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Schadensersatz statt Rentennachzahlung - Vogts & Partner

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G 11350 • ISSN 0340-5753Die RentenversicherungOrgan für den Bundesverband der Rentenberater e.V.<strong>Schadensersatz</strong> <strong>statt</strong><strong>Rentennachzahlung</strong>51. JahrgangHeft 9 – September 2010– Vorabdruck –Autor: Walter <strong>Vogts</strong>Von Walter <strong>Vogts</strong> *Rentenfestsetzungen müssen eigentlich korrekt und richtigsein, sind es aber nicht immer. Es entspricht sozialrechtlicherTradition, rechtswidrig belastende Verwaltungsakte auch nachUnanfechtbarkeit grundsätzlich zwingend zurückzunehmen.Insbesondere bei Rentenbescheiden haben Betroffene einenAnspruch auf Korrekturen unabhängig von eingetretener Bestandskraft.Bei der Kontrolle von Bescheiden und auch bei derDurchsetzung anderer berechtigter Forderungen gegenüberder Deutschen Rentenversicherung haben sich Rentenberaterals Angehörige eines freien und unabhängigen Berufs alsunentbehrlich erwiesen (so die Feststellung des DeutschenBundestages).Aus der Praxis und für die Praxis als Rentenberater sollenErfahrungen, Hilfen und Hinweise gegeben werden zu denMöglichkeiten nachträglicher Rentenverbesserungen und derenGrenzen.1. Nichtanwendung des BSG-Urteils vom 24.10.1996Das Bundessozialgericht hatte am 24.10.1996 (4 RA 31/96)entschieden, dass im Rahmen der Weiterbewilligung einerZeitrente ein neues eigenständiges Recht auf EU-Rente entstandenist, es sich also nicht um eine bloße Verlängerung derbisherigen Rente handelte. Schon 1983 hatte der 11. BSG-Senat festgestellt, dass die einer Zeitrente folgende Dauerrenteeine andere, sich an die frühere nur zeitlich anschließendeLeistung sei. Der 5. BSG-Senat hatte 1990 ausgeführt, dieWeitergewährung einer Zeitrente stelle die eigenständige undvollinhaltlich erneute („wiederholte“) Bewilligung der beantragtenRente dar.Die Rentenversicherungsträger mochten sich solchenAuffassungen nicht anschließen: nicht überzeugend, nicht relevantfür nach dem SGB VI bewilligte Renten. Das geschah„unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ – warum und welcheRechtsprechung nicht angewendet wird, bleibt Versichertenin der Regel verschlossen (ganz im Gegensatz zur Praxisdes Bundesfinanzministeriums, das die Nichtanwendung vonBFH-Urteilen per Erlass im Bundessteuerblatt bekannt gibt).Für Rentner konnte eine neue Berechnung der Rentenur von Vorteil sein: erstmalig Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeitenmit Verbesserungen im Rahmen derGesamtleistungsbewertung, erhöhte Anzahl von Entgeltpunkten,Umfang der Zurechnungszeiten seit 1.1.2001 verbessertusw.Die damalige BfA berichtete am 13.7.2005 dem VDR,der „Problematik“ hätten sich zunehmend insbesondereRentenberater angenommen, die gegen die Ablehnung einerNeuberechnung (<strong>statt</strong> unveränderter Weiterbewilligung vonZeitrenten) Widerspruch erheben und die Widerspruchsbescheidesodann mittels Klage anfechten.2. Pflichtverletzung„Intern“ stellte die Grundsatzabteilung der damaligen BfAfest, dass keine Möglichkeit gesehen werde, eine Umsetzungder Rechtsprechung weiterhin abzulehnen: „Sämtliche bislangergangenen Urteile, und zwar sowohl die der Sozialgerichte als auchder Berufungsgerichte, sind zu Lasten der BfA ergangen. Die Sozialgerichtelassen außerdem bereits jetzt durchblicken, dass sie die BfAbei weiterer Ablehnung mit Mutwillenskosten belegen werden.“Dieses brisante Wissen stellten die Rentenversicherungsträgerkeineswegs ihren Mitarbeitern, die für die Bearbeitungvon Rentenverfahren zuständig waren, zur Verfügung. Bescheideüber Verlängerung von Zeitrenten oder Umwandlungin Dauerrenten wurden weiterhin so erteilt, als würdedas BSG-Urteil vom 24.10.1996 nicht existieren, als wärenimmerhin acht abschlägige Urteile der Landessozialgerichteunbedeutend.Ob die Organe der Selbstverwaltung informiert wordenwaren, mit welchem Haftungsrisiko diese schuldhafte Verfahrensweiseverbunden war, ließ sich nicht feststellen. Jedenfallssind Versicherte niemals mit der „Überzeugung“ der Rentenversicherungsträgerkonfrontiert worden, BSG-Urteile unddarauf aufbauende LSG-Rechtsprechung über Jahre hinwegnicht anwenden zu wollen.3. Ruf nach gesetzlicher KlarstellungDurch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an diedemografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagender gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenan passungsgesetz – RVGAnpG) vom 20.4.2007wurde den Bitten der Rentenversicherungsträger um „gesetzlicheKlarstellung“ nicht entsprochen. Stattdessen ist erst mitWirkung ab 1.5.2007 verfügt: Die Befristung der Rente „kannverlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn(§ 102 Abs. 2 SGB VI)“.Klargestellt ist dadurch immerhin:• (Erst) seit Mai 2007 besteht bei einer Verlängerung vonZeitrenten kein Anspruch (mehr) auf neue Berechnung.• Bis April 2007 allerdings musste – und muss ggf. nachträglich– die Verlängerung von Zeitrenten nach denGrundsätzen der BSG-Entscheidung vom 24.10.1996erfolgen.Asgard-Verlag Dr. Werner Hippe GmbHEinsteinstraße 10, 53757 Sankt AugustinTel. 02241-31 64-0, Fax 02241-31 64-36


Die RentenversicherungOrgan für den Bundesverband der Rentenberater e.V.51. JahrgangHeft 9 – September 2010– Vorabdruck –Autor: Walter <strong>Vogts</strong>4. Folgerungen der RentenversicherungsträgerDie Deutsche Rentenversicherung Bund beharrt in derrv-Literatur (zuletzt aktualisiert 7.1.2010) auf ihrer ursprünglichenAuffassung und informiert:•Bei der Weitergewährung einer Zeitrente handelt es sich umeine (einfache) Verlängerung des bisherigen Anspruchs. DieseAuffassung, die von den Rentenversicherungsträgern bereits vonjeher vertreten wird, wurde vom Gesetzgeber mit der Neufassungdes § 102 SGB VI ausdrücklich bestätigt. Er reagiertemit der Neufassung auf die gegenteilige Rechtsprechung desBSG (vergleiche Urteil vom 24.10.1996, AZ: 4 RA 31/96,SozR 3-2600 § 300 Nr. 8 und Beschluss vom 02.05.2005,AZ: B 4 RA 212/04 B). Diese sieht in der Weitergewährungeiner Zeitrente einen neuen Leistungsfall (gemeint ist ein neuerRentenbeginn). Eine derartige Betrachtungsweise hätte zurFolge, dass neben der Prüfung der versicherungsrechtlichen undpersönlichen Voraussetzungen eine Neufeststellung der Renteauf der Grundlage des zum Weitergewährungszeitpunkt maßgeblichenRechts erforderlich wäre. Mit der neuen Formulierungdes § 102 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2SGB VI ist nunmehr klargestellt, dass bei der Weiterzahlungeiner Zeitrente lediglich eine Verlängerung der bisherigen Befristungerfolgt. Die Rente ist folglich – bei Vorliegen der sonstigenVoraussetzungen – im Umfang der bisherigen Rente zu zahlen.Dabei ist es unbeachtlich, ob (erneut) eine befristete odereine unbefristete Rente zu leisten ist.Die rechtlichen Arbeitsanweisungen der Regionalträger derDeutschen Rentenversicherung zu § 102 SGB VI (Stand16.1.2010) gehen noch weiter:••Eine Rechtsänderung ist mit der Neufassung nicht verbunden.Ein Aufgreifen von Amts wegen der vor dem Inkrafttreten derNeufassung erteilten Bescheide über die Weitergewährung, diekeine Neuberechnung der Rente zum Weitergewährungszeitpunktbeinhalten, ist daher nicht erforderlich.Folglich muss eine durch Rechtsprechung ausdrücklich nichtgebilligte „falsche Überzeugung“ (der Vergangenheit) dafürherhalten, es den Mitarbeitern der Rentenversicherungsträgerquasi zu untersagen, „von Amts wegen“ rückwirkende Berichtigungenvorzunehmen, auf Antragsmöglichkeiten hinzuweisen,aufzuklären.5. Folgen anderer ArtMedien gehen leichtfertig und vorschnell mit dem Wort„Skandal“ um – weil jedoch nur wenige überhaupt verstehen,was Weitergewährung oder Verlängerung einer Zeitrenteauslösen kann und welche Berechnungsmodalitäten infragekommen, gab es zum Inkrafttreten der Neuregelungen kaumResonanz.Mehr Interesse fand die Ergänzung des § 100 SGB VI umfolgenden Absatz 4:• Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches genanntenVoraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigennicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einerRechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes fürnichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oderin ständiger Rechtsprechung anders als durch den Rentenversi-cherungsträger ausgelegt worden ist, so ist der Verwaltungsakt,wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für dieZeit ab dem Beginn des Kalendermonats nach Wirksamwerdender Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder dem Bestehender ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen.Man befürchtete, die Neufestsetzungsmöglichkeiten vonRenten würden weiter eingeschränkt. Das ist tatsächlich so,jedoch nicht im Zusammenhang mit den Zeitrenten zu sehen.Allerdings:•Flugs kommentierten die Rentenversicherungsträger,dass Überprüfungsanträge, die vor oder nach einer Entscheidungdes Bundesverfassungsgerichts oder dem Vorliegenständiger Rechtsprechung gestellt werden, nichtdie Anwendung von § 100 Abs. 4 SGB VI ausschließenkönnten.Der Vorstand der Deutschen Rentenversicherung Bundhat auf Anregung des Bundesversicherungsamts im November2008 folgende verbindliche Entscheidung getroffenund veröffentlicht: Bei der Rücknahme rechtswidrigernicht begünstigender Verwaltungsakte findet § 100 Abs. 4SGB VI keine Anwendung, wenn der Überprüfungsantrag vordem Bestehen der ständigen Rechtsprechung gestellt wurde. Dasgilt auch für Überprüfungsanträge, die am Tag der Verkündungbeziehungsweise am Tag der Zustellung des zur ständigenRechtsprechung führenden Urteils gestellt wurden. In diesenFällen bleibt es bei der Anwendung des § 44 SGB X.•Im Zusammenhang mit der Verlängerung von Zeitrentenbleibt festzuhalten, dass eine „ständige Rechtsprechung“schon seit 1996 vorgelegen hat und somit Überprüfungsanträge– auch heute gestellt – nicht den Einschränkungen des§ 100 SGB VI unterfallen.6. Einschränkender Vierjahreszeitraum§ 44 Abs. 4 SGB X bestimmt, dass Sozialleistungen nach denVorschriften der besonderen Teile des SGB längstens für einenZeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbrachtwerden, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheitzurückgenommen worden ist.Es handelt sich dabei nicht um eine Verjährungsvorschrift,sondern um einen Zahlungsausschluss, und zwar ohne Ermessensspielraum.Selbst ein Herstellungsanspruch kann sichnach inzwischen gefestigter BSG-Rechtsprechung nur innerhalbdieses zeitlichen Rahmens bewegen.Aber: Ein über den Zeitraum von vier Jahren hinausgehenderAnspruch kann ggf. im Rahmen einer Amtshaftungnach § 839 BGB bestehen. Darauf weisen (auch) die rechtlichenArbeitsanweisungen der Regionalträger der DeutschenRentenversicherung hin; einen entsprechenden „Tipp“sucht man bei der Deutschen Rentenversicherung Bundvergeblich (!).7. Umsetzung in die PraxisFrau M bezog seit vielen Jahren Rente wegen Erwerbsunfähigkeit,stets befristet, immer wieder unter Bezugnahme aufden erstmaligen Bescheid verlängert. Anlässlich einer Beratungzur Umwandlung in Altersrente zeigte sie alle BescheideAsgard-Verlag Dr. Werner Hippe GmbHEinsteinstraße 10, 53757 Sankt AugustinTel. 02241-31 64-0, Fax 02241-31 64-36


Die RentenversicherungOrgan für den Bundesverband der Rentenberater e.V.51. JahrgangHeft 9 – September 2010– Vorabdruck –Autor: Walter <strong>Vogts</strong>einem Rentenberater. Dieser beantragte für sie im Jahr 2009eine Überprüfung und Neuberechnung. Ergebnisse:•••Die Neufeststellung der Rente erfolgt aufgrund derRechtsprechung des Bundessozialgerichts im Urteil vom24.10.1996 (4 RA 31/96).Die höhere Leistung wird für einen Zeitraum von bis zuvier Jahren vor der Rücknahme des Bescheides erbracht,somit rückwirkend ab 2005.Eine Auszahlung höherer Rentenbeträge für 2002bis 2004 wird wegen § 44 Abs. 4 SGB X ausgeschlossen.Für diese Zeit hätten ihr 1.441,44 Euro als weitereNachzahlung zugestanden.Ein Widerspruch gegen die Versagung weiter zurückliegenderAnsprüche wäre „sinnlos“ gewesen. Auf Anregung des Rentenberaterswurde ein Rechtsanwalt beauftragt, Ansprüchein Höhe von 1.441,44 Euro geltend zu machen mit der Begründung,die Deutsche Rentenversicherung habe ihre Amtspflichtzumindest dadurch verletzt, dass sie in ihren vorangegangenenBescheiden über die Weiterbewilligung der EU-Rente nicht darauf hingewiesen habe, der Rechtsprechungdes Bundessozialgerichts nicht zu folgen.8. Urteil des Landgerichts Berlin – 9 O 259/09– 18.02.2010Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte aufZahlung von 1.441,44 Euro aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m.Art. 34 GG. Denn die Deutsche Rentenversicherung istihr zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der bei ihrbeschäftigte Beamte durch die schuldhafte Verletzung seinereinem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflichtverursacht hat.Der bei der Beklagten zuständige Sachbearbeiter hatseine allgemeine Amtspflicht zum rechtmäßigen Handelndadurch verletzt, dass er auf den Antrag der Klägerinhin keine Neuberechnung des Rentenanspruchs für denZeitraum 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2004 aufGrundlage der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltendenRechtslage vorgenommen hat, sondern lediglich aufGrundlage des ursprünglichen Bescheides eine Weitergewährungder Rente beschieden hat.Die bloße Weitergewährung des ursprünglichen Rentenanspruchsohne erneute inhaltliche Prüfung erfolgteentgegen der im streitgegenständlichen Zeitraum bestehendenRechtslage, die erst durch Einführung des § 102SB VI zum 1. Mai 2007 geändert wurde. Bereits mit Urteildes Bundessozialgerichts vom 14. Oktober 1996 warhöchstrichterlich klargestellt, dass eine bloße Weitergewährungauf Grundlage des ursprünglichen befristetenRentenbescheides rechtlich fehlerhaft war. Diese allgemeineAmtspflicht zum rechtmäßigen Handeln oblag demzuständigen Sachbearbeiter auch gegenüber der Klägerin.Die Amtspflichtverletzung erfolgte zudem schuldhaft,denn die getroffene rechtliche Entscheidung beruhte nichtauf vertretbaren rechtlichen Erwägungen, sondern lediglichauf Praktikabilitätserwägungen. Bei der Rechtsanwendungobliegt es dem Inhaber eines öffentlichen Amtes,eine eigene rechtliche Entscheidung auf der Grundlageeiner sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung der Gesetzes-und Rechtslage zu treffen. Er ist dabei nicht zwangsläufigverpflichtet, einer bestimmten Auslegung durch dieRechtsprechung bei seiner Entscheidung zu folgen, denndie Verwaltung ist grundsätzlich nicht an einzelne Entscheidungender Gerichte außer bei einer Beteiligung amkonkreten Verfahren gebunden. Erforderlich ist es aber,dass der Inhaber des öffentlichen Amtes sich mit der bestehendenRechtsprechung auseinandersetzt und aufgrundsorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung mit vertretbarenrechtlichen Erwägungen zu seiner Entscheidunggelangt (vgl. BGH NJW 1994,3158, 3159 m.w.N.).DiesenAnforderungen wurde im vorliegenden Fall nicht genügt.Die Rechtsprechung des BSG war der Beklagten bekanntund wurde im Rahmen der Treffen mit anderen Rentenversicherungsträgernauf ihre Folgen für die eigene Bescheidpraxiserörtert. Auch auf die ausdrückliche Nachfrageim Rahmen der persönlichen Anhörung der Beklagtenwurden keine rechtlichen Argumente für die Entscheidunggenannt, entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtsund der Landessozialgerichte die Renten auf derGrundlage des ursprünglichen Bescheides weiterzugewähren.Vielmehr waren es lediglich Gründe der Praktikabilität,dass nämlich ein erheblicher Aufwand mit einer Neuberechnungverbunden sei, man die Rentenbezieher damitnicht habe belasten wollen und dass sich sowieso für diemeisten Fälle keine erhebliche Änderung ergeben hätte.Eine Entscheidung aufgrund von bloßen Praktikabilitätserwägungengenügt den Anforderungen an eine sorgfältigePrüfung der Rechtslage nicht. Soweit die Anwendung desgeltenden Rechts zu aufwändig erscheint, ist es Sache desGesetzgebers, die Rechtslage entsprechend zu ändern.Der Klägerin ist durch die fehlerhafte Rechtsanwendungein Schaden in Höhe des Nachzahlungsbetrages fürden streitgegenständlichen Zeitraum, mithin in Höhe von1.441,44 Euro, entstanden. Anderweitige Ersatzmöglichkeitenbestehen nicht. Insbesondere ist der sozialrechtlicheHerstellungsanspruch gemäß § 44 Abs. 4 SGB X ausgeschlossen,da der Zeitraum, für den die Nachzahlung erfolgenmüsste, bereits vier Kalenderjahre zurücklag. DerAmtshaftungsanspruch selbst bleibt von § 44 Abs. 4 SGB Xunberührt (vgl. BGH VersR 1989, 747).9. Checkliste für RentenberaterRentenberater sind im Rahmen des ihnen erteilten Auftragsverpflichtet, ihre Mandanten umfassend zu beraten und auchungefragt über alle bedeutsamen Einzelheiten und deren Folgenzu unterrichten.• Rentenberater müssen ihre Auftraggeber möglichst vorSchaden bewahren und sie in die Lage versetzen, eigenverantwortlichRechte und Interessen zu wahren, umFehlentscheidungen zu vermeiden. Was konkret hierausAsgard-Verlag Dr. Werner Hippe GmbHEinsteinstraße 10, 53757 Sankt AugustinTel. 02241-31 64-0, Fax 02241-31 64-36


Die RentenversicherungOrgan für den Bundesverband der Rentenberater e.V.51. JahrgangHeft 9 – September 2010– Vorabdruck –Autor: Walter <strong>Vogts</strong>als Pflicht abzuleiten ist, richtet sich nach dem erteiltenMandat und den Umständen des Einzelfalls.• Die außergerichtliche Geltendmachung von Rentenansprüchengehört zum Bereich Rentenberatung (§ 10Abs.1 Nr. 2 RDG), und zwar selbst dann, wenn dieLeistung notwendigerweise auf Geldersatz als zivilrechtlichenAnspruch gerichtet ist (= einheitlicher Lebenssachverhalt).• Ob eine für das (vorangegangene) sozialrechtliche Verwaltungsverfahrenvorgelegte Vollmacht weiterhin geltenkann, sollte sorgfältig geprüft werden – eventuell ist eineneue Vollmacht mit konkreter Zweckbestimmung nachzureichen(§ 164 ff. BGB).• Sobald § 44 Abs. 4 SGB X angewendet wird, ist vorab zuprüfen, ob der Zeitraum richtig ermittelt wurde (wurdedas Verfahren auf Antrag oder von Amts wegen eingeleitet?),eventuell ist Widerspruch einzulegen. Ist richtigverzinst worden?• Sofern und soweit § 44 Abs. 4 SGB X „rechtmäßig“ angewendetwurde, ist der Rentenversicherungsträger zurZahlung der versagten Beträge einschl. Zinsen aufzufordern,mit kurzer Frist von längstens zwei Wochen, unddamit ausdrücklich in Verzug zu setzen.• Der Rentenversicherungsträger ist aufzufordern, eineProbeberechnung zur Höhe der verweigerten Zahlungeneinschl. Zinsberechnung nachzuliefern. Das Ergebnisist dann in der Regel der konkrete Schadensbetrag.Diese Vorab-klärung vermeidet Zuviel-Forderungen imweiteren Verfahren.• Begehren ist der Geldersatz in Euro, nicht die Rentenzahlungfür einen Zeitraum von/bis.• Verstreicht der zur außergerichtlichen Erledigung gesetzteTermin, ist der Vorgang an einen übernahmebereitenRechtsanwalt abzugeben und begleitende Beratunganzubieten.• Streitwertunabhängig sind die Landgerichte (Amtshaftungskammern)zuständig, zum Beispiel bei Ansprüchengegenüber der Deutschen Rentenversicherung Bund dasLandgericht Berlin.• Klagebetrag / Streitwert ist der Schaden (versagte Rentezuzüglich 4 Prozent Zinsen gem. § 44 SGB I). Fernersind ab Verzug Zinsen hieraus von fünf Prozentpunktenüber dem Basiszins zu beantragen sowie die Er<strong>statt</strong>ungder gesetzlichen Gebühren und Auslagen des vor Klageerhebungmit der Bearbeitung beauftragten Rentenberaters.• Amtshaftung tritt nicht ein, wenn vorsätzlich oder fahrlässigunterlassen wurde, den Schaden durch Gebraucheines Rechtsmittels abzuwenden.Die Auswirkungen des § 88 SGB VI sollten stets bedachtwerden. Der Neuberechnungsanspruch einer Rente wegenErwerbsminderung aus den hier beispielhaft geschildertenGründen besteht auch dann (noch), wenn inzwischen bereitsAltersrente bezogen wird. Bei Hinterbliebenenrenten kommtes nicht darauf an, ob ein Überprüfungsverfahren bereits zuLebzeiten des Berechtigten eingeleitet war.Anschrift des Verfassers:Oberdorfstr. 1676831 Ilbesheim* Der Autor war 40 Jahre in der Kanzlei www.vogts-und-partner.dein Karlsruhe tätig als Rentenberater und Rechtsbeistand für Sozial-,Renten- und Versicherungsrecht.Asgard-Verlag Dr. Werner Hippe GmbHEinsteinstraße 10, 53757 Sankt AugustinTel. 02241-31 64-0, Fax 02241-31 64-36

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