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Rien ne va plus: Muss sich der Auftragnehmer ... - Werner Baurecht

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<strong>Rien</strong> <strong>ne</strong> <strong>va</strong> <strong>plus</strong>:<strong>Muss</strong> <strong>sich</strong> <strong>der</strong> Auftrag<strong>ne</strong>hmer entscheiden, ob er beim Bauzeit-Claim auf § 6Abs. 6 VOB/B o<strong>der</strong> auf § 642 BGB setzt?RA Christoph Otto, BerlinVerlängert <strong>sich</strong> die Bauzeit aufgrund des Ausbleibensei<strong>ne</strong>r Mitwirkungshandlung des Auftraggebers,jedoch oh<strong>ne</strong> ei<strong>ne</strong> entsprechendeAnordnung, kommen als Anspruchsgrundlagenfür den Ersatz <strong>der</strong> dadurch entstehenden Aufwendungenfür den Auftrag<strong>ne</strong>hmer § 6 Abs. 6VOB/B o<strong>der</strong> § 642 BGB in Betracht. Beim VOB-Vertrag bestehen die Ansprüche nach <strong>der</strong>Rechtsprechung des BGH 1 und dem daraufhi<strong>ne</strong>ingefügten S. 2 des § 6 Abs. 6 VOB/B 2 <strong>ne</strong>be<strong>ne</strong>inan<strong>der</strong>.Ungeklärt ist, ob und zu welchem Zeitpunkt <strong>sich</strong><strong>der</strong> Auftrag<strong>ne</strong>hmer für ei<strong>ne</strong> <strong>der</strong> beiden Anspruchsgrundlage<strong>ne</strong>ntscheiden muss o<strong>der</strong> obverschiede<strong>ne</strong> Mehraufwendungen ei<strong>ne</strong>s Lebenssachverhaltspartiell nach § 642 BGB (z.B.zusätzliche AGK des Verlängerungszeitraums)und partiell nach § 6 Abs. 6 VOB/B (z.B. Wagnisund Gewinn bei grober Fahrlässigkeit des Auftraggebersbezüglich <strong>der</strong> versäumten Mitwirkungshandlung)abgerech<strong>ne</strong>t werden kön<strong>ne</strong>n. 3Der Beitrag versucht ei<strong>ne</strong> Einordnung.I. Anspruchsvoraussetzungen undUmfang des ErsatzesZunächst werden die Anspruchsvoraussetzungenund <strong>der</strong> Umfang des Ersatzes auf <strong>der</strong>Rechtsfolgenseite skizziert. Es werden nur diewesentlichen Punkte dargestellt, um die Unterschiedezwischen beiden Anspruchsgrundlagenzu verdeutlichen.1. § 6 Abs. 6 VOB/BDer Anspruch nach § 6 Abs. 6 VOB/B setzt auf<strong>der</strong> Tatbestandsseite ei<strong>ne</strong> Behin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong>Bauausführung und <strong>der</strong>en Vertretenmüssendurch den Auftraggeber voraus. 4Auf <strong>der</strong> Rechtsfolgenseite ist die Höhe desSchadensersatzanspruchs nach <strong>der</strong> Differenzhypotheseaus ei<strong>ne</strong>m Vergleich <strong>der</strong> tatsächlichenVermögenslage des Auftrag<strong>ne</strong>hmers mit<strong>der</strong> hypothetischen Vermögenslage bei störungsfreierAusführung <strong>der</strong> Werkleistung zuvergleichen. Dabei sind für die Berechnung <strong>der</strong>tatsächlichen Vermögenslage die behin<strong>der</strong>ungsbedingten,tatsächlichen Mehrkosten zuermitteln. 5Den Ersatz von Wagnis und (entgange<strong>ne</strong>m)Gewinn gewährt § 6 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 nur, wenndem Auftraggeber bezüglich <strong>der</strong> hin<strong>der</strong>ndenUmstände Vorsatz o<strong>der</strong> grobe Fahrlässigkeitzur Last fällt. 62. § 642 BGBAuf <strong>der</strong> Tatbestandsseite setzt § 642 BGB denAnnahmeverzug des Auftraggebers(§§ 293 ff. BGB) und die Nichtvornahme ei<strong>ne</strong>rnotwendigen Mitwirkungshandlung des Auftraggebersvoraus. 7Auf <strong>der</strong> Rechtsfolgenseite gewährt § 642 Abs. 1BGB ei<strong>ne</strong> Entschädigung. Diese bemisst <strong>sich</strong>gemäß § 642 Abs. 2 BGB anhand <strong>der</strong> vereinbartenVergütung. Sie ist daher vergütungsähnlichund anhand <strong>der</strong> fortgeschriebe<strong>ne</strong>n Ange-1 BGH, BauR 2000, 722, 725; BauR 2004, 1285, 1288;s. auch KG, BauR 2009, 650, 653.2 Siehe Bekanntmachung <strong>der</strong> Neufassung <strong>der</strong> Vergabe- undVertragsordnung für Bauleistungen (VOB), Teil B, VOB/BAusgabe 2006, vom 04.09.2006, S. 6.3 In <strong>der</strong> Terminologie <strong>der</strong> Juristen wird das Thema unterdem Stichwort <strong>der</strong> Konkurrenzen behandelt.4 S. dazu ausführlich Roquette/Viering/Leupertz, HandbuchBauzeit, 2. Aufl., Rn. 706 ff.5 Lei<strong>ne</strong>mann, NZBau 2009, 624, 627;Roquette/Viering/Leupertz, Handbuch Bauzeit, 2. Aufl.,Rn. 731 ff.6 Roquette/Viering/Leupertz, Handbuch Bauzeit, 2. Aufl.,Rn. 731.7 Roquette/Viering/Leupertz, Handbuch Bauzeit, 2. Aufl.,Rn. 751 f.© 2012 by Wolters Kluwer Deutschland GmbH/wer<strong>ne</strong>r-baurecht.de1


otskalkulation des Unter<strong>ne</strong>hmers zu ermitteln. 8Die zu § 2 Abs. 5 VOB/B entwickelten Grundsätzekön<strong>ne</strong>n dabei herangezogen werden. 9Nach <strong>der</strong> Rechtsprechung umfasst die Entschädigungden Ersatz von Wagnis und Gewinnnicht. 10 Die Literatur tendiert indes zum Ersatzvon Wagnis und Gewinn im Rahmen des § 642BGB. 11II.KonkurrenzenIm Übersch<strong>ne</strong>idungsbereich <strong>der</strong> Tatbeständekonkurrieren beide Normen miteinan<strong>der</strong> und esstellt <strong>sich</strong> die Frage, welche von beiden Vorschriftenangewandt werden darf.Im Regelfall verdrängen <strong>sich</strong> nach Rechtsprechungund herrschen<strong>der</strong> Lehre mehrere aufei<strong>ne</strong>n Sachverhalt anwendbare Normen im Pri<strong>va</strong>trechtnicht. 12 Vielmehr kön<strong>ne</strong>n ihre Rechtsfolgen<strong>ne</strong>be<strong>ne</strong>inan<strong>der</strong> zur Anwendung gelangen(Anspruchskonkurrenz). Dies ist unproblematisch,solange die Normen auf das gleiche Interessegerichtet sind, d.h. im Ergebnis identischeRechtsfolgen aufweisen. 13 Bei Erfüllung desei<strong>ne</strong>n Anspruchs erlischt <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e durch Erfüllungebenfalls, 14 § 362 Abs. 1 BGB. Von diesemGrundsatz bestehen jedoch Ausnahmen,die nur selten ausdrücklich geregelt sind unddaher anhand des Zusammenspiels <strong>der</strong> be-8 Lei<strong>ne</strong>mann, NZBau 2009, 624, 627.9 Roquette/Viering/Leupertz, Handbuch Bauzeit, 2. Aufl.,Rn. 768.10 BGH, BauR 2000, 722, 725 (Vorunter<strong>ne</strong>hmer II); OLGBraunschweig, BauR 2004, 1621.11 Für den Ersatz von W+G: Kniffka-Pause/Vogel, ibr-onli<strong>ne</strong>-Kommentar Bauvertragsrecht, § 642 BGB Rn. 57; Staudinger-Peters/Jacoby,Bearb. 2008, § 642 BGB Rn. 25;Beck`scher VOB-Kommentar-Motzke/Berger, 2. Aufl., § 6Nr. 6 VOB/B Rn. 124; Boldt, BauR 2006, 185, 198; Roskosny/Bolz,BauR 2006, 1804, 1809; Vygen/Joussen/Schubert/Lang-Vygen/Joussen, 6. Aufl., Teil A Rn. 694;Schil<strong>der</strong>, BauR 2007, 450, 455; Roquette/Viering/Leupertz,Handbuch Bauzeit, 2. Aufl., Rn.771. Gegen den Ersatz von W+G: Lei<strong>ne</strong>mann-Lei<strong>ne</strong>mann, 4. Aufl., § 6 VOB/B Rn. 168 a.E.; Messerschmidt/Voit-Stickler,§ 642 BGB Rn. 43.12 BGHZ 9, 301; 17, 214; 24, 188; 46, 140; 66, 315; 100,201; Dietz, Anspruchskonkurrenz bei Vertragsverletzungund Delikt; Staudinger-Peters/Jacoby, Bearb. 2009, § 195BGB Rn. 32; vgl. Arens, AcP 170, 392, 393 mwN.13 Unter „identische Rechtsfolge“ wird hier auch verstanden,wenn die Rechtsfolge ei<strong>ne</strong>r Norm weniger weitreichend istals die <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en, die weitreichen<strong>der</strong>e Rechtsfolge dieseaber vollständig umfasst. Z.B. wenn Norm A den Ersatzvon Personalkosten des Bauleiters anord<strong>ne</strong>t, Norm Bden Ersatz <strong>der</strong>selben Personalkosten sowie zusätzlichvon Fahrkosten des Bauleisters zur Baustelle.14 En<strong>ne</strong>ccerus-Nipperdey, Lehrbuch des BürgerlichenRechts, Bd. 1, Halbbd. 2, 15. Aufl., 1391.troffe<strong>ne</strong>n Ansprüche herausgearbeitet werdenmüssen. 15Ei<strong>ne</strong> solche Ausnahme bilden die Fälle <strong>der</strong> sog.„alternativen Konkurrenz“. Bei diesen weisenverschiede<strong>ne</strong> Anspruchsgrundlagen, die aufei<strong>ne</strong>n Sachverhalt anwendbar sind, unterschiedlicheRechtsfolgen auf. 16 Der Berechtigte kan<strong>ne</strong>i<strong>ne</strong> <strong>der</strong> Anspruchsgrundlagen wählen, ist sodannaber auf diese Anspruchsgrundlage beschränkt.Mangels ausdrücklicher Regelung besteht zwischenAnsprüchen aus § 6 Abs. 6 VOB/B und §642 BGB kei<strong>ne</strong> alternative Konkurrenz, son<strong>der</strong>nAnspruchskonkurrenz. § 6 Abs. 6 VOB/B weistnicht nur hin<strong>sich</strong>tlich des Tatbestandes, son<strong>der</strong>nim größeren Umfang auch hin<strong>sich</strong>tlich <strong>der</strong>Rechtsfolgen Unterschiede gegenüber § 642BGB auf (s. Abschnitt I.). Insbeson<strong>der</strong>e die Ermittlungdes Schadensersatzes unterscheidet<strong>sich</strong> grundlegend von <strong>der</strong> Ermittlung <strong>der</strong> Entschädigung.Während die Ermittlung des Schadensersatzesanhand <strong>der</strong> Ist-Kosten erfolgt,wird für die Entschädigung die Kalkulation desAuftrag<strong>ne</strong>hmers nach baubetrieblichen Methodenfortgeschrieben. Die summenmäßigen Ergebnissebei<strong>der</strong> Ansprüche mögen <strong>sich</strong> zwarübersch<strong>ne</strong>iden, sind jedoch nicht deckungsgleich,da für den gleichen Mehraufwand höhereo<strong>der</strong> niedrigere Ist-Kosten angefallen sein kön<strong>ne</strong>n,als <strong>der</strong> Wert, mit dem <strong>der</strong> Mehraufwandgemäß <strong>der</strong> Fortschreibung <strong>der</strong> Kalkulation zuentschädigen ist. Aufgrund dieser Unterschiedeerscheint ei<strong>ne</strong> alternative Konkurrenz zwischenbeiden Ansprüchen vor<strong>der</strong>gründig möglich, dadie im Pri<strong>va</strong>trecht häufige Form <strong>der</strong> deckungsgleichenÜbersch<strong>ne</strong>idung auf <strong>der</strong> Rechtsfolgenseitenicht vorliegt und mithin kei<strong>ne</strong> Identität <strong>der</strong>Rechtsfolgen besteht. Im Ergebnis ist ei<strong>ne</strong> alternativeKonkurrenz zwischen § 6 Abs. 6VOB/B und § 642 BGB jedoch abzuleh<strong>ne</strong>n.1. Rechtsprechung des BGHDer Bundesgerichtshof ließ das Konkurrenzverhältniszwischen <strong>der</strong> Vorgängervorschrift desheutigen § 6 Abs. 6 VOB/B und § 642 BGBzunächst offen. 17 Er schränkte in <strong>der</strong> gleichenEntscheidung jedoch die Mitwirkungsobliegen-15 Staudinger-Peters/Jacoby, Bearb. 2009, § 195 BGBRn. 30 f.16 Dietz, Anspruchskonkurrenz bei Vertragsverletzung undDelikt, S. 35.17 BGH, BauR 1985, 561, 564.© 2012 by Wolters Kluwer Deutschland GmbH/wer<strong>ne</strong>r-baurecht.de2


heiten soweit ein, dass die Vorschrift des § 642BGB im VOB-Vertrag praktisch kei<strong>ne</strong> Rollespielte. 18Diese Rechtsprechung hat <strong>der</strong> BGH mit <strong>der</strong>Entscheidung „Vorunter<strong>ne</strong>hmer II“ 19 revidiert. Erwendet nunmehr § 642 BGB beim VOB-Vertragparallel <strong>ne</strong>ben § 6 Abs. 6 VOB/B an. Wörtlichführt <strong>der</strong> BGH dazu aus: „Der Entschädigungsanspruchkann auch dann selbständig und unabhängig<strong>ne</strong>ben dem Anspruch auf vereinbarteVergütung bestehen, wenn <strong>der</strong> Gläubiger dieihm obliegende Handlung nachholt und dasWerk hergestellt wird.“ 20 Damit ist zunächst nurgesagt, dass die Ansprüche im Ausgangspunkt<strong>ne</strong>be<strong>ne</strong>inan<strong>der</strong> entstehen. Ei<strong>ne</strong> Feststellung,dass es <strong>sich</strong> um Anspruchs- o<strong>der</strong> alternativeKonkurrenz handelt ist damit nicht verbunden,da auch die in alternativer Konkurrenz stehendenAnsprüche zunächst <strong>ne</strong>be<strong>ne</strong>inan<strong>der</strong> bestehen,bis <strong>der</strong> Gläubiger ei<strong>ne</strong>n <strong>der</strong> beiden geltendgemacht hat. Dabei hängt <strong>der</strong> genaue Zeitpunktdes Erlöschens von den anwendbaren Normenab und ist im Einzelfall oft umstritten. 21Der BGH trifft insbeson<strong>der</strong>e kei<strong>ne</strong> Aussagedazu, ob einzel<strong>ne</strong> Aufwandsposten aus demgleichen Lebenssachverhalt(=Störungsvorgang) „durcheinan<strong>der</strong>“ geltendgemacht werden kön<strong>ne</strong>n, d.h. ob ein Postennach § 642 BGB und ein an<strong>der</strong>er nach § 6 Abs.6 VOB/B abgerech<strong>ne</strong>t werden kann. Zudemwird nicht angesprochen, bis zu welchem Zeitpunktei<strong>ne</strong> Auswechslung <strong>der</strong> Anspruchsgrundlage,auf die <strong>sich</strong> <strong>der</strong> Auftrag<strong>ne</strong>hmer stützt,möglich ist. Allenfalls die Formulierung „selbständigund unabhängig“ lässt ei<strong>ne</strong> Tendenz zurAnspruchskonkurrenz erken<strong>ne</strong>n. Da es in <strong>der</strong>Entscheidung jedoch nicht auf die hier aufgeworfe<strong>ne</strong>Konkurrenzproblematik ankam, kanndiese Passage nur als obiter dictum herangezogenwerden. Ei<strong>ne</strong> <strong>sich</strong>ere Prognose, wie <strong>der</strong>BGH die Problematik entscheiden würde, kanndaraus nicht abgeleitet werden.In <strong>der</strong> vorgenannten Entscheidung hat <strong>der</strong> BGHzudem das Anzeigeerfor<strong>der</strong>nis aus § 6 Abs. 1VOB/B beim VOB-Vertrag auf Ansprüche aus §642 BGB übertragen. 22 Daraus könnte auf ei<strong>ne</strong>Verknüpfung <strong>der</strong> Ansprüche geschlossen wer-18 Kritisch dazu Kraus, BauR 1986, 17, 22 ff.19 BGH, BauR 2000, 722, 724 f.20 BGH, BauR 2000, 722, 725.21 En<strong>ne</strong>ccerus-Nipperdey, Lehrbuch des BürgerlichenRechts, Bd. 1, Halbbd. 1, 15. Aufl., 350.22 BGH BauR 2000, 722, 725.den. Die Begründung des BGH, im VOB-Vertragsei die Behin<strong>der</strong>ungsanzeige nach § 6 Abs. 1VOB/B zwischen den Parteien vereinbart wordenund diese sei daher für ein ordnungsgemäßesAngebot des Schuld<strong>ne</strong>rs im Sin<strong>ne</strong> <strong>der</strong> §§294-296 BGB erfor<strong>der</strong>lich, 23 lässt jedoch kei<strong>ne</strong>nRaum für die Schlussfolgerung ei<strong>ne</strong>r Verknüpfungim Sin<strong>ne</strong> ei<strong>ne</strong>s Rangverhältnisses <strong>der</strong>Normen o<strong>der</strong> ei<strong>ne</strong>s beab<strong>sich</strong>tigten Ausschlussesei<strong>ne</strong>r <strong>der</strong> Ansprüche. Sie spricht für ei<strong>ne</strong>Anspruchskonkurrenz.Der aus Anlass dieser Rechtsprechung in dieVOB/B 2006 eingefügte S. 2 des heutigen § 6Abs. 6 VOB/B 24 trägt ebenfalls nicht zur Klärung<strong>der</strong> hier aufgeworfe<strong>ne</strong>n Frage bei, da die Formulierung„Im Übrigen bleibt <strong>der</strong> Anspruch desAuftrag<strong>ne</strong>hmers auf angemesse<strong>ne</strong> Entschädigungnach § 642 BGB unberührt, […]“ kei<strong>ne</strong>Entscheidung für o<strong>der</strong> gegen ei<strong>ne</strong> alternativeKonkurrenz erken<strong>ne</strong>n lässt. Aus <strong>der</strong> Rechtsprechungdes BGH und § 6 Abs. 6 S. 2 VOB/Bfolgt, dass ei<strong>ne</strong> Anwendung des § 6 Abs. 6 S. 1VOB/B als haftungsbegrenzende Regelung aufAnsprüche aus § 642 BGB ausscheidet. 25 AlsIndiz kann daraus geschlossen werden, dassdie Anspruchsgrundlagen nicht in ei<strong>ne</strong>m Rangverhältniszueinan<strong>der</strong> stehen.2. Motive des historischen GesetzgebersDer historische Gesetzgeber des BGB gingdavon aus, dass <strong>ne</strong>ben Ansprüchen aus § 642BGB verschuldensabhängige Ansprüche aus„Erfüllungsverzug“ gegeben sein kön<strong>ne</strong>n, wen<strong>ne</strong>ntsprechende Mitwirkungspflichten als echteVertragspflichten im Vertrag vereinbart werden26 . § 6 Abs. 6 VOB/B regelt ei<strong>ne</strong> solche Vertragspflichtund die verschuldensabhängigenFolgen ei<strong>ne</strong>r Verletzung. Die Rechtsprechungdes Bundesgerichtshofs 27 zur parallelen Anwendbarkeitbei<strong>der</strong> Anspruchsgrundlagen stehtdaher mit den Erwägungen des historischenGesetzgebers in Einklang. Daraus kann abernicht gefolgert werden, dass die Anspruchsgrundlagenjeweils selektiv für den gleichen23 BGH BauR 2000, 722, 725.24 Siehe Bekanntmachung <strong>der</strong> Neufassung <strong>der</strong> VergabeundVertragsordnung für Bauleistungen (VOB), Teil B,VOB/B Ausgabe 2006, vom 04.09.2006, S. 6.25 Vgl. allgemein zur Anwendung <strong>der</strong> Haftungsbegrenzungaus § 6 Abs. 6 S. 1 VOB/B auf an<strong>der</strong>e AnspruchsgrundlagenRoquette/Viering/Leupertz, Handbuch Bauzeit, 2.Aufl., Rn. 698 ff.26 Mugdan, Motive, Bd. 2, S. 277, Stichwort „Verschulden“.27 BGH, BauR 2000, 722, 725 (Vorunter<strong>ne</strong>hmer II), BauR2004, 1285, 1288; s. auch KG, BauR 2009, 650, 653.© 2012 by Wolters Kluwer Deutschland GmbH/wer<strong>ne</strong>r-baurecht.de3


Sachverhalt <strong>ne</strong>be<strong>ne</strong>inan<strong>der</strong> angewandt werdendürfen, etwa verschuldensabhängiger Schadensersatznach § 6 Abs. 6 VOB/B für Wagnisund Gewinn <strong>ne</strong>ben Entschädigung für alle übrigenPositio<strong>ne</strong>n nach § 642 BGB. Aus den Erwägungendes historischen Gesetzgebers ergibt<strong>sich</strong> nicht, ob dieser Anspruchskonkurrenz o<strong>der</strong>alternative Konkurrenz anord<strong>ne</strong>n wollte, d.h. obei<strong>ne</strong> teilweise parallele Geltendmachung ausdemselben Lebenssachverhalt zugelassen o<strong>der</strong>ausgeschlossen werden sollte.3. AGB-rechtliche KonsequenzenDer BGH überträgt mit dem Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong>Behin<strong>der</strong>ungsanzeige (zumindest de facto) ei<strong>ne</strong>Anspruchsvoraussetzung aus § 6 Abs. 1 VOB/Bauf den gesetzlichen Anspruch aus § 642BGB. 28 Das ist zumindest dann problematisch,wenn die VOB/B unverän<strong>der</strong>t als Ganzes vereinbartwird 29 und somit nicht <strong>der</strong> Inhaltskontrollenach §§ 305 ff. BGB unterliegt. 30 Denndadurch wird ein gesetzlicher Anspruch durchAGB-Regelungen eingeschränkt, die <strong>der</strong> AGB-Kontrolle entzogen sind, § 310 Abs. 1 S. 3 BGB.Neben diesen ge<strong>ne</strong>rellen Bedenken gegen dieÜbertragung lässt <strong>sich</strong> daraus nichts für ei<strong>ne</strong>Einordnung <strong>der</strong> Konkurrenzen zwischen Ansprüchenaus § 6 Abs. 6 VOB/B und § 642 BGBgewin<strong>ne</strong>n. Denn das Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ungsanzeigenach § 6 Abs. 1 VOB/B wird vomBGH als Voraussetzung ei<strong>ne</strong>s ordnungsgemäßenAngebots des Bauunter<strong>ne</strong>hmers verstanden,um den Auftraggeber in Gläubigerverzugzu setzen. 31 Ein Rangverhältnis <strong>der</strong> Ansprüchekann daher daraus nicht abgeleitet werden.Vielmehr hat <strong>der</strong> BGH die beson<strong>der</strong>en Erfor<strong>der</strong>nissedes Bauvertrages berück<strong>sich</strong>tigt.III.ZusammenfassungIn Abwandlung des Rufs des Croupiers „gehtnoch (fast) alles“. Der Auftrag<strong>ne</strong>hmer kann <strong>sich</strong>auch während des gerichtlichen Verfahrensnoch dazu entschließen, sei<strong>ne</strong> Bauzeitansprüche„gemischt“ auf § 6 Abs. 6 VOB/B und § 642BGB gestützt geltend zu machen, denn zwischenbeiden Ansprüchen besteht Anspruchskonkurrenz.Damit die Durchsetzung des Bau-zeitanspruchs nicht zum Glücksspiel wird, istihm aus praktischen Erwägungen dennoch davonabzuraten, die „Nummern zu wechseln“ aufdie er setzt. Denn es besteht ein so hoher Dokumentationsaufwandzum gerichtsfestenNachweis <strong>der</strong> Bauzeit-Claims, dass <strong>der</strong> Nachweismeist nur geführt werden kann, wenn dieentsprechenden Daten schon während desBehin<strong>der</strong>ungszeitraums und über die Bauzeithinweg gezielt mit Blick auf die Voraussetzungen<strong>der</strong> jeweiligen Anspruchsgrundlage gesammeltund aufbereitet werden. 32 Gleichwohlstehen ei<strong>ne</strong>r gemischten Geltendmachung beientsprechend darauf ausgerichteter Dokumentationkei<strong>ne</strong> rechtlichen Hin<strong>der</strong>nisse entgegen.Es mag allerdings ei<strong>ne</strong>n praktisch höheren Aufwandverursachen, die Nachweise für ei<strong>ne</strong>nLebenssachverhalt getrennt nach den Anfor<strong>der</strong>ungenzweier unterschiedlicher Berechnungssystemezu <strong>sich</strong>ern und aufzubereiten. DerAuftrag<strong>ne</strong>hmer sollte daher zu Beginn <strong>der</strong> Bauablaufstörungei<strong>ne</strong> Prognose treffen, welcheAnspruchsgrundlage bezogen auf zu erwartendenSchadensersatz bzw. zu erwarten<strong>der</strong> Entschädigungund im Verhältnis zum voraus<strong>sich</strong>tlichenDokumentations- und Aufbereitungsaufwandfür ihn günstiger ist. Bei ei<strong>ne</strong>m späterenWechsel ist mit höheren Kosten für die weitereAufbereitung zu rech<strong>ne</strong>n. Zudem wird ei<strong>ne</strong> breitereDatenbasis für diese Aufbereitung benötigt,welche wegen <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Detailtiefebereits in <strong>der</strong> Ausführungsphase zu erheben ist.Des Weiteren ist <strong>der</strong> Auftrag<strong>ne</strong>hmer vor allembei großen, relativ langen Bauprojekten oft vo<strong>ne</strong>i<strong>ne</strong>r Personalfluktuation betroffen, welche dienachträgliche Aufbereitung <strong>der</strong> Nachweisedurch nicht mit dem Projekt vertraute <strong>ne</strong>ue Mitarbeitererheblich erschweren kann. 33Aus betriebswirtschaftlichen Ge<strong>sich</strong>tspunktenkann es daher im Einzelfall sinnvoll sein, diejuristischen Möglichkeiten <strong>der</strong> gemischten Geltendmachungnach § 642 BGB und § 6 Abs. 6VOB/B nicht voll auszureizen, son<strong>der</strong>n <strong>sich</strong> vonAnfang an auf ei<strong>ne</strong> Dokumentationsstrategiefestzulegen, die gezielt nur einige „loh<strong>ne</strong>nde“Ansprüche nach § 6 Abs. 6 VOB/B erfasst undalle übrigen einheitlich nach § 642 BGB geltendmacht. Wegen <strong>der</strong> nicht abschließend geklärtenRechtslage sollten <strong>der</strong> nach § 6 Abs. 6 VOB/B28 BGH, BauR 2000, 722, 724 f.29 BGH BauR 2004, 668.30 Beck’scher Onli<strong>ne</strong>-Kommentar-Oberhauser, 9. Edition,§ 6 Nr. 6 VOB/B Rn. 3.31 BGH, BauR 2000, 722, 725.32 Roquette/Viering/Leupertz, Handbuch Bauzeit, 2. Aufl.,Rn. 628 ff.33 Roquette/Viering/Leupertz, Handbuch Bauzeit, 2. Aufl.,Rn. 629.© 2012 by Wolters Kluwer Deutschland GmbH/wer<strong>ne</strong>r-baurecht.de4


abzurech<strong>ne</strong>nde Mehraufwand, soweit möglich,parallel auch entsprechend den Anfor<strong>der</strong>ungendes § 642 BGB dokumentiert werden. Dannkann <strong>der</strong> Anspruch hilfsweise im Ganzen nach §642 BGB geltend gemacht werden, falls <strong>sich</strong>das Gericht nicht von <strong>der</strong> Anspruchskonkurrenzzwischen § 6 Abs. 6 VOB/B und § 642 BGBüberzeugen lässt. 3434 Vgl. zu § 642 BGB als AuffangtatbestandRoquette/Viering/Leupertz, Handbuch Bauzeit, 2. Aufl.,Rn. 866 ff.© 2012 by Wolters Kluwer Deutschland GmbH/wer<strong>ne</strong>r-baurecht.de5

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