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Fall 4 - Tanz der Teufel - Tappe-online.de

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GrundR AG 24.11.2006Henning <strong>Tappe</strong> S. 1<strong>Fall</strong> 4: <strong>Tanz</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Teufel</strong>Arbeitsgemeinschaft Staatsrecht I (Grundrechte)Wintersemester 2006/07V verkauft Vi<strong>de</strong>ofilme. In seinem Sortiment sind auch zwei Horrorfilme – „Zombiemassaker I“und „Kettensägen‐Folterzombies“ – in <strong>de</strong>nen extrem brutale, in Nahaufnahme gefilmte, Kämpfezwischen sog. „Zombies“ (leben<strong>de</strong>n Toten) dargestellt wer<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>m ersten Film han<strong>de</strong>ltes sich um ein Erzeugnis, das von seinem Regisseur R als Werk <strong><strong>de</strong>r</strong> Filmkunst angesehen wirdund auf <strong>de</strong>m Filmfestival für „Avantgar<strong>de</strong> Vi<strong>de</strong>o“ einen Kunstpreis gewonnen hat. Für <strong>de</strong>nzweiten Film lässt sich eine solche Kunstqualität nicht feststellen.Wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbreitung dieser Filme wird <strong><strong>de</strong>r</strong> V zu einer Geldstrafe verurteilt, da bei<strong>de</strong> Werkenach Ansicht <strong>de</strong>s Gerichts das Gewaltdarstellungsverbot <strong>de</strong>s § 131 StGB verletzen. Das Gerichtführt in seiner Urteilsbegründung aus, „[…] ob <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Film ein Kunstwerk ist, kann dahingestelltbleiben, <strong>de</strong>nn auch hier wer<strong>de</strong>n durch § 131 StGB generelle Grenzen gesetzt. […] DerSchutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenwür<strong>de</strong> nach Art. 1 I GG und <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutz <strong>de</strong>s öffentlichen Frie<strong>de</strong>ns muss<strong>de</strong>n Interessen <strong>de</strong>s Angeklagten in je<strong>de</strong>m <strong>Fall</strong>e vorgehen.“.Rechtsmittel <strong>de</strong>s V gegen dieses Urteil bleiben erfolglos.V empfin<strong>de</strong>t seine Bestrafung als großes Unrecht. Er hält das Gewaltdarstellungsverbot <strong>de</strong>s§ 131 StGB für verfassungsrechtlich be<strong>de</strong>nklich, da es seine Grundrechte verletze. Zu<strong>de</strong>mbringt er vor, man könne aus dieser „total schwammigen“ Vorschrift nur schwer ersehen, welcheseiner Filme konkret von <strong>de</strong>m Verbot erfasst wür<strong>de</strong>n.Wäre eine Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> <strong>de</strong>s V begrün<strong>de</strong>t?§ 131 StGB (a.F.) lautet: „Gewaltdarstellung; Aufstachelung zum Rassenhass(1) Wer Schriften, die zum Rassenhass aufstacheln o<strong><strong>de</strong>r</strong> die grausame o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonst unmenschliche Gewalttätigkeitengegen Menschen in einer Art schil<strong><strong>de</strong>r</strong>n, die eine Verherrlichung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Verharmlosungsolcher Gewalttätigkeiten ausdrückt o<strong><strong>de</strong>r</strong> die das Grausame o<strong><strong>de</strong>r</strong> Unmenschliche <strong>de</strong>s Vorgangs in einerdie Menschenwür<strong>de</strong> verletzen<strong>de</strong>n Weise darstellt,1. verbreitet,2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonst zugänglich macht,3. einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überlässt o<strong><strong>de</strong>r</strong> zugänglich macht o<strong><strong>de</strong>r</strong>4. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, in <strong>de</strong>n räumlichen Geltungsbereichdieses Gesetzes einzuführen o<strong><strong>de</strong>r</strong> daraus auszuführen unternimmt, um sie o<strong><strong>de</strong>r</strong> aus ihnengewonnene Stücke im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> Nummern 1 bis 3 zu verwen<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en eine solcheVerwendung zu ermöglichen,wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit Geldstrafe bestraft." […](3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn die Handlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Berichterstattung über Vorgänge <strong>de</strong>sZeitgeschehens o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte dient.<strong>Fall</strong> nach BVerfGE 87, 209 – 233 ❖ Literatur: MEIROWITZ, Horror auf Vi<strong>de</strong>o, Jura 1993, 192.


GrundR AG 24.11.2006Henning <strong>Tappe</strong> S. 2Lösungsskizze:Die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> 1 wäre begrün<strong>de</strong>t, wenn das mit ihr angegriffene StrafurteilGrundrechte o<strong><strong>de</strong>r</strong> grundrechtsgleiche Rechte <strong>de</strong>s V verletzt, also in <strong>de</strong>n Schutzbereich einessolchen Rechts eingegriffen wor<strong>de</strong>n ist, ohne dass dieser Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigtwer<strong>de</strong>n kann.Das Urteil könnte Rechte <strong>de</strong>s V aus Art. 5 III GG, aus Art. 5 I 1 GG, Art. 12 I GG o<strong><strong>de</strong>r</strong> aus Art. 103II GG verletzen.I. Art. 5 III GG – Kunstfreiheit 2Die Verurteilung <strong>de</strong>s V wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Filme könnte sein Grundrecht auf Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kunst(Art. 5 III I 1, 1. Alt. GG) verletzen.1. SchutzbereichDas Verbreiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Filme müsste zunächst in <strong>de</strong>n Schutzbereich fallen. Definition Kunst!Es erscheint fraglich, ob Kunst überhaupt zu <strong>de</strong>finieren ist. Das BVerfG hat in <strong><strong>de</strong>r</strong> Mephisto‐Entscheidung 3 einen materiellen Kunstbegriff vertreten.Materieller Kunstbegriff: „Das Wesentliche <strong><strong>de</strong>r</strong> künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferischeGestaltung, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse <strong>de</strong>s Künstlers durch das Mediumeiner bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht wer<strong>de</strong>n“. 4→ Anmerkung: Der materielle Kunstbegriff ist jedoch stets problematisch, weil er eine „Wertung“<strong><strong>de</strong>r</strong> künstlerischen Arbeit impliziert.In <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidung zum Anachronistischen Zug 5 hat das BVerfG daneben einen formalenund einen offenen Kunstbegriff anerkannt.Formaler Kunstbegriff: Nach <strong>de</strong>m formalen, typologischen Kunstbegriff liegt das Wesentliche<strong>de</strong>s Kunstwerks darin, dass es an einen bestimmten Werktyp, etwa an die Tätigkeit und dieErgebnisse etwa <strong>de</strong>s Malens, Bildhauens, Dichtens anknüpft. 61 Wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichen Kunstqualität (s.u.) <strong><strong>de</strong>r</strong> Filme ergeben sich zwei Aufbauvarianten: (1) NachGrundrechten o<strong><strong>de</strong>r</strong> (2) nach Filmen.2 Art. 5 III GG bietet gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Filmfreiheit <strong>de</strong>n umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en Schutz und wird daher zuerst geprüft.3 BVerfG, Beschluss v. 24.2.1971, 1 BvR 435/68, BVerfGE 30, 173 – 200 = BVerfGA Nr. 25.4 BVerfG, Beschluss v. 24.2.1971, 1 BvR 435/68, BVerfGE 30, 173 [188 f.] = BVerfGA Nr. 25.5 BVerfG, Beschluss v. 17.7.1984, 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213 – 231 = BVerfGA Nr. 60.6 BVerfG, Beschluss v. 17.7.1984, 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213 [226 f.] = BVerfGA Nr. 60.


GrundR AG 24.11.2006Henning <strong>Tappe</strong> S. 3Offener Kunstbegriff: Nach <strong>de</strong>m offenen Kunstbegriff liegt das kennzeichnen<strong>de</strong> Merkmal einerkünstlerischen Äußerung darin, dass es wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehaltsmöglich ist, <strong><strong>de</strong>r</strong> Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichen<strong>de</strong>Be<strong>de</strong>utungen zu entnehmen, so dass sich eine praktisch unerschöpfliche, vielstufigeInformationsvermittlung ergibt. 7Das subjektive Selbstverständnis <strong>de</strong>s Urhebers (hier: Regisseur) <strong>de</strong>s zu beurteilen<strong>de</strong>n Werkeskann zwar nicht allein, wohl aber hilfsweise als Kriterium herangezogen wer<strong>de</strong>n. 8 In Zweifelsfällenkann auch auf das Urteil eines sachverständigen Dritten (hier: Jury beim Filmfestival)zurückgegriffen wer<strong>de</strong>n. 9 Ergebnis: Erster Film = Kunstwerk; Zweiter Film = kein Kunstwerka.A. vertretbar, aber klausurtaktisch ungünstig!Da sowohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Werkbereich, als auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirkbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Kunst von Art. 5 III geschützt ist 10 ,muss auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertrieb <strong>de</strong>s ersten Films geschützt sein.Ergebnis: Erster Film: Schutzbereich [+]; Zweiter Film: Schutzbereich [‐].2. EingriffEine Bestrafung wegen einer Tätigkeit, die unter <strong>de</strong>n Schutzbereich eines Grundrechts fällt istein klassischer Eingriff in dieses spezielle Freiheitsrecht.Klassischer Eingriffsbegriff:a) unmittelbar b) Regelung c) final d) Befehl und Zwang3. Rechtfertigung <strong>de</strong>s EingriffsDer Eingriff in die Kunstfreiheit ist gerechtfertigt, wenn (1) <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Urteil zugrun<strong>de</strong>liegen<strong>de</strong>§ 131 StGB verfassungsgemäß ist und (2) seine Anwendung im konkreten <strong>Fall</strong> nicht gegen dieVerfassung verstößt:7 BVerfG, Beschluss v. 17.7.1984, 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213 [227] = BVerfGA Nr. 60.8 JARASS/PIEROTH Art. 5 GG, Rn. 106.9 JARASS/PIEROTH Art. 5 GG, Rn. 106; a.A. M/D‐SCHOLZ Art. 5 GG, Rz. 38.10 BVerfG, Beschluss v. 17.7.1984, 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213 [224] = BVerfGA Nr. 60; JARASS/PIEROTH Art. 5GG, Rn. 107.


GrundR AG 24.11.2006Henning <strong>Tappe</strong> S. 4a) SchrankeDie Kunstfreiheit unterliegt nach <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 5 III GG keinem ausdrücklichenSchrankenvorbehalt.1. Ansicht: 11 In die Kunstfreiheit darf gar nicht eingegriffen wer<strong>de</strong>n ( Absurd!)2. Ansicht: 12 Grundrechtsschranke <strong>de</strong>s Art. 2 I GG wird übertragenDiese Auffassung wür<strong>de</strong> dazu führen, dass die nach <strong>de</strong>m Wortlaut am stärksten geschütztenFreiheitsrechte <strong>de</strong>m weitesten Schrankenvorbehalt bzw. einem allgemeinenGesetzesvorbehalt zu unterwerfen. Daher: abzulehnen3. Ansicht: 13 Beschränkung durch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e verfassungsrechtlich geschützte Werte.grundrechtsimmanente Schranken: Als Schranken kommen kollidieren<strong>de</strong> GrundrechteDritter und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter in Betracht. (h.M.)(4. Ansicht: sog. „Schutzbereichslösung“)§ 131 StGB müsste also solche, mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter schützen.aa) Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenwür<strong>de</strong>(1) „Opfer“Die „Opfer“ sind nach <strong>de</strong>m Sachverhalt „menschenähnliche“ Wesen. Menschenwür<strong>de</strong> kommtsolchen „leben<strong>de</strong>n Toten“ nicht zu. Als fiktive Figuren können diese Zombies nicht Träger vonGrundrechten sein.(2) DarstellerDie realen Darsteller dieser Wesen dagegen wer<strong>de</strong>n nicht wirklich entmenschlicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> entwürdigt;dies wird lediglich mit filmischen Mitteln simuliert.11 Nicht vertreten!12 BK‐Kimminich, Art. 5 GG, Rn. 31; a.A. BVerfG, Beschluss v. 24.2.1971, 1 BvR 435/68, BVerfGE 30, 173 [191 f.]= BVerfGA Nr. 25; BVerfG, Beschluss v. 17.7.1984, 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213 [228] = BVerfGA Nr. 60;BVerfG, Beschluss v. 27.11.1990, 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130 [139] = BVerfGA Nr. 87.13 H.M. BVerfG, Beschluss v. 17.7.1984, 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213 [228] = BVerfGA Nr. 60; JARASS/PIEROTHArt. 5 GG, Rn. 113.


GrundR AG 24.11.2006Henning <strong>Tappe</strong> S. 5(3) ZuschauerVertreten wird: Durch Gewaltdarstellungen i.S.d. § 131 StGB wer<strong>de</strong> die Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuschauervor <strong><strong>de</strong>r</strong> körperlichen Integrität <strong>de</strong>s Menschen, ihre „Vorstellung von Menschlichkeitschlechthin zutiefst verletzt“. 14 Die Zuschauer setzen sich einer solchen Verletzung freiwillig aus. Hier stellt sich also dasProblem <strong>de</strong>s Schutzes <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenwür<strong>de</strong> gegen <strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>s zu schützen<strong>de</strong>n Menschen.Auch wer<strong>de</strong>n die Zuschauer selbst nicht zum bloßen Objekt herabgewürdigt o<strong><strong>de</strong>r</strong> verächtlichbehan<strong>de</strong>lt. Da die Darstellung nicht über ihre Betrachter bestimmt, wird <strong>de</strong>n Zuschauern ihreSubjektqualität nicht abgesprochen. Ein Verstoß gegen die Menschenwür<strong>de</strong> ist in <strong>de</strong>m Horrorfilm danach nicht zusehen und kann also die Bestrafung nicht rechtfertigen.bb) Schutz <strong>de</strong>s öffentlichen Frie<strong>de</strong>nsDie strafrechtliche Literatur (und das hier angegriffene Urteil) benennt als das durch § 131StGB geschütztes Rechtsgut <strong>de</strong>n „öffentlichen Frie<strong>de</strong>n“ 15 . Diese Strafvorschrift verfolgt nachdieser Auffassung „vor <strong>de</strong>m Hintergrund zunehmen<strong><strong>de</strong>r</strong> Brutalisierung in <strong>de</strong>n Medien das Ziel,<strong>de</strong>n einzelnen in seiner Entwicklung davor zu bewahren, dass er aggressive Verhaltensweiseno<strong><strong>de</strong>r</strong> Einstellungen annimmt. Dies wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um dient <strong>de</strong>m gesetzgeberischen Zweck, <strong>de</strong>n einzelnenund auch die Allgemeinheit vor durch Mediengewalt hervorgerufenen realen Gewalttätigkeitenzu schützen. [...] Verfassungsrechtlich wird damit ein ganzes Bün<strong>de</strong>l grundgesetzlicherIndividual‐ und Gemeinschaftsgüter angesprochen: Das Recht auf Leben und körperlicheUnversehrtheit möglicher Opfer gehört dazu, das Eigentum, die allgemeine Handlungsfreiheitsowie auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutz <strong>de</strong>s Staates und seiner Einrichtungen.“ 16Nach dieser Auffassung besteht eine Kollisionslage zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kunstfreiheit und <strong>de</strong>m unter<strong>de</strong>m Sammelbegriff <strong>de</strong>s öffentlichen Frie<strong>de</strong>ns erfassten Verfassungswerten.Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage einer strikt liberalen Grundrechtsinterpretation ist <strong>de</strong>m Text <strong>de</strong>s Grundgesetzesdieser Verfassungswert so nicht zu entnehmen. Die konkrete Gefährdungslage (Gewaltan Schulen, gegenüber Auslän<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Gewalt als normales Mittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung in <strong>de</strong>n14 LG München I, BPS‐Report 6a/1985, S. 12 [16].15 SCH/SCH‐LENCKNER 24 , § 131 StGB, Rz. 1.16 MEIROWITZ, Horror auf Vi<strong>de</strong>o, Jura 1993, 152 [154].


GrundR AG 24.11.2006Henning <strong>Tappe</strong> S. 6Medien) lässt aber die Entscheidung für <strong>de</strong>n „öffentlichen Frie<strong>de</strong>n“ als verfassungsrechtlichenGegenpol individueller Freiheit als vertretbar scheinen.cc) Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte DritterBeruft man sich (oben) darauf, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> „öffentliche Frie<strong>de</strong>“ als selbständiger Verfassungswertnicht ausdrücklich durch das Grundgesetz geschützt wird, so muss man sich doch zumin<strong>de</strong>stmit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzen, ob nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Freiheitsrechte Dritter vor<strong>de</strong>n durch Gewaltdarstellungen hervorgerufenen realen Gewalttätigkeiten eine Beeinträchtigung<strong><strong>de</strong>r</strong> künstlerischen Freiheit rechtfertigt.b) Verfassungsmäßigkeit <strong>de</strong>s Gesetzesaa)Formelle Verfassungsmäßigkeit: [kein Problem]bb)Materielle Verfassungsmäßigkeit(1) BestimmtheitsgebotGesetzliche Eingriffsermächtigungen müssen hinreichend klar und bestimmt sein. Im Grundsatzmuss <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsträger ihnen entnehmen können, mit welchen Eingriffen <strong>de</strong>s Staateser zu rechnen hat. Im allgemeinen folgt das Gebot hinreichen<strong><strong>de</strong>r</strong> Bestimmtheit <strong><strong>de</strong>r</strong> gesetzlichenErmächtigungsgrundlage aus <strong>de</strong>m jeweils betroffenen Grundrecht und aus <strong>de</strong>m allgemeinenRechtstaatsprinzip. (Für Strafvorschriften ist es jedoch beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in Art. 103 Abs. 2GG (nulla poena sine lege) positiviert ‐ dazu unten.) Es fragt sich also, ob § 131 StGB ‐ trotz <strong><strong>de</strong>r</strong>darin enthaltenen Fülle unbestimmter Rechtsbegriffe ‐ noch eine in diesem Sinne hinreichendbestimmte Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe (hier: für eine strafrechtliche Verurteilung)darstellt. Dazu MEIROWITZ: „Art. 103 II GG (ebenso das Bestimmtheitsgebot) verpflichtet <strong>de</strong>nGesetzgeber, die Voraussetzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweiteund Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Straftatbestän<strong>de</strong> zu erkennen sind und sich durch Auslegungermitteln lassen, <strong>de</strong>nn je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten undmit Strafe bedroht ist.“ 17 Damit macht das auch sonst im Eingriffsbereich gelten<strong>de</strong> Bestimmtheitsgebotim Bereich <strong>de</strong>s Strafrechts eine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Genauigkeit <strong>de</strong>s Tatbestan<strong>de</strong>s erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich.Ein Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Literatur nimmt an, dass § 131 StGB eine <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Fülle ausfüllungsbedürftigerBegriffe enthält, dass das Bestimmtheitsgebot verletzt wer<strong>de</strong>. Das BVerfG hält es dagegen


GrundR AG 24.11.2006Henning <strong>Tappe</strong> S. 7für ausreichend, wenn die Auslegungsprobleme <strong><strong>de</strong>r</strong> Strafnorm mit herkömmlichen juristischenMetho<strong>de</strong>n bewältigt wer<strong>de</strong>n können. Art. 103 Abs. 2 GG for<strong><strong>de</strong>r</strong>t nicht <strong>de</strong>n völligen Verzichtauf normative Tatbestandsmerkmale, da ohne sie die Gesetze starr und kasuistisch wären.Im Ergebnis kann also vertreten wer<strong>de</strong>n, dass § 131 StGB <strong>de</strong>n Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s Art.103 Abs. 2 GG genügt. Auch das Gegenteil (=Verfassungswidrigkeit) ist hier vertretbar.(2) Verhältnismäßigkeit <strong>de</strong>s Gesetzes§ 131 StGB müsste ein zum Schutz <strong>de</strong>s öffentlichen Frie<strong>de</strong>ns bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> Freiheitsrechte Drittergeeignetes, erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liches und angemessenes Mittel sein.(a) GeeignetheitDas in dieser Strafnorm enthaltene Gewaltdarstellungsverbot müsste geeignet sein, <strong>de</strong>n erstrebtenRechtsgüterschutz überhaupt zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Je<strong>de</strong>nfalls dann, wenn von Horrorfilmen<strong><strong>de</strong>r</strong> hier beschriebenen Art eine Gefahr für <strong>de</strong>n „öffentlichen Frie<strong>de</strong>n“ im oben genannten Sinnausgeht, ist das <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Fall</strong>. Wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> hier zu beachten<strong>de</strong>n Einschätzungsprärogative <strong>de</strong>s Gesetzgeberskann die Eignung <strong>de</strong>s Verbotes kaum verneint wer<strong>de</strong>n.(b) Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeitDer durch § 131 StGB angeordnete Eingriff muss auch erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sein, es darf kein mil<strong><strong>de</strong>r</strong>es,genauso geeignetes Mittel geben. Da bloße Aufklärungsarbeit <strong>de</strong>s Staates o<strong><strong>de</strong>r</strong> ein auf <strong>de</strong>nJugendschutz reduziertes Verbot die Konsumenten von Horrorfilmen kaum erreicht, sind mil<strong><strong>de</strong>r</strong>e,ebenso geeignete Mittel nicht ersichtlich.(c) Angemessenheit§ 131 StGB darf auch das Gebot <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nicht verletzen.Eine nur abstrakte Abwägung zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kunstfreiheit und <strong>de</strong>m öffentlichen Frie<strong>de</strong>n imAllgemeinen genügt nicht <strong>de</strong>n Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen dieses Verfassungsgebotes. Es gibt kein Verfassungsrechtsgut,das per se alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en dominieren und daher ihnen vorgehen müsste. Daherist hier eine konkrete Abwägung zwischen diesen Rechtsgütern erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich: in welchemAusmaß wer<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong> Rechtsgüter im konkreten <strong>Fall</strong> beeinträchtigt?In <strong><strong>de</strong>r</strong> Literatur wird die Auffassung vertreten, dass die Rechtswidrigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat gemäß § 131StGB dann entfällt, wenn nach einer Abwägung im Einzelfall <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Kunstfreiheit17 MEIROWITZ, Horror auf Vi<strong>de</strong>o, Jura 1993, 152 [159].


GrundR AG 24.11.2006Henning <strong>Tappe</strong> S. 8überwiegt. Art. 5 Abs. 3 GG wird hier als „außerstrafrechtlicher Rechtfertigungsgrund“ angesehen.18 Ein gegenüber <strong>de</strong>m öffentlichen Frie<strong>de</strong>n überwiegen<strong>de</strong>s künstlerisches Interesse an<strong>de</strong>m hier zu beurteilen<strong>de</strong>n Horrorfilm ist aus <strong>de</strong>m Sachverhalt aber kaum zu belegen. Je<strong>de</strong>nfalls<strong><strong>de</strong>r</strong> vorliegen<strong>de</strong> <strong>Fall</strong> gibt daher keinen Anlass für die Annahme, dass hier die Kunstfreiheitin unverhältnismäßiger Weise zugunsten <strong>de</strong>s öffentlichen Frie<strong>de</strong>ns beschnitten wor<strong>de</strong>nwäre.c) Verfassungsmäßigkeit <strong>de</strong>s Urteils→ Prüfung nur insoweit spezifisches Verfassungsrecht verletzt sein kann:Eine solche spezifische Grundrechtsverletzung könnte im vorliegen<strong>de</strong>n <strong>Fall</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> analogenAnwendung <strong>de</strong>s Begriffs „gegen Menschen“ in § 131 StGB liegen. Nach <strong>de</strong>m Sachverhalt richtetsich die in <strong>de</strong>n Vi<strong>de</strong>ofilmen dargestellte Gewalt gegen „Zombies“ (= leben<strong>de</strong> Tote).„Das Analogieverbot <strong>de</strong>s Art. 103 Abs. 2 GG lässt es nicht zu, <strong>de</strong>n Begriff ‚Mensch‘ in § 131 Abs.1 StGB dahin auszulegen, dass er auch menschenähnliche Wesen umfasst.“ 19Aber: „Die gebotene Differenzierung zwischen Menschen und menschenähnlichen Wesenschließt es freilich nicht aus, dass im Einzelfall Zweifel darüber bestehen können, ob es sichbei <strong>de</strong>n in einem Film gezeigten Opfern von Gewalttaten um Menschen o<strong><strong>de</strong>r</strong> um menschenähnlicheWesen han<strong>de</strong>lt.“ 20→ Da sich das angegriffene Gerichtsurteil nach <strong>de</strong>m Sachverhalt mit dieser Frage nicht auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>gesetzthat, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ohne weitere Prüfung <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s „Menschen“ auf „Zombies“angewen<strong>de</strong>t hat, verstößt das strafgerichtliche Urteil gegen die Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s Art. 103Abs. 2 GG.18 SCH/SCH‐LENCKNER 24 § 131 StGB, Rz. 2019 BVerfG DVBl. 1992, 1598.20 BVerfG DVBl. 1992, 1598 [1599].


GrundR AG 24.11.2006Henning <strong>Tappe</strong> S. 9II.Art. 5 I 2 GG – FilmfreiheitDie Bestrafung <strong>de</strong>s V könnte auch seine Freiheit zur „Berichterstattung durch […] Film“ (Art. 5I, S. 2, 3. Alt. GG) verletzen.1. SchutzbereichDer Vertrieb von Horrorfilmen müsste durch die Freiheit zur „Berichterstattung durch […]Film“ geschützt sein.a) Film Nr. 1 – künstlerischer FilmKunstfreiheit ist weitergehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Schutz (kein Gesetzesvorbehalt)→ Art. 5 III ist lex specialisb) Film Nr. 2 – nicht künstlerischer FilmDer Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „Berichterstattung“ ist weit auszulegen: er umfasst nicht nur Tatsachenberichte,son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch Meinungsäußerungen und die Darstellung erdachter Handlungen (Spielfilme).21 Eine engere Auslegung wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Schutzbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Filmfreiheit zu sehr begrenzen.Umstritten ist aber, ob auch Vi<strong>de</strong>ofilme Filme im Sinne <strong>de</strong>s Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG sind. Stelltman nicht auf <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>s Mediums, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf die Herstellungs‐ und Verbreitungsmetho<strong>de</strong>ab, so lässt sich vertreten, dass je<strong>de</strong>nfalls privat abgespielten Vi<strong>de</strong>ofilmen die Öffentlichkeit<strong><strong>de</strong>r</strong> Vorführung fehlt, die für Kino‐ und Fernsehfilme typisch ist. 22Wenn man dieses annimmt müsste man jedoch <strong>de</strong>n Schutz durch die Pressefreiheit,Art. 5 Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. GG, prüfen.Gegen diese Auffassung spricht jedoch zum einen, dass „Presse“ herkömmlich Druckerzeugnisseund also auch eine völlig an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Herstellungs‐ und Verbreitungsmetho<strong>de</strong> betrifft. Auchsollte die Einordnung als Film o<strong><strong>de</strong>r</strong> als Presse nicht davon abhängen, ob das Vi<strong>de</strong>oband öffentlicho<strong><strong>de</strong>r</strong> privat abgespielt wird. Für die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Filmfreiheit auf Vi<strong>de</strong>ofilme spricht,dass dieses Freiheitsrecht nicht auf einen vorgefun<strong>de</strong>nen Stand <strong><strong>de</strong>r</strong> Technik festgeschriebenwer<strong>de</strong>n sollte. 23Das „kunstlose“ Horror‐Vi<strong>de</strong>o, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auch sein Vertrieb, wird danach durch die Filmfreiheit<strong>de</strong>s Art. 5 I 2, 3. Alt. GG geschützt.21 Vgl. JARASS/PIEROTH Art. 5 GG, Rz. 41.22 Vgl. JARASS/PIEROTH Art. 5 GG, Rz. 41.


GrundR AG 24.11.2006Henning <strong>Tappe</strong> S. 102. Eingriff[+] durch Bestrafung (s.o.)3. RechtfertigungNach Art. 5 Abs. 2 GG kann die Filmfreiheit durch allgemeine Gesetze, solche zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong>Jugend und solche zum Schutz <strong>de</strong>s Rechts <strong><strong>de</strong>r</strong> persönlichen Ehre beschränkt wer<strong>de</strong>n. Der Eingriffin die Filmfreiheit <strong>de</strong>s V ist danach dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn er aufeine solche Schranke gestützt wer<strong>de</strong>n kann.a) Gesetze zum Schutze <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugend§ 131 StGB dient nicht spezifisch <strong>de</strong>m Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugend, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Allgemeinheit. DerJugendschutz darf aber nicht nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Deckmantel für einen Eingriff, er muß vielmehr <strong><strong>de</strong>r</strong>Hauptzweck <strong><strong>de</strong>r</strong> Regelung sein. Auf diesen Schrankenvorbehalt kann sich § 131 StGB dahernicht stützen.b) Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> persönlichen Ehre§ 131 dient auch nicht ‐ wie die §§ 185 ff. StGB ‐ <strong>de</strong>m Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> persönlichen Ehre.c) Allgemeine GesetzeDiese Strafnorm müsste also ein „allgemeines Gesetz“ im Sinne <strong>de</strong>s Art. 5 II GG sein, um einenEingriff in <strong>de</strong>n Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Filmfreiheit zu rechtfertigen. „Allgemein“ in diesem Sinne sind nach<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts solche Gesetze, „die sich nicht gegen einebestimmte Meinung richten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>m Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf einebestimmte Meinung zu schützen<strong>de</strong>n Rechtsgutes dienen“ 24 , „<strong>de</strong>m Schutz eines Gemeinschaftswertes,<strong><strong>de</strong>r</strong> gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Betätigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Meinungsfreiheit <strong>de</strong>n Vorrang hat.“ 25 DieseFormel <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts enthält zwei Komponenten: Im ersten Teil nimmt siedie frühere „Son<strong><strong>de</strong>r</strong>rechtslehre“ auf, die solche Gesetze als allgemein versteht, die nicht eineMeinung als solche, wegen ihrer geistigen Zielrichtung und Wirkung verbieten. Im zweitenTeil <strong><strong>de</strong>r</strong> Formel kommt dagegen stärker eine Abwägungslehre zum Ausdruck, die die Meinungsfreiheiteinschränken<strong>de</strong> Gesetze einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinnunterziehen.23 BK‐DEGENHART, Art. 5 I u. II GG, Rz. 732; M/D‐HERZOG, Art. 5 GG, Rz. 198.24 BVerfGE 71, 206 [214]; BVerfGE 62, 230 [243 f.].25 BVerfG, Urteil v. 15.1.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 [209 f.] = BVerfGA Nr. 5. – „Lüth“


GrundR AG 24.11.2006Henning <strong>Tappe</strong> S. 11aa) Son<strong><strong>de</strong>r</strong>rechtslehre• Unter Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Son<strong><strong>de</strong>r</strong>rechtslehre ließe sich vertreten, dass sich § 131 StGB gegendie Meinung richtet, Gewalt sei etwas Großartiges, Erstrebenswertes o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine üblicheund akzeptable Verhaltensform.• Vertretbar scheint aber auch die Auffassung, dass in <strong><strong>de</strong>r</strong> durch § 131 StGB verbotenen Gewaltdarstellungeine bestimmte Meinung nicht zum Ausdruck kommt und dass dieseStrafvorschrift daher nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung einer bestimmten Meinung dient.bb) AbwägungslehreWen<strong>de</strong>t man dagegen das im zweiten Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Formel <strong>de</strong>s BVerfG zum Ausdruck kommen<strong>de</strong>Abwägungsmo<strong>de</strong>ll an, so ist zu prüfen, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung vor <strong>de</strong>n durchGewaltdarstellungen induzierten realen Gewalttätigkeiten eine Einschränkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Filmfreiheitrechtfertigen kann. Angesichts <strong>de</strong>s allenfalls geringen Meinungsgehaltes eines Horrorfilmesohne künstlerischen Anspruch dürfte auf dieser Grundlage § 131 StGB ein allgemeinesGesetz sein.Nimmt man an, § 131 StGB sei kein allgemeines Gesetz im Sinne <strong>de</strong>s Art. 5 Abs. 2 GG, müssteman an dieser Stelle zu <strong>de</strong>m Ergebnis kommen, dass Art. 5 Abs. 1 GG verletzt ist. 26Nimmt man dagegen an, die Vorschrift sei ein allgemeines Gesetz, so ist weiter zu prüfen:d) Verhältnismäßigkeit s.o.e) Wechselwirkungslehre 27Die „allgemeinen Gesetze“ müssen zuvor „im Lichte <strong><strong>de</strong>r</strong> betroffenen Grundrechte“ ausgelegtwer<strong>de</strong>n, bevor sie als Schranke das Grundrecht einschränken können. Da § 131 Abs. 3 StGBHandlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Berichterstattung von einer Bestrafung gem. § 131 Abs. 1 StGB ausnimmt,genügt die Vorschrift diesen Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen. Ein Akt <strong><strong>de</strong>r</strong> „Berichterstattung“ liegt in diesemSinne zwar nicht vor, <strong>de</strong>nnoch ist § 131 StGB allgemein und seine Anwendung im konkreten<strong>Fall</strong> verhältnismäßig (s.o.).26 …was klausurtaktisch natürlich eher ungünstig ist!27 Vgl. JARASS/PIEROTH Art. 5 GG, Rz. 47; BVerfG, Urteil v. 15.1.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 [209] =BVerfGA Nr. 5.


GrundR AG 24.11.2006Henning <strong>Tappe</strong> S. 12III.Art. 12 I GG – Berufsfreiheit Wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> V die Filme beruflich vertreibt auch Art. 12 I GG→ Art. 5 I und III GG sind aber leges speciales.IV.Art. 103 II GG – Analogieverbot s.o.

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