese Annahme wird von<br />

verschiedenen Autoren (vgl. Hampe 1995/Kücük 2004/Thiel 2004)<br />

und auch den Ergebnissen e<strong>in</strong>er bereits zitierten Untersuchung<br />

11 Filipp (1995:41) weist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang darauf h<strong>in</strong>, dass Aussagen<br />

über die Güte von Bewältigungsprozessen immer verborgene Annahmen<br />

über gutes o<strong>der</strong> schlechtes psychisches Funktionieren be<strong>in</strong>halten<br />

und <strong>in</strong>folgedessen durch e<strong>in</strong>e Bewertung normative Setzungen<br />

vorgenommen werden.<br />

12 Freyberger und Otte (1984:178) betonen die Notwendigkeit <strong>der</strong> Verleugnungsarbeit<br />

im <strong>in</strong>tensivtherapeutischen Alltag seitens <strong>der</strong> Pflegenden.<br />

Erst <strong>in</strong>dem sie z.B. bestimmte Aspekte des psychischen Zustandes des<br />

Patienten verleugneten, wären sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, sich auf die somatische<br />

Seite des vitalbedrohlichen Zustandes zu konzentrieren und ihren hohen<br />

diesbezüglichen Arbeitse<strong>in</strong>satz zu leisten.


40<br />

gestützt, die darauf h<strong>in</strong>weisen, „dass Pflegekräfte mit e<strong>in</strong>em<br />

ausreichenden Bildungs- und Betreuungsangebot die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

und Belastungen, die mit <strong>der</strong> Begleitung Sterben<strong>der</strong> entstehen,<br />

sichtlich souveräner bewältigen. Sie konstatieren deutlich weniger<br />

negative Belastungen bei <strong>der</strong> Betreuung Sterben<strong>der</strong> als an<strong>der</strong>e“<br />

(Kaluza/ Töpferwe<strong>in</strong> 2001:598). Wettreck (2004:6ff.) weist <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang darauf h<strong>in</strong>, dass die Verarbeitung existentieller<br />

Belastungen bei Mediz<strong>in</strong>ern und Pflegekräften e<strong>in</strong>e Dimension <strong>der</strong><br />

Berufs– und Persönlichkeitsentwicklung normaler und gesun<strong>der</strong><br />

Mitarbeiter darstelle und die diesbezüglichen Versuche ke<strong>in</strong>esfalls als<br />

neurotisch o<strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuelle Schwäche zu verstehen seien. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

könne diese „existentielle Arbeit“ för<strong>der</strong>lich o<strong>der</strong> ungesund verlaufen,<br />

<strong>in</strong> dem sie entwe<strong>der</strong> thematisiert, geför<strong>der</strong>t und unterstützt o<strong>der</strong> ignoriert,<br />

negiert o<strong>der</strong> beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t würde.<br />

Inwieweit e<strong>in</strong>e gezielte Beschäftigung <strong>der</strong> Pflegenden mit den e<strong>in</strong>zelnen<br />

Belastungsursachen aus <strong>der</strong> Sterbebegleitung erfolgen und<br />

unterstützt werden kann, soll am Ende <strong>der</strong> Arbeit unter Berücksichtigung<br />

aller angesprochenen Aspekte detaillierter betrachtet werden.<br />

Bezug nehmend auf die möglichen Auswirkungen dauerhaft<br />

bestehen<strong>der</strong> psychischer Abwehrmechanismen werden im folgenden<br />

die Charakteristika des sog. „Burnout–Syndroms dargestellt, dass als<br />

e<strong>in</strong>e „Verdichtung von Abwehrmechanismen“ (Bartholomeyczik<br />

2004:7) gilt.<br />

4.2.1 Burnout – Syndrom<br />

Der Begriff Burnout –Syndrom wurde 1975 von dem amerikanischen<br />

Psychoanalytiker Freudenberger als Charakterisierung für die von<br />

ihm beobachtete Metamorphose anfänglich engagierter,<br />

aufopferungsvoller Mitarbeiter sozialer E<strong>in</strong>richtungen zu erschöpften,<br />

misstrauischen und den Klienten gegenüber negativ bis zynisch<br />

e<strong>in</strong>gestellten Mitarbeitern geprägt. Er beschrieb Burnout als e<strong>in</strong>en<br />

Zustand körperlicher, geistiger und emotionaler Erschöpfung, bei dem<br />

es sich nicht um normale Arbeitsmüdigkeit handelt (Wagner 1993:5).<br />

Mittlerweile liegen verschiedenste Annahmen und Erklärungsansätze<br />

über die Ursachen und den Verlauf des Burnout vor. Bezüglich <strong>der</strong>


41<br />

verursachenden Faktoren des Burnout werden sowohl Persönlichkeitsmerkmale<br />

des Helfers als auch Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen und gesellschaftliche<br />

Entwicklungen diskutiert (vgl. Wagner 1993), wobei nach<br />

Bartholomeyczik (2004:7) schlechte Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen als vorrangig<br />

verursachend anzusehen s<strong>in</strong>d.<br />

Die Symptome des Burnout können mannigfaltig se<strong>in</strong> und sollen hier<br />

nicht im E<strong>in</strong>zelnen aufgeführt werden. E<strong>in</strong> häufig dargestelltes<br />

Charakteristikum stellt allerd<strong>in</strong>gs <strong>der</strong> Verlauf des „Ausbrennens“ dar,<br />

<strong>der</strong> über e<strong>in</strong>e Anfangsphase mit gesteigertem Engagement bei<br />

Verleugnung eigener Bedürfnisse über Phasen reduzierten Engagements<br />

mit Distanzierung von Klienten, zunehmend negativer<br />

Arbeitse<strong>in</strong>stellung, allgeme<strong>in</strong>em Rückzug und Stimmungslabilität bis<br />

zu e<strong>in</strong>er Endphase mit Gefühlen generalisierter Hilflosigkeit und den<br />

Symptomen e<strong>in</strong>er Depression mit allen sozialen Folgen führen kann<br />

(vgl. Schmidbauer 2002, Allgeier 1999).<br />

Obwohl Burnout mittlerweile für die verschiedensten Berufe und<br />

gesellschaftlichen Gruppen beschrieben wird, besteht weitgehende<br />

E<strong>in</strong>igkeit darüber, dass vor allem idealistisch orientierte, hochmotivierte<br />

Angehörige helfen<strong>der</strong> Berufe betroffen s<strong>in</strong>d (vgl. Fröhlich<br />

1998:104).<br />

In Bezug auf die Bewältigungsformen von Intensivpflegepersonal im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Sterbegleitung und dem <strong>in</strong> dieser Arbeit zugrunde<br />

gelegten Belastungs- und Bewältigungsbegriff ist <strong>der</strong> Erklärungsansatz<br />

des Burnout–Konzeptes von Cherniss (1980 <strong>in</strong>: Wagner<br />

1993:39ff.) aufgrund se<strong>in</strong>er theoretischen Fundierung durch die<br />

Stresstheorie von Lazarus <strong>in</strong>teressant.<br />

Demnach wird Burnout als e<strong>in</strong> Prozess def<strong>in</strong>iert, <strong>in</strong> dem sich e<strong>in</strong><br />

ursprünglich engagierter Professioneller, als Reaktion auf berufliche<br />

Stressoren, von se<strong>in</strong>er Arbeit zurückzieht. Entscheidend für das<br />

Entstehen des Burnout ist dabei die Art <strong>der</strong> Bewältigung <strong>der</strong><br />

Anfor<strong>der</strong>ungen, wobei ursächlich e<strong>in</strong>e im Wesentlichen <strong>in</strong>trapsychische<br />

Form <strong>der</strong> Bewältigung von psychologischem Stress angenommen<br />

wird, die sich <strong>in</strong> psychischem wie auch physischem Rückzug<br />

zeigen kann. Psychischer Rückzug kann dabei <strong>in</strong> Form von Apathie,<br />

Zynismus o<strong>der</strong> Rigidität, physischer als körperlich–räumliche Distan-


42<br />

zierung und Meidung von Klientenkontakt deutlich werden. Die Wahl<br />

dieser Bewältigungsstrategien erfolgt nach Cherniss jedoch nicht<br />

zwangsläufig, son<strong>der</strong>n hauptsächlich, wenn sich die Helfer <strong>in</strong> Bezug<br />

auf Arbeitsaufgaben und -<strong>in</strong>halte ständig <strong>in</strong>effektiv und hilflos fühlen.<br />

Da das so geprägte Bewältigungsverhalten se<strong>in</strong>erseits wie<strong>der</strong><br />

psychologischen Arbeitsstress durch Gefühle von Autonomieverlust<br />

und Versagen bewirkt, handelt es sich also um e<strong>in</strong>en sich selbst<br />

verstärkenden Prozess.<br />

In <strong>der</strong> Ursachenbekämpfung betont Cherniss (1980 <strong>in</strong>: Wagner<br />

1993:55ff.) drei Ebenen: das Individuum, die Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen und<br />

die Gesellschaft. Das größte Potential für positive Verän<strong>der</strong>ungen im<br />

S<strong>in</strong>ne von Prävention und Intervention misst er dabei dem Arbeitsumfeld<br />

zu. Das Ziel von Intervention müsse e<strong>in</strong>e Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung von<br />

Stressoren bei gleichzeitiger Steigerung <strong>der</strong> Fähigkeit zum bewältigenden<br />

Umgang mit Stress se<strong>in</strong>.<br />

Folgt man diesem konzeptuellen Ansatz, so lässt er e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e<br />

Gefährdung des Pflegepersonals e<strong>in</strong>er Intensivstation für e<strong>in</strong><br />

„Ausbrennen“ vermuten 13 , da dieses sich offensichtlich immer wie<strong>der</strong><br />

gezwungen sieht defensive Bewältigungsstrategien auch im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung anzuwenden (vgl. Kap.5). Zur Prävention und<br />

Intervention von Burnout bei Intensivpflegepersonal müssten<br />

demnach konkrete Maßnahmen <strong>der</strong> Stressorenverm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung und<br />

Alternativen <strong>der</strong> Bewältigung zu „Rückzug und Abwehr“ angeboten<br />

werden.<br />

Wagner (1993:101) weist zudem auf die sozial–gesellschaftlichen Co<br />

–Determ<strong>in</strong>anten des Burnout h<strong>in</strong>. Die gesellschaftlichen Entwicklungen<br />

bee<strong>in</strong>flussen Burnout z.B. durch die Qualität und Quantität <strong>der</strong><br />

„produzierten, sozialen Probleme“, die <strong>in</strong>stitutionellen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

und den Stellenwert <strong>der</strong> jeweiligen Arbeit. Wagner sieht die Gefahr,<br />

<strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition des Burnout als „mysteriöse Berufskrankheit“, womit die<br />

13 Zu <strong>der</strong> Frage, <strong>in</strong>wieweit die Verbreitung des Burnout– Syndroms <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Pflege und erst recht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Intensivpflege tatsächlich gegeben ist, werden<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> vorliegenden Literatur mit Verweis auf die hohe Zahl <strong>der</strong><br />

frühzeitigen Berufsaussteiger und <strong>der</strong> problematischen Erfassung<br />

prozessualer Vorgänge ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutigen Angaben gemacht (Lloyd-Jones<br />

2002: 221).


43<br />

gesellschaftliche Verantwortung für die Situation <strong>der</strong> Helfer ignoriert<br />

würde. Die betroffenen Berufs<strong>in</strong>haber müssten sich andrerseits <strong>der</strong><br />

Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten <strong>in</strong> ihrer Berufsrolle bewusst werden und diese<br />

<strong>in</strong> ihre berufliche Identität <strong>in</strong>tegrieren (Wagner 1993:115).<br />

Es ist davon auszugehen, dass für Intensivpflegekräfte die Bewusstmachung<br />

und Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit den wi<strong>der</strong>sprüchlichen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

ihrer beruflichen Tätigkeit, z.B. <strong>der</strong> unterschiedlichen Zielsetzung<br />

von <strong>in</strong>tensivtherapeutischer Behandlung und menschenwürdiger<br />

Sterbebegleitung (vgl. Kap. 3), e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung des persönlichen<br />

Berufsbildes und somit e<strong>in</strong>e deutliche Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung rollenbed<strong>in</strong>gter<br />

Belastungen zur Folge hätte.<br />

Die Bedeutung gesellschaftlicher Setzungen und Entwicklungen, auf<br />

die <strong>in</strong> allen Burnout–Konzepten h<strong>in</strong>gewiesen wird, erstreckt sich auch<br />

auf die Prävention des Burnout durch und <strong>in</strong>nerhalb von Aus– und<br />

Weiterbildung. In Anbetracht <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen und Belastungen, die<br />

sich für das Intensivpflegepersonal aus <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

ergeben, ersche<strong>in</strong>t die Betrachtung <strong>der</strong> Aus– und Weiterbildung im<br />

H<strong>in</strong>blick auf die entsprechende Kompetenzvermittlung zur Bewältigung<br />

<strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen, s<strong>in</strong>nvoll.<br />

5. Thema Sterbebegleitung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausbildung und<br />

Fachweiterbildung<br />

5.1 Notwendige Kompetenzen für die <strong>in</strong>tensivpflegerische<br />

Sterbebegleitung<br />

Die Def<strong>in</strong>ition von Sterbebegleitung und die Darstellungen <strong>der</strong> Situation<br />

und Belastungen <strong>der</strong> Intensivpflegenden machen die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

an die Pflegekräfte deutlich, die aus <strong>der</strong> Begleitung sterben<strong>der</strong><br />

Menschen auf <strong>der</strong> Intensivstation entstehen.<br />

Hieraus lassen sich, abgesehen von den generellen pflegerischen<br />

Kompetenzen, die <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

notwendig sche<strong>in</strong>enden Kompetenzen ableiten. Erfor<strong>der</strong>lich s<strong>in</strong>d<br />

demnach grundlegende Kenntnisse über mögliche physische und<br />

psychische Abläufe im Rahmen des Sterbevorganges, um angemes-


44<br />

sene pflegerische Maßnahmen e<strong>in</strong>zusetzen und Wünsche und<br />

Verhalten von Patienten und Angehörigen besser verstehen und<br />

e<strong>in</strong>ordnen zu können. In <strong>der</strong> Interaktion mit Patienten, Angehörigen<br />

und Mitarbeitern ist neben kommunikativen Kompetenzen, z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Gesprächsführung, pflegerische Beratungskompetenz gefor<strong>der</strong>t.<br />

Dabei soll unter Beratung nicht alle<strong>in</strong> Information und Anleitung<br />

verstanden werden, son<strong>der</strong>n dem Beratungsansatz von Koch –<br />

Straube (2001) folgend, e<strong>in</strong>e pflegerische Intervention, die ausgehend<br />

von den gesundheitlichen E<strong>in</strong>schränkungen <strong>der</strong> Patienten „...<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em ganzheitlichen Verständnis, Konflikte und Bee<strong>in</strong>trächtigungen<br />

<strong>in</strong> allen Dimensionen menschlichen Se<strong>in</strong>s e<strong>in</strong>schließen können“<br />

(Koch – Straube 2001:86). Insbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> Bezug auf den Sterbeprozess<br />

und die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> eigenen Endlichkeit sieht<br />

Koch – Straube (2001: 89) die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er leiborientierten<br />

Beratung 14 , da <strong>in</strong> diesem Prozess die Menschen mit ihren eigenen<br />

psychischen, spirituellen und sozialen Ressourcen vorübergehend<br />

o<strong>der</strong> langfristig überfor<strong>der</strong>t seien. Aspekte personaler Kompetenzen<br />

wie die Entwicklung und Reflexion eigener Standpunkte <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

persönlichen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit dem Thema Sterben und Tod,<br />

Erkennen eigener Möglichkeiten und Grenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Begleitung,<br />

Aufrechterhaltung e<strong>in</strong>er Nähe–Distanz–Balance <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beziehung zu<br />

Patienten und Angehörigen sowie Kenntnisse von Möglichkeiten im<br />

Umgang mit Belastungen sche<strong>in</strong>en im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

wichtig. Mit Blick auf die beson<strong>der</strong>e Problematik <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

auf e<strong>in</strong>er von Technik und mediz<strong>in</strong>isch–therapeutischen Interventionen<br />

dom<strong>in</strong>ierten Intensivstation sollten die Pflegekräfte e<strong>in</strong> ausgeprägtes<br />

Bewusstse<strong>in</strong> <strong>der</strong> professionellen und persönlichen Verantwortung<br />

für die Gestaltung <strong>der</strong> beruflichen und gesellschaftlichen<br />

Gegenwart besitzen.<br />

Zur Beurteilung, <strong>in</strong>wiefern die erfor<strong>der</strong>lichen Kompetenzen im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Krankenpflegeausbildung und <strong>der</strong> Weiterbildung zur<br />

14 Unter dem „Leibbegriff“ soll dabei <strong>der</strong> Körper als Träger von Seele und<br />

Geist, auf dem alle Erfahrungen des Lebens ihre Spuren h<strong>in</strong>terlassen<br />

haben, verstanden werden. So ist auch das Lebenskont<strong>in</strong>uum e<strong>in</strong>es<br />

Menschen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Leib <strong>in</strong>tegriert und wird neben körperlichen Belangen<br />

und aktueller psychosozialer Situation <strong>in</strong> die Beratung e<strong>in</strong>bezogen (Koch–<br />

Straube 2001:85ff.)


45<br />

Fachpflegekraft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Intensivpflege und Anästhesie, erworben<br />

werden können, sollen im folgenden die jeweiligen gesetzlichen<br />

Vorgaben und Richtl<strong>in</strong>ien auf diese Frage h<strong>in</strong> untersucht werden, da<br />

sie den Rahmen und die Inhalte <strong>der</strong> Aus– und Weiterbildung festlegen.<br />

Die detaillierte Festlegung <strong>der</strong> Inhalte und didaktische Umsetzung<br />

liegt dagegen weitestgehend im Zuständigkeitsbereich <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen,<br />

ausbildenden E<strong>in</strong>richtungen und Institute und kann deshalb nur<br />

beispielhaft dargestellt werden.<br />

5.2 Krankenpflegeausbildung<br />

Die gesetzliche Grundlage <strong>der</strong> Krankenpflegeausbildung bildet das<br />

neue Krankenpflegegesetz, dass am 01.04.2004 <strong>in</strong> Kraft getreten ist.<br />

Hierzu zählt auch die neue Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für<br />

die Berufe <strong>der</strong> Krankenpflege, die die M<strong>in</strong>destanfor<strong>der</strong>ungen an die<br />

Ausbildung und das Prüfungsverfahren festlegt (Bundesm<strong>in</strong>isterium<br />

für Gesundheit und Soziale Sicherung 2003). Dabei werden die im<br />

theoretischen und praktischen Unterricht abzuhandelnden Themenbereiche<br />

vorgegeben.<br />

Die für die Frage des Kompetenzerwerbs im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

<strong>in</strong>teressanten Themen – und Lernzielvorgaben werden hier<br />

auszugsweise aus Anlage 1 <strong>der</strong> Verordnung wie<strong>der</strong>gegeben:<br />

„Der theoretische und praktische Unterricht umfasst folgende<br />

Themenbereiche: ...<br />

Punkt 3: Unterstützung, Beratung und Anleitung <strong>in</strong> gesundheitsund<br />

pflegerelevanten Fragen fachkundig gewährleisten<br />

• Die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler s<strong>in</strong>d zu befähigen,<br />

Pflegebedürftige aller Altersgruppen bei <strong>der</strong> Bewältigung vital<br />

o<strong>der</strong> existentiell bedrohlicher Situationen, die aus Krankheit,<br />

Unfall, Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> im Zusammenhang mit Lebens –<br />

o<strong>der</strong> Entwicklungsphasen entstehen, zu unterstützen, ...<br />

• Angehörige und Bezugspersonen zu beraten, anzuleiten und<br />

<strong>in</strong> das Pflegehandeln zu <strong>in</strong>tegrieren


46<br />

• Die Überleitung von Patient<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong> Patienten <strong>in</strong> an<strong>der</strong>e<br />

E<strong>in</strong>richtungen o<strong>der</strong> Bereiche <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en<br />

Berufsgruppen kompetent durchzuführen sowie die Beratung<br />

für Patient<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong> Patienten und Angehörigen o<strong>der</strong><br />

Bezugspersonen <strong>in</strong> diesem Zusammenhang sicher zu stellen.<br />

Punkt 5: Pflegehandeln personenbezogen ausrichten Die<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler s<strong>in</strong>d zu befähigen,<br />

• In ihrem Pflegehandeln <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e das Selbst-<br />

bestimmungsrecht und die <strong>in</strong>dividuelle Situation <strong>der</strong> zu<br />

pflegenden Personen zu berücksichtigen,<br />

• In ihr Pflegehandeln das soziale Umfeld von zu pflegenden<br />

Personen e<strong>in</strong>zubeziehen, ethnische, <strong>in</strong>terkulturelle, religiöse<br />

und an<strong>der</strong>e gruppenspezifische Aspekte sowie ethische<br />

Grundfragen zu beachten<br />

Punkt 10: Berufliches Selbstverständnis entwickeln und lernen,<br />

berufliche Anfor<strong>der</strong>ungen zu bewältigen<br />

• Die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler s<strong>in</strong>d zu befähigen, ...<br />

• Den Pflegeberuf im Kontext <strong>der</strong> Gesundheitsfachberufe zu<br />

positionieren<br />

• Mit Krisen – und Konfliktsituationen konstruktiv umzugehen<br />

Punkt 11: Auf die Entwicklung des Pflegeberufes im<br />

gesellschaftlichen Kontext E<strong>in</strong>fluss nehmen<br />

Die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler s<strong>in</strong>d zu befähigen,<br />

• Entwicklungen im Gesundheitswesen wahrzunehmen, <strong>der</strong>en<br />

Folgen für den Pflegeberuf e<strong>in</strong>zuschätzen und sich <strong>in</strong> die<br />

Diskussion e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen<br />

• Die eigene Ausbildung kritisch zu betrachten sowie<br />

Eigen<strong>in</strong>itiative und Verantwortung für das eigene Lernen zu<br />

übernehmen<br />

Punkt 12: In Gruppen und Teams zusammenarbeiten<br />

Die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler s<strong>in</strong>d zu befähigen,


47<br />

• Pflegerische Erfor<strong>der</strong>nisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>tra- sowie <strong>in</strong>terdis-<br />

zipl<strong>in</strong>ären Team zu erklären, angemessen und sicher zu<br />

vertreten sowie an <strong>der</strong> Aushandlung geme<strong>in</strong>samer Behand-<br />

lungs- und Betreuungskonzepte mitzuwirken<br />

• Die Grenzen des eigenen Verantwortungsbereiches zu beach-<br />

ten und im Bedarfsfall die Unterstützung und Mitwirkung durch<br />

an<strong>der</strong>e Experten im Gesundheitswesen e<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n und zu<br />

organisieren<br />

• Im Rahmen von Konzepten an <strong>der</strong> <strong>in</strong>tegrierten Versorgung<br />

mitzuarbeiten“<br />

(Drucksache 578/03:14ff.)<br />

Als Beispiel für die curriculare Umsetzung dieser Vorgaben soll hier<br />

die Ausbildungsrichtl<strong>in</strong>ie des Bundeslandes Nordrhe<strong>in</strong> – Westfalen<br />

herangezogen werden. Sie wurde <strong>in</strong>folge <strong>der</strong> Vorgaben durch die<br />

neue Ausbildungs- und Prüfungsverordnung entwickelt und ist seit<br />

dem 01.01.2004 für die Ausbildungsplanung und -durchführung <strong>der</strong><br />

Kranken – und K<strong>in</strong><strong>der</strong>krankenpflegeschulen aller neu beg<strong>in</strong>nenden<br />

Ausbildungen <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong> – Westfalen verb<strong>in</strong>dlich (Fischer 2004:1)<br />

Nach dieser Ausbildungsrichtl<strong>in</strong>ie werden die Inhalte <strong>der</strong> Ausbildung<br />

<strong>in</strong> unterschiedliche Lernbereiche unterteilt.<br />

Hierbei f<strong>in</strong>det sich im Lernbereich, <strong>der</strong> als „Pflegerische Kernaufgaben“<br />

ausgewiesen ist, <strong>der</strong> Teilbereich : Gespräche führen, beraten<br />

und anleiten. Innerhalb dieses Bereiches soll e<strong>in</strong> grundlegen<strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Theorie und Praxis <strong>der</strong> Gesprächsführung, <strong>der</strong><br />

Anleitung und Beratung vermittelt und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis erprobt werden,<br />

Die Stundenempfehlung für diese Lerne<strong>in</strong>heit beträgt 24 Stunden.<br />

Aufbauend auf diese E<strong>in</strong>führung ist die Vertiefung <strong>der</strong> Gesprächskompetenzen<br />

im Blick auf e<strong>in</strong>zelne Zielgruppen, z.B. Krisen<strong>in</strong>terventionsgespräche<br />

mit Patienten und Angehörigen o<strong>der</strong> Konfliktgespräche<br />

mit Kollegen und Vorgesetzten, vorgesehen. Hierfür wird e<strong>in</strong><br />

Stundenkont<strong>in</strong>gent von <strong>in</strong>sgesamt 38 Stunden empfohlen. Ebenso<br />

wird die Befähigung zur Anleitung und Beratung zu konkreten pflegerischen<br />

Themen, mit e<strong>in</strong>er Stundenempfehlung von 24 Stunden,<br />

vorgeschrieben, worunter als mögliche Teilsequenz <strong>der</strong> Lerne<strong>in</strong>heit


48<br />

auch die Beratung/Anleitung zur schonenden Pflege Sterben<strong>der</strong><br />

genannt wird.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Teilbereich des Lernbereiches „ Pflegerische<br />

Kernaufgaben“ be<strong>in</strong>haltet die Lerne<strong>in</strong>heit „Sterbende Menschen<br />

pflegen.“<br />

Im Rahmen dieser Lerne<strong>in</strong>heit sollen sowohl pflegerische, als auch<br />

pflegerelevante Inhalte aus den Geistes– und Sozialwissenschaften,<br />

sowie aus Recht, Politik und Wirtschaft vermittelt werden. Die<br />

pflegerischen Inhalte umfassen die Reflexion <strong>der</strong> eigenen Auffassung<br />

zu Sterben und Tod, die Vermittlung von Forschungsergebnissen aus<br />

<strong>der</strong> Thanatologie 15 , die Grundsätze <strong>der</strong> Hospizbewegung, die Darstellung<br />

des Sterbens <strong>in</strong> unterschiedlichen E<strong>in</strong>richtungen des Gesundheitswesens<br />

bzw. zu Hause, die Bedeutung religiös-kultureller<br />

Überzeugungen, Aspekte <strong>der</strong> Gesprächsführung und Kenntnisse des<br />

physiologischen Sterbevorganges. Die Stundenempfehlung für diese<br />

Lerne<strong>in</strong>heit beträgt 24 Stunden, bei e<strong>in</strong>em Gesamtstundenkont<strong>in</strong>gent<br />

von 2100 Stunden theoretischer und 2500 Stunden praktischer<br />

Ausbildung.<br />

Im Lernbereich „Ausbildungs- und Berufssituation von Pflegenden“<br />

f<strong>in</strong>den sich Themen, wie: „ Ethische Herausfor<strong>der</strong>ungen für Angehörige<br />

<strong>der</strong> Pflegeberufe“ mit e<strong>in</strong>er Stundenempfehlung von 8 Stunden<br />

und „ Schüler als Betroffene schwieriger, sozialer Situationen“, <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>der</strong>er die persönliche und berufliche Bedeutung von Helfen, das<br />

Helfer– und Burnout-Syndrom, sowie Möglichkeiten <strong>der</strong> persönlichen<br />

Entlastung und Unterstützung thematisiert werden sollen. Die<br />

formulierte Zielsetzung dieses Lernbereiches ist die Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>es beruflichen Selbstverständnisses und die Bewältigung<br />

beruflicher Anfor<strong>der</strong>ungen. Die Stundenempfehlungen betragen pro<br />

Lerne<strong>in</strong>heit jeweils 8 Stunden (M<strong>in</strong>isterium für Gesundheit, Soziales,<br />

Frauen und Familie NRW:37ff.).<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Überprüfung <strong>der</strong> staatlichen Anerkennung <strong>der</strong><br />

Krankenpflegeschulen nach den neuen gesetzlichen Vorgaben wird<br />

die E<strong>in</strong>haltung und Umsetzung <strong>der</strong> neuen gesetzlichen - und Richtli-<br />

15<br />

Thanatologie: (griech.) Sterbensforschung (Meyers großes Taschenlexikon<br />

Bd. 22 1992:66)


49<br />

nienvorgaben an den Krankenpflegeschulen überprüft (Fischer<br />

2004:1).<br />

Nach Aussage leiten<strong>der</strong> Lehrer für Pflegeberufe zweier Krankenpflegeschulen<br />

<strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen 16 gab es vor Inkrafttreten dieser<br />

neuen Ausbildungsrichtl<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> NRW ke<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dlichen curricularen<br />

und nur sehr globale thematische Vorgaben. Die Krankenpflegeschulen<br />

orientierten sich an unterschiedlichen curricularen Entwürfen,<br />

wie z.B. dem AKOD – Curriculum, herausgegeben von <strong>der</strong> Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

krankenpflegen<strong>der</strong> Ordensleute Deutschlands (Marienhaus<br />

GMBH Waldbreitbach 2005).<br />

Bezüglich <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> genannten Unterrichtse<strong>in</strong>heiten werden,<br />

nach Aussage <strong>der</strong> bereits zitierten Lehrer für Pflegeberufe, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Schule Theologen mit <strong>der</strong> Vermittlung ethischer Themen beauftragt,<br />

woh<strong>in</strong>gegen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Schule sämtliche Themenaspekte <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung von Lehrern und Lehrer<strong>in</strong>nen für Pflegeberufe<br />

vermittelt werden. Die Auswahl <strong>der</strong> zu behandelnden Themen im<br />

Lernbereich „Ethische Herausfor<strong>der</strong>ungen für Angehörige <strong>der</strong> Pflegeberufe“<br />

wird <strong>in</strong> beiden Schulen den Schülern anheim gestellt, wobei<br />

das Thema Sterben und Sterbebegleitung von den Auszubildenden<br />

häufig favorisiert werde.<br />

In <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> gesetzlichen Vorgaben im Blick auf die<br />

Kompetenzvermittlung für die Sterbebegleitung, s<strong>in</strong>d die diesbezüglich<br />

bedeutsamen Kompetenzen als <strong>in</strong>haltliche Vorgaben vorgesehen.<br />

Nach den Vorgaben <strong>der</strong> Verordnung wird sowohl die persönliche, als<br />

auch die berufliche und gesellschaftliche Ebene des Pflegeberufes<br />

thematisiert, wobei entsprechende Aspekte <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

e<strong>in</strong>gebracht werden könnten.<br />

Beispielhaft sieht die Ausbildungsrichtl<strong>in</strong>ie für NRW die Vermittlung<br />

von Grundlagenwissen, pflegepraktischen, kommunikativen und<br />

beratenden Kompetenzen im H<strong>in</strong>blick auf Sterbebegleitung vor. Die<br />

Diskussion ethisch bedeutsamer Fragen und die Entwicklung<br />

16 Auf Wunsch <strong>der</strong> zitierten Personen wird die Anonymität <strong>der</strong> zitierten<br />

Personen und Institute <strong>in</strong> dieser Arbeit gewahrt. Die genannten Aus- und<br />

Weiterbildungsstätten bef<strong>in</strong>den sich im Ruhrgebiet und im Märkischen<br />

Kreis.


50<br />

personaler Kompetenzen kann <strong>in</strong> den entsprechenden Lernbereichen<br />

erfolgen.<br />

In <strong>der</strong> Kommentierung <strong>der</strong> Richtl<strong>in</strong>ie wird auf <strong>der</strong>en übergreifende<br />

Zielsetzung h<strong>in</strong>gewiesen, die durch die Vermittlung von berufsübergreifenden<br />

Schlüsselqualifikationen: fachlichen, sozial- kommunikativen,<br />

methodischen und personalen Kompetenzen, charakterisiert ist.<br />

Bezüglich <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Lernprozesse werden Anregungen<br />

gegeben, die e<strong>in</strong>e Abkehr von nur auf Vermittlung von Faktenwissen<br />

konzentriertem Vorgehen bewirken sollen (M<strong>in</strong>isterium für Gesundheit,<br />

Soziales, Frauen und Familie NRW 2003:8ff.). Diese Aspekte<br />

ersche<strong>in</strong>en <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Kompetenzvermittlung für die<br />

Sterbebegleitung s<strong>in</strong>nvoll, da hier, wie geschil<strong>der</strong>t, die sog.<br />

Schlüsselqualifikationen e<strong>in</strong>e große Bedeutung haben und wichtige<br />

Inhalte, wie z.B. die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit den persönlichen<br />

Todesvorstellungen, beson<strong>der</strong>e Formen <strong>der</strong> Anleitung und Begleitung<br />

erfor<strong>der</strong>n.<br />

Im Bezug auf die Umsetzung berufsübergreifen<strong>der</strong> Qualifikationen <strong>in</strong><br />

pflegespezifischen Ansätzen, wie z.B. im Rahmen <strong>der</strong> pflegerischen<br />

Beratung, werden ke<strong>in</strong>e dezidierten Angaben gemacht (vgl. M<strong>in</strong>isterium<br />

für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie NRW 2003:37). Es<br />

ist zudem <strong>in</strong> Frage zu stellen, ob die empfohlene Stundenzahl für<br />

e<strong>in</strong>e umfassende Kompetenzvermittlung ausreicht. An dieser Stelle<br />

wird die Notwendigkeit des Ausbaues beruflicher Fähigkeiten, auch<br />

nach Abschluss <strong>der</strong> Ausbildung, und damit die systematische Fortbildung<br />

und Begleitung ausgebildeter Pflegekräfte deutlich.<br />

Ausschlaggebend für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Vorbereitung auf die beruflichen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen durch die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausbildung vermittelten Inhalte<br />

ist ebenso die didaktische Umsetzung <strong>der</strong> Vorgaben und die Qualität<br />

<strong>der</strong> Praxisbegleitung, die e<strong>in</strong>en wichtigen Faktor im Rahmen des<br />

Theorie-Praxis-Transfers darstellt (vgl. M<strong>in</strong>isterium für Gesundheit,<br />

Soziales, Frauen und Familie NRW 2003:12).


5.3 Fachweiterbildung<br />

51<br />

Die gesetzliche Regelung von Weiterbildungen erfolgt <strong>in</strong> Deutschland<br />

auf Län<strong>der</strong>ebene. Auch hier soll beispielhaft die nordrhe<strong>in</strong>- westfälische<br />

Weiterbildungs- und Prüfungsverordnung zu Fachkrankenschwestern,<br />

-pflegern, Fachk<strong>in</strong><strong>der</strong>krankenschwestern und -pflegern <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Intensivpflege und Anästhesie betrachtet werden.<br />

Dort heißt es <strong>in</strong> §1: „Ziele <strong>der</strong> Weiterbildung<br />

(1) Intensivpflege umfasst die Unterstützung, Übernahme und<br />

Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Aktivitäten des Lebens beim kritisch<br />

kranken Patienten mit manifesten o<strong>der</strong> drohenden Störungen<br />

vitaler Funktionen.<br />

(2) Die Weiterbildung soll Krankenschwestern, -pflegern,<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>krankenschwestern und -pflegern mit den vielfältigen<br />

Aufgaben <strong>der</strong> Intensivpflege vertraut machen und ihnen die<br />

zur Erfüllung dieser Aufgaben erfor<strong>der</strong>lichen speziellen<br />

Kenntnisse, Fertigkeiten und Verhaltensweisen auf <strong>der</strong><br />

Grundlage e<strong>in</strong>es engen Theorie-Praxis-Bezugs vermitteln.<br />

(3) Zu den Aufgaben <strong>der</strong> Pflegefachkräfte für Intensivpflege und<br />

Anästhesie zählen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e:<br />

• geplante Intensivpflege als gesundheitsför<strong>der</strong>nde<br />

Lebenshilfe unter Aktivierung <strong>der</strong> physischen,<br />

psychischen und sozialen Ressourcen <strong>der</strong> Patienten<br />

sowie l<strong>in</strong><strong>der</strong>nde Pflege und Sterbebegleitung ...<br />

• Zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en Berufsgruppen im<br />

therapeutischen Team bei <strong>der</strong> Durchführung und<br />

Überwachung fachspezifischer, therapeutischer und<br />

diagnostischer Maßnahmen, ...“ (M<strong>in</strong>isterium für Arbeit,<br />

Gesundheit und Soziales NRW 1995)<br />

Für die theoretische Weiterbildung werden 720 Stunden und für die<br />

praktische Weiterbildung 1200 Stunden vorgeschrieben.<br />

Die Anlage 1 <strong>der</strong> Verordnung gibt Empfehlungen zu den Inhalten und<br />

<strong>der</strong> jeweiligen Stundenverteilung für den theoretischen Unterricht, aus


52<br />

denen wie<strong>der</strong>um die zum Kompetenzerwerb im Rahmen <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung wichtigen Aspekte dargestellt werden. Unter <strong>der</strong><br />

Rubrik <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Grundlagen f<strong>in</strong>den sich unter an<strong>der</strong>en die<br />

Bereiche Wahrnehmung mit 20 Stunden, Kommunikation und<br />

Pädagogik mit 50 Stunden sowie berufliches Selbstverständnis mit 10<br />

Stunden. Innerhalb des Bereiches „Wahrnehmung“ s<strong>in</strong>d dabei<br />

Themen wie Selbst– und Fremdwahrnehmung, Selbsterfahrung und<br />

Supervision vorgesehen. Im Bereich <strong>der</strong> Kommunikation sollte<br />

Theorie und Praxis personenzentrierter Gesprächsführung, Kooperation,<br />

Konflikt und Teamarbeit, sowie Anleitung von Laien und<br />

Schülern thematisiert werden. Leitbil<strong>der</strong>, Normen und Werte <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Intensivpflege werden als Aspekte des beruflichen Selbstverständnisses<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Weiterbildung behandelt.<br />

Der Bereich fachliche Grundlagen <strong>der</strong> Intensivpflege umfasst Themen<br />

wie ethische Grundorientierungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Intensivpflege mit 10<br />

Stunden, spezielle Möglichkeiten <strong>der</strong> Kommunikation mit äußerungsund<br />

wahrnehmungsbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Patienten, Umgang mit dem<br />

Phänomen Schmerz, sowie l<strong>in</strong><strong>der</strong>nde Pflege und Sterbebegleitung,<br />

wobei für die drei letztgenannten ke<strong>in</strong>e isolierte Stundenempfehlung<br />

angegeben ist. Sie werden unter den thematischen Punkt „Hilfe bei<br />

<strong>der</strong> Unterstützung, Übernahme und Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Aktivitäten<br />

und Elemente des Lebens, bei <strong>der</strong> Anpassung von Funktions- und<br />

Körperteilverlusten und bei <strong>der</strong> Begleitung Sterben<strong>der</strong> unter Berücksichtigung<br />

des Pflegeprozesses“ mit e<strong>in</strong>er Stundenempfehlung von<br />

<strong>in</strong>sgesamt 150 Stunden, subsumiert. Hierbei stellen sie drei von zwölf<br />

Unterpunkten dar.<br />

Empfehlungen bezüglich <strong>der</strong> didaktischen Umsetzung <strong>der</strong> Lehr<strong>in</strong>halte<br />

werden nicht gegeben. Die weiterbildenden Institute und E<strong>in</strong>richtungen<br />

müssen dem M<strong>in</strong>isterium vor Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Weiterbildung die<br />

eigene <strong>in</strong>haltliche Gestaltung und organisatorische Planung zur<br />

Begutachtung vorlegen.<br />

In Bezug auf die Vermittlung von Kompetenzen für die Sterbebegleitung<br />

ist bewertend festzustellen, dass Sterbebegleitung per<br />

gesetzlicher Verordnung als <strong>in</strong>tensivpflegerische Aufgabe ausgewie-


53<br />

sen wird und von daher auch thematischen E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die Weiterbildung<br />

f<strong>in</strong>det 17 . Die <strong>in</strong> 6.1 angesprochenen Aspekte f<strong>in</strong>den sich<br />

größtenteils <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>haltlichen Empfehlung für die theoretische<br />

Weiterbildung durch die Verordnung wie<strong>der</strong>. Theoretische Kenntnisse<br />

werden, unter <strong>der</strong> Voraussetzung <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> Empfehlung,<br />

demnach <strong>in</strong> ausreichendem Maße vermittelt. Ob die zum<br />

Kompetenzerwerb unabd<strong>in</strong>gbare Übung z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesprächsführung,<br />

Anleitung, Selbstwahrnehmung und -erfahrung <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

Weiterbildung <strong>in</strong> ausreichendem Maße stattf<strong>in</strong>den kann und stattf<strong>in</strong>det,<br />

ist unklar. Die Beratung als pflegerische Intervention im S<strong>in</strong>ne<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> 6.1 vorgestellten Def<strong>in</strong>ition kommt <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>haltlichen Empfehlung<br />

nicht vor. Als zentraler Punkt vor allem bezüglich <strong>der</strong> persönlichen<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung <strong>der</strong> Pflegekräfte mit Sterben und Tod und<br />

<strong>der</strong> damit verbundenen Sensibilisierung für das Thema <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

ersche<strong>in</strong>t <strong>der</strong> Bereich <strong>der</strong> „ethischen Grundorientierungen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Intensivpflege“, im Rahmen dessen auch ethische Probleme des<br />

Berufsfeldes behandelt werden sollen. Für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Vorbereitung<br />

auf die Bewältigung dieser Probleme im beruflichen Alltag ist<br />

<strong>der</strong> Faktor <strong>der</strong> zur Verfügung stehenden Zeit, die mit <strong>in</strong>sgesamt 10<br />

Stunden zu ger<strong>in</strong>g ersche<strong>in</strong>t, sowie die Frage <strong>der</strong> Umsetzung und<br />

Gestaltung dieser Lerne<strong>in</strong>heit sicherlich ausschlaggebend.<br />

Beispielhaft wird deshalb an dieser Stelle die Gestaltung dieser<br />

Unterrichtse<strong>in</strong>heit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Weiterbildungs<strong>in</strong>stitut, nach Angaben<br />

e<strong>in</strong>er dort tätigen Lehrkraft, vorgestellt.<br />

Die Lerne<strong>in</strong>heit „Ethik“ hat im Rahmen <strong>der</strong> Weiterbildung an diesem<br />

Institut e<strong>in</strong>en Stundenumfang von ca. 18 Stunden theoretischen<br />

Unterrichts, davon entfallen ca. 8 Stunden auf die Thematik Sterben<br />

und Tod. Die <strong>in</strong>haltliche Planung sieht dabei folgende Themen vor:<br />

Sterbephasen, Hospizbewegung, Wünsche Sterben<strong>der</strong>, Umgang mit<br />

Angehörigen, Kommunikation über den Tod mit Mitarbeitern und<br />

an<strong>der</strong>en Berufsgruppen, religiöse Vorstellungen vom Sterben,<br />

Aufklärung bzw. Wahrheit am Krankenbett. Weiterh<strong>in</strong> werden <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

17 In <strong>der</strong> Weiterbildung zur Fachkrankenschwester für <strong>in</strong>nere Mediz<strong>in</strong> und<br />

Intensivmediz<strong>in</strong>, die die Verfasser<strong>in</strong> 1991-1993 absolvierte, wurden we<strong>der</strong><br />

das Thema Sterbebegleitung noch ethische Fragestellungen <strong>in</strong> Bezug auf<br />

die Intensivpflege behandelt.


54<br />

Lerne<strong>in</strong>heit „Ethik“ planungsgemäß Themen wie Menschenwürde,<br />

Organtransplantation und Euthanasie behandelt. Abwandlungen <strong>der</strong><br />

Planung dieser Lerne<strong>in</strong>heit s<strong>in</strong>d jedoch möglich, da die Teilnehmer<br />

E<strong>in</strong>fluss auf die Auswahl <strong>der</strong> zu behandelnden Themen im Bereich<br />

Ethik nehmen können.<br />

In e<strong>in</strong>em Gespräch mit <strong>der</strong> leitenden Lehrkraft e<strong>in</strong>er weiteren Weiterbildungsstätte<br />

führte diese aus, dass ihrer Me<strong>in</strong>ung nach das Thema<br />

Sterbebegleitung auf den Intensivstationen bewusst vernachlässigt<br />

und negiert werde. Die Weiterbildungsteilnehmer äußerten häufig<br />

nicht den Wunsch im Rahmen <strong>der</strong> Weiterbildung näher auf das<br />

Thema e<strong>in</strong>zugehen, da Sterbebegleitung auf <strong>der</strong> Intensivstation<br />

ke<strong>in</strong>en Platz habe und vor allem von ärztlicher Seite „bis zuletzt um<br />

das Leben des Patienten gekämpft werde“. In weitergehenden<br />

Gesprächen mit den Teilnehmern werde <strong>der</strong>en E<strong>in</strong>stellung, sich für<br />

die bestehenden Verhältnisse nicht verantwortlich zu fühlen bzw. das<br />

Gefühl, an ihnen nichts än<strong>der</strong>n zu können, deutlich. Bei den <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>der</strong> Weiterbildung zu absolvierenden praktischen Wahle<strong>in</strong>sätzen<br />

werde auch e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>satzmöglichkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik angeglie<strong>der</strong>ten<br />

Hospiz angeboten, die jedoch noch nie von e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> Teilnehmer<br />

genutzt worden sei. Supervisorische Begleitung während <strong>der</strong> Weiterbildungszeit<br />

sei von den Teilnehmern bisher abgelehnt worden. Die<br />

Lehrkraft fühle sich von daher <strong>in</strong> gewisser Weise hilflos, das konfliktbesetzte<br />

Thema im Rahmen <strong>der</strong> Weiterbildung anzugehen, zumal<br />

Unterstützung z.B. durch an<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Intensivtherapie tätige Professionen<br />

fehle. Da aber langsam e<strong>in</strong>e verän<strong>der</strong>te E<strong>in</strong>stellung zur<br />

Sterbekultur <strong>in</strong>nerhalb des Krankenhauses, vor allem auch durch die<br />

Anglie<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>es Hospizes, spürbar werde, hoffe sie, dass dieses<br />

Bewusstse<strong>in</strong> auch irgendwann bei den Mitarbeitern <strong>der</strong> Intensivstationen<br />

E<strong>in</strong>zug halte.<br />

Nach den zitierten Stellungnahmen sche<strong>in</strong>t die Behandlung ethischer<br />

Aspekte des Themas Sterbebegleitung, sowie die persönliche<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung und <strong>der</strong> Erwerb personaler Kompetenzen für<br />

diesen Bereich, im Rahmen <strong>der</strong> Weiterbildung, unterschiedlich und <strong>in</strong><br />

hohem Maße von <strong>der</strong> Mitarbeit und dem Interesse <strong>der</strong> Teilnehmer


55<br />

abhängig zu se<strong>in</strong>. Die Aussagen e<strong>in</strong>er leitenden Lehrkraft machen<br />

deutlich, dass die Problematik, die bestehende Zielsetzung von<br />

Intensivtherapie und menschenwürdiger Sterbebegleitung zu vere<strong>in</strong>baren,<br />

von den Intensivpflegekräften durchaus thematisiert wird. In<br />

dem genannten Beispiel sche<strong>in</strong>t es jedoch schwierig, das Gefühl <strong>der</strong><br />

Hilflosigkeit bezüglich <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung bestehen<strong>der</strong> Verhältnisse,<br />

aufzulösen. Insgesamt sche<strong>in</strong>t die Fachweiterbildung jedoch e<strong>in</strong> Ort<br />

zu se<strong>in</strong>, an dem <strong>der</strong> Anstoß zu e<strong>in</strong>er weitergehenden Diskussion<br />

dieser Thematik gegeben werden kann und wird. Die Vermittlung<br />

umfassen<strong>der</strong> Kompetenzen für die <strong>in</strong>tensivpflegerische Sterbebegleitung<br />

ist jedoch auch <strong>in</strong> Anbetracht <strong>der</strong> Fülle <strong>der</strong> abzuhandelnden<br />

Themen unwahrsche<strong>in</strong>lich. Die Begleitung <strong>der</strong> Weiterbildungsteilnehmer<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis und die Thematisierung <strong>der</strong> speziellen Belastungen,<br />

die für die Intensivpflegenden aus <strong>der</strong> Sterbebegleitung im<br />

<strong>in</strong>tensivtherapeutischen Kontext entstehen können, sollten e<strong>in</strong> fester<br />

Bestandteil <strong>der</strong> Weiterbildung se<strong>in</strong>. Dabei ist im Bezug auf die Interessenslage<br />

<strong>der</strong> Weiterbildungsteilnehmer zu bedenken, dass es sich<br />

meistens um Pflegekräfte handelt, die erst relativ kurz auf e<strong>in</strong>er<br />

Intensivstation tätig s<strong>in</strong>d 18 , und mit e<strong>in</strong>er Fülle von vor allem technischen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an ihre berufliche Kompetenz konfrontiert<br />

werden. So steht für sie naturgemäß <strong>der</strong> Kompetenzerwerb <strong>in</strong> Bezug<br />

auf spezielle <strong>in</strong>tensivtherapeutische und technische Aufgaben <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Intensivpflege und -mediz<strong>in</strong> im Rahmen <strong>der</strong> Weiterbildung häufig im<br />

Vor<strong>der</strong>grund. Es ist demzufolge als Aufgabe <strong>der</strong> Lehrkräfte anzusehen,<br />

die Bedeutung z.B. des Themas <strong>der</strong> Sterbebegleitung auch im<br />

H<strong>in</strong>blick auf die längerfristige Bewältigung beruflicher Belastungen<br />

hervorzuheben.<br />

Die Beschäftigung mit dem Aspekt <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong> Intensivpflegekräfte<br />

auf die Aufgabe <strong>der</strong> Sterbebegleitung durch Aus – und<br />

Weiterbildung schließt die Darstellung <strong>der</strong> Situation Pflegen<strong>der</strong> auf<br />

18 Durch die Weiterbildungsverordnung wird e<strong>in</strong>e sechsmonatige Tätigkeit<br />

auf e<strong>in</strong>er Intensivstation als Zugangsvoraussetzung für die Fachweiterbildung<br />

festgelegt.


56<br />

<strong>der</strong> Intensivstation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Betreuung sterben<strong>der</strong> Patienten <strong>in</strong> dieser<br />

Arbeit ab 19 .<br />

Vergleichsweise soll nun folgend die Situation professioneller<br />

Pflegekräfte <strong>in</strong> E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Hospizbewegung bzw. auf Palliativstationen<br />

erörtert werden.<br />

19 Es muss betont werden, dass weitere Themen und Aspekte, die die Situation<br />

vieler Pflegekräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>tensivpflegerischen Sterbebegleitung<br />

tangieren, z.B. ethische Fragen <strong>in</strong> Zusammenhang mit<br />

Organtransplantation, <strong>in</strong> dieser Arbeit nicht angesprochen werden, da sie<br />

e<strong>in</strong> eigenständiges Thema darstellen, dessen Behandlung im Rahmen<br />

dieser Arbeit zu weit führen würde.


57<br />

6 Situation <strong>der</strong> professionellen Pflegekräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Hospizbewegung<br />

Die wissenschaftliche Diskussion <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> letzten zwei<br />

Jahrzehnte zwischen Psychologie, Pflegewissenschaft, Mediz<strong>in</strong>,<br />

Soziologie und Theologie bezüglich <strong>der</strong> Sterbebegleitung <strong>in</strong> unserer<br />

Gesellschaft spiegelt sich hauptsächlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklung von<br />

Konzepten und Qualitätskriterien für ganzheitliche Betreuungsangebote<br />

im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Hospizidee und <strong>der</strong> Etablierung<br />

entsprechen<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen wie<strong>der</strong>. Entwicklung, Leitgedanken,<br />

Konzepte und Organisationsformen <strong>der</strong> Hospizbewegung werden<br />

deshalb e<strong>in</strong>führend dargestellt.<br />

6.1 Entwicklung <strong>der</strong> Hospizbewegung <strong>in</strong> Deutschland<br />

In <strong>der</strong> ersten Hälfte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts wurde die Betreuung von<br />

Patienten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sterbephase, begünstigt durch gesellschaftliche<br />

Verän<strong>der</strong>ungen und den Glauben an die Fortschritte <strong>der</strong> technisierten<br />

Mediz<strong>in</strong>, zunehmend <strong>in</strong>stitutionalisiert und aus dem gesellschaftlichen<br />

Bewusstse<strong>in</strong> verdrängt 20 . Anfang <strong>der</strong> 60er Jahre kam es dann zu<br />

e<strong>in</strong>er Gegenbewegung, die die Hospizbewegung hervorbrachte,<br />

<strong>der</strong>en Ausgangspunkt <strong>in</strong> London liegt. Hier wurde 1967 von Cicely<br />

Saun<strong>der</strong>s das erste Hospiz gegründet. Ihre Motivation entsprang <strong>der</strong><br />

Erkenntnis, „dass die Wünsche und Bedürfnisse <strong>der</strong> unheilbar<br />

Kranken <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em von Rout<strong>in</strong>e und starren Reglementierungen<br />

betriebenen Krankenhausalltag <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise berücksichtigt<br />

wurden“ (Brathuhn 1999:137). Von London breitete sich die Hospizbewegung<br />

über Kanada <strong>in</strong> die USA aus.<br />

In Deutschland wurde 1983 die erste stationäre Verwirklichung <strong>der</strong><br />

Hospizidee <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Palliativstation 21 an <strong>der</strong> Universitätskl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong><br />

20 Mit „Institutionalisierung des Sterbens“ ist hier die Verlagerung <strong>der</strong> Betreuung<br />

von Menschen <strong>in</strong> ihrer letzten Lebensphase <strong>in</strong> Krankenhäuser und<br />

Alten - und Pflegeheime geme<strong>in</strong>t, <strong>der</strong>en Experten dann auch die<br />

Normierung und Gestaltung dieser Phase übernahmen (vgl. Feldmann<br />

2004:162ff.).<br />

21 Das Wort „palliativ“ kommt aus dem Late<strong>in</strong>ischen und bedeutet: „krankheits-mil<strong>der</strong>nd,<br />

die Beschwerden e<strong>in</strong>er Krankheit l<strong>in</strong><strong>der</strong>nd, nicht die


58<br />

Köln umgesetzt. Das erste deutsche Hospiz wurde 1986 <strong>in</strong> Aachen<br />

eröffnet. Nach dem Stand von Dezember 2004 gibt es <strong>in</strong> Deutschland<br />

mittlerweile 1310 ambulante Hospizdienste,112 stationäre Hospize<br />

und 90 Palliativstationen. Es s<strong>in</strong>d ca. 80.000 Ehrenamtliche Mitarbeiter<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Hospizbewegung tätig (BAG Hospiz 2005).<br />

Mittlerweile hat sich im Verständnis des Hospizbegriffes e<strong>in</strong> Wandel<br />

von <strong>der</strong> konkreten Institution für Sterbende h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em ganzheitlichen<br />

Unterstützungs- und Betreuungskonzept für Sterbende und ihre<br />

Angehörigen vollzogen. Das wesentliche Bestreben dabei ist,<br />

sterbende Menschen wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Gesellschaft zu <strong>in</strong>tegrieren,<br />

weshalb <strong>der</strong> Wunsch, die letzte Phase des Lebens <strong>in</strong> <strong>der</strong> häuslichen<br />

Umgebung zu verbr<strong>in</strong>gen, beson<strong>der</strong>e Berücksichtigung f<strong>in</strong>det (vgl.<br />

Brathuhn 1999:140).<br />

Charakteristisch für die Hospizbewegung ist e<strong>in</strong>e Vielfalt von Formen,<br />

<strong>in</strong> denen sich die weltweite und auch die deutsche Hospizidee<br />

verwirklicht hat (vgl. Klaschik/ Husebo 2000, Student 1999). Student<br />

(1999) unterscheidet <strong>in</strong> Deutschland die Hospiz<strong>in</strong>itiativen und die voll<br />

ausgebauten Hospize.<br />

Die Hospiz<strong>in</strong>itiativen stellen die zahlenmäßig größte Gruppe <strong>der</strong><br />

hospizlichen Organisationen dar. Sie bestehen aus e<strong>in</strong>er Gruppe<br />

engagierter Ehrenamtlicher, die das Ziel verfolgen, die Hospizidee <strong>in</strong><br />

ihr Geme<strong>in</strong>wesen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zutragen und leisten deshalb e<strong>in</strong>en großen<br />

Beitrag zu e<strong>in</strong>er generellen Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Sterbekultur <strong>in</strong><br />

Deutschland. Sie begleiten sterbende Menschen und ihre Familien<br />

und betreiben Öffentlichkeitsarbeit. Dabei verfügen sie über ke<strong>in</strong><br />

komplettes Angebot im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> später genannten Qualitätskriterien,<br />

leisten aber trotzdem wirksame, konkrete Arbeit.<br />

Die voll ausgebauten Hospizangebote stellen sich <strong>in</strong> Form von<br />

stationären Hospizen, Palliativstationen mit ambulantem Anteil o<strong>der</strong><br />

als ambulante Hospize dar. Sie erfüllen Qualitätsmerkmale, die<br />

weltweit zur Kennzeichnung von Hospizen Gültigkeit haben. Der<br />

Schwerpunkt aller Hospizarbeit hat dabei im ambulanten Bereich zu<br />

liegen. E<strong>in</strong> ambulantes Hospiz ist e<strong>in</strong>e Institution, die e<strong>in</strong> komplettes<br />

Ursache beseitigend (von Behandlungsweisen und Medikamenten).“<br />

(Meyers großes Taschenlexikon 1992, Bd.16:231)


59<br />

Betreuungsangebot für die Pflege Sterben<strong>der</strong> zu Hause ermöglicht.<br />

Hierzu zählt e<strong>in</strong>e 24 Stunden-Bereitschaft, gute Kenntnisse und<br />

Erfahrungen <strong>der</strong> Möglichkeiten <strong>der</strong> Symptomkontrolle und<br />

ausreichende Entlastungsangebote für die Familien. Diese Aufgaben<br />

übernimmt das ambulante Hospiz <strong>in</strong> Kooperation mit an<strong>der</strong>en Berufsgruppen.<br />

Stationäre hospizliche E<strong>in</strong>richtungen zeigen sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form von<br />

unabhängigen, eigenständigen E<strong>in</strong>richtungen o<strong>der</strong> als Son<strong>der</strong>stationen<br />

<strong>in</strong> Akutkrankenhäusern, den sog. Palliativstationen. Die Palliativstationen<br />

entsprechen <strong>in</strong> ihrer Struktur im Wesentlichen <strong>der</strong> Gestaltung<br />

<strong>der</strong> Krankenhäuser und werden auch dementsprechend über die<br />

Krankenkassen f<strong>in</strong>anziert. Der Aufenthalt <strong>der</strong> Patienten ist an die<br />

Erfor<strong>der</strong>lichkeit <strong>der</strong> Krankenhausbehandlung im S<strong>in</strong>ne des SGB V<br />

gebunden. Deshalb steht die Schmerz – und Symptomkontrolle hier<br />

meist im Vor<strong>der</strong>grund e<strong>in</strong>es ganzheitlichen Therapiekonzeptes (vgl.<br />

Friedemann/ Klaschik 1999). Die unabhängigen stationären Hospize<br />

s<strong>in</strong>d kle<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heiten mit etwa12 Plätzen, die e<strong>in</strong>en hohen Pflegeschlüssel<br />

erfor<strong>der</strong>n. An <strong>der</strong> Versorgung s<strong>in</strong>d Pflegekräfte, Sozialarbeiter,<br />

Seelsorger, Hausärzte und möglicherweise noch an<strong>der</strong>e<br />

Berufsgruppen beteiligt. Die Atmosphäre er<strong>in</strong>nert auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> räumlichen<br />

Gestaltung eher an e<strong>in</strong> Wohnhaus. Die F<strong>in</strong>anzierung erfolgt<br />

zum Teil über die Krankenkassen, zum Teil über an<strong>der</strong>e Quellen,<br />

hierbei hauptsächlich Spenden. Jede dieser stationären E<strong>in</strong>richtungen<br />

sollte, um dem Ans<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> Hospizidee gerecht zu werden, über<br />

e<strong>in</strong>e ambulante Anb<strong>in</strong>dung verfügen.<br />

6.2 Die Hospizidee<br />

Die Möglichkeiten <strong>der</strong> Sterbebegleitung, die im Rahmen <strong>der</strong> Hospizbewegung<br />

umgesetzt werden sollen, haben e<strong>in</strong>e lange Tradition<br />

(Brathuhn 1999:135). Darauf weist <strong>der</strong> Begriff „Hospiz“ h<strong>in</strong>, <strong>der</strong> von<br />

dem late<strong>in</strong>ischen Begriff „hospitium“ abgeleitet ist, was soviel wie<br />

Herberge o<strong>der</strong> Bewirtung bedeutet (Meyers großes Taschenlexikon<br />

1992, Bd.10:64). Die Hospize des Mittelalters galten als Stätten, die<br />

Pilgern Herberge boten, aber, vor allem zu Zeiten <strong>der</strong> Kreuzzüge,<br />

auch als Gaststätten, <strong>in</strong> denen Kranke und Sterbende von Ordens-


60<br />

leuten beherbergt und gepflegt wurden, wobei <strong>der</strong> Tod als unausweichbar<br />

galt und deshalb auch ke<strong>in</strong>e Versuche unternommen<br />

wurden, ihn zu bekämpfen. Der religiöse Krankheitsbegriff, <strong>der</strong> von<br />

Ergebenheit <strong>in</strong> die göttliche Vorsehung geprägt war, spielte dabei<br />

e<strong>in</strong>e große Rolle. Das mit dem Sterben verbundene Leiden sollte<br />

hauptsächlich durch mitmenschlichen, seelsorgerlichen und pflegerischen<br />

Beistand gel<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden (vgl. Brathuhn 1999:135ff.).<br />

Auch die mo<strong>der</strong>ne Hospizarbeit hat ihre Wurzeln im christlichen<br />

Glauben und versucht <strong>in</strong> christlich – humanitärer Wertschätzung<br />

unheilbar Kranken e<strong>in</strong> menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen.<br />

Dabei haben die Bedürfnisse des Sterbenden und <strong>der</strong> Respekt<br />

gegenüber <strong>der</strong> persönlichen Entscheidungsfreiheit vorrangige<br />

Bedeutung. Die Begleitung erfolgt unabhängig von Herkunft,<br />

religiöser Überzeugung und sozialer Stellung des Kranken (Brathuhn<br />

1999:140ff.).<br />

Die Umsetzung <strong>der</strong> Wünsche sterben<strong>der</strong> Menschen bezüglich <strong>der</strong><br />

Begleitung <strong>in</strong> ihrer letzten Lebensphase f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> den Grundpr<strong>in</strong>zipien<br />

des Hospizgedankens, die Student (Student 1999:24ff.) ermittelt<br />

und formuliert hat und die gleichzeitig Qualitätsmerkmale <strong>der</strong><br />

Hospizarbeit darstellen:<br />

• Grundlage <strong>der</strong> Hospizarbeit ist e<strong>in</strong>e lebensbejahende Haltung.<br />

Der Tod soll we<strong>der</strong> beschleunigt noch h<strong>in</strong>ausgezögert<br />

werden, da die Hospizidee aus <strong>der</strong> Überzeugung und<br />

Hoffnung lebt, dass e<strong>in</strong>e Entwicklung zur Bejahung des Todes<br />

für den Patienten und se<strong>in</strong>e Angehörigen durch spirituelle und<br />

geistige Vorbereitung möglich ist.<br />

• Der sterbende Mensch und se<strong>in</strong>e Angehörigen (im weitesten<br />

S<strong>in</strong>ne) s<strong>in</strong>d geme<strong>in</strong>same Adressaten des Hospizes. Trennungen<br />

sollen auf das unvermeidbare Maß reduziert werden.<br />

Angehörige benötigen dabei ebensoviel Aufmerksamkeit wie<br />

<strong>der</strong> Sterbende selbst. Persönliche Wünsche, körperliche,<br />

soziale, psychische und spirituelle Bedürfnisse des sterbenden<br />

Menschen und se<strong>in</strong>er Angehörigen stehen im Mittelpunkt<br />

<strong>der</strong> Hospizarbeit.


61<br />

• Die Betroffenen werden durch e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är arbeitendes<br />

Team von Fachleuten unterstützt. Dem Team gehören<br />

m<strong>in</strong>destens Ärzte, Pflegekräfte, Sozialarbeiter und Seelsorger<br />

an. Die Teammitglie<strong>der</strong> unterstützen und stützen sich auch<br />

gegenseitig, vor allem <strong>in</strong> emotionaler H<strong>in</strong>sicht.<br />

• Freiwillige Helfer werden <strong>in</strong> die Arbeit des Hospizes e<strong>in</strong>bezogen<br />

und haben dabei eigenständige Aufgaben im Bereich<br />

alltäglicher Verrichtungen. In diesem S<strong>in</strong>ne repräsentieren sie<br />

die „Normalität“ im Hospiz und <strong>in</strong>tegrieren es so <strong>in</strong> das Allgeme<strong>in</strong>wesen.<br />

• Das Hospiz verfügt über spezielle Kenntnisse und Erfahrungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> palliativen Therapie, wobei die soziale, psychische<br />

und spirituelle Komponente von Schmerzen und belastenden<br />

Körpersymptomen neben <strong>der</strong> körperlichen L<strong>in</strong><strong>der</strong>ung gleichfalls<br />

Beachtung f<strong>in</strong>det.<br />

• Hospize gewährleisten Kont<strong>in</strong>uität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Betreuung im S<strong>in</strong>ne<br />

e<strong>in</strong>er 24stündigen Verfügbarkeit, die <strong>in</strong> herkömmlichen<br />

ambulanten Betreuungssystemen vielfach fehlt. Die dadurch<br />

vermittelte Sicherheit ermutigt viele Familien erst, die<br />

häusliche Betreuung des sterbenden Angehörigen zu übernehmen.<br />

Kont<strong>in</strong>uität <strong>der</strong> Betreuung schließt auch die Begleitung<br />

<strong>der</strong> Angehörigen durch die Phase <strong>der</strong> Trauer e<strong>in</strong> und<br />

leistet so e<strong>in</strong>en Beitrag zur Gesundheitsför<strong>der</strong>ung im S<strong>in</strong>ne<br />

<strong>der</strong> Prävention von Folgeerkrankungen.<br />

Über die unmittelbaren Versorgungsaufgaben <strong>der</strong> psychosozialen<br />

Betreuung und l<strong>in</strong><strong>der</strong>nden Pflege und Therapie h<strong>in</strong>ausgehend,<br />

formuliert Student (1999: 50ff.) weitere Aufgaben <strong>der</strong> Hospize, „die<br />

sich aus ihrer speziellen Verantwortung für die Entwicklung e<strong>in</strong>er<br />

neuen Sterbekultur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft ergeben“ (Student 1999:50).<br />

Hierzu zählt er die Verfügbarkeit, des <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hospizarbeit erworbenen<br />

Wissens, <strong>in</strong> Form von Beratung Betroffener,<br />

aber auch Beratung von Institutionen, wie Krankenhäusern und<br />

Pflegeheimen. Im Rahmen des Wissenstransfers stellt die<br />

Bildungsarbeit <strong>in</strong> Form von Aus– und Weiterbildung ehrenamtlicher


62<br />

Mitarbeiter für den Hospizbereich, Weiterbildungsangeboten für<br />

Angehörige helfen<strong>der</strong> Berufe o<strong>der</strong> entsprechenden Angeboten für die<br />

Allgeme<strong>in</strong>heit, e<strong>in</strong>e Aufgabe <strong>der</strong> Hospize dar. Außerdem kann die<br />

Hospizarbeit e<strong>in</strong>en Beitrag zu Forschungsarbeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung leisten. Hierzu ist die ethische Reflexion des<br />

pflegerischen, mediz<strong>in</strong>ischen und psychosozialen Handelns im<br />

Hospiz vonnöten. Die daraus erwachsenden Maßstäbe können auch<br />

ethische Überlegungen und Diskussionen <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Bereichen<br />

bereichern und bee<strong>in</strong>flussen.<br />

Generell, so Student (1999:51) müsse es als Ausdruck e<strong>in</strong>er verän<strong>der</strong>ten<br />

Sterbekultur darum gehen, den Hospizgedanken auch <strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>e bestehende Institutionen zu <strong>in</strong>tegrieren. Diesbezüglich gibt es<br />

schon e<strong>in</strong>ige erfolgreiche Bemühungen <strong>in</strong> Deutschland, die Hospizkonzeption<br />

außerhalb <strong>der</strong> etablierten Hospiz<strong>in</strong>stitution umzusetzen.<br />

E<strong>in</strong>es davon, das Spes Viva Projekt, wird im Folgenden kurz vorgestellt,<br />

da es den Versuch beschreibt, Hospizarbeit <strong>in</strong> das Krankenhaus<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zutragen und damit für die Fragestellung dieser Arbeit von<br />

Interesse ist.<br />

6.3 Das Projekt Spes Viva<br />

Um an die Krankenhäuser, die sich <strong>der</strong>zeit <strong>in</strong> Richtung hochleistungsfähiger<br />

Gesundheitszentren entwickeln, zu appellieren, „den<br />

schwerstkranken und sterbenden Menschen bewusst <strong>in</strong> den Blick zu<br />

nehmen“ (Grammer 1999: 98), <strong>in</strong>itiierte <strong>der</strong> Katholische Krankenhausverband<br />

Deutschlands e.V. <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit <strong>der</strong> Kongregation<br />

<strong>der</strong> Franziskaner<strong>in</strong>nen vom hl. Märtyrer Georg, als Träger des<br />

Krankenhauses St. Raphael <strong>in</strong> Osterkappeln das Projekt Spes Viva<br />

(lat.: lebendige Hoffnung). Innerhalb e<strong>in</strong>es zweijährigen Projektes<br />

sollte im Krankenhaus St. Raphael beispielhaft e<strong>in</strong>e verbesserte<br />

Begleitung von Schwerkranken und Sterbenden nach dem Verständnis<br />

<strong>der</strong> Hospizbewegung erreicht werden und somit zu e<strong>in</strong>er verän<strong>der</strong>ten<br />

Kultur des Sterbens im Krankenhaus beigetragen werden.<br />

Im Rahmen des Projektes sollten die im Krankenhaus bestehenden<br />

Strukturen im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Zielsetzung des Projektes optimiert und<br />

somit die Aufgabe <strong>der</strong> Betreuung Schwerkranker und Sterben<strong>der</strong> als


63<br />

unverzichtbarer Bestandteil <strong>der</strong> Krankenhausbehandlung betont<br />

werden.<br />

Dabei wurden alle Leistungen im Rahmen <strong>der</strong> Krankenhausbehandlung<br />

erbracht und auch als solche f<strong>in</strong>anziert. Im Laufe des Projektes<br />

entstand e<strong>in</strong> Spendenfond, <strong>der</strong> über die Projektzeit h<strong>in</strong>aus zur<br />

F<strong>in</strong>anzierung von z.B. Angehörigenarbeit genutzt wird.<br />

Nach den Beschreibungen von Grammer (1999:98ff.) wurde im Zuge<br />

des Projektes <strong>in</strong>mitten e<strong>in</strong>er Station des Krankenhauses e<strong>in</strong>e, aus<br />

zwei Patientenzimmern und e<strong>in</strong>em „Wohnzimmer“ bestehende,<br />

E<strong>in</strong>heit geschaffen, die im Bedarfsfall zwei schwerkranken o<strong>der</strong><br />

sterbenden Patienten und <strong>der</strong>en Angehörigen zur Verfügung steht.<br />

Die Räumlichkeiten s<strong>in</strong>d wohnlich e<strong>in</strong>gerichtet und lassen Spielräume<br />

für persönliche Gestaltung. Sie bieten Kochgelegenheit, Sitzecken<br />

sowie Übernachtungsmöglichkeiten für Angehörige. Diese Räumlichkeiten<br />

stellen nach Grammer (1999:98) e<strong>in</strong>e „Oase <strong>der</strong> Ruhe“ im<br />

hektischen Krankenhausalltag dar.<br />

Die mediz<strong>in</strong>ische und pflegerische Betreuung <strong>der</strong> Betroffenen erfolgt<br />

dabei nach dem Modell <strong>der</strong> Bereichspflege, so dass weitestgehend<br />

feste Bezugspersonen für die Patienten und Angehörigen def<strong>in</strong>iert<br />

werden können.<br />

Die typischen Strukturbed<strong>in</strong>gungen des Krankenhauses wurden im<br />

Projekt berücksichtigt. Die bestehende Mitarbeiterstruktur blieb<br />

erhalten. Das pflegerische Konzept berücksichtigt <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

systematischen, prozesshaften Pflege auf <strong>der</strong> Grundlage e<strong>in</strong>es<br />

Pflegemodells <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die <strong>in</strong>dividuelle, spezielle Orientierung<br />

am sterbenden Menschen. Das ärztliche Konzept stützt sich auf e<strong>in</strong>e<br />

verbesserte Integration <strong>der</strong> Sterbenden im Krankenhaus, e<strong>in</strong>e<br />

optimale Symptomkontrolle und die Erfahrung des Gebots <strong>der</strong> hierarchiefreien,<br />

gleichberechtigten Zusammenarbeit <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung. Als unverzichtbaren Bestandteil des<br />

personellen Betreuungskonzeptes bezeichnet Grammer (1999:99)<br />

<strong>in</strong>tensive Schulungen und Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Thematik für<br />

alle am Projekt beteiligten Berufsgruppen. Diese fanden <strong>in</strong> Form von<br />

<strong>in</strong>ternen und externen Fortbildungen unter E<strong>in</strong>schluss von Elementen


64<br />

<strong>der</strong> Selbsterfahrung, Fallbesprechungen und verpflichten<strong>der</strong><br />

Gruppensupervision statt.<br />

Weiterh<strong>in</strong> wurden ehrenamtliche Mitarbeiter für das Projekt<br />

gewonnen, die auch e<strong>in</strong>e „Brücke nach draußen“ darstellen. So<br />

können die Belastungen, die das Erleben und Begleiten <strong>der</strong> letzten<br />

Lebensphase e<strong>in</strong>es Menschen für die Betroffenen mit sich br<strong>in</strong>gen,<br />

wie<strong>der</strong> auf viele Schultern verteilt werden.<br />

Im Rahmen des Projektes wurde versucht die Zusammenarbeit <strong>der</strong><br />

beteiligten Berufsgruppen neu zu gestalten, so dass alle Mitarbeiter<br />

für den Patienten gleichberechtigte Partner darstellen. In <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären<br />

Fortbildungen wurden soziale und kommunikative Kompetenzen<br />

vermittelt und geme<strong>in</strong>sam Verän<strong>der</strong>ungsprozesse e<strong>in</strong>geleitet.<br />

Angehörige wurden <strong>in</strong> die Arbeitssituation e<strong>in</strong>bezogen. Die ehrenamtlichen<br />

Mitarbeiter begleiten die Patienten unter an<strong>der</strong>em bei evtl.<br />

Entlassungen o<strong>der</strong> Verlegungen und unterstützen ihn im außerkl<strong>in</strong>ischen<br />

Bereich.<br />

In <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> Erfahrungen aus dem Projekt betont Grammer<br />

(1999:102ff.) unter an<strong>der</strong>em die Notwendigkeit <strong>der</strong> persönlichen<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Sterben und Tod, um Sterbebegleitung<br />

leisten zu können. Wichtig sei <strong>in</strong> diesem Zusammenhang, dass die<br />

Mitarbeiter mit diesem Prozess, <strong>der</strong> bei jedem höchst <strong>in</strong>dividuell<br />

verlaufe, von ihrem Arbeitgeber nicht alle<strong>in</strong> gelassen, son<strong>der</strong>n durch<br />

verschiedene Maßnahmen, wie Schulungen o<strong>der</strong> Supervision unterstützt<br />

würden. Die Zusammenarbeit mit den Angehörigen wurde als<br />

Entlastung und Bereicherung empfunden. Die verän<strong>der</strong>te Rolle des<br />

Patienten als demjenigen, <strong>der</strong> die Situation bestimmt und die Helfer<br />

führt, bed<strong>in</strong>ge nach Grammer (1999:104) e<strong>in</strong>e neue, aber befriedigende<br />

Form <strong>der</strong> Partnerschaft.<br />

Beson<strong>der</strong>s wichtig seien für alle Beteiligten Zeit und Raum für<br />

Gespräche und zum Rückzug <strong>in</strong> Erschöpfung, Angst o<strong>der</strong> Trauer.<br />

Die notwendigen Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>in</strong>stitutionellen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

wurden nach Erfahrungen des Projektes durch den vorhandenen<br />

Willen <strong>der</strong> Trägerschaft zur Verän<strong>der</strong>ung ermöglicht und durch die<br />

Sensibilisierung <strong>der</strong> Mitarbeiter, <strong>der</strong>en verän<strong>der</strong>ten E<strong>in</strong>stellungen und<br />

neu def<strong>in</strong>ierte Regeln unterstützt.


65<br />

Insgesamt gesehen sei die Zielsetzungen des Projektes erreicht<br />

worden. Die Mitarbeiter hätten ihren bisherigen Arbeitsalltag<br />

reflektiert und sich den „neuen“ Aufgaben bewusst zugewandt. Dieser<br />

Umstand beweise, dass durch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>haltliche Schwerpunktsetzung<br />

auch im Krankenhaus gute Bed<strong>in</strong>gungen für die Sterbebegleitung<br />

geschaffen werden könnten (Grammer 1999:104).<br />

6.4 Situation <strong>der</strong> professionellen Pflegekräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Hospizarbeit<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf die Frage, unter welchen Bed<strong>in</strong>gungen die professionellen<br />

Pflegekräfte ihre Arbeit im Rahmen <strong>der</strong> Hospizbewegung<br />

verrichten, werden entsprechend den vorangestellten Beschreibungen<br />

verschiedene Aspekte beleuchtet.<br />

Die <strong>der</strong> Hospizarbeit zugrunde liegende lebensbejahende Haltung,<br />

die nicht auf Heilung, son<strong>der</strong>n auf höchstmögliche Lebensqualität im<br />

Angesicht des Todes ausgerichtet ist, muss dem beruflichen Selbstverständnis<br />

<strong>der</strong> Mitarbeiter entsprechen. Zwei im Hospiz tätige<br />

Krankenschwestern führen dazu aus: „ Wertmaßstäbe und Wichtigkeiten,<br />

die während <strong>der</strong> Ausbildung und Tätigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kl<strong>in</strong>ik<br />

gelernt und praktiziert wurden, kehren sich um o<strong>der</strong> verlieren an<br />

Bedeutung. Palliativ Care 22 hat nicht mehr den Anspruch des Heilens,<br />

Mobilisierens und Aktivierens, son<strong>der</strong>n will kompetent und kreativ<br />

Unabän<strong>der</strong>liches erträglich machen. Alle Bemühungen konzentrieren<br />

sich darauf, für Lebensqualität zu kämpfen, nicht mehr gegen Krankheit<br />

und Tod“ (Gann/Kränzle 1999:125).<br />

Dabei wird die Begegnung mit dem Sterbenden von den Hospizmitarbeitern<br />

auch als persönliche Chance geistiger und seelischer<br />

Entwicklung verstanden (Brathuhn 1999:153).<br />

22 Der aus dem englischen stammende Begriff „Palliativ Care“ me<strong>in</strong>t e<strong>in</strong><br />

ganzheitliches Betreuungskonzept für Patienten, die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fortgeschrittenen<br />

Stadium e<strong>in</strong>er progredienten, unheilbaren Erkrankung mit<br />

begrenzter Lebenserwartung bef<strong>in</strong>den. Der Begriff umfasst: e<strong>in</strong>e<br />

symptomorientierte, kreative, <strong>in</strong>dividuelle, ganzheitliche Therapie und<br />

Pflege, die Berücksichtigung physischer, psychischer, sozialer und<br />

spiritueller Aspekte, die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung Angehöriger und die Vernetzung<br />

stationärer und ambulanter Unterstützungsmaßnahmen. Im<br />

deutschsprachigen Raum existiert noch ke<strong>in</strong> Fachbegriff, <strong>der</strong> alle<br />

genannten Aspekte umfasst (Kern/ Müller/ Aurnhammer 1998:102).


66<br />

In <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Arbeit s<strong>in</strong>d alle Aufgaben <strong>der</strong> Bedürfniserfüllung<br />

des Patienten und se<strong>in</strong>er Angehörigen nachgeordnet. Die Form <strong>der</strong><br />

Unterstützung und die Prioritäten bestimmen dabei die Betroffenen<br />

selbst. Die Pflegekräfte fühlen sich als Teil e<strong>in</strong>es multidiszipl<strong>in</strong>ären<br />

Teams für alle Bedürfnisse, seien sie physischer, psychischer,<br />

emotionaler o<strong>der</strong> spiritueller Art, zuständig. So reicht das<br />

Tätigkeitsspektrum e<strong>in</strong>er Pflegekraft e<strong>in</strong>es stationären Hospizes von<br />

qualifizierter Palliativpflege und -behandlung über psychosoziale und<br />

spirituelle Betreuung von Patienten und Angehörigen bis h<strong>in</strong> zu<br />

hauswirtschaftlichen Verrichtungen, kreativen und kulturellen Angeboten<br />

sowie Öffentlichkeitsarbeit (Gann/ Kränzle 1999:124).<br />

Die Pflegekräfte stellen feste Bezugspersonen für die Patienten dar<br />

und betreuen diese möglichst kont<strong>in</strong>uierlich. Daraus ergibt sich die<br />

Möglichkeit zum Beziehungsaufbau und Kennen lernen <strong>der</strong> Gesamtsituation,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> Patient und se<strong>in</strong>e Angehörigen bef<strong>in</strong>den.<br />

Ebenso wie die Patienten selbst werden die Angehörigen und<br />

gegebenenfalls auch die Mitarbeiter des professionellen Teams als<br />

Adressaten <strong>der</strong> professionellen Tätigkeit verstanden, denen Unterstützung<br />

gewährt und die vorhandenen Kompetenzen zur Verfügung<br />

gestellt werden.<br />

Gann und Kränzle (1999:125) stellen fest, dass im Rahmen <strong>der</strong><br />

Pflege schwerkranker Patienten e<strong>in</strong>e Überschreitung <strong>der</strong> eigenen<br />

Grenzen, die sich z.B. im Empf<strong>in</strong>den von Ekelgefühlen äußere, nicht<br />

immer vermeidbar sei, aber bewusst geschehe und anschließend<br />

thematisiert werden könne. Die Notwendigkeit von Selbstbeobachtung<br />

und -pflege ersche<strong>in</strong>t als e<strong>in</strong> wesentlicher Bestandteil des<br />

professionellen Selbstverständnisses <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hospizarbeit.<br />

Die Angehörigen werden von den Pflegekräften <strong>in</strong> die Arbeit <strong>in</strong>tegriert,<br />

o<strong>der</strong> umgekehrt, wie es von Pflegenden e<strong>in</strong>es Hospizes<br />

beschrieben wird. Danach unterstützen die Pflegekräfte die pflegerische<br />

Arbeit, die fe<strong>der</strong>führend die Angehörigen ausführen (Gann/<br />

Kränzle 1999:126). Die Begleitung <strong>der</strong> Angehörigen <strong>in</strong> ihrer Trauer<br />

wird als über den Tod des Patienten h<strong>in</strong>ausgehende Aufgabe<br />

verstanden. Auch die Mitarbeiter haben <strong>in</strong> diesem Rahmen Gelegen-


67<br />

heit , z.B. <strong>in</strong> Gedächtnisgottesdiensten, ihrer Trauer Ausdruck zu<br />

verleihen.<br />

Die strukturellen Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen, die für Pflegekräfte <strong>der</strong> stationären<br />

Hospizarbeit beschrieben werden, zeichnen sich durch e<strong>in</strong>en<br />

hohen Pflegeschlüssel von m<strong>in</strong>destens 1:1 (vgl. Klaschik 2000:24)<br />

aus. Ferner erfolgt die Betreuung <strong>der</strong> Sterbenden <strong>in</strong> den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

entsprechenden Räumlichkeiten. Es existieren e<strong>in</strong>heitliche und<br />

verb<strong>in</strong>dliche Pflegerichtl<strong>in</strong>ien. Die Betreuung <strong>der</strong> Betroffenen erfolgt <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em gleichberechtigten, multidiszipl<strong>in</strong>ären Team. Die Achtung vor<br />

den jeweiligen Fähigkeiten und Kompetenzen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Berufsgruppe<br />

wird betont. Die Zusammenarbeit wird durch <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre<br />

Schulungen, <strong>in</strong> denen soziale und kommunikative Kompetenzen<br />

vermittelt werden, geför<strong>der</strong>t. Verän<strong>der</strong>ungsprozesse werden geme<strong>in</strong>sam<br />

geplant und <strong>in</strong>itiiert.<br />

Entlastung erfahren die Pflegenden sowohl durch die an<strong>der</strong>en<br />

professionellen, als auch durch ehrenamtliche Mitarbeiter, die außerdem<br />

neue Impulse e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen und die gesellschaftliche Integration<br />

<strong>der</strong> professionellen Arbeit und <strong>der</strong>en Anerkennung för<strong>der</strong>n.<br />

Die persönliche Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung <strong>der</strong> Mitarbeiter mit dem Thema<br />

Sterben und Tod wird durch verpflichtende Maßnahmen, wie z.B.<br />

<strong>in</strong>tensive Schulungen mit Elementen <strong>der</strong> Selbsterfahrung und Supervision<br />

angeregt und unterstützt. Der Mitarbeiter wird <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Arbeit<br />

systematisch und kont<strong>in</strong>uierlich begleitet. Hierüber machen die jeweiligen<br />

Träger <strong>der</strong> Institutionen ihre Wertschätzung dieser Arbeit und<br />

das Bewusstse<strong>in</strong> ihrer Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern<br />

deutlich.<br />

Das spezielle Wissen für die Betreuung sterben<strong>der</strong> Menschen wird<br />

den Mitarbeitern <strong>in</strong> Form von systematischen Fort – und Weiterbildungen,<br />

Hospitationen und über Austausch und Zusammenarbeit mit<br />

Hospizambulanzen vermittelt. In SGB V § 39a s<strong>in</strong>d Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />

die berufliche Qualifikation von Pflegenden <strong>in</strong> Hospizen gesetzlich<br />

festgeschrieben (vgl. SGB V § 39a). Diesen Anfor<strong>der</strong>ungen entsprechend<br />

werden Weiterbildungslehrgänge <strong>in</strong> Palliativ Care angeboten,<br />

die mit e<strong>in</strong>er Zusatzqualifikation <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Zertifikates abschließen<br />

(BAG Hospiz 2005).


68<br />

In <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Beurteilung pflegerischer Arbeit im Hospiz , br<strong>in</strong>ge<br />

diese nach Grann und Känzle (1999:127) neben Belastungen vielfältige<br />

Erfahrungs- und Lernmöglichkeiten mit sich. Es sei wohltuend<br />

und befriedigend, positive Auswirkungen <strong>der</strong> palliativen Pflege zu<br />

beobachten und die Wahrnehmung von Menschen <strong>in</strong> ihrem Sterbeprozess<br />

verän<strong>der</strong>e die eigenen Werte und E<strong>in</strong>stellungen.<br />

6.5 Gegenüberstellung verschiedener Aspekte <strong>der</strong><br />

Arbeitssituationen von Pflegenden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hospizarbeit<br />

und Intensivpflegenden im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

Die Betrachtung <strong>der</strong> jeweiligen Bed<strong>in</strong>gungen, unter denen Pflegekräfte<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Hospizbewegung und Intensivpflegekräfte die Aufgabe<br />

<strong>der</strong> Betreuung sterben<strong>der</strong> Menschen und ihrer Angehörigen wahrnehmen,<br />

macht grundlegende Unterschiede deutlich. E<strong>in</strong>e Gegenüberstellung<br />

verschiedener Aspekte <strong>der</strong> jeweiligen Arbeitssituation<br />

soll zur Veranschaulichung dieser Unterschiede dienen.<br />

Unter Berücksichtigung <strong>der</strong> grundlegend an<strong>der</strong>en Strukturen <strong>der</strong><br />

jeweiligen Bereiche, <strong>in</strong> denen die sterbenden Menschen betreut<br />

werden, soll <strong>der</strong> Vergleich <strong>der</strong> Arbeitssituationen Anhaltspunkte<br />

bieten, um im Kontext <strong>der</strong> Gesamtarbeit Anregungen für Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>tensivpflegerischen Bed<strong>in</strong>gungen mit Blick auf die Sterbebegleitung<br />

herauszuarbeiten.<br />

Die folgende, tabellarische Zusammenfassung wurde auf <strong>der</strong> Grundlage<br />

<strong>der</strong> gesichteten Literatur erstellt und erhebt ke<strong>in</strong>en Anspruch auf<br />

e<strong>in</strong>e für alle E<strong>in</strong>richtungen tatsächlich zutreffende Beschreibung <strong>der</strong><br />

Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die<br />

relativ junge Geschichte <strong>der</strong> Hospizbewegung <strong>in</strong> Deutschland, im<br />

Blick auf die Entwicklung und Evaluation <strong>der</strong> Umsetzung ihrer<br />

Grundsätze und Leitl<strong>in</strong>ien, h<strong>in</strong>zuweisen.


69<br />

Gegenüberstellung verschiedener Aspekte <strong>der</strong> Arbeitssituation von Pflegenden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hospizarbeit und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung tätigen Intensivpflegenden<br />

Zielsetzung <strong>der</strong> Arbeit<br />

Adressaten <strong>der</strong> Arbeit<br />

Aspekte struktureller Bed<strong>in</strong>gungen<br />

Interdiszipl<strong>in</strong>äre Zusammenarbeit<br />

Hospizarbeit Intensivstation<br />

Höchstmögliche Lebensqualität für<br />

Patienten <strong>in</strong> ihrer letzten Lebensphase:<br />

Berücksichtigung und möglichst Erfüllung<br />

von Bedürfnissen aller menschlichen<br />

Ebenen<br />

(vgl. Kap. 6.4)<br />

Patienten, Angehörige, Mitglie<strong>der</strong> des<br />

betreuenden Teams<br />

(vgl. Kap.6.4)<br />

Bezugspflege<br />

Hoher Pflegeschlüssel<br />

Ausreichend Zeit und Raum für die<br />

Belange <strong>der</strong> Betroffenen<br />

Multidiszipl<strong>in</strong>äres Team aus (m<strong>in</strong>destens):<br />

Pflegekräften, Ärzten, Sozialarbeitern und<br />

Seelsorgern<br />

E<strong>in</strong>heitliche, verb<strong>in</strong>dliche Richtl<strong>in</strong>ien für<br />

Palliativpflege<br />

Angemessene, wohnliche Räumlichkeiten<br />

Möglichkeit zur Trauerarbeit auch für<br />

Mitarbeiter: Rückzugsmöglichkeiten,<br />

Gedenkgottesdienste (vgl. Kap. 6.4)<br />

Gleichberechtigtes, multidiszipl<strong>in</strong>äres<br />

Team<br />

Interdiszipl<strong>in</strong>äre Schulungen zum sozialen<br />

und kommunikativen Kompetenzerwerb<br />

Interdiszipl<strong>in</strong>äre Fallbesprechungen<br />

(vgl. Kap. 6.4)<br />

Konflikt aus <strong>der</strong> Gegensätzlichkeit <strong>der</strong><br />

grundsätzlichen Zielsetzung <strong>in</strong>tensivtherapeutischer<br />

Arbeit, <strong>der</strong> Lebenserhaltung, und <strong>der</strong> Zielsetzung<br />

e<strong>in</strong>er menschenwürdigen Sterbebegleitung<br />

Vorrangigkeit <strong>der</strong> physischen Probleme des<br />

Patienten<br />

(vgl. Kap. 3.2, Kap. 3.2.6)<br />

Tendenziell hauptsächlich <strong>der</strong> Patient<br />

Angehörige eher soziale Ressource des Patienten,<br />

denn Adressat pflegerischer Arbeit<br />

(vgl. Kap. 3.2.1)<br />

Bezugspflege<br />

Hoher Pflegeschlüssel<br />

Häufig beklagter Zeitmangel<br />

Therapeutisches Team aus Pflegekräften und<br />

Ärzten, Möglichkeit <strong>der</strong> H<strong>in</strong>zuziehung an<strong>der</strong>er<br />

Berufsgruppen (z.B. Sozialarbeiter, Seelsorger)<br />

Meist ke<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dlichen Richtl<strong>in</strong>ien für<br />

Palliativpflege vorhanden<br />

Typische <strong>in</strong>tensivtherapeutische Räumlichkeiten,<br />

Rückzugsmöglichkeiten häufig nicht gegeben<br />

Ke<strong>in</strong>e geplante Zeit und Möglichkeit für Trauer und<br />

Rückzug <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

(vgl. Kap. 3.2.2)<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung Krankenpflege als<br />

Profession vorrangig tätig, beklagtes „Alle<strong>in</strong>gelassen<br />

se<strong>in</strong>“ mit dieser Aufgabe<br />

Zusammenarbeit zwischen Pflegekräften und Ärzten<br />

von üblicher Krankenhaushierarchie geprägt<br />

(vgl. Kap. 3.2.5, Kap. 2.6)


Integration <strong>der</strong> Angehörigen<br />

Gesellschaftliche Integration<br />

Institutionelle Begleitung <strong>der</strong> Pflegekräfte<br />

Wissenserwerb zur Qualifizierung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung<br />

70<br />

Integration <strong>der</strong> Angehörigen <strong>in</strong> die Arbeit<br />

(vgl. Kap. 6.4)<br />

Arbeit mit Ehrenamtlichen<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Zusammenarbeit mit ambulanten Diensten<br />

(vgl. Kap. 6.4)<br />

Systematische Schulungen und<br />

Fortbildungen<br />

Selbsterfahrungselemente<br />

Verpflichtende, kont<strong>in</strong>uierliche Supervision<br />

Fallbesprechungen<br />

Hoher Stellenwert von Selbstpflege und -<br />

reflexion<br />

(vgl. Kap. 6.4)<br />

Bed<strong>in</strong>gt im Rahmen <strong>der</strong><br />

Krankenpflegeausbildung (vgl. Kap.7)<br />

Systematische Fortbildungen<br />

Weiterbildungsmöglichkeit „Palliativ Care“<br />

Austausch mit - und Hospitationen bei<br />

E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Hospizbewegung<br />

(vgl. Kap. 6.4)<br />

In den meisten Fällen ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong><br />

Angehörigen <strong>in</strong> die pflegerische Arbeit<br />

(vgl. Kap. 3.2.1)<br />

Abgeschlossene E<strong>in</strong>heiten<br />

Vorstellungen von <strong>der</strong> Intensivstation eher mit<br />

Ängsten besetzt: Ruf <strong>der</strong> „seelenlosen<br />

Apparatemediz<strong>in</strong>“.<br />

(vgl. Kap. 3.2)<br />

Punktuelle Fortbildungsangebote mit dem Thema:<br />

Sterben, Tod<br />

Ke<strong>in</strong>e Angaben über Häufigkeit kont<strong>in</strong>uierlicher,<br />

supervisorischer Begleitung<br />

Unsicherheit <strong>der</strong> Pflegekräfte im offenen Umgang mit<br />

eigenen Gefühlen und Wahrnehmungen<br />

(vgl. Kap. 3.2.2, Kap. 3.2.5)<br />

Bed<strong>in</strong>gt im Rahmen <strong>der</strong> Krankenpflegeausbildung<br />

Bed<strong>in</strong>gt im Rahmen <strong>der</strong> Fachweiterbildung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Intensivpflege und Anästhesie: teilweise Angebot <strong>der</strong><br />

Hospitation bei E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Hospizbewegung<br />

Punktuelle Fortbildungsangebote


71<br />

Im Vergleich <strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Pflegekräfte ist festzustellen,<br />

dass die jeweilige Intention und Zielsetzung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen als<br />

grundlegend für alle Unterschiedlichkeiten <strong>in</strong> den verschiedenen<br />

Aspekten <strong>der</strong> Arbeitssituation anzusehen ist.<br />

So richten sich auch die strukturellen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Intensivtherapie<br />

hauptsächlich an <strong>der</strong> Zielsetzung <strong>der</strong> Lebenserhaltung unter<br />

Nutzung <strong>der</strong> technischen und an<strong>der</strong>en <strong>in</strong>tensivtherapeutischen Möglichkeiten<br />

aus und haben <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie den physischen Zustand des<br />

Patienten im Auge.<br />

Für die Intensivpflegekräfte ergibt sich, an<strong>der</strong>s als bei den <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Hospizbewegung tätigen Pflegekräften, im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

<strong>der</strong> schon beschriebene Konflikt (vgl. Kap.4:7), zwei gegensätzlich<br />

sche<strong>in</strong>ende Zielsetzungen ihrer Arbeit <strong>in</strong> ihrem berufliches<br />

Selbstverständnis vere<strong>in</strong>en zu müssen.<br />

Dies wird <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e dadurch erschwert, dass das Bewusstse<strong>in</strong>,<br />

Sterbebegleitung als Aufgabe <strong>der</strong> therapeutischen Arbeit auf e<strong>in</strong>er<br />

Intensivstation zu verstehen, obwohl formal festgestellt (vgl. Kap.5),<br />

vielfach we<strong>der</strong> bei den beteiligten Professionen noch bei den jeweiligen<br />

Führungskräften ausgeprägt ist.<br />

So existieren, an<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hospizbewegung, für die pflegerische<br />

Sterbebegleitung meistens ke<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dlichen Richtl<strong>in</strong>ien und es<br />

f<strong>in</strong>det häufig ke<strong>in</strong>e systematische Begleitung, Unterstützung und<br />

Fortbildung <strong>der</strong> Pflegekräfte diesbezüglich statt (vgl. Kap.3:8). E<strong>in</strong>e<br />

spezielle Qualifizierung für die Sterbebegleitung ist im Rahmen <strong>der</strong><br />

Fachweiterbildung für Intensivpflege und Anästhesie nur ansatzweise<br />

möglich (vgl. Kap.6). Beratung und Austausch mit E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong><br />

Hospizbewegung f<strong>in</strong>den meistens nicht statt bzw. s<strong>in</strong>d nicht gewollt<br />

(vgl. Kap. 6.3).<br />

Bedeutsam, vor allem für die Intensität <strong>der</strong> psychischen Belastung,<br />

die e<strong>in</strong>e Begleitung e<strong>in</strong>es sterbenden Menschen und se<strong>in</strong>er Angehörigen<br />

mit sich br<strong>in</strong>gen kann, ist die Zielsetzung <strong>der</strong> Hospizarbeit,<br />

diese Last auf möglichst viele Schultern zu verteilen (vgl. Kap. 6.3).<br />

Dies spiegelt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>beziehung unterschiedlicher professioneller<br />

Mitarbeiter, Angehöriger und Ehrenamtlicher wie<strong>der</strong>.


72<br />

Das Gefühl <strong>der</strong> Isolation <strong>der</strong> Intensivpflegekräfte im Rahmen <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung ist verständlicherweise begleitet von e<strong>in</strong>em hohen<br />

Belastungsempf<strong>in</strong>den, wobei die Möglichkeit <strong>der</strong> H<strong>in</strong>zuziehung von<br />

Seelsorgern und/o<strong>der</strong> Sozialarbeitern auf <strong>der</strong> Intensivstation gegeben<br />

ist und auf Wunsch des Patienten o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Angehörigen auch<br />

wahrgenommen wird. E<strong>in</strong>e geplante Zusammenarbeit im Rahmen <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es multidiszipl<strong>in</strong>ären Teams würde<br />

jedoch für die Pflegekräfte e<strong>in</strong>e deutliche Entlastung bedeuten und<br />

e<strong>in</strong>e nicht vorrangig körperbezogene Betreuung unterstreichen, wobei<br />

gleichzeitig die gewachsenen hierarchischen Strukturen zwischen<br />

Ärzten und Pflegekräften aufgebrochen würden.<br />

Durch die Umsetzung <strong>der</strong> <strong>in</strong> den Hospizgrundsätzen postulierten<br />

gegenseitigen professionellen Verantwortlichkeit <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

würde die persönliche Bef<strong>in</strong>dlichkeit <strong>der</strong> Mitarbeiter selbstverständlich<br />

<strong>in</strong> die Kommunikation e<strong>in</strong>bezogen.<br />

Ebenso führte das Verständnis von Angehörigen als Adressaten <strong>der</strong><br />

pflegerischen Arbeit zu verstärkter Interaktion zwischen Pflegekräften<br />

und Angehörigen und zu <strong>der</strong>en E<strong>in</strong>beziehung <strong>in</strong> die professionelle<br />

Tätigkeit. Die diesbezügliche Schulung <strong>der</strong> Pflegekräfte zählt zu den<br />

notwendigen Qualifikationen im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung.<br />

Im Gegensatz zu den E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Hospizbewegung ist auf <strong>der</strong><br />

Intensivstation <strong>der</strong> erwartete und akzeptierte Tod, wie schon <strong>in</strong><br />

Kapitel drei angemerkt, vergleichsweise selten. Vielfach wird die<br />

Hoffnung auf Überleben durch maximalen therapeutischen E<strong>in</strong>satz<br />

aufrechterhalten. Damit steht <strong>der</strong> für alle Beteiligten kräftezehrende<br />

„Überlebenskampf“ im Vor<strong>der</strong>grund <strong>der</strong> Bemühungen und lässt ke<strong>in</strong>e<br />

Begleitung im Sterbeprozess nach <strong>der</strong> <strong>in</strong> dieser Arbeit verwandten<br />

Def<strong>in</strong>ition zu. Für e<strong>in</strong>e Pflegekraft bedeutet die so genannte<br />

„Maximalversorgung“ e<strong>in</strong>es Patienten auf <strong>der</strong> Intensivstation<br />

maximale Auslastung durch die anfallenden pflegerischkörperbezogenen,<br />

mediz<strong>in</strong>isch-therapeutischen und technischen<br />

Aufgaben, so dass für an<strong>der</strong>e Belange, z.B. für<br />

Angehörigengespräche, kaum mehr Zeit und<br />

Energie verbleibt. In Anbetracht dieser Tatsache ist auf die Notwendigkeit<br />

<strong>der</strong> Kommunikation aller Beteiligten bezüglich <strong>der</strong> Entschei-


73<br />

dung des therapeutischen Vorgehens h<strong>in</strong>zuweisen, bei <strong>der</strong> alle relevanten<br />

Aspekte <strong>der</strong> Situation beleuchtet werden sollten. Zu bedenken<br />

s<strong>in</strong>d Aspekte, wie die durch massive therapeutische Interventionen<br />

stark e<strong>in</strong>geschränkte bis verh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Möglichkeit für den Patienten<br />

und se<strong>in</strong>e Angehörigen, sich auf den Tod <strong>in</strong> <strong>in</strong>dividueller Weise<br />

vorzubereiten o<strong>der</strong> auch die Unterordnung <strong>der</strong> subjektiven Lebensqualität<br />

unter das Ziel, das Überleben zu ermöglichen.<br />

Durch die im Vergleich <strong>der</strong> Arbeitssituationen von Pflegekräften aus<br />

<strong>der</strong> Hospizbewegung und <strong>der</strong> Intensivpflege hervorgehobenen Unterschiede<br />

werden die beson<strong>der</strong>en Anfor<strong>der</strong>ungen an die Intensivpflegekräfte<br />

durch die Betreuung sterben<strong>der</strong> Menschen unter den<br />

Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Intensivstation, <strong>in</strong> verschiedenen Aspekten deutlich.<br />

Diese fließen <strong>in</strong> die nachfolgende zusammenfassende Darstellung<br />

<strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Intensivpflegekräfte durch die Sterbebegleitung<br />

e<strong>in</strong>.


7 Resümee<br />

74<br />

7.1 Wor<strong>in</strong> besteht die Herausfor<strong>der</strong>ung für die<br />

Intensivpflegekräfte im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung?<br />

In <strong>der</strong> Zusammenführung aller <strong>in</strong> dieser Arbeit bisher angesprochenen<br />

Aspekte soll deutlich gemacht werden, wor<strong>in</strong> die Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sterbebegleitung für die Pflegekräfte auf <strong>der</strong> Intensivstation<br />

besteht.<br />

Dabei soll <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung, wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong> Anlehnung<br />

an das Stressmodell von Lazarus (vgl. Kap. 4.1:1), im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />

bewerteten stressrelevanten Situation verstanden werden. Wie schon<br />

<strong>in</strong> Kapitel 4.1 vorgestellt, unterscheidet Lazarus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bewertung<br />

stressrelevanter Situationen die drei Qualitäten <strong>der</strong> Schädigung bzw.<br />

des Verlustes, <strong>der</strong> Bedrohung und <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung. Während es<br />

sich bei <strong>der</strong> Schädigung um bereits e<strong>in</strong>getretene Ereignisse handelt,<br />

werden bei <strong>der</strong> Bedrohung noch aus <strong>der</strong> Situation folgende Schädigungen<br />

befürchtet. Die Herausfor<strong>der</strong>ung enthält h<strong>in</strong>gegen die<br />

Möglichkeit des positiven Meisterns <strong>der</strong> Situation. Nach dem Salutogenetischen<br />

Modell von Antonovsky 23 (Filipp, Aymanns 1997:278)<br />

wird die Bewertung e<strong>in</strong>er Situation als Herausfor<strong>der</strong>ung von <strong>der</strong><br />

Überzeugung <strong>der</strong> bewertenden Person getragen, dass das Leben<br />

grundsätzlich<br />

eher von Verän<strong>der</strong>ung als von Stabilität gekennzeichnet ist. Dabei<br />

wird die herausfor<strong>der</strong>nde Situation von <strong>der</strong> bewertenden Person als<br />

Ansporn für die persönliche Weiterentwicklung verstanden.<br />

Die Anfor<strong>der</strong>ungen, die die unterschiedlichen Aspekte e<strong>in</strong>er<br />

menschenwürdigen Sterbebegleitung für die Intensivpflegekräfte mit<br />

sich br<strong>in</strong>gen, sollen nach diesem Verständnis als Anstoß zu Verän<strong>der</strong>ungen<br />

gesehen werden, die für die Pflegekräfte die Chance zur<br />

beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung be<strong>in</strong>halten.<br />

E<strong>in</strong>e dieser Herausfor<strong>der</strong>ungen aus <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

für die Intensivpflegekräfte besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

23 Das salutogenetische Modell beschreibt im Rahmen <strong>der</strong> Erforschung von<br />

Bewältigungsstrategien die Ressourcen, die Personen im Angesicht<br />

belasten<strong>der</strong> Ereignisse wi<strong>der</strong>standfähiger machen (Filipp/Aymanns <strong>in</strong><br />

Uexküll 1998:278).


75<br />

bzw. Vere<strong>in</strong>barung <strong>der</strong> konträren Zielsetzungen <strong>der</strong> Intensivtherapie<br />

e<strong>in</strong>erseits und <strong>der</strong> Sterbebegleitung an<strong>der</strong>erseits. Dabei muss<br />

Sterbebegleitung von den Pflegekräften als <strong>in</strong>tensivpflegerische<br />

Aufgabe verstanden und die Verantwortung für ihre Gestaltung übernommen<br />

werden. Die notwendige persönliche Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit dem Thema Sterben, Tod und <strong>der</strong> eigenen Endlichkeit sowie die<br />

Offenheit zur Reflexion eigenen beruflichen Handelns stellen e<strong>in</strong>e<br />

persönliche Herausfor<strong>der</strong>ung für die Pflegekräfte dar.<br />

Diese Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung und die Beschäftigung mit den Vorstellungen<br />

und Grundsätzen e<strong>in</strong>er menschenwürdigen Sterbebegleitung<br />

führt zu e<strong>in</strong>er verän<strong>der</strong>ten Haltung <strong>der</strong> Pflegekräfte, die sich im<br />

offeneren Umgang mit sterbenden Patienten, <strong>der</strong>en Angehörigen,<br />

den Toten und <strong>der</strong> Trauer äußert. E<strong>in</strong>e solche Haltung steht im<br />

Wi<strong>der</strong>spruch zu <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> eher den Tod negierenden Kultur des<br />

Krankenhauses, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Intensivstation.<br />

Auch <strong>der</strong> offene Umgang <strong>der</strong> Pflegekräfte mit den eigenen Gefühlen,<br />

Grenzen und Möglichkeiten im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

bedeutet angesichts <strong>der</strong> gängigen Praxis auf Intensivstationen,<br />

Gefühle nicht o<strong>der</strong> nur oberflächlich zur Sprache zu br<strong>in</strong>gen, e<strong>in</strong>e<br />

grundsätzliche Neuerung im Umgang mit belastenden Situationen.<br />

Die Gestaltung <strong>der</strong> Sterbebegleitung unter gleichberechtigter<br />

Beteiligung verschiedener Professionen erfor<strong>der</strong>t zum e<strong>in</strong>en die<br />

Bereitschaft <strong>der</strong> Pflegekräfte, sich mit den Zielen und Inhalten dieser<br />

Professionen zu beschäftigen, die Pflege <strong>in</strong> dieser Zusammenarbeit<br />

<strong>in</strong>haltlich zu positionieren und Verantwortung für Entscheidungen und<br />

Interventionen zu übernehmen. Dies ersche<strong>in</strong>t vor allem wegen <strong>der</strong><br />

mediz<strong>in</strong>dom<strong>in</strong>ierten, hierarchischen Strukturen zwischen Ärzten und<br />

Pflegekräften im Krankenhaus und <strong>der</strong>, häufig zu beobachtenden und<br />

aus dieser Struktur entstandenen, Mentalität <strong>der</strong> Pflegekräfte,<br />

Verantwortung abzugeben, als Herausfor<strong>der</strong>ung. E<strong>in</strong>e verän<strong>der</strong>te<br />

Zusammenarbeit zwischen Pflegekräften und Ärzten, die nicht von<br />

mediz<strong>in</strong>ischem Rückzug und fehlendem <strong>in</strong>terprofessionellem<br />

Austausch geprägt ist, ist nur auf <strong>der</strong> Basis gleicher Zielsetzung <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung möglich. Die Pflegenden sollten Strukturen<br />

anstreben, die e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>terprofessionellen, regelmäßigen Austausch


ermöglichen und för<strong>der</strong>n.<br />

76<br />

Der hilfreiche Umgang mit sterbenden Patienten und <strong>der</strong>en Angehörigen<br />

erfor<strong>der</strong>t spezielles Wissen <strong>der</strong> Pflegekräfte über die möglichen<br />

physischen und psychischen Vorgänge <strong>in</strong> dieser Phase sowie über<br />

pflegerische, mediz<strong>in</strong>ische, soziale und spirituelle Möglichkeiten <strong>der</strong><br />

Bee<strong>in</strong>flussung belasten<strong>der</strong> Symptome. Ebenso ist Kommunikations- ,<br />

Anleitungs- und Beratungskompetenz vonnöten. Die Möglichkeiten,<br />

sich diese Kompetenzen anzueignen, e<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n, zu nutzen und<br />

<strong>der</strong> Bedeutung dieser Kompetenzen Ausdruck zu verleihen, ist e<strong>in</strong>e<br />

Anfor<strong>der</strong>ung, die die Intensivpflegekräfte <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

zu bewältigen haben.<br />

E<strong>in</strong>e weitere Herausfor<strong>der</strong>ung an die Pflegekräfte bedeutet die<br />

Angehörigenarbeit im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung, die e<strong>in</strong>e Neudef<strong>in</strong>ition<br />

<strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong> Angehörigen im <strong>in</strong>tensivpflegerischen Verständnis<br />

notwendig macht.<br />

Allgeme<strong>in</strong> bedeutet die Anerkennung <strong>der</strong> menschenwürdigen Sterbebegleitung<br />

als Aufgabe <strong>der</strong> Intensivpflege für die Pflegekräfte, sich für<br />

die Belange <strong>der</strong> sterbenden Patienten, ihrer Angehörigen und <strong>der</strong><br />

professionellen Begleiter auf <strong>der</strong> Intensivstation e<strong>in</strong>zusetzen und<br />

notwendige <strong>in</strong>stitutionelle Verän<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n.<br />

Die wünschenswerte E<strong>in</strong>bettung <strong>der</strong> Sterbebegleitung <strong>in</strong> die Gesellschaft<br />

erfor<strong>der</strong>t überdies von den Intensivpflegekräften, die viel beschriebene<br />

Tendenz zur Abschottung <strong>der</strong> Intensivstationen gegenüber<br />

<strong>der</strong> „Außenwelt“ zu realisieren und durch geeignete Maßnahmen<br />

gegen zu steuern.<br />

Als beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung für die Pflegekräfte s<strong>in</strong>d die unterschiedlichen<br />

Begleitumstände des Sterbens auf <strong>der</strong> Intensivstation<br />

anzusehen. Dabei gibt es eher selten die Möglichkeit <strong>der</strong> längerfristigen<br />

Begleitung und Vorbereitung auf den Tod (vgl. Kap. 6.5). Deshalb<br />

sollen an dieser Stelle auch an<strong>der</strong>e Situationen Beachtung f<strong>in</strong>den,<br />

die nicht <strong>der</strong> beschriebenen „klassischen Situation <strong>der</strong> Sterbebegleitung“<br />

mit dem Bewusstse<strong>in</strong> des unabän<strong>der</strong>lich herannahenden<br />

Todes entsprechen. Dazu gehört die Situation des plötzlichen und<br />

unerwarteten Todes e<strong>in</strong>es Patienten, die auf <strong>der</strong> Intensivstation<br />

meistens von <strong>in</strong>tensivtherapeutischen Wie<strong>der</strong>belebungsmaßnahmen


77<br />

gekennzeichnet ist. Hier beg<strong>in</strong>nt die Sterbebegleitung mit <strong>der</strong> Versorgung<br />

des Verstorbenen und <strong>der</strong> Trauerbegleitung <strong>der</strong> Angehörigen.<br />

Diese Situation stellt vor allem aufgrund des Unvorbereitet se<strong>in</strong>s hohe<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an die personalen und psychosozialen Kompetenzen<br />

<strong>der</strong> Pflegekräfte. Häufig tritt auch die Situation des Sterbens e<strong>in</strong>es<br />

Patienten unter <strong>in</strong>tensivtherapeutischer Behandlung e<strong>in</strong>. Obwohl<br />

diese Situation meistens, trotz des sich verschlechternden körperlichen<br />

Zustandes des Patienten, von <strong>der</strong> Hoffnung auf Überleben<br />

gekennzeichnet ist, stellt sie für den Patienten e<strong>in</strong>e existentielle<br />

Bedrohung dar und trägt damit die gleichen Erfor<strong>der</strong>nisse auf <strong>der</strong><br />

psychischen, geistigen und spirituellen Ebene <strong>in</strong> sich, wie die<br />

Situation <strong>der</strong> Sterbebegleitung.<br />

So ersche<strong>in</strong>en zur positiven Meisterung dieser Situationen dieselben<br />

E<strong>in</strong>stellungen und Kompetenzen notwendig, die im Rahmen <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung beschrieben werden. Dabei ist es auch die Aufgabe<br />

<strong>der</strong> Pflegekräfte, auf situationsbezogene, ethische Fragestellungen,<br />

vor allem bezüglich <strong>der</strong> S<strong>in</strong>nhaftigkeit <strong>in</strong>tensivtherapeutischer Interventionen,<br />

h<strong>in</strong>zuweisen (vgl. Kap. 3.2.4 und 6.5) bzw. die Kommunikation<br />

darüber mit allen Beteiligten zu för<strong>der</strong>n.<br />

Mit Blick auf die Aspekte <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung, die die <strong>in</strong>tensivpflegerische<br />

Begleitung sterben<strong>der</strong> Patienten für die Pflegekräfte mit sich<br />

br<strong>in</strong>gt, werden nun folgend Verän<strong>der</strong>ungsmöglichkeiten und Hilfen<br />

aufgezeigt, die den Pflegekräften die positive Meisterung <strong>der</strong> unterschiedlichen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen aus <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

ermöglichen bzw. sie dar<strong>in</strong> unterstützen können. Im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong><br />

Begriffsdef<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung soll durch sie gleichzeitig die<br />

persönliche und berufliche Weiterentwicklung <strong>der</strong> Pflegekräfte<br />

geför<strong>der</strong>t werden.<br />

7.2 Möglichkeiten <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung und Perspektiven zur<br />

Verbesserung <strong>der</strong> <strong>in</strong>tensivpflegerischen Sterbebegleitung<br />

Verän<strong>der</strong>ungen, die die Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> <strong>in</strong>tensivpflegerischen<br />

Sterbebegleitung verbessern und die Intensivpflegekräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong>


78<br />

Bewältigung <strong>der</strong> beschriebenen Anfor<strong>der</strong>ungen unterstützen sollen,<br />

müssen sowohl auf <strong>der</strong> persönlichen, <strong>der</strong> <strong>in</strong>stitutionellen als auch <strong>der</strong><br />

gesellschaftlichen Ebene ansetzen. Bee<strong>in</strong>flusst werden sollen die<br />

jeweilige Haltung und E<strong>in</strong>stellung Sterben und Tod gegenüber, sowie<br />

die Strukturen und diesbezüglichen Handlungen.<br />

In Bezug auf die grundlegende Problematik <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>barkeit <strong>der</strong><br />

kurativen Zielsetzung <strong>der</strong> Intensivstation mit <strong>der</strong> palliativen Zielsetzung<br />

<strong>der</strong> Sterbebegleitung muss das ursprüngliche Konzept von<br />

Intensivstationen überdacht und dah<strong>in</strong>gehend verän<strong>der</strong>t werden,<br />

dass Fortschritte und Möglichkeiten <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong> als <strong>in</strong>strumenteller<br />

Faktor verstanden werden, <strong>der</strong>en E<strong>in</strong>satz jedoch nicht nur das Überleben<br />

zum Ziel hat. Die Anerkennung <strong>der</strong> Grenzen des Lebens und<br />

das Verständnis von Sterben als letzter Phase des Lebens, muss<br />

konzeptuell <strong>in</strong>tegriert werden (vgl. Steppe 1992:599ff.).<br />

Die Sensibilisierung, Anleitung und Unterstützung <strong>in</strong> den Prozessen<br />

<strong>der</strong> persönlichen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Sterben und Tod, <strong>der</strong><br />

Reflexion <strong>der</strong> eigenen Vorstellungen von Sterbebegleitung und des<br />

eigenen beruflichen Handelns <strong>in</strong> <strong>der</strong> Betreuung sterben<strong>der</strong> Patienten<br />

muss für die Pflegekräfte bereits im Rahmen <strong>der</strong> Ausbildung erfolgen.<br />

Wichtig ist dabei, dass gerade die ersten Erfahrungen mit sterbenden<br />

Menschen im Praxisalltag reflektiert und begleitet werden, um frühe<br />

„Schockerlebnisse“, die sich auf die weitere Berufspraxis prägend<br />

auswirken können (vgl. Klockenbusch 1986:83), zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Weiterh<strong>in</strong> ersche<strong>in</strong>t die von vielen jungen Intensivpflegekräften absolvierte<br />

Fachweiterbildung als gute Möglichkeit, die Bedeutung <strong>der</strong><br />

persönlichen Reflexion und Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Sterben und Tod<br />

hervorzuheben und diese anzuregen bzw. fortzuführen. Voraussetzung<br />

für die s<strong>in</strong>nvolle Vermittlung entsprechen<strong>der</strong> Inhalte ist allerd<strong>in</strong>gs<br />

die <strong>in</strong>terprofessionelle Diskussion und Problematisierung <strong>der</strong><br />

mediz<strong>in</strong>isch-technischen Dom<strong>in</strong>anz auf <strong>der</strong> Intensivstation, um auch<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis e<strong>in</strong>en gleichberechtigten, <strong>in</strong>terprofessionellen Diskurs<br />

über das Thema Sterbebegleitung führen zu können (vgl. Kap.5.3:).<br />

Die Praxisbegleitung darf sich im Rahmen <strong>der</strong> Weiterbildung nicht nur<br />

auf die Anleitung und Kontrolle <strong>in</strong>strumentellen Handelns<br />

beschränken, son<strong>der</strong>n muss auch die supervisorische Begleitung <strong>der</strong>


79<br />

Teilnehmer umfassen. Die Möglichkeit im Rahmen von Aus– und<br />

Weiterbildung e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong> Hospizbewegung<br />

zu absolvieren, sche<strong>in</strong>t sowohl <strong>der</strong> persönlichen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

<strong>der</strong> Pflegekräfte als auch <strong>der</strong> Zusammenarbeit <strong>der</strong> unterschiedlichen<br />

E<strong>in</strong>richtungen dienlich. Unter <strong>der</strong> Voraussetzung, dass diese E<strong>in</strong>sätze<br />

theoretisch gut vorbereitet werden und die kont<strong>in</strong>uierliche Begleitung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis gewährleistet ist, könnten sie ebenso wie an<strong>der</strong>e<br />

E<strong>in</strong>sätze, z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> ambulanten Pflege o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anästhesie, als<br />

Pflichte<strong>in</strong>sätze im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er umfassenden Ausbildung vorgesehen<br />

werden. Weiterh<strong>in</strong> ist zu erwägen, ob nicht auf <strong>der</strong> Intensivstation<br />

zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Palliativ Care weitergebildete Pflegekraft tätig se<strong>in</strong><br />

sollte. Diese könnte sowohl die Teammitglie<strong>der</strong> situativ beraten als<br />

auch die Konzeptentwicklung für die <strong>in</strong>tensivpflegerische Sterbebegleitung<br />

unterstützen und begleiten.<br />

Da es sich bei <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit dem Thema Sterben und<br />

Tod und <strong>der</strong> Reflexion des beruflichen Handelns um e<strong>in</strong>en berufsbegleitenden<br />

Prozess handelt, muss über die Zeit <strong>der</strong> Weiterbildung<br />

h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e verpflichtende, systematische Fortbildung und Begleitung<br />

<strong>der</strong> Intensivpflegekräfte <strong>in</strong>stitutionalisiert werden.<br />

Diesbezügliche Fortbildungen sollten auf die Thematisierung persönlicher<br />

und kl<strong>in</strong>ischer Erfahrungen und auf Bewusstmachung des<br />

eigenen <strong>in</strong>neren Erlebens abzielen.<br />

Die gefor<strong>der</strong>te Begleitung <strong>der</strong> Pflegekräfte ist als Möglichkeit <strong>der</strong><br />

Entlastung im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er aufmerksamkeitszuwendenden Bewältigung<br />

belasten<strong>der</strong> Erfahrungen (vgl. Kap. 4.2:7) zu verstehen, da sie<br />

dem e<strong>in</strong>zelnen e<strong>in</strong> angstfreies Forum zur Äußerung belasten<strong>der</strong><br />

Gefühle bietet und ihn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Selbstwahrnehmung bezüglich <strong>der</strong><br />

Ausgestaltung se<strong>in</strong>er beruflichen Rolle im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

stärkt. Ebenso bietet sie e<strong>in</strong>e Möglichkeit zur Thematisierung<br />

und Erforschung <strong>der</strong> Ursachen von Konflikten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beziehung zu<br />

Patienten o<strong>der</strong> Angehörigen, <strong>in</strong>nerhalb des Teams o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en Professionen.<br />

E<strong>in</strong>e solche Begleitung kann z.B. <strong>in</strong> Form von Supervision erfolgen.<br />

Dabei ersche<strong>in</strong>t es s<strong>in</strong>nvoll, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Funktion des Supervisors neben<br />

e<strong>in</strong>em fachfremden Supervisor auch e<strong>in</strong>e entsprechend weitergebil-


80<br />

dete Pflegekraft bzw. Intensivpflegekraft e<strong>in</strong>zusetzen, da diese mit<br />

den pflegerischen Sozialisationsformen und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

vertraut ist und daraus erwachsende mögliche Konflikte antizipieren<br />

bzw. nachvollziehen kann.<br />

Die H<strong>in</strong>zuziehung e<strong>in</strong>er psychologischen Beratung für die Pflegekräfte<br />

sollte im Bedarfsfall möglich se<strong>in</strong>.<br />

Auch die Intervision als e<strong>in</strong>e Form kollegialer Beratung eignet sich zur<br />

Reflexion belasten<strong>der</strong> Situationen und kann z. B. im Rahmen von<br />

Fallbesprechungen zur Anwendung kommen. Hierzu müsste e<strong>in</strong>e<br />

entsprechende Schulung <strong>der</strong> Pflegekräfte stattf<strong>in</strong>den 24 .<br />

In Bezug auf den Erwerb <strong>der</strong> notwendigen Kenntnisse und Kompetenzen<br />

für die Sterbebegleitung, ist auf die Notwendigkeit ausreichen<strong>der</strong><br />

Übungsmöglichkeiten im so genannten „geschützten Raum“<br />

<strong>der</strong> Teilnehmer und auch hier auf die Praxisbegleitung h<strong>in</strong>zuweisen.<br />

Die Instrumente und Methoden des Theorie-Praxis-Transfers <strong>in</strong> Aus-,<br />

Fort– und Weiterbildung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Blick auf das sensible<br />

Thema <strong>der</strong> Betreuung sterben<strong>der</strong> Patienten auf ihre Effektivität h<strong>in</strong> zu<br />

überprüfen. Zu bedenken ist zudem, dass viele <strong>der</strong> zurzeit tätigen<br />

Intensivpflegekräfte, ihre Aus– und Weiterbildung vor mehreren<br />

Jahren absolviert haben. Es ist davon auszugehen, dass die Inhalte<br />

<strong>der</strong> Fachweiterbildung sich zu dieser Zeit hauptsächlich auf die<br />

Vermittlung mediz<strong>in</strong>isch – technischer Kompetenzen beschränkte. So<br />

kommt <strong>der</strong> systematischen Fortbildung dieser Mitarbeiter im S<strong>in</strong>ne<br />

<strong>der</strong> Kompetenzvermittlung für die Sterbebegleitung e<strong>in</strong>e bedeutende<br />

Rolle zu. Diese sollte deshalb verpflichtenden Charakter haben. Im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Sem<strong>in</strong>argestaltung könnten Vertreter <strong>der</strong> Hospizbewegung<br />

tätig werden. Überdies sollte auch den Intensivpflegekräften,<br />

die nicht Teilnehmer e<strong>in</strong>er Weiterbildung s<strong>in</strong>d, die<br />

Hospitation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong> Hospizbewegung möglich se<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e durch die genannten Maßnahmen verän<strong>der</strong>te Haltung <strong>der</strong> Inten-<br />

24 An dieser Stelle soll darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden, dass über die Beschäftigung<br />

mit den Anfor<strong>der</strong>ungen an die Pflege im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung,<br />

die Beratung, die die Pflege bisher noch kaum als eigenes Betätigungsfeld<br />

thematisiert hat, <strong>in</strong> unterschiedlichen Formen als pflegerische<br />

Aufgabe identifiziert werden kann. Nicht zuletzt stellt sie sich auch gerade<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sterbebegleitung als <strong>in</strong>tegraler Bestandteil pflegerischer Arbeit dar<br />

und sollte deshalb feldspezifisch für die Intensivpflege entwickelt und<br />

konzeptionell <strong>in</strong>tegriert werden (vgl. Koch – Straube 2001:63ff.).


81<br />

sivpflegekräfte Sterben und Tod gegenüber wird sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er höheren<br />

Wertschätzung <strong>der</strong> Sterbebegleitung ausdrücken und ist Ausgangspunkt<br />

e<strong>in</strong>er verän<strong>der</strong>ten pflegerischen Zusammenarbeit. Als zentrale<br />

Aufgabe ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> diesem Zusammenhang das Bewusstse<strong>in</strong> für<br />

e<strong>in</strong>e gegenseitige professionelle Verantwortung zu stärken. Diese<br />

gegenseitige Verantwortung schafft e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es kollegiales Verhältnis,<br />

das die jeweilige Situation und Bef<strong>in</strong>dlichkeit e<strong>in</strong>er Pflegekraft <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> täglichen Arbeit berücksichtigt. Die Stärkung<br />

dieses Bewusstse<strong>in</strong>s kann z.B. durch die geme<strong>in</strong>same Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>es Leitbildes für die pflegerische Zusammenarbeit auf <strong>der</strong> Intensivstation<br />

erfolgen. Handlungsleitende Richtl<strong>in</strong>ien, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Umsetzung<br />

e<strong>in</strong>es Konzeptes für die <strong>in</strong>tensivpflegerische Begleitung<br />

sterben<strong>der</strong> Patienten entwickelt werden, tragen zu mehr Sicherheit<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Pflegekräfte im Umgang mit <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

bei. Die pflegerische wie auch <strong>in</strong>terprofessionelle Zusammenarbeit<br />

sollte durch Gruppensupervision unterstützt und begleitet<br />

werden. Fortbildungen und <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Schulungen, die Kompetenzen<br />

im Blick auf die spezifische Situation <strong>der</strong> Zusammenarbeit im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung vermitteln, s<strong>in</strong>d vonnöten. Im Rahmen<br />

dieser Fortbildungen muss e<strong>in</strong> Diskurs über die Haltung und E<strong>in</strong>stellung<br />

bezüglich des Sterbens auf <strong>der</strong> Intensivstation und <strong>der</strong> Zielsetzung<br />

<strong>der</strong> Intensivtherapie <strong>in</strong>nerhalb des <strong>in</strong>tensivtherapeutischen<br />

Teams stattf<strong>in</strong>den. In dieser Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung liegt überdies die<br />

Chance e<strong>in</strong>er generellen Neugestaltung <strong>der</strong> professionellen Beziehung<br />

zwischen Pflegekräften und Ärzten auf <strong>der</strong> Intensivstation.<br />

Ethische Fragen <strong>der</strong> Intensivtherapie können dabei <strong>in</strong> <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären<br />

Arbeitsgruppen behandelt werden. In beson<strong>der</strong>s belastenden<br />

Situationen sollten Fallbesprechungen als Instrument <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer<br />

Zusammenarbeit zur Anwendung kommen. Ebenso müssen,<br />

um allen Anfor<strong>der</strong>ungen solch belasten<strong>der</strong> Situationen gerecht zu<br />

werden, konzeptionell festgelegt, die Aufgaben auf mehrere Mitarbeiter<br />

des therapeutischen Teams, verteilt werden. So kann die<br />

kont<strong>in</strong>uierliche Kommunikation mit dem Patienten und se<strong>in</strong>en Angehörigen<br />

sowie die Reflexion von Entscheidungen gewährleistet<br />

werden, was zu e<strong>in</strong>er deutlichen psychischen Entlastung <strong>der</strong> Pflege-


82<br />

kräfte beiträgt. Nicht nur <strong>der</strong> Wunsch <strong>der</strong> Patienten und Angehörigen<br />

sollte die H<strong>in</strong>zuziehung von Seelsorgern, Psychologen o<strong>der</strong> Sozialarbeitern<br />

erwirken, son<strong>der</strong>n auch die beson<strong>der</strong>e Belastung <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Situation. An dieser Stelle ist die Aufgabe <strong>der</strong> Institution,<br />

entsprechende Ressourcen bereitzustellen, zu unterstreichen.<br />

Die ger<strong>in</strong>ge Nutzung bereitgestellter Ressourcen sollte von Seiten <strong>der</strong><br />

Institution mit verstärkter Sorge um die Gesundheit <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

und die Qualität <strong>der</strong> Patientenversorgung beantwortet werden.<br />

In Bezug auf die ärztliche Versorgung im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

auf <strong>der</strong> Intensivstation s<strong>in</strong>d Kenntnisse und Erfahrungen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Palliativmediz<strong>in</strong> notwendig und sollten <strong>in</strong> die <strong>in</strong>tensivmediz<strong>in</strong>ische<br />

Ausbildung <strong>in</strong>tegriert werden. Die ärztliche Stellungnahme, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sterbephase „nichts mehr für e<strong>in</strong>en Patienten tun zu können“,<br />

entspricht nicht dem Verständnis und den mediz<strong>in</strong>ischen Möglichkeiten<br />

e<strong>in</strong>er menschenwürdigen Sterbebegleitung.<br />

E<strong>in</strong> weiterer wichtiger Aspekt im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung ist die<br />

Angehörigenarbeit. Wie schon <strong>in</strong> Kap.6.5 angemerkt, macht die<br />

Sterbebegleitung e<strong>in</strong>e Neudef<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong> Angehörigen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Intensivpflege notwendig. Die pflegerische Konzeption <strong>der</strong> Angehörigenarbeit<br />

im Rahmen <strong>der</strong> Sterbebegleitung muss die Erfassung und<br />

Berücksichtigung <strong>der</strong> psychosozialen Bedürfnisse <strong>der</strong> Angehörigen,<br />

die systematische Information, Beratung und Anleitung <strong>der</strong> Angehörigen<br />

e<strong>in</strong>schließen.<br />

Der Grundsatz <strong>der</strong> Hospizbewegung, so wenig Trennungen von<br />

sterbendem Patienten und Angehörigen wie möglich zu gewährleisten,<br />

muss auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Intensivpflege gelten. Diesem Grundsatz<br />

sollten die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er Intensivstation angepasst<br />

werden. Hierbei s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e angemessene Räumlichkeiten mit<br />

Schlafmöglichkeit für den Rückzug <strong>der</strong> Angehörigen, Bereitstellung<br />

von E<strong>in</strong>zelzimmern für die Patienten sowie die Versorgung <strong>der</strong> Angehörigen<br />

mit Nahrung zu nennen.<br />

Bezüglich <strong>der</strong> Bedürfnisse <strong>der</strong> Angehörigen hat die Erfahrung<br />

gezeigt, dass diese eng mit denen des sterbenden Menschen<br />

verwoben s<strong>in</strong>d (vgl. Student 1991:97). Fühlt sich <strong>der</strong> Sterbende<br />

gequält, so leiden auch die Angehörigen.


83<br />

In dem Bemühen, den Bedürfnissen des Patienten zu entsprechen,<br />

können die Angehörigen, vor allem <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf die nicht verbal<br />

kommunikationsfähigen Patienten, wertvolle Informationen bezüglich<br />

<strong>der</strong>en Gewohnheiten, Vorlieben und Wünschen liefern. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus sollten die Angehörigen, nach ihren Vorstellungen, <strong>in</strong><br />

pflegerische Maßnahmen, wie z.B. das Waschen, Betten o<strong>der</strong> die<br />

Basale Stimulation 25 e<strong>in</strong>bezogen werden. Die Pflegekraft wirkt dabei<br />

als Mittler zwischen Patient und Angehörigen und kann so Unsicherheiten<br />

und Ängste <strong>der</strong> Angehörigen bezüglich <strong>der</strong> körperlichen Pflege<br />

des Patienten m<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Voraussetzung hierfür ist die pflegerische<br />

Bereitschaft und Kompetenz zur Integration <strong>der</strong> Angehörigen 26 .<br />

Dabei muss jede Situation von den Pflegekräften <strong>in</strong>dividuell e<strong>in</strong>geschätzt<br />

und die Autonomie und Individualität <strong>der</strong> Angehörigen<br />

gewahrt werden. Sie sollten das Maß und die Art <strong>der</strong> E<strong>in</strong>beziehung<br />

und Begleitung, die sie wünschen, festlegen.<br />

Intensivpflegekräfte könnten <strong>in</strong> diesem Rahmen sowohl Impulse für<br />

die Gestaltung <strong>der</strong> Sterbebegleitung geben als auch Verantwortung<br />

für die Umsetzung <strong>der</strong> gestalterischen Wünsche von Patienten und<br />

Angehörigen übernehmen und hier entsprechende Möglichkeiten<br />

eröffnen, z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Räumlichkeiten o<strong>der</strong> ritueller und<br />

spiritueller Handlungen. Die Entdeckung dieses für die Intensivpflege<br />

ungewohnten Aufgabenfeldes be<strong>in</strong>haltet die Chance für die Pflegekräfte<br />

im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> persönlichen Weiterentwicklung e<strong>in</strong>en eigenen<br />

spirituellen Zugang zu dem Thema Sterben und Tod zu f<strong>in</strong>den 27 .<br />

25 „Basale Stimulation“ beschreibt wahrnehmungsför<strong>der</strong>nde, pflegerische<br />

Handlungen, die angewendet werden, um die S<strong>in</strong>neswahrnehmung, vor<br />

allem wahrnehmungsgestörter Patienten, positiv zu för<strong>der</strong>n (vgl. Bienste<strong>in</strong><br />

1996 <strong>in</strong>: Timm 200:21).<br />

26 Die Öffnung <strong>der</strong> Intensivpflege für die E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> Angehörigen<br />

macht die Inhalte und Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>in</strong>tensivpflegerischen Arbeit für<br />

diese transparenter und för<strong>der</strong>t so die gesellschaftliche Akzeptanz und<br />

Wertschätzung <strong>der</strong> Intensivpflege.<br />

27 In diesem Zusammenhang soll auf e<strong>in</strong>e Untersuchung h<strong>in</strong>gewiesen werden,<br />

durch die das Belastungserleben, Bewältigungspotenzial und die<br />

Religiösität Pflegen<strong>der</strong> auf Palliativstationen und <strong>in</strong> Hospizen analysiert<br />

werden sollte. In <strong>der</strong> Zusammenfassung <strong>der</strong> Ergebnisse dieser<br />

Untersuchung wird darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass religiöse Pflegekräfte sich<br />

im Rahmen ihrer Arbeit deutlich weniger psychisch bee<strong>in</strong>trächtigt erleben<br />

als nicht religiöse Pflegekräfte. Dies wird auf e<strong>in</strong> durch subjektive<br />

Glaubensgewissheit hervorgerufenes stabileres <strong>in</strong>neres Welterleben


84<br />

Zudem drückt es die ganzheitliche Sicht des Patienten im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />

leiborientierten Pflege aus (vgl. 5.1).<br />

Die <strong>der</strong> beschriebenen neuen Sterbekultur <strong>in</strong>newohnende Haltung<br />

zeigt sich auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er offeneren Umgangsform mit den Verstorbenen<br />

und <strong>der</strong> Trauer. Diese äußert sich, z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong><br />

Aufbahrung und des Abschiednehmens von dem Verstorbenen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er dafür hergerichteten, gut erreichbaren Räumlichkeit. Diese<br />

Möglichkeit sollte den Angehörigen von Seiten <strong>der</strong> Mitarbeiter nahe<br />

gebracht werden. Die Sterbebegleitung durch die Pflegekräfte endet<br />

mit <strong>der</strong> Abholung des Verstorbenen durch den Bestatter. Die<br />

Ausdehnung <strong>der</strong> <strong>in</strong>tensivpflegerischen Aufgabe auf die Trauerbegleitung<br />

<strong>der</strong> Angehörigen be<strong>in</strong>haltet die Notwendigkeit entsprechen<strong>der</strong><br />

Kompetenzvermittlung für die Pflegekräfte. Diese sollten im<br />

Rahmen von Information und Beratung auch Wege zum Umgang mit<br />

<strong>der</strong> Trauer aufzeigen können. Sofern es <strong>der</strong> Überzeugung <strong>der</strong><br />

Pflegekraft entspricht können diese Wege, z.B. die Durchführung von<br />

Abschiedsritualen, von <strong>der</strong> Pflegekraft und den Angehörigen<br />

geme<strong>in</strong>sam gestaltet werden und somit auch e<strong>in</strong>e Form von Bewältigungsunterstützung<br />

für die Pflegekraft bedeuten. Grundsätzlich muss<br />

für die Pflegekraft nach dem Tod e<strong>in</strong>es Patienten e<strong>in</strong>e Phase <strong>der</strong><br />

Ruhe ermöglicht werden, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sie sich zurückziehen kann. Entsprechend<br />

den Wünschen <strong>der</strong> Angehörigen (vgl. Kap. 3.2.1:5) sollte von<br />

Seiten <strong>der</strong> Institution die Möglichkeit e<strong>in</strong>er späteren Reflexion <strong>der</strong><br />

Erfahrungen für die Angehörigen geschaffen werden. Dies kann <strong>in</strong><br />

Form von Veranstaltungen geschehen, <strong>in</strong> denen Angehörige von auf<br />

<strong>der</strong> Intensivstation verstorbener Patienten zusammentreffen und sich<br />

untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> o<strong>der</strong> mit anwesenden Mitarbeitern des <strong>in</strong>tensivtherapeutischen<br />

Teams austauschen können.<br />

Diese Darstellungen von Verän<strong>der</strong>ungsmöglichkeiten im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />

menschenwürdigen Sterbebegleitung auf <strong>der</strong> Intensivstation machen<br />

die Verb<strong>in</strong>dung und Abhängigkeit von Aspekten <strong>der</strong> beschriebenen<br />

persönlichen, <strong>in</strong>stitutionellen und gesellschaftlichen Ebenen deutlich.<br />

zurückgeführt, <strong>in</strong> das Erfahrungen bei <strong>der</strong> Sterbebegleitung besser<br />

<strong>in</strong>tegriert werden können (Schrö<strong>der</strong>/ Schrö<strong>der</strong>/ Förster/ Bänsch 2003:63)


85<br />

So ist e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung <strong>in</strong>tensivpflegerischer Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

nur möglich, wenn diese auch von <strong>der</strong> Institution bzw. dem Träger<br />

gewollt ist und unterstützt wird. Dieser Wille zeigt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Verankerung <strong>der</strong> Pr<strong>in</strong>zipien menschenwürdiger Sterbebegleitung im<br />

Leitbild und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesamtkonzeption <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung, vor allem aber<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bereitstellung <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Ressourcen <strong>in</strong> ökonomisch<br />

schwierigen Zeiten. Die Zusammenarbeit e<strong>in</strong>es Krankenhauses mit<br />

E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Hospizbewegung und die Nutzung ihrer Angebote<br />

<strong>der</strong> Beratung und Weiterbildung wird zum Teil schon praktiziert und<br />

ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> mehrfacher H<strong>in</strong>sicht s<strong>in</strong>nvoll (vgl. Kap. 6.2:6).<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus sollte die Pflege die Situation <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

auf <strong>der</strong> Intensivstation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit mehr als bisher thematisieren<br />

und für begründete Verän<strong>der</strong>ungen werben. Dabei muss deutlich<br />

gemacht werden, dass die Pflegekräfte im Bereich <strong>der</strong> Intensivtherapie<br />

großen Anfor<strong>der</strong>ungen und Belastungen ausgesetzt s<strong>in</strong>d und <strong>in</strong><br />

diesem S<strong>in</strong>ne, als von <strong>der</strong> Gesellschaft beauftragte Helfer, auch<br />

<strong>der</strong>en Unterstützung erwarten. Das Ziel <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Thematisierung <strong>in</strong>tensivpflegerischer Herausfor<strong>der</strong>ungen und<br />

Leistungen ist e<strong>in</strong>e höhere Wertschätzung <strong>der</strong> <strong>in</strong>tensivpflegerischen<br />

Arbeit zu erreichen, die sich letztlich <strong>in</strong> besseren Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

für die Pflegekräfte ausdrücken wird und damit den auf e<strong>in</strong>er Intensivstation<br />

behandelten Menschen zugute kommt.<br />

Die bisher <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur wenig beachtete Situation <strong>der</strong> <strong>in</strong>tensivpflegerischen<br />

Sterbebegleitung sowie die Notwendigkeit <strong>der</strong> Evaluation<br />

diesbezüglicher Interventionen macht e<strong>in</strong>en Forschungsbedarf <strong>in</strong><br />

diesem Bereich deutlich. Die Intensivpflegekräfte könnten <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang durch Bereitstellung und Systematisierung praktischer<br />

Erfahrungen e<strong>in</strong>en wertvollen Beitrag für e<strong>in</strong>e verän<strong>der</strong>te<br />

Sterbekultur auch auf <strong>der</strong> Intensivstation leisten.<br />

Die daraus entspr<strong>in</strong>gende ganzheitliche und reflexive Orientierung<br />

wird sich über die Sterbebegleitung h<strong>in</strong>aus auf alle<br />

<strong>in</strong>tensivpflegerischen und -therapeutischen Situationen auswirken.


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vom 22. Mai 2005<br />

Bil<strong>der</strong>verzeichnis / Tabellennachweis<br />

Bild unter Punkt 3.2.2:<br />

http://www.uniulm.de/kl<strong>in</strong>ik/neurochirurgie/Tour%20durch%20die%20Kl<strong>in</strong>ik/Die%20I<br />

ntensivstation/die%20<strong>in</strong>tensivstation.html<br />

Tabelle unter Punkt 3.2:<br />

http://www.albatros-hospiz.de/sterbehilfe.html


Erklärung<br />

93<br />

„Ich versichere hiermit, dass ich die vorstehende Arbeit selbstständig<br />

angefertigt habe und dabei nur die angegebenen Hilfsmittel und<br />

Quellen benutzt habe.“<br />

________________ ________________<br />

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