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Naturwissenschaftlicher Unterricht und Standesinteresse

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Inhaltsverzeichnis INHALT<br />

O. EI NLEI TUNG ............................................. S. 7<br />

l. ASPEKTE DER PREUSSISCHEN SCHULREFORM ZU BEGINN DES 19.<br />

JAHRHUNDERTS: DAS HUMANISTISCHE GYMNASIUM UND DAS<br />

AKADEMISCHE BORGERTUM .................................. S. 14<br />

2. STRUKTUR- UND FUNKTIONSWANDEL DES STADTSCHULWESENS S. 21<br />

2.1 Von der Realschule zum Realgymnasium S. 21<br />

(neusprachliches Gymnasium)<br />

2.2 Der Berechtigungskampf mit den Gymnasien S. 28<br />

3. STRUKTUR- UND FUNKTIONSWANDEL DER GEWERBESCHULEN S. 30<br />

3.1 Von der Vollzeitberufsschule zur Oberrealschule S. 30<br />

(mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium)<br />

3.2 Das schulpolitische Interesse der Ingenieure S. 34<br />

3.3 Die Schulkonferenz von 1873 <strong>und</strong> die Lehrpläne S. 36<br />

von 1882<br />

4. AKADEMISCHE OBERFOLLUNGSKRISE UND STAATLICHE REAKTION<br />

AM ENDE DES 19. JAHRHUNDERTS ........................... S. 44<br />

4.1 Die Schul konferenz von 1890 <strong>und</strong> die Lehrpläne S. 46<br />

von 1892<br />

4.2 Die am Reformprozeß beteiligten Interessengruppen S. 51<br />

4.2.1 Der Verein Deutscher Chemiker S. 51<br />

4.2.2 Der Verein Deutscher Ingenieure S. 53<br />

4.2.3 Bündni spartner Reformi ndustrie S. 56<br />

4.2.4 Bündni spartner Reformmi 1 i tär S. 58<br />

5. ZUR BERUFSSITUATION DER MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFT-<br />

LICHEN LEHRER AN DEN HOfiEREN SCHULEN ................... S. 62<br />

6. DER "VEREIN ZUR FöRDERUNG DES MATHEMATISCHEN UND<br />

NATURWISSENSCHAFTLICHEN UNTERRICHTS" (FöRDERVEREIN) S. 71<br />

6.1 Die Ziele des Fördervereins S. 71<br />

6.2 Die Organisationsstruktur des Fördervereins S. 72<br />

- 3 -


7. DER FORDERVEREIN UND DIE REFORM DES NATURWISSEN-<br />

SCHAFTLICHEN UNTERRICHTS .............................. .<br />

7.1 Die Kritik am naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong><br />

<strong>und</strong> die didaktischen Reformgr<strong>und</strong>sätze<br />

7.2 Bündni spartner: Die "Gesell schaft Deutscher<br />

Naturforscher <strong>und</strong> Ärzte" (GDNÄ)<br />

7.3 Die "Meraner Beschlüsse"<br />

7.4 Der "Deutsche Ausschuß für den mathematischen <strong>und</strong><br />

naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong><br />

7.5 Die Reform der mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Lehrerausbildung<br />

8. DER FORDERVEREIN IM ERSTEN WELTKRIEG UND DIE KRIEGS­<br />

PROPÄDEUTISCHE AUSRICHTUNG DES NATURWISSENSCHAFTLICHEN<br />

UNTERRICHTS ........................................... .<br />

9. DER FORDERVEREIN UND DIE WEIMARER REPUBLIK ............ .<br />

9.1 Widerstand gegen pädagogische Reformen: Die Deutsche<br />

Oberschule<br />

9.2 Die Richertschen Reformen <strong>und</strong> die Reaktion der<br />

Berufs- <strong>und</strong> Fachverbände<br />

10. DER FORDERVEREIN UND DIE NATIONALSOZIALISTISCHE<br />

MACHTERGREIFUNG ....................................... .<br />

10.1 Opportunismus aus Verlustangst<br />

10.2 Das Bündnis mit der Wehrmacht<br />

10.3 Das Bündnis mit der Wirtschaft<br />

10.4 Der naturwissenschaftliche <strong>Unterricht</strong> im Dienst<br />

des Krieges<br />

11. DIE RESTAURATION DES BILDUNGSWESENS IN DER BUNDES-<br />

REPUBLIK DEUTSCHLAND .................................. .<br />

11.1 Die Wiederbegründung des Fördervereins <strong>und</strong> seine<br />

bildungspolitische Position<br />

11.2 Das Bündnis mit der Wissenschaft<br />

11.3 Das Bündnis mit der Atom-Industrie<br />

11.4 Die "Saarbrücker Rahmenvereinbarung" <strong>und</strong> ihre<br />

Beurteilung durch die Berufs- <strong>und</strong> Fachverbände<br />

12. 01 E BI LDUNGSREFORM .................................... .<br />

12.1 Motive der Bildungsreform<br />

- 4 -<br />

S. 76<br />

S. 76<br />

S. 81<br />

S. 84<br />

S. 89<br />

s. 91<br />

S. 99<br />

S. 108<br />

S. 110<br />

S. 113<br />

S. 122<br />

S. 122<br />

S. 130<br />

S. 135<br />

S. 138<br />

S. 143<br />

S. 145<br />

S. 153<br />

S. 156<br />

S. 161<br />

S. 164<br />

S. 164


12.2 Reforminteresse <strong>und</strong> -widerstände des Fördervereins<br />

12.2.1 Curri cu 1 umreform inden Naturwi ssenschaften<br />

12.2.2 Reform der Lehrerausbil dung<br />

12.3 Die gymnasiale Oberstufe auf Einheitskurs<br />

12.3.1 Die Position des Fördervereins<br />

12.3.2 Die Position der "Gesellschaft für Didaktik der<br />

Chemie <strong>und</strong> Physik"<br />

12.33 Die Position der "Konferenz der Fachbereiche Physik"<br />

13. DIE REFORMWENDE UND DIE HALTUNG DES FORDERVEREINS<br />

13.1 Folgeprobleme der Bildungsreform<br />

13.2 Technikunterricht: Notwendigkeit oder Ideologie?<br />

VERZEICHNIS DER VERWENDETEN ABKORZUNGEN<br />

LITERATURVERZEICHNIS<br />

DOKUMENTATION .............................................. .<br />

S. 167<br />

S. 167<br />

S. 174<br />

S. 180<br />

S. 182<br />

S. 183<br />

S. 184<br />

S. 189<br />

S. 189<br />

S. 194<br />

S. 197<br />

S. 198<br />

S. 223<br />

- 5 -


mit allgemeinpolitischer Zielsetzung, die in Deutschland erst nach 1918<br />

gegründet wurden <strong>und</strong> die ihre politische Richtung entweder ohne organisatorische<br />

Bindung an eine bestimmte Partei vertraten oder Teilorganisationen<br />

einer Partei waren. Hierbei handelt es sich vornehmlich um Lehrerorganisationen,<br />

deren Mitglieder zugleich Mitglieder bzw. Sympathisanten<br />

von SPD, USPD <strong>und</strong> KPD waren 6 ) .<br />

Wenig Beachtung haben bislang die Fachverbände gef<strong>und</strong>en, bei denen es<br />

sich ausnahmslos um Gründungen von Gymnasiallehrern hande1t 7 ).<br />

Ihre Bedeutung als 'Fachstand innerhalb eines Berufsstandes' <strong>und</strong> ihre je<br />

spezifische Interessenpolitik soll am Beispiel des "Deutschen Vereins zur<br />

'Förderung des mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s" (im<br />

folgenden kurz Förderverein genannt), des traditionsreichsten mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Gymnasiallehrerverbandes, in seiner historischen<br />

Genese untersucht werden.<br />

Ein häufig verwendeter theoretischer Bezugsrahmen in der historischen<br />

Lehrerforschung ist das Modell von 'Professionen' <strong>und</strong> 'Professionalisierung,8)<br />

.<br />

6) Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien genannt:<br />

Bö1ling 1977, Hoffmann 1976, Hohendorf 1957, Stöhr 1973.<br />

7.) Ohne Anspruch auf Voll ständi gkei t sei en genannt:<br />

Koschnitzke 1977, Kremer 1979, S.F. Müller 1977 (a), Wenzel 1978.<br />

Erst in jüngster Zeit gibt es auch Fachvereinigungen von Lehrern an<br />

Gesamt- sowie Gr<strong>und</strong>-, Haupt- <strong>und</strong> Realschulen wie z.B. die sich Ende<br />

1977 b<strong>und</strong>esweit organisierte "Gesellschaft für Arbeit, Technik <strong>und</strong><br />

Wirtschaft im <strong>Unterricht</strong>", in der sich vornehmlich Fachlehrer <strong>und</strong><br />

-didaktiker für Arbeits1ehre/Polytechnik zusammengeschlossen haben,<br />

s. Wulfers 1980.<br />

8) Zur Vollständigkeit sei hier noch das "feldtheoretische Modell" genannt,<br />

das in Anlehnung an den gestaltpsychologischen Versuch einer<br />

Ganzheitsbetrachtung Lehrerorganisationen als ein "Feld" gleichzeitig<br />

bestehender, jedoch gegenseitig voneinander abhängiger "Regionen" begreift,<br />

<strong>und</strong> der "historisch-materialistische Ansatz", der davon ausgeht,<br />

daß "Selbstverständnis, Organisationsverhalten <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />

Funktion der Lehrer nur im Rahmen einer Gesellschaftstheorie der<br />

entstehenden <strong>und</strong> entfalteten bürgerlichen Gesellschaft zu interpretieren<br />

sind". Heinemann 1977, S. 437ff <strong>und</strong> Breyvogel 1977, S. 477ff, hier<br />

S. 477.<br />

- 8 -


Dieses Modell versucht, die an den sog. freien Berufen (z.B. des Arztes,<br />

Anwaltes, Hochschullehrers) ermittelten Kriterien der angelsächsischen<br />

Professionalisierungsforschung aufzunehmen <strong>und</strong> in ihren Gr<strong>und</strong>merkmalen<br />

auf den Lehrerberuf anzuwenden.<br />

Nach diesen Kriterien werden unter "Professionalisierung" diejenigen historisch<br />

analysierbaren Prozesse zusammengefaßt, in denen es einer Berufsgruppe<br />

gelingt, für eine gesellschaftlich bedeutsame Leistung den Anspruch<br />

auf Auslegung der berufsspezifischen Handlungskompetenz nachzuweisen<br />

<strong>und</strong> zu tradieren ('Exklusivität des Berufswissens' , 'Autoritäts<strong>und</strong><br />

Expertenposition' ), die damit verb<strong>und</strong>enen Handlungs- <strong>und</strong> Deutungsspielräume<br />

formell abzusichern <strong>und</strong> abzugrenzen gegenüber konkurrierenden<br />

Berufen <strong>und</strong> Berufs 1 ai en (' Berufl i che Autonomi e', 'Monopol ansprüche<br />

auf das Berufsfeld') <strong>und</strong> die Berufsansprüche, die an die Inhalte <strong>und</strong><br />

Organisation der Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung gestellt werden ('Berufliche<br />

Ausbildung'), durchzusetzen (Tenorth 1977 (b), S. 463).<br />

Sieht man einmal von Unklarheiten ab, die über die Bedeutung der Termini<br />

'Profession' <strong>und</strong> 'Professionalisierung' in der berufssoziologischen <strong>und</strong><br />

erziehungswissenschaftlichen Literatur bestehen (Sprondel 1968, Krüger<br />

1973), so ist doch unbestritten, daß der Beruf des L.ehrers (Gymnasial-,<br />

Realschul- <strong>und</strong> Hauptschullehrer) bislang keinen professionalen Status<br />

im strengen Sinne des Wortes besitzt, sondern zu den sog. 'semi-professionalen'<br />

Berufen gezählt wird (Etzioni 1969, Brinkmann 1976, Michael<br />

1961). In der Diskussion über die Berufsrollenproblematik des Lehrers,<br />

die mit der Organisationsstruktur <strong>und</strong> der Funktion der Schule parallel<br />

geht, sind die Ursachen beschrieben worden, die eine Professionalisierung<br />

des Lehrerberufes verhindern 9 ). Ungeachtet der Frage, ob eine weitere<br />

Professionalisierung des Lehrerberufes überhaupt erstrebenswert<br />

ist, erscheint das Professionalisierungsmodell in zweifacher Hinsicht<br />

problematisch (Tenorth 1977 (a), S. 410): Zum einen ist es fraglich, ob<br />

es, wenn man den in der anglo-amerikanischen Berufssoziologie entwickelten<br />

Merkmalskatalog für Professionen vollständig zugr<strong>und</strong>e legt, in<br />

Deutschland Professionen im strengen Sinne je gegeben hat bzw. gegen-<br />

9) Vgl. hierzu die Beiträge in Lüdtke (Hrsg) 1973.<br />

- 9 -


wärtig gibt; denn auch für die sog. klassischen Professionen sind nicht<br />

immer all e Merkmale so vollständig wie in den angelsächsischen<br />

Herkunftsländern des Professionalisierungsmodells. Zum anderen wird mit<br />

dem Professionalisierungsmodell der mit ihm beschriebene Professionalisierungsprozeß<br />

fu n k ti on al gerechtfertigt, d.h. primär unter dem<br />

Aspekt der gesellschaftlich nachgefragten Leistung <strong>und</strong> deren Charakteristika<br />

zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt <strong>und</strong> der entsprechenden<br />

ökonomisch-gesellschaftlichen, wissenschaftlich-technologischen<br />

oder bildungspolitischen Entwicklung als notwendig interpretiert. Die<br />

von der Gesellschaft als wichtig eingeschätzten <strong>und</strong> erwarteten Leistungen<br />

wie 'Ges<strong>und</strong>heit' (Arzt), 'Gerechtigkeit' (Anwalt), 'Wissenschaft'<br />

(Hochschullehrer, Wissenschaftler) seien - so wird unterstellt - auf-<br />

. gr<strong>und</strong> ihrer Komplexi tät <strong>und</strong> ihrer fachnchen Anforderungen nicht anders<br />

zu erbringen <strong>und</strong> nur auf Dauer zu sichern, indem man ihre Ausführung den<br />

professionalisierten Berufen (Experten) überträgt. Auch wenn diese funktionalistische<br />

Erklärung der Berufsarbeit nicht durchweg falsch ist, so<br />

wird mit ihr - sofern sie stimmig ist - doch nur die eine Seite des Berufes<br />

wiedergegeben, seine Kehrseite bleibt ausgeblendet; ihr wenden wir<br />

uns jetzt zu.<br />

Jede sich auf gesellschaftliche Aufgabenbewältigung beziehende Berufsarbeit<br />

hat nicht nur eine einseitig ausgerichtete Zielsetzung, sondern<br />

unterliegt einer "doppelten ZweCkstruktur,,10). Diese bemißt sich nicht<br />

nur nach den "objektiv feststell baren ..i.nhaU.Uc.hen Wirkungen im Verhältnis<br />

zu den gesellschaftlich geltenden Erwartungen <strong>und</strong> Normen (Beck/Brater/Daheim<br />

1980, S. 244), d.h. sie ist nicht allein auf die Erfüllung gesellschaftlicher<br />

Aufgaben <strong>und</strong> ihrer Leistungen beschränkt, sondern zugleich<br />

auch statusorientiert, indem sie auf die Sicherung der professionellen<br />

Karriere <strong>und</strong> damit die gesellschaftliche Anerkennung der Berufsangehörigen<br />

orientiert ist.<br />

Der Zusammenhang dieser bei den Aspekte, der von Beck/Brater/Daheim als<br />

10) Ei ne umfassende Betrachtung der "doppelten Zweckstruktur" berufsförmiger<br />

Arbeit haben Beck/Brater/Daheim in ihrem Buch: Soziologie der<br />

Arbeit <strong>und</strong> der Berufe. Reinbek 1980, vorgelegt, auf die ich mich im<br />

besonderen Maße stütze.<br />

- 10 -


"die beiden Seiten des 'Tauschzwecks' beruflich organisierter Arbeit"<br />

beschrieben wurde (a.a.O., S. 245) hat für die Berufsform der Arbeit ll }<br />

insofern Konsequenzen, als die Berufsarbeit für den Angehörigen "nicht<br />

in ihren objektiven gesellschaftlich-politischen Valenzen <strong>und</strong> Folgen von<br />

Bedeutung ist, sondern daß rur ihn selbst ein ganz anderer Bezugspunkt,<br />

eine ganz andere 'Logik' oder Wahrnehmungsweise entscheidend wird, nämlich<br />

die der VIVLm.i.ttlUIIg VOll IpJt.ivatemJ T4UM.h- UIId Igu.eU-6eha6tl.iehemJ<br />

GebJl4UC.h-6zweek" (a.a.O., S. 245).<br />

Wie Beck/Brater/Daheim einschränkend bemerken, "werden die tatsächlichen<br />

Inhalte <strong>und</strong> Ergebnisse gesellschaftlicher Arbeit <strong>und</strong> Praxis lI.ieht alle.ill<br />

durch die Berufsform geprägt" (ebenda), sondern hierfür mitentscheidend<br />

sind allgemeine gesellschaftliche Bedingungen <strong>und</strong> Veränderungen wie<br />

staatliche Interessen, technologische Entwicklungen etc ..<br />

Wenn also im folgenden die Statusinteressen als 'Berufsvariable' der naturwissenschaftlichen<br />

Gymnasiallehrer ins Zentrum gerückt werden, so ist<br />

damit nicht gemeint, daß diese all ein die inhaltliche Ausrichtung<br />

<strong>und</strong> Gestaltung des professionalen Handelns bestimmen. Es soll vielmehr<br />

eine in der Lehrerforschung bislang kaum beachtete 'Variable' in ihren<br />

Gr<strong>und</strong>zügen aus der Sicht des organisierten beruflichen Handelns theoretisch<br />

herausgearbeitet <strong>und</strong> dabei der Frage nachgegangen werden, in welchem<br />

allgemeinen Zusammenhang die Statusinteressen im Verlauf des Professionalisierungsprozesses<br />

der naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrer standen<br />

bzw. stehen.<br />

Der entwickelte Zusammenhang zwischen der sich herausbildenden Berufsform<br />

der naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrer <strong>und</strong> ihren Interessen kann<br />

nicht als ein "K4U-64lvlVLhältll.i-6" verstanden werden, sondern stellt ein<br />

"Implikationsverhältnis" bzw. einen "VeJtWe.i-6UIIg-6ZU-64mmellhallg" (ebenda)<br />

dar zwischen Berufsarbeit als gesellschaftlicher Praxis <strong>und</strong> ihrer pro-<br />

11) Beck/Brater/Daheim verstehen unter "Berufsform" der Arbeit jene sich<br />

herauskristallisierende soziale Form der Arbeit, die entsteht, wenn<br />

unter den Bedingungen des Warentauschs die spezialisierte Arbeitskraft<br />

für andere die Gr<strong>und</strong>lage für die Versorgung des Arbeitenden<br />

wird; a.a.O., S. 35f.<br />

- 11 -


fessionalen Konstruktion, in die zahlreiche subjektiv-soziale Hoffnungen<br />

<strong>und</strong> Interessenperspektiven ihrer Berufsangehörigen eingehen.<br />

Im Vordergr<strong>und</strong> der Arbeit steht die Frage nach der 'vereinsprofessionellen<br />

Konstruktion' des naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrerberufs unter<br />

folgenden Aspekten:<br />

- Unter welchen Bedingungen entstand die fachliche Ausdifferenzierung<br />

<strong>und</strong> Verberuflichung der Tätigkeit der naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrer<br />

innerhalb des Gymnasiallehrerstandes,<br />

- welche sozialen bzw. professionellen Leitbilder erwiesen sich hierbei<br />

als dominierende Faktoren,<br />

- welche spezifisch ökonomisch-sozialen, wissenschaftlich-technologischen<br />

sowie schul- <strong>und</strong> bildungspolitischen Bedingungen gingen in diesen<br />

Prozeß mit ein, welche sozialen Interessengruppen wirkten daran<br />

mit <strong>und</strong> zu welchen sozialen Bündnissen kam es? Dabei wird 'Bündnis'<br />

verstanden als Interessenkoalition im Sinne von vorfindbaren gleichen<br />

bzw. ähnlichen Interessenkonstellationen<strong>und</strong>/oder weitgehender Interessenkooperation.<br />

Die Untersuchung hat primär die Programmatik, insbesondere des Fördervereins,<br />

zum Gegenstand. Wie weit <strong>und</strong> in welcher Form programmatische<br />

Intentionen bis in die Schulpraxis durchschlagen, kann immer nur vermutet<br />

werden.<br />

Die historische Eingrenzung der Untersuchung auf Preußen ist vom Umfang<br />

der Arbeit her erforderlich. Dies bedeutet nicht, daß die Aussagen nicht<br />

verallgemeinerbar wären: Preußen war über die Reichsverfassung das Land<br />

innerhalb des Deutschen Reiches mit dem größten politischen Einfluß, <strong>und</strong><br />

in der Organisation des höheren Schulwesens maßgebend für die übrigen<br />

deutschen Staaten I2 ).<br />

Wenn hier, wie bereits in den vorangegangenen Ausführungen, von den<br />

mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrern (je nach fachlichem<br />

Kontext) bzw. im folgenden von den gymnasialen Vertretern der Naturwissenschaften<br />

die Rede ist l3 ), so sind damit nicht die Lehrer als Perso-<br />

12) Vgl. etwa K.E.Born 1960, S. 199, Göllnitz 1920, S. 6f.<br />

13) Eine Beschränkung auf die gymnasialen Physiklehrer <strong>und</strong> den gymnasialen<br />

Physikunterricht <strong>und</strong> die allenfalls periphere Behandlung des Mathematik-,<br />

Chemie- <strong>und</strong> Biologieunterrichts ist vom Umfang der Arbeit<br />

her erforderlich.<br />

- 12 -


1. Aspekte der preußischen Schulreform zu Beginn des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts:<br />

Das humanistische Gymnasium <strong>und</strong> das akademische Bürgertum<br />

Die wirtschaftliche <strong>und</strong> soziale Lage Deutschlands war zu Beginn des 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts durch eine noch vorwiegend agrarische Wirtschaftsstruktur<br />

<strong>und</strong> eine ständisch-feudale Staatsordnung gekennzeichnet, die aber schon<br />

im Obergang zu einer kapitalistischen Industriegesellschaft begriffen war.<br />

Ausgangspunkt für den in dieser Phase einsetzenden sozialökonomischen<br />

Strukturwandel war für Preußen der politische <strong>und</strong> militärische Zusammenbruch<br />

der absoluten Monarchie in den Napoleonischen Kriegen. Die im Tilsiter<br />

Frieden 1807 auferlegten Reparationszahlungen an Frankreich einerseits<br />

<strong>und</strong> die Sicherung der Kriegsfinanzen andererseits, verb<strong>und</strong>en mit<br />

dem Ziel, gegenüber den ökonomisch überlegenen westeuropäischen Staaten<br />

aufzuholen, verlangten eine "Steigerung des staatlichen Einkommens, die<br />

nur durch eine von oben gesteuerte Modernisierung der Wirtschaft, <strong>und</strong><br />

das hieß zunächst der Agrarwirtschaft erzielt werden konnte" (Wehler 1980,<br />

S. 21). Wichtige Schritte hierzu waren die Agrarreform, in deren Folge<br />

die "Landwirtschaft als Konkurrenzwirtschaft" umorganisiert wurde, um die<br />

"Ertrags- <strong>und</strong> Profitmaximierung zu fördern", <strong>und</strong> die Einführung der Gewerbefreiheit<br />

<strong>und</strong> kommunalen Selbstverwaltung, die vor allem den Zweck<br />

verfolgte - gegen den Widerstand der feudalen <strong>und</strong> von Teilen der bürgerlichen<br />

Schichten -, die noch vielfältig bestehenden Hindernisse bei der<br />

Umorganisation der zum Großteil noch als Staatsbetriebe geführten Industrieunternehmen<br />

auf eine primär privatkapitalistische Basis zu beseitigen<br />

(vgl. Böhme 1968, S. 9f, Hirsch 1971, S. 11ff).<br />

Zur Durchführung all dieser Maßnahmen bedurfte es allerdings einer leistungsfähigen,<br />

zentral geleiteten arbeitsteiligen Staatsverwaltung, die<br />

die strukturellen Voraussetzungen für die Verwirklichung der auf öffnung<br />

des Wirtschaftssystems bedachten Politik gegen die feudalen Stände <strong>und</strong><br />

Zünfte zu schaffen vermochte.<br />

- 14 -


In diesem Zusammenhang fiel der intellektuell überlegenen <strong>und</strong> reformbereiten<br />

Führungsspitze der aufgeklärt absolutistischen Bürokratie, die den<br />

Zusammenbruch der absoluten Monarchie als relativ geschlossene Gruppe<br />

überstanden hatte, der entscheidende Einfluß auf den noch feudal beherrschten<br />

Ständestaat zu.<br />

Entsprechend ihrer sozialen Struktur, einer sich aus dem akademischen<br />

Bürgertum rekrutierenden gesellschaftlichen Gruppe, <strong>und</strong> den sich daraus<br />

ergebenden Interessen am Mitbesitz an Privilegien zielten ihre Reformabsichten<br />

auf den Ausbau einer wirtschaftlich freien, aber politisch weiterhin<br />

in den Staat eingeb<strong>und</strong>enen Gesellschaft, die die Freisetzung einer<br />

kapita 1 i sti schen Wi'rtschaftswei se fördern soll te: Denn "die Exi stenz<br />

eines produktiv tätigen, vom Steueraufkommen des Staates lebenden beamteten<br />

Bürgertums" konnte nur durch die Förderung der ökonomischen Potenz<br />

des Landes garantiert werden (Preuß 1975,S.374, zit. nach Hinz 1981, S.45).<br />

Obgleich die bürokratische Reformpolitik durch erhebliche ökonomische<br />

Zugeständnisse an den Feudaladel erkauft werden mußte, konnte die preussische<br />

Bürokratie - begünstigt durch die Beseitigung ständischer Privilegien<br />

<strong>und</strong> Beschränkungen - doch Zug um Zug wirtschaftliche <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />

Strukturveränderungen durchsetzen, die sie in die Lage versetzten,<br />

ihre gesellschaftliche Macht gegenüber dem Monarchen zu sichern<br />

(vgl. Hirsch 1971, S. 14ff).<br />

Die Reform des absolutistischen Gelehrtenschulwesens durch die Errichtung<br />

des "Human"istischen Gymnasiums" war in diesem Zusammenhang systematischer<br />

Bestandteil der Reformpolitik, da dieser Schul form die Funktion der Ausbildung<br />

<strong>und</strong> Rekrutierung des Beamtenkörpers zukam. Für das Gelehrten- <strong>und</strong><br />

höhere Beamtentum hatte das Gymnasium damit die gleiche Funktion "wie das<br />

Kapital für die Bourgeoisie <strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong>besitz für den Adel" (Hinz 1981,<br />

S. 58). Bildungstheoretisch hat sich das Gelehrten- <strong>und</strong> höhere Beamtenturn,<br />

das sich in Preußen als 'allgemeiner' Stand im Dienste des 'allgemeinen'<br />

Staatsinteresses verstand, nicht zufällig das "klassische", d.h.<br />

auf den alten Sprachen gründende Bildungsideal zu eigen gemacht, schuf<br />

dieses neben der Legitimation, geistige Führungsschicht zu sein, doch zugleich<br />

die soziale Distanz "gegenüber den 'Ungebildeten', die kraft Besitzlosigkeit<br />

oder kraft ökonomischer Unabkömmlichkeit als Unternehmer<br />

- 15 -


wird daran deutlich, daß das Königliche Ministerium der Geistlichen, <strong>Unterricht</strong>s-<br />

<strong>und</strong> Medizinalangelegenheiten in größeren Städten 1825 ein auf<br />

die Gymnasien hinführendes eigenständiges Elementarschulwesen einrichtete<br />

(Neigebaur 1835, S. 195, zit. nach Hinz a.a.O., S. 12) <strong>und</strong> 1856 Vor-Schulen<br />

für die Gymnasien schuf, die vom übrigen Elementarschulwesen getrennt<br />

waren (Endlich u.a. 1973, S. 15, zit.nach Hinz a.a.O. S. 12). Oie Gebühren<br />

der Vor-Schulen <strong>und</strong> die der neben den Vorschulen eingerichteten Privatschulen,<br />

die ebenfalls zum Besuch des Gymnasiums vorbereiteten, waren dabei<br />

,so hoch, daß sie nur von vermögenden Eltern aufgebracht werden konnten<br />

(Günther, Hofmann u.a. 1973, S. 417)1 soweit diese ihre Kinder nicht<br />

bis zum Eintritt ins "eigentliche" Gymnasium, d.h. in die Tertia, in Privatschulen<br />

oder von Hauslehrern unterrichten ließen.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> verw<strong>und</strong>ert es deshalb nicht, daß die einkommens<strong>und</strong><br />

statusmäßig privilegierten, beamteten <strong>und</strong> freischaffenden (akademischen)<br />

Professionen auch an einem gesetzlich verankerten gymnasialen<br />

(<strong>und</strong> universitären) Berechtigungswesen interessiert waren, das sie vor<br />

möglichst jeglicher Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt schützen sollte.<br />

Seinen Ausdruck fand diese Tendenz im Abitur-Monopol des Gymnasiums <strong>und</strong><br />

der Verrechtlichung des universitären Prüfungswesens. War es nach dem<br />

Abiturreglement vom 15.10.1812, das das Reglement für die Prüfung an den<br />

Gelehrtenschulen <strong>und</strong> Universitäten von 1788 ablöste, noch möglich, mit<br />

dem Zeugn; s II 1. Grades (der "Unreife") oder nach erfolgter Pri vaterziehung<br />

zu studieren, das Staatsexamen abzulegen <strong>und</strong> auf diesem Wege in den<br />

Staatsdienst einzutreten, so wurde 1820 die Einstellung katholischer<br />

Theologen vom erfolgreich absolvierten Abitur abhängig gemacht, <strong>und</strong> die<br />

Erlangung des medizinischen Doktorgrades setzte ab 1825 mindestens das<br />

Abi turzeugni s 1. Grades ("unbedi ngte Reife") oder I 1. Grades ("bedi ngte<br />

Reife") voraus. Schließlich wurde ab 1831 die Zulassung zum ersten juristischen<br />

Staatsexamen an das Abiturzeugnis I. <strong>und</strong> 11. Grades gekoppelt,<br />

<strong>und</strong> ab 1833 erfolgte die Zulassung der evangelischen Theologen zur Prüfung<br />

"pro licentia concionadi" ebenfalls nur noch mit dem Abschluß 1.<br />

<strong>und</strong> 11. Grades (Hinz 1981, S. 25).<br />

3) Die jeweiligen Schulformen, die die "Vorschule" <strong>und</strong> die "Schule" umfaßten,<br />

waren die Stadtschulen oder Bürgerschulen.<br />

- 17 -


Mit dem Abiturreglement vom 4. Juni 1834 wurde schließlich die Möglichkeit<br />

einer Aufnahmeprüfung an der Universität abgeschafft <strong>und</strong> festgelegt,<br />

daß jeder, der nicht die "gelehrten" Klassen des Gymnasiums absolviert<br />

hatte, sich als Externer der Abiturprüfung an einem Gymnasium unterziehen<br />

mußte; die Immatrikulation mit dem Recht auf spätere Zulassung zum<br />

Staatsexamen wurde an das Bestehen des Abiturexamens geknüpft (Paulsen<br />

1921, S. 289).<br />

Zwar war es damit dem Preußischen Staat gelungen, das Gymnasium als Instrument<br />

der Selektion <strong>und</strong> Ausbildung des Gelehrten- <strong>und</strong> höheren Beamtennachwuchses<br />

zu etablieren, doch verlor diese Schule allmählich ihre bildungspolitische<br />

Legitimation als umfassende Bildungsinstitution für alle<br />

uber die Elementarschule <strong>und</strong> die Oberstufe der Volksschule qualitativ hinausführenden<br />

Bildungsinteressen. Das Fehlen von Schul typen zwischen der<br />

Elementar- bzw. Volksschule einerseits <strong>und</strong> dem altsprachlichen Gymnasium<br />

andererseits wurde für wachsende Gruppen des mittleren Bürgertums spürbar,<br />

das gesamte Schulwesen begann sich zu differenzieren <strong>und</strong> entwickelte<br />

sich schrittweise zu einem System getrennter Schul typen. Neben die ausgebauten<br />

9-jährigen höheren Anstalten traten mit 4- bis 6/7-jähriger Schuldauer<br />

mittlere Schul formen (s. Graphik S. 19). Die Ursachen hierfür lagen<br />

in der wirtschaftlichen <strong>und</strong> sozialen Dynamik der beginnenden Industrialisierung,<br />

von der einerseits Teile der Mittelschicht profitierten <strong>und</strong> u.a.<br />

deshalb hinter der Entwicklung mittlerer Schul formen (<strong>und</strong> neuen Formen<br />

höherer Schulen) standen, die aber andererseits zu Lasten breiter Kreise<br />

der Bevölkerung ging.<br />

Infolge des enormen Bevölkerungsanstiegs (zwischen 1815 <strong>und</strong> 1840 von 25<br />

auf 34 Millionen), dem jedoch nur eine geringfügige Vermehrung neuer Arbeitsstellen<br />

in den traditionellen Berufen gegenüberstand, <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong><br />

des dadurch auftretenden Oberschusses an Arbeitskräften, der den Stellenwert<br />

dieser Berufe absinken ließ, strömten Millionen von Arbeitssuchenden<br />

in die frühindustriellen Ballungszentren. Hier bildete sich eine industrielle<br />

Reservearmee an zunächst ungelernten Arbeitskräften, derer die Fabrikbesitzer<br />

neben den Facharbeitern zunehmend bedurften.<br />

Die herkömmlichen Elementar- bzw. Volks- <strong>und</strong> die wenigen Berufsschulen,<br />

die bislang zur Qualifizierung für fast alle technischen <strong>und</strong> gewerblichen<br />

- 18 -


2. Struktur- <strong>und</strong> Funktionswandel des Stadtschulwesens<br />

2.1 Von der Realschule zum Realgymnasium (neusprachliches Gymnasium)<br />

Während der Staat vornehmlich die Gymnasien unterhielt, unterstand die<br />

Verwaltung der Stadtschulen den Städten. Die rechtliche Gr<strong>und</strong>lage hierfür<br />

hatten die Städte bereits 1808 durch die Steinsche Städteordnung erhalten.<br />

Durch sie waren die kommunalen Selbstverwaltungen berechtigt, die<br />

äußeren Schulangelegenheiten wie Schulunterhaltung, personelle Besetzung<br />

<strong>und</strong> Lehrerbesoldung se 1 bständi g zu verwa lten (S. F. Mü 11 er 1977 (a), S. 255).<br />

Die inneren Angelegenheiten wie z.B. die Gestaltung des Lehrplanes <strong>und</strong><br />

der St<strong>und</strong>entafeln behielt sich jedoch der Staat vor. "Praktisch bedeutete<br />

dies, daß die Städte die finanziellen Lasten zu tragen hatten", während<br />

der Staat seine Vorherrschaft über die Bestimmung der Bildungsziele,<br />

d.h. auch über die Anerkennung der mit dem Schulabschluß verb<strong>und</strong>enen Berechtigung<br />

behielt (a.a.O., S. 255f). Der Plan für ein miteinander verb<strong>und</strong>enes<br />

allgemeines städtisches Schulwesen ging auf den Süvernschen<br />

Schulentwicklungsplan von 1819 zurück, zu einer Zeit, als die erste Abwanderung<br />

der ländlichen Bevölkerung in die Städte einsetzte. Unter Ausklammerung<br />

der in die Städte einwandernden ehemaligen unfreien Bauern<br />

<strong>und</strong> Knechte, die aufgr<strong>und</strong> ihrer sozialen Lage der Armenverwaltung unterstanden<br />

<strong>und</strong> für deren Kinder man Armenschulen einrichtete, entwarf Süvern<br />

einen SChulentwicklungsplan: Auf die Elementarschule, deren Besuch für<br />

alle Kinder vom 6. bis 14. Lebensjahr verpflichtend sein sollte, folgte<br />

die Stadtschule, an die sich dann das Gymnasium anschloß. Die Stadtschulen<br />

sollten in oder parallel zu den unteren Gymnasialklassen die Kinder<br />

aus den gewerblichen Kreisen des Stadtbürgertums ausbiden, für die das<br />

Ende der allgemeinen Bildung mit dem Ende der Schulpflicht zusammenfiel.<br />

Obwohl der Süvernsche Plan nie als allgemeinverpflichtende Verordnung<br />

veröffentlicht wurde, entwickelte sich in den Städten ein Angebot an<br />

Schul formen, das dem Süvernschen Modell weitgehend entsprach (L<strong>und</strong>green<br />

1980, S. 63). Vorangetrieben wurde vor allem der Ausbau der Stadtschulen.<br />

- 21 -


Sie traten an die Stelle der bisherigen Pfarrschulen <strong>und</strong> sollten zugleich<br />

mit den schulgeldpflichtigen Privatschulen konkurrieren, um die Schulgeldeinkünfte<br />

der Städte zu erhöhen. Dementsprechend war ihr Lehrplan an den<br />

Aufgabenstellungen der differenzierten Privatschulen ausgerichtet, die<br />

sowohl "eigentliche Bürgerschule" als auch "Vorbereitungsanstalt für die<br />

Mittelklassen der Gymnasien" sein sOllten 1 ).<br />

Zum völligen Ausbau der Stadtschulen kam es jedoch nicht, da die finanziellen<br />

Aufwendungen der Städte zu gering waren <strong>und</strong> der Staat keine Unterstützung<br />

leistete. Begünstigt wurde dabei eine Tendenz zur Zielveränderung<br />

der Stadtschulen, die maßgeblich von den Stadtschullehrern vorangetrieben<br />

wurde.<br />

Sowoh 1 Pri vatschull ehrer als auch di e Lehrer an Stadtschul en ohne Gymnasialabitur,<br />

die z. T. nur einige Semester die Universität als Gasthörer<br />

besucht hatten, betrachteten ihre Schulen nicht als Teil eines allmählich<br />

zu verstaatlichenden unteren bzw. mittleren Schulwesens, sondern sahen<br />

"in der Kommunalpolitik die Chance zur eigenen Statusverbesserung"<br />

(D.K. Müller 1977, S. 197). Als Lehrer an Schulen, in die (aufgr<strong>und</strong> der<br />

Schulgeldpflicht) nur eine Minderheit ihre Kinder schicken konnte, distanzierten<br />

sie sich von den Lehrern an den Elementar- <strong>und</strong> Armenschulen,<br />

indem sie ihre Tätigkeit mit der jener Gymnasiallehrer, die in den unteren<br />

Klassen unterrichteten, gleichsetzten. Die Ausbildungsbedingungen der<br />

meisten Lehrer an Elementar- <strong>und</strong> Armenschulen stützten zudem diese Statusdifferenzierung.<br />

Nicht selten unterrichteten dort Handwerksgesellen,<br />

die für ihre Tätigkeit in Seminarkursen vorbereitet worden waren, oder<br />

es unterrichteten Abgänger aus mittleren oder oberen Gymnasialklassen<br />

(z.T. mit einigen Semestern Universitätsbesuch), die jedoch "im Wettbewerb<br />

mit Hauslehrerstellen immer stärker den Universitätsabsolventen" unterlagen.<br />

Hinzu kam, daß die kommunalen Selbstverwaltungen an höheren,<br />

das schulfp 1 ichti ge Alter überschrei tenden Kl assen ebensoweni g i nteress i ert<br />

waren wie die Stadtschullehrer , "die bei stärkerer Annäherung an die Gymnasialstruktur<br />

ihre Anstellungsfähigkeit" gefährdet sahen. Andererseits<br />

1) Zur Verbindung zwischen Privatschulen <strong>und</strong> Stadtschulen am Beispiel der<br />

Umwandlung einer Berliner Privatschule in eine Stadtschule s. D.K. Müller<br />

1977, S. 194.<br />

- 22 -


tein obligatorisches Lehrfach. Ausgelöst durch den Zustrom der Schüler<br />

aus den gewerblichen Schichten, aus Kreisen der Fabrikanten, Kaufleute,<br />

Handeltreibenden <strong>und</strong> den aufkommenden technischen Berufen, stieg die Zahl<br />

der Realschulen allein zwischen 1832 <strong>und</strong> 1837 von 9 auf 90 an, wovon 41<br />

die Möglichkeit hatten, ihre Schüler mit Berechtigungen zu entlassen.<br />

Doch die Realschulen waren noch weit davon entfernt, mit den Gymnasien<br />

in Konkurrenz zu treten 3 ), zumal ein Großteil des höheren Industrie- <strong>und</strong><br />

Handelsbürgertums aus Statusgründen das Gymnasium mit seinen Berechtigungsprivilegien<br />

als Bildungsinstitution für seine Söhne vorzog.<br />

1845 forderte das Kultusministerium die mehrklassigen höheren Stadtschulen<br />

auf, Angaben über die St<strong>und</strong>entafeln <strong>und</strong> Anforderungen in den Abschlußprüfungen<br />

vorzulegen <strong>und</strong> die Schwerpunktfächer im Lehrplan mitzuteilen.<br />

Diese Erhebung, an der die Lehrer "ein entscheidendes Mitspracherecht"<br />

hatten <strong>und</strong> mit der das Kultusministerum das Ziel verfolgte, Gr<strong>und</strong>lehrpläne<br />

zur Vereinheitlichung des Realschulwesens aufzustellen, ließ in<br />

ihrem Ergebnis deutlich erkennen, daß zu dem für die 'allgemeine, bürgerliche<br />

Bildung unerläßlichen' Bildungskanon der Realschulen jene Fächer<br />

zählten, die bisher im Gymnasium nicht oder nur am Rande berücksichtigt<br />

worden waren. Hierzu gehörten die modernen Fremdsprachen Englisch<br />

<strong>und</strong> Französisch <strong>und</strong> die Naturwissenschaften. Die Kenntnis <strong>und</strong> Vermittlung<br />

dieser Fächer war zugleich primäres Unterscheidungskriterium zwischen den<br />

mit verschiedenen Ausbildungsqualifikationen <strong>und</strong> Lehrbefähigungen ausgestatteten<br />

Realschullehrern.<br />

Auch die "Auseinandersetzung über den Lateinunterricht an Realschulen"<br />

war sehr stark "durch standes- <strong>und</strong> gesellschaftspolitische Zielsetzungen<br />

bestimmt". "Während Naturwissenschaftler über eine Lehrplanreform der<br />

Realschulen generell das Philologenmonopol der höheren Schule in Frage<br />

stellen wOll(t)en, Lehrer an Realschulen ohne örtliche Konkurrenz durch<br />

weitere höhere Schulen eine Integration ihres fremdsprachlichen Privatunterrichts<br />

in den öffentlichen <strong>Unterricht</strong> <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene Einkommenssenkung<br />

zu verhindern such(t)en, beanspruch(t)en die Lehrer an<br />

Realschulen, die mit unteren <strong>und</strong> mittleren Gymnasialklassen konkurrieren<br />

(mußten), akademische Prestigefächer" (D.K. Müller 1977, S. 204).<br />

3) In Preußen existierten in den 30er Jahren ca. 115 Gymnasien.<br />

- 24 -


Um den gymnasialen Charakter der Realschulen zu betonen, stellten die Realschullehrer<br />

- stärker noch als die Gymnasiallehrer - deren allgemeine<br />

humanistische Zielsetzung heraus <strong>und</strong> griffen "dadurch die in den Gymnasien<br />

verdrängte aufklärerisch-humanistische Interpretation" wieder auf.<br />

"Ohne die Bedeutung von Latein als Wissenschafts- <strong>und</strong> Behördensprache in<br />

Frage zu stellen, sOll(t)e philologisches Sonderwissen demokratisiert<br />

werden. Lateinkenntnisse soll(t)en keine sozialen Barrieren zwischen einer<br />

akademischen Minderheit <strong>und</strong> der Masse des Volkes errichten, sondern<br />

die' 'Unwissenden wissend machen', Beamtenherrschaft durch bürgerliche Mitverantwortung<br />

ersetzen lassen, Mündigkeit ('Mündigmachung') der Mehrheit<br />

bewi rken" (ebenda).<br />

Entsprechend der Ausrichtung des Realschullehrplans am gymnasialen Standard<br />

orientierten sich die Professionalisierungsbestrebungen der Realschullehrer<br />

am beruflichen Aufstieg der Philologen. Die Verwaltung unterstützte<br />

zudem diese Bestrebungen durch die Privilegierung des gymnasialen<br />

Lehrplans <strong>und</strong> die daran geknüpften Lehrqualifikationen. Letztere<br />

waren seit 1810 durch die Prüfungsordnung "pro facultate docendi" festgelegt,<br />

der sich die Kandidaten für das Lehramt an Gymnasien unterziehen<br />

mußten.<br />

Diese änderten sich durch die Prüfungsordnung vom 20. April 1840. Neu war<br />

nicht nur, daß neben den bisherigen Hauptfächern Latein, Griechisch,<br />

Deutsch, Geschichte, Geographie auch Mathematik <strong>und</strong> die Naturwissenschaften<br />

als Prüfungsfächer anerkannt wurden, sondern daß sich nunmehr auch<br />

die zukünftigen Lehrer an Realschulen dieser Prüfung unterziehen mußten.<br />

Betroffen waren hiervon "die zukünftigen Lehrer an solchen öffentlichen<br />

höheren Bürger- <strong>und</strong> Realschulen", die "eine vollständige wissenschaftliche<br />

Vorbildung ihrer Schüler bezweck(t)en, diese aber überwiegend durch<br />

den <strong>Unterricht</strong> in der Mathematik <strong>und</strong> den Naturwissenschaften, durch historische<br />

<strong>und</strong> geographische Kenntnisse <strong>und</strong> durch ein genaueres Studium<br />

der vaterländischen <strong>und</strong> französischen Sprache <strong>und</strong> Literatur zu erreichen<br />

such(t)en, ohne den <strong>Unterricht</strong> in der lateinischen Sprache auszuschließen"<br />

(Grosse 1910, S. 27). Für die Realschullehrer bedeutete das zwar eine<br />

Aufwertung ihres beruflichen Status', doch angesichts der an den Realschulen<br />

fehlenden oberen Klassen (der Prima) war ihre berufliche Position<br />

- 25 -


sophischen Fakultät berechtigte.<br />

Im Gegensatz zur ministeriellen Vorlage stimmten zwei Drittel der Konferenzteilnehmer<br />

dafür, daß Latein auch an den voll ausgebauten Realschulen<br />

als Pfl i chtfach bei beha lten werden sollte; hi er wurde aber der Anteil der<br />

alten Sprachen im Vergleich zu den Gymnasien zugunsten des neusprachlichen<br />

<strong>und</strong> naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s eingeschränkt. Schon ein<br />

Jahr später wurde diesen Realschulen die angestrebte Aufwertung durch die<br />

ministerielle Ersetzung der Funktionsbestimmung Stadtschule durch Realschule<br />

zugesprochen, <strong>und</strong> 1853 erfolgte offiziell die verwaltungstechnische<br />

Gleichstellung mit den Gymnasien.<br />

1859 schließlich legte das Kultusministerium die "Unterrrichts- <strong>und</strong> PrUfungsordnung<br />

der Realschulen <strong>und</strong> der höheren Bürgerschulen" vor, die Umfang,<br />

Zielsetzung <strong>und</strong> Lehrplanstr'uktur festlegte. Der Erlaß unterschied<br />

zwischen Realschule I. Ordnung mit 9-jährigem Lehrgang <strong>und</strong> Abitur, mit<br />

Latein als Pflichtfach; Realschule Ir. Ordnung, mit 9-jährigem Lehrgang,<br />

jedoch nur mit fakultativem Lateinunterricht, <strong>und</strong> der höheren Bürgerschule<br />

mit einem 7-jährigen Lehrgang ohne Latein. Gegenüber dem Lehr- <strong>und</strong><br />

St<strong>und</strong>enplan des Gymnasiums (1856), der für Latein 86, (Griechisch 42),<br />

Französich 17 <strong>und</strong> Naturwissenschaften 14 Wochenst<strong>und</strong>en ansetzte, sah der<br />

Lehr- <strong>und</strong> St<strong>und</strong>enplan für die Realschule I. Ordnung für Latein 44, Französisch<br />

34, Englisch 20 <strong>und</strong> für die Naturwissenschaften 34 Wochenst<strong>und</strong>en<br />

vor.<br />

Nicht die alten Sprachen (Latein <strong>und</strong> Griechisch) dominierten, sondern die<br />

modernen Fremdsprachen (Französisch <strong>und</strong> Englisch) traten in den Vorder- .<br />

gr<strong>und</strong> der Sprachenbildung, <strong>und</strong> den Naturwissenschaften wurde erstmals ein<br />

stärkeres Gewicht zugemessen. Als Konsequenz wurde den Realschulen I. Ordnung<br />

die Berechtigung zum einjährigen-freiwilligen Militärdienst, die nunmehr<br />

nach einem halbjährigen Besuch der Untersek<strong>und</strong>a erworben werden konnte,<br />

<strong>und</strong> die Zulassung zu den Studien für den Staatsbaudienst <strong>und</strong> das Bergfach<br />

gewährt. Die Universitäten dagegen blieben den Realschulabsolventen<br />

für ein Studium "mit der Absicht auf Staatsexamen <strong>und</strong> Beruf" auch weiterhin<br />

verschlossen. Lediglich als Gasthörer konnten sie sich nach wie vor<br />

für maximal 3 Semester bei der philosophischen Fakultät immatrikulieren<br />

lassen (Paulsen 1921, S. 560).<br />

- 27 -


ter Kommunalpolitiker, deren Anerkennung zur 'Neo-Barbarei' einer erwerbs-<br />

<strong>und</strong> genußorientierten Generation führe, dem die durch griechische<br />

Lektüre zu gewinnende Disziplin fehle" (ebenda). Die Bonner medizinische<br />

Fakultät sprach zwar "von einem 'wahren Notstand' der Gymnasialbildung,<br />

in der jegliche Gr<strong>und</strong>bildung in höherer Mathematik fehle <strong>und</strong> deren<br />

naturwissenschaftliche Ergebnisse weit hinter der Realschulbildung zurückblieben.<br />

Die Lösung des Problems (lag) für die medizinischen Fakultäten<br />

nicht in der Vergrößerung der Abiturientenzahlen durch Anerkennung der<br />

Realschule, sondern in einer dem jetzigen Realschullehrplan anzupassenden<br />

Reform der Gymnasien <strong>und</strong> einer strengeren Auslese in ihnen. Es (ging)<br />

in den Gutachten der Universitäten nicht um das Problem einer Verbindung<br />

von allgemeiner Bildung <strong>und</strong> optimaler Berufsvorbereitung, sondern primär<br />

um eine Schul struktur, die soziale Privilegien bestätigt(e) <strong>und</strong> er(hielt)"<br />

(D.K. Müller 1977, S. 211).<br />

Obwohl sich die Universitäten vehement gegen die Zulassung der Realschulabiturienten<br />

zur Universität ausgesprochen hatten, ebenso wie die Gymnasien,<br />

die um ihr Berechtigungsmonopol fürchteten, sah sich das Kultusministerium<br />

angesichts des steigenden Bedarfs an Lehrern besonders in den<br />

neuen Sprachen <strong>und</strong> den naturwissenschaftlichen Fächern gezwungen (Paulsen<br />

1921, S. 567, Göllnitz 1920, S. 58f), den Abiturienten der Realschulen<br />

I. Ordnung den Zugang zur Universität zu öffnen.<br />

Im Oktober 1870 erhielten sie die Berechtigung zum Studium der Mathematik,<br />

der Naturwissenschaften <strong>und</strong> der neuen Sprachen sowie zur Prüfung<br />

"pro facultate docendi" in diesen Fächern. Die Realschulen I. Ordnung sahen<br />

in dieser Verfügung jedoch nicht die 'definitive Regelung' der Berechtigungsfrage<br />

<strong>und</strong> hielten auch weiterhin an ihrer Forderung nach unbedingter<br />

Gleichberechtigung mit den Gymnasien fest. Doch diese Forderung<br />

erhob neben der Realschule I. Ordnung auch eine neue höhere Schulform,<br />

die Oberrealschule.<br />

- 29 -


3. Struktur- <strong>und</strong> Funktionswandel der Gewerbeschulen<br />

3.1 Von der Vollzeitberufsschule zur Oberrealschule<br />

(mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium)<br />

Entstehung <strong>und</strong> Entwicklung des Gewerbeschulwesens in den 20er <strong>und</strong> 30er<br />

Jahren des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts gehen auf die Frühphasen preußischer Gewerbeförderungspolitik<br />

zurück.<br />

Während die vorindustriellen Fachschulen, die sich im spätabsolutistischen<br />

<strong>und</strong> kameralistischen Staat entwickelt hatten, weiterhin ihrer traditionellen<br />

Aufgabe nachgingen, für technische Berufe im Verwaltungs- <strong>und</strong><br />

militärischen Bereich auszubilden, baute das preußische Handelsministerium<br />

ein technisches Fachschulsystem auf, das für die gewerblichen <strong>und</strong><br />

industriellen Produktionsstätten Techniker ausbildetei) .<br />

Dieses Fachschulsystem der gewerblichen Wirtschaft gliederte sich in den<br />

20er Jahren wie folgt auf: Es gab ca. 20 Provinzial-Gewerbeschulen, in<br />

denen im Anschluß an die Erfüllung der Schulpflicht Lehrlinge klein- <strong>und</strong><br />

mittelständischer Gewerbebetriebe ausgebildet wurden, <strong>und</strong> eine zentrale<br />

"Technische Schule" in Berlin, das Gewerbe-Institut, "auf dem die besten<br />

Absolventen der Provinzial-Gewerbeschulen eine zusätzliche, weiterführende<br />

höhere technische Fachausbildung erhielten, um als leitende Techniker<br />

in die größeren industriellen Betriebe einzutreten" (L<strong>und</strong>green<br />

1980, S. 117).<br />

1) Der anfängliche Dualismus "zwischen technischen Fachschulen für den<br />

öffentlichen Dienst <strong>und</strong> solchen für die private Wirtschaft" entsprach<br />

der (von Frankreich übernonvnenen) Konzeption der "Ecole Politechnique".<br />

Vgl. L<strong>und</strong>green 1980, S.116 <strong>und</strong> ders. 1975, S. 30.<br />

- 30 -


Diese bei den Schul formen, die nahezu unverändert bis zur Mitte des 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts bestanden, ließen sich auf Dauer Jedoch nicht gleichzeitig<br />

aufrechterhalten. Einerseits drängten das Industrie- <strong>und</strong> Handelsbürgertum,<br />

aber auch Handwerker <strong>und</strong> Gewerbetreibende auf eine leistungsfähige, d.h.<br />

spezialisierte Berufsvor- bzw. -ausbildung, andererseits machte sich angesichts<br />

der sich ausweitenden industriellen Produktion <strong>und</strong> des Eindringens<br />

maschineller Produktionstechniken in alle produzierenden Gewerbezwei<br />

ge - <strong>und</strong> der daran geknüpften parti e 11 en Anhebung berufsspezifi scher<br />

Qualifikationen (vornehmlich in den Berufsbranchen Fabrikation, Bergbau<br />

<strong>und</strong> Handel) - eine zunehmende Diskrepanz zwischen den Interessen der aufstiegsmotivierten<br />

technischen Berufsgruppen <strong>und</strong> den schulisch gewährten<br />

Mobilitätsmöglichkeiten bemerkbar. Insbesondere das Gewerbe-Institut, das<br />

ursprünglich als Fachschule für Techniker <strong>und</strong> Werkmeister gegründet worden<br />

war, wurde - begünstigt durch seine "zentrale Lage, die hohe staatliche<br />

Dotation, die akademische Bildung ihrer Lehrer <strong>und</strong> ihre Bezogenheit<br />

auf alle preußi schen Provi nzen" - mehr <strong>und</strong> mehr "zur Ersatzuni vers ität<br />

für alle Schlilformen, die die Berechtigung der Gymnasien anstreb(t)en,<br />

ohne durch Lehrplan <strong>und</strong> Schülerschaft dazu legitimiert zu sein" (D.K.<br />

Müller 1977, S. 228). Dies hatte zur Folge, daß sich das Aufnahmeniveau<br />

zunehmend an dem Abschlußziel der höheren Stadtschulen orientierte <strong>und</strong><br />

sich (entsprechend deren Struktur- <strong>und</strong> Funktionswandel) zunächst bis zur<br />

Obertertiareife steigerte. Um den höheren Anforderungen an die allgemeine<br />

Vorbildung der Studenten genügen zu können, begannen gleichzeitig Provinzial-Gewerbeschulen,<br />

ihren Lehrplan verstärkt der Lehrplanentwicklung<br />

des Gewerbe-Instituts anzupassen. Dadurch gerieten diese Provinzial-Gewerbeschulen<br />

in Konkurrenz zu den Realschulen um die bessere schulische<br />

Vorbildung für das Gewerbe-Institut. Dies lag zum einen in dem "unzureichenden<br />

mathematisch-naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong> der Realschulen"<br />

begründet, zum anderen jedoch auch "in dem Wunsch, die bisherige Tradition<br />

der Vorbildung für das Gewerbe-Institut beizubehalten" (L<strong>und</strong>green<br />

1975, S. 48).<br />

Die Gewerbeschulpolitik, die Inhalt, Selbstverständnis <strong>und</strong> Organisation<br />

der Provinzial-Gewerbeschulen stark dem Gewerbe-Institut anglich, führte<br />

zur Annäherung an die Realschulen, wodurch jedoch die Provinzial-Gewerbeschule<br />

ihre Funktion als Vorbildungsstätte für höhere technische Studien<br />

mehr <strong>und</strong> mehr verlor.<br />

- 31 -


•<br />

Dieser Entwicklung leisteten außerdem die Dozenten des Gewerbe-Instituts<br />

verstärkt Vorschub, deren "berufsrollenspezifische <strong>Standesinteresse</strong>n ...<br />

auf eine institutionelle Trennung des vorbereitenden vom berufsqualifizierenden<br />

Auftrag der Gewerbeschulen hinausliefen" (Harney 1980, S. 567).<br />

Ende der 40er Jahre kam es schließlich zu Reformberatungen zwischen Vertretern<br />

des Handelsministeriums, der Industrie sowie der Provinzial-Gewerbeschulen,<br />

"innerhalb derer die Gymnasiierung des Vorbereitungs- <strong>und</strong><br />

die Abkoppelung des berufsqualifizierenden Auftrags erstmals thematisiert<br />

wurde". Daß diese Beratungen zunächst ohne Ergebnis blieben, lag insbesondere<br />

am Widerstand der Gewerbeschulrektoren, "die ihre Schulen nicht<br />

auf den Fachschulauftrag reduziert sehen wollten" (ebenda, vgl. auch<br />

.L<strong>und</strong>green 1975, S. 64ff).<br />

Ober fast zwei Jahre erstreckten sich die Reformberatungen, bis schließlich<br />

im Juni 1850 die Ergebnisse veröffentlicht wurden. Die für das Gewerbe-Institut<br />

getroffene Neuordnung des Lehrplanes zeigte deutliche Tendenzen<br />

einer "Akademisierung" <strong>und</strong> "Spezialisierung,,2):<br />

In der "unteren" Klasse entfiel der bisherige Elementarunterricht in<br />

Mathematik <strong>und</strong> den Naturwissenschaften;<br />

- der "höhere" technische <strong>Unterricht</strong> wurde von bisher zwei auf drei Jahre<br />

erweitert <strong>und</strong><br />

- der für alle Studenten gemeinsame <strong>Unterricht</strong> wurde nunmehr aufgeteilt<br />

"in 11/2 Jahre gemeinsame(n) <strong>und</strong> 11/2 Jahre Fachunterricht für Mechaniker,<br />

Chemiker <strong>und</strong> Bauhandwerker".<br />

Aufnahmebedingung wurde das Zeugnis der Reife" 'einer zu Entlassungsprüfungen<br />

berechtigten Provinzial-Gewerbeschule oder Realschule' oder eines<br />

Gymnasiums" (von Rönne 1855, S. 331ff, zit. nach L<strong>und</strong>green 1975, S. 66f),<br />

womit nunmehr auch die Gymnasien <strong>und</strong> Realschulen als Vorbildungsstätten<br />

für das Gewerbe-Institut anerkannt waren.<br />

In die Provinzial-Gewerbeschulen wurde in der Regel aufgenommen, wer eine<br />

höhere Bürgerschule, Realschule oder ein Gymnasium bis zur Quarta besucht<br />

hatte. Nach einem zweijährigen Kurs schloß sich eine Abschlußprü-<br />

2) "Lehrpläne des Berliner Gewerbeinstituts 1821 bis 1850." L<strong>und</strong>green<br />

1975, S. 284f.<br />

- 32 -


fung an, deren Bestehen die Aufnahme in das Gewerbe-Institut ermöglichte<br />

3 ) .<br />

AusdrUcklieh wurde festgelegt, daß" 'Junge Handwerker, welche keinen anderen<br />

als Elementarunterricht genossen haben <strong>und</strong> in eine Provinzial-Gewerbeschule<br />

eintreten wollen, ... ihre Vorbildung durch den Besuch der mit<br />

der letzteren ... zu verbindenden Handwerker-Fortbildungsschule vervollständigen'<br />

" können (von Rönne a.a.O., zit. nach D.K. MUller 1977, S.229).<br />

Daß die 'neue' Provinzial-Gewerbeschule einen Kompromiß darstellte, war<br />

unschwer zu erkennen. Sie blieb sowohl berufsbezogene Fachschule fUr Handwerker<br />

als auch Vorbereitungsstätte fUr das Gewerbe-Institut (L<strong>und</strong>green<br />

1975, S. 67, Harney 1980, S. 566f). Diese Doppelfunktion (die die Provinzial-Gewerbeschule<br />

auch schon vor 1850 de facto besaß) wurde jedoch in dem<br />

Augenblick in Frage gestellt, als in den SOer Jahren mit der Immatrikulation<br />

am Gewerbe-Institut das Anrecht auf den einjährig-freiwilligen Militärdienst<br />

erworben wurde. Dies hatte zur Folge, daß die Provinzial-Gewerbeschulen,<br />

deren Absolvierung die Immatrikulation ermöglichte, "zu einer<br />

Art Reserveinstanz abgebrochener Realschul- <strong>und</strong> Gymnasialkarrieren"<br />

wurde (Harney 1980, S. 567).<br />

Auf sei ten der Gewerbeschull ehrer löste di ese Entwi ck I ung ei n "Reformi nteresse"<br />

aus, das auf eine "(real schul affine) Gr<strong>und</strong>ständigkeit der Vorbereitungsfunktion"<br />

der Gewerbeschule gerichtet war (ebenda). Hierzu gab<br />

es drei "Reformalternativen": Erstens die Verbindung der Provinzial-Gewerbeschulen<br />

mit Elementar- <strong>und</strong> BUrgerschulen <strong>und</strong> "Beschränkung auf einen<br />

vierjährigen Lehrgang"; zweitens den "Ausbau nach unten zur sechsklassigen<br />

Gewerbeschule als gr<strong>und</strong>ständiger allgemeinbildender Mittelschule" <strong>und</strong><br />

drittens die "Angleichung an den siebenjährigen Kurs der Berliner Gewerbeschule"<br />

mit der Möglichkeit "einer Erweiterung zur neunjährigen lateinlosen<br />

Realschule" (D.K. MUller 1977, S. 230)4! Prioritäten fUr das eine<br />

oder andere Reformkonzept gab es nicht. Mehrheitlich orientierten sich<br />

die Gewerbeschullehrer schon längst an den Lehrplänen der Berliner Gewer-<br />

3) "Gymnasiasten <strong>und</strong> RealschUler konnten sich dieser PrUfung schon nach<br />

einjährigem Besuch der oberen Klassen der Gewerbeschulen unterziehen."<br />

(L<strong>und</strong>green 1975, S. 67).<br />

- 33 -


Der VDI, als rasch aufblühender <strong>und</strong> bald mitgliedsstärkster Standesverein<br />

der Ingenieure, erstrebte - wie es programmatisch hieß - "ein inniges<br />

Zusammenwirken der geistigen Kräfte deutscher Technik zur gegenseitigen<br />

Anregung <strong>und</strong> Fortbildung im Interesse der gesamten Industrie Deutschlands"<br />

(Zeitschrift des VDI, 1857, S. 4). Damit verband er zugleich das<br />

Ziel, "die Technik neben Wissenschaft <strong>und</strong> Kunst als eine gleichberechtigte<br />

Errungenschaft des Geistes" (ebenda S. 1ff) ebenso zur Geltung zu<br />

bringen wie die davon nicht zu trennenden, auf Gleichberechtigung, Statussicherung<br />

<strong>und</strong> soziale Integration gerichteten wissenschaftlichen <strong>und</strong><br />

gesellschaftlichen Aufstiegsbestrebungen ihrer Vertreter 7 ).<br />

Fragen von Bildung <strong>und</strong> Ausbildung der Ingenieure waren seither konstitutives<br />

Merkmal des Vereinsinteresses, das sich fortan auf die Reform<br />

des Gewerbe-Instituts <strong>und</strong> seine Vorbildungsstätten, die Provinzial-Gewerbeschulen,<br />

konzentrierte.<br />

Der VDI trat entschieden für ein Gewerbe-Institut vom Typ einer Technischen<br />

Hochschule ein <strong>und</strong> lehnte all jene Reformkonzeptionen ab, die eine<br />

'akademische Konsolidierung' des Gewerbe-Instituts hätten beeinträchtigen<br />

können.<br />

In der Einschätzung der Provinzial-Gewerbeschulen gingen jedoch die Meinungen<br />

auseinander. Einig war man sich nur darin, daß sie als Vorbereitungsschulen<br />

für die Technischen Hochschulen völlig unzulänglich seien.<br />

Zwei Positionen standen sich gegenüber: Eine Reihe von Bezirksvereinen<br />

<strong>und</strong> Dozenten der Gewerbe-Akademie (wie das Gewerbe-Institut seit 1866<br />

hieß) waren bestrebt, die Gymnasien (<strong>und</strong> die Realschulen I. Ordnung) als<br />

geeignete Vorbildungsschule zu gewinnen <strong>und</strong> wiesen der Provinzial-Gewer-<br />

6) Zu den 23 Gründungsmitgliedern des Vereins gehörten neben 10 Ingenieuren<br />

4 Techniker, 1 Chemiker, 1 Geschäftsführer, je 1 Hütten-, Maurer<strong>und</strong><br />

Zimmermeister <strong>und</strong> 4 Lehrer an Gewerbeschulen (Hortleder 1974, S.<br />

28, Anm. 28).<br />

7) Hierzu zählten vor allem die handwerklich in der Wirtschaft tätigen<br />

Ingenieure, deren staatliche Ausbildung im Unterschied zu den auf den<br />

Artillerie- <strong>und</strong> Ingenieurschulen sowie Bau- <strong>und</strong> Bergakademien ausgebildeten<br />

Ingenieuroffizieren <strong>und</strong> Baubeamten nicht akademisch 'normiert'<br />

war.<br />

- 35 -


MATHEMATIK 1856/59 1882<br />

Gymnasium 32* 34<br />

Realgymnasium 47** 44<br />

Oberrealschule - 49<br />

*<br />

**<br />

nach dem Lehrplan von 1856<br />

nach dem Lehrplan von 1859<br />

---<br />

NATURWISSENSCHAFTEN 1856/59 1882 I<br />

Gymnasium 14* 18<br />

Realgymnasium 34** 30<br />

Oberrealschule - 36<br />

-- ,. _._--- ------- ---<br />

Selbst im Gymnasium erhöhte sich der Anteil des Mathematik-<strong>und</strong> naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s um -insgesamt 6 St<strong>und</strong>en, während die alten<br />

Sprachen um 11 St<strong>und</strong>en (Latein 9 <strong>und</strong> Griechisch 2 St<strong>und</strong>en) gekürzt wurden.<br />

Im Realgymnasium dagegen büßten umgekehrt Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften<br />

7 St<strong>und</strong>en ein, wogegen Latein um 10 St<strong>und</strong>en erhöht wurde.<br />

St<strong>und</strong>entafel der Gymnasien, Realgymnasien <strong>und</strong> Oberrealschulen 13 )<br />

GYMNASIUM SUMME BISHER ÄNDERUNG<br />

Deutsch 21 20 + 1<br />

Latein 77 86 - 9<br />

Griechisch 40 42 - 2<br />

Französisch 21 17 + 4<br />

Geschichte u.<br />

Geographie<br />

28 25 + 3<br />

Rechnen u.<br />

Mathematik<br />

34 32 + 2<br />

Naturbeschreibung<br />

10 8 + 2<br />

Physik 8 6 + 2<br />

Schreiben 4 6 - 2<br />

Zeichnen 6 6<br />

12) Zusammengestellt nach S.F. Müller 1977 (a), S. 129<br />

- 41 -


R EALG YMNAS ruM SUMME BISHER ÄNDERUNG<br />

christl. Religionslehre<br />

19 20 - 1<br />

Deutsch 27 29 - 2<br />

Latein 54 44 + 10<br />

Französisch 34 34<br />

Englisch 20 20<br />

Geschichte u.<br />

Geographie<br />

30 30<br />

Rechnen u.<br />

Mathematik<br />

44 47 - 3<br />

!<br />

Naturbebeschreibung<br />

Physik<br />

Chemie<br />

Schreiben<br />

12<br />

12<br />

6<br />

4<br />

)<br />

)<br />

) 34<br />

)<br />

)<br />

7<br />

- 4<br />

- 3<br />

Zeichnen 18 20 - 2<br />

----<br />

OBERREALSCHULE SUMME<br />

christl. Relig10nslehre<br />

19<br />

Deutsch 30<br />

Französisch 56<br />

Englisch 26<br />

Geschi chte u.<br />

Geographie<br />

30<br />

Rechnen u.<br />

Mathematik<br />

49<br />

Naturbebeschreibung<br />

13<br />

Physik 14<br />

Chemie 9<br />

Schreiben 6<br />

Zeichnen 24<br />

- 42 -


Die Lehrpläne von Gymnasium <strong>und</strong> Realgymnasium wurden damit einander so<br />

angenähert, daß das Realgymnasium dabei seinen bisherigen eigenständigen<br />

Charakter weitgehend verlor (vgl. Brunkhorst 1956).<br />

Von der Lehrplanfrage unberührt blieb die Frage der Berechtigung zum<br />

Hochschulstudium. Das Gymnasium behielt auch weiterhin das Berechtigungsmonopol<br />

für die Universität, während das Realgymnasium nur zum Examensstudium<br />

in den modernen Fremdsprachen <strong>und</strong> den Naturwissenschaften<br />

<strong>und</strong>, wie das Abitur der Oberrealschule, zum Besuch der Technischen Hochschule<br />

(wie die Gewerbe-Akademie seit 1879 hieß) berechtigte.<br />

Den Oberrealschulabiturienten dagen blieben die Universitäten noch verschlossen.<br />

13) Nach der Circular-Verfügung vom 31. März 1882. Zit. nach: Giese 1961,<br />

S. 191ff.<br />

- 43 -


4. Akademische Oberfüllungskrise <strong>und</strong> staatliche Reaktion<br />

am Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

Die Schul- <strong>und</strong> Bildungspolitik im letzten Drittel des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

stand unter dem besonderen Einfluß der wirtschaftlichen Krisensituation<br />

der 70er <strong>und</strong> 80er Jahre.<br />

Die von kurzen Aufschwungphasen (1879-1882 <strong>und</strong> 1886-1889) unterbrochene<br />

Wirtschaftsdepression war im wesentlichen gekennzeichnet durch die Oberschneidung<br />

zweier Krisen: dem allmählichen Rückgang der klassischen industriellen<br />

leitsektoren wie Eisenerzeugung, Bergbau <strong>und</strong> Eisenbahnbau 1 )<br />

<strong>und</strong> einer strukturellen Agrarkrise 2 ). Andererseits stellte sich angesichts<br />

der in dieser Zeit enorm ansteigenden Bevölkerungszahl zunehmend das Problem<br />

der Schaffung <strong>und</strong> des Stellenwertes zusätzlicher Arbeitsstellen 3 ).<br />

Diesen tiefgreifenden Schwankungen in der industriekapitalistischen <strong>und</strong><br />

1) Insbesondere der Eisenbahnbau verlor seine Führungsrolle: "Von den<br />

jährlichen Nettoinvestitionen der deutschen Volkswirtschaft hatte er<br />

von 1870 bis 1879 ca. 25 Prozent auf sich gezogen; bis 1885 sank die<br />

Zahl auf 13,5, bis 1889 auf 5,7 Prozent." (Wehler 1980, S. 43). Auswirkungen<br />

hatte die enorme Schrumpfung (um nahezu 80%) vor allem auf<br />

die Metallindustrie <strong>und</strong> die zahlreichen Zubringerbetriebe.<br />

2) Die landwirtschaft war bereits in den 80er Jahren von der Industrie<br />

überr<strong>und</strong>et worden. "Von den Nettoinvestitionen (Preise von 1913, Mrd.<br />

M.) flossen 1870 noch 22 in die landwirtschaft, bis Mitte der 70er<br />

Jahre nurmehr 10, aber 33 in die 'Gewerbe'. Wegen der Zäsur der ersten<br />

Depression ergab sich um 1879 ein Gleichstand von 10,8 zu - sage <strong>und</strong><br />

schreibe - 10,6! ... Dann zog die Industrie (infolge der neu entstehenden<br />

sog. Reformindustriebranchen wie Elektrotechnik, Großchemie <strong>und</strong><br />

Motorenbau, A.K.) unaufhaltsam davon: 1885 auf 11,5 zu 37,5, 1890 auf<br />

13,8 zu 45,3. Anders ausgedrückt: in zwei Jahrzehnten stieg der industrielle<br />

Anteil von 14 auf 45 Mrd. Mark!" (a.a.O., S. 48).<br />

3) In der Zeit von 1873 bis 1895 vermehrte sich die Bevölkerung "von 41,6<br />

auf 52 Millionen, d.h. um 10,4. Millionen Einwohner, obwohl in diesen<br />

Jahrzehnten auch noch zwei Millionen Deutsche auswanderten". (a.a.O.,<br />

S. 44).<br />

- 44 -


agrarwirtschaftlichen Entwicklung sahen sich nicht nur einflußreiche Interessengruppen,<br />

sondern auch breite Bevölkerungsschichten ausgesetzt,<br />

wenngleich die Auswirkungen gruppenspezifisch durchaus verschieden waren.<br />

Vor allem die "Produzenten wurden durch den Preisfall <strong>und</strong> die Absatzprobleme<br />

hart getroffen, während die Empfänger fester Gehälter materiell<br />

eher begUnstigt wurden" (Wehler 1980, S. 46).<br />

FUr die ansteigende Zahl der industriell Beschäftigten dagegen verschlechterte<br />

sich die soziale lage durch lohnkUrzungen, Kurzarbeit <strong>und</strong> Entlassungen<br />

rapide. Diese Veränderungen fUhrten zu gewerkschaftlichen Organisationen<br />

<strong>und</strong> begUnstigten politisch den Aufstieg der Sozialdemokratie (vgl.<br />

Nitsche/Kröber 1979, S. 154ff).<br />

Insbesondere die traditionellen FUhrungseliten <strong>und</strong> das BUrgerturn, fUr die<br />

der Obergang Deutschlands von einem Agrar- zu einem außenhandelsabhängigen<br />

Industrieland noch keineswegs entschieden war, sahen sich angesichts<br />

dieser politischen Entwicklung verschärften Interessenkonflikten ausgesetzt.<br />

In dieser Situation kam es yor allem durch die Politik Bismarcks zur Formulierung<br />

eines politischen Machtkartells von monarchischer BUrokratie,<br />

Feudaladel, Heer <strong>und</strong> Schwerindustrie, in dessen Politik neben der Sozialistenverfolgung<br />

<strong>und</strong> großangelegter Expansionspolitik die Bildungspolitik<br />

zu einem nicht zu unterschätzenden Faktor der ZurUckgewinnung <strong>und</strong><br />

nachfolgenden Stabilisierung politischer Macht wurde.<br />

In der Schulreform fand dieser Sozialprotektionismus am deutlichsten sei-"<br />

nen Niederschlag in dem in der öffentlichkeit geschUrten Schreckgespenst<br />

ei ner "Oberprodukti on an akademi sch Gebil deten" <strong>und</strong> indem von Bi smarck<br />

1884 anläßlich einer Reichstagsdebatte Uber die Verlängerung des Sozialistengesetzes<br />

geprägten Schlagwort vom "Abiturientenproletariat".<br />

In der Tat hatte sich in den Jahren zwischen 1871 <strong>und</strong> 1890 ein gewaltiger<br />

Abwanderungsprozeß von den praktisch-industriellen Berufsarten zu den<br />

privilegierten Beamtenstellen vollzogen, was sich an einem deutlichen Anstieg<br />

der Studentenzahlen in den philosophisch-juristischen Fakultäten<br />

der Universitäten zeigte 4 ), während die Technischen Hochschulen einen<br />

- 45 -


Rückgang bzw. eine Stagnation verzeichneten 5 ).<br />

Mit der ökonomischen Wirklichkeit <strong>und</strong> ihren sozialen Auswirkungen hatte<br />

jedoch die Prognose, es drohe die Entstehung eines akademischen Proletariats,<br />

nur wenig oder gar nichts zu tun (vgl. Rosenberg 1967). Der<br />

"Jargon der Oberfüllungsideologie", der "direkt den wirtschaftlichen<br />

Konjunkturdiagnosen der Zeit entnommen" war, war vielmehr die "verbale<br />

Fassung einer bewußt eingesetzten Abwehrstrategie der herrschenden sozialen<br />

Schichten <strong>und</strong> politischen Gruppen gegenüber reformbereitem Bürgertum,<br />

aufstiegsmotiviertem Kleinbürgertum <strong>und</strong> politisch aktivem Proletariat"<br />

(D.K. Müller 1977, S. 278f). Schulrechtlich wurde diese sozialselektive<br />

Politik abgesichert durch die Koppelung der Schul abschlüsse an<br />

. die entsprechenden Berechtigungen. Während mit der formalen Volksschulqualifikation<br />

kaum noch ein Regelaufstieg zugelassen wurde, um die Berufswahl<br />

<strong>und</strong> die daran geknüpften Mobilitätschancen radikal zu begrenzen,<br />

stand das höhere Schulwesen "unter der besonderen Zielsetzung einer<br />

rigorosen Einschränkung des Besuchs ... durch die Kinder der unteren <strong>und</strong><br />

mittleren sozialen Schichten" (a.a.O., S. 287).<br />

4.1 Die Schul konferenz von 1890 <strong>und</strong> die Lehrpläne von 1892<br />

Diese in den 80er Jahren vom preußischen Kultusministerium verfolgte<br />

Schulpolitik fand ihren deutlichsten Niederschlag in der Schul konferenz<br />

vom Dezember 1890, auf der alle 44 Teilnehmer konsequent die soziale Selektionspolitik<br />

vertraten. Folgende Maßnahmen sollten das "Oberfüllungsproblem"<br />

eindämmen:<br />

4) In Preußen studierten 1873/74 etwa 3.000 Studenten an der philosophischen<br />

Fakultät; 1888/89 war die Zahl bereits auf ca. 5.000 gestiegen.<br />

5) Die Zahl der Studierenden sank von 2.973 (1875/76) auf 1.321 (1882/83)<br />

<strong>und</strong> stieg dann lanqsam wieder an. 1890/91 hatte sie erst 2.349 erreicht.<br />

Vgl. Titze 1973, S. 225.<br />

- 46 -


- Eine strukturelle Veränderung der Gymnasien, Realgymnasien <strong>und</strong> Oberrealschulen<br />

<strong>und</strong> eine<br />

- vorzeitige Abzweigung des breiten Bildungsstroms durch besser ausgebaute<br />

mittlere Berufs- <strong>und</strong> Fachschulen, die zugleich der Entlastung<br />

der Unter- <strong>und</strong> Mittelstufe der höheren Schule dienen sollten.<br />

In der Frage nach der zukünftigen Stellung des Realgymnasiums sprachen<br />

sich die Konferenzteilnehmer gegen diesen Schul typ aus <strong>und</strong> votierten<br />

mit großer Mehrheit (35 : 8) für eine Zweigleisigkeit des höheren Schulsystems<br />

in Gymnasien <strong>und</strong> Oberrealschulen.<br />

Daß damit die Oberrealschule offiziell aufgewertet wurde, war von seiten<br />

der Regierung politisch motiviert, weil sie sich durch die Bedrohung der<br />

Existenz der Realgymnasien eine stärkere Einflußnahme auf die städtische<br />

Schulpolitik erhoffte, um sie dem "allgemeinen konservativen Trend" anzupassen.<br />

Die reale Auflösung der Realgymnasien stand indes nie zur Diskussion<br />

(vgl. Paulsen 1893, S. 31ff). Dagegen sprach schon allein die Tatsache,<br />

daß die zur Zeit der Schul konferenz bestehenden 172 Realgymnasien<br />

mit insgesamt 26.000 Schülern nicht auf einmal hätten aufgelöst werden<br />

können.<br />

Die Gymnasiallehrer <strong>und</strong> Oberrealschulvertreter, die damit ihre auf der<br />

Schulkonferenz von 1873 begonnene Interessenkoalition - einstweilen -<br />

fortsetzten, wehrten damit zugleich 'Gesamtschulmodelle' ab, die von seiten<br />

des "Deutschen Einheitsschulvereins" <strong>und</strong> des "Vereins für Schulreform"<br />

zur Lösung des "Oberfüllungsproblems" vertreten wurden 6 ).<br />

Um die Zielsetzung spezifischer Universitätsvorbereitung beizubehalten,<br />

ohne jedoch die Unter- <strong>und</strong> Mittelstufenschüler zum Abitur zu animieren,<br />

entschied man sich für die Einführung einer sogenannten Zwischenprüfung<br />

nach der Untersek<strong>und</strong>a für alle Typen allgemeinbildender Schulen mit<br />

sechs- bis neunjährigem Kurs, von deren Bestehen zugleich die Berechtigung<br />

zum einjährig-freiwilligen Militärdienst abhängig gemacht wurde.<br />

6) Insbesondere dem "Verein für Schulreform" kam in den 80er <strong>und</strong> 90er<br />

Jahren eine bildungspolitische Schlüsselstellung zu, da er alle Kritiker<br />

des Gymnasialmonopols, wie u.a. den "Verein Deutscher Ingenieure",<br />

zeitweilig den "Realschulmännerverein" sowie die Handelskammern<br />

<strong>und</strong> Gewerbevereine zusammenführte.<br />

- 47 -


•<br />

Ein Jahr nach der Schul konferenz im Januar 1892 fanden ihre Ergebnisse<br />

in neuen Lehrplänen Eingang in die Schulen 7 ).<br />

Entgegen dem Beschluß der Schul konferenz wurde das Realgymnasium nicht<br />

aufgelöst, sondern behielt weiterhin seine Stellung zwischen Gymnasium<br />

<strong>und</strong> Oberrealschule bei.<br />

Gegenüber dem Lehrplan von 1882 wurde in allen Schultypen die St<strong>und</strong>enzahl<br />

gekürzt, <strong>und</strong> zwar um durchschnittlich 6 bis 7,5%. Die Haupteinbußen erlitten<br />

dabei der Lateinunterricht am Gymnasium <strong>und</strong> Realgymnasium, der um<br />

20%, <strong>und</strong> der Französischunterricht in der Oberrealschule,dessen St<strong>und</strong>enanteil<br />

um 16% gekürzt wurde. Die Einsparungen in diesen Fächern kamen insbesondere<br />

dem Deutschunterricht zugute, dessen Studenanteil im Gymnasium<br />

um 24%, in der Oberrealschule um 13% <strong>und</strong> im Realgymnasium um 4% erhöht<br />

wurde 8 ).<br />

7) Mit den neuen Lehrplänen wurden zugleich die bisherigen 7-jährigen lateinlosen<br />

höheren Bürgerschulen mit den 6-jährigen lateinlosen Realschulen<br />

vereinigt, <strong>und</strong> den Progymnasien sowie Realprogymnasien wurde<br />

die Obersek<strong>und</strong>a entzogen. Die auf sechs Klassen reduzierte einstige<br />

"Realschule" wurde mit der höheren Bürgerschule zu einem neuen Schultyp,<br />

dem jetzt allein die Bezeichnung "Realschule" vorbehalten werden<br />

sollte, vereinigt. Die Schule hatte die Aufgabe, zum Besuch der Oberklassen<br />

der Oberrealschule vorzubereiten <strong>und</strong> zugleich den Eintritt<br />

in die mittleren Berufslaufbahnen zu ermöglichen.<br />

8) Hinter der starken Betonung des Deutschen stand das politische Motiv<br />

der Bekämpfung der Sozialdemokratie durch die nationale Schule. Als<br />

Mittel zur Erreichung dieses Ziels wurde in den Lehrplan u.a. die<br />

Einführung in die germanische Sagenwelt <strong>und</strong> in bedeutende Nationalliteratur<br />

aufgenommen. Vgl. Brunkhorst 1956, S. 74f. Diese nationale<br />

deutschk<strong>und</strong>liche Tendenz, die zwischen 1910 <strong>und</strong> 1920 z.T. geradezu<br />

chauvinistische Züge annahm, griff in der Folgezeit auf den gesamten<br />

Fächerkanon über. Vgl. Schmoldt 1980, S. 119 <strong>und</strong> S. 145.<br />

- 48 -


St<strong>und</strong>entafel der Gymnasien, Realgymnasien <strong>und</strong> Oberrealschulen 9 )<br />

GYMNASIUM SUMME ÄNDERUNG<br />

Religion 19<br />

Deutsch 26 + 5<br />

Latein<br />

Griechisch<br />

Französisch<br />

62<br />

36<br />

19<br />

- 15<br />

- 4<br />

- 2<br />

Geschichte u.<br />

Geographie<br />

26 - 2<br />

Rechnen u.<br />

Mathematik<br />

34<br />

Naturbeschreibung<br />

6 - 2<br />

Phys i k, Chemi e<br />

u. Mineralogie<br />

10 + 2<br />

Schreiben 4<br />

Zeichnen 8 + 2<br />

REALGYMNASIUM SUMME ÄNDERUNG<br />

Religion 19<br />

Deutsch 28 + 1<br />

Latein 43 - 11<br />

Französisch 31 - 3<br />

Englisch 18 - 2<br />

Geschi chte u. 28 - 2<br />

Geographie<br />

Rechnen u. 42 - 2<br />

Mathematik<br />

Naturbe- 12<br />

schreibung<br />

Physik 12 I<br />

!<br />

Chemie <strong>und</strong><br />

Mineralogie<br />

6<br />

Schreiben<br />

Zeichnen<br />

4<br />

16 - 2<br />

I<br />

- 49 -


OBERREALSCHULE SUMME ÄNDERUNG<br />

Religion 19<br />

Deutsch 34 + 4<br />

Französisch 47 - 9<br />

Engl isch 25 - 1<br />

Geschichte u.<br />

Geographie<br />

28 - 2<br />

Rechnen u.<br />

Mathematik<br />

47 - 2<br />

Naturbeschreibung<br />

12 - 1<br />

Physik 13 - 1<br />

'Chemie <strong>und</strong><br />

Mineralogie<br />

11 + 2<br />

Schreiben 6<br />

Freihandzeichnen<br />

16 - 8<br />

Gegenüber den bisherigen Lehrplänen trat insofern eine wesentliche Veränderung<br />

ein, als für alle Fächer eine Verteilung des Lehrstoffes auf die<br />

einzelnen Klassen vorgenommen <strong>und</strong> die den Lehraufgaben zugr<strong>und</strong>eliegenden<br />

"Anwei sungen für Lehrzi e 1 <strong>und</strong> Lehrverfahren" nunmehr verbi ndl ich wurden.<br />

Damit wurde zum ersten Mal von der Kultusverwaltung eine Regelung getrof-'<br />

fen, die die Lehrpläne maßgeblich bestimmte. Auch die Berechtigungsfrage<br />

wurde neu geregelt. Das Reifezeugnis der Oberrealschule öffnete nunmehr<br />

den Zugang zum Studium an den Technischen Hochschulen <strong>und</strong> zum Universitätsstudium<br />

in Mathematik <strong>und</strong> den Naturwissenschaften sowie zum höheren<br />

Berg-, Bau-, Maschinenbau-, SChiffsbau-, Post- <strong>und</strong> Forstfach.<br />

Die Abiturienten der Gymnasien sollten nur noch dann zur Technischen<br />

Hochschule zugelassen werden, wenn sie zusätzlich zum Abiturzeugnis einen<br />

Nachweis über mathematisch-naturwissenschaftliche <strong>und</strong> zeichnerische<br />

9) Vom 1. Dezember 1891. Zit. nach: Paulsen 1921, S. 60lf,<br />

- 50 -


Qualifikationen erbringen konnten. Vom Studium der Medizin blieben die<br />

Absolventen des Realgymnasiums nach wie vor ausgeschlossen.<br />

Durch die Schul konferenz <strong>und</strong> die neuen Lehrpläne hatte zwar das Realgymnasium<br />

wie auch die Oberrealschule eine beträchtliche Konsolidierung<br />

erfahren, aber die von ihren Vertretern seit ihrem Bestehen geforderte<br />

Gleichstellung des Abiturs mit dem des Gymnasiums war nicht erfolgt. Diese<br />

Forderung, die zugleich eine Kampfansage an das Berechtigungsmonopol<br />

des Gymnasiums war, rückte von nun an in den Mittelpunkt der schulpolitischen<br />

Diskussion, in der die staatliche Schulverwaltung <strong>und</strong> die hinter<br />

ihr stehende "Koalition" aus Teilen desAdels, des Besitz- <strong>und</strong> des Bildungsbürgertums<br />

mehr <strong>und</strong> mehr unter öffentlichen Legitimationsdruck gerieten.<br />

Dies geschah vor allem durch die betroffenen Lehrer der Realgymnasien<br />

<strong>und</strong> Oberrealschulen selbst, die sich seit den 70er <strong>und</strong> aOer Jahren<br />

verbandsmäßig organisiert hatten <strong>und</strong> der staatlichen Verwaltung als<br />

interessierte Gegenmacht gegenüberstanden, <strong>und</strong> durch die stark expandierenden<br />

naturwissenschaftlichen <strong>und</strong> technischen Berufsgruppen, für die,<br />

ähnlich wie für die Lehrer der Realgymnasien <strong>und</strong> Oberrealschulen, die<br />

Berechtigungsfrage eine 'soziale Frage' war, hinter der sich nicht zuletzt<br />

standes- bzw. statuspolitische Interessen verbargen.<br />

4.2 Die am Reformprozeß beteiligten Interessengruppen<br />

Das Reforminteresse der - zum Teil noch relativ jungen - naturwissenschaftlich-technischen<br />

Berufsgruppen hatte seine Wurzeln in den Professionalisierungserfahrungen,<br />

die für einige 'unbefriedigend' ausgefallen<br />

waren. Das betraf neben den Chemikern insbesondere die Ingenieure.<br />

4.2.1 Der Verei n Deutscher Chemi ker<br />

Die wachsende Bedeutung der chemischen Forschung als entscheidendem Produktionsfaktor<br />

für die chemische Industrie hatte zwar in der öffentlichkeit<br />

Anerkennung gef<strong>und</strong>en, die amtliche Einschätzung <strong>und</strong> soziale Bewer-<br />

- 51 -


tung des Chemikerberufs (hier vor allem der angestellten Industriechemiker)<br />

war indes eher gering (vgl. Botscheid 1976). Eine wesentliche Ursache<br />

für ihre 'soziale Deklassierung' sahen die Chemiker in der praktischen<br />

Ausrichtung der Chemie, die als Forschungsdisziplin in dieser<br />

Form bis dahin ausschließlich auf die Technischen Hochschulen (<strong>und</strong> die<br />

Forschungslaboratorien der Industrie) zugeschnitten war <strong>und</strong> sich an den<br />

Universitäten (hier jedoch primär an der Theorie ausgerichtet) erst allmählich<br />

zu etablieren begann. Einer akademischen Aufwertung wirkte zudem<br />

der Umstand entgegen, daß der Chemie an der Universität das Odium der ehemaligen<br />

Hilfswissenschaft für Medizin <strong>und</strong> Pharmazie anhaftete; sie rangierte<br />

in der disziplinären Prestigehierarchie deshalb nicht selten auf<br />

der untersten Stufe. Um diesen Zustand zu überwinden, trat der "Verein<br />

'Deutscher Chemiker" (VDCh)10) für einen verstärkten Ausbau der Chemie als<br />

eigenständiger Disziplin an den Universitäten ein <strong>und</strong> forderte die Einrichtung<br />

eines Fachexamens für technische Chemiker, das bis dahin an der<br />

Universität nicht absolviert werden konnte (Lexis (Hrsg) 1893, S. 5).<br />

Mit dem akademischen Status des Chemiestudiums verb<strong>und</strong>en war für den VDCh<br />

zwangsläufig die Frage der Zulassungsvoraussetzungen für das Studium<br />

selbst. Insbesondere dieser Punkt erhitzte die Gemüter, da die Chemie zu<br />

denjenigen Studienfächern gehörte, in denen es den höchsten Anteil an<br />

Studierenden ohne Abitur gabli) . Hatte diese Regelung ursprünglich die<br />

bildungspolitische Funktion gehabt, das aufstiegsmotivierte Wirtschaftsbürgertum<br />

bzw. seine männliche Nachkommenschaft mit einem praxisnahen<br />

Bildungsgang an die Technischen Hochschulen zu locken <strong>und</strong> damit durch<br />

10)<br />

11)<br />

- 52 -<br />

Der 1887 gegründete "Verein Deutscher Chemiker" verstand sich sowohl<br />

als Unternehmer- als auch als Standesorganisation <strong>und</strong> zählte von Anbeginn<br />

"neben Industriellen auch Hochschullehrer <strong>und</strong> angestellte Industriechemiker<br />

zu seinen Mitgliedern". Burchardt 1980, S. 344.<br />

Bereits 1867 wurde die "Deutsche Chemi sche Gesell schaft" al s Kooperationsinstitution<br />

für Universität, Technische Hochschule <strong>und</strong> Industrie<br />

gegründet; sie trat jedoch vornehmlich als "reine wissenschaftliche<br />

Gesellschaft" in Erscheinung. 1946 gingen beide Organisationen in die<br />

"Gesellschaft Deutscher Chemiker" über.<br />

Auf den preußischen Universitäten studierten zwischen 1887/88 <strong>und</strong><br />

1890 von den 1.816 Studenten der philosophischen Fakultät 27,9% ohne<br />

Abitur; zu ihnen zählten hauptsächlich Chemiker, Pharmazeuten, Zahnärzte<br />

<strong>und</strong> Landwirte. Lexis (Hrsg) 1893, S. 127. 1898 hatten 60% der<br />

promovierten Chemiker kein Abitur. Rassow 1912, S. 75f, zit. nach<br />

Burchardt 1980, Anm. 34, S. 334.


Hebung ihres Sozialprestiges ihre wirtschaftlichen Aktivitäten weiter zu<br />

forcieren <strong>und</strong> zu steuern, so sah der VDCh darin nunmehr eine Prestigegefährdung<br />

für die Wissenschaft, für den "Stand" der Chemiker <strong>und</strong> allgemein<br />

für die chemische Industrie. Um dem entgegenzuwirken, forderte der VDCh,<br />

das Abitur zur obligatorischen Zulassungsvoraussetzung für das Chemiestudium<br />

zu machen 12 ).<br />

Diese Forderung wurde mit derjenigen nach Anerkennung der Realgymnasien<br />

<strong>und</strong>Oberrealschulen als gleichberechtigte höhere Schulen neben dem Gymnasium<br />

verknüpft. Die Begründung lautete, daß nur diese Schul formen über<br />

den notwendigen neusprachlichen bzw. mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Bildungsstandard verfügten, der für die berufliche Arbeit des Chemikers<br />

im Ausland bzw. für ein Chemiestudium unverzichtbar sei 13 ).<br />

4.2.2 Der Verein Deutscher Ingenieure<br />

Ähnlich wie das Reforminteresse der Chemiker war auch das der Ingenieure<br />

gekoppelt an den Status ihrer Berufsgruppe. Innerhalb der naturwissenschaftlich-technischen<br />

Berufe hatte sich ihre Berufssituation infolge der<br />

anhaltenden wirtschaftlichen Wachstums störungen in den 70er <strong>und</strong> 80er Jahren<br />

erheblich verschlechtert 14 ); sie war zudem noch einem tiefgreifenden<br />

Struktur- <strong>und</strong> Funktionswandel unterworfen.<br />

Dieser Wandel, der den Ingenieurberuf mehr <strong>und</strong> mehr "vom Funktionsbereich<br />

der Unternehmensleitung <strong>und</strong> -verwaltung" abspaltete "<strong>und</strong> zu einer spezia-<br />

12) Vgl. hierzu die Stellungnahme des Chemieunternehmers Dr. Böttinger<br />

<strong>und</strong> des Chemikers Professor Fischer auf der Schul konferenz im Juni<br />

1900. Juni-Konferenz 1900, S. 36, 188, 197.<br />

13) Vgl. die Stellungnahme von Dr. Böttinger: a.a.O., S. 131.<br />

14) Als ein Indikator für die zunehmend schlechter werdenden Berufsaussichten<br />

können die rückläufigen Studentenzahlen an den Technischen<br />

Hochschulen gewertet werden. Im Zeitraum zwischen 1875/76 <strong>und</strong> 1882/<br />

83 ging ihre Zahl von 2.973 auf 1.321 zurück <strong>und</strong> fing erst Mitte der<br />

80er Jahre wieder an zu steigen. Vgl. Titze 1973, S. 255. Ebenso sank<br />

die Zahl der Abiturienten, die das Studium des Staatsbau- oder Ingenieurfaches<br />

wählten, von 258 im Jahre 1875 auf 146 im Jahre 1885. Erst<br />

1890 begann auch hier wieder ein Anstieg. Vgl. Lexis (Hrsg) 1902, S.<br />

416ff.<br />

- 53 -


•<br />

lisierten, besonderen Tätigkeit innerhalb der Produktion" machte (Güntheroth<br />

(Hrsg) 1972, S. 20), hatte zur Folge, daß die Ingenieure zum<br />

weitaus größten Teil in ein abhängiges, höchst unterschiedlich dotiertes<br />

Angestelltenverhältnis gerieten. Wenngleich sich die Mehrheit der Ingenieure<br />

ihrer beruflichen Deklassierung bewußt war, lehnte sie doch eine<br />

Identifizierung mit anderen Angestelltengruppen oder gar den Arbeitern<br />

ab, da sie sich als eigenständige, durch anspruchsvolle technische Qualifikationen<br />

<strong>und</strong> Aufgaben gekennzeichnete Berufsgrupe verstand (Hortleder<br />

1974, S. 37ff).<br />

Dieses Selbstversätndnis, eine eigene soziale Gruppe zu sein, war mit einem<br />

gesellschaftlichen Führungsanspruch verb<strong>und</strong>en, den die Ingenieure<br />

aus dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt ableiteten <strong>und</strong> als dessen<br />

'Schöpfer' sie sich verstanden. Eine entscheidende Frage war deshalb<br />

für sie, ob die Gesellschaft die von ihnen gesetzten Werte richtig<br />

einschätzte <strong>und</strong> ihre berufliche Leistung als für sie nützlich betrachtete.<br />

Hier traten jedoch für die Ingenieure beträchtliche Zweifel auf, da<br />

sie bei Bewerbungen um Staatsstellen stets auf den "hartnäckigen Widerstand<br />

einer kastenförmig abgeschlossenen Beamtenschaft stießen" (Ludwig<br />

1979, S. 19), die ihnen eine politische <strong>und</strong> soziale Gleichstellung <strong>und</strong><br />

Mitbestimmung verweigerte. Die Geringschätzung, die den Ingenieuren widerfuhr,<br />

versuchten sie dadurch zu kompensieren, daß sie für ihre Berufsausbildung<br />

auch jene 'gesellschaftlich honorierten Bi 1 dungsgüter , beanspruchten,<br />

in deren Namen sie sich gerade mißachtet <strong>und</strong> unterbewertet<br />

fühlten.<br />

Wie ernst es den Ingenieuren mit der Bildungsfrage war, zeigte sich daran,<br />

daß der VDI 1886 einen "Ausschuß zur Prüfung der Schulfrage" einsetzte<br />

<strong>und</strong> "die Angleichung der Allgemeinbildung von Ingenieuren an die<br />

der übrigen akademischen Berufe, möglichst späte berufsspezifische Differenzierung<br />

in den höheren Schulen, praxisnahe Ausbildung <strong>und</strong> schließlich<br />

die Gleichberechtigung aller Arten von höheren Schulen forderte"<br />

(Inhetveen 1976, S. 115).<br />

In der sozialen Motivation <strong>und</strong> Kritik an der Unausgewogenheit der bestehenden<br />

höheren Schulen waren die Reforminteressen des VDI mit denen anderer<br />

gesellschaftlicher Interessengruppen derart eng verknüpft, daß es<br />

- 54 -


dem VOI (in Zusammenarbeit mit anderen Reformkräften 15 )) im Oktober 1888<br />

gelang, eine bis dahin beispiellose Massenpetition an den preußischen Kultusminister<br />

von Goßler <strong>und</strong> den Reichskanzler Bismarck zustande zu bringen,<br />

die von 22.409 Unterschriften unterstützt wurde 16 ). In der Eingabe<br />

nahm der VOI erstmals auch Stellung zum "Oberfüllungsproblem" in den akademischen<br />

Berufen. Um den anschwellenden Bildungsstrom zukünftig besser<br />

steuern zu können, nämlich in Richtung auf ein mittleres Berechtigungsniveau<br />

für die Mehrzahl der über die Volksschulbildung hinausstrebenden Jugend.Jichen,<br />

trat er für eine für alle höheren Schulen verbindliche sechsjährige<br />

Mittelstufe ein, nach der erst die Entscheidung für einen höheren<br />

Abschluß getroffen werden sollte (Eingabe des VOI, a.a.O., S. 946). Konkret<br />

hätte das bedeutet, alle höheren Schulen, auch das humanistische Gymnasium,<br />

in eine "Einheitsschule" mit einer sechsjährigen abgeschlossenen<br />

<strong>und</strong> auf das "praktische Leben" ausgerichteten Unter- <strong>und</strong> Mittelstufe auf<br />

neusprachlich - naturwissenschaftlicher Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> einer naturwissenschaftlich<br />

oder humanistisch akzentuierten Oberstufe umzuwandeln 17 ).<br />

Auch in den folgenden Jahren griff der VOI in die Reformdiskussion ein,<br />

wobei sich seine Angriffe immer wieder gegen das Berechtigungsmonopol des<br />

Gymnasiums richteten. Die inhaltliche Begründung bezog sich dabei primär<br />

auf ökonomische <strong>und</strong> nationale Motive, wobei wiederholt auf die Bedeutung<br />

der Naturwissenschaften für das "Gedeihen" von Wirtschaft, Staat <strong>und</strong> Militär<br />

hingewiesen wurde 18 ) .<br />

Schulpolitisch konnten sich jedoch weder der VOI noch der VOCh durchsetzen,<br />

hätten sie nicht, wie die anderen Interessengruppen <strong>und</strong> Schulreform-<br />

15) Zu ihren aktivsten gehörte das langjährige Mitglied des preußischen<br />

Abgeordnetenhauses, der Nationalliberale Emil von Schenckendorff,<strong>und</strong><br />

der Redakteur der Berliner "Täglichen R<strong>und</strong>schau" Friedrich Lange der<br />

1889 den"Verein für Schulreform" gründete <strong>und</strong> Herausgeber der "Zeitschrift<br />

für die Reform der höheren Schule" war.<br />

16) Zu den Unterzeichnern gehörten u.a. 25 Stadtverwaltungen, 16 Handelskammern,<br />

4.069 Kaufleute, 2.050 Fabrikanten <strong>und</strong> Bankiers, 2.449 Ingenieure,<br />

2.293 Schulmänner <strong>und</strong> 1.473 Ärzte. Eingabe des VOI <strong>und</strong> Vereins<br />

für Schulreform an Kultusminister von Goßler <strong>und</strong> Reichskanzler<br />

Bismarck. In: Zeitschrift des VOI, XXXIII, 13.10.1888, S. 947f.<br />

17) Schulorganisatorisch fand das Modell der "Einheitsschule" seinen Ausdruck<br />

im Schulplan des Goethe-Gymnasiums in Frankfurt/M., dem sog.<br />

"Frankfurter-System". Vgl. Reinhardt 1919.<br />

- 55 -


vereine, in der Industrie <strong>und</strong> im Militär einflußreiche gesellschaftliche<br />

Bündnispartner gef<strong>und</strong>en.<br />

Im Unterschied zur Industrie wurde beim Militär an eine Tradition angeknüpft,<br />

die in die frühen Jahre des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts zurückreichte; denn<br />

entscheidend für die Einführung des Physikunterrichts in das Gymnasium<br />

nach der Niederlage Preußens 1806 gegen Frankreich war das Vorbild der<br />

"Ecole Polytechnique" - ursprünglich eine Vorbereitungsschule vor allem<br />

für den militärischen Dienst -, hatte doch der "Geist des napoleonischen<br />

Offizierskorps ... überall den Wert dieser wissenschaftlichen Ausbildung<br />

gezeigt" (F. Klein 1907, S. 82, zit. nach Bruhn 1980, S. 3f).<br />

4.2.3 Bündnispartner Reformindustrie<br />

Zur "Reformindustrie" sind vor allem die wissenschaftsintensiven Industriebranchen<br />

wie Maschinenbau, elektrotechnische <strong>und</strong> chemische Industrie<br />

zu zählen, deren Produktionsweise in der 2. Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

enorme technische Veränderungen erfahren hatte; sie konnten sich um die Jahr··<br />

h<strong>und</strong>ertwende in Europa an die Spitze setzen.<br />

So war beispielsweise die Metallurgie zu einem Zweig der angewandten Chemie<br />

geworden, was zur Herstellung von neuen Werkstoffen wie Stahllegierungen<br />

<strong>und</strong> Aluminium führte, <strong>und</strong> durch die Produktion von Glas, Papier, Zement,<br />

Gummi <strong>und</strong> Keramik sowie Schwefelsäure <strong>und</strong> Farbstoffen, die erst<br />

durch lange experimentelle Forschung ermöglicht worden war, entstanden in<br />

der Chemie neue Industriezweige. Analoge Prozesse ergaben sich im Maschi-<br />

18) Ein Beleg ist die Eingabe des VDI an den preußischen Kultusminister<br />

vonGoßler vom 10.10.1891. Darin heißt es: "Viel zu wenig ist bei allen<br />

bisherigen Verhandlungen über die Schul frage die Wichtigkeit des<br />

höheren Schulwesens für die gewerblichen Kreise, für die Leistungsfähigkeit<br />

der deutschen Industrie zur Geltung gekommen. Auf dieser<br />

Leistungsfähigkeit beruht aber zum großen Teil Deutschlands Weltgeltung<br />

in Frieden <strong>und</strong> Krieg, zu deren Erhaltung die Industrie die materiellen<br />

Mittel, die Technik, die Waffen <strong>und</strong> Werkzeuge lieferte. Deshalb<br />

ist es Aufgabe der Schulreform, in viel höherem Maße als bisher<br />

durch Pflege der neusprachlichen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen Bildungsmittel<br />

die gewerblichen Kreise der Bevölkerung zu hohen Leistungen zu<br />

befähigen." In: Zeitschrift des VDI, 10.10.1891, S. 1160.<br />

- 56 -


nenbau <strong>und</strong> der Elektrotechnik durch Entwicklungen in der Energiegewinnung<br />

<strong>und</strong> Energieversorgung.<br />

Für diese forschungsintensiven Industriebranchen war die höhere Schule<br />

als Vorbereitungsstätte naturwissenschaftlicher Führungskräfte in ausreichender<br />

Qualität <strong>und</strong> Quantität immer notwendiger geworden 19 ).<br />

Doch weder der naturwissenschaftliche Lehrplan <strong>und</strong> St<strong>und</strong>enanteil an den<br />

Realgymnasien <strong>und</strong> Oberrealschulen noch'der an den traditionellen Gymnasien<br />

schien ausreichend, den entsprechenden Anforderungen <strong>und</strong> Erwartungen der<br />

Wirtschaft gerecht zu werden. Dagegen sprachen nicht nur die eklatanten<br />

Disproportionalitäten in der Anzahl der Gymnasien mit r<strong>und</strong> 70% gegenüber<br />

denen der Realgymnasien mit 25% <strong>und</strong> der Oberrealschulen mit knapp 5% am<br />

Gesamt der höheren Schulen, sondern auch der Umstand, daß ca. 70% aller<br />

Gymnasialabiturienten in die sogenannten Gelehrtenfächer (Theologie, Jura,<br />

Medizin) eintraten. Angesichts dieses krassen Mißverhältnisses schaltete<br />

sich die Industrie wiederholt in die Diskussion über die Gestaltung des<br />

höheren Schulwesens <strong>und</strong> die Reform des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s<br />

ein, um auf ihr Interesse aufmerksam zu machen.<br />

Deutlich dokumentierte sie ihre Anliegen auf der Schul konferenz von 1890<br />

<strong>und</strong> 1900, auf der die Vertreter der Industrie 20 ) immer wieder auf die enge<br />

Beziehung zwischen wirtschaftlichen <strong>und</strong> beruflichen Anforderungen an<br />

schulische Leistung <strong>und</strong> naturwissenschaftliche Bildung hinwiesen 21 ).<br />

19)<br />

20)<br />

Ein Beleg hierfür sind die Berufszählungen im Deutschen Reich, die<br />

um die Jahrh<strong>und</strong>ertwende eine relativ starke Intelligenzlastigkeit der<br />

Berufsstruktur in diesen Industriebranchen aufwiesen. Hiernach gehörten<br />

die chemische Industrie mit 5% <strong>und</strong> die Maschinenbauindustrie mit<br />

4,7% zu den Zweigen mit dem größten Anteil an Naturwissenschaftlern<br />

unter den Beschäftigten. Vgl. Neuhaus 1926, S. 360-459 . Die Entwicklung<br />

des akademischen Personals in den drei Firmen BASF, HOECHST <strong>und</strong><br />

BAYER - den Monopolen der chemischen Industrie - läßt zudem erkennen,<br />

daß "das Wachstum des akademischen Personals in der Industrie größer<br />

(war) als das der Gesamtbeschäftigten <strong>und</strong> des Lehrpersonals an den<br />

deutschen Hochschulen" (Pfetsch 1974, S. 159).<br />

Als Vertreter der Industrie nahmen an der Schul konferenz von 1890<br />

teil: der Direktor der Berliner Maschinenbau-AG Kaselowsky, der Bergwerksindustrielle<br />

Graf Douglas <strong>und</strong> der Fabrikbesitzer Frowein; auf<br />

der Schul konferenz von 1900 der Chemieunternehmer <strong>und</strong> Abgeordnete des<br />

preußischen Landtages Dr. Böttinger.<br />

- 57 -


•<br />

Die Reformabsichten der Industrie zielten in erster Linie auf die Gleichstellung<br />

der drei allgemeinbildenden höheren Lehranstalten <strong>und</strong> die Bereitstellung<br />

eines erheblich erweiterten naturwissenschaftlichen Bildungsangebotes<br />

nicht nur in der Oberrealschule, sondern auch im Gymnasium. Auch eine<br />

Reform der <strong>Unterricht</strong>smethode wurde gefordert, <strong>und</strong> die Methoden der Naturwissenschaften<br />

wurden zum fächerübergreifenden Prinzip erhoben 22 ).<br />

Ihre Reformabsichten verknüpfte die Industrie nicht nur mit dem Ziel einer<br />

intensiveren naturwissenschaftlichen Vorbildung ihres wissenschaftlichtechnischen<br />

Führungsnachwuchses, sondern zugleich mit massenwirksamer<br />

Propaganda <strong>und</strong> gezielter öffentlichkeitsarbeit, um sich im Zusammenspiel<br />

mit der so mobilisierten öffentlichen Meinung als neuer wirtschaftlicher<br />

Förderer <strong>und</strong> Garant der deutschen Weltmachtstellung zu empfehlen (Wehler<br />

19BO, S. 90ff).<br />

4.2.4 Bündnispartner Reformmilitär<br />

Von dieser Position aus griff Ende des Jahrh<strong>und</strong>erts auch das Militär, vor<br />

allem die im Zuge der militärischen Sicherung ausländischer Rohstoff- <strong>und</strong><br />

Absatzmärkte nationalpolitisch immer bedeutsamer werdende Marine, in die<br />

Schulreformdiskussion ein. Die Marine, die im Unterschied zum Heer, das<br />

sein Offizierkorps fast ausschließlich aus dem Adel rekrutierte, mehr <strong>und</strong><br />

mehr auch den bürgerlichen Kreisen den Eintritt in die Offizierslaufbahn<br />

öffnete, zielte mit ihrem schul- <strong>und</strong> bildungspolitischen Reforminteresse<br />

in zwei Richtungen: zum einen auf die Wehrerziehung als Vorbereitung potentieller<br />

Expansionskriege <strong>und</strong> zum anderen auf eine Angleichung der Offizierslaufbahn<br />

an die veränderten Bedingungen der fortgeschrittenen Waffentechnik<br />

<strong>und</strong> der militärischen Aufgabenstellungen (Major Fleck, Dezember-Konferenz<br />

1890, S. 226f).<br />

21) Siehe hierzu die Stellungnahme von Kaselowsky, Dezember-Konferenz<br />

1890, S. 342ff <strong>und</strong> die Stellungnahme von Dr. Böttinger, Juni-Konferenz<br />

1900, S. 36 <strong>und</strong> S. 96.<br />

22) "Die Selbständigkeit des Schülers ist dadurch zu steigern, daß ihn<br />

der Lehrer die Tatsachen der Wissenschaft selbst finden läßt, soweit<br />

dies durch Nachdenken möglich ist. Der systematische Lehrervortrag<br />

ist zu vermeiden" (H. Göring, Dezember-Konferenz 1890, S. 44):<br />

- 58 -


Inhaltlich ging es der Marine, die ihren Offiziersnachwuchs außer aus den<br />

Kadettenanstalten auch aus den allgemeinbildenden Schulen bezog, vor allem<br />

um die Verstärkung des neusprachlichen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s<br />

23 ) <strong>und</strong> strukturell um die Gleichberechtigung der drei allgemeinbildenden<br />

höheren Lehranstalten, weil sie die Zulassung ihrer realgymnasial<br />

ausgebildeten Kadettenkorpsabsolventen zum Medizin- <strong>und</strong> Jurastudium sowie<br />

einen anerkannten realistischen Bildungsgang für ihren Offiziersnachwuchs<br />

anstrebte.<br />

Gezielt zog dabei die Marine die Lehrerschaft der Realgymnasien <strong>und</strong> Oberrealschulen<br />

zur Massenpropaganda heran, da sich in ihnen "moderner Realismus<br />

<strong>und</strong> humanitärer Bildungsstolz, Massenagitation <strong>und</strong> aristokratische Exklusivität"<br />

vereinte (Kehr 1930, S. 106).<br />

Die Einflußnahme beschränkte sich dabei nicht nur auf die administrative<br />

Ebene, indem das Reichsmarineamt den einzelnen Schulverwaltungen Empfehlungen<br />

gab, wie die Schüler über Deutschlands Seegeltung aufzuklären seien<br />

(a.a.O., S. 107), sondern man bemühte sich auch um einen noch unmittelbareren<br />

Eingriff in die Schule mit Hilfe der "Flottenprofessoren,,24).<br />

Diese hielten in den Schulen Vorträge über "Panzerschiffe" <strong>und</strong> "Kreuzerschlachten"<br />

<strong>und</strong> über die neuesten militärisch-technischen Errungenschaften,<br />

die stets gespickt waren mit volkswirtschaftlichen Informationen <strong>und</strong><br />

nationalen Belehrungen. Darüber hinaus erschienen vom Reichsmarineamt Empfehlungen<br />

<strong>und</strong> Bücher für den <strong>Unterricht</strong>, in denen gezielt für die Flottenpolitik<br />

der Regierung bei der jungen Generation geworben wurde (Kehr<br />

1930) 25) . Außerdem schuf man sich mi t dem" Ausschuß für Förderung der Wehrkraft-<br />

23) Das Reichsmarineamt betonte die besondere Bedeutung der modernen<br />

Fremdsprachen (<strong>und</strong> der Naturwissenschaften), da sie zum Studium fremder<br />

Kriegsmittel unerläßlich seien. Zum anderen habe das Studium der<br />

Fremdsprachen den Zweck, "den Soldaten, den Offizier die Sprache des<br />

Landes zu lehren, in welchem sich voraussichtlich ein Krieg abspielen<br />

wird" (Abteilungsvorsteher Truppel vom Reichsmarineamt, Juni-Konferenz<br />

1900, S. 227).<br />

24) Die "Flottenprofessoren" waren Mitglieder des "Deutschen Flottenvereins"<br />

(1898-1934), der mit seiner Flottenpropaganda das Reichsmarineamt<br />

beim Aufbau der Schlachtflotte unterstützte (Wehler 1980, S.<br />

165ff).<br />

- 59 -


durch Erziehung"(1899-1904) auch eine organisatorische Instanz der Einflußnahme,<br />

deren Mitglieder für die Reform der Oberrealschule auf der Schulkonferenz<br />

von 1900 votierten. An der Spitze dieses Ausschusses standen der<br />

Leiter des Kadettenkorpswesens, General vonSchenckendorff, Kriegsminister<br />

von Goßler, Realschuldirektor Lorenz, Oberrealschuldirektor Kohlrausch,<br />

Georg Kerschensteiner <strong>und</strong> ferner zahlreiche Generäle <strong>und</strong> Oberrealschullehrer<br />

(Lorenz, Schenckendorff 1905).<br />

Als Reaktion auf die Reforminitiativen der Schulreformvereine, die im Bündnis<br />

mit der Reformindustrie <strong>und</strong> dem Reformrnilitär verstärkten Druck auf<br />

die <strong>Unterricht</strong>sverwaltung ausübten, bahnte sich Ende der 90er Jahre innerhalb<br />

der Bürokratie schließlich ein allmählicher Umschwung in der Frage<br />

der Gleichberechtigung der drei höheren Schulen an 26 ).<br />

Doch auch innerhalb der Interessenvertreter des humanistischen Gymnasiums<br />

kam es zu einem Einlenkprozeß. Die Gymnasialanhänger hatten zunehmend erkannt,<br />

daß die konsequente Realisierung eines sozialen Klassenschulsystems<br />

für die akademisch vorgebildeten Beamtengruppen <strong>und</strong> Freiberufe Nachteile<br />

mit sich bringen würde (D.K. Müller 1977, S. 293). Die Altphilologen hätten<br />

bei einem 'Einheitsgymnasium' auf die Vorrangstellung ihrer Fächer<br />

verzichten müssen, <strong>und</strong> bei Reduzierung der bestehenden Oberstufen wäre<br />

zudem unvermeidbar gewesen, daß auch die höheren Besoldungsgruppen verringert<br />

worden wären. Außerdem hätte die 'Einheitsschule' bedeutet, daß<br />

die Kinder der Akademiker "in einen Schul komplex mit Kindern der unteren<br />

Beamtenkategorien <strong>und</strong> des gewerblichen Bürgertums um die Qualifikation<br />

für die limitierten sozialen Positionen hätten konkurrieren" müssen<br />

(ebenda).<br />

Die Zustimmung der Gymnasialvertreter zu der formalrechtlich vollen<br />

Gleichberechtigung aller neunjährigen höheren Lehranstalten auf der<br />

25) Siehe auch Koch, Bork 1901. Dieses vom Reichsmarineamt initiierte<br />

Lesebuch mit ausschließlich see- <strong>und</strong> marinebezogenen Themen ist ein<br />

Musterbeispiel militärischer Propaganda.<br />

26) Mitentscheidend hierfür dürfte auch gewesen sein, daß der für Reformen<br />

aufgeschlossene Friedrich Althoff 1897 die Abteilung für die höheren<br />

Schulen im Kultusministerium übernahm. Zur Person Althoffs <strong>und</strong><br />

seiner Politik siehe Paulsen 1921, S. 700ff.<br />

- 60 -


Schul kOnferenz von 1900 vollzog sich somit nicht zuletzt aus Eigeninteresse,<br />

"um die reale Privilegierung durch Gymnasialberechtigungen fortzusetzen,<br />

die Berufswahlperspektiven für Kinder nichtgymnasialorientierter<br />

Eltern zu begrenzen, das bestehende Stellenangebot für akademische<br />

Lehrergruppen zu erhalten <strong>und</strong> die Altsprachendominanz des Gymnasiallehrplans<br />

<strong>und</strong> damit die Funktion der Philologie für die Sozialisation der höheren<br />

Beamten zu garantieren" (ebenda) .<br />

- 61 -


5. Zur Berufssituation der mathematisch-naturwissenschaftlichen Lehrer an den<br />

höheren Schulen<br />

Die interessenpolitische Funktionalisierung des Realgymnasiums <strong>und</strong> der<br />

Oberrealschule wäre wohl nicht zu realisieren gewesen ohne die Beteiligung<br />

der mathematisch-naturwissenschaftlichen Lehrer. Ihr Reforminteresse<br />

<strong>und</strong> -engagement war - ähnlich wie das der Chemiker <strong>und</strong> Ingenieure - berufs-<br />

d.h. statuspolitisch motiviert. Als relativ junge akademisch gebildete<br />

Fachlehrergruppe, deren Zahl durch die zahlreichen Neugründungen der<br />

höheren Realschulen in den 70er <strong>und</strong> 80er Jahren ständig zugenommen hatte,<br />

war ihr berufliches Ansehen - infolge des früheren Status' der Realschule<br />

mit ihrem Fachschulcharakter - vorab 'negativ' geprägt. Die hierarchische<br />

Statusdifferenzierung innerhalb des höheren Lehrerstandes hatte jedoch<br />

ihre Wurzeln nicht nur in der Struktur des höheren Realschulwesens mit<br />

seinen ungleichen Berechtigungen der Schul abschlüsse <strong>und</strong> der traditionellen<br />

Vorrangstellung des altsprachlichen Gymnasiums, sondern erklärt sich<br />

auch aus den differenzierten Lehrbefugnissen <strong>und</strong> Angestelltenverhältnissen<br />

der mathematisch-naturwissenschaftlichen Lehrer gegenüber den Philologen.<br />

Die Gr<strong>und</strong>lage der differenzierten Lehrbefugnisse bildete die am 12. Juli<br />

1810 eingeführte Lehramtsprüfung "pro facultate docendi" <strong>und</strong> das diese<br />

Prüfungsordnung ergänzende Reglement vom 20. April 1831. Hiernach konnten<br />

unterschiedliche Lehrbefugnisse erworben werden für die Unter-, Mittel<strong>und</strong><br />

Oberstufe der höheren Schule.<br />

Während das Edikt von 1810 für die Kandidaten des höheren Lehramtes eine<br />

Prüfung vorsah, die gleichgewichtig auf philosophische, historische <strong>und</strong><br />

mathematische Kenntnisse gerichtet war, wurden im Reglement von 1831 für<br />

die Prüfung "pro facultate docendi" drei Hauptgebiete genannt, eines davon<br />

war erstmals "Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften". Dem Kandidaten wurde<br />

zum einen die schwerpunktmäßige Wahl eines Hauptgebietes, zum anderen<br />

auch innerhalb von Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften die Spezialisierung<br />

- 62 -


auf eines dieser bei den Gebiete zugestanden. Hiervon ausgenommen waren nur<br />

die Kandidaten, die an den Realschulen Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften.<br />

zu unterrichten vorhatten. Diese konnten die Prüfung in Griechisch <strong>und</strong> Hebräisch<br />

ganz ablehnen <strong>und</strong> eine der schriftlichen Prüfungsarbeiten statt<br />

in lateinischer in französischer Sprache abfassen (Grosse 1910, S. 26ff).<br />

Obgleich die Prüfungsordnung schon eine gewisse Schwerpunktbildung der<br />

Prüfungsfächer nach Fachgebieten vorsah, stand doch letztlich für die<br />

"pro, facultate docendi"-geprüften Lehramtskandidaten mit den Hauptfächern<br />

Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften noch eine auf alle Gegenstände des Gymmasiums<br />

bezogene Ausbildung im Vordergr<strong>und</strong>, da von allen Kandidaten gr<strong>und</strong>legende<br />

Kenntnisse sämtlicher <strong>Unterricht</strong>sfächer des Gymnasiums verlangt<br />

wurden.<br />

Ein Wandel in diesem Verhältnis bahnte sich an, als sich um die Jahrh<strong>und</strong>ertmitte<br />

der mathematisch-naturwissenschaftliche Forschungsbetrieb an den<br />

Universitäten (<strong>und</strong> Technischen Hochschulen) allmählich zu institutionali­<br />

sieren begann.<br />

Im Gegensatz zu den (alt-)philologis.chen Seminaren, die ursprünglich eingerichtet<br />

worden waren, um eine gr<strong>und</strong>legende allgemeine Vorbildung für den<br />

Lehrerberuf zu gewährleisten 1 ). waren die mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Seminare an den Universitäten von vornherein dazu bestimmt 2 ), "daß<br />

sie die Lehrer für die Naturwissenschaften an höheren Schulen zu bilden<br />

<strong>und</strong> die naturwissenschaftlichen Studien überhaupt zu fördern hätten"<br />

(Paulsen 1921, S. 274)3). Die primär an der naturwissenschaftlichen Forschung<br />

ausgerichteten Ausbildungsseminare, die sich infolge der Intensivierung<br />

der naturwissenschaftlichen Forschung in den 40er <strong>und</strong> 50er Jahren<br />

zu Instituten <strong>und</strong> Laboratorien entwickelten 4 ), lösten eine Entwicklung<br />

1) Nach Ansätzen bei Gesner in Göttingen (bis 1761) <strong>und</strong> Heyne (seit 1763)<br />

wurde das (al t-) phil 01 ogi sc he Semi nar 1787 von Wolf in Halle <strong>und</strong> 1812<br />

von Boeckh in Berlin eingerichtet. Weitere Seminargründungen folgten<br />

1819 in Bonn, 1822 in Greifswald <strong>und</strong> Königsberg <strong>und</strong> 1829 in Halle.<br />

2) Entsprechende Seminare wurden 1825 in Bonn, 1834 in Königsberg, 1837<br />

in Halle, 1850 in Göttingen <strong>und</strong> 1860 in Berlin gegründet. Zur weiteren<br />

Entwicklung siehe: Lorey 1916, S. 111ff.<br />

- 63 -


aus, in deren Folge sich nicht nur die ursprüngliche institutionelle Einheit<br />

der philosophischen Fakultät aufzulösen begann, sondern es bildete<br />

sich auch eine tiefe Kluft zwischen der philosophisch-historischen Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> dem Wissenschaftsverständnis der Naturwissenschaften.<br />

Für die naturwissenschaftliche Lehrerausbildung bedeutete das, daß der<br />

Allgemeinbildungsanspruch der bisherigen 'Gelehrtenbildung' zurückgedrängt<br />

wurde <strong>und</strong> sich die Lehrer der Naturwissenschaften im Zuge der fachlichen<br />

Spezialisierung immer stärker als "Fach-Gelehrte" verstanden. Die<br />

zunehmende Identifikation der naturwissenschaftlichen Lehrerschaft mit<br />

der fachwissenschaftlichen Kompetenz geriet daher in Konflikt mit den<br />

allgemeinbildenden Zielsetzungen <strong>und</strong> Anforderungen der bestehenden Prüfungsordnung;<br />

man forderte folglich eine stärker auf Fachschwerpunkte<br />

ausgerichtete Prüfungsordnung (vgl. Lorey 1911).<br />

Eine Neufassung der Prüfungsordnung erfolgte schließlich am 12. Dezember<br />

1866. Wenngleich diese erneut am Allgemeinbildungsanspruch festhielt 5 ),<br />

wurde doch erstmals die Prüfung nach vier Fachgruppen geordnet: Die "facultas<br />

docendi" konnte entweder im philosophisch-historischen oder im<br />

mathematisch-naturwissenschaftlichen Fach, in Religion <strong>und</strong> Hebräisch oder<br />

in den neueren Sprachen erworben werden (Wiese 1875, S. 68, zit.nach Göllnitz<br />

1920, S. 58).<br />

Zusätzlich zu dem durch den Ausbau des höheren Realschulwesens bedingten<br />

(Neu-)Bedarf an Fachlehrkräften 6 ), der wegen der mangelnden Staatsfinan-<br />

3) Eine praktisch-didaktische <strong>und</strong> unterrichtsfachbezogene Ausbildung fand<br />

an diesen Seminaren so gut wie nicht statt. Zum Erwerb der Lehrbefähigung<br />

diente lediglich das 1826 eingeführte Probejahr, das nach dem<br />

Examen an einer höheren Schule absolviert werden mußte. Erst 1890 wurde<br />

dem Probejahr das sog. Seminarjahr vorgeschaltet <strong>und</strong> 1917 die 2.<br />

Pädagogische Prüfung eingeführt.<br />

4) Wegweiser für die Entwicklung naturwissenschaftlicher Universitätsinstitute<br />

war das 1825 von Liebig in Gießen geschaffene Laboratorium.<br />

Weitere Laboratorien wurden 1840 in Marburg von Bunsen, 1842 in Göttingen<br />

von Wöhler, 1843 in Leipzig von Erdmann <strong>und</strong> 1853 in Breislau,<br />

Greifswald, Heidelberg <strong>und</strong> Königsberg eingerichtet.<br />

5) Zum Nachweis der allgemeinen Bildung mußten in einer Prüfung von jedem<br />

Kandidaten Kenntnisse in den Fächern Religion, Philosophie, Pädagogik,<br />

Geschichte, Geographie, Latein <strong>und</strong> Französisch erbracht werden.<br />

- 64


•<br />

Durch die Abgrenzung der Lehrbefähigung, in der zusätzlich nach Haupt<strong>und</strong><br />

Nebenfächern unterschieden worden war, wurde das Prinzip der fachlichen<br />

Spezialisierung ebenso unterstrichen wie durch die Bestimmung,<br />

daß die geforderten beiden Hauptfächer <strong>und</strong> ein Nebenfach sich nur auf<br />

sachlich verwandte Fächer erstrecken sollten. Daß damit eine Erhöhung<br />

der Qualifikationsanforderungen verb<strong>und</strong>en war, zeigte sich zum einen darin,<br />

daß im Gegensatz zu früher in stärkerem Maße Anwendungen <strong>und</strong> Kenntnisse<br />

aus technischen Bereichen der Naturwissenschaften verlangt wurden,<br />

<strong>und</strong> zum anderen im Wegfall des Zeugnisses 3. Grades. Unterschieden wurde<br />

nur noch zwischen dem "Oberlehrerzeugnis" für die Lehrbefähigung in zwei<br />

Hauptfächern für alle Klassen <strong>und</strong> zwei Nebenfächern für mittlere Klassen<br />

auf der einen <strong>und</strong> dem "Lehrerzeugnis" auf der anderen Seite, das die Lehrbefähigung<br />

in drei Fächern für die mittleren <strong>und</strong> in einem weiteren Fach<br />

für die unteren Klassen umfaßte. Diese Regelung lag nicht nur im Interesse<br />

der Naturwissenschaftsvertreter an den Universitäten <strong>und</strong> Hochschulen,<br />

die, um den akademischen Charakter der Lehrerprüfung bemüht, das Zeugnis<br />

3. Grades aufgr<strong>und</strong> seines mangelnden wissenschaftlichen Niveaus ablehnten,<br />

sondern sie entsprach ebenso den Forderungen der naturwissenschaftlichen<br />

Lehrer, die im Zustrom von angestellten Lehrern, die nur die Lehrbefähigung<br />

3. Grades besaßen, eine zusätzliche Beeinträchtigung des Ansehens<br />

ihres Standes sahen.<br />

Die Prüfungsordnung von 1887 bedeutete für die Mathematik- <strong>und</strong> Naturwissenschaftslehrer<br />

zwar einen wichtigen Schritt zur Statusanhebung ihrer Ausbildung<br />

<strong>und</strong> damit zu ihrer fachlichen Professionalisierung, doch die erstrebte<br />

berufliche Gleichstellung war insofern noch nicht erreicht, als<br />

die Anstellungsverhältnisse der Naturwissenschaftslehrer zu unterschiedlich<br />

praktiziert wurden: Diskrepanzen zeigten sich einerseits zwischen den<br />

kommunalen <strong>und</strong> den staatlichen Stellenetats <strong>und</strong> andererseits je nach Anstellung<br />

in Schulen mit höheren oder geringeren Abschlußmöglichkeiten <strong>und</strong><br />

Berechtigungen. In der Besoldung traten dadurch nicht selten erhebliche<br />

Unterschiede auf. "Im Extremfall wurde ... ein akademisch gebildeter Lehrer,<br />

der auf einem städtischen Realgymnasium unterrichtete, geringer besoldet<br />

als jener mit gleicher Ausbildung auf dem staatlichen Gymnasium<br />

(S.F. Müller 1977 (b), S. 242). In diesem Zusammenhang war bedeutsam, daß<br />

die Anstellung der akademisch gebildeten Mathematik- <strong>und</strong> Naturwissenschaftslehrer<br />

in der überwiegenden Mehrzahl auf die Realanstalten be-<br />

- 66 -


schränkt blieb 9 ), während sie an den Gymnasien, aufgr<strong>und</strong> des geringen<br />

naturwissenschaftlichen St<strong>und</strong>enanteils im Lehrplan, nur in wenigen Fällen<br />

erfolgte lO ). Hier waren die "pro facultate docendi "-geprüften Lehrer<br />

in erster Linie Philologen, die neben Latein <strong>und</strong> Griechisch häufig auch<br />

den mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong> mit übernahmen,<br />

wobei letzterer oft nur ein Anhängsel des Mathematikunterrichts<br />

warlI) . Nicht selten wurde dieser <strong>Unterricht</strong> sogar Männern übertragen,<br />

"die gar keine Lehramtsprüfung abgelegt hatten <strong>und</strong> ganz außerhalb des<br />

Lehrerkollegiums standen, Apothekern, Kalkulatoren (oder) Offizieren"<br />

(Pahl 1913, S. 280).<br />

Sofern überhaupt Mathematik- <strong>und</strong> Naturwissenschaftslehrer am Gymnasium<br />

angestellt waren, galten sie nicht als vollwertige 'Philologen', was sich<br />

darin ausdrückte, daß sie von der Führung des Titels "Oberlehrer,,12), der<br />

ausschließlich für Klassenlehrer bestimmt war; ausgeschlossen wurden.<br />

Statt dieses Titels wurde ihnen der des "Mathematicus" zuerkannt 13 ). Da<br />

aber das Amt des Klassenlehrers auch notwendige Vorbedingung für das Direktorenamt<br />

sein sollte, hatte das zur Folge, daß Mathematik- <strong>und</strong> Naturwissenschaftslehrer<br />

vom Amt des Direktors ausgeschlossen blieben. Diese<br />

restriktive Normierung der beruflichen Laufbahn der Mathematik- <strong>und</strong> Naturwissenschaftslehrer<br />

wurde zudem dadurch belastet, "daß die unmittel-<br />

9) In der ersten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts waren dies die städtischen<br />

Realschulen <strong>und</strong> Provinzial-Gewerbeschulen sowie die höheren Bürgerschulen<br />

<strong>und</strong> später das Realprogymnasium, das Progymnasium, das Realgymnasium<br />

<strong>und</strong> die Oberrealschule.<br />

10) Für das humanistische Gymnasium sahen erstmals die Süvernschen Lehrpläne<br />

von 1816 2 St<strong>und</strong>en Naturwissenschafen für jede Klasse vor. In<br />

die Wirklichkeit umgesetzt wurde dieser Lehrplan jedoch nie. Der St<strong>und</strong>enanteil<br />

des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s war sogar in den<br />

folgenden Jahrzehnten wieder rückläufig (Lehrplan 1837 16 St<strong>und</strong>en) <strong>und</strong><br />

erreichte infolge der Stabilisierung der Realschulen 1856 mit 14 St<strong>und</strong>en<br />

seinen Tiefpunkt.<br />

11) 1856 wurden sogar die Fächer Physik <strong>und</strong> Naturbeschreibung aus der Reifeprüfung<br />

des Gymnasiums entfernt.<br />

12) Ministerialverfügung vom 24. Oktober 1837.<br />

13) Ministerialverfügung vom 27. Februar 1838. Das Ministerium behielt sich<br />

außerdem vor, "ausgezeichneten Lehrern der Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften,<br />

die sich durch namhafte wissenschaftliche Leistungen vorteilhaft<br />

bekannt gemacht <strong>und</strong> während längerer Zeit in ihrem Fache mit einem<br />

besonderen glücklichen Erfolge gelehrt haben, zu ihrer Aufmunterung das<br />

Prädikat Professor beizulegen" (Grosse 1910, S. 32).<br />

- 67 -


aren Vorgesetzten an 88 Prozent der Gymnasien (238 unter 272 Direktoren)<br />

<strong>und</strong> 57 Prozent sämtlicher höherer Lehranstalten (299 unter 528) selber Altphilologen<br />

waren"; die Direktoren hatten alle wesentlichen schulischen Entscheidungskompetenzen,<br />

die "bis in die zentralen Elemente der Berufsrolle"<br />

der Oberlehrer hineinreichten (Titze 1977, S. 12)14). Es lag nicht nur in<br />

ihrem Ermessen, Entscheidungen zu treffen über Anstaltsverweisungen von<br />

Schülern, die Verteilung von Stipendien, sondern ,auch über Anschaffungen<br />

für Bibliotheken <strong>und</strong> Sammlungen, über Fragen der Methodik einzelner Schulfächer<br />

<strong>und</strong> die Aufstellung von Lehrplänen. Es liegt nahe, daß den Forderungen<br />

der Mathematik- <strong>und</strong> Naturwissenschaftslehrer nach Anerkennung <strong>und</strong><br />

Gleichberechtigung von der Mehrzahl der Direktoren nur wenig Wohlwollen<br />

entgegengebracht worden ist <strong>und</strong> sich dadurch die bereits bestehenden statuspolitisch<br />

motivierten Spannungen innerhalb des Lehrerkollegiums zwischen<br />

den Altphilologen einerseits <strong>und</strong> den Mathematikern <strong>und</strong> Naturwissenschaftlern<br />

(<strong>und</strong> Neuphilologen) andererseits zusätzlich verschärfen mußten.<br />

Einen Ausgleich dieser Spannungen versuchten die Mathematik- <strong>und</strong> Naturwissenschaftslehrer<br />

dadurch zu bewirken, daß sie Begründungsversuche unternahmen,<br />

die stets den Bildungswert der Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften neben<br />

dem der alten Sprachen als gleichwertig auswiesen, wobei sie gleichzeitig<br />

die Möglichkeit einer Diskussion über die gesellschaftliche Bedeutung<br />

des mathematisch-naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s <strong>und</strong> ihres Lehrerstandes<br />

suchten.<br />

Wenngleich sie sich für diese Diskussion Publikationsorgane geschaffen<br />

hatten, wie beispielsweise die 1869 gegründete "Zeitschrift für den mathematischen<br />

<strong>und</strong> naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>", die sich als "Organ<br />

für Methodik, Bildungsgehalt <strong>und</strong> Organisation der exaktwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>sfächer an Gymnasien, Realschulen, Lehrerseminaren <strong>und</strong><br />

gehobenen Bürgerschulen" verstand, oder die 1887 gegründete "Zeitschrift<br />

für den physikalischen <strong>und</strong> chemischen <strong>Unterricht</strong>", so fehlte den Mathematik-<br />

<strong>und</strong> Naturwissenschaftslehrern eine gemeinsame Organisationsform, die<br />

es ihnen ermöglichte, ihre Forderungen <strong>und</strong> Interessen als Berufsgruppe -<br />

14) Verbandspolitisch drückte sich das darin aus, daß sich die Direktoren<br />

nicht der Standesorganisation der Philologen, dem Philologenverband,<br />

anschlossen, sondern sich in der "Direktorenkonferenz" statusmäßig<br />

organisierten.<br />

- 68 -


über die Fachkreise hinaus -öffentlichkeitswirksam vertreten zu können.<br />

Die Gründung einer Berufsorganisation wurde wesentlich mitbeeinf1ußt durch<br />

die sogenannte Oberfüllungskrise der akademischen Berufe, von der die Mathematik-<br />

<strong>und</strong> Naturwissenschaftslehrer besonders betroffen waren.<br />

Hatte durch die beschleunigte Expansion des höheren Realschulwesens (Schulneugründungen<br />

<strong>und</strong> Umwandlung teilberechtigter in vollberechtigte Anstalten)<br />

in den 60er <strong>und</strong> frühen 70er Jahren ein ständiger Mangel an Lehrpersonal<br />

bestanden, so war dieser info1ge der seit Mitte der 70er Jahre ansteigenden<br />

Zahl examinierter Mathematik- <strong>und</strong> Naturwissenschaftsstudenten<br />

in der ersten Hälfte der 80er Jahre ausgeglichen (vg1. Titze 1982, S.<br />

187ff). Bedingt durch die restriktive Anstellungspolitik der preußischen<br />

Bürokratie machte sich jedoch schon Mitte der 80er Jahre ein Oberangebot<br />

an anstellungsfähigen mathematisch-naturwissenschaftlichen Lehramtskandidaten<br />

mit "facu1tas docendi" bemerkbar 15 ), die, sofern sie nicht arbeitslos<br />

waren, unter- oder teilbesoldet auf ihre Anstellung im Staatsdienst<br />

warteten 16 ) oder - unter ihrer Qualifikation - als Hilfslehrer oder für<br />

einen bestimmten Zeitraum als Aushilfslehrer beschäftigt waren.<br />

Oberschattet wurde diese berufliche Krisensituation gleichzeitig von einer<br />

Entwicklung, die eine sinkende Teilhabe der mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Lehrerschaft am wissenschaftlichen Leben deutlich machteJ<strong>und</strong><br />

dies, obwohl die Zahl ihrer Berufsangehörigen ständig gestiegen war. Dies<br />

15) 1887 können 941 Mathematiker <strong>und</strong> Naturwissenschaftler <strong>und</strong> 893 klassische<br />

Philologen keine Anstellung finden (Titze 1973, S. 258). Diese<br />

von Kultusminister von Goß1er am 7.3.1888 im preußischen Abgeordnetenhaus<br />

genannten Zahlen waren sicher zu hoch gegriffen. Es liegt<br />

nahe, daß sie sowohl "subjektiv wie objektiv" bildungssteuernde Funktion<br />

hatten, "bilden sich doch auf der Basis solcher Zahlen öffentliche<br />

Meinungen zu Phänomenen des Akademikerproletariats <strong>und</strong> - in<br />

unserem Zusammenhang wichtiger - veränderte Berufswünsche" (Inhetveen<br />

1976, S. 120 (Anm.2)). Vg1. auch Krumme 1890, S. 144ff. Ende der 80er<br />

Jahre setzte auch tatsächlich ein Umschwung ein, der zu einem enormen<br />

Rückgang der Zahl der Lehramtskandidaten führte. "Erst Mitte der<br />

90er Jahre steigt die Zahl der Studenten <strong>und</strong> - zeitlich entsprechend<br />

versetzt - die Zahl der Examinierten für das höhere Lehramt rapide an"<br />

(Inhetveen 1976, S. 120 (Anm. 2)).<br />

16) Die Wartezeiten für den gesamten Oberlehrerstand zeigten, daß "jeder<br />

zweite bis zu vier Jahren, jeder dritte länger als vier Jahre auf seine<br />

definitive Anstellung (hatte) warten müssen" (Titze 1977, S. 124).<br />

- 69 -


6. Der »Verein zur Förderung des mathematischen <strong>und</strong><br />

naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s« (Förderverein)<br />

6.1 Die Ziele des Fördervereins<br />

Maßgeblichen Anteil an der Gründung des Vereins hatte J.C.V. Hoffmann,<br />

der Begründer <strong>und</strong> Herausgeber der "Zeitschrift für mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>", der die in Fachkreisen schon seit längerem<br />

diskutierte Frage eines Zusammenschlusses aufgriff <strong>und</strong> in seiner<br />

Zeitschrift 1890 einen "Aufruf zu einem Kongreß der Lehrer der Mathematik<br />

<strong>und</strong> Naturwissenschaften an höheren Schulen Deutschlands" veröffentlichte.<br />

Zentrales Thema dieses Aufrufes waren folgende Fragen:<br />

"1. Welche Stellung haben bei der Neuordnung des höheren Schulwesens die<br />

Mathematik <strong>und</strong> die Naturwissenschaften einzunehmen? (Lehrplan)" <strong>und</strong><br />

"2. Zu welcher Stellung bzw. Würde innerhalb des Lehrkörpers ist nach der<br />

Geltung ihres Faches <strong>und</strong> dem Ansehen die genannte Lehrergattung berechtigt?"<br />

(Lorey 1938, S. 9)<br />

In der Einladung zu diesem Kongreß im September 1890 wurden darüber hinaus<br />

u.a. folgende Fragen zur Diskussion gestellt:<br />

"1, Sind die geltenden Lehrpläne für den mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong> an höheren Lehranstalten ausreichend oder bedürfen<br />

sie einer angemessenen Erweiterung?<br />

2. Wie ist die pädagogische Ausbildung für die Lehrer der Mathematik <strong>und</strong><br />

Naturwissenschaften zu gestalten?" (a.a.O., S. 11).<br />

Der Kongreß, der diese Fragen erörterte, beschloß schließlich die Gründung<br />

eines Vereins <strong>und</strong> formulierte einen Satzungsentwurf, der auf der<br />

Gründungsversammlung am 5. <strong>und</strong> 6. Oktober 1891 in Braunschweig von den<br />

140 Teilnehmern angenommen wurde. Aufgabe des Vereins sollte es sein,<br />

"den <strong>Unterricht</strong> in der Mathematik, im geometrischen Zeichnen, in den Naturwissenschaften<br />

<strong>und</strong> in der Erdk<strong>und</strong>e nach Ziel, Umfang <strong>und</strong> Methode zu<br />

fördern <strong>und</strong> diesen Fächern im Lehrplan der höheren Schulen die gebührende<br />

Stellung zu verschaffen" (a.a.O., S. 14). Dieser Aufgabe wurden drei<br />

Zielvorstellungen zugr<strong>und</strong>e gelegt:<br />

- 71 -


waltung (10), technisch-wissenschaftliche Vereine (4) <strong>und</strong> Einzelpersonen<br />

wie Fabrikanten, Verlagsbuchhändler, Chemiker, Physiker <strong>und</strong> Versicherungsmathematiker<br />

(12) an 4 ).<br />

Die Mitgliedschaft von Vertretern von Hochschule, Politik <strong>und</strong> Industrie<br />

war insofern bedeutsam, als sich dem Förderverein bereits vereinsintern<br />

die Möglichkeit bot, eine Verbindung zu den entsprechenden Institutionen<br />

<strong>und</strong> Organisationen zu knüpfen <strong>und</strong> deren Prominenz <strong>und</strong> Autorität für die<br />

eigenen Vereinszwecke fruchtbar zu machen. So war es kein Zufall, daß der<br />

Förderverein bereits sehr schnell nach seiner Gründung enge Kooperationsbeziehungen<br />

zur "Gesellschaft Deutscher Naturforscher <strong>und</strong> /(rzte" (GDN/()<br />

<strong>und</strong> zum "Verein Deutscher Ingenieure" (VDI) unterhielt <strong>und</strong> darüber hinaus<br />

intensive Kontakte zu Repräsentanten der Universität <strong>und</strong> Hochschulen <strong>und</strong><br />

zur Industrie Pflegte 5 ).<br />

3) Nach Bode 1916, S. 85. Der relativ starke Anstieg der Mitgliederzahl<br />

von 348 im Jahre 1895 auf 527 im Jahre 1896 kann im wesentlichen auf<br />

das 1895 gegründete Vereinsorgan, die "<strong>Unterricht</strong>sblätter für Mathematik<br />

<strong>und</strong> Naturwissenschaften" zurückgeführt werden, die lediglich die<br />

Vereinsmitglieder kostenlos erhielten. Der zweite relativ starke Mitgliederzuwachs<br />

zwischen 1899 <strong>und</strong> 1900 von 775 auf 929 ist vermutlich<br />

durch die Neugestaltung der Tagungen ausgelöst worden, in deren Programm<br />

erstmals Hochschullehrer über neue Forschungsergebnisse berichteten<br />

<strong>und</strong> Lehrmittelfirmen mit Experimental-Vorträgen vertreten waren.<br />

4) Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 1910 (Bode 1916, S. 85). Da es<br />

nicht gelang, die Zahlen der an den höheren Realschulen tätigen mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Lehrer ausfindig zu machen, läßt sich<br />

keine Aussage über den Organisationsgrad machen.<br />

5) Zwischen dem Förderverein <strong>und</strong> dem VDI wurden Delegierte ausgetauscht.<br />

Zu den Tagungen der GON/( entsandte der Förderverein seit 1897 regelmäßig<br />

Vereinsmitglieder, die nicht selten gleichzeitig Mitglieder oder<br />

Funktionäre der GON/( waren (Bode 1916, S. 67). Die jährlichen Hauptversammlungen<br />

des Fördervereins fanden regelmäßig in Universitätsstädten<br />

statt, auf denen Hochschullehrer über die neuesten Ergebnisse der fachwissenschaftlichen<br />

Forschung berichteten <strong>und</strong> auch zu allgemeinen hochschul-<br />

<strong>und</strong> schulpolitischen Fragen Stellung nahmen. Die Industrie, die<br />

ebenfalls häufig auf den Hauptversammlungen mit Repräsentanten vertreten<br />

war, unterstützte den Förderverein auch finanziell <strong>und</strong> arrangierte<br />

auf den Tagungen u.a. die Besichtigung von Industrieanlagen (z.B.<br />

1899 in Hannover) oder den Besuch von Ausstellungen (z.B. in Düsseldorf<br />

die Rheinisch-westfälische Industrie- <strong>und</strong> Gewerbe-Ausstellung von<br />

1902). Bericht über die achte Hauptversammlung 1899, S. 59f <strong>und</strong> Bericht<br />

über die elfte Hauptversammlung 1902, S. 64.<br />

- 74 -


Der Einfluß, den der Förderverein auf die Schulpolitik <strong>und</strong> die Reform des<br />

naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s bis zum Ersten Weltkrieg hatte, wärewie<br />

im folgenden zu zeigen sein wird - ohne diese Bündnispartner nicht<br />

möglich gewesen. Sein Interesse richtete sich im wesentlichen auf zwei<br />

Punkte: die inhaltliche <strong>und</strong> methodische Neubegründung des naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s <strong>und</strong> die Lehrerausbildung.<br />

- 75 -


7. Der Förderverein <strong>und</strong> die Reform des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s<br />

7.1 Die Kritik am naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong> <strong>und</strong> die didaktischen<br />

Reformgr<strong>und</strong>sätze<br />

Die Situation des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s an den höheren<br />

Schulen war inhaltlich wie methodisch durch zwei unterschiedliche Entwicklungstendenzen<br />

geprägt worden: Zum einen durch den Lehrplan des humanistischen<br />

Gymnsaiums <strong>und</strong> zum anderen durch den der Gewerbe- <strong>und</strong> Fachschulen.<br />

Während die Physik in den humanistischen Gymnasien infolge der häufigen<br />

Integration in den Mathematikunterricht stark mathematisch <strong>und</strong> damit theoretisch<br />

behandelt wurde, war der Physikunterricht in den Oberrealschulen,<br />

der sich historisch aus dem Lehrplan der Gewerbe- <strong>und</strong> Fachschulen entwikkelt<br />

hatte, primär auf die praktische Physik <strong>und</strong> Technik hin ausgerichtet<br />

<strong>und</strong> konzentrierte sich vornehmlich auf Anwendungen aus dem gewerblichen<br />

<strong>und</strong> industriellen Leben.<br />

Hinzu kam, daß durch die häufige "Zurück führung aller physikalischen Probleme<br />

auf mechanische" die Mechanik mit ihrer deduktiv-mathematischen Methode<br />

im Mittelpunkt des Lehrkanons des Physikunterrichts stand (H. Müller<br />

1934, S. 44f).<br />

Die in den 90er Jahren zunehmende Kritik an dieser Situation des Physikunterrichts<br />

richtete sich nicht nur gegen die 'Uberbewertung der Mathematik',<br />

sondern stellte generell die theoretisch-deduktive Methode des naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s in Frage, da diese den empirischen Charakter<br />

der Naturwissenschaften <strong>und</strong> der darauf gegründeten theoretischen<br />

Erkenntnisse nicht berücksichtige.<br />

Um die schulischen Naturwissenschaften an die fortschreitende Entwicklung<br />

der Fachwissenschaften heranzuführen, drängte der Förderverein - in<br />

- 76 -


Anlehnung an entsprechende Forderungen der Industrie - auf eine Reform<br />

der <strong>Unterricht</strong>smethode, in der der naturwissenschaftliche <strong>Unterricht</strong> methodisch<br />

stärker an die experimentellen Forschungsmethoden orientiert<br />

werden sollte. Mit dieser Forderung, an die der Anspruch auf eine .entsprechende<br />

fachwissenschaftlich spezialisierte Universitätsausbildung<br />

der mathematisch-naturwissenschaftlichen Lehrer geknüpft war (vgl. Schotten<br />

1900, S. 43 <strong>und</strong> S. 65), trat der Förderverein in die Diskussion um<br />

die Neubegründung des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s ein.<br />

Noch auf der Gründungsversammlung 1891 in Braunschweig wurden die in der<br />

Literatur der Folgezeit vielfach zitierten "Braunschweiger Beschlüsse"<br />

abgefaßt, in denen bereits die Richtung formuliert wurde, die die Reform<br />

im naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong> zu nehmen hätte: "Die Schüler der<br />

höheren Lehranstalten sind im allgemeinen noch zu wenig imstande, das Mathematische<br />

in den sich ihnen im Leben darbietenden Erscheinungen zu erkennen,<br />

<strong>und</strong> zwar ist die Ursache davon vorzugsweise in dem Umstande zu<br />

suchen, daß die Anwendungen der mathematischen Theorie vielfach in künstlich<br />

gemachten Beispielen bestehen, anstatt sich auf Verhältnisse zu beziehen,<br />

welche sich in der Wirklichkeit darbieten. - Daher muß das System<br />

der Schulmathematik, unbeschadet seiner vollen Selbständigkeit als <strong>Unterricht</strong>sgegenstand,<br />

im einzelnen mit Rücksicht auf die sich naturgemäß darbietenden<br />

Verwendungen (Physik, Chemie, Astronomie usw. <strong>und</strong> kaufmännisches<br />

Rechnen) aufgebaut werden. Die demgemäß heranzuziehenden Beispiele sollen<br />

die Schüler daran gewöhnen, in dem sinnlich Wahrnehmbaren nicht nur Qualitatives,<br />

sondern auch Quantitatives zu beobachten, in solchem Grade, daß<br />

ihnen eine solche Beobachtungsweise dauernd zum unwillkürlichen Bedürfnis<br />

wird" (zit. nach Lorey 1938, S. 15).<br />

Der verstärkten Akzentuierung des Realitätsbezuges im Mathematikunterricht<br />

in Richtung einer stärkeren Gewichtung der angewandten gegenüber der reinen<br />

Mathematik 1 ) entsprach im naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong> die Betonung<br />

der praktischen Schülerübungen 2 ).<br />

Hierfür legte der Förderverein 1896 ein "Normal verzeichnis für die physikalischen<br />

Sammlungen der höheren Lehranstalten" vor, in dem - in Form einer<br />

"Mustersammlung" - Einrichtungen <strong>und</strong> Geräte für die "Mechanik", "Wellenlehre"<br />

, "Akustik", "Optik", "Wärme" <strong>und</strong> "Meterologie", "Magnetismus",<br />

- 77 -


"Reibungselektrizität", "Galvanismus" sowie für dieChemie zusammengestellt<br />

wurden (Pietzker, 1896, S. 24ff). Um die Lehrmittel im naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong> auf dem jeweils neuesten Stand zu halten, wurde außerdem<br />

die Einrichtung von Schul museen gefordert. Diese sollten "alle <strong>Unterricht</strong>sgegenstände<br />

berücksichtigen", die "für die weitere Entwicklung des<br />

<strong>Unterricht</strong>s an den höheren Schulen erforderlich sind'<strong>und</strong> für Lehrer die<br />

Gelegenheit zur "Anleitung <strong>und</strong> Weiterbildung im Experimentieren" bieten<br />

(Schwalbe 1896, S. 73).<br />

Der Förderverein, der mit der Zusammenstellung dieser Mustersammlung dem<br />

Bedürfnis der Mehrzahl der Mathematik- <strong>und</strong> Naturwissenschaftslehrer nach<br />

Erleichterung bei der Beschaffung von Lehrmitteln entgegenkam, sah bei der<br />

Durchführung in den Schulen gleichzeitig die Möglichkeit eines "Anknüpfungs-<br />

<strong>und</strong> Verknüpfungspunkt(es) zwischen Schul- <strong>und</strong> Hochschulunterricht",<br />

womit den Hochschulen die Gelegenheit gegeben war, "kennen zu lernen, was<br />

die Schule an physikalischem Experimentierstoff (zu) verarbeiten hat", d.<br />

h. "auf welche Kenntnisse man bei denjenigen, die aus den neunklassigen<br />

Schulen austreten, rechnen kann" (ebenda).<br />

"Die guten Beziehungen, die der ... Förderverein zum Preußischen Ministerium<br />

hatte,,3), sowie der Erlaß des <strong>Unterricht</strong>sministeriums, der "die Wichtigkeit<br />

der Elemente der Physik, insbesondere der Elektrizitätslehre für<br />

das Verständnis der das moderne Leben beherrschenden Kräfte <strong>und</strong> Entdeckungen"<br />

betonte (Rethwisch 1896, S. XIII, 15), dürften wohl mitentscheidend<br />

1) Die "Braunschweiger Beschlüsse" lösten in Fachkreisen z. T. heftige Kritik<br />

aus, da befürchtet wurde, daß die Mathematik in der Schule nur als<br />

Hi lfswi ssenschaft der Physi k betri eben werden könnte. Um dieses "Mi ßverständnis"<br />

auszuräumen, beschloß der Förderverein 1894: "Der in Braunschweig<br />

ge faßte Beschluß hat nicht den Sinn, daß der <strong>Unterricht</strong> in der<br />

Mathematik sich auf die Darbietung der im Leben <strong>und</strong> in der Naturwissenschaft<br />

ganz unmittelbar verwandten Kenntnisse beschränken soll." Zit.<br />

nach Bode 1916, S. 124.<br />

2) "Zwischen 1890 <strong>und</strong> 1900 waren die Schulen, die bahnbrechend für die<br />

Veranstaltung von Schülerübungen wirkten, das Dorotheenstädtische Realgymnasium<br />

in Berlin unter der Leitung von Bernhard Schwalbe <strong>und</strong> das<br />

Gymnasium zu Gießen, an dem Karl Noack als Physiklehrer wirkte." Gefördert<br />

wurden diese Bestrebungen durch die "Zeitschrift für den physikalischen<br />

<strong>und</strong> chemischen <strong>Unterricht</strong>", die von Friedrich Poske herausgegeben<br />

wurde. Vgl. Töpfer, Bruhn 1976, S. 303. Schwalbe war von<br />

1891 bis 1893 <strong>und</strong> Poske von 1914bis 1921 Vorsitzender des Fördervereins.<br />

- 78 -


mögliche Erinnerungen an ihre frühere berufspraktische Funktion hätte aufkommen<br />

lassen können, sondern sie mußte auch vom Odium eines Mobilitätsgymnasiums<br />

befreit werden.<br />

Für den Förderverein setzte das die tatsächliche Gleichberechtigung des<br />

Realgymnasiums <strong>und</strong> der Oberrealschule mit dem humanistischen Gymnasium<br />

<strong>und</strong> die Gleichstellung der sprachlich-historischen mit der mathematischnaturwissenschaftlichen<br />

Bildung voraus. Praktisch kam die letzte Forderung<br />

darin zum Ausdruck, daß der naturwissenschaftliche <strong>Unterricht</strong> an den<br />

höheren Schulen durch die Einrichtung experimenteller übungsst<strong>und</strong>en verstärkt<br />

werden sOllte 5 ).<br />

7.2 Bündnispartner: Die "Gesellschaft Deutscher Naturforscher <strong>und</strong><br />

Ärzte" (GDNÄ)<br />

Neben dem Förderverein machte sich auch die GDNÄ zum Fürsprecher der genannten<br />

schulpolitischen Forderungen. Den Anstoß hierzu gab der 1882 verbotene<br />

Biologieunterricht in der Oberstufe der höheren Schule, der auch<br />

in die Lehrpläne von 1901 noch nicht wieder aufgenommen worden war.<br />

Der äußere Anlaß zum Verbot des Biologieunterrichts, der als Teil des Naturgeschi<br />

chtsunterri chts ertei 1t wurde, war der sogenannte "Lipps tädter<br />

Fall". Hierbei ging es um den Biologen H. Müller, der seit 1854 am Realgymnasium<br />

in Lippstadt unterrichtete <strong>und</strong> in den 70er Jahren die Theorien<br />

Darwins <strong>und</strong> Haeckels für den Biologieunterricht aufarbeitete (Keckstein<br />

1981, S. 37, Lorey 1938, S. 33f). Da die Darwinsche Evolutionstheorie in<br />

klerikalen Kreisen als "atheistisch" angesehen wurde <strong>und</strong> ihre allgemeine<br />

Anerkennung von daher auf Widerstand stieß, zog sich Müller zahlreiche<br />

5) Auf der Hauptversammlung 1897 wurde hierzu u.a. folgender Beschluß angenommen:<br />

"Es ist wünschenswert, für die wahlfreien physikalischen übungen<br />

der Schüler auf allen Anstalten von Beginn des physikalischen<br />

<strong>Unterricht</strong>s an zwei wöchentliche St<strong>und</strong>en anzusetzen." Thesen über physikalische<br />

Schülerübungen 1897, S. 59.<br />

- 81 -


"Beschwerden katholischer Geistlicher" zu, die, von der Presse hochgespielt,<br />

bis ins preußische Abgeordnetenhaus gelangten <strong>und</strong> schließlich<br />

zum Verbot des Biologieunterrichts in der Oberstufe der höheren Schulen<br />

führten 6 ) .<br />

Als in den 1901 erschienen Lehrplänen wiederum kein Biologieunterricht<br />

in der Oberstufe vorgesehen war, legten die Abteilungen für Zoologie, Botanik,<br />

Geologie, Anatomie <strong>und</strong> Physiologie in der GDNÄ noch im gleichen<br />

Jahr auf der Hamburger Naturforscherversammlung Leitsätze vor, in denen<br />

ein Biologieunterricht für alle Klassenstufen gefordert wurde.<br />

Die Bedeutung des Biologieunterrichts wurde - ähnlich wie die des Physik<strong>und</strong><br />

Chemieunterrichts - damit begründet, daß die Biologie eine Erfahrungswissenschaft<br />

sei, die zur Beobachtung anleite <strong>und</strong> methodisch "induktiv von<br />

der Beobachtung der Eigenschaften <strong>und</strong> Vorgänge zur logischen Begriffsbildung<br />

vor( schreite)" ("Hamburger Thesen' in: Dannemann 1907, S. 336). In<br />

ethischer Hinsicht wecke er zudem "die Achtung vor den Gebilden der organischen<br />

Welt, das Empfinden der Schönheit <strong>und</strong> Vollkommenheit des Naturganzen,<br />

<strong>und</strong> (werde) so zu einer Quelle reinsten, von den praktischen Interessen<br />

des Lebens unberührten Lebensgenusses" (a. a.O., S. 337).<br />

Zur Kritik am Fehlen des Biologieunterrichts kam die am unzureichenden Mathematik-<br />

sowie Physik- <strong>und</strong> Chemieunterricht hinzu, da die neuen Lehrpläne<br />

für diese Fächer wenig Neues gebracht hatten (vgl. Schmoldt 1980, S. 125,<br />

Schuberth 1971, S. 12). Zwar wurde in ihnen erstmals der formale Bildungswert<br />

des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s anerkannt, doch die erhoffte<br />

obligatorische Einführung der Schülerübungen war nicht vorgesehen. Ebenso<br />

waren auch keine wesentlichen Änderungen hinsichtlich des zeitlichen Umfangs<br />

<strong>und</strong> der Verteilung der naturwissenschaftlichen Fächer in der Oberstufe<br />

eingetreten (s. Tab. S.83).<br />

6) Nachdem durch Circularverfügung vom 31. März 1882 die Durchführung des<br />

Biologieunterrichts verboten worden war, wurde in den "Allgemeinen Bestimmungen<br />

betreffende Änderungen in der Abgrenzung der Lehrpensa", die<br />

1883 in Ergänzung zum Lehrplan von 1882 herausgegeben wurden, nochmals<br />

ausdrücklich die Behandlung der Darwinschen Lehre verboten. Darin hieß<br />

es: "Die Vermittlung der Bekanntschaft mit den neuen Hypothesen von<br />

Darwin usw. gehört nicht zu den Aufgaben der Schule <strong>und</strong> ist darum vom<br />

<strong>Unterricht</strong> durchaus fernzuhalten." Zit. nach Keckstein 1981, S. 38. Außerdem<br />

wurden die Bücher von Darwin <strong>und</strong> Haeckel in den Lehrerseminaren verboten.<br />

- 82 -


Tabelle: Der St<strong>und</strong>enanteil der naturwissenschaftlichen Fächer nach den<br />

Lehrplänen von 1892 <strong>und</strong> 1901 im Vergleich?)<br />

GYMNASIUM<br />

Jahr Fach OIlI UII o I I UI 01 Summe<br />

1892<br />

1901<br />

Physik, Elemente<br />

der Chemie<br />

<strong>und</strong> Mineralogie<br />

Physik, Elemente<br />

der Chemie<br />

<strong>und</strong> Mineralogie<br />

* im Wintersemester<br />

2 2 2 2 2 10<br />

2* 2 2 2 2 10<br />

REALGYMNASIUM<br />

Jahr Fach OIll UII Oll UI 01 Summe<br />

1892<br />

Physi k - 3 3 3 3 12<br />

Chemie <strong>und</strong><br />

Mineralogie - - 2 2 2 6<br />

1901<br />

Physi k<br />

Chemie <strong>und</strong><br />

Mineralogie<br />

2*<br />

-<br />

)<br />

)<br />

)<br />

)<br />

)<br />

2<br />

3<br />

2<br />

3<br />

2<br />

3<br />

2<br />

12<br />

?<br />

* im Wintersemester<br />

OBERREALSCHULE<br />

Jahr Fach OIll Ull Oll UI 01 Summe<br />

1892<br />

1901<br />

Physik 2 2 3 3 3 13<br />

Chemie <strong>und</strong><br />

Mineralogie - 2 3 3 3 11<br />

Physi k 2 2 3 3 3 13<br />

Chemie <strong>und</strong><br />

Mineralogie - 2 3 3 3 11<br />

7) Zit. nach Göllnitz 1920, S. 119.<br />

- 83 -


Was den Lehrplan des Mathematikunterrichts betraf, so richtete sich die<br />

Kritik gegen die Vernachlässigung der angewandten Mathematik, für die<br />

sich der damals führende Schulmathematiker Felix Klein stark machte.<br />

Die Diskussion um die Lehrpläne 8 ) veranlaßte die GDNÄ <strong>und</strong> die anderen<br />

Interessengruppen nunmehr, die Gesamtheit der Forderungen des Mathematik-<br />

<strong>und</strong> Naturwissenschaftsunterrichts zum Gegenstand umfassender Beratungen<br />

zu machen.<br />

7.3 Die "Meraner Beschlüsse"<br />

Auf Initiative von Felix Klein wurde 1904 von der GDNÄ eine 12-köpfige <strong>Unterricht</strong>skommission<br />

eingesetzt 9 ), die den Auftrag erhielt, die Situation<br />

des mathematisch-naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s an den höheren Schulen<br />

zu untersuchen, Reformvorschläge auszuarbeiten <strong>und</strong> einen Lehrplanvorschlag<br />

aufzustellen. Bereits auf der folgenden Naturforscherversammlung<br />

8) In der Diskussion um den mathematisch-naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong><br />

gewannen zunehmend nationale Motive an Bedeutung. So begründete<br />

Felix Klein auf der Naturforscherversammlung 1903 die Notwendigkeit<br />

einer Änderung des Lehrplans damit, "die Bevölkerung für den Konkurrenzkampf<br />

der Nationen auf dem Gebiete der Industrie <strong>und</strong> der militärischen<br />

Geltung tüchtiger zu machen". Zit. nach Schotten 1905, S. 136.<br />

Ähnlich argumentierte auch der Physikdidaktiker Hermann Hahn, der vorschlug,<br />

den naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong> "nach dem Beispiel der<br />

Engländer <strong>und</strong> Amerikaner zu gestalten": "mit dem Mahnruf zur rechten<br />

St<strong>und</strong>e ist unsere Treuepflicht erfüllt. Verhallt er unerhört, so trifft<br />

uns keine Schuld, wenn wir Deutsche erst im <strong>Unterricht</strong>, dann in der<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> schließlich in Handel <strong>und</strong> Industrie dem scharfen Wettbewerb<br />

der Amerikaner <strong>und</strong> Engländer unterliegen, wenn wir aus der Reihe<br />

der germanischen Völker, die den Kampf um die Welt führen, als unterlegen<br />

ausscheiden". Zit. nach Lorey 1938, S. 40.<br />

9) Der <strong>Unterricht</strong>skommission gehörten folgende Mitglieder des Fördervereins<br />

an: Prof. Dr. Pietzker, Prof. Dr. Poske, Oberlehrer Dr. Bastian<br />

Schmid, Direktor Dr. Schotten, Prof. Dr. Fricke, Geheimrat Prof. Dr.<br />

Felix Klein, Prof. Dr. Gutzmer (Vorsitzender der<strong>Unterricht</strong>skommission).<br />

Außerdem: Geheimrat Prof. Dr. von Borries (Vertreter des VDI), Fabrikdirektor<br />

Prof. Dr. Duisberg (Vertreter der VDCh), Baurat Dr. Peters<br />

(als Gast), Prof. Dr. Rassow (als Schriftführer der naturwissenschaftlichen<br />

Hauptgruppe der GDNÄ) <strong>und</strong> Prof. Dr. Kraepelin (Direktor des Hamburger<br />

Naturhistorischen Museums).<br />

- 84 -


1905 im Meran berichtete die <strong>Unterricht</strong>skommission über die Ergebnisse<br />

ihrer Beratungen <strong>und</strong> legte "Reformvorschläge für den mathematischen <strong>und</strong><br />

naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>" vor (Reformvorschläge 1905). Diese,<br />

in der Folgezeit als "Meraner Beschlüsse" bezeichneten ReformvorschHge<br />

bildeten das 'inhaltliche Konzentrat' der geforderten mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>sreform.<br />

Schulpolitisch zielten die Forderungen der <strong>Unterricht</strong>skommission auf die<br />

Gleichstellung der mathematisch-naturwissenschaftlichen mit der sprachlichhistorischen<br />

Bildung, auf die Anerkennung des Anspruchs der "spezifischen<br />

Allgemeinbildung" <strong>und</strong> auf die "tatsächliche Gleichberechtigung der höheren<br />

Schulen (Gymnasium, Realgymnasium <strong>und</strong> Oberrealschule)" (Reformvorschläge<br />

1905, S. 4). <strong>Unterricht</strong>sfachbezogen faßten die "Meraner Beschlüsse" alle<br />

wichtigen Ziele zusammen, die in der Reformdiskussion bis dahin vertreten<br />

worden waren 10 ).<br />

Für den Physikunterricht lauteten die Gr<strong>und</strong>sätze:<br />

"Gr<strong>und</strong>satz 1. Die Physik ist im <strong>Unterricht</strong> nicht als mathematische Wissenschaft,<br />

sondern als Naturwissenschaft zu behandeln.<br />

Gr<strong>und</strong>satz 2. Die Physik als <strong>Unterricht</strong>sgegenstand ist so zu betreiben,<br />

daß sie als Vorbild für die Art, wie überhaupt im Bereiche der Erfahrungswissenschaften<br />

Erkenntnis gewonnen wird, dienen kann.<br />

Gr<strong>und</strong>atz 3. Für die physikalische Ausbildung der Schüler sind planmäßig<br />

geordnete Obungen im eigenen Beobachten <strong>und</strong> Experimentieren erforderlich"<br />

(a.a.O., S.8).<br />

Auf diesen Gr<strong>und</strong>sätzen aufbauend wurde ein Lehrplan vorgelegt, der auf<br />

der Entwicklung der entsprechenden Gr<strong>und</strong>lagenwissenschaften basierte <strong>und</strong><br />

keines der um 1900 entwickelten Gebiete der Physik ausließ 11 ).<br />

Didaktisch wurde der <strong>Unterricht</strong>sstoff in "2 Stufen" aufgeteilt: In einer<br />

Art Spiralcurriculum sollte auf der Mittelstufe die experimentelle, auf<br />

der Oberstufe die theoretische Behandlung der Physik im Vordergr<strong>und</strong> ste-<br />

10) An der Fassung des für den Physikunterricht entworfenen Programms<br />

hatte Friedrich Poske wesentlichen Anteil.<br />

11) So z.B. die Beziehungen zwischen Elektrizität <strong>und</strong> Licht: Kathoden<strong>und</strong><br />

Röntgenstrahlen. Elektrische Wellen. Drahtlose Telegraphie <strong>und</strong><br />

die Beziehungen zwischen Wärme <strong>und</strong> Arbeit: Dampfmaschine <strong>und</strong> Gaskraftmaschine.<br />

Strahlungserscheinungen. Vgl. Reformvorschläge 1905,<br />

S. 26ff <strong>und</strong> Müller 1934, S. 68ff.<br />

- 85 -


hen <strong>und</strong> mit einem propädeutisch-philosophischen Kurs abgeschlossen werden<br />

(a.a.O., S. 29ff).<br />

Die praktischen Schülerübungen wurden für die Realgymnasien <strong>und</strong> Oberrealschulen<br />

als obligatorisch gefordert, während für die Gymnasien lediglich<br />

die Einführung wahlfreier Obungen vorgeschlagen wurde (a.a.O., S. 31).<br />

Mit der den "Meraner Beschlüssen" zugr<strong>und</strong>eliegenden Neubegründung des naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s in Auswahl <strong>und</strong> Anordnung der Inhalte<br />

sowie der <strong>Unterricht</strong>smethode, orientiert am Wert der formalen Bildung als<br />

"allgemeiner Geistesbildung" bzw. der "Erziehung zum logischen Denken",<br />

wurde von der GDNÄ eine fachdidaktische Lehrkonzeption vorgelegt, die mit<br />

dem traditionellen, sich aus den Gewerbe- <strong>und</strong> Fachschulen entwickelten,<br />

noch stark technisch-praxisbezogen <strong>und</strong> damit berufsbildend ausgerichteten<br />

Lehrprogramm endgültig brach. An die Stelle der bisherigen 'Fachbildung',<br />

der die naturwissenschaftlich-technischen Berufe ihren sozialen Aufstieg<br />

verdankten <strong>und</strong> die zur Integration der naturwissenschaftlichen Fächer in<br />

den Lehrplan der höheren Schulen geführt hatten, war nunmehr die 'Bildung<br />

durch Wissenschaft' getreten. Sie verlieh nicht nur dem naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong> das Image, der 'reinen Wissenschaft' verpflichtet zu<br />

sein, sondern auch ihren schulischen Vertretern die Möglichkeit, ihren<br />

professionellen Status innerhalb des höheren Lehrerstandes endgültig vom<br />

Odium des wissenschaftlichen Emporkömmlings zu befreien <strong>und</strong> darüber hinaus<br />

ihren Fachstatus aufzuwerten <strong>und</strong> abzusichern.<br />

Die unmittelbare Durchführbarkeit der Reformvorschläge wurde allerdings<br />

von der <strong>Unterricht</strong>skommission hinsichtlich der einzelnen Schul typen unterschiedlich<br />

bewertet. Hierfür spielten weniger organisatorisch-technische<br />

Gründe eine Rolle als vielmehr schulpolitische Motive. Die Möglichkeit,<br />

die Reformziele kurzfristig durchzusetzen, sah die <strong>Unterricht</strong>skommission<br />

nur in den Realgymnasien <strong>und</strong> Oberrealschulen. Für das humanistische Gymnasium<br />

wurde der Standpunkt vertreten, "daß eine gründliche naturwissenschaftliche<br />

Bildung nach Maßgabe der anliegenden Lehrpläne auch für die<br />

Abiturienten dieser Anstalten im höchsten Grade notwendig" sei. Dies würde<br />

jedoch schwer durchsetzbar sein, "solange bei den herrschenden Verhältnissen,<br />

unter denen die humanistischen Anstalten an Zahl die realistischen<br />

in so hohem Maße übertreffen, die weit überwiegende Mehrzahl der Männer,<br />

- 86 -


die später in leitender Stellung auf die Gestaltung unseres öffentlichen<br />

Lebens Einfluß zu nehmen berufen sind, ihre Schulbildung dem humanistischen<br />

Gymnasium verdankt" (a.a.O., S. 6f).<br />

Daß die hierzu notwendige Erhöhung des naturwissenschaftlichen St<strong>und</strong>enanteils<br />

an den humanistischen Gymnasien ebensowenig durchsetzbar war wie<br />

die Forderung, "Mathematiker <strong>und</strong> Naturwissenschaftler stärker als bisher<br />

zur Leitung der Schulen wie in die oberen Schulbehörden" zu berufen, darüber<br />

war sich die <strong>Unterricht</strong>skommission durchaus im klaren.<br />

Die <strong>Unterricht</strong>skommission wußte um die Unmöglichkeit, die Lehrpläne mit<br />

dem altsprachlichen Lehrbetrieb zu vereinen. Da zwischen dem Realgymnasium<br />

<strong>und</strong> der Oberrealschule einerseits <strong>und</strong> dem humanistischen Gymnasium andererseits<br />

keine Berechtigungsprivilegien, sondern nur noch funktionale<br />

Unterschiede bestanden, ging es der <strong>Unterricht</strong>skommission deshalb vor allem<br />

um eine Prestigeaufwertung der Realgymnasien <strong>und</strong> stärker noch der<br />

Oberrealschulen. Einige, wenn nicht die Mehrzahl der Kommissionsmitglieder<br />

waren davon überzeugt, daß den bei den jüngeren Gymnasialtypen ohnehin<br />

die Zukunft gehöre <strong>und</strong> daß sie in absehbarer Zeit die humanistischen<br />

Gymnasien an Zahl <strong>und</strong> Attraktivität überflügeln würden I2 ).<br />

12) Gegen den Einwand, die <strong>Unterricht</strong>skommission hätte sich stärker für<br />

eine Erhöhung des naturwissenschaftlichen St<strong>und</strong>enanteils in der Oberstufe<br />

des humanistischen Gymnasiums einsetzen sollen, zumal diese den<br />

größten Anteil an den höheren Schulen ausmachte, verteidigte Pietzker<br />

die "Meraner Beschlüsse" mit den Worten: "Zweifellos ist das ein Uebelstand,<br />

dessen Beseitigung gewünscht <strong>und</strong> erhofft werden muß, aber<br />

dessen Beseitigung gerade auf dem von uns eingeschlagenen Wege am<br />

ehesten erhofft werden kann. Dieser Uebelstand hängt zusammen mit Vorurteilen,<br />

von denen zur Zeit noch viele Kreise beherrscht sind, Vorurteilen,<br />

deren Schwinden man nicht von heute auf morgen erwarten<br />

kann. Aber dass sie schließlich schwinden, das halte ich für ganz<br />

zweifellos, sie müssen schwinden, wenn die in Gemässheit unserer Wünsche<br />

auch äusserlich den Gymnasien völlig gleichgestellten Realanstalten<br />

nun tatsächlich den Beweis liefern, dass die von ihnen gepflegte<br />

naturwissenschaftliche Bildung der altüberlieferten altklassischen<br />

Bildung gleichwertig oder auch überlegen ist. Dann wird sich<br />

der Strom der Schüler mehr <strong>und</strong> mehr den realistischen Anstalten zuwenden,<br />

ganz von selbst wird der Zustand immer allgemeinere Verbreitung<br />

gewinnen, der z.T. schon jetzt im Westen <strong>und</strong> Süden unseres Vaterlandes<br />

herrscht, dass nämlich die Realanstalten die Mehrheit, die Gymnasien<br />

die Minderheit bilden." Pietzker 1906, S. 81.<br />

- 87 -


Die <strong>Unterricht</strong>sbehörden fast sämtlicher deutscher Staaten knüpften bei<br />

der Umgestaltung des mathematisch-naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s an<br />

die "Meraner Beschlüsse" an. Preußen z.B. genehmigte sofort fünf <strong>Unterricht</strong>sanstalten,<br />

die Lehrpläne zu erproben, <strong>und</strong> es führte 1908 den Biologieunterricht<br />

auf der Oberstufe der höheren Schulen wieder ein l3 ). Auch<br />

in dem Erlaß vom 13.6.1910, in dem zur weiteren Einführung physikalischer<br />

Obungen aufgefordert wurde, <strong>und</strong> in der die physikalischen <strong>und</strong> chemischen<br />

Reifeprüfungsarbeiten betreffenden Verfügung vom 15.2.1911 lehnte sich die<br />

preußische <strong>Unterricht</strong>sverwaltung an die "Meraner Beschlüsse" an l4 ).<br />

Bayern, das bis dahin den Bestrebungen zur Vermehrung des naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s an den höheren Schulen gegenüber reserviert geblieben<br />

war (Binder 1904, s. 29)15), konzipierte den Lehrplan der erstmals<br />

1907 gegründeten neuen Oberrealschulen nach dem Meraner Muster.<br />

Ferner wurden 1912 im Großherzogtum Baden, in Württemberg, in Hessen die<br />

neuen Lehrpläne für Realanstalten <strong>und</strong> höhere Schulen auf der Basis der Meraner<br />

Lehrpläne erstellt.<br />

13)<br />

14)<br />

15)<br />

- 88 -<br />

In dem Erlaß vom 19.3.1908 wurde zwar die Darwinsche Lehre nicht ausdrücklich<br />

genannt, da sie aber in der Biologie allgemein anerkannt<br />

<strong>und</strong> von vielen Biologiedidaktikern aufgegriffen wurde, ist anzunehmen,<br />

daß sie zum Lehrstoff zählte.<br />

Vgl. Zeitschrift für den physikalischen <strong>und</strong> chemischen <strong>Unterricht</strong><br />

1911, S. 178 <strong>und</strong> S. 250.<br />

1914 wurden sogar sämliche höhere Schulen Bayerns den Meraner Plänen<br />

entsprechend umgestaltet. Hermann Hahn urteilte über den Physikunterricht<br />

in den Neuen Oberrealschulen Bayerns: "Ohne Obertreibung<br />

darf man behaupten, daß heutzutage nirgendwo auf der Welt für den<br />

physikalischen <strong>Unterricht</strong> an den Mittelschulen so gut gesorgt ist<br />

wie auf den neuen bayerischen Oberrealschulen. " H. Hahn 1908, S. 73.


7.4 Der "Deutsche Ausschuß für den mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>"<br />

Der weitreichende Einfluß, den die "Meraner Beschlüsse" auf die Umgestaltung<br />

der mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen Lehrpläne der<br />

einzelnen Länder hatten, ging im wesentlichen auf das Konto des 1908 gegründeten<br />

"Deutschen Ausschusses für den mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>" (DAMNU) <strong>und</strong> dessen gute Beziehungen zur Kultusadministration<br />

(Schöler 1970, S. 249ff), der verbandspolitisch die Arbeit<br />

der von der GDNÄ eingesetzten <strong>Unterricht</strong>skommission fortsetzte 16 ).<br />

Seine Arbeit zielte auf eine umfassende Reform des naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s von der Volksschule bis hin zur Lehrerausbildung an der<br />

Universität sowie der Fortbildungskurse, für die er Lehrpläne <strong>und</strong> Richtlinien<br />

vorlegte, die in über 18 Schriften, darunter auch den jährlichen<br />

Berichterstattungen über die Arbeit des DAMNU. erschienen (vgl. Gutzmer<br />

1914).<br />

Der Ausschuß, der von der GDNÄ <strong>und</strong> dem Förderverein sowie 11 weiteren<br />

Körperschaften gegründet wurde 17 ), war von Anbeginn der verbandspolitische<br />

Knotenpunkt der naturwissenschaftlichen Reformbewegung, in dem Ver-<br />

16) Im gleichen Jahr wurde dann auch auf dem "Internationalen Mathematikerkongreß"<br />

in Rom die "Internationale mathematische <strong>Unterricht</strong>skommission"<br />

(IMUK) gegründet, deren erster deutscher Vertreter Felix<br />

Klein war. Durch die IMUK wurde die Reform des Mathematikunterrichts<br />

zu einer internationalen Bewegung, wodurch sie auch in den einzelnen<br />

deutschen Ländern selber großes Gewicht erhielt.<br />

17) Zu den den DAMNU begründenden Körperschaften zählten außerdem: Göttinger<br />

Vereinigung zur Förderung der angewandten Physik <strong>und</strong> Mathematik<br />

(1898), Deutsche Mathematiker-Vereinigung (1891), Deutsche Geologische<br />

Gesellschaft (1848), Deutsche Zoologische Gesellschaft (1890),<br />

Deutsche Botanische Gesellschaft (1882), Deutsche Astronomische Gesellschaft<br />

(1863), Deutsche Physikalische Gesellschaft (1898), Deutscher<br />

Medizinal-Beamten-Verein (1883), Verein Deutscher Ingenieure<br />

(1856), Verein Deutscher Chemiker (1887) <strong>und</strong> Deutsche Physiologische<br />

Gesellschaft (1904). Vgl. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1908, S.18. Bis 1923 traten<br />

noch folgende Körperschaften bei: Verband Deutscher Elektrotechniker<br />

(1893), Deutsche Chemische Gesellschaft (1867), Deutsche Mineralogische<br />

Gesellschaft (1908), Anatomische Gesellschaft (1886), Kongreß<br />

für innere Medizin (1882), Gesellschaft für Kinderheilk<strong>und</strong>e (1883),<br />

Deutscher Verein für Psychiatrie (1854), Deutscher Geographentag (1881),<br />

Geologische Vereinigung <strong>und</strong> der Verein zur Wahrung der Interessen der<br />

chemischen Industrie.<br />

- 89 -


treter der Großindustrie <strong>und</strong> Politik sowie Naturwissenschaftler an Universitäten<br />

<strong>und</strong> Naturwissenschaftslehrer an höheren Schulen zusammenwirkten.<br />

In der Liste der Industrievertreter fehlte von den großen Konzernen<br />

kaum ein bekanntes Unternehmen: Neben dem Chemiker <strong>und</strong> Unternehmer Duisberg<br />

(Firma Bayer) <strong>und</strong> von Böttinger (Industrieller Abgeordneter des preußischen<br />

Landtages) zählten hierzu Linde (Lindes Eismaschinen-AG), Krauss<br />

Kuhn, Rieppel (Nürnberger Maschinenbau-AG), Schmitz (Krupp), Wacker (Nürnberger<br />

Elektrizitäts-AG) <strong>und</strong> Bödiker (Siemes <strong>und</strong> Halske), also· vornehmlich<br />

Vertreter der chemischen, elektrotechnischen <strong>und</strong> der Maschinenbauindustrie.<br />

Das preußische Kultusministerium war durch Friedrich Althoff vertreten,<br />

der der "Göttinger Vereinigung zur Förderung der an gewandten Physik <strong>und</strong><br />

Mathematik" angehörte (Pfetsch 1974, S. 141).<br />

Diese Allianz zwischen Reformindustrie, Naturwissenschaft <strong>und</strong> Staatsverwaltung<br />

war nicht nur die treibende Kraft der Schulreform <strong>und</strong> der Reform<br />

des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s, sondern - verkörpert in der Göttinger<br />

Vereinigung - auch wissenschaftspolitisch initiativ, wie beispielsweise<br />

beim Ausbau der Göttinger Universität. Nach amerikanischem Vorbild,<br />

wonach private Kreise, in erster Linie die Wirtschaft, Gemeinden <strong>und</strong> Regierungen<br />

am Ausbau <strong>und</strong> an der Aussstattung von Forschungszentren beteiligt<br />

sind, war es die Göttinger Vereinigung, die mit Hilfe industrieller<br />

Geldgeber den Ausbau der Institutsgebäude <strong>und</strong> deren experimentelle Einrichtungen<br />

finanzierte, während sie den Staat für die Einrichtung planmäßiger<br />

Professuren gewinnen konnte. Auf diese Weise wurde das Institut<br />

für angewandte Mechanik, das Institut für angewandte Elektrizität <strong>und</strong> das<br />

Institut für Geophysik sowie das Institut für angewandte Mathematik <strong>und</strong><br />

entsprechende Professuren eingerichtet, ohne die die Glanzzeit der Göttinger<br />

Universität - als eine der führenden Stätten naturwissenschaftlicher<br />

Forschung in den 20er Jahren des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts - wohl nicht möglich<br />

gewesen wäre (a.a.O., S. 141ff)18).<br />

18) Diese wissenschaftspolitische Initiative blieb nicht nur auf die Göttinger<br />

Vereinigung beschränkt. Neben der schon 1887 vor allem auf Betreiben<br />

von W. von Siemens gegründeten "Physikalisch-Technischen<br />

Reichsanstalt" folgten vor dem Ersten Weltkrieg die "Jubiläumsstiftung<br />

der Deutschen Industrie" (1899) <strong>und</strong> die "Rheinische Gesellschaft für<br />

wissenschaftliche Forschung" (1910/11), die ähnlich der Göttinger Vereinigung<br />

die Triade Wirtschaft - Wissenschaft - Staat in enge Verbindung<br />

brachte (a.a.O., S. 142).<br />

- 90 -


7.5 Die Reform der mathematisch-naturwissenschaftlichen Lehrerausbildung<br />

Mit der Reform des mathematisch-naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s verb<strong>und</strong>en<br />

war von Anfang die Forderung nach einer Reform der Hochschulausbildung,<br />

die der Förderverein durch ein staatlich sanktioniertes Prüfungs<strong>und</strong><br />

Berechtigungswesen abzusichern versuchte. Die Notwendigkeit einer Abstimmung<br />

zwischen naturwissenschaftlichem <strong>Unterricht</strong> <strong>und</strong> Lehrerausbildungsreform<br />

ergab sich für den Förderverein aus dem "Verhältnis der Wissenschaft<br />

zur ,Schule", das, durch die Prüfungsbestimmungen für Lehrer <strong>und</strong> die Lehrpläne<br />

gekennzeichnet (vgl. Schotten 1900, S. 42) , als 'organische Einheit'<br />

begriffen wurde.<br />

Deshalb richtete man sich in den "Meraner Beschlüssen" auch gleichzeitig<br />

an die Hochschulen <strong>und</strong> forderte sie auf, die Ausbildung der Lehramtskandidaten<br />

den "erweiterte(n) <strong>Unterricht</strong>saufgabe(n)" anzupassen (Reformvorschläge<br />

1905, S. 11). Konkret hieß das, daß bei den Lehramtsprüfungen zukünftig<br />

mehr Gewicht "auf den Nachweis einer gründlichen experimentellen<br />

Ausbildung gelegt werden sollte (a.a.O., S. 23).<br />

Aus dem diesen Forderungen zugr<strong>und</strong>eliegenden Selbstverständnis, Vertreter<br />

einer empirisch forschenden wissenschaftlichen Disziplin zu sein, leiteten<br />

die Mathematik- <strong>und</strong> Naturwissenschaftslehrer ihre professionelle Verantwortlichkeit<br />

ab, "die Fortschritte der Wissenschaft" zu vermitteln <strong>und</strong><br />

damit auch das Anspruchsniveau für den beruflichen Nachwuchs zu setzen.<br />

In Anlehnung an die Meraner Reformvorschläge forderte der Förderverein<br />

eine Hochschulausbildung, die auf die präzise Kenntnis eines weiten Spektrums<br />

fachwissenschaftlicher Ergebnisse <strong>und</strong> Methoden ausgerichtet <strong>und</strong> auf<br />

die umfassende Informiertheit über die jeweils aktuelle Forschungslage<br />

hin ausgelegt sein sollte (Schotten 1900, S. 43). Die so in Anspruch genommene<br />

Wissenschaftlichkeit galt dabei nicht nur als Garant eines erfolgreichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s, sondern wurde gleichsam zum Habitus <strong>und</strong> zu einer<br />

eigenen Geisteshaltung stilisiert: "Wissenschaftlich, rein wissenschaftlich<br />

muß der <strong>Unterricht</strong> sein, daneben aber muß die Forderung aufrecht erhalten<br />

werden, dass dieser <strong>Unterricht</strong> rein elementar sein muss ... : gerade<br />

die Forderung, rein wissenschaftlich Ideen <strong>und</strong> Gedanken zu vermitteln,<br />

<strong>und</strong> andererseits die, elementar zu unterrichten, scheinen ganz unverein-<br />

- 91 -


ar; aber die Frage wird sich um so leichter lösen lassen, je wissenschaftlich<br />

gebildeter die Fachlehrer sind <strong>und</strong> je mehr sie sich dabei in den einheitlichen<br />

Gedanken des allgemeinen Schulorganismus hineinarbeiten" (a.a.<br />

0., S. 65).<br />

Das Reformengagement für die Lehrerausbildung war in den ersten Jahren<br />

sehr stark vermittelt durch das Interesse an der "Angewandten Mathematik",<br />

deren Berücksichtigung der Förderverein bereits für den Mathematikunterricht<br />

gefordert hatte (Pietzker 1899, S. 10ff). Unterstützung fand er hierbei<br />

zum einen durch einzelne Universitätsmathematiker, die, wie ihr prominentester<br />

Vertreter Felix Klein, die Angewandte Mathematik in Forschung<br />

<strong>und</strong> Lehre wieder in die Universitäten integrieren wOllten 19 ); dieses Interesse<br />

stand wohl in engem Zusammenhang mit der Intention Kleins <strong>und</strong> anderen<br />

Professoren, mit Hilfe der Göttinger Vereinigung an der Universität<br />

Göttingen Institute einzurichten, die den technischen Anwendungen wissenschaftlicher<br />

Theorien dienen sollten, zum anderen wurde der Förderverein<br />

vom VDI unterstützt; ihm ging es einerseits um eine Verbesserung der mathematischen<br />

Ausbildung der Ingenieure an den Technischen Hochschulen,<br />

andererseits verfolgte er mit der Integration der Angewandten Mathematik<br />

in den Universitätsunterricht gleichzeitig eine wissenschaftspolitische<br />

Aufwertung der Ingenieurausbildung.<br />

Eine erste offizielle Reaktion auf diese Reformbemühung war die vom <strong>Unterricht</strong>sministerium<br />

1898 erlassene "Prüfungsordnung für das Lehramt an<br />

den preußischen höheren Schulen", in der die Angewandte Mathematik als<br />

neues Prüfungsfach für die Staatsexamenskandidaten zugelassen wurde <strong>und</strong><br />

damit den Status einer neuen Lehrbefähigung erhielt (S.F. Müller (a) 1977,<br />

S. 136f).<br />

Eine andere, ebenfalls durch die Prüfungsordnung eingeführte Neuerung war<br />

die auch vom Förderverein geforderte Anerkennung von bis zu 3 Semestern<br />

19) Die Angewandte Mathematik, die im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert eine Teildisziplin<br />

der Universitätsmathematik geworden war, wurde in der ersten Hälfte<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts aus dem universitären Lehrplan eliminiert <strong>und</strong><br />

war seither nur noch an den Technischen Hochschulen vertreten (Lorey<br />

1916, S. 246).<br />

- 92 -


TH-Studium im Hinblick auf das Staatsexamen. Der Förderverein war deshalb<br />

für diese Regelung eingetreten, weil das TH-Studium "den Studenten der Mathematik<br />

vorteilhaftere Einrichtungen <strong>und</strong> Arbeitsstätten" bot als ein entsprechendes<br />

Universitätsstudium (Reinhardt 1907, S. 71). Die Diskussion<br />

über die neue Fakultas, ihre Konsequenzen für das Lehrangebot <strong>und</strong> andere,<br />

vor allem von der <strong>Unterricht</strong>skommission der GDNÄ <strong>und</strong> der Nachfolgeorganisation,<br />

dem DAt4NU, zur Reform des mathematisch-naturwissenschaftl ichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s aufgeworfene Fragen führten zu einer intensiveren Beschäftigung,<br />

mit der Lehrerausbildung, in deren Mittelpunkt mehr <strong>und</strong> mehr die Fragen<br />

de'Gewichtung, der Funktion <strong>und</strong> der Anordnung der Ausbildungsinhalte<br />

rückten 20 ) ;'<br />

Die Forderungen des Fördervereins zielten dabei auf eine konsequente <strong>und</strong><br />

durch Studienpläne abgesicherte Abgrenzung der Mathematik im Verhältnis<br />

zu den naturwissenschaftlichen Studienfächern <strong>und</strong> eine Begrenzung des Studiums<br />

auf 8 Semester 21 ).<br />

Gleichwohl erkannte man an, daß die Mathematik relativ enge Beziehungen<br />

zur Physik, hingegen geringere Bedeutung für Chemie <strong>und</strong> Biologie habe. Eine<br />

interne "Abgrenzung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Studien<br />

in die Gruppe Mathematik <strong>und</strong> Physik einerseits <strong>und</strong> Chemie <strong>und</strong> Biologie<br />

andererseits", so wurde argumentiert, sei deshalb notwendig, weil nur<br />

durch sie die gewünschte wissenschaftliche Vertiefung des Studiums garantiert<br />

werden könne (Schmid 1908, S. 70). Sie ermögliche es zudem den Naturwissenschaftslehrern<br />

in der höheren Schule, den entsprechenden Fachgelehrten-Status<br />

einzunehmen, wie ihn in "formeller wie sachlich-kultureller<br />

Hinsicht" die Neu- <strong>und</strong> Altphilologen bzw. Germanisten bereits besäßen<br />

22 ) .<br />

20) Vgl. hierzu die vom Förderverein zur Hochschulausbildung der Lehramtskandidaten<br />

betreffenden Leitsätze. Reinhardt 1907, S. 91f.<br />

21) Die Begrenzung der Hochschulausbildung auf einen Zeitraum von 8 Semestern<br />

war eine Forderung, mit der die Universitäten auf eine 'einheitliche<br />

Organisation des Hochschulunterrichts' für die mathematisch-naturwissenschaftliche<br />

Lehrerausbildung verpflichtet werden sollten.<br />

Reinhardt 1907, S. 70.<br />

22) "Der alle Fächer beherrschende Theologe ist tot. Dafür haben wir Neu<strong>und</strong><br />

Altsprachler bzw. Germanisten, <strong>und</strong> der reine Naturwissenschaftler<br />

wird nur noch eine Frage der Zeit sein, zumal es schon Staaten in<br />

Deutschland gibt, wo er bereits zu Hause ist (Bayern, Sachsen)."<br />

Schmid 1908, ebenda<br />

- 93 -


•<br />

Doch nicht nur "praktische Interessen", wie es Schmid nannte, seien maßgeblich,<br />

sondern auch vom "erzieherische(n) Standpunkt her sei eine solche<br />

"Arbeitsteilung" erforderlich: "Für uns, die wir uns der Doppelaufgabe<br />

bewußt bleiben müssen, Lehrer <strong>und</strong> Erzieher in einer Person zu sein,<br />

handelt es sich ganz besonders um die Verinnerlichung der erworbenen Bildung,<br />

zum Zwecke noch größeres zu erreichen, nämlich höchste Kulturwerte<br />

schaffen zu helfen; der Stoff muß mit dem, was wir unter Persönlichkeit<br />

des Lehrers verstehen, in nähere Beziehung treten" (ebenda) . Zu dieser<br />

Lehrerpersönlichkeit gehöre "vor allem Lehrgeschick <strong>und</strong> tüchtige wissenschaftliche<br />

Fachbildung": "es unterliegt keinem Zweifel, ein gllÜndliches<br />

positives Wissen verleiht nicht nur unschätzbare persönliche Werte, es<br />

verschafft nicht nur die auf der inneren Oberlegenheit beruhende Autorität<br />

- diesen wichtigen Erziehungsfaktor - sondern auch von hier gehen die<br />

hohen kulturellen Einwirkungen auf die Schüler aus" (a.a.O., S. 71).<br />

Der Erfolg des Bildungsprozesses war für den Förderverein also geknüpft<br />

an eine spezialisierte fachwissenschaftliche Ausbildung des Lehrers<br />

<strong>und</strong> an dessen gesamte Persönlichkeit, die sich ihrerseits in einem ganz<br />

bestimmten, v.on wissenschaftlicher Autorität geprägten Fluidum niederschlagen<br />

<strong>und</strong> von daher ihre Ausstrahlungskraft gewinnen sollte. Angesichts<br />

dieses Gr<strong>und</strong>verständnisses verw<strong>und</strong>ert es nicht, daß der Förderverein pädagogische<br />

Ausbildungsinhalte im Hochschulstudium zwar nicht völlig ablehnte,<br />

ihnen aber kein großes Gewicht zusprach <strong>und</strong> die Wissenschaftlichkeit<br />

der Pädagogik in Frage stellte 23 ).<br />

Die wissenschaftstheoretischen Vorbehalte gegenüber der Pädagogik waren<br />

einerseits darin begründet, daß die Pädagogik, sofern sie als Universitätsdisziplin<br />

überhaupt vertreten war, gegenüber den modernen Erfahrungswissenschaften<br />

an wissenschaftlichem' Rang verloren hatte, andererseits<br />

darin, daß im Staatsexamen auf pädagogische Kenntnisse nur ganz geringes<br />

Gewicht gelegt wurde.<br />

23) Da für Schmid zur "Lehrerpersönlichkeit" auch "angeborenes Lehrertalent"<br />

gehörte, <strong>und</strong> dessen Attribute "nicht von jedem erworben werden<br />

können", ergab sich für ihn "der Schluß, daß die Pädagogik stets zu<br />

einem Teil Kunst sein <strong>und</strong> bleiben wird <strong>und</strong> nicht schlechthin als Wissenschaft<br />

aufzufassen ist". Ebenda.<br />

- 94 -


Demgegenüber waren pädagogische Ausbildungsinhalte zentraler Bestandteil<br />

des statusmäßig weit unter dem Ausbildungsgang der Gymnasiallehrer stehenden<br />

Studienplans der Volksschullehrer an den Lehrerseminaren; auch von daher<br />

war es naheliegend, daß die Naturwissenschaftslehrer nicht bereit waren,<br />

den fachwissenschaftlichen Status ihrer Ausbildung gegen das fragwürdige<br />

Prestige eines 'Pädagogen' einzutauschen. An ihrer Stelle forderte<br />

Schmid "philosophische Studien", die "vom ersten Hochschulsemester an integraler<br />

Bestandteil der mathematisch-naturwissenschaftlichen Lehrerausbildung<br />

sein sollten" (Reinhardt 1907, S. 76).<br />

Konsequent lehnte der Förderverein auch eine Integration der theoretischen;<br />

sprich fachwissenschaftlichen <strong>und</strong> praktischen, also unterrichtsfachbezogenen<br />

Berufsausbildung in pädagogischen Universitätsseminaren mit<br />

Obungsschulen ab <strong>und</strong> trat für die Fortentwicklung der zwei stufigen Ausbildung<br />

ein: Die pädagogischen Seminare sollten nicht den Universitäten,<br />

sondern den Schulen angegliedert werden, "in denen der höhere Lehrerstand<br />

selbst an der pädagogischen Erziehung <strong>und</strong> Ausbildung seines Nachwuchses<br />

arbeitet" (a.a.O., S. 75).<br />

"Hier hätten sie pädagogische Vorlesungen zu hören, nicht allgemeiner Natur,<br />

wie auf der Hochschule, sondern in Anwendung auf die besonderen Wissensgebiete,<br />

in denen sie ihre Studien gemacht haben. Hier würden sie<br />

über den Lehrstoff, die Lehrmethoden <strong>und</strong> die Lehrmittel zu unterrichten<br />

sein, hier würden sie durch Beiwohnen <strong>und</strong> durch Beteiligung am <strong>Unterricht</strong><br />

eine praktisch-pädagogische Unterweisung erfahren, hier am Schul seminar<br />

könnten ihnen auch Lehraufgaben von größerem Umfang als von einer einzelnen<br />

Schul lektion übertragen werden" (ebenda).<br />

Daß der Förderverein die berufspraktische Anleitung in die Hände erfahrener<br />

Schulmänner legen <strong>und</strong> damit einer außerschulischen Kontrolle (weitgehend)<br />

entziehen wollte, bedeutete im Rahmen der zwei stufigen Ausbildung,<br />

daß den Berufsgruppenmitgliedern nicht nur eine (relativ) autonome Selbstdeutungskompetenz<br />

der Lehrerrolle <strong>und</strong> ihres pädagogischen Selbstverständnisses<br />

zugesprochen wurde, sondern daß diese auch die Möglichkeit erhalten<br />

sollten, über einen selbstverwalteten Ausbildungsgang die professionelle<br />

Selbstdeutung abzusichern <strong>und</strong> damit den Berufszugang ihres eigenen Nachwuchses<br />

zu kontrollieren.<br />

- 95 -


•<br />

Da die erstrebte Aufwertung des eigenen 'Berufsstatus' innerhalb des höheren<br />

Lehrerstandes auch wesentlich davon abhing, ob es gelang, sich gegenüber<br />

'Professionslaien' , d.h. Nicht-Gymnasiallehrern abzugrenzen, verw<strong>und</strong>ert<br />

es nicht, daß der Förderverein jedwede Maßnahme ablehnte, auch<br />

über nicht-akademische Ausbildungswege eine Lehrbefähiggung für die mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Fächer an höheren Schulen zu erreichen.<br />

So mißbilligte das Vorstandsmitglied Bode auf der Jahreshauptversammlung<br />

1911 die vom Kultusministerium aus finanzpolitischen Gründen erlassene<br />

Verfügung, wonach auch "Nichtakademiker" an staatlichen höheren Schulen<br />

den <strong>Unterricht</strong> in Mathematik <strong>und</strong> den Naturwissenschaften bis zur Mittelstufe<br />

erteilen konnten (Bericht über die 20. Hauptversammlung 1911, S.<br />

90) <strong>und</strong> in den "strebsame(n)" Volksschullehrern, die sich "autodidaktisch"<br />

auf die Mittelschullehrerprüfung vorbereiteten, sah man seitens des Fördervereins<br />

"vom mathematisch-naturwissenschaftlichen Standpunkt aus eine<br />

Gefahr" (Lorey 1938, S. 62)24).<br />

Gespannt bis ablehnend war auch das Verhältnis des Fördervereins zu Bestrebungen<br />

von Lehrergruppen, die, wie die Mehrheit der Volksschul- <strong>und</strong><br />

Mittelschullehrer, ihre eigene Ausbildung ebenfalls auf universitärem<br />

Niveau zu etablieren versuchten. Das dokumentierte sich augenfällig auf<br />

der gleichen Hauptversammlung in der Diskussion über die Reform der Mittel<br />

schul- <strong>und</strong> Seminarlehrerausbildung. So beanspruchte der Förderverein<br />

nicht nur Mitsprache bei. der Neugestaltung der mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Studienpläne, sondern auch innerhalb des Ausbildungsganges.<br />

Ober die vom preußischen Kultusministerium 1910 vorgelegten Vorschläge,<br />

die für die wissenschaftliche Ausbildung entsprechende Kurse an den Universitäten<br />

vorsahen, hinaus forderte Klein zusätzlich die Einrichtung von<br />

"einleitenden Vorkursen" , die von "erfahrenen Gymnasiallehrern in Mathematik<br />

<strong>und</strong> Naturwissenschaften" geleitet werden sollten. In diesen Kursen<br />

sollten die Kandidaten "unter Voranstellung von praktischen Aufgaben <strong>und</strong><br />

Obungen aller Art so durchgebildet werden, daß sie die Anfangsvorlesun-<br />

24) Diejenigen Volksschullehrer, die nach der 2. Staatsprüfung an einer<br />

Mittelschule unterrichten wollten, mußten seit 1901 noch ein theoretisches<br />

Examen ablegen. Dieses sogenannte Mittelschullehrerexamen<br />

bildete die Vorbedingung sowohl für den späteren Volksschul leiter als<br />

auch für den späteren Seminarlehrer.<br />

- 96 -


gen der von ihnen nach dem Mittelschulprüfungsreglement zu wählenden zwei<br />

Fächer an der Universität mit wirklichem Erfolg zu hören vermögen" (Bericht<br />

über die 20. Hauptversammlung 1911, S. 88)25) .<br />

Das Eintreten des Fördervereins für gewisse Monopolansprüche im Tätigkeitsbereich<br />

der Mathematik- <strong>und</strong> Naturwissenschaftslehrer an höheren Schulen<br />

<strong>und</strong> der daran geknüpften Expertenposition spiegelt sich auch in seinen Bemühungen<br />

um die Lehrerfortbildung wider.<br />

Um den Lehrern "frei von ihren Berufsgeschäften" über die neuesten Ergebnisse<br />

<strong>und</strong> Anwendungsbereiche ihrer Wissenschaft Informationen aus erster<br />

Hand zu geben, hatten führende Mitglieder <strong>und</strong> Vertreter der Hochschule sogenannte<br />

Ferienkurse eingerichtet 26 ), die jährlich ein- bzw. zweiwöchig an<br />

Universitäten (wie in Berlin, Göttingen, Frankfurt, Gießen etc.) stattfanden.<br />

Neben einem rein fachwissenschaftlichen Vortrags- <strong>und</strong> Experimentalprogramm,<br />

das stets den Schwerpunkt dieser Kurse bildete, fanden vielfach<br />

Lehrmitte 1 ausstell ungen statt, auf denen di e Fi rmenvertreter di e neuesten<br />

Produkte vorstellten, <strong>und</strong> es wurden häufig Besichtigungen von Fabrikanlagen<br />

durchgeführt 27 ).<br />

Es war jedoch nicht nur das Ziel der Ferienkurse, den älteren Lehrern die<br />

Gelegenheit zu geben, das auf der Hochschule erworbene Wissen wieder aufzufrischen<br />

<strong>und</strong> sie mit den neuesten Fortschritten der Wissenschaft bekannt<br />

zu machen. In Anbetracht des immer deutlicher gewordenen Rückgangs der<br />

Teilnahme mathematisch-naturwissenschaftlicher Gymnasiallehrer am akademischen<br />

Forschungsprozeß <strong>und</strong> der dadurch eingeschränkten Möglichkeit wissenschaftlicher<br />

Fortbildung sollte interessierten Lehrern mit den Ferien-<br />

25) Diesem Vorschlag schloß sich der Förderverein mit einer Resolution<br />

an, in der er seinen Mitgliedern empfahl, "bereitwillig an der Lösung<br />

dieser Frage mitzuarbeiten, falls die Aufforderung an sie herantritt"<br />

(a.a.O., S.90).<br />

26) In Berlin war es Bernhard Schwalbe, Mitbegründer des Fördervereins<br />

<strong>und</strong> Vorstandsmitglied; in Göttingen Felix Klein.<br />

27) Vgl. u.a.: Kleine Mitteilungen: Ferienkurse in Jena 1895, S. 31f;<br />

Vereine <strong>und</strong> Versammlungen: Naturwissenschaftliche Ferienkurse für<br />

Lehrer an höheren Schulen zu Berlin 1896, S. 28; Vereine <strong>und</strong> Versammlungen:<br />

Lehrmittelausstellung bei dem Berliner Ferienkursus 1898, S.<br />

48f; Schul- <strong>und</strong> Universitätsnachrichten: Fortbildungskurse zu Frankfurt/Main<br />

1908, S. 87.<br />

- 97 -


kursen - quasi als Verlängerung des Studiums - die Chance gegeben werden,<br />

ihre fachwissenschaftliche Qualifikation während des Berufslebens zu vollenden<br />

28 ). Da jedoch hierfür die Kursdauer nicht ausreichte, trat der Förderverein<br />

- unter Hinweis auf die Möglichkeit eines halbjährigen Auslandsaufenthaltes,<br />

der Englisch- <strong>und</strong> Französischlehrern an höheren Schulen von<br />

staatlicher Seite gewährt wurde (Latrille 1904, S. Iff) - für Reisestipendien<br />

"zum Besuch biologischer Stationen, naturwissenschaftlich eigenartiger<br />

Gegenden (<strong>und</strong>) hervorragendender Lehrinstitute" ein (Reinhardt 1907,<br />

S. 91), <strong>und</strong> forderte anstelle der mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Ferienkurse die Errichtung von Fortbildungssemestern (vgl. Vereine <strong>und</strong><br />

Versammlungen: 22. Hauptversammlung 1913, S. 74f). Eine solche Einrichtung,<br />

für die sich insbesondere Felix Klein beim preußischen Kultusminister<br />

einsetzte (Vereine <strong>und</strong> Versammlungen: 23, Hauptversammlung 1914, S.<br />

78), sollte im Winter 1914/15 versuchsweise in Göttingen eingeführt werden.<br />

Infolge des Kriegsausbruchs scheiterte dieses Vorhaben jedoch.<br />

28) Auf der Hauptversammlung des Fördervereins 1907 in Dresden betonte<br />

Reinhardt in seinem Vortrag: "Es besteht kein Zweifel darüber, daß<br />

auch in dieser Zeit (nach 8 Semestern Hochschulstudium, A.K.) die<br />

wissenschaftliche Ausbildung des Kandidaten nicht vollendet ist. Er<br />

wird die Hochschule nicht mit einer abgeschlossenen wissenschaftlichen<br />

Fachausbildung verlassen; er soll aber fähig <strong>und</strong> bestrebt sein,<br />

der Fortbildung <strong>und</strong> Vollendung seiner wissenschaftlichen Qualifikation<br />

auch im Berufsleben obzuliegen. Daraus besteht für die staatlichen<br />

Behörden die Verpflichtung, ihren jungen Beamten den Weg zur<br />

Weiterbildung in ihrem Berufe zu bahnen." Reinhardt 1907, S. 70. Angesichts<br />

der vielen Mathematiker, "die die Hochschule verlassen, ohne<br />

den erwünschten akademischen Grad (Doktor-Promotion, A.K.) sich erworben<br />

oder auch nur die spätere Erwerbung vorbereitet zu haben",<br />

kritisierte Reinhardt, daß "zuweilen die Ansprüche an eine mathematische<br />

Dissertation in ungebührlicher Weise gesteigert worden" seien;<br />

er appelierte an die Hochschulen, den Studenten "die Erwerbung<br />

akademischer Grade ... nicht (zu) erschweren". (a.a.O., S. 73f).<br />

- 98 -


8. Der Förderverein im ersten Weltkrieg <strong>und</strong> die kriegspropädeutische Ausrichtung<br />

des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s<br />

Für d,ie mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrer war der Erste<br />

Weltkrieg von einschneidender Bedeutung: Noch nie zuvor spielten Naturwissenschaft<br />

<strong>und</strong> Technik in einem Krieg eine so beherrschende Rolle (siehe<br />

Hermann 1982, S. 94ff), bereits in den Vorkriegsjahren hatte dieser Gesichtspunkt<br />

(bedingt durch den enormen Ausbau der Flottei)) die Verbesserung<br />

der naturwissenschaftlichen Vor- bzw. Ausbildung als unentbehrlich<br />

erscheinen lassen.<br />

Gestützt auf das Bewußtsein, die Bevölkerung für den Konkurrenzkampf der<br />

Nationen auf dem Gebiete der Industrie <strong>und</strong> der militärischen Geltung tüchtiger<br />

zu machen (Schotten 1905, S. 316), eröffnete sich den naturwissenschaftlichen<br />

Gymnasiallehrern mit Kriegsbeginn die Möglichkeit, die Reform<br />

des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s, wie sie in den Meraner Beschlüssen<br />

gefordert, jedoch ihres Erachtens bislang nur unzureichend erfüllt<br />

worden war, nunmehr unter dem Signum des Kriegsgeschehens voranzutreiben.<br />

Groß war dabei nicht nur die Bereitschaft der Beteiligten, groß waren auch<br />

die Chancen zu ihrer Verwirklichung.<br />

Denn mit den in den ersten Kriegsmonaten vom preußischen <strong>und</strong> sächsischen<br />

Kriegsministerium herausgegebenen "Richtlinien für die militärische Vorbildung<br />

der älteren Jahrgänge der Jugendabteilungen während des Kriegszustandes",<br />

die die Vorbereitung der Altersklassen vom 16. Lebensjahr aufwärts<br />

betrafen <strong>und</strong> in denen u.a. auch mathematisch-naturwissenschaftliche<br />

Themen angesprochen wurden 2 ), konnten die nationalistischen Eiferer unter<br />

den Vertretern der schulischen Naturwissenschaften, die - wie im übrigen<br />

1) In den letzten Vorkriegsjahren flossen 60% des Rüstungsetats in den<br />

Flottenbau. Wehler 1980, S. 170.<br />

- 99 -


•<br />

auch die meisten Naturwissenschaftler 3 )- von der gerechten Sache Deutschlands<br />

überzeugt waren (ausführlicher Hermann 1982, ebenda), an eine Bündnistradition<br />

mit dem Militär anknüpfen, die sich um die Jahrh<strong>und</strong>ertwende<br />

im Kampf um die Anerkennung der Oberrealschulen <strong>und</strong> Realgymnasien als<br />

gleichberechtigte Schul formen neben den humanistischen Gymnasien bewährt<br />

hatte.<br />

Unter standes- bzw. statuspolitischen Gesichtspunkten war dieses Bündnisansinnen<br />

insofern bedeutsam, als es den Mathematik- <strong>und</strong> Naturwissenschaftslehrern<br />

gegenüber jenen schon vor Kriegsbeginn zunehmenden politisch-nationalistischen<br />

Begründungsversuchen der höheren Schule, die historischphilologisch<br />

orientiert waren <strong>und</strong> sich zum Teil gegen den naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong> wandten, eine professionelle Legitimation verschaffte,<br />

an den "großen vaterländischen Aufgaben" (Witting 1915, S. 17)<br />

mitzuarbeiten.<br />

2) Hierzu gehörten: Lehre vom Gelände, Geländebeschreibung, Entfernungsschätzen,<br />

Gebrauch der Uhr, Kompaß <strong>und</strong> Fernsprecher, Herstellung von<br />

Schwimmkörpern, Flößen, Behelfsbooten <strong>und</strong> Brückenstegen sowie Angaben<br />

über die heutige Waffenentwicklung. Siehe Witting 1915, S. 16.<br />

3) Zur stärksten Konzentration der naturwissenschaftlichen <strong>und</strong> technischen<br />

Verbände kam es während des Weltkrieges durch die Gründung des<br />

"Deutschen Verbandes technisch-wissenschaftlicher Vereine" (DVTWV)<br />

im Jahre 1916, in dem sich der VDI, der Verband deutscher Architekten-<br />

<strong>und</strong> Ingenieurvereine, der Verein deutscher Eisenhüttenleute, der<br />

Verband deutscher Chemiker, der Verband deutscher Elektrotechniker<br />

<strong>und</strong> die Schiffbautechnische Gesellschaft zusammengeschlossen hatten.<br />

Im Gründungsaufruf heißt es: "Der Krieg erzieht zur Organisation. Fast<br />

täglich hören wir vom Zusammenschluß großer Industriegruppen, von Vereinigungen<br />

staatlicher, städtischer <strong>und</strong> privater Körperschaften zum<br />

gemeinsamen Vorgehen auf bestimmten Gebieten. Die gewaltigen technischen<br />

Leistungen, die der Krieg erfordert <strong>und</strong> die beim Obergang zum<br />

Frieden nicht geringer werden, haben nunmehr durch die großen technisch-wissenschaftlichen<br />

Vereine, deren umfangreiche Arbeiten auf den<br />

verschiedensten Gebieten der Technik <strong>und</strong> Industrie viel zu verdanken<br />

hat, zu der Oberzeugung gebracht, daß große neue Aufgaben ihrer harren,<br />

die gemeinsam zu lösen, die heutige Zeit dringend erfordert." <strong>Unterricht</strong>sblätter<br />

1916, S. 80. Zu seinen Aufgaben zählte der 60.000<br />

Mitglieder umfassende Verband: Fragen der technischen Gesetzsgebung,<br />

die Vereinheitlichung technischer Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> die des technischen<br />

<strong>Unterricht</strong>swesens.<br />

- 100 -


In dieser Richtung wurde als erster der DAMNU initiativ, der in seinen<br />

Oberlegungen darüber, wie "gerade die naturwissenschaftlichen Kenntnisse<br />

<strong>und</strong> Obungen im Dienste der Jugendbildung für das Heer zu verwenden"<br />

seien (ebenda), vom Förderverein unterstützt wurde.<br />

Dieser hatte sich schon gleich nach Kriegsausbruch dafür stark gemacht,<br />

die Kriegserfahrungen für den naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong> inhaltlich<br />

<strong>und</strong> methodisch nutzbar zu machen; er rief seine Mitglieder auf, hierbei<br />

'aktiv mitzuarbeiten. So regte der Vorstand des Fördervereins u.a. an,<br />

Berichte zusammenzustellen "über neue durch den Krieg hervorgerufene <strong>Unterricht</strong>sliteratur"<br />

<strong>und</strong> startete 1915 - in der Oberzeugung, daß der Krieg<br />

bald siegreich beendet sein werde - ein Preisausschreiben zum Thema: "Welche<br />

Forderungen sind nach dem Krieg an die Erziehung der deutschen Jugend<br />

zu stellen, <strong>und</strong> was kann der mathematische <strong>und</strong> naturwissenschaftliche <strong>Unterricht</strong><br />

zur Verwirklichung dieser Forderungen beitragen?" Die preisgekrönten<br />

Arbeiten wurden unter dem Titel "Die Bedeutung des mathematischen<br />

<strong>und</strong> naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s für die Erziehung der Jugend" 1917<br />

als Buch veröffentlicht (Vereinsangelegenheiten 1915, S. 41). In der Vereinszeitschrift<br />

wurden darüber hinaus regelmäßig Beiträge veröffentlicht,<br />

in denen die nationale Bedeutung des Krieges herausgestellt <strong>und</strong> entsprechende<br />

<strong>Unterricht</strong>sbeispiele gegeben wurden. So erörterte beispielsweise<br />

Prof. A. Witting, der Fördervereinsmitglied <strong>und</strong> im Krieg Hauptmann <strong>und</strong><br />

Kompanieführer war, in seinem Aufsatz "Die Naturwissenschaften <strong>und</strong> die<br />

militärische Jugenderziehung" an Beispielen die Bedeutung der Mathematik<br />

<strong>und</strong> der Naturwissenschaften im Krieg (<strong>Unterricht</strong>sblätter 1915, S. 16f).<br />

Der Oberrealschullehrer R. Winderlich behandelte auf dem Hintergr<strong>und</strong> der<br />

Kriegserfahrungen das Thema "Staatsbürgerliche Erziehung, die Aufgabe jeglichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s" (a.a.O., S. 6lff). Mit "Krieg -Wetterk<strong>und</strong>e -Schule"<br />

beschäftigte sich der Frankfurter Meterologe F. Linke (<strong>Unterricht</strong>sblätter<br />

1916, S. 21ff), <strong>und</strong> Wendler behandelte unter dem Aspekt der vormilitärischen<br />

Jugenderziehung "Entfernungsmessungen mit einfachen Mitteln" (Lorey<br />

1938, S. 71). Von graphischen Schußtafeln <strong>und</strong> vom Flakschießen handelten<br />

zahlreiche kleinere Artikel (vgl. Keller 1917, S. 108ff).<br />

Ihre Entsprechung fanden diese Vereinsinitiativen u.a. in einer Vielzahl<br />

von Lehrbüchern, die in wenigen Monaten auf den Markt kamen, wie beispielsweise<br />

"Der Physikunterricht im Dienst der Marine", "Die Chemie im Kriege",<br />

"Natur <strong>und</strong> Krieg" oder "Kriegsgeographie".<br />

- 101 -


Praktische Ergebnisse <strong>und</strong> Wirkungen gingen auch von staatlicher Seite<br />

aus. So wurde das im März 1915 gegründete "Zentral institut für Erziehung<br />

<strong>und</strong> <strong>Unterricht</strong>" in Berlin mit der Ausstellung "Schule <strong>und</strong> Krieg" eröffnet,<br />

die "an ausgewählten anschaulichen Beispielen zeigen (sollte), welche<br />

Wirkungen der Krieg auf die Arbeit der Schule <strong>und</strong> darüber hinaus auf<br />

die Erziehung, Bildung <strong>und</strong> Betätigung der Jugend überhaupt bisher ausgeübt<br />

hat <strong>und</strong> voraussichtlich weiter ausüben wird".<br />

Dabei orientierte sich "die Ausstellung an folgenden Fragen:<br />

"1. Was können Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen unmittelbar für den Krieg leisten?<br />

2. Was wissen sie vom Krieg?<br />

3. Wie kann man sie über den Krieg belehren <strong>und</strong> ihre innere Anteilnahme<br />

wecken?<br />

4. Wie kann die Jugend für den späteren Militärdienst vorbereitet werden?"<br />

(Ausstellung "Schule <strong>und</strong> Krieg", 1915, S. 17).<br />

Auch die "Preußische Zentralstelle für den naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>",<br />

die am 1. Oktober 1914 in Berlin gegründet wurde 4 ) <strong>und</strong> zu deren<br />

Leiter das Fördervereinsmitglied Hermann Hahn ernannt worden war, veranstaltete<br />

im April <strong>und</strong> Mai 1915 eine Reihe von Vorträgen zum Thema "Schule<br />

<strong>und</strong> Krieg" - so u.a. über "Beziehungen zwischen dem mathematischen <strong>Unterricht</strong><br />

<strong>und</strong> dem täglichen Leben, insbesondere den Erscheinungen des<br />

Kriegs", "Krieg <strong>und</strong> physikalischer <strong>Unterricht</strong>", "Der Weltkrieg im erdk<strong>und</strong>lichen<br />

<strong>Unterricht</strong>", "Chemie, Krieg <strong>und</strong> Schule" <strong>und</strong> über die Fragen "Wie<br />

läßt sich. das Verständnis für artilleristische Dinge fördern?" <strong>und</strong> "Welche<br />

neuen Gesichtspunkte für den biologischen <strong>Unterricht</strong> ergeben sich aus<br />

dem Kriege?" (Vorträge über Schule <strong>und</strong> Krieg 1915, S. 75f).<br />

Kennzeichnend für die kriegspropädeutische Ausrichtung des naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s war, daß nicht nur die <strong>Unterricht</strong>sarbeit plan-<br />

4) Aufgabe dieser u.a. auf Initiative des Fördervereins eingerichteten<br />

Anstalt war es, "die Vorbereitung <strong>und</strong> Leitung der naturwissenschaftlichen<br />

Fortbildungskurse für die Lehrer <strong>und</strong> Lehrerinnen an den höheren<br />

Lehranstalten sowie den Seminar- <strong>und</strong> Präparandenanstalten in Preußen,<br />

insbesondere in Groß-Berlin" zu übernehmen <strong>und</strong> außerdem als "Prüfungs<strong>und</strong><br />

Auskunftsstelle für naturwissenschaftliche Lehrmittel (zu) dienen".<br />

Bis zu seiner Ernennung zum Leiter des Instituts war Hermann<br />

Hahn Oberlehrer am Dorotheenstädtischen Realgymnasium in Berlin. Vereine<br />

<strong>und</strong> Versammlungen 1915, S. 74f.<br />

- 102 -


1. Anzahl der höheren Schulen<br />

WS 1890/91 % WS 1899/1900 % 1.2.1910 % 1.2.1918 % I<br />

Gymnasium 270 73% 291 72% 342 58 % 350 51%<br />

Realgymnasium 86 24 % 77 19 % 152 26 % 210 31%<br />

Oberrealschule 9 3% 35 9% 92 16 % 121 18 %<br />

2. Anzahl der Schüler<br />

365 100 % 403 100% 586 100 % 681 100 %<br />

WS 1890/91 % WS 1899/1900 % 1.2.1910 % 1. 2 .1918 %<br />

Gymnasium 75.599 72% 85.939 72% 103.643 56% 93.867 46%<br />

Realgymnasium 25.265 24% 20.682 17% 44.885 24% 61. 337 30%<br />

Oberrealschule 4.080 4% 13.688 11% 37.677 20% 48.487 24%<br />

104.944 100% 120.309 100% 186.205 100% 203.691 100% I<br />

3. Anzahl der Abgänge mit Maturitäts- oder Reifezeugnis<br />

WS 1890/91 % WS 1899/1900 % 1.2.1910 % 1.2.1918 %<br />

Gymnasium 2.734 86,4 % 3.822 82,6 % 5.800 70,6% 3.860 55,1%<br />

Realgymnasium 421 13,3% 549 11,9 % 1.436 17,5% 1. 928 27,5%<br />

Oberrealschule 8 0,3 % 256 5,5 % 976 11,9% 1. 220 17,4%<br />

3.163 100 % 4.627 100 % 8.212 100 % 7.008 100%<br />

- 107 -


9. Der Förderverein <strong>und</strong> die Weimarer Republik<br />

Nach dem militärischen Zusammenbruch des Kaiserreichs <strong>und</strong> den politischen<br />

Ereignissen der Novemberrevolution schien es für einen kurzen Zeitraum so,<br />

als ob sich die politischen Kräfte der bürgerlich-demokratischen Mitte,<br />

die Sozialdemokratie sowie die sozialistische (USPD) <strong>und</strong> kommunistische<br />

Bewegung (KPD), die im Kaiserreich in der Opposition gestanden hatten,<br />

längerfristig würden durchsetzen können.<br />

Die Schwäche des liberalen Bürgertums einerseits <strong>und</strong> die Spaltung der Arbeiterbewegung<br />

andererseits prägten jedoch die Revolution derart, daß sie<br />

zwar die Monarchie beseitigte <strong>und</strong> der Bevölkerung demokratische Rechte<br />

einbrachte, die sie zuvor noch nicht hatte, die gesellschaftliche Macht<br />

der politisch herrschenden Kräfte des Kaiserreichs - Wirtschaft, Militär<br />

<strong>und</strong> Staatsapparat - aber weitgehend unberührt blieb. Daß die Herrschaft<br />

der traditionellen Mächte nicht ernsthaft bedroht war, zeigt sich auch<br />

in der Rolle der höheren Schule innerhalb des Bildungssystems.<br />

Im Unterschied zu den besonders umstrittenen Änderungen der Volksschulbildung<br />

(obligatorische 4-jährige Gr<strong>und</strong>schule, Verbesserung der Volksschullehrerbildung<br />

<strong>und</strong> Abbau konfessionell bedingter Bildungsbeschränkungen)<br />

wurden die Strukturen <strong>und</strong> Inhalte der höheren Schule (humanistisches<br />

Gymnasium, Realgymnasium <strong>und</strong> Oberrealschule) selbst von den Reformkräften<br />

nie ernsthaft in Frage gestellti); sie standen in ihren Gr<strong>und</strong>festen<br />

weiterhin ungebrochen unter der Vorherrschaft der traditionellen<br />

Interessen der Hochschulen <strong>und</strong> der Philologen (vgl. S.F. Müller 1977 (a),<br />

1) Die sozialdemokratische Schulpolitik im Hinblick auf die höhere Bildung<br />

war ambivalent. Z.T. zollte man der "Kulturleistung" der Gymnasien<br />

Respekt <strong>und</strong> sah ihre Aufgaben darin, "die Fahne des deutschen<br />

Humanismus (zu) entrollen", z.T. lehnte man sie pauschal als Hort der<br />

Reaktion ab. Vgl. S.F. Müller 1977 (a) S. 153ff; Wittwer 1980, S.<br />

500ff.<br />

- 108 -


S. 223f <strong>und</strong> S. 231f). Abgesehen von einem kurzen Umschwenken führender<br />

Fördervereinsvertreter ins Lager des Fortschritts 2 ), eine Reaktion, die<br />

vermutlich aus einer momentanen berufspolitschen Verunsicherung heraus<br />

resultierte, bezog der Förderverein sehr schnell wieder seine ursprüngliche<br />

Position, wobei der Nationalgedanke zentrales Motiv seiner Interessenpolitik<br />

blieb.<br />

Auf der Woge der nationalen Empörung über das "Versailler Schanddiktat"<br />

stellte er nicht nur demonstrativ den Zusatz "Deutscher" vor seinen Vereinsnamen<br />

3 ), sondern offerierte die von ihm vertretene naturwissenschaftliche<br />

Bildung zuglejch als geeignetes Mittel für das wirtschaftliche <strong>und</strong><br />

militärische Wiedererstarken Deutschlands (Poske 1921, S. 18f; Körner<br />

1922, S. 13ff).<br />

In den folgenden Jahren trat das deutsch-nationale Bekenntnis immer stärker<br />

in den Vordergr<strong>und</strong>. So wurden die Jahrestagungen des Fördervereins<br />

nicht selten zu regelrechten K<strong>und</strong>gebungen "zur deutschen Wissenschaft, zur<br />

deutschen Pädagogik, zur deutschen Schule <strong>und</strong> zum deutschen Erziehungsprinzip<br />

in den exakten Fächern" hochstilisiert; es wurden Resolutionen gegen<br />

Deutschlands Besatzungsknechtschaft verabschiedet <strong>und</strong> die "Zukunft eines<br />

freien deutschen germanisch-arischen Geistes" beschworen (so von Philipp<br />

Lenard unter großem Beifall auf der Jahrestagung 1924) (vgl. Die Jubiläumstagung<br />

1922, S. 27; Die 26. Hauptversammlung 1924, S. 27ff; Lorey<br />

1938, S. 81 <strong>und</strong> S. 86f).<br />

2) So offerierte der Vorsitzende des Fördervereins Friedrich Poske nur<br />

wenige Wochen nach der Novemberrevolution in der "Neue(n) Erziehung",<br />

der "sozialistischen pädagogischen Zwei-Wochenschrift" des späteren<br />

"B<strong>und</strong>es der entschiedenen Schulreformer", anknüpfend an die "große Umwälzung<br />

vom November 1918" den naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong> als<br />

geeignetes Mittel zur Oberwindung von "Doktrinarismus <strong>und</strong> Bureaukratismus"<br />

Poske 1919 (b). Die Schuld an Doktrinarismus <strong>und</strong> Bureaukratismus<br />

gab er dabei der Oberbetonung des Sprachunterrichts in der höheren<br />

Schule. Ähnlich äußerte sich auch Heinrich Timerding, Mitglied des<br />

DAMNU <strong>und</strong> des Fördervereins, der in derselben Zeitschrift den geisteswissenschaftlichen<br />

Fächern engste Verbindung mit der politischen Reaktion<br />

vorwarf, während er dem der "Neuen Zeit" entsprechenden naturwissenschaftlichen<br />

Denken entscheidende revolutionäre Potenzen zuschrieb.<br />

Timerding 1919.<br />

3) Beschlossen auf der Vorstandssitzung am 6. Juni 1920. Lorey 1938, S.73.<br />

- 109 -


9.1 Widerstand gegen pädagogische Reformen: Die Deutsche Oberschule<br />

Angesichts dieser eindeutigen Verortung im lager der politischen Reaktion<br />

nimmt es nicht W<strong>und</strong>er, daß die pädagogische Reformbewegung anders als im<br />

Volksschulbereich bei den Gymnasialvertretern der Naturwissenschaften keine<br />

Chance hatte, zumal sie mit ihrer Tendenz zur Vereinheitlichung des<br />

vertikal gegliederten Schulsystems die berufspolitischen Interessen der<br />

Gymnasiallehrer massiv beeinträchtigte.<br />

Deutlich zeigte sich das in der ablehnenden Haltung des Fördervereins zu<br />

den Einheitsschulforderungen, in denen er die Gefahr einer "Uniformierung<br />

des gesamten <strong>Unterricht</strong>swesens" <strong>und</strong> damit die bisherigen Bildungsziele<br />

der höheren Schule in Frage gestellt sah.<br />

In den bereits am 7. Oktober 1916 verabschiedeten "leitsätzen über die<br />

Stellung <strong>und</strong> Aufgaben des mathematisch-naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s"<br />

(leitsätze 1916, S. 123) plädierte er zwar für eine geschlossene<br />

Gliederung des gesamten Schul aufbaus von Sexta bis Oberprima, trat jedoch<br />

gleichzeitig für eine schärfere Zäsur zwischen Mittel- <strong>und</strong> Oberstufe 4 )<br />

<strong>und</strong> für die Errichtung einer höheren Schul form ein, die der mathematischnaturwissenschaftlichen<br />

Einzelbegabung gerecht werde: "Für die in mathematisch-naturwissenschaftlicher<br />

Richtung einseitig begabten Schüler müssen<br />

in bezug auf das Aufrücken bis zur Erschließung des Hochschulstudiums<br />

dieselben Aufstiegsmöglichkeiten gesichert werden, wie für die nach anderen<br />

Richtungen einseitig begabten Schüler" (leitsatz 5) (ebenda).<br />

Erneut wiederholt wurden die genannten Forderungen in den "Entschließungen<br />

zur Schulreform" des Fördervereins, des DAMNU <strong>und</strong> der GDNA, in denen diese<br />

- anläßlich der bevorstehenden Relchsschulkonferenz im Juni 1920 - zu<br />

den Reformplänen für das höhere Schulwesen Stellung nahmen 5 ).<br />

4) In Gr<strong>und</strong>satz 2 heißt es u.a.: "Mit Rücksicht auf die Schüler, die von<br />

der Mittelstufe abgehen, um in das praktische leben einzutreten oder<br />

auf Fachschulen ihre weitere Ausbildung zu suchen, ist zu fordern, daß<br />

die Mittelstufe der höheren lehranstalten von dem Obermaß des fremdsprachlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s entlastet wird". (ebenda)<br />

- 110 -


Obereinstimmend sprachen sie sich darin für eine Einschränkung des fremdsprachlichen<br />

zugunsten des mathematisch-naturwissenschaftlichen <strong>und</strong> erdk<strong>und</strong>lichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s sowie für eine Aufhebung der einseitigen Auslese<br />

der nur sprachlich Begabten aus <strong>und</strong> forderten, daß die "berechtigten Interessen<br />

der praktischen Berufe" stärker berücksichtigt <strong>und</strong> die Mathematik<br />

<strong>und</strong> Naturwissenschaften auf der Deutschen Oberschule verstärkt werden sollten.<br />

Maßgeblich für die Begründung dieser Forderungen war die nationale<br />

Bedeutung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildung: "Wie vor 100<br />

Jahren können wir uns nach dem Zusammenbruch unserer Machtstellung in der<br />

Welt nur noch auf unsere geistigen Güter, auf unsere Leistungsfähigkeit<br />

auf wissenschaftlichem <strong>und</strong> technischem Gebiet stützen. Diese zu erhalten<br />

<strong>und</strong> nach Möglichkeit zu steigern, ist unsere nächste <strong>und</strong> vornehmste Aufgabe"<br />

(Poske 1919 (a)).<br />

Daß es den mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrern speziell<br />

die Deutsche Oberschule "angetan" hatte, war nicht zufällig. Nach Artikel<br />

143, 1 der Weimarer Reichsverfassung war das Reich verpflichtet, die<br />

Volksschullehrerausbildung zu reformieren <strong>und</strong> sie hinsichtlich ihrer schu-<br />

1i schen Voraussetzungen "nach den Gr<strong>und</strong>sätzen, di e für di e höhere Bil dung<br />

allgemein gelten, für das Reich einheitlich zu regeln". Erfolgen sollte<br />

diese Neuordnung in Zusammenhang mit dem Aufbau der "Deutschen Oberschule".<br />

Sie sollte nämlich u.a. für diejenigen Schüler, die den Volksschullehrerberuf<br />

anstrebten, an die Stelle des bisherigen Lehrerseminars <strong>und</strong><br />

der Präparandenanstalten treten <strong>und</strong> war als eigenständiger Typus der höheren<br />

Schule neben dem humanistischen Gymnasium, dem Realgymnasium <strong>und</strong><br />

der Oberrealschule gedacht.<br />

Bei den mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrern mußte dieser<br />

Plan insofern auf Ablehnung stoßen, als die auf der Deutschen Oberschule<br />

zu vermittelnde höhere Bildung sich vorrangig auf die sogenannten<br />

"deutschk<strong>und</strong>lichen Fächer", d.h. auf Deutsch, Geschichte, Werken, Kunst,<br />

5) Siehe Entschließung des Vorstandes des Fördervereins vom 7. Juli 1919.<br />

Entschließung der geschäftsführenden Kommission des Deutschen Ausschusses<br />

für den mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong> vom<br />

6. Juli 1919 in Göttingen. 86. Versammlung Deutscher Naturforscher<br />

<strong>und</strong> Ärzte in Bad Nauheim vom 19.-23.9.1920.<br />

- 111 -


Heimat-, Erd- <strong>und</strong> Staatsbürgerk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> nicht auf die Naturwissenschaften<br />

sowie fremdsprachlichen Fächer gründen sollte (vgl. Karstädt 1920).<br />

Kritisiert wurde vor allem die Oberbetonung der "literarisch-historischen<br />

Bildung". Sie sei im Gegensatz zum mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Bildungskanon nicht nur unzeitgemäß, sondern letztlich auch kaum wissenschaftlich<br />

f<strong>und</strong>iert (Poske 1919 (a)). Die Kontroverse um die Stellung der<br />

deutschk<strong>und</strong>lichen Fächergruppe sowie der mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Fächer auf der Deutschen Oberschule nahm immer schärfere Züge an, als<br />

nach dem Regierungswechsel im November 1921 die Koordination der Lehrplanentwürfe<br />

für die deutsche Oberschule, an denen in Fortsetzung ihrer im<br />

Krieg begonnenen Lehrplanarbeit auch die mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Fachverbände mitgewirkt hatten 6 ), Hans Richert übertragen wurde.<br />

Richert, dessen bildungstheoretische Vorstellungen stark von der Philosophie<br />

<strong>und</strong> Pädagogik des deutschen Idealismus geprägt waren (Schmoldt 1980,<br />

S. 107ff; S.F. Müller 1977 (a), S. 305ff), erkannte zwar den "gewaltigen<br />

Beitrag" der Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften "zur deutschen Geistesgeschichte"<br />

"sowie ihre zentrale Stellung in der deutschen Philosophie"<br />

(Denkschrift 1922, S. 2) an <strong>und</strong> stimmte mit den naturwissenschaftlichen<br />

Interessenvertretern auch darin überein, daß "Technik <strong>und</strong> Industrie ... zu<br />

beherrschenden Lebensmächten" geworden seien, kritisierte jedoch, daß dadurch<br />

die "spekulativen <strong>und</strong> ästhetischen Bildungsfaktoren" zugunsten der<br />

6) Die Gr<strong>und</strong>lage für die Lehrpläne des mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s auf der Deutschen Oberschule bildeten die im Dezember<br />

1920 vom <strong>Unterricht</strong>sministerium angeforderten Gutachten des DAMNU<br />

von Realgymnasialdirektor Schulte-Tigges, Prof Dr. Poske, Oberrealschuldirektor<br />

Dr. Zühlke, Studienrat Dr. Rein, Studienrat Prof. Dr.<br />

Dörrie (Oberrealschule) <strong>und</strong> Dr. Dromer (Prorektor eines Lehrerseminars).<br />

Am 20.1.1921 fand außerdem eine "Aussprache über den mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>" statt, zu dem der Staatssekretär<br />

Becker Vertreter des Fördervereins, des DAMNU <strong>und</strong> des "Reichsverbandes<br />

Deutscher Mathematischer Gesellschaften <strong>und</strong> Vereine" eingeladen<br />

hatte. Im wesentlichen wiederholten die Fachvertreter auf dieser<br />

Sitzung die bereits von den Verbänden vorgetragenen Forderungen.<br />

Zur Schulreform 1921, S. 18f. Der "Reichsverband Deutscher Mathematischer<br />

Gesellschaften <strong>und</strong> Vereine", der im Januar 1920 in Göttingen gegründet<br />

wurde, verfolgte das Ziel, einer Einschränkung des Mathematikunterrichts<br />

an allen Art von Schulen im Rahmen der bevorstehenden<br />

Schulreform entgegenzuwirken. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1921, S. 91.<br />

- 112 -


sches Schulwesen" <strong>und</strong> der "Reichsb<strong>und</strong> Deutscher Technik", die - über die<br />

Einwände des Fördervereins hinausgehend - in den Kürzungen der mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Fächer die Gefahr sahen, daß speziell die<br />

Abiturienten der Gymnasien <strong>und</strong> Realgymnasien zukünftig nicht mehr ausreichende<br />

Vorkenntnisse für das technische Studium mitbrächten <strong>und</strong> somit eine<br />

unnötige Verlängerung der Studienzeit einträte (S.F. Müller 1977 (a),<br />

S. 324).<br />

Ebenfalls abgelehnt wurden die Reformpläne von den mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Fakultäten der Universitäten <strong>und</strong> Technischen Hochschulen.<br />

Um das fachwissenschaftliche Niveau ihrer Ausbildungsgänge bemüht, forderten<br />

sie eine der Oberrealschulreife entsprechende mathematisch-naturwissenschaftliche<br />

Vorbildung für alle Abiturienten <strong>und</strong> betonten, daß die Bedeutung<br />

der naturwissenschaftlichen <strong>und</strong> technischen Forschung für die industrielle<br />

Leistungsfähigkeit Deutschlands als "kulturelles" Bildun9sQut<br />

in allen höheren Schulen stärker herausgestellt werden mÜßte 7 ).<br />

Dies war auch der Gr<strong>und</strong>tenor der Kritik der Industrie, die sich erstmals<br />

wieder in die Schulreformdiskussion einschaltete <strong>und</strong> die naturwissenschaftlich-technischen<br />

Fach- <strong>und</strong> Berufsverbände, sofern sie nicht in ihnen vertreten<br />

waren, aktiv unterstützte.<br />

Unter Bezugnahme auf die Industrialisierung Deutschlands <strong>und</strong> die notwendige<br />

Intensivierung der Wirtschaft, um gegenüber dem Ausland konkurrenzfähig<br />

zu bleiben, befürchteten sie, daß durch das Zurückdrängen der Mathematik<br />

<strong>und</strong> der Naturwissenschaften in den höheren Schulen zukünftig ein Mangel an<br />

naturwissenschaftlich-technisch vorgebildeten Führungskräften drohen würde,<br />

was längerfristig zu einer 'nationalen Gefahr' führen könnte 8 ).<br />

Doch der Industrie ging es nicht allein um ihren Bedarf an naturwissenschaftlich-technischen<br />

Fachkräften, sondern gleichzeitig um ihr öffentli-<br />

7) Vgl. u.a. Einspruch von Fachmännern der Universität <strong>und</strong> der höheren<br />

Schulen Münsters 1924, S. 45. Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät<br />

der Universität Göttingen a.a.O., S. 88f. Denkschrift der Tec·hnischen<br />

Hochschulen, a.a.O., S. 89f. Resolution der Technischen Hochschule<br />

Hannover, a.a.O., S. 90. Erklärung zur Frage der Schulreform<br />

der Mathematischen Gesellschaft in Hamburg, a.a.O. S. 90f. Das rheinisch-westfälische<br />

Industriegebiet zur Schulreform, a.a.O., S. 91f.<br />

- 114 -


Obwohl das Kultusministerium auf die Forderungen der mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Fachverbände <strong>und</strong> der Industrie nur widerstrebend reagierte<br />

<strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich die von ihnen erhobenen Forderungen zur Gestaltung<br />

der höheren Schule zurückwies, sind in den im April 1925 erlassenen<br />

"Richtlinien für die Lehrpläne der höheren Schulen Preußens" die Einwände<br />

der Fachverbände doch relativ weitgehend berücksichtigt worden.<br />

Zwar erlitt der mathematisch-naturwissenschaftliche <strong>Unterricht</strong> in fast<br />

allen höheren Schul formen geringfügige zeitliche Einbußen 9 ), dafür wurden<br />

die von den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fachverbänden erstellten<br />

Lehrpläne jedoch fast wörtlich in die Richtlinien übernommen 10 ), obwohl<br />

sie den inhaltlichen Vorstellungen <strong>und</strong> Forderungen der preußischen Gymnasialreform<br />

keineswegs entsprachen.<br />

Tabelle: St<strong>und</strong>enverteilung von Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften in den<br />

Lehrplänen von 1901 <strong>und</strong> 1925 des humanistischen Gymnasiums (G),<br />

des Realgymnasiums(RG), der Oberrealschule (OR) <strong>und</strong> der Deutschen<br />

Oberschule (OS) (nach Reble 1975, S. 150 <strong>und</strong> Giese 1961, S.217ff).<br />

1901 1925<br />

G RG OR G RG OR OS<br />

Mathematik 34 42 47 31 36 43 37<br />

Naturwissenschaften<br />

18 29 36 18 25 35 30<br />

War in den "Allgemeinen Richtlinien für die Lehrpläne" noch vom Gr<strong>und</strong>satz<br />

des Arbeitsunterrichts, der Konzentration, 'der Selbständigkeit <strong>und</strong> Mitbe-<br />

9) Lediglich auf dem Realgymnasium verlor die mathematisch-naturwissenschaftliche<br />

Fächergruppe über die allgemeine Verminderung der Wochenst<strong>und</strong>en<br />

hinaus an <strong>Unterricht</strong>sst<strong>und</strong>en.<br />

10) Die redaktionelle Zusammenfassung der einzelnen Lehrpläne, die nach den<br />

vom DAMNU aufgestellten Leitsätzen erfolgte, hatte Zühlke durchgeführt,<br />

dessen abschließendes Gutachten, "stilistisch korrigiert", dann in die<br />

Richtlinien übernommen wurde. S.F. Müller, S. 246.<br />

- 116 -


stimmung der Schüler sowie von der Oberwindung der Stofforientierung <strong>und</strong><br />

der überwindung der Beziehungslosigkeit der Fächer zugunsten einer übergreifenden<br />

Erziehungskonzeption die Rede, so dominierten etwa im Physiklehrplan<br />

überladene Stoffkataloge, die den Schülern ohne erkennbare Konzentration<br />

oder Koordination mit anderen Fächern enzyklopädische Kenntnisse<br />

der "wichtigsten" Erscheinungen, Gesetze, Theorien, Methoden <strong>und</strong><br />

Forschungsvorhaben abverlangten (Töpfer, Bruhn 1976, S. 292). Zwar wurde<br />

die Notwendigkeit von Experimental- <strong>und</strong> Schülerübungen betont, doch waren<br />

diese angesichts der realenSchulverhältnisse in der Praxis vermutlich kaum<br />

realisierbarli) .<br />

Zwar sollte der Physikunterricht auf technische Anwendungen wissenschaftlicher<br />

Erkenntnisse eingehen, "die für das tägliche Leben oder in volkswirtschaftlicher<br />

Beziehung von Bedeutung sind", doch entsprach er damit<br />

lediglich den ökonomischen Legitimationsformeln der mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Fachdidaktiker. Beides, Schülerübungen <strong>und</strong> technische Anwendungen,<br />

reichten keineswegs aus, um der Lehrplanforderung nach Arbeitsunterricht<br />

gerecht zu werden. Tatsächlich lag ein solcher Arbeitsunterricht<br />

wohl auch gar nicht in der Absicht der Mehrzahl der naturwissenschaftlichen<br />

Gymnasiallehrer, die den Arbeitsschulbegriff gern als Reformphrase<br />

denunzierten oder bestenfalls auf die kognitive Selbständigkeit<br />

der Schüler beim Erwerb wissenschaftlicher Erkenntnisse verkürzten (vgl.<br />

u.a. Günther 1925, S. 49ff). Ihr Interesse ging vielmehr dahin, den naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong> auf der höheren Schule nach Inhalt <strong>und</strong><br />

Methode so eng wie möglich an die Entwicklung der jeweiligen Fachwissenschaften<br />

anzulehnen,um den künftigen "Führern des Volkes" (Poske 1919<br />

(b), S. 403) die wesenseigenen Bildungswerte der Wissenschaft (Kerschensteiner<br />

1919, S. 14ff) voll zu erschließen.<br />

Die mathematisch-naturwissenschaftlichen Interessenverbände hatten sich<br />

also auf die vergleichsweise moderaten Reformansätze der preußischen höheren<br />

Schulreform so gut wie gar nicht eingelassen. Ihr standespoliti-<br />

11) Diese Vermutung stützt sich auf Ernst Schuberths Untersuchung der<br />

"Meraner Reform", die nach seinem Urteil auch nach den Richertschen<br />

Lehrplänen "trotz vieler Erfolge ... als unabgeschlossen angesehen<br />

werden (muß)". Schuberth 1971, S. 25.<br />

- 117 -


sches Selbstverständnis, das mit dem Makel behaftet war, Aufsteiger innerhalb<br />

des akademisch gebildeten Lehrerstandes zu sein, <strong>und</strong> die Furcht<br />

vor fachlich-beruflicher Deklassierung im Kampf um den mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

St<strong>und</strong>enanteil in den höheren Schulen ließen die<br />

schulischen Vertreter der Naturwissenschaften an den überkommenen bildungsaristokratischen<br />

Ansprüchen der höherne Schule festhalten.<br />

Daß sie damit interessenpolitisch durchaus auf dem rechten Kurs waren,<br />

ze,igen die in dieser Zeit enorm angestiegenen Mitgliederzahlen des Fördervereins.<br />

Sie wuchsen von r<strong>und</strong> 1.000 Mitgliedern bei Kriegsende auf<br />

über 3.500 im Jahre 1927 12 ) <strong>und</strong> erreichten 1930 mit fast 4.000 ihre bis<br />

dahin größte Zahl (s. Graphik).<br />

Mitgliederbewegung des Fördervereins zwischen 1909 <strong>und</strong> 1936 13)<br />

4000\<br />

3500<br />

3000<br />

2500<br />

2000<br />

1500<br />

1000<br />

- 118 -<br />

Mitglieder<br />

Jahr<br />

I I I<br />

........ .... -Jo -Jo ......::. -Jo<br />

\0\0 \0<br />

\0 \0 \0 \0<br />

Cl ....<br />

....<br />

N N \oN \.N<br />

\0 Cl \Jl<br />

Cl I..n 0 \Jl


Bezeichnend für die konservative Gesinnung der Mehrheit der mathematischnaturwissenschaftlichen<br />

Gymnasiallehrer war, daß dieser Aufschwung des<br />

Vereins zusammenfiel mit verschärften Beschwörungen der deutsch-nationalen<br />

Bildung durch den naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>, die zum Teil<br />

chauvinistische Züge annahmen.<br />

Während z.B. Karl Hahn 14 ) eine relativ gemäßigte konservativ-nationale<br />

Position vertrat, wenn er als Antwort auf die "fortgesetzte Bedrückung<br />

unse,rer Feinde" die 'Erziehung des Schülers zum Deutschen <strong>und</strong> zur Volksgemeinschaft'<br />

forderte <strong>und</strong> zu diesem Zwecke eine stärkere Hervorhebung<br />

der 'besonderen Leistung deutscher Wissenschaft <strong>und</strong> Technik' im naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong> propagierte (vgl. K. Hahn 1927), gestaltete<br />

der Förderverein schon 1926 den Umschlag zu einer Festschrift zu einer<br />

'Demonstration gegen entartete Kunst' <strong>und</strong> gab durch die 1927 veranstaltete<br />

Heimatausstellung (Parole: "Deutsche verwendet deutsches Gestein") Anregungen<br />

"völkischerArt zur <strong>Unterricht</strong>sgestaltung" (vg1. Lorey 1938, S.<br />

151 (Anm. 14) <strong>und</strong> S. 94). Dieser bis zum Revanchismus bzw. Chauvinismus<br />

gesteigerte Nationalismus mancher naturwissenschaftlicher Fachvertreter<br />

hatte vor allem die Funktion, politische <strong>und</strong> soziale Gegensätze zugunsten<br />

der Orientierung an den jeweils herrschenden Verhältnissen einzuebnen.<br />

Diese Tendenz deutet sich schon bei Karl Hahn an. In der Einleitung zu<br />

12) Nach Angaben des Fördervereins-Vostandes gehörten 1927 "mindestens<br />

zwei Drittel aller Fachgenossen dem Verein" an. 29. Hauptversammlung<br />

1927, S. 134. 1927 zählte der Förderverein 7 Landesverbände <strong>und</strong> 54<br />

Ortsgruppen. Vereinsnachrichten 1927, S. 161f.<br />

13) Zusammengestellt nach Bode 1916, S. 85 <strong>und</strong> nach den Berichten über<br />

die jährlichen Hauptversammlungen in den <strong>Unterricht</strong>sblättern der entsprechenden<br />

Jahrgänge.<br />

14) Karl Hahn zählte zu den bedeutendsten Repräsentanten des rechts-konservativen<br />

Kurses der Physikdidaktik in der Weimarer Republik. Er war<br />

seit 1920 Oberstudiendirektor der Oberrealschule auf dem Uhlenhorst<br />

in Hamburg <strong>und</strong> gehörte - neben seiner Mitgliedschaft im Förderverein -<br />

seit 1932 zum Vorstand der GDNÄ. Nach dem 2. Weltkrieg zählte er zu<br />

den "treibenden Kräften" bei der Wiederbegründung der Schulkommission<br />

der GDNÄ <strong>und</strong> spielte auch bei der Gründung ihrer Nachfolgeorganisation,<br />

der "Arbeitsgemeinschaft Deutsche Höhere Schule", die sich aus 19<br />

Vertretern von wissenschaftlichen Gesellschaften <strong>und</strong> Berufsverbänden<br />

zusammensetzte, eine entscheidende Rolle. Gleichzeitig leitete der den<br />

"Schul ausschuß" im "Verband Deutscher Physikalischer Gesellschaften"<br />

<strong>und</strong> führte in diesem Rahmen die Fortbildungstagungen für Lehrer ein.<br />

- 119 -


seiner "Methodik des physikalischen <strong>Unterricht</strong>s" von 1927 betont er, ihm<br />

gehe es vor allem darum, daß die Schüler im Kampf der Parteien <strong>und</strong> Weltanschauungen<br />

"nicht hin <strong>und</strong> her geschleudert werden", sondern alles "verabscheuen,<br />

was die Sammlung aller Kräfte stört", damit sie "in unverdrossen<br />

geregelter Arbeit ihre Pflicht an der Stelle tun, an die sie das Leben<br />

stellt".<br />

Diese Funktiona1isierung der deutschen Frage zu einem ideologischen Instrument<br />

der antidemokratischen Einpassung des einzelnen in eine gleichermaßen<br />

vom "Wi 11 en zur Arbei t <strong>und</strong> zur deutschen Volksgemei nschaft" geprägte<br />

kapitalistische Gesellschaft war indes nicht nur Ausdruck einer konservativen<br />

Gesinnung, mit der sich der Förderverein gleichsam als Fürsprecher<br />

wirtschaftlicher Interessen empfahl, sondern diente auch maßgeblich der<br />

Absicherung der eigenen <strong>Standesinteresse</strong>n in eben dieser Gesellschaft, wobei<br />

sich die bei den Elemente dieser Position in ihrer Programmatik wechselseitig<br />

stützten, d.h. keines nur als "Funktion" des anderen richtig begriffen<br />

werden kann. Denn die von Kar1 Hahn als Elitenanstalt offerierte<br />

höhere Schule - unausgesprochen war die Oberrealschule gemeint - hatte<br />

nach seiner Auffassung die Aufgabe, die zur Rettung Deutschlands notwendigen<br />

"Führer" auszubilden. Hierbei wurde speziell dem naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong> eine besondere Bedeutung zugemessen, seien es doch vor<br />

allem "die Technik <strong>und</strong> die Industrie <strong>und</strong> die sie befruchtenden Wissenschaften,<br />

die Naturwissenschaften", deren "Führer" Deutschland "vor dem<br />

endgültigen Untergang" schützen könnten. Die Begründung Hahns, die hier<br />

stellvertretend für viele andere zitiert werden soll, läßt ein klares<br />

standespolitisches Konzept erkennen. Indem der Kampf um den Status der<br />

naturwissenschaftlichen Fächer (auch im Förderverein) mit dem Kampf um<br />

Deutschlands Weltgeltung gleichgesetzt wurde, gewann der naturwissenschaftliche<br />

<strong>Unterricht</strong> eine dominant ökonomische Dimension. Die den schulischen<br />

Naturwissenschaften in diesem Zusammenhang von der Industrie angetragenen<br />

Aufgaben im Hinblick auf die Bereitstellung des wissenschaftlich-technischen<br />

Führungsnachwuchses der Wirtschaft (einschließlich der Rüstungsindustrie)<br />

erforderten zwar eine gewisse Anwendungsorientierung des <strong>Unterricht</strong>s<br />

in Richtung Technik 15 ), lieferten dem Förderverein aber zugleich<br />

eine überzeugende Legitimation für die Vermittlung umfassender <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>legender<br />

naturwissenschaftlicher Kenntnisse zumindest an einen wesentlichen<br />

Teil der zukünftigen Eliten.<br />

- 120 -


Damit aber die naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrer diesen an sie gestellten<br />

Anforderungen auch gerecht werden konnten, mußten selbstverständlich<br />

privilegienbedrohende Forderungen nach Vereinheitlichung der Lehrerausbildung<br />

<strong>und</strong> damit des Lehrerstandes abgelehnt werden 16 ). Die innere<br />

Logik der politischen <strong>und</strong> pädagogischen Haltung der naturwissenschaftlichen<br />

Gymnasiallehrer läßt sich damit weitgehend aus ihrer im Fach- <strong>und</strong><br />

Standesanspruch zum Ausdruck kommenden sozialen Interessenlage erschließen.<br />

Dies machte den Erfolg etwa des Fördervereins <strong>und</strong> die breite Zustimmung<br />

zu seinen Aktivitäten verständlich, auch wenn es zweifellos eine<br />

schweigende Minderheit <strong>und</strong> - abgesehen von bloßen Varianten dieser Gr<strong>und</strong>position<br />

17 ). - auch gr<strong>und</strong>sätzliche Opponenten gegeben haben mag.<br />

Zugleich erklärt sich die Bruch10sigkeit des Obergangs der meisten mathematischen<br />

<strong>und</strong> naturwissenschaftlichen Fachdidaktiker von der unge1iebten<br />

Republik in die nationalsozialistische Diktatur dadurch, daß das aufgezeigte<br />

didaktisch-standespo1itische Gr<strong>und</strong>konzept dabei nicht nur unverändert<br />

beibehalten, sondern sogar wieder bündnispolitisch abgesichert werden<br />

konnte.<br />

15) Darauf wiesen stets die Vertreter der Industrie in ihren Vorträgen<br />

auf den Hauptversammlungen des Fördervereins hin, die z.B. 1927 unter<br />

dem Schwerpunktthema "Praktische Bedeutung der Naturwissenschaften"<br />

oder 1931 unter dem Thema "Eisen <strong>und</strong> Kohle in Wirtschaft, Technik <strong>und</strong><br />

Schule" standen.<br />

16) So lehnte der Förderverein 1929 "jeden Versuch ab, zugunsten einer<br />

Vereinheitlichung des Lehrerstandes die wissenschaftliche Ausbildung<br />

herabzusetzen". Im Unterschied zu der Volksschullehrerausbildung an<br />

den Pädagogischen Akademien sei "das Studium der Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften<br />

... von Anfang an an die Universitäten <strong>und</strong> Technischen<br />

Hochschulen geb<strong>und</strong>en, die alleine über die nötigen wissenschaftlichen<br />

Lehrkräfte <strong>und</strong> die erforderlichen Einrichtungen für die experimentellen<br />

<strong>und</strong> theoretischen Forschungsmethoden verfügen. Auch in der Pädagogik<br />

kann nur die Hochschule für eine wissenschaftliche Ausbildung Gewähr<br />

leisten, eine didaktische <strong>und</strong> methodische Ausbildung vor dem Studium<br />

verkennt den Charakter des wissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s <strong>und</strong><br />

kann die Ausbildung nach dem Studium nicht ersetzen". Unsere 31. Hauptversammlung<br />

1929, S. 121.<br />

17) Beispiele bieten etwa der philosophische Antimaterialismus Bernhard<br />

Bavinks 1930 oder die "Vergeistigung" der naturwissenschaftlichen Bi1dungswerte<br />

durch Georg Kerschensteiner 1914.<br />

- 121 -


10, Der Förderverein <strong>und</strong> die nationalsozialistische Machtergreifung<br />

10.1 Opportunismus aus Verlustangst<br />

Die aus standes- <strong>und</strong> berufspolitischen Motiven resultierende Gegnerschaft<br />

vermutlich der Mehrzahl der mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrer<br />

zur Weimarer Republik wurde durch die ab 1928 einsetzende Wirtschaftskrise<br />

insofern vertieft, als durch die Notverordnungspolitik Brünings<br />

<strong>und</strong> die im Anschluß durchgeführten schulpolitischen Sparmaßnahmen<br />

die Gehälter der Beamten gekürzt wurden <strong>und</strong> der Lehrernachwuchs angesichts<br />

der prekären Haushaltslage kaum Aussicht auf Anstellung besaßI).<br />

Insofern konnte es nicht verw<strong>und</strong>ern, daß sich so mancher mathematisch-naturwissenschaftliche<br />

Gymnasiallehrer von einer nationalsozialistischen Regierung<br />

eine 'fre<strong>und</strong>lichere' Schul- <strong>und</strong> Bildungspolitik versprach, die einerseits<br />

die Sparpolitik der letzten Jahre rückgängig machen <strong>und</strong> andererseits<br />

eine stärkere Gewichtung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer<br />

an den höheren Schulen bringen würde.<br />

So erklärt sich vermutlich auch, daß führende Funktionäre des Fördervereins<br />

wie beispielsweise Bruno Kerst, der ab 1935 Schriftleiter der "<strong>Unterricht</strong>sblätter"<br />

<strong>und</strong> außerordentliches Mitglied des Vorstandes war, oder der Ge-<br />

1) Anläßlich des mit der Notverordnung vom 14.9.1931 getroffenen Sparerlasses<br />

für die höheren Schulen appellierte der Förderverein mit der "Fachschaft<br />

der Deutschlehrer an höheren Schulen in der "Gesellschaft für<br />

Deutsche Bildung", dem "Deutschen Altphilologen-Verband", dem "Allgemeinen<br />

Deutschen Neuphilologen-Verband", dem "Verband deutscher Geschichtslehrer",<br />

dem "Verband Deutscher Schul geographen" <strong>und</strong> dem "Deutschen<br />

Verband evangelischer Religionslehrer" in einer Entschließung an<br />

das preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst <strong>und</strong> Volksbildung,<br />

die verfügten Sparmaßnahmen aufzuheben, da u.a. durch die "Erhöhung<br />

der Pflichtst<strong>und</strong>enzahl der Lehrer" <strong>und</strong> der "fast restlosen Aussperrung<br />

des Lehrernachwuchses" die "Leistungshöhe <strong>und</strong> Bildungsidee der höheren<br />

Schule durch diesen Erlaß in höchster Gefahr" seien. Vereinsmitteilungen<br />

1931, S. 353f.<br />

- 122 -


Schon Mitte März 1933 erklärte der Förderverein allen deutschen <strong>Unterricht</strong>sverwaltungen<br />

seine "freudige Mitarbeit" im Rahmen der "nationalen<br />

Wiedergeburt" (Von unserer 35. Hauptversammlung 1933, S. 113ff). In seinem<br />

einleitenden Referat zur Hauptversammlung im April 1933 stellte Bruno<br />

Kerst, seit 1931 aktiver Nationalsozialist <strong>und</strong> späterer Schriftleiter der<br />

Fördervereinszeitschrift, darüber hinaus die der besonderen Wesensart des<br />

deutschen Menschen entsprechenden Möglichkeiten des naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s heraus, die sich nicht nur aus der Begegnung der Schüler<br />

mit den außerordentlichen Leistungen der deutschen Wissenschaft ergäben -<br />

hier betonte er die Förderung des Nationalstolzes -, sondern auch auf die<br />

Eingliederung der Jugend in die deutsche Volksgemeinschaft bezögen: mathematisch-naturwissenschaftliche<br />

Erkenntnisgewinnung sei eine Schleifmühle<br />

der Denkschulung <strong>und</strong> Willenstärkung, technisches Wissen sei Gr<strong>und</strong>lage der<br />

Teilnahme am wirtschaftlichen <strong>und</strong> militärischen Völkerwettkampf.<br />

Wenn dennoch in den ersten Wochen der "allumfassenden deutschen Revolution"<br />

Stimmen aufgekommen seien, "die unsere Fächer, insbesondere Mathematik <strong>und</strong><br />

Physik, als belanglos bezeichnen", so könne dahinter letztlich nur der<br />

"liberalistische Ästhetizismus" eines "artfremden Literatenturns" stehen<br />

(Kerst 1933 (a), S. 145).<br />

Dieser politischen Vorgabe entsprechend schlugen sich die Standesängste<br />

der versammelten mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrer denn<br />

auch in einer einstimmig angenommenen Entschließung nieder, deren explizite<br />

Festlegung auf den politischen Kurs der neuen Machthaber so kurz nach<br />

deren Machtübernahme in der Geschichte des Fördervereins ihresgleichen<br />

sucht.<br />

4) Bei der Bewertung der rapiden Faschisierung des Fördervereins ist zu<br />

berücksichtigen, daß die damalige Vereinsführung politisch nicht unbedingt<br />

die Gesamtmitgliedschaft repräsentierte, sondern eher deren<br />

rechtem Flügel zuzuordnen war. Die ab 1930 einsetzende Austrittswelle<br />

(von 3.935 im Jahre 1930 auf 3.165 im Jahre 1934) deutet darauf hin,<br />

daß manchem Kollegen gegenüber der radikalen Vereinspolitik doch zunehmend<br />

Bedenken gekommen sind. Bis 1936 sank die Zahl der Mitglieder weiter<br />

auf 3.100, <strong>und</strong> dies, obwohl gleichzeitig auch eine Reihe von Eintritten<br />

zu verzeichnen war. Siehe Graphik S. 118.<br />

- 125 -


•<br />

In dieser Entschließung wurde nicht nur die Zuträgerschaft des naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s für Wehrwissen <strong>und</strong> -willen bis zur Bitte um<br />

die Aufnahme des Themas Gas- <strong>und</strong> Luftschutz in die Lehrpläne konkretisiert,<br />

sondern auch die völkische Anbiederung bis zu handfesten rassistischen<br />

Forderungen gesteigert. Da reichte nicht mehr der bloße Hinweis<br />

auf den Beitrag der Naturwissenschaften zur deutschen Kultur <strong>und</strong> die Deklaration<br />

mathematisch-naturwissenschaftlichen Denkens als arteigener Bestandteil<br />

deutscher Wesensart bzw. der Naturverb<strong>und</strong>enheit als Wesenszug<br />

germanischen Denkens, sondern man machte sich darüber hinaus für die Ausbreitung<br />

des Rassegedankens auf naturwissenschaftlicher Gr<strong>und</strong>lage sowie<br />

für die Erhaltung ges<strong>und</strong>en Erbgutes <strong>und</strong> die Befreiung des Volkskörpers von<br />

minderwertigem Erbe stark (Von unserer 35. Hauptversammlung 1933, S.<br />

113ff). War die Aufnahme der Eugenik in den Forderungskatalog der Versammlungsentschließung<br />

im wesentlichen den Biologen zuzuschreiben 5 ), deren<br />

Vertreter aus Industrie, Hochschule <strong>und</strong> Schule sich schon 1931 im<br />

"Deutschen Biologen-Verband" organisiert hatten <strong>und</strong> ob der ideologischen<br />

Bedeutung ihres Faches für einen verstärkten <strong>und</strong> auf der nationalsozialistischen<br />

Rassenlehre gründenden Biologieunterricht eintraten 6 ), so wurde<br />

die Wiederbelebung der Wehr- <strong>und</strong> Deutschtümelei zweifellos auch von den<br />

Vertretern der anderen Naturwissenschaftsdisziplinen mitgetragen.<br />

Um ihre diesbezügliche Ernsthaftigkeit unter Beweis zu stellen, widmeten<br />

sie schon im Jahre 1933 das Heft 7 der Vereinszeitschrift schwerpunktmäßig<br />

dem Thema "<strong>Naturwissenschaftlicher</strong> <strong>Unterricht</strong> <strong>und</strong> Wehrerziehung".<br />

Vorangestellt wurde den Beiträgen über den kriegswissenschaftlichen Charakter<br />

der mathematisch-naturwissenschaftlichen Einzeldisziplinen ein äu-<br />

5) Bereits 1931 wurde von den Biologen im Förderverein eine Änderung der<br />

Lehrpläne für den Biologieunterricht in der Oberstufe gefordert, um<br />

die "Fortpflanzungs- <strong>und</strong> Vererbungslehre sowie die Eugenik <strong>und</strong> Abstammungslehre"<br />

gründlicher als bisher zu unterrichten. Von unserer 34.<br />

Hauptversammlung 1932, S. 97f.<br />

6) In den im Verbandsorgan "Der Biologe" 1932 veröffentlichten Leitsätzen<br />

für den Biologieunterricht an den höheren Schulen wurde u.a. gefordert,<br />

daß angesichts der "rassenbiologisch gefährrlete(n) Zukunft des<br />

deutschen Volkes" ein gründlicherer <strong>Unterricht</strong> "über Vererbungslehre<br />

<strong>und</strong> Eugenik" dringend(stes) Gebot" sei <strong>und</strong> der Biologieunterricht "unter<br />

die Kernfächer aller Schulen aufzunehmen" sei. Klausing 1968, S.<br />

118f, zit. nach Keckstein 1981, S. 56.<br />

- 126 -


I<br />

ßerst aggressiver Auszug aus dem Buch "Wehrwissenschaft" von Ewald Banse,<br />

Referent im wehrpolitischen Amt der Reichsleitung der NSDAP (Banse 1933),<br />

in dem die Konstituierung einer integrierten Wehrwissenschaft als konsequente<br />

Folge des "Versai1ler Schanddiktats" <strong>und</strong> des daraus resultierenden<br />

Aufschreis des Volkes "nach Erlösung" dargestellt wird.<br />

Die schulischen Konsequenzen einer derartigen Wehrwissenschaft, von Banse<br />

als Nationalphilosophie eines bis zur "prachtvollsten Rücksichtslosigkeit"<br />

expansionswilligen Volkes apostrophiert, wurden sodann von den führenden<br />

Funktionären des Fördervereins gezogen. Dabei wies Kerst zu Recht<br />

darauf hin, daß man in diesem Zusammenhang lediglich an die entsprechenden<br />

Vorschläge des DAMNU von 1914 anzuknüpfen brauche (Siehe S. 101), um sofort<br />

einen wehrträchtigen Fachunterricht geben zu können (Kerst 1933 (b),<br />

S. 226f). Wenngleich damit auch eine gewisse vereinspolitische Kontinuität<br />

sichtbar wurde, so erstaunt doch die Schlagartigkeit, mit der die<br />

schulische Kriegspropädeutik sofort nach der Machtübernahme des Nationalsozialismus<br />

zum zentralen Thema der Vereinspolitik der mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Gymnasial lehrerschaft wurde; daß es in der Tat um<br />

nichts anderes als eine ideologische Kriegsvorbereitung ging, mußte damals<br />

jedem der Beteiligten klar gewesen sein.<br />

Es mag ein Motiv für die Vehemenz dieser Anbiederungsversuche gewesen<br />

sein, daß selbst Ende 1933 die Gefahr der Einschränkung des naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s noch keineswegs gebannt zu sein schien. Daher<br />

hielt der Förderverein über die bisherigen Aktivitäten hinaus die Veranstaltung<br />

von öffentlichen K<strong>und</strong>gebungen <strong>und</strong> die Abfassung von Denkschriften<br />

an prominente NS-Schulpolitiker wie den Reichsinnenminister<br />

Frick, den Reichswissenschaftsminister Rust, den bayerischen <strong>Unterricht</strong>sminister<br />

Sc hemm sowie den Ministerialdirektor Buttmann für erforderlich<br />

(vgl. Lorey 1938, S.107).<br />

Wenn es dennoch vergleichsweise lange dauerte, bis der Förderverein in<br />

den NSLB integriert <strong>und</strong> damit aufgelöst wurde, so waren dafür nicht etwa<br />

fehlende politische Bereitschaft der Fördervereinsführung, sondern<br />

deren Fach- <strong>und</strong> Standesvorbehalte verantwortlich.<br />

Wie alle Gymnasiallehrerverbände hatte auch der Förderverein der drohenden<br />

Vereinnahmung durch den als Volksschullehrerverband gegründeten NSLB<br />

- 127 -


lieb damit auch fortan oberster Repräsentant der mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Gymnasiallehrer. Auch die <strong>Unterricht</strong>sblätter, bis 1934<br />

Organ des Fördervereins, blieben als Zeitschrift des Reichssachgebietes<br />

Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften im NSLB erhalten <strong>und</strong> avancierten ab<br />

1938 sogar zu seinem alleinigen Fachorgan 9 ).<br />

Die endgültige Auflösung des Fördervereins konnte aus formalen Gründen<br />

jedoch erst 1938 auf seiner 40. <strong>und</strong> vorläufig letzten Hauptversammlung,<br />

die ,gleichzeitig als erste Tagung des Reichssachgebietes firmierte, erfolgen.<br />

Die in diesem Zusammenhang in Auftrag gegebene <strong>und</strong> noch 1938 fertiggestellte<br />

Chronik des Fördervereins lO ) läßt, obwohl den neuen Machthabern<br />

offenk<strong>und</strong>ig gewogen, dennoch deutlich Trauer über die Auflösung des Vereins<br />

erkennen.<br />

8) Schon im Mai 1933 erklärte Innenminister Frick, daß künftig neben der<br />

Geschichte <strong>und</strong> der Leibeserziehung der Biologie entscheidende Bedeutung<br />

für das "'Kampfziel der neuen Erziehung', nämlich 'die gliedhafte<br />

Einordnung der Schüler ins Volksganze' zukorrme" <strong>und</strong> insofern rassenk<strong>und</strong>liche<br />

Aufklärung dringend nötig sei .(Zit. nach Zmarzlik 1970, S.<br />

90.) Offizielle Erklärungen dieser Art folgten noch im gleichen Jahr,<br />

am 13.9.1933 mit dem "Erlaß des Preußischen Ministers für Wissenschaft,<br />

Kunst <strong>und</strong> Volksbildung ... betreffend die Behandlung der Vererbungslehre<br />

<strong>und</strong> Rassenhygiene in den Schulen". Darin wurde festgehalten, daß<br />

in den Abschlußklassen aller Schulen Vererbungslehre, Rassenk<strong>und</strong>e, Rassenhygiene,<br />

Familienk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bevölkerungspolitik behandelt werden<br />

sollten <strong>und</strong> diese Themengebiete in allen Abschlußprüfungen obligatorisch<br />

seien. Diesem Erlaß, der im Januar 1935 auf alle Schulen des<br />

Deutschen Reichs ausgedehnt <strong>und</strong> zugleich präzisiert wurde, folgten<br />

schließlich 1938/39 umfassende Lehrpläne. Keckstein 1981, S. 64f.<br />

9) Als Fachorgan im Reichssachgebiet Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften<br />

magerten die <strong>Unterricht</strong>sblätter jedoch auf wenige Seiten Umfang ab,<br />

die neben den üblichen Buchbesprechungen im wesentlichen ein bis zwei<br />

Fachaufsätze enthielten. Ab April 1943 wurden die <strong>Unterricht</strong>sblätter<br />

zusammen mit der "Zeitschrift für den pyhsikalischen <strong>und</strong> chemischen<br />

<strong>Unterricht</strong>" <strong>und</strong> der "Zeitschrift für mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>" zu einer neuen Zeitschrift "Mathematik <strong>und</strong><br />

Naturwissenschaften im <strong>Unterricht</strong>" vereinigt, die von Fladt, Henckel<br />

<strong>und</strong> Lietzmann herausgegeben wurde.<br />

10) Daß die von W. Lorey erstellte Vereinschronik verlegt <strong>und</strong> den r<strong>und</strong><br />

3.000 Vereinsmitgliedern zudem kostenlos zugestellt werden konnte,<br />

wäre ohne die Spenden der Lehr- <strong>und</strong> Lernmittelfirmen nicht möglich gewesen.<br />

Lorey führt zahl rei che Unternehmen an, "di e, seit Jahrzehnten<br />

mit dem Verein verb<strong>und</strong>en, durch ihre Erzeugnisse den mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong> gefördert haben <strong>und</strong> nun auch noch<br />

nach der Auflösung des Vereins gern durch einen Zuschuß ihr Interesse<br />

bek<strong>und</strong>en". Lorey 1938, S. 3.<br />

- 129 -


10.2 Das Bündnis mit der Wehrmacht<br />

Die vergleichsweise starke Position des Fördervereins im Prozeß seiner<br />

unvermeidbaren Integration in den ungeliebten NSLB deutet bereits darauf<br />

hin, daß die aktive Vereinspolitik nicht ganz ohne Erfolg geblieben war.<br />

Als Bündnispartner dieser Politik bot sich angesichts der kriegserzieherischen<br />

(Rück-)Wende von 1933 die mit dem politischen Machtwechsel ohnehin<br />

schlagartig an Bedeutung zunehmende <strong>und</strong> stark expandierende Wehrmacht<br />

an 11 ). Sie war nicht nur der unmittelbare Abnehmer des von der Schule <strong>und</strong><br />

insbesondere vom Physikunterricht ideologisch wie wissensmäßig - mindestens<br />

dem Programm nach - auf seinen kriegerischen Einsatz zugerichteten<br />

"Menschenmaterials", sie garantierte der Schulphysik darüber hinaus auch<br />

eine gewisse Autonomie, war es doch auch ihr Anspruch, ähnlich dem der Naturwissenschaften<br />

als (schein-)neutraler Sachwalter des nationalen Wohl<br />

allein dem Volksganzen verpflichtet zu sein. Oberdies war die Wehrmacht<br />

ihrerseits nicht uninteressiert an einem guten Verhältnis zu den schulischen<br />

Vertretern der Naturwissenschaften, da ihr Bedarf an naturwissenschaftlich-technisch<br />

geschulten Offizieren <strong>und</strong> Militäringenieuren, aber<br />

auch an technisch gebildeten Mannschaften infolge des forcierten Ausbaus<br />

insbesondere der Luftwaffe außerordentlich groß war. Da dies auch<br />

für die kriegswirtschaftlich wichtigsten wissenschaftsintensiven Industriebranchen<br />

galt 12 ), bot sich den mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Gymnasiallehrern zugleich ein weiterer, mächtiger Verbündeter an.<br />

Willkommener Anlaß zur Manifestation der Bündnisbereitschaft war der<br />

R<strong>und</strong>erlaß zur "Pflege der Luftfahrt an den Schulen" im November 1934.<br />

11)<br />

12)<br />

- 130 -<br />

Die enormen Steigerungen des Rüstungsetats von 1,9 (1934), 2,7 (1935),<br />

5,8 (1936),8,2 (1937 =44% der Gesamtausgaben) auf 20,5 (1939) Milliarden<br />

Mark ermöglichten sowohl ein gewaltiges Ansteigen der Produktion<br />

von Kriegsmaterial als auch der Truppenkontingente. Am 1.10.1934<br />

standen bereits 240.000 Mann bereit, 1935 300.000. 1938 wurden erstmals<br />

300.000 vollausgebildete wehrpflichtige Reservisten entlassen.<br />

B<strong>und</strong>eszentrale 1980, S. 42.<br />

So stieg beispielsweise die Aluminiumherstellung von 19.000 Tonnen<br />

(1932) auf 199.000 Tonnen (1939); die von synthetischem Benzin im<br />

gleichen Zeitraum von 0 auf 123.000 Tonnen; die von Zellwolle von<br />

1.000 Tonnen auf 192.000 Tonnen <strong>und</strong> die Eisenförderung von 2,6 Millionen<br />

Tonnen auf 14,7 Millionen Tonnen. Ebenda, siehe auch Tab. S.51.


Auf diesen Erlaß, in dessen Folge ein geschlossener flugwissenschaftlicher<br />

Lehrgang in den Physikunterricht eingeführt <strong>und</strong> zahlreiche flugwissenschaftliche<br />

Arbeitsgemeinschaften eingerichtet wurden 13 ), reagierte<br />

die Physikdidaktik ihrerseits mit beispiellosen Anstrengungen.<br />

Innerhalb kürzester Zeit entstanden eine Fülle von Schulbüchern zur Flugphysik<br />

(z.B. Schütt 1936, Schulze 1937, E.C. Müller 1936, Günther 1937)<br />

oder flugphysikalische Ergänzungen zu alteingeführten <strong>Unterricht</strong>swerken<br />

(z.B,. Schnippenkötter, Weyres 1937, K. Hahn, Henckel 1938) sowie Werke<br />

über Luft- <strong>und</strong> Gasschutz im Physikunterricht (z.B. Schütt 1934, Morgner<br />

1935, Metzner (Hrsg) 1937).<br />

Außerdem veranstaltete die staatliche Hauptstelle für den naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>, die in Arbeitsteilung mit dem NSLB für die fachliche<br />

Weiterbildung der Lehrer zuständig war, seit 1935 regelmäßig Lehrgänge<br />

zum Thema Luftfahrt (Deutsche Wissenschaft <strong>und</strong> Volksbildung 1935,<br />

S. 370).<br />

Angesichts der in verstärktem Maße betriebenen Ausrichtung des gymnasialen<br />

Physikunterichts an den Themen Luftfahrt <strong>und</strong> Luftschutz waren es sowohl<br />

inhaltlich als auch zeitlich nur wenige Schritte zum Versuch einer<br />

umfassenden Ausrichtung der Schulphysik an den qualifikatorischen <strong>und</strong><br />

ideologischen Bedürfnissen der gesamten Wehrmacht.<br />

Einen ersten Schritt in diese Richtung vollzog der Fördervereinsvorsitzende<br />

Erich Günther mit dem von ihm rechtzeitig zur Einführung der Wehrpflicht<br />

1936 herausgegebenen Handbuch "Wehrphysik", mit der er zugleich<br />

sein 1933 entwickeltes didaktisches Konzept präzisierte (ausf. Brämer,<br />

Kremer 1980 (b), S. 60f).<br />

13) Dem Erlaß, der von der Oberschule die Weckung von Flugbegeisterung<br />

<strong>und</strong> die Förderung diesbezüglicher Berufswünsche verlangte, lag ein<br />

durch die rapide Aufrüstung geschaffener erheblicher Mangel an fliegerischem<br />

<strong>und</strong> technischem Personal im Bereich der Luftwaffe zugr<strong>und</strong>e.<br />

Vgl. Deutsche Wissenschaft <strong>und</strong> Volksbildung 1936, S. 183, vgl.<br />

auch Göttel 1938, S. 26ff.<br />

- 131 -


Wie schon drei Jahre zuvor weist Günther dabei dem Physikunterricht sowohl<br />

eine ideologische als auch eine inhaltliche Funktion bei der "Erziehung<br />

der deutschen Jugend zur Wehrhaftigkeit" zu. Ideologisch geht es darum,<br />

das "völkische Bewußtsein" der Schüler dadurch zu stärken, daß der<br />

Physikunterricht "das Leben <strong>und</strong> Ringen der großen deutschen Naturforscher<br />

<strong>und</strong> Ingenieure der Jugend nahebringt <strong>und</strong> deren Werk als einen Ausdruck<br />

deutschen Geistes <strong>und</strong> deutschen Wesens lebendig werden läßt".<br />

Inhaltlich geht es um die Vermittlung konkreter wehrphysikalischer Kenntnisse<br />

<strong>und</strong> Fähigkeiten auf den Gebieten des Sehens, des Richtens <strong>und</strong> Messens,<br />

des Schalls, der Lehre vom Schuß, der Nachrichtenmittel, der Fluglehre,<br />

der Wetterk<strong>und</strong>e, der Pionierarbeit u.a.m .. Allerdings beinhaltete<br />

die von Günther vorgeschlagene wehrwissenschaftliche Ausrichtung des<br />

Physikunterrichtes nicht die gänzliche Aufgabe der herkömmlichen Physik.<br />

Vielmehr hat die Wehrphysik trotz ihres Umfanges lediglich Anwendungscharakter,<br />

die Vermittlung eines umfangreichen pyhsikalischen Fachwissens<br />

geht ihr voraus bzw. mit ihr einher. Von daher ist es kein Zufall, daß in<br />

späteren Besprechungen <strong>und</strong> Hinweisen auf das Günthersche Standardwerk immer<br />

wieder eine Schlußfolgerung zitiert wird, der auch aus heutiger Sicht<br />

die Bedeutung eines Schlüsselsatzes zuzumessen ist: "So ist der beste Weg<br />

zur technischen Wehrhaftigkeit eine allgemeine, gr<strong>und</strong>legende naturwissenschaftliche<br />

Schulung des ganzen Volkes".<br />

Abgesehen von dem egalitären Akzent dieser Feststellung wird hierin das<br />

taktische Konzept des Interessenvertreters Günther deutlich: Sicherung<br />

oder gar Aufwertung der Schulphysik einschließlich ihrer relativen Fachautonomie<br />

durch ihre materiale Verfügbarmachung für die kriegerischen<br />

Ziele der politisch Herrschenden. Ähnliches gilt auch für die ideologische<br />

Komponente seines Konzepts, denn mit der Hervorhebung der deutschen<br />

Leistungen in Wissenschaft <strong>und</strong> Technik wird nicht nur der Nationalstolz,<br />

sondern gleichzeitig auch das Ansehen der Wissenschaft (<strong>und</strong> damit auch<br />

des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s) gefördert.<br />

Doch nicht nur theoretisch, auch praktisch trieb der Förderverein unter<br />

dem Vorsitz von Günther das Bündnis mit der Wehrmacht voran.<br />

Bereits zu der Hauptversammlung 1934 hatte das Reichswehrministerium mit<br />

- 132 -


Admiral Dr. Conrad einen Vertreter entsandt, der sogleich auch bek<strong>und</strong>ete,<br />

"daß die Wehrmacht das größte Interesse an allem hat, was die wissenschaftliche<br />

Schulung <strong>und</strong> die charakterliche Durchbildung der deutschen<br />

Jugend zu fördern geeignet ist" (Tagungen <strong>und</strong> Kurse. Unsere 36. Hauptversammlung<br />

1934, S. 113).<br />

1935 waren gleich mehrere Marinevertreter anwesend, während einige der<br />

Physikvortragsthemen als Verbeugungen an das Heer (Funktechnik) <strong>und</strong> die<br />

Luftwaffe (Physik des Fliegens) gedeutet werden können (37. Hauptversammlung<br />

1935).<br />

1936, im Erscheinungsjahr der Güntherschen Wehrphysik, war die physikalische<br />

Fachsitzung der Fördervereins-Hauptversammlung.bereits gänzlich dem<br />

Thema Flug- <strong>und</strong> Wehrphysik gewidmet. Gleichzeitig signalisierte die Schuladministration<br />

ihr offenk<strong>und</strong>iges Wohlwollen gegenüber der Kooperation von<br />

Wehrmacht <strong>und</strong> Schulphysik, indem sie über das Zentral institut für Erziehung<br />

<strong>und</strong> <strong>Unterricht</strong> Schulungslehrgänge über "Wehrerziehung im mathematischnaturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>" anbot 14 ). Geradezu programmatisch gestaltete<br />

sich dann die Hauptversammlung 1937, stand sie doch unter dem<br />

Tagungsthema "Wehrmacht, Wirtschaft <strong>und</strong> Wissenschaft". Unter diesen drei<br />

militärischen Bezugsgrößen bzw. ideologischen Bündnispartnern der mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Gymnasiallehrer dominierte im Tagungsverlauf<br />

eindeutig die Wehrmacht. Nicht weniger als 8 Offiziere (vom Hauptmann<br />

an aUfwärts) trugen über wehrwissenschaftliche Themen vor ("Die Luftwaffe<br />

<strong>und</strong> die NaturwissenSchaften", "Welche Zweige der Mathematik <strong>und</strong><br />

Physik sind für den Artilleristen besonders wichtig <strong>und</strong> für welche Teilgebiete<br />

ist eine eingehende Behandlung im <strong>Unterricht</strong> erwünscht?", "Fernsprech-<br />

<strong>und</strong> Telegraphentechnik", "Funktechnik", "Möglichkeiten zur Behandl<br />

ung ball i sti scher Fragen im Unterri cht" <strong>und</strong> "Schallmessungen"), unterstützt<br />

von einer Reihe kriegsk<strong>und</strong>iger Zivilisten ("Navigation im Flugzeug",<br />

"Aufgaben <strong>und</strong> Geräte der neuzeitl i chen F1 ugabwehr") (Bericht über<br />

die 39. Hauptversammlung 1937).<br />

14) U.a. wurden folgende Themen behandelt: Geländek<strong>und</strong>e, Artillerie, Lehre<br />

vom Schuß, Fluglehre, Wehroptik <strong>und</strong> praktische Wehrübungen (laut<br />

Merkblatt "Wehrerziehung" 1936). Vgl. auch Kupsch 1936, S. 367f.<br />

- 133 -


Ihre zum Teil allerdings etwas platten Forderungen an den mathematischnaturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong> 15 ) wurden überhöht von dem Einführungsvortrag<br />

von Generalleutnant Karlewski, Kommandeur der Lufttechnischen<br />

Akademie, der die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften als "Geistesschulung<br />

für alle Kriegsdisziplinen" feierte (Generalleutnant Karlewski<br />

1938). Darüber hinaus gewann seine Rede durch die explizite Proklamation<br />

des Bündnisses zwischen Wehrmacht <strong>und</strong> Naturwissenschaft eine Schlüsselbedeutung:<br />

In dem gigantischen Abwehrkampf, den das deutsche Volk heute zu<br />

führen gezwungen ist, müssen Wehrmacht <strong>und</strong> Wissenschaft zusammenarbeiten.<br />

Das bedeutete speziell für die Schule, daß die bisherigen Anforderungen<br />

des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s die untere Grenze des Erforderlichen<br />

darstellten. Damit war die Günthersche Rechnung voll aufgegangen,<br />

die Gefahr einer Abwertung des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s endgültig<br />

abgewehrt <strong>und</strong> das Bündnis mit der Wehrmacht besiegelt.<br />

Auch unter der Gymnasiallehrerschaft war der Bann gebrochen: Wehrwissenschaft<br />

<strong>und</strong> -technik avancierten in der Folgezeit zum Haupt(anwendungs)thema<br />

des fachdidaktischen Gedankenaustausches. Für den unkritischen Leser<br />

der "<strong>Unterricht</strong>sblätter" gewann damit der Krieg schon längst vor<br />

seinem tatsächlichen Ausbruch den Charakter der Selbstverständlichkeit.<br />

Neben der Wehrmacht war es der traditionelle Bündnispartner, die Wissenschaft,<br />

d'ie auch im Dritten Reich ihr Interesse am naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong> bek<strong>und</strong>ete, indem sie, wie ihre Repräsentanten von Universität<br />

<strong>und</strong> Hochschule, stets auf die formalen <strong>und</strong> inhaltlichen Bedingungen<br />

der Vorbildung für das Studium hinwiesen 16 ). Außerdem zählten fachwissenschaftliche<br />

Vorträge auch weiterhin zum Programm der jährlichen<br />

Fördervereinstagungen, auf denen u.a. so namhafte Vertreter wie Otto<br />

Hahn, Walter Gerlach <strong>und</strong> Peter Debye über neuere Entwicklungen in ihren<br />

Forschungsdisziplinen referierten.<br />

15) Wie z.B die Vermittlung der Fähigkeit zum Kopfrechnen auch unter<br />

störenden (Gefechts-)Einflüssen <strong>und</strong> eines Ballistik-Drills "bis<br />

zum Instinkt".<br />

16) Vgl. u.a. die Stellungnahme von Prof. Dr. L. Kälbl, Rektor der Universität<br />

München, auf der letzten Hauptversammlung des Fördervereins,<br />

die zugleich die 1. Tagung des Reichssachgebietes Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften<br />

im NSLB war. <strong>Unterricht</strong>sblätter1938, S. 97.<br />

- 134 -


10.3 Das Bündnis mit der Wirtschaft<br />

Wenn neben der Wehrmacht <strong>und</strong> der Wissenschaft der dritte Bündnispartner,<br />

die Wirtschaft, erstmals 1937 im Leitthema der Fördervereinstagung auftauchte,<br />

so bedeutete das nicht, daß nicht auch schon vor 1937 enge Beziehungen<br />

zwischen Vertretern der Wirtschaft <strong>und</strong> des Fördervereins bestanden<br />

hätten. Allerdings bestand diese Verbindung in erster Linie zur<br />

Chemiedidaktik, was sich an Themen wie "Die Rohstoffe der chemischen Industrie"<br />

oder "Zellstoffe <strong>und</strong> Papiergewinnung", die auf der chemischen<br />

Fachsitzung der Fördervereinstagung 1936 behandelt wurden, dokumentiert<br />

(Lorey 1938, S. 116), <strong>und</strong> tatsächlich fällt auch im Dritten Reich die<br />

Behandlung der Hauptprobleme <strong>und</strong> -ziele der Wirtschaft, der deutschen<br />

Nahrungs- <strong>und</strong> Rohstoffreiheit, in den Bereich des Chemieunterrichts (vgl.<br />

Göttel 1938, S. 32).<br />

Dennoch war über das eher von den schulischen Vertretern der Physik forcierte<br />

Bündnis Wissenschaft/Wehrmacht indirekt nicht nur die politische<br />

Führung im engeren Sinne, sondern auch die Rüstungsindustrie angesprochen.<br />

So erschienen auf der Hauptversammlung 1937 neben den Militärs (sowie<br />

Vertretern der Reichspost <strong>und</strong> der Reichsbahn) auch zahlreiche Vertreter<br />

der Industrie, allen voran die der IG-Farben; sie machten in einer Reihe<br />

von Vorträgen die Anforderungen der Wirtschaft <strong>und</strong> speziell des Vierjahresplanes<br />

an den naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong> deutlich. Da sie damit<br />

zugleich auch ihr eigenes Interesse am naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong><br />

bek<strong>und</strong>eten, konnte sich die naturwissenschaftliche Fachdidaktik<br />

auch von dieser Seite aus abgesichert fühlen <strong>und</strong> brauchte nunmehr um keinerlei<br />

Abwertung durch die NS-Ideologie mehr zu fürchten (Bericht über<br />

die 39. Hauptversammlung 1937).<br />

Der Förderverein stellte die folgende <strong>und</strong> zugleich erste Tagung im NSLB<br />

im Jahre 1938 unter ein vom Führer höchstpersönlich der Wissenschaft <strong>und</strong><br />

Technik gewidmetes Wort: "Der deutsche Ingenieur <strong>und</strong> Techniker, unsere<br />

Physiker <strong>und</strong> Chemiker, sie gehören zu den Bahnbrechern auf dieser Welt"<br />

(1. Tagung des Reichssachgebietes 1938). Und tatsächlich waren es diesmal<br />

die Wissenschaften <strong>und</strong> ihre Verbände wie die GDNÄ oder der VDI, de-<br />

- 135 -


•<br />

nen vor allen anderen Achtung <strong>und</strong> Ehrerbietung gezollt wurde. Man war wieder<br />

unter sich, man hatte seine relative Autonomie gerettet, wenn auch um<br />

den Preis einer weitgehend kriegswissenschaftlichen, -technischen <strong>und</strong><br />

-wirtschaftlichen Ausrichtung der Programmatik des naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s. Doch diesen Preis zahlte man wohl gern, zum Teil gewiß<br />

aufgr<strong>und</strong> der ohnehin bei einigen mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrern<br />

verbreiteten militaristischen Gr<strong>und</strong>überzeugung, zum anderen,<br />

weil es gelungen war, weitgehende Zumutungen der national-sozialistischen<br />

Ideologie einigermaßen erfolgreich abzuwehren 17 ). Diese Zumutungen bezogen<br />

sich auf den eigentlichen Kern der nationalsozialistischen Ideologie,<br />

den Rassegedanken.<br />

Rassenlehre war ein zentraler Gegenstand des Biologieunterrichts, dessen<br />

Vertreter demzufolge zu einem Bündnis mit der politisch-ideologischen Führungsgruppe<br />

des NS-Staates geradezu gezwungen waren. Sie wurden dafür aber<br />

auch mit einer erheblichen Ausweitung der Schul biologie bis hin zu ihrer<br />

Aufwertung zum Haupfach 'belohnt,18). Darüber hinaus war jedes <strong>Unterricht</strong>sfach<br />

gefordert, seinen Beitrag zur rassistischen Erziehung der Jugend<br />

zu leisten. Auf den Physikunterricht kamen die hieraus resultierenden<br />

Anforderungen in zweifacher Art zu. Zum einen ging es im Sinne der<br />

Blut- <strong>und</strong> Bodenideologie um die Schaffung eines völkischen Bewußtseins,<br />

zum anderen um die Verbreitung der Lehren der "Deutschen Physik".<br />

Beiden Forderungen taten die Physikdidaktiker in der Regel lediglich damit<br />

genüge, daß sie die besonderen Leistungen der deutschen Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> deren tiefe Verankerung im deutschen Volkscharakter ausgiebig würdigten<br />

19 ). Damit befanden sie sich auf dem unverfänglich sicheren Boden nicht<br />

nur eines allgemeinen Konsenses, sondern insbesondere auch ihrer fachpä-<br />

17) Auffällig ist, daß auf den jährlichen Hauptversammlungen des Vereins<br />

nur selten NSDAP-Funktionäre vertreten waren.<br />

18) Zum Biologieunterricht im Dritten Reich siehe: Keckstein 1981, S.59ff,<br />

Schnell 1981, S. 22ff, Zmarzlik 1970, S. 86ff.<br />

19) Dies dürften sie allerdings weniger als unumgängliches Zugeständnis<br />

an die herrschende Ideologie, sondern eher als wlllkommene Möglichkeit<br />

ihrer öffentlichen Selbstaufwertung zu schulischen Vertretern<br />

einer nationalen Elite empf<strong>und</strong>en haben.<br />

- 136 -


Zwar gelangen ihnen vereinzelt wissenschaftspolitische Anfangserfolge<br />

(siehe Richter 1980), doch in die eigentliche fachwissenschaftliche Diskussion<br />

konnten sie mit ihren Auffassungen nicht vordringen. Dasselbe<br />

galt auch für die gymnasiale Physikdidaktik, die in ihren Lehrbüchern<br />

<strong>und</strong> Fachaufsätzen im allgemeinen nicht einmal ansatzweise hierauf einging.<br />

Bedenkt man, daß Lenard 1924 seine rassistische Wissenschaftsvorstellung<br />

auf einer Fördervereinstagung vertreten konnte, so gewinnt man fast den<br />

Eindruck, als ob die Distanz der Gymnasiallehrer gegenüber der "Deutschen<br />

Physik" (<strong>und</strong> der "Deutschen Chemie" <strong>und</strong> "Deutschen Mathematik") wie generell<br />

gegenüber der nationalsozialistischen Rassenideologie im Laufe<br />

der nationalsozialistischen Entwicklung <strong>und</strong> insbesondere im Zuge der Stabilisierung<br />

des Bündnisses mit der Wehrmacht <strong>und</strong> Wirtschaft eher zu- als<br />

abgenonunen hat.<br />

10.4 Der naturwissenschaftliche <strong>Unterricht</strong> im Dienst des Krieges<br />

Als ein entscheidender Indikator für den Erfolg der Abwehr- <strong>und</strong> Bündnisstrateg1en<br />

des Fördervereins können die 1938 erschienenen, ersten genuin<br />

nationalsozialistischen Lehrpläne <strong>und</strong> St<strong>und</strong>entafeln für die höhere<br />

Schule angesehen werden. Sowohl die im Vergleich zu den anderen Bildungsfächern<br />

relativ geringen St<strong>und</strong>eneinbußen von Physik <strong>und</strong> Chemie als auch<br />

die vom Rassenk<strong>und</strong>eprinzip so gut wie unberührten Lehrplaninhalte zeigen,<br />

wie gut es den Fachfunktionären in den Jahren zwischen 1933 <strong>und</strong> 1938 gelungen<br />

war, ihre beruflichen Interessen zu wahren.<br />

Nach den Richtlinien (vgl. St<strong>und</strong>entafeln von 1925, S. 116) umfaßte der<br />

gesamte naturwissenschaftliche <strong>Unterricht</strong> am (humanistischen) Gymnasium<br />

26 Wochenst<strong>und</strong>en, während der sprachliche Oberschulzweig zunächst auf 27<br />

Wochenst<strong>und</strong>en kam, zwei Jahre später im Zuge der kriegsbedingten St<strong>und</strong>entafelvereinfachungen<br />

jedoch 34 Wochenst<strong>und</strong>en erhielt. Lediglich der mathematisch-naturwissenschaftliche<br />

Oberschulzweig erlitt mit 33 bzw. 34<br />

(1940) Wochenst<strong>und</strong>en Naturwissenschaften zunächst Einbußen. Doch erhöh-<br />

- 138 -


sämtliche traditionellen Bildungsfächer mehr oder weniger gravierende<br />

St<strong>und</strong>eneinbußen erlitten, die für den Physikunterricht im Reichsvergleich<br />

27 ) unter dem Durchschnitt von etwa 20% lagen.<br />

Während der Endphase des Krieges sah sich das Reichsministerium für Wissenschaft,<br />

Erziehung <strong>und</strong> Volksbildung sogar veranlaßt, den Physikunterricht<br />

in die Oberschulklasse 3 vorzuverlegen, da die Schüler der Oberstufenklassen<br />

nicht selten als Flakhelfer tätig waren <strong>und</strong> somit der <strong>Unterricht</strong><br />

in dieser Schulstufe häufig ausfiel. Die für die Vorverlegung erforderliche<br />

Zeit sei, so wurde angeordnet, "durch Einschränkung in den<br />

anderen <strong>Unterricht</strong>sfächern ... zu gewinnen 28 ).<br />

Ihren eigentlichen Erfolg konnte die fachdidaktische Interessenpolitik<br />

jedoch auf inhaltlichem Gebiet verbuchen. Erstes <strong>und</strong> hauptsächliches Ziel<br />

des Physikunterrichts blieb den Lehrplänen zufolge die Vermittlung systematischer<br />

<strong>und</strong> umfassender Stoffkenntnisse über die Erscheinungen <strong>und</strong><br />

Gesetze der Natur <strong>und</strong> die Verfahren <strong>und</strong> Theorien der physikalischen Wissenschaft.<br />

Dabei war - wie in allen Lehrplänen zuvor - eine derartige<br />

Stoffülle in den Lehrplan aufgenommen worden, daß schon ein Jahr später<br />

darüber Klage geführt wurde, daß viele Lehrer infolge der Stoffüberlastung<br />

bestimmte Stoffgebiete in ihrer <strong>Unterricht</strong>spraxis übergehen müßten<br />

(Wrede 1939).<br />

Ähnliches galt für das vorrangige methodi sche Prinzip einer an Experimenten<br />

<strong>und</strong> insbesondere an Schülerübungen reichen <strong>Unterricht</strong>sgestaltung.<br />

Hier fehlten in der Regel nicht nur die notwendigen Geräte, sondern auch<br />

der Wille <strong>und</strong> die Erfahrung der Fachlehrerschaft (Schröder, Brandt 1939),<br />

so daß auch im vierten Jahrzehnt nach den Meraner Lehrplänen diese Gr<strong>und</strong>forderung<br />

der <strong>Unterricht</strong>sreform unerfüllt blieb.<br />

27) Zur Bewertung der nationalsozialistischen St<strong>und</strong>entafeln sind neben<br />

den preußischen Vorgängerrichtlinien natürlich auch die aller anderen<br />

Länder der Weimarer Republik heranzuziehen. Die Feststellung, daß<br />

der Physikunterricht im Faschismus um 'nahezu ein Drittel' gekürzt<br />

worden sei, ist daher, abgesehen von der fehlenden Präzisierung von<br />

Schulzweig <strong>und</strong> Bezugsgröße (s.o.), erheblich überzogen (vgl. Töpfer,<br />

Bruhn 1976, S. 293).<br />

28) R<strong>und</strong>erlaß vom 28.9.1944. Zit. nach Physikalische Blätter, 1. Jg.,<br />

H 12/1944.<br />

- 140 -


der kriegsbedingten Störungen <strong>und</strong> Einschränkungen des allgemeinbildenden<br />

<strong>Unterricht</strong>s auch im naturwissenschaftlichen Bereich 3D ) traten so kriegswichtige<br />

Anwendungsbereiche der Physik wie Fluglehre, Ballistik, Fernsprech-<br />

<strong>und</strong> Funktechnik, Motorenk<strong>und</strong>e, optische Beobachtungsinstrumente,<br />

Wetterk<strong>und</strong>e u.a.m. zunehmend in den Vordergr<strong>und</strong> des <strong>Unterricht</strong>s (Wehrgeistige<br />

Erziehung 1940) <strong>und</strong> insbesondere der von Anfang an stärker nationalpolitischen<br />

Aufgaben verpflichteten Arbeitsgemeinschaften. Dabei meldete<br />

über die bislang bevorzugte Luftwaffe hinaus auch die Kriegsmarine verstärkt<br />

ihre Ansprüche an den Physikunterricht an, so daß sich die schulischen<br />

Naturwissenschaften - ähnlich wie im Ersten Weltkrieg - auf breitester<br />

'Front' aufgewertet sahen.<br />

Die Fachvertreter blieben ihrer seit Beginn des "Tausendjährigen Reichs"<br />

verfolgten Strategie einer Bündnispolitik mit Wehrmacht, Wissenschaft <strong>und</strong><br />

Wirtschaft bis zum bitteren Ende treu. Indem sie sich in begrenztem Maße<br />

manchen ideologischen Vereinnahmungsversuchen durch,die Partei entziehen<br />

konnten, gelang es ihnen zugleich, ihre Fach- <strong>und</strong> <strong>Standesinteresse</strong>n<br />

zu sichern.<br />

30) So fiel, bedingt durch die frühzeitige Einberufung der Schüler zum<br />

Heer, gegen Ende des Krieges immer häufiger "der letzte Jahrgang der<br />

höheren Schule" ganz weg, <strong>und</strong> die Schüler der 6. <strong>und</strong> 7. Klasse wurden<br />

"bis auf die Untauglichen <strong>und</strong> die für die HJ Freigestellten zum<br />

Luftwaffendienst herangezogen". K. Hahn 1944, S. 218ff. Die kriegsbedingte<br />

Inanspruchnahme der höheren Schule stieß auf seiten der<br />

Hochschule mehr <strong>und</strong> mehr auf Kritik, da man durch den obligatorischen<br />

Arbeitsdienst <strong>und</strong> die Einberufung zum Militär einen Rückgang der Naturwissenschaftsstudenten<br />

befürchtete. Kliefoth 1944, S. 222ff.<br />

- 142 -


11. Die Restauration des Bildungswesens in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

Parallel zu den politischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Wiederaufbaubemühungen<br />

nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Herrschaft im Jahre<br />

1945 schien sich - ähnlich wie 1918 - auch die Möglichkeit zu gr<strong>und</strong>legenden<br />

Reformen im Bildungswesen zu eröffnen.<br />

Die Reforminitiativen gingen einerseits von den alliierten Besatzungsmächten<br />

<strong>und</strong> andererseits von in der Nazizeit unterdrückten bzw. verbotenen<br />

politischen Organisationen <strong>und</strong> Parteien aus: Säuberung des Lehrpersonals,<br />

Revision der Fächerinhalte <strong>und</strong> Schulbücher <strong>und</strong> Veränderung der<br />

Schul struktur waren die bildungspolitischen Prinzipien, die alle auf eine<br />

gr<strong>und</strong>legende Demokratisierung der Schule zielten.<br />

So betonten die vier Besatzungsmächte in der gemeinsam verfaßten Kontrollratsdirektive<br />

Nr. 54 vom Juni 1947 die Notwendigkeit gleicher Bildungschancen<br />

für alle <strong>und</strong> die Unentgeltlichkeit des <strong>Unterricht</strong>s <strong>und</strong> traten<br />

für ein integriertes, stufenartiges Bildungssystem ein (Michael,<br />

Schepp (Hrsg), 1973/74, S. 233ff, zit. nach Herrlitz u.a. 1981, S. 141).<br />

Ähnliche Ziele vertraten auch die SPD <strong>und</strong> die KPD in einem gemeinsamen<br />

Aufruf im Jahre 1945, in dem sie sich u.a. für ein einheitliches öffentliches<br />

Schulsystem mit klarer Trennung von Kirche <strong>und</strong> Staat aussprachen,<br />

das "im Geiste einer kämpferischen Demokratie" gestaltet werden sollte<br />

(Froese (Hrsg) 1969, S. 87ff, zit. nach Herrlitz u.a. 1981, S. 142).<br />

Als in den westlichen Besatzungszonen 1947 ein Teil der Verwaltungsfunktion<br />

auf die neu gewählten Länderparlamente <strong>und</strong> -regierungen übertragen<br />

wurde, legten die Kultusverwaltungen fast aller B<strong>und</strong>esländer bis Ende<br />

1948 Gesetzesinitiativen vor, die in Anlehnung an diese Reformansätze<br />

zum Teil entscheidende Veränderungen der Schul struktur vorsahen 1 ).<br />

- 143 -


•<br />

So führten die sozialdemokratisch geführten Kultusministerien der Länder<br />

Bremen, Sch1eswig-Ho1stein <strong>und</strong> Hamburg die sechsjährige Gr<strong>und</strong>schule ein,<br />

<strong>und</strong> in Hessen legte der christdemokratische Kultusminister Stein einen<br />

Gesetzesentwurf für eine "in sich gegliederte Einheitsschule" vor.<br />

Auf der Gr<strong>und</strong>lage einer 4-jährigen Gr<strong>und</strong>schule <strong>und</strong> eines 2-jährigen förderstufenartigen<br />

Abschnittes sah die Steinsche Schulreform eine nach<br />

"praktischen", "gehobenen praktischen" <strong>und</strong> "wissenschaftlichen" Begabungen<br />

<strong>und</strong> Berufen verzweigte Mitte1- <strong>und</strong> Oberstufe vor, deren Zweige sowohl<br />

durch den Lehrplan als auch durch einen Kern-Kurs-<strong>Unterricht</strong> stärker<br />

horizontal miteinander verb<strong>und</strong>en sein sollten (Huster, Schweiger<br />

1979, zit. nach Herr1itz u.a. 1981, S. 143).<br />

In "Groß-Ber1in" verabschiedete eine Minderheit aus SPD, SED <strong>und</strong> LDP ein<br />

Schul gesetz für eine 12-jährige Einheitsschule, die eine 8-jährige Gr<strong>und</strong>schule<br />

umfaßte <strong>und</strong> sich danach in einen "praktischen" <strong>und</strong> einen "wissenschaftlichen"<br />

Bildungszweig gliederte (Froese (Hrsg), a.a.O., zit. nach<br />

Herr1itz u.a. 1981, S. 143). Die Durchsetzung dieser Schulreform sollte<br />

sich jedoch letztlich als unmöglich herausstellen, da sich die politischen<br />

Kräfteverhältnisse info1ge der Integration der Westzonen zu einem<br />

eigenständigen Staatsgebilde sehr schnell zuungunsten der Reformbefürworter<br />

veränderten. Die projektierte Umwandlung der Schulen scheiterte etwa<br />

in Hessen im Vorfeld der Gesetzgebung, <strong>und</strong> die vor allem von Bremen,<br />

Sch1eswig-Ho1stein <strong>und</strong> Hamburg sowie "Groß-Ber1in" erzielten Ergebnisse<br />

wurden unter mehrheitlich konservativ-liberalen Länderregierungen rückgängig<br />

gemacht (ebenda). Insbesondere als sich die USA in ihrer Außen<strong>und</strong><br />

Deutschlandpolitik ab 1947 immer stärker auf eine Ost-West-Konfrontation<br />

einstellten, damit die Integration der drei Westzonen vorantrieben<br />

<strong>und</strong> di e Ei ng1 i ederung der B<strong>und</strong>esrepub 1 i kin das ökonomi sche <strong>und</strong> bündnispolitische<br />

System der wichtigsten kapitalistischen Industriestaaten<br />

forcierten, stärkten sie - schulpolitisch wohl eher indirekt als gezielt -<br />

jene politischen Kräfte in Deutschland, die für eine Restauration<br />

der privatkapitalistischen Gesellschaftsordnung eintraten (a.a.O., S. 144f,<br />

1) Hiervon ausgenommen waren Bayern (s. K1afki 1976, S. 253ff) <strong>und</strong> Nordrhein-Westfalen<br />

(s. Halbritter 1979).<br />

- 144 -


vgl. auch Kuhlmann 1966; Tenorth 1975). In dieser Folge gewann der "konservative<br />

Block" aus CDU/CSU, Unternehmerverbänden, Kirchen <strong>und</strong> den Vertretern<br />

der Hochschulen <strong>und</strong> Gymnasien immer mehr die Oberhand. Ihre Interessen<br />

aber zielten auf eine rasche Wiederherstellung des traditionellen<br />

Schulsystems.<br />

11.1 Die Wiederbegründung des Fördervereins <strong>und</strong> seine bildungspolitische<br />

Position<br />

Die Interessen der mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrer<br />

vertrat auch in dieser historischen Phase der Förderverein. In der britischen<br />

Zone war es Prof. Dr. W. Franck (Hamburg), der zusammen mit anderen<br />

alten Mitgliedern des Fördervereins wie Prof. Dr. Lietzmann (Göttingen),<br />

Prof. Dr. Bavink (Bielefeld), Prof. Dr. Drenckhahn (Kiel) <strong>und</strong> Oberstudiendirektor<br />

P. Meyer (Hamburg) am 18.10.1946 einen Antrag auf Wiederaufnahme<br />

der Vereinstätigkeit stellte 2 ). Dem Antrag wurde am 25.2.1947 zunächst<br />

für Hamburg <strong>und</strong> am 30.7.1947 für die gesamte Zone entsprochen (Reinhold<br />

1958/59, S. 9). Etwa zur gleichen Zeit bemühten sich Oberstudiendirektor<br />

Kraft (Bad Hersfeld), Oberstudiendirektor Dr. Flörke (Gießen) <strong>und</strong> Studienrat<br />

Dr. Heußel (Gießen) um eine Neugründung für das Land Hessen in der<br />

amerikaniscnen Besatzungszone, die dann am 9.6.1948 erfolgte.<br />

Die Bestrebungen um Zulassung des Vereins in den anderen Ländern blieben<br />

zunächst noch erfolglos 3 ).<br />

Auf umso größeres Interesse stieß die wiederaufgenommene Vereinstätigkeit<br />

bei den Fachkollegen.<br />

2) Zur Stellung der westlichen Besatzungsmächte zu den Organisationsansätzen<br />

der Lehrerschaft siehe u.a. Tenorth 1975 <strong>und</strong> Morell 1977.<br />

3) 1949 erteilte die französische Militärregierung die Vereinslizenz<br />

erstmals für Südwürttemberg-Hohenzollern.<br />

- 145 -


•<br />

Ein Werbeaufruf, der zusammen mit dem im September 1948 erschienen ersten<br />

Heft der neugegründeten Vereinszeitschrift "Der mathematische <strong>und</strong><br />

naturwissenschaftliche <strong>Unterricht</strong>" (MNU} an alle Schulen Westdeutschlands<br />

versandt wurde, führte bis Ende März 1949 in der britischen Zone<br />

zu r<strong>und</strong> 800 <strong>und</strong> in Hessen zu ca. 300 Vereinseintritten.<br />

Zum Zusammenschluß der selbständigen Vereine in der britischen Zone <strong>und</strong><br />

Hessen sowie in den neu hinzugekommenen Ländern Württemberg <strong>und</strong> Nordbaden<br />

kam es schließlich auf der 2. Hauptversammlung 1950 in Wiesbaden 4 ),<br />

auf der auch einstimmig die Neugründung des "Deutschen Vereins zur Förderung<br />

des mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s" beschlossen<br />

<strong>und</strong> die Satzung verabschiedet wurde.<br />

Die in der Satzung festgelegten Zielsetzungen blieben im wesentlichen die<br />

gleichen, wie sie bereits auf der Gründungsversammlung 1891 formuliert<br />

wurden (vgl. S. 72).<br />

So heißt es: "§ 2: der Verein will:<br />

1. die wissenschaftliche <strong>und</strong> pädagogische Weiterbildung seiner<br />

Mitglieder fördern,<br />

2. das Ziel herausarbeiten, das dem mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong> in einer sich wandelnden Welt zu<br />

setzen ist,<br />

3. das Verfahren des <strong>Unterricht</strong>s zur Erreichung dieses Zieles<br />

entwickeln <strong>und</strong> ausbauen,<br />

4. dafür eintreten, daß Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften in der<br />

Erziehung den ihnen gebührenden Rang erlangen <strong>und</strong> in der Schule<br />

hinreichende Wirkungsmöglichkeiten erhalten"<br />

(Satzungsentwurf, MNU 1950, S. 240)5)<br />

4) Mit der Jahreshauptversammlung knüpfte der Förderverein an die Vereinsgeschichte<br />

vor dem Krieg an, indem er diese als die 41. Hauptversammlung<br />

auswies.<br />

5) Der Satzungsentwurf wurde ohne Änderung angenommen. Bericht über die<br />

Geschäftssitzung 1950/51. Im Unterschied zur Gründungssatzung von 1891<br />

waren nunmehr zur Mitgliedschaft "alle Lehrer an Schulen <strong>und</strong> Hochschulen"<br />

berechtigt, nicht nur die an "höheren Schulen <strong>und</strong> Hochschulen".<br />

De facto setzte sich der Mitgliederkreis jedoch wieder von Anfang an<br />

fast ausschließlich aus Gymnasiallehrern zusammen; das ist bis heute<br />

so geblieben.<br />

- 146 -


Auch die Organisationsstruktur des Vereins blieb im wesentlichen unverändert.<br />

Der Vorstand. dem der 1. <strong>und</strong> 2. Vorsitzende sowie der Geschäftsführer<br />

angehören <strong>und</strong> der von der Hauptversammlung für 3 Jahre gewählt<br />

wird. hat den Verein nach außen hin zu repräsentieren <strong>und</strong> die jährlichen<br />

Tagungen mit vorzubereiten <strong>und</strong> zu gestalten.<br />

Erweitert wird der Vorstand durch mindestens 3 Beisitzer. die die einzelnen<br />

<strong>Unterricht</strong>sfächer Mathematik. Physik. Chemie <strong>und</strong> Biologie vertreten<br />

<strong>und</strong>/oder vereinsinterne Aufgaben wie beispielsweise die Schriftleitung<br />

des Vereinsorgans bzw. die öffentlichkeitsarbeit übernehmen. Zur Unterstützung<br />

wird dem Vorstand außerdem ein Hauptausschuß beratend zur Seite<br />

gestellt. der sich aus den Ehrenmitgliedern <strong>und</strong> ehemaligen 1. Vorsitzenden<br />

sowie den von der Hauptversammlung für 3 Jahre gewählten Mitgliedern<br />

zusammensetzt <strong>und</strong> der u.a. die Kooperation mit den Landesverbänden bzw.<br />

den Bezirks- <strong>und</strong> Ortsgruppen koordinieren soll.<br />

"Das Ziel ...• den 'Deutschen' Verein wieder aus der Taufe zu heben. war<br />

somit 5 Jahre nach Kriegsende erreicht. Die Gründungsmitglieder hatten damit<br />

an eine Tradition angeknüpft. die von der Vorstellung einer geradlinigen.<br />

positiven Entwicklung getragen war. die im Jahre 1933 nur von außen<br />

unterbrochen worden war.<br />

Die Chance. 12 Jahre Nationalsozialismus als politische <strong>und</strong> eigene Geschichte<br />

aufzuarbeiten. war von daher denkbar gering. <strong>und</strong> in der Tat<br />

blieb der Umstand. daß der Förderverein im Dritten Reich ein geradezu<br />

enthusiastisches Bekenntnis für die faschistischen Machthaber abgelegt<br />

hatte <strong>und</strong> der naturwissenschaftliche <strong>Unterricht</strong> programmatisch zu einem<br />

kriegspropädeutischen <strong>Unterricht</strong> umfunktioniert worden war. unreflektiert<br />

bzw. wurde nie:, öffentlich diskutiert 6 ). Im Gegenteil. die Unfähigkeit<br />

bzw. die mangelnde Bereitschaft. irgendeine Selbstkritik an der vereinspolitischen<br />

Vergangenheit zu üben 7 ). führte in der durch materielles <strong>und</strong><br />

soziales Elend geprägten Nachkriegssituation zu einer Verkehrung des hi-<br />

6) Zwar wies Lietzmann in seinem Geleitwort für das 1. Heft der Vereinszeitschrift<br />

auf die "notwendige Neuausrichtung der Biologie" hin. doch<br />

war das für ihn lediglich eine Frage der Stoffauswahl. Lietzmann 1948.<br />

S. H.<br />

- 147 -


storischen Selbstverständnisses: Man verstand sich nicht als einstmals<br />

aktiver Förderer, nicht einmal als Mitläufer <strong>und</strong> teilweise Profiteur des<br />

Nationalsozialismus, sondern als Opfer des Krieges. Es war der Mangel an<br />

Räumen <strong>und</strong> Lehrernachwuchs, Lehrbüchern <strong>und</strong> Experimentiermaterialien, worüber<br />

man - unter Ausklammerung der Frage nach den Ursachen des Zusammenbruchs<br />

- klagte <strong>und</strong> zu dessen Behebung alle Fachkollegen aufgerufen wurden<br />

(vgl. Lietzmann <strong>und</strong> Zühlke 1948, S. 1f).<br />

So ungebrochen das Verhältnis der Gründungsmitglieder zur Tradition ihres<br />

alten Vereins geblieben war, so ungebrochen blieb auch ihr berufsständisches<br />

Selbstverständnis. Ohne sich auf die einzelnen Schulreformansätze<br />

einzulassen, setzte der Förderverein - wie schon zu Beginn der 20er Jahre<br />

- wieder auf das Durchsetzungsvermögen des bildungspolitischen Konservatismus<br />

oder gar der bildungspolitischen Reaktion. Kompromißlos verteidigte<br />

er das 9-jährige Gymnasium als eine Elite- <strong>und</strong> Leistungsschule <strong>und</strong><br />

lehnte jedweden Eingriff in das Schulsystem ab, der die Eigenständigkeit<br />

<strong>und</strong> eine Kürzung bzw. Umstrukturierung des 9-jährigen gymnasialen Bildungskanons<br />

ins Auge faßte 8 ).<br />

Favorisiert wurde von den in drei Typen aufgespaltenen Gymnasien - dem<br />

altsprachlichen, dem neusprachlichen <strong>und</strong> dem mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Typus - in erster Linie das mathematisch-naturwissenschaftliche<br />

Gymnasium, während man der von einigen Gymnasiallehrergruppen zeitweilig<br />

geforderten Wiedereinführung des altsprachlichen Gymnasiums "als<br />

Normaltypus" äußerst ablehnend gegenüberstand (vgl. Bavink 1947).<br />

7) Die Unfähigkeit, die Entnazifizierung in ihrer politischen Funktion<br />

zu begreifen bzw. selbständig Kritik an der eigenen Vergangenheit zu<br />

üben, dokumentiert sich auch darin, daß zu den Gründungsmitgliedern<br />

u.a. auch ehemalige Förderer des nationalsozialistischen Systems gehörten<br />

wie z.B. Erich Günther, der von 1930 bis 1936 Vorsitzender des<br />

Vereins war <strong>und</strong> das "Wehrphysik-Handbuch" 1936 herausgegeben hatte<br />

(Lietzmann 1951, S. 193f). Hermann Athen, von 1956 bis 1969 2. Vorsitzender<br />

des Vereins, war Referent für Ballistik im Heereswaffenamt<br />

in Berlin gewesen <strong>und</strong> hatte zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zur<br />

"Wehrmathematik" verfaßt (Pohlmann 1981, S. 243f). Zu diesemKreis gehörte<br />

auch Walter Franck, der seit 1936 Reichsreferent für Chemie im<br />

NSLB war (Lorey 1938, S. 153).<br />

8) Vgl. Entschließung des Fördervereins 1949, König 1951/52, Behnke 1953/<br />

54 auf der Hauptversammlung 1953, MNU 1953/54, S. 82, Raith auf der<br />

Hauptversammlung 1957, MNU 1957/58, S. 134.<br />

- 148 -


nachdem sie seit Kriegsende immer wieder zur Neugestaltung des naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s an den höheren Schulen Stellung genommen hatten<br />

(vgl. Ramsauer 1949, S. 51, Zachmann 1949), 1950 nach der Gründung<br />

des "Verbandes Deutscher Physikalischer Gesellschaften" (VDPG) über deren<br />

<strong>Unterricht</strong>skommission eine entsprechende Entschließung vorlegten (Entschließung<br />

des VDPG 1951/52). Beide waren sich nicht nur darin einig, daß<br />

durch die Unterbewertung der naturwissenschaftlichen Fächer an den Gymnasien<br />

die "Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsziele der deutschen höheren Schule" in<br />

Frage gestellt waren, sondern sahen darin auch "einen nicht zu verantwortenden<br />

Rückschlag <strong>und</strong> größte Gefahr für die kulturelle <strong>und</strong> wirtschaftliche<br />

Zukunft" Deutschlandsli).<br />

Während der Förderverein alle schulorganisatorischen Reformversuche, die<br />

das derzeitige Schulsystem <strong>und</strong> die tradierten Strukturen der höheren<br />

Schule antasteten, ablehnte, schien er hinsichtlich der Lehrplanfrage zu<br />

einer Neugestaltung der naturwissenschaftlichen Lehr- <strong>und</strong> Stoffpläne bereit<br />

zu sein I2 ).<br />

Der Förderverein, dessen Mitglieder in den Lehrplankommissionen bereits<br />

wieder eine "führende Rolle" spielten (Fördervereinsvorsitzender Muscheller<br />

1958/59, S. 86), proklamierte damit nicht nur den Anspruch der naturwissenschaftlichen<br />

Gymnasiallehrerschaft, in allen den naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong> betreffenden Belangen alleinige Urteilskompetenz zu haben<br />

(Reinhold 1958/59, S. 10), sondern machte das Niveau des <strong>Unterricht</strong>s<br />

zugleich auch abhängig von einer stetigen Verbesserung der Arbeitsplatz-<br />

11) Vgl. Entschließung des Fördervereins 1953/54. Vgl. auch Entschließung<br />

des Fördervereins 1952/53. In der Entschließung des VDPG heißt es<br />

hierzu u.a.: "Dem physikalischen <strong>Unterricht</strong> kommt ... nicht nur eine<br />

hervorragende pädagogische, sondern geradezu eine volkswirtschaftliche<br />

Bedeutung zu". Und: "Wenn die naturwissenschaftlichen unt technischen<br />

Berufe nicht die Gr<strong>und</strong>lage für das Hochschulstudium auf der höheren<br />

Schule finden, werden die wertvollsten Kräfte vergeudet, die geeignet<br />

sind, dem Volk eine Lebensmäglichkeit in der Zukunft zu erhalten.<br />

A.a.O., S. 190.<br />

12) Die Gr<strong>und</strong>lage hierfür bildete ein von einem zehnköpfigen Ausschuß -<br />

unter Vorsitz von Oskar Höfling - verfaßter "Mindeststoffplan", bei<br />

dem man sich sehr eng an den klassischen Rahmen der Meraner Lehrpläne<br />

gehalten <strong>und</strong> diesen lediglich um das Stoffgebiet "Atomphysik" erweitert<br />

hatte. Höflich 1954/55, S. 75ff. Der Förderverein legte auch<br />

Lehrpläne für Mathematik, Chemie <strong>und</strong> Biologie vor.<br />

- 150 -


<strong>und</strong> Zeitsituation 13 ) <strong>und</strong> der Ausbildung seiner Berufsmitglieder. Bereits<br />

1955 forderte der Förderverein eine Beschränkung der Studienfächer von 3<br />

auf 2 14 ) (um "in einigen Fächern eine(r) Auslese nach unten für das Lehramt"<br />

zu begegnen) sowie zusätzlich zur "Vertiefung des Fachstudiums" eine<br />

"Vertiefung der philosophischen Ausbildung", wobei diese "vom Fach aus"<br />

zu erfolgen habe. Demgegenüber sollte sich der Student nur dort mit Pädagogik<br />

beschäftigen, "wo es an einer Universität sinnvoll" sei (Fördervereinstagung<br />

1955, S. 86).<br />

Um die Erziehungs- <strong>und</strong> Bildungsziele des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s<br />

zu erreichen, so die Argumentation, müsse der Lehrer sein Fach<br />

"vom Kern her erfahren haben". Notwendig sei deshalb im Studium eine<br />

"gründliche wissenschaftliche Schulung", die "zu selbständiger wissenschaftlicher<br />

Arbeit" befähigen soll (49. Hauptversammlung des Fördervereins<br />

1958/59, S. 86). Für die zukünftigen Naturwissenschaftslehrer am<br />

Gymnasium könne dies aber nur bedeuten, daß ihre Ausbildung an den "traditionellen<br />

Forschungsstätten - den Universitäten <strong>und</strong> Hochschulen"stattfinden<br />

müsse (ebenda).<br />

Andere, "zweite" naturwissenschaftliche Bildungswege zum Gymnasiallehrer<br />

über Berufs- <strong>und</strong> Fachschulen, wie sie zur Förderung des Techniker- <strong>und</strong><br />

Ingenieurnachwuchses Ende der 50er Jahre gefordert wurden, beurteilte der<br />

Förderverein geringschätzig 15 ).<br />

13)<br />

14)<br />

15)<br />

Neben dem Ausbau der naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>sräume <strong>und</strong> der<br />

Modernisierung der Lehrmittel forderte der Förderverein eine "nicht<br />

zu hohe" <strong>Unterricht</strong>sverpflichtung der Lehrer, "so daß die Möglichkeit<br />

zur sorgfältigen <strong>Unterricht</strong>svorbereitung, die in experimenteller Hinsicht<br />

sehr viel Zeit erfordert, verbleibt". Höfling 1954/55, S. 77.<br />

Diese Forderung richtete sich gegen den Beschluß der KMK vom 26.6.<br />

1952, der die wissenschaftliche Prüfung in mindestens 3 Prüfungsfächern<br />

vorsah.<br />

So richtete Fritz Raith auf der Hauptversammlung 1957 an die Vereinsführung<br />

den Appell: Der Förderverein "wird sich nicht nur wie bisher<br />

dafür einsetzen müssen, daß der naturwissenschaftlich-mathematischen<br />

Denkweise im Gymnasium Raum <strong>und</strong> Geltung gewährt werde, er wird auch<br />

wachsam darauf zu achten haben, daß andere Bildungswege naturwissenschaftlicher<br />

Prägung sich der Bildung verpflichten <strong>und</strong> nicht nur der<br />

Ausbildung dienen". MNU 1957/58, S. 134.<br />

- 151 -


In der Frage der berufspraktischen Ausbildung, die durch "erfahrene Fachkollegen"<br />

in den Institutionen der 2. Ausbildungsphase erfolgte <strong>und</strong> auch<br />

weiterhin durchgeführt werden sollte, wurde der Förderverein selbst aktiv<br />

<strong>und</strong> richtete 1956 "Tagungen für Fachleiter der Studienseminare" ein. Zweck<br />

dieser von den Kultusministerien der Länder <strong>und</strong> dem Hessischen Lehrerfortbildungswerk<br />

finanziell unterstützten Fachleitertagungen war es, die Ausbildung<br />

der Studienreferendare b<strong>und</strong>esweit besser zu koordinieren 16 ).<br />

Konform gehen die genannten Forderungen jeweils darin, daß der Förderverein<br />

die berufliche Kompetenz der naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrer<br />

<strong>und</strong> die Ausprägung ihres professionellen Status' primär fachwissenschaftlich<br />

abzusichern versuchte <strong>und</strong> damit zugleich die Eigenständigkeit ihrer<br />

Ausbildung <strong>und</strong> Berufsarbeit legitimierte sowie (unausgesprochen) die Spitzenstellung<br />

der Gymnasiallehrer in der Hierarchie des Lehrerstandes verteidigte.<br />

Wollte man nicht in dem bildungspolitischen Gerangel um Ansehen <strong>und</strong> Einfluß<br />

vereinspolitisch ins Hintertreffen geraten, so war die Suche nach<br />

einem gesellschaftlich mächtigen Partner nur konsequent. Daß dabei das<br />

traditionell vorgeprägte Bündnis mit den Fachvertretern an den Hochschulen<br />

ebenso eine wichtige Rolle zu spielen begann wie die Zusammenarbeit<br />

mit verwandten wissenschaftlichen Gesellschaften <strong>und</strong> Berufsverbänden,<br />

war nicht zufällig, bestand doch zwischen ihnen Einigkeit im<br />

Hinblick auf die Funktionsbestimmung der höheren Schule als "universitätspropädeutische<br />

Einrichtung" wie in der Dominanz der wissenschaftspolitischen<br />

Orientierung an gesellschaftlichem Prestige 17 ).<br />

16) Bericht über die Geschäftssitzung 1955/56, S. 93. 49. Hauptversammlung,<br />

a.a.O., S. 9l.<br />

17) Daß zwischen diesen Interessengruppen auch diveroierende Zielsetzungen<br />

bestanden, hat Tenorth am Beispiel der Westdeutschen Rektorenkonferenz<br />

<strong>und</strong> des Philologenverbandes aufgezeigt. Ders. 1975.<br />

- 152 -


11.2 Das Bündnis mit der Wissenschaft<br />

Die schul- <strong>und</strong> bildungspolitischen Interessen der Naturwissenschaftsvertreter<br />

an den Universitäten <strong>und</strong> Hochschulen wurden neben dem "Verband<br />

Deutscher Phys i ka 1 i scher Gesellschaften" <strong>und</strong> der "Gesellschaft Deutscher<br />

Chemiker,,18) vor allem von der GDNII vertreten, die am 16.2.1950 wiedergegründet<br />

wurde.<br />

Auf Initiative des Physikdidaktikers Karl Hahn sowie des Chemikers <strong>und</strong><br />

Industriellen Hörlein kam es bereits am 5.11.1951 zur Einrichtung einer<br />

Schul- <strong>und</strong> <strong>Unterricht</strong>skommission, die unter dem Vorsitz des Nobelpreisträgers<br />

Adolf Butenandt 1954 unter Zusammenschluß von 19 wissenschaftlichen<br />

Gesellschaften <strong>und</strong> Verbänden zur "Arbeitsgemeinschaft Deutsche Höhere<br />

Schule" (AGDHS) erweitert wurde <strong>und</strong> in der alle Schul fächer vertreten<br />

waren 19 ) .<br />

Die Initiative der AGDHS war wesentlich von der Sorge um den kriegsbedingten<br />

Imageverlust der Naturwissenschaften in der öffentlichkeit bestimmt:<br />

"Galt es doch der in weiten Kreisen verbreiteten Einstellung gegen<br />

die Naturwissenschaften entgegenzutreten, denen man vorwarf, die Waffen<br />

geliefert zu haben, mit denen die Politiker dann Mißbrauch trieben.<br />

Nicht um die Unsinnigkeit eines solchen Urteils darzutun, griff sie (die<br />

AGDHS, A.K.) ein, sondern um die verhängnisvollen Folgen der Verkennung<br />

der Kräfte abzuwehren, die allein in dieser Zeit der Not die Zukunft des<br />

18) Gegründet 1946 als Traditionsnachfolgerin der 1867 gegründeten Deutschen<br />

Chemischen Gesellschaft <strong>und</strong> des 1887 gegründeten Vereins Deutscher<br />

Chemiker.<br />

19) In der AGDHS waren neben der GDNII vertreten: Die Deutsche Mathematikervereinigung,<br />

der Verband Deutscher Physikalischer Gesellschaften,<br />

die Gesellschaft Deutscher Chemiker, der Deutsche Biologenverband,<br />

der Deutsche Germanistenverband, der Verband der Geschichtslehrer<br />

Deutschlands, der Verband deutscher Schul geographen , der Deutsche<br />

Altphilologenverband, der Allgemeine Deutsche Neuphilologenverband,<br />

der Verein zur Förderung des mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s, der Verband Deutscher Musiklehrer, der B<strong>und</strong> Deutscher<br />

Kunsterzieher, der Verband der Leibeserzieher an höheren Schulen,<br />

der Deutsche Philologenverband, der Deutsche Verband technischwissenschaftlicher<br />

Vereine, der Verein Deutscher Ingenieure, der<br />

Verein Deutscher Eisenhüttenleute <strong>und</strong> die deutsche Gesellschaft für<br />

Kinderheilk<strong>und</strong>e.<br />

- 153 -


Volkes zu verbürgen versprachen ... In einer Epoche, in der die Verwertung<br />

der Atomenergie den Menschen vollen Ersatz für ihre immer knapper werdende<br />

heutige materielle Existenzgr<strong>und</strong>lage verspricht, mußte sich gerade in<br />

einem Kreis von Forschern <strong>und</strong> Gelehrten, Professoren <strong>und</strong> Lehrern aller<br />

Zweige der Naturwissenschaften einschließlich derMedizin die Kenntis aufdrängen,<br />

daß die höhere Schule in der Heranbildung <strong>und</strong> Erziehung des<br />

Nachwuchses der zur Lösung kommender Aufgaben Berufenen eine ganz besondere<br />

Verpflichtung habe" (AGDHS 1958, S. 1).<br />

Dieser "Verpflichtung" entsprach bildungspolitisch das Bekenntnis zum<br />

eigenständigen 9-jährigen Gymnasium als allgemeiner Bildungsstätte, deren<br />

Bildungsweg zwar für Schüler aus allen Schichten zugänglich, jedoch<br />

auf die "theoretisch Begabten" beschränkt sein sollte. Für die geforderte<br />

didaktische Neugestaltung des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s bedurfte<br />

es weniger eines pädagogisch kompetenten als vielmehr eines "hochqualifizierten,<br />

wissenschaftlich vorgebildeten Lehrer(s)", der in seiner<br />

"wirtschaftliche(n) Lage gehoben" sowie von seiner lehrpflichtmäßigen<br />

"Oberl astung" befrei t werden müsse <strong>und</strong> dessen "Fortbil dung entsprechend<br />

den Fortschritten der Wissenschaft" zu sichern sei (a.a.O., S. 5).<br />

Diese Gr<strong>und</strong>sätze, die leitsatzartig in sämtlichen Stellungnahmen der<br />

GDNÄ <strong>und</strong> der AGDHS wiederkehren 20 ), bildeten die Gr<strong>und</strong>lage der 1958 veröffentlichten<br />

Bildungspläne <strong>und</strong> St<strong>und</strong>entafeln für alle Fächer des Gymnasiums<br />

(AGDHS 1958). Entgegen allen Erwartungen stieß die Denkschrift -<br />

abgesehen von kritischen Kommentaren aus pädagogisch-didaktischen Fachkreisen<br />

21 ) - in der bildungspolitischen öffentlichkeit nicht auf Resonanz.<br />

Der Versuch, an die ruhmreichen Meraner Pläne der GDNA anzuknüpfen,<br />

scheiterte wohl aus mehreren Gründen.<br />

20)<br />

21)<br />

- 154 -<br />

Vgl. Entschl ießung der GDNÄ vom 21. 9.1952: "Leitsätze zur Gestaltung<br />

des <strong>Unterricht</strong>s an den höheren Schulen". AGDHS: "St<strong>und</strong>entafeln <strong>und</strong><br />

Erläuterungen zu den St<strong>und</strong>entafeln für die Neugestaltung der Höheren<br />

Schulen" 1955/56. AGDHS: "Vorschläge für die Ausbildung der Lehrer<br />

an Höheren Schulen 1956.<br />

Vgl. Derbolav 1959, Blättner 1960, S. 391ff; Kramp 1963. (Wieder abgedruckt<br />

in Kochan (Hrsg) 1970.


11.3 Das Bündnis mit der Atom-Industrie<br />

Als nach dem Inkrafttreten des Deutschlandvertrages am 5.5.1955 die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

weitgehende staatliche Souveränität erhielt <strong>und</strong> damit auch<br />

das Recht, auf dem Gebiet der Kernenergienutzung zu friedlichen Zwecken<br />

tätig zu werden, galt die zivile Kerntechnik international bereits als<br />

eine wirtschaftliche Schlüsseltechnologie.<br />

Um den Anschluß an die internationale Konkurrenz nicht zu verlieren, waren<br />

sich alle politischen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Kräfte - Regierung, Parteien<br />

<strong>und</strong> Gewerkschaften, Atom-Industrie <strong>und</strong> Atom-Wissenschaft .' darin<br />

einig, daß der Rückstand bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie nur<br />

durch gemeinsame Anstrengungen aufzuholen sei 23 ).<br />

Bereits im Oktober 1955 wurde das "B<strong>und</strong>esministerium für Atomfragen"<br />

(BMAt) geschaffen, das die gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lagen für die Kernenergienutzung<br />

(Atomgesetz, Strahlenschutzverordnungen) erarbeiten, ... die internationele<br />

Zusammenarbeit koordinieren sowie Förderungsmittel für den<br />

wissenschaftlichen Nachwuchs <strong>und</strong> den Ausbau entsprechender Hochschullaboratorien<br />

<strong>und</strong> Forschungsinstitute bereitstellen sollte. Als Beratungsorgan<br />

wurde dem Ministerium Anfang 1956 die "Deutsche Atomkommission"<br />

(DAtK) zur Seite gestellt, ein Gremium, das die industriellen Interessen<br />

mit den führenden Köpfen der Atomphysik vereinte 24 ).<br />

Die DAtK, die u.a. die ersten Atomprogramme der B<strong>und</strong>esregierung ausarbeitete,<br />

beschäftigte sich in ihrem Arbeitskreis "Nachwuchs" schon im<br />

ersten Jahr ihres Bestehens mit "Empfehlungen zur Verbesserung des naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s an den Gymnasien" (Höfling 1958/59<br />

(c)) .<br />

23) Die 'friedliche' Nutzung der Kernenergie war von daher auch kein<br />

Thema innenpolitischer Auseinandersetzungen, zumal die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

bereits 1954 im Rahmen der Verträge über die Westeuropäische<br />

Union völkerrechtlich verbindlich auf die Herstellung <strong>und</strong> den Besitz<br />

von atomaren, chemischen <strong>und</strong> biologischen Waffen verzichtet<br />

hatte. Erst die Ende der 50er Jahre geführte Diskussion über die<br />

atomare Bewaffnung der B<strong>und</strong>eswehr lieferte innenpolitischen Zündstoff<br />

(Ostermärsche, Erklärung der"Göttinger 18" vom April 1957,<br />

SPD <strong>und</strong> Gewerkschaften sprechen sich gegen eine nukleare Bewaffnung<br />

der B<strong>und</strong>eswehr aus).<br />

- 156 -


Für diese Initiative waren abermals Nachwuchs-, aber auch Propagandainteressen<br />

maßgebend gewesen 25 ), galt es doch, nicht nur beim zukünftigen<br />

(akademischen) Nachwuchs Berufsinteresse an der neuen Energieforschung<br />

<strong>und</strong> -technologie zu wecken, sondern auch das gemeinsam von staatlicher<br />

wie industrieller <strong>und</strong> wissenschaftlicher Seite propagierte "Atomzeitalter"<br />

öffentlichkeitswirksam einzuläuten.<br />

Deutlich wurde das in den auf Antrag des BMAt vom B<strong>und</strong>estag bewilligten<br />

18 Mi,llionen DM "für die Einrichtung von pyhsikalischen <strong>und</strong> chemischen<br />

Arbeitsgemeinschaften an Gymnasien zur Einführung in die Probleme der<br />

Kernphysik, Kernchemie <strong>und</strong> Kerntechnik" (Höfling 1958/59 (c)). Ziel dieser<br />

Initiative, die jeder höheren Schule r<strong>und</strong> 12.000 DM einbringen sollte<br />

(a.a.O. <strong>und</strong> ders. 1960/61), jedoch an der verfassungsmäßigen Kulturhoheit<br />

der Länder vorbeizielte <strong>und</strong> nicht zuletzt deshalb auf halbem Wege<br />

steckenblieb 26 ), sollte es nämlich sein, "die Schüler am Gymnasium<br />

mit dem Wesen <strong>und</strong> der Bedeutung der Kernforschung <strong>und</strong> Kerntechnik vertraut<br />

zu machen <strong>und</strong> Interesse für .die Atomwissenschaft, Atomtechnik <strong>und</strong><br />

Atomwirtschaft beim Nachwuchs zu wecken" (Höfling 1958/59 (c)).<br />

24) In ihr waren zusammengefaßt: Vertreter der Wirtschaft (Reaktorbauindustrie,<br />

Brennstoffversorgungsunternehmen <strong>und</strong> Zulieferer: ESSO AG,<br />

BAYER AG, FARBENWERKE HOECHST AG, SIEMENS AG, DEMAG <strong>und</strong> MANNESMANN<br />

AG), der Elektrizitätsversorgungsunternehmen (Hamburgiscbe, Elektrizitäts<br />

Werke <strong>und</strong> Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke), Vertreter<br />

von Hochschulen <strong>und</strong> Forschungsinstitutionen wie z.B. Ernst von<br />

Caemmerer (Universität Freiburg), Otto Haxel (Universität Heidelberg),<br />

Otto Hahn (Max-Planck-Gesellschaft), Werner Heisenberg (Max-Planck­<br />

Institut für Physik), als Gewerkschaftsvertreter Ludwig Rosenberg<br />

(Deutscher Gewerkschaftsb<strong>und</strong>) <strong>und</strong> Rupprecht Dittmar (Deutsche Angestellten<br />

Gewerkschaft) <strong>und</strong> Vertreter der staatlichen Behörden.<br />

25) So betonte sogar 1960 der DAtK-Arbeitskreis "Strahlenbiologie","schon<br />

durch den Gymnasialunterricht müsse gesichert werden, daß sämtliche<br />

akademischen Berufsgruppen die zum Verständnis aller Entscheidungen<br />

in 'Fragen der Strahlengefährdung <strong>und</strong> des Strahlenschutzes' erforderlichen<br />

Gr<strong>und</strong>kenntnisse besäßen". B<strong>und</strong>esarchiv -Zwischenarchiv in<br />

St. Augustin-Hangelar, B. 138/3223, AK IV/4 "Strahlenbiologie",<br />

17.10.1960. Zit. nach Radkau 1978, S. 219.<br />

26) Bei der Streichung des Förderbeitrages um letztendlich 9 Millionen<br />

DM dürften neben den genannten Kompetenzproblemen auch Finanzgründe<br />

mitentscheidend gewesen sein. Hinzu kommt, daß die DAtK kein einheitlicher<br />

Block von Kernkraftbefürwortern war, sondern ihr auch Industrievertreter<br />

angehörten, für die die Kernenergie wirtschaftlich<br />

eher eine Konkurrenz darstellte, wie z.B. die Kohleindustrie von Ruhr<br />

<strong>und</strong> Saar. Zudem besaß diese Fraktion eine starke Lobby im B<strong>und</strong>estag.<br />

Vgl. Penno 1980.<br />

- 157 -


durchgeführt wurden (vgl. Hümpel 1958/59), finanziell zu unterstützen<br />

(Balke 1959/60). Schließlich trat Balke, nachem er 1959 bereits ein Grußwort<br />

zur Fördervereinstagung gesandt hatte (ebenda), 1960 persönlich auf<br />

dessen Jahrestagung auf <strong>und</strong> nahm in seinem Vortrag "Atomkerntechnik als<br />

Ergebnis naturwissenschaftlicher Forschung" u.a. zur Funktion des naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s wie folgt Stellung:<br />

"Ein wesentlicher Bestandteil der wissenschaftlichen Entwicklung ist die<br />

Erziehung eines geeigneten Nachwuchses, der nicht nur für die ihn erwartenden<br />

Funktionen ausgebildet, sondern für die Bewältigung der geistigen<br />

Aufgaben der Zukunft gebildet sein muß. Das F<strong>und</strong>ament hierzu liefert vor<br />

allem die höhere Schule. Die Naturwissenschaften unter Einschluß der Mathematik<br />

sind ein Bildungspotential von hohem Wert .... Ich bin bei der<br />

Beurteilung ihres Bildungswertes von der Tatsache ausgegangen, daß sie<br />

nicht nur materiell, sondern vor allem auch geistig ungeahnte Möglichkeiten<br />

<strong>und</strong> Konsequenzen aufzeigen. Die verantwortungsbewußte Heranführung<br />

der jungen Generation an diese Problematik ist unbedingt notwendig, wenn<br />

sich die höhere Schule nicht dem Vorwurf aussetzen will, ihren Schülern<br />

das vielleicht wichtigste geistige Rüstzeug für die Bewältigung ihrer Lebensaufgaben<br />

vorzuenthalten" (Balke 1960/61, S. 102) Zur Aufgabe des Lehrers<br />

bemerkt er: "Sie werden bei den Versuchen, in ihren Schülern Verständnis<br />

<strong>und</strong> Verantwortungsbewußtsein für ihre spätere Lebensaufgabe zu<br />

wecken <strong>und</strong> zu fördern, auf das Problem der Eigengesetzlichkeit von Naturwissenschaft<br />

<strong>und</strong> Technik stoßen. Es ist dem Menschen nicht gegeben,<br />

28) Die OEEC (seit 1960 OECD), die bei ihrer Arbeit von einer engeren Beziehung<br />

zwischen der wirtschaftlichen <strong>und</strong> naturwissenschaftlich-technischen<br />

Entwicklung ausging, beschäftigte sich u.a. mit Fragen der<br />

Ausbildungsförderung naturwissenschaftlich-technischer Nachwuchskräfte<br />

<strong>und</strong> befaßte sich in diesem Zusammenhang auch mit dem Thema Atomphysik<br />

im <strong>Unterricht</strong>. Höfling 1958/59 (b). An den Tagungen <strong>und</strong> Seminaren,<br />

die von der OEEC <strong>und</strong> ab 1960 von der OECD für den mathematischnaturwissenschaftlichen<br />

Bereich veranstaltet wurden, war der Förderverein<br />

stets durch Mitglieder vertreten, die teilweise auch als offizielle<br />

Beauftragte der KMK teilnahmen. Vgl. u.a. Höfling 1958/59<br />

(b). Der Physikunterricht in den Ländern der OEEC 1959/60. Bericht<br />

über die Geschäftssitzung 1960/61. Maßnahmen <strong>und</strong> Richtlinien 1960/61.<br />

29) In der Folge erschienen in der Vereinszeitschrift regelmäßig ein bis<br />

zwei Artikel zu kernphysikalischen <strong>und</strong> -chemischen Themen, u.a. Ankündigungen<br />

über neue <strong>Unterricht</strong>smaterialien zu diesem Themenkomplex,<br />

Lichtbilderreihen zur Atomphysik, die Strahlenschutzverordnung für<br />

den naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong> sowie Stellungnahmen verschiedener<br />

Organisationen <strong>und</strong> prominenter Vertreter aus Wirtschaft <strong>und</strong><br />

Wissenschaft.<br />

- 159 -


•<br />

aus der Furcht vor den Folgen seinen Wissensdrang in sich abzutöten, er<br />

wird immer nach neuer, vielleicht gefährlicher Erkenntnis streben. Die<br />

Höhere Schule, ich meine hier die Lehrerschaft, wird neben den literarischen<br />

<strong>und</strong> philosophischen Bildungsgr<strong>und</strong>lagen deshalb auch die besonderen<br />

Bildungsprobleme der modernen industrialisierten Gesellschaft erkennen<br />

<strong>und</strong> behande 1 n müssen" (ebenda). 'Besondere Bil dungsprob 1 eme' k ristallisierten<br />

sich dabei für Balke auch in den öffentlichen Protesten<br />

<strong>und</strong> Widerständen Jugendlicher gegen den Reaktorbau <strong>und</strong> die Standortwahl<br />

in den USA heraus. Die Ursache für diese von Balke als antiintellektualistisch<br />

apostrophierte Haltung bei der Jugend sah er in der mangelhaften<br />

Aufklärung, die eine sachk<strong>und</strong>ige Auseinandersetzung mit der Atomenergie<br />

erschwere. Dieser Misere, so Balke, könne man nur begegnen, wenn man den<br />

Anwendungen der naturwissenschaftlichen Erkenntnis ihren "dämonischen<br />

Charakter" nehme <strong>und</strong> dafür sorge, "daß mögUc.h.6t v-ie..fe. mögUc.h.6t v-ie..f<br />

davon wissen (nicht zu wissen glauben oder vorgeben)" (a.a.O., S. 103).<br />

Di ese von Ba 1 ke entworfene aufk 1 äreri sch - propagandi st ische, auf Verbreitung<br />

der naturwissenschaftlichen Bildung gerichtete Zielsetzung des<br />

naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s, die zwar schon lange im Berufsverständnis<br />

seiner professionellen Vertreter verankert war, jedoch seit Ende<br />

des Zweiten Weltkrieges in der bildungspolitischen öffentlichkeit ausgeblendet<br />

geblieben ist, stellte zum damaligen Zeitpunkt ein Novum dar,<br />

das nicht nur für die weitere naturwissenschaftsdidaktische Diskussion,<br />

sondern auch für die Standespolitik ihrer schulischen Vertreter Signalwirkung<br />

haben sollte.<br />

Indem der Förderverein trotz der öffentlichen Auseinandersetzung im Zusammenhang<br />

mit der Diskussion um die atomare Bewaffnung der B<strong>und</strong>eswehr<br />

(Ostermarschbewegung, Erklärung der "Göttinger 18") anscheinend weder<br />

willens noch fähig war einzusehen, daß Atomrüstung <strong>und</strong> Kernforschung<br />

wissenschaftspolitisch untrennbar miteinander verb<strong>und</strong>en sind, ja, daß<br />

die militärische Kernenergieentwicklung eine wesentliche Bedingung der<br />

künftigen Kernindustrie bzw. Kernforschung war (<strong>und</strong> nach wie vor ist)<br />

<strong>und</strong> umgekehrt 3D ), sondern der auf Ausbau <strong>und</strong> Weiterentwicklung der Kern-<br />

30) Das professionelle Selbstverständnis der naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrer<br />

entsprach darin durchaus dem der Kernforscher. Siehe<br />

hierzu ausführlicher Kremer 1983.<br />

- 160 -


I ,<br />

I<br />

forschung drängenden Atomindustrie <strong>und</strong> -Wissenschaft kritiklos seine professionelle<br />

Hilfe im Rahmen der schulischen Ausbildung <strong>und</strong> der Lehrerfortbildung<br />

anbot, besiegelte er erneut ein Bündnis, das sich bereits<br />

vor 1945 'bewährt' hatte <strong>und</strong> sich wenig später erneut 'bewähren' sollte.<br />

11.4 Die "Saarbrücker Rahmenvereinbarung" <strong>und</strong> ihre Beurteilung durch<br />

die Berufs- <strong>und</strong> Fachverbände<br />

Den seinerzeit noch weitgehend von konservativen Kräften geprägten Kultusbürokratien<br />

der Länder war mit der am 29.9.1960 vorgelegten "Rahmenvereinbarung<br />

zur Ordnung des <strong>Unterricht</strong>s auf der Oberstufe der Gymnasien"<br />

(kurz: Saarbrücker Rahmenvereinbarung (SRV)) ein scheinbar entscheidender<br />

(in Wirklichkeit aber letzter) Erfolg gegen das Vordringen<br />

technokratischer Bildungskonzepte gelungen 31 ).<br />

Neben der Möglichkeit des Stufenabiturs nach der 11. Klasse sah die SRV<br />

folgende Neuordnungen der gymnasialen Oberstufe vor: "Beschränkung der<br />

Zahl der <strong>Unterricht</strong>sgebiete, Beschränkung der Lehrstoffe durch paradigmatische<br />

Auswahl <strong>und</strong> Bildung von Schwerpunkten, Umwandlung von Pflichtfächern<br />

zu freiwilligen <strong>Unterricht</strong>sveranstaltungen" (Rahmenvereinbarung,<br />

zit. nach Reble (Hrsg) 1975, S. 166).<br />

Für den naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong> hatte das zur Folge, daß in<br />

den Klassen 12 <strong>und</strong> 13 des neusprachlichen Gymnasialzweiges ein obligatorisches<br />

naturwissenschaftliches Fach <strong>und</strong> im mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Gymnasialzweig Chemie <strong>und</strong> Biologie als Kernpflichtfächer<br />

31) An der Vorbereitung der SRV, die sich über mehrere Jahre erstreckte,<br />

waren insbesondere der Schul ausschuß der KMK (bestehend aus leitenden<br />

Beamten der Schulverwaltungen der Länder) <strong>und</strong> der Schul ausschuß der<br />

WRK unter der Leitung von W. Flitner in teils getrennten, teils gemeinsamen<br />

Sitzungen beteiligt. Ober die gemeinsam geführten Verhandlungen,<br />

die sog. "Tutzinger Gespräche", siehe: Scheuerl 1962. Zur Vorgeschichte<br />

der SRV siehe: Tenorth 1975.<br />

- 161 -


wegfielen. Die damit in der gymnasialen Oberstufe geschaffene Möglichkeit<br />

einer wahlfrei-exemplarischen Beschäftigung mit den Naturwissenschaften<br />

stieß bei den Naturwissenschaftsvertretern auf derartige Kritik, dal3 sie<br />

die Erprobung der Vereinbarung gar nicht erst abwarteten, sondern gleich<br />

zum Gegenangriff schritten.<br />

Bereits einige Tage nach der Veröffentl ichung der SRV legte der 1. Vorsitzende<br />

des Fördervereins, Mutscheller, eine Stellungnahme vor, in der<br />

er keinen Hehl daraus machte, daß es das "Fernziel" sein müsse, "die Rahmenvereinbarungen<br />

in ihrer jetzigen Form wieder zu Fall zu bringen" (Die<br />

Saarbrücker Rahmenvereinbarung, 1960, S. 291). Denn, so lautete seine Begründung,<br />

es sei weder zu verantworten, "daß im Jahre 1960, in einer<br />

Zeit, in der die Naturwissenschaften <strong>und</strong> ihre angewandte Form, die Technik,<br />

zum weltbeherrschenden Faktor geworden sind, der das kulturelle,<br />

staatliche, wirtschaftliche, soziale Leben ausschlaggebend mitformt <strong>und</strong><br />

es sowohl entscheidend fördern als auch gänzlich vernichten kann, die<br />

heranreifende Jugend der Gymnasien nichts mehr von diesen gewaltigen<br />

Mächten hören soll" (a.a.O., S. 289), noch würde die Vereinbarung den<br />

"Anforderungen von Industrie <strong>und</strong> Wirtschaft" an Nachwuchskräfte gerecht<br />

werden (a.a.O., S. 290).<br />

Die entscheidende Waffe des Fördervereins im Kampf gegen die SRV war<br />

zweifellos sein Bündnis mit der Industrie <strong>und</strong> der Wissenschaft (Bericht<br />

über die Geschäftssitzung 1960/61, S. 85). Schon auf der ersten K<strong>und</strong>gebung<br />

des Fördervereins gegen die SRV im Frühjahr 1961 traten zur Hälfte<br />

Redner auf, die sowohl der Deutschen Atomkommission angehörten als<br />

auch den Vorstandsvorsitz bedeutender Industriekonzerne innehatten (Prof.<br />

Dr. Karl Winnacker, Farbewerke Hoechst AG, <strong>und</strong> Dr. Felix Prentzel, Degussa,<br />

Mitglied des Präsidiums des Verbandes der chemischen Industrie)32).<br />

Inhaltlich richteten sich ihre gemeinsamen Vorwürfe denn auch in erster<br />

Linie gegen die vorgeblich bildungspolitisch behinderte Wettbewerbsfähigkeit<br />

der deutschen Industrie, die direkt aus der Möglichkeit zur Abwahl<br />

32) Neben dem ersten Vorsitzenden des Fördervereins Mutscheller sprach<br />

auf der K<strong>und</strong>gebung als Vertreter der Hochschule der Marburger Chemiker<br />

Prof. Dr. Dimroth, der zugleich Mitglied des Präsidiums des Verbandes<br />

der Chemischen Industrie war.<br />

- 162 -


der naturwissenschaftlichen Fächer <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Gefährdung<br />

der industriellen Versorgung mit naturwissenschaftlich-technischem Nachwuchs<br />

abgeleitet wurde (K<strong>und</strong>gebung 1961/62, S. 49ff). Dies war auch der<br />

Gr<strong>und</strong>tenor zahlreicher Erklärungen <strong>und</strong> Proteste, mit denen sich neben<br />

der Industrie naturwissenschaftlich-technische Berufs- <strong>und</strong> Fachverbände<br />

als auch Vertreter der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultäten<br />

der Universitäten <strong>und</strong> Hochschulen gegen die Rahmenvereinbarungen aussprachen<br />

33 ). Obereifrige Fachvertreter konstruierten dabei aus den Sorgen<br />

,der Industrie sogleich einen Volk <strong>und</strong> Freiheit bedrohenden Staatsnotstand,<br />

der "katastrophale Auswirkungen für die geistige Auseinandersetzung<br />

mit dem Sowjetsystem" haben werde, da er die "passive <strong>und</strong> aktive<br />

Abwehrkraft des Westens noch weiter verringer(e)" (Stellungnahme des Senats<br />

der TH-Aachen, zit. nach Lennert 1962, S. 309f).<br />

33) Vgl. u.a. die in Auszügen wiedergegebenen Stellungnahmen des Vorstandes<br />

der "Gesellschaft Deutscher Chemiker", des "Deutschen Verbandes<br />

technisch-wissenschaftlicher Vereine" sowie von dessen Vorsitzendem<br />

S. Balke, der Fachkommission "Strahlenschutz" der "Deutschen<br />

Atomkommission" (Arbeitskreis "Strahlenbiologie"), der "Arbeitsgemeinschaft<br />

der Direktoren Chemischer <strong>Unterricht</strong>sinstitute"<br />

(ADUC), des "Verbandes der Deutschen Physikalischen Gesellschaften"<br />

sowie der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten<br />

München, Tübingen <strong>und</strong> Münster. In: Seidel 1967 , S 36ff.<br />

- 163 -


12. Die Bildungsreform<br />

12.1 Motive der Bildungsreform<br />

Schlagworte wie z.B. 'Sicherung des wirtschaftlichen Wachstums' <strong>und</strong> 'Aufrechterhaltung<br />

der internationalen Wettbewerbsfähigkeit' waren Ausdruck<br />

einer Anfang der 60er Jahre einsetzenden bildungspolitischen Diskussion<br />

über die Leistungsfähigkeit des höheren Schulsystems, die für die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

ein düsteres Zukunftsbild zeichnete.<br />

Indizien hierfür waren Prognosen, die darauf hin deuteten, daß die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

für die 70er Jahre bei den Absolventen weiterführender Schulen<br />

mit Hochschulreife <strong>und</strong> entsprechend bei den Studierenden im internationalen<br />

Vergleich weit hinter den anderen Industrienationen zurückliegen<br />

werde, eine Entwicklung, die sich angesichts anschwellender Schülerjahrgänge<br />

<strong>und</strong> einer ersten Lehrerbedarfsfeststellung der Kultusminister<br />

1963, nach der für 1970 ein Fehlbedarf von weit über 100.000 Lehrern<br />

zu erwarten war, durch die unmittelbare Erfahrung zu bestätigen schien.<br />

So sank in der ersten Hälfte der 60er Jahre nicht nur die Zahl der Schüler<br />

in der gymnasialen Oberstufe <strong>und</strong> die Anzahl der Abiturienten, sondern<br />

auch die Abiturientenquote.<br />

Dürften hierfür sowohl demographische Gründe eine Rolle gespielt haben<br />

als auch solche des relativen Schulbesuchs, d.h. der Verteilung des Jahrgangs<br />

auf die verschiedenen Schulformen, so blieb hinter diesen z.T.<br />

irreführenden Statistiken <strong>und</strong> falschen Prognosen die tatsächliche längerfristige<br />

Entwicklung des relativen Schulbesuchs in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

unbemerkt. Denn durch die 50er Jahre hindurch zeigte sich bereits<br />

eine deutliche Tendenz zu vermehrten übergängen von der Gr<strong>und</strong>schule auf<br />

weiterführende Schulen, <strong>und</strong> zu Beginn der 60er Jahre war ein drastischer<br />

Rückgang des relativen Hauptschulbesuchs zugunsten verstärkter übergangs-<br />

- 164 -


quoten zu. Realschulen (um ca. 60% zwischen 1961 <strong>und</strong> 1966) <strong>und</strong> zu den Gymnasien<br />

(um ca. 40% im gleichen Zeitraum) zu verzeichnen (Hüfner, Naumann<br />

1977, S. 221). Dieser Strukturwandel setzte also ein, bevor die öffentliche<br />

bildungspolitische Diskussion begonnen hatte. Bemerkenswert daran<br />

ist, daß die quantitative Veränderung 1968 - mit Beginn der Bildungswerbung<br />

- gebremst wurde, was u.a. auf Kapazitätsprobleme der weiterführenden<br />

Schulen <strong>und</strong> auf die Wirtschaftskrise 1966/67 zurückzuführen ist. Das<br />

heißt, die Bildungsreform der in Frage stehenden Jahre wurde weder durch<br />

einen vorgeblichen ökonomischen Nachfragesog noch durch ein autonomes gesellschaftliches<br />

Bedürfnis nach Chancengleichheit ("Bildung ist Bürger­<br />

recht") ausgelöst.<br />

Vielmehr deutet alles darauf hin, daß die Reformdiskussion "einerseits zu<br />

einer nachträglichen Rechtfertigung der schon vollzogenen (damals aber<br />

politisch nicht wahrgenommenen) internen Strukturveränderung" führte <strong>und</strong><br />

"andererseits zur Schaffung der politischen Bereitschaft, die Expansion<br />

der weiterführenden Schul arten zu sichern <strong>und</strong> dadurch die Voraussetzungen<br />

zu schaffen, um angesichts eines immer stärker werdenden demographischen<br />

Druckes ... die erreichte Strukturänderung zumindest nicht zurückschrauben<br />

zu müssen" (a.a.O., S. 220)1).<br />

Ungeachtet dieses bereits vollzogenen Strukturwandels des Schulbesuchs<br />

wurde im Laufe der anhaltenden Bildungsreformdiskussion ein Verhältnis<br />

von Bildungs- <strong>und</strong> Beschäftigungssystem 'unterstellt', das neben Kapital<br />

<strong>und</strong> Arbeit das Augenmerk auf den sogenannten dritten Faktor, das "Humankapital",<br />

d.h. auf das Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte richtete,<br />

dem in diesem Zusammenhang ein entscheidender Anteil am wissenschaftlichtechnischen<br />

Fortschritt <strong>und</strong> damit am Wirtschaftswachstum unterstellt wurde<br />

(Hüfner 1973, S. 30ff). Unter diesem Gesichtswinkel erhielt die Reformbewegung<br />

insofern einen gesellschaftspolitisch entscheidenden Akzent,<br />

als mit der damit einhergehenden Forderung nach organisatorischen Verän-<br />

1) Ähnlich urteilt auch Ludwig von Friedeburg: "Die bildungspolitis.che<br />

Diskussion jener Zeit habe aber keineswegs den Sturm auf die Gymnasien<br />

eingeleitet - auch nicht die lautstarke Klage Pichts über die<br />

deutsche Bildungskatastrophe oder das wortgewandte Plädoyer Dahrendorfs<br />

für Bildung als Bürgerrecht." Von Friedeburg 1978, S. 51.<br />

- 165 -


derungen im Schulsystem <strong>und</strong> einer umfassenden Curriculumreform professionellen<br />

pädagogischen Gruppen eine erhebliche strategische Bedeutung<br />

zuwuchs.<br />

Insbesondere die schulischen Vertreter der Naturwissenschaften gewannen<br />

zunehmend an Stärke, <strong>und</strong> zwar zum einen dank ihrer 'Verwandtschaft' mit<br />

den aufstrebenden modernen Berufen, der Gruppe der angestellten <strong>und</strong> verbeamteten<br />

Ingenieure, Marketing-Experten, Programmierer <strong>und</strong> Naturwissenschaftler,<br />

als Kern der sogenannten "Neuen Mittelklasse,,2), zum anderen<br />

wegen der mit deren professionellem Aufstieg einhergehenden bildungs- <strong>und</strong><br />

schulpolitischen Legitimation der Wissenschaft als Gr<strong>und</strong>lage jeder Bildung,<br />

wobei eine derartige Bildung zugleich als Kriterium schulischer <strong>und</strong><br />

damit beruflicher Aufstiegswege für alle apostrophiert wurde.<br />

Planmäßig geforderte (natur-)wissenschaftliche Bildung wurde damit zu einer<br />

sozialen Aufgabe, für die u.a. auch die Naturwissenschaftslehrer Kompetenz<br />

beanspruchten; ging es doch darum, traditionelle Bildungsinhalte<br />

zurückzustellen oder auszuschalten <strong>und</strong> die Schüler auf die moderne, durch<br />

neue wissenschaftliche <strong>und</strong> technische Entwicklungen gekennzeichnete Zeit<br />

vorzubereiten.<br />

In diesem Image verkörperte sich der Kern des professionellen Selbstverständnisses<br />

der naturwissenschaftlichen Lehrer, <strong>und</strong> von daher beanspruchten<br />

sie, die naturwissenschaftliche Schulbildung auszuweiten <strong>und</strong> traditionelle<br />

<strong>Unterricht</strong>sinhalte an wissenschaftlich neu zu begründenden Zielen<br />

zu orientieren.<br />

2) Zur erziehungssoziologischen Erklärung des Verlaufs der Schulreform<br />

seit 1964 siehe Achinger u.a. in Rolff (Hrsg) 1980. Eine Zusammenfassung<br />

der wesentlichen Gedanken gibt Rolff 1981.<br />

- 166 -


12. 2 Reforminteresse <strong>und</strong> -widerstände des Fördervereins<br />

12.2.1 Curricul umreform inden Naturwi ssenschaften<br />

In dieser Richtung wurde der Förderverein aktiv, indem er "Rahmenpläne<br />

für den <strong>Unterricht</strong> in den Fächern Mathematik, Physik, Chemie <strong>und</strong> Biologie"<br />

auszuarbeiten begann 3 ). Diese 1965 vorgelegten "Nürnberger Lehrpläne",<br />

in die eine Reihe von Ergebnissen der OECD-Arbeit Eingang gef<strong>und</strong>en<br />

hatte, gingen sowohl in der Auswahl der Inhalte als auch im Umfang des<br />

naturwissenschaftlichen St<strong>und</strong>enanteils über die Richtlinien hinaus, die<br />

den Lehrplänen der AGDHS zugr<strong>und</strong>elagen. Während die St<strong>und</strong>entafeln der<br />

AGDHS für das altsprachliche Gymnasium 10, für das neusprachliche 12 <strong>und</strong><br />

für das naturwissenschaftliche 15 St<strong>und</strong>en Physikunterricht vorsahen, wurden<br />

in den "Nürnberger Lehrplänen" als Minimum für das alt- <strong>und</strong> neusprachliche<br />

Gymnasium 12 bis 14 <strong>und</strong> für das mathematisch-naturwissenschaftliche<br />

Gymnasium 16 bis 18 St<strong>und</strong>en gefordert.<br />

Damit verknüpft war die Forderung, daß alle 3 naturwissenschaftlichen<br />

Fächer sämtlicher Gymnasialzweige bis zum Abitur verpflichtend <strong>und</strong> die<br />

Abwahl keines naturwissenschaftlichen Faches möglich sein sollte.<br />

Für die Stoffpläne kennzeichnend war ihre stark an der Entwicklung der<br />

jeweiligen universitären Wissenschaftsdisziplin ausgerichtete Auswahl der<br />

Lehrinhalte 4 ) .<br />

3) Die Lehrplankommisssion setzte sich anfänglich aus "8 Vertretern verschiedener<br />

Länder" zusammen <strong>und</strong> "wurde ... im Verl auf der Arbeiten<br />

zeitweise auf annähernd 50 Kollegen an Gymnasien <strong>und</strong> Hochschulen erweitert".<br />

Nürnberger Lehrpläne. Kritiken <strong>und</strong> Erwiderungen 1965/66, S.<br />

435.<br />

4) "Indem wir uns an den Wissenschaften orientierten <strong>und</strong> neue Ideen, Begriffe<br />

<strong>und</strong> Ordnungsschemata verwendeten, hoffen wir einmal dazu beizutragen,<br />

den Graben einzuebnen, der sich gerade in unseren Fächern zwischen<br />

Gymnasium <strong>und</strong> Hochschule aufgetan hat ... Auf der anderen Seite<br />

sollte der junge Lehrer, der von der Hochschule kommt, seine dort erworbenen<br />

Kenntnisse auch auf der Schule verwerten können <strong>und</strong> nicht gezwungen<br />

sein, um Jahrzehnte in der Entwicklung seiner Wissenschaft zurückstecken<br />

zu müssen". Nürnberger Lehrpläne 1965/66, S. 2.<br />

- 167 -


Speziell für den Physikunterricht in der Oberstufe zeigte sich das nicht<br />

nur in einer Modernisierung der traditionellen <strong>Unterricht</strong>sthemen Mechanik,<br />

Modellvorstellungen vom Licht <strong>und</strong> Elektrizitätslehre 5 ), sondern auch<br />

im Gewicht des Themenschwerpunktes "Atom- <strong>und</strong> Kernphysik". Entsprechend<br />

sollte sich auch die Arbeitsweise im Physikunterricht an die Denk- <strong>und</strong><br />

Forschungsmethoden der Naturwissenschaften anlehnen, ein Ziel, das insofern<br />

eine neue Qualität enthielt, als damit intendiert wurde, die Schüler<br />

im Physikunterricht gemäß der naturwissenschaftlichen Forschungspraxis<br />

zu professionalisieren. Denn nicht die "Anhäufung von Einzeltatsachen",<br />

sondern ein geschlossenes "physikalisches Gedankengebäude", das sich auf<br />

ein "zusammenhängendes, geordnetes Kernwissen" stützt <strong>und</strong> die "Fähigkeit<br />

zur Handhabung der gr<strong>und</strong>legenden physikalischen Arbeitsmethode" voraussetzt,<br />

waren oberste Ziele. Umdiese zu erreichen, sollte die "Planung,<br />

Durchführung <strong>und</strong> Auswertung" von Experimenten "im Mittelpunkt" des <strong>Unterricht</strong>s<br />

stehen (a.a.O., S. 9).<br />

Wenngleich vereinzelt gegen die starke Wissenschaftsorientierung der<br />

"Nürnberger Lehrpläne" Bedenken vorgebracht wurden 6 ), so waren doch ininzwischen<br />

die Modernisierungsgedanken so weit verbreitet, daß sich auf<br />

den verschiedensten institutionellen <strong>und</strong> organisatorischen Ebenen die<br />

Zielsetzung einer wissenschaftsorientierten Reform des naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s mehr <strong>und</strong> mehr durchsetzte?).<br />

5) So z.B. in der Mechanik durch die Themen "Probleme der Weltraumforschung"<br />

<strong>und</strong> "Gr<strong>und</strong>tatsachen der Relativitätstheorie" sowie die Erweiterung<br />

der Modellvorstellungen vom Licht durch quantenmechanische Betrachtungen.<br />

Nürnberger Lehrpläne 1965/66, S. 10ff.<br />

6) In den "Kritiken <strong>und</strong> Erwiderungen" spiegelte sich deutlich die Auseinandersetzung<br />

zwischen den 'Modernisten' <strong>und</strong> den etwas konservativen<br />

'Schulmännern' wider. Vgl. ebenda.<br />

7) Die mei s ten B<strong>und</strong>es länder begannen mi t der Oberarbei tung ihrer Lehrp 1 äne:<br />

- Für den Primarbereich, die Gr<strong>und</strong>schule wird die Einführung eine's<br />

naturwissenschaftlich-technischen Sachunterrichts diskutiert.<br />

- Im Zusammenhang mit den ersten Gesamtschulversuchen wurde die Entwicklung<br />

eines neuen Faches "Naturwissenschaften" für die Sek<strong>und</strong>arstufe<br />

I angekündigt.<br />

- Für die Sek<strong>und</strong>arstufe 11 wird der Verb<strong>und</strong> einer studien- <strong>und</strong> berufsbezogenen<br />

Ausbildung auch für den naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong><br />

diskutiert.<br />

- Ausländische naturwissenschaftliche Curricula werden rezipiert <strong>und</strong><br />

neue Curricula, Lehrbücher <strong>und</strong> Medien für den naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong> entwickelt.<br />

- 168 -


So beauftragte die KMK im Juni 1968 ihren Schul ausschuß, "Möglichkeiten<br />

für eine stärkere Förderung des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s an<br />

den Gymnasien" zu untersuchen 9 ); der Ausschuß legte im Mai 1970 einen<br />

entsprechenden Beschluß vor (Sekretariat, Beschluß vom 21.5.1970). Dieser<br />

sah nicht nur eine Einschränkung der WahlffiÖglichkeiten im mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Gymnasialzweig auf Chemie <strong>und</strong> Biologie <strong>und</strong><br />

in den sprachlichen Zweigen auf Physik <strong>und</strong> Biologie oder Chemie vor, sondern<br />

schloß auch die Möglichkeit aus, Kernpflichtfächer bereits am Ende<br />

des 11. Schuljahres abzugeben.<br />

Neben diesen Änderungen, mit denen der Schul ausschuß der KMK den Forderungen<br />

der naturwissenschaftlichen Vereine <strong>und</strong> Verbände entgegenkam,<br />

sah der Beschluß außerdem nooh folgende Reformmaßnahmen vor:<br />

- Früherer Beginn des Physik- <strong>und</strong> Chemieunterrichts,<br />

- Modernisierung der Rahmenpläne in Physik, Chemie <strong>und</strong> Biologie,<br />

- Ausbau der mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasien,<br />

- Vertiefung des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s durch Schülerübungen,<br />

- Einrichtung von Wettbewerben <strong>und</strong> Arbeitsgemeinschaften zur "Aktivierung<br />

<strong>und</strong> Förderung der Spitzenbegabungen in Mathematik <strong>und</strong> den Naturwissenschaften",<br />

- Einrichtung von Fernl ehrgängen ,<br />

- Einstellung von Lehrkräften aus Bereichen außerhalb des Gymnasiums <strong>und</strong><br />

- Entl astung der Lehrkräfte "von techni schen- <strong>und</strong> Verwaltungs aufgaben durch<br />

Einsatz von techni schen- <strong>und</strong> Verwa ltungshil fskräften".<br />

Ebenso wurde der Deutsche Bildungsrat initiativ, der in seinen "Empfehlungen<br />

zur Neugestaltung der Abschlüsse im Sek<strong>und</strong>arschulwesen" vom 8.2.<br />

1969 als Alternative zur ausschließlich studienvorbereitenden Ausbildungskonzeption<br />

der gymnasialen Oberstufe eine weitgehende organisatorische<br />

<strong>und</strong> curriculare Zusammenführung von allgemein- <strong>und</strong> berufsbildendem<br />

Schulwesen in der Sek<strong>und</strong>arstufe 11 vorschlug, dessen Abschlüsse den Zu-<br />

9) "Anlaß zu diesem Auftrag sind die mannigfachen Verlautbarungen aus<br />

sachk<strong>und</strong>igen Kreisen <strong>und</strong> die nachträglich vorgetragene Sorge, die Absolventen<br />

der Gymnasien erhielten insbesondere in der Oberstufe in einem<br />

so geringen Umfang naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>, daß dadurch<br />

ernste Gefahren für die Entwicklung des einzelnen wie der BRD<br />

heraufbeschworen sind." Schul ausschuß der KMK. Zit. nach: Mehr Naturwissenschaft<br />

1970, S. 186.<br />

- 170 -


gang zum Hochschulbereich, zu anderen Ausbildungsgängen <strong>und</strong> zum Berufsleben<br />

eröffnen sOllten 10 ).<br />

Während der Deutsche Bildungsrat den Schwerpuntk darauf legte, den Ausbil<br />

dungsgang in Ri chtung auf das von ihm konzi pi erte "Abi tur II" (am Ende<br />

der Sek<strong>und</strong>arstufe II, im Unterschied zum "AbiturI" nach Absc.hl uß der<br />

Sek<strong>und</strong>arstufe I) stärker berufs- <strong>und</strong> praxisbezogen zu gestalten, erstrebte<br />

die Westdeutsche Rektorenkonferenz (WRK) in ihren "Kriterien der Hochschulreife"<br />

vom 23.1.1969 eine Oberprüfung der gymnasialen Ausbildung mit<br />

dem Ziel, diese besser als bisher den Bedürfnissen der Hochschule anzupassen,<br />

jedoch ohne Einschluß weiterer berufsbezogener Bildungswege. Demgemäß<br />

sollten die Schüler in der Oberstufe fachliche <strong>und</strong> qualitative<br />

Schwerpunkte durchlaufen <strong>und</strong> an einer Fremdsprache, der Mathematik oder<br />

einer Naturwissenschaft zum wissenschaftlichen Arbeiten intensiv vorbereitet<br />

werden.<br />

Sowohl die Vorschläge des Deutschen Bildungsrates als auch die der WRK<br />

gingen in die Beratungen der KMK zur Reform der gymnasialen Obersufe ein,<br />

bei denen - im Unterschied zu den Verhandlungen über die SRV - auch die<br />

Verbände der Gymnasiallehrer angehört wurden 11 ).<br />

Nicht zuletzt aufgr<strong>und</strong> ihrer Stellungnahmen, die sich deutlich an die<br />

Vorschläge der WRK anlehnten, <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> des Widerstandes der Unternehmer,<br />

die angesichts einer. stärkeren Integration von allgemeiner <strong>und</strong><br />

10) So empfahl der Deutsche Bildungsrat einen Studienplan, der 24 St<strong>und</strong>en<br />

für Pflichtfächer sowie 10 St<strong>und</strong>en für Wahlpflichtfächer - zur<br />

Vertiefung der Pflichtfächer oder als studien- <strong>und</strong> praxisbezogene<br />

Kurse - umfassen sollte. Darin fanden sich u.a. ganz neue Fächer wie<br />

Technologie, Statistik <strong>und</strong> Datenverarbeitung.<br />

11) Nach persönlicher Auskunft der KMK gehörten hierzu: Der Verband der<br />

Geschichtslehrer Deutschlands, der Deutsche Verein zur Förderung des<br />

mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s, der B<strong>und</strong><br />

Deutscher Kunsterzieher, der Deutsche Philologenverband, der B<strong>und</strong>esverband<br />

Deutscher Leibeserzieher, der Deutsche Lehrerverband, der<br />

Allgemeine deutsche Neuphilologenverband <strong>und</strong> außerdem der B<strong>und</strong>esverband<br />

der Deutschen Industrie, die Gewerkschaft Erziehung <strong>und</strong> Wissenschaft,<br />

die Landeselternschaft der Gymnasien in NRW, die B<strong>und</strong>eszentrale<br />

für politische Bildung, die Deutsche Mineralogische Gesellschaft<br />

<strong>und</strong> die Deutsche Kommission für Ingenieurausbildung.<br />

- 171 -


eruflicher Bildung den Verlust ihrer Kontrolle "über die berufliche Bildung<br />

ebenso fürchteten wie das Oberwechseln vieler Lehrlinge aus der betrieblichen<br />

Ausbildung für Arbeiterberufe in die bessere Berufsaussichten<br />

eröffnende weiterführende allgemeine Bildung" (Herrlitz u.a. 1981,<br />

S. 168), legte die KMK am 7.7.1972 mit ihrer "Vereinbarung zur Neugestaltung<br />

der gymnasialen Oberstufe in der Sek. 11" ein Reformkonzept vor, das<br />

sich stärker an die Rektoren-Empfehlung anlehnte 12 ).<br />

Die mit der Vereinbarung gebotene "Möglichkeit zu freier Kombination von<br />

Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Leistungskursen im Pflicht- <strong>und</strong> Wahl bereich" bedeutete zusammen<br />

mit dem "Gr<strong>und</strong>satz", daß "allen Wissenschaften <strong>Unterricht</strong>sgegenstände<br />

entnommen werden" können, nicht nur eine radikale sChulorganisatorische<br />

Veränderung des Gymnasiums, sondern führte auch zu einer bildungstheoretischen<br />

Aufwertung der naturwissenschaftlichen Fächer, die nunmehr nach<br />

universitärem Vorbild inhaltlich <strong>und</strong> methodisch neu gestaltet <strong>und</strong> durch<br />

neue Fachdisziplinen wie Astronomie oder Technologie aktualisiert werden<br />

sollten.<br />

Wenngleich der Förderverein der Gesamtkonzeption der Vereinbarung prinzipiell<br />

zustimmte, erhob er doch Einwände in Einzelfragen, die z.T. wie<br />

eine Wiederholung alter Diskussionen aus der Zeit der SRV erscheinen.<br />

Zu den stereotypen Klagen gehörte u.a. das Argument, daß im Pflichtbereich<br />

des mathematisch-naturwissenschaftlichen Aufgabenfeldes der St<strong>und</strong>enanteil<br />

für Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften von 24 Wochenst<strong>und</strong>en in<br />

4 Halbjahren zu gering sei, <strong>und</strong> auch die Möglichkeit einer Fächerabwahl<br />

im Kurssystem wurde kritisiert. Als einen notwendigen Bestandteil der<br />

neugestalteten Oberstufe sprach sich der Förderverein zudem für eine<br />

"Oberprüfung der Lernziele der bisherigen Fächer" <strong>und</strong> eine "Neuordnung<br />

der Lerninhalte" aus <strong>und</strong> forderte zugleich eine gr<strong>und</strong>legende Reform der<br />

Sek<strong>und</strong>arstufe I (Stellungnahme zur Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe<br />

1972). Diese vom Förderverein in den 70er Jahren wiederholt aufgegriffene<br />

Forderung zielte zum einen darauf, den naturwissenschaftlichen<br />

12) Die Vorstellungen des Deutschen Bildungsrates wurden in der Vereinbarung<br />

lediglich als langfristige Aufgaben angesprochen.<br />

- 172 -


<strong>Unterricht</strong> in dieser Stufe stärker auf die Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Leistungskurse in<br />

der gymnasialen Oberstufe hin auszurichten, um "Voraussetzungen gleicher<br />

Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Leistungskurse für Schüler aus allen Gymnasialtypen" zu schaffen<br />

(a.a.O., S. 116), zum anderen war damit gleichzeitig eine Ausweitung<br />

des naturwissenschaftlichen Studenanteils intendiert, da der Physik- <strong>und</strong><br />

Chemieunterricht bereits ab Klasse 5 eingeführt werden sOllte 13 ). Die<br />

Forderungen, die der Förderverein anläßlich der gymnasialen Oberstufenreform<br />

stellte, beschränkten sich jedoch nicht allein auf curriculare<br />

Entscheidungen, zu denen im weiteren Sinne auch die Modernisierung der<br />

Arbeitsmittel - Sammlungen, Experimentiergeräte <strong>und</strong> weiterführende Lehrbücher<br />

sowie die Einrichtung von "besondere(n) Fachräumen" mit "Arbeitsbücherei<br />

<strong>und</strong> anderen Arbeitsmitteln" - gehörten (Stellungnahme 1972, S.<br />

117), sondern hatten auch einen berufs- bzw. statuspolitischen Akzent.<br />

In Anbetracht der durch die Leistungskurse bedingten gehobenen Anforderungen<br />

an die Lehrer sprach sich der Verein für eine Herabsetzung der<br />

Pflichtst<strong>und</strong>en für die in den Klassen 12 <strong>und</strong> 13 unterrichtenden Lehrer<br />

aus (ebenda) <strong>und</strong> griff damit indirekt eine alte Forderung nach Arbeitserleichte.rungj<br />

auf, die vorsah, den Naturwissenschaftslehrern für die<br />

Laborarbeiten eine Hilfskraft zur Seite zu stellen 14 ).<br />

Daß für den Förderverein berufspolitische Themen zunehmend in den Vordergr<strong>und</strong><br />

rückten, war nicht zufällig, denn mit der Reform der gymnasialen<br />

Oberstufe stellten sich für den Lehrerberuf derartig neue Anforderungen<br />

an seine Ausbildung, daß man sogar von der Lehrerbildung als einem<br />

"Schlüsselproblem der Bildungsreform" sprach (Deutscher Bildungsrat 1971,<br />

S. 215).<br />

13) Siehe Entschließung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft vom<br />

16.1.1967 zum "Physikunterricht in den Unterstufen der Gymnasien"<br />

1967, S. 182, die vom Förderverein unterstützt wurde, <strong>und</strong> die Stellungnahme<br />

des Fördervereins zur Situation des naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s an allgemeinbildenden Schulen. MNU 1978, S. 113ff.<br />

14) "Wir halten es ... nicht für sinnvoll, daß wir unsere Zeit verplempern<br />

mit dem Reparieren alter Apparate, mit dem Säubern von Reagenzgläsern<br />

<strong>und</strong> dem Entstauben ausgestopfter Vögel. Als Laboranten sind<br />

wir wirklich zu gut bezahlt, <strong>und</strong> diese Arbeit sollte endlich Hilfskräften<br />

übertragen werden, so daß uns die aufgewandte Zeit nicht<br />

zur notwendigen <strong>Unterricht</strong>svorbereitung verloren geht." Mutscheller<br />

1969, S. 194.<br />

- 173 -


12.2.2 Reform der Lehrerausbildung<br />

Für den Förderverein war die Reform der Lehrerausbildung nicht nur eine<br />

notwendige Voraussetzung, um dem "Nachwuchsmangel an mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Pädagogen 11 wirksam begegenen zu können, sondern zugleich<br />

auch ein Mittel, um den Beruf des Gymnasiallehrers in der öffentlichkeit<br />

aufzuwerten (Mutscheller 1966/67, S. 76).<br />

Doch die in diesem Zusammenhang formulierten Vorstellungen der B<strong>und</strong>esregierung<br />

("Genscher-Entwurf", "Dohnanyi-Papier", "WRK-Thesen") <strong>und</strong> der<br />

Kultusministerkonferenz der Länder ("Frankenthaler Beschlüsse") (vgl.<br />

Weiß 1976, S. 116ff) mußten beim Förderverein zwangsläufig auf Widerstand<br />

stoßen.<br />

Intendiert war eine eigenständige Lehrerausbildung (etwa vergleichbar<br />

der Mediziner- oder Juristenausbildung), die nicht mehr, wie im Fall<br />

der traditionellen Gymnasiallehrerausbildung, eine modifizierte <strong>und</strong> gekürzte<br />

Form der Diplomausbildung sein sollte. Insbesondere war eine einheitliche,<br />

an den Fachwissenschaften orientierte (Stufen-)Lehrerausbildung<br />

beabsichtigt, durch die das unterschiedliche <strong>und</strong> nicht selten berufsständisch<br />

geprägte Selbstverständnis der Lehrer der verschiedenen<br />

Schul arten abgebaut <strong>und</strong> durch verstärkt erziehungswissenschaftliehe Studien<br />

ein stärker pädagogisch ausgerichtetes Berufsverständnis angelegt<br />

werden sollte.<br />

Die Einstufung aller Lehrer in den höheren Dienst (so einige Forderungen,<br />

insbesondere von gewerkschaftlicher Seite) zielte darüber hinaus<br />

auf eine besoldungsrechtliche Gleichrangigkeit der Lehrämter ab.<br />

Die hier skizzierten Reformvorschläge lassen bereits deutlich erkennen,<br />

daß sie handfeste statuspolitische Interessen aller Betroffenen tangierten.<br />

Die Frage nach dem Gewicht, der Funktion <strong>und</strong> der Anordnung der einzelnen<br />

Studienelemente innerhalb der Ausbildung löste lebhafte Kontroversen<br />

aus, bestimmten solche Elemente doch die institutionell <strong>und</strong> rechtlich,<br />

traditionell <strong>und</strong> ideologisch vorgegebenen Differenzierungsweisen<br />

<strong>und</strong> die statusbestimmenden Kriterien, die maßgeblich auf das soziale<br />

Prestige der Lehrerschaft zurückwirkten.<br />

- 174 -


Während beispielsweise die Haupt- <strong>und</strong> Realschullehrer, die schon seit<br />

jeher um eine gewisse Statusaufwertung bemüht waren, die neue beabsichtigte<br />

Ausbildungsreform als eine relative Erhöhung ihres Status' innerhalb<br />

der Lehrerschaft werteten <strong>und</strong> von ihrer Durchführung zugleich einen<br />

Gewinn an sozialem Prestige erwarteten, befürchteten die Gymnasiallehrer<br />

- als oberste Gruppe der Lehrerschaft - eine Statusnivellierung<br />

<strong>und</strong> eine Minderung ihres sozialen Ansehens - eines Ansehens, das im wesentlichen<br />

der Teilhabe <strong>und</strong> dem Ansehen entspringt, das dem Akademiker<br />

bzw., dem Wissenschaftler von der Gesellschaft entgegengebracht wird.<br />

Es verw<strong>und</strong>ert deshalb nicht, daß in der Diskussion gerade die Statusqualitäten<br />

bestimmter Ausbildungselemente von denjenigen Lehrergruppen ausgespielt<br />

wurden, die ihren Status gegen andere Gruppen verteidigen oder<br />

erhöhen wollten.<br />

Hier liegt auch der Gr<strong>und</strong>, warum der Förderverein das Stufenlehrerprinzip<br />

ablehnte 15 ). Man ließ keinen Zweifel daran aufkommen, daß die Reformvorschläge<br />

begrüßenswerte Veränderungen für die Ausbildung der Gr<strong>und</strong><strong>und</strong><br />

Mittelstufenlehrer enthielten. Für die Lehrer der Sek<strong>und</strong>arstufe 11<br />

sei damit jedoch eine "entscheidende Verminderung der fachwissenschaftlichen<br />

Qualifikation ihres Berufsstandes" verb<strong>und</strong>en (Mutscheller 1970 (b),<br />

ders. 1971 (a)).<br />

Die allgemein-fachwissenschaftliche Ausbildung dürfe ebensowenig.beschnitten<br />

werden wie dem Lehrer, der seine Schüler für das Hochschulstudium<br />

vorzubereiten habe, mit bloßer "Gr<strong>und</strong>schuldidaktik" gedient sei<br />

(Mutscheller 1971 (b), S. 194; Baurmann 1973, S. 259). Dementsprechend<br />

könne die Fachdidaktik nicht losgelöst werden vom Fachstudium, sondern<br />

müsse in di eses "ei ngebettet <strong>und</strong> paralle 1 mit ihm unterri chtet werden"<br />

(Mutscheller 1971 (b), S. 194).<br />

15) Auf Ablehnung stießen in diesem Zusammenhang auch die Gesamtschulpläne;<br />

dies nicht nur, weil die Gesamtschule "alle überkommenen Werte<br />

in Frage (stelle) <strong>und</strong> Institutionen <strong>und</strong> Einrichtungen ... einzureißen"<br />

drohe, "die in langen Entwicklungszeiten so geworden sind",<br />

sondern weil sie für den Förderverein den Einheitslehrer einschloß,<br />

"eines Lehrers gleicher Ausbildung, am gleichen Ausbildungsort,<br />

gleicher Tätigkeitsmerkmale <strong>und</strong> natürlich gleicher Bezahlung". Mutschell<br />

er 1970 (a), S. 193,194.<br />

- 175 -


Daß seitens des Fördervereins der Pädagogik gegenüber der Fachdidaktik<br />

innerhalb der Ausbildung nur eine geringe Bedeutung beigemessen wurde,<br />

war nicht verw<strong>und</strong>erlich. Angesichts des unbedeutenden berufspolitischen<br />

Stellenwerts der Pädagogik, die im Verlauf der Professionalisierung der<br />

naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrer mit dem wissenschaftstheoretischen<br />

Verdikt einer 'praxisabhängigen Handwerkslehre' belegt worden war<br />

<strong>und</strong> von daher standespolitisch keine Rolle spielte, sollte der Anteil der<br />

erziehungswissenschaftlichen Ausbildung auf ein "Begleitfachstudium mit<br />

einem maßvollen Anspruch an Semesterwochenst<strong>und</strong>en" beschränkt bleiben<br />

(Baurmann 1973, S. 259).<br />

Von diesem Gr<strong>und</strong>tenor zeugen auch die bei den Stellungnahmen, die der Förderverein<br />

1972 <strong>und</strong> 1973 zur fachwissenschaftlichen <strong>und</strong> fachdidaktischen<br />

Ausbildung mathematisch-naturwissenschaftlicher Gymnasiallehrer vorlegte<br />

16). Darin band er die Ausbildung ausschließlich an fachwissenschaftliche<br />

Gr<strong>und</strong>sätze, wobei die Fachdidaktik paradigmatisch an die Fachwissenschaft<br />

geb<strong>und</strong>en wurde, gleichwohl aber auf die Semesterwochenst<strong>und</strong>en<br />

für das erziehungswissenschaftliche Studium angerechnet werden sollte.<br />

Diese Haltung spiegelte sich unverändert in der Diskussion über die Regelung<br />

der Stufenlehrerausbildung wider, wie sie Ende der 70er Jahre in<br />

Nordrhein-Westfalen im Zuge der Integration der Pädagogischen Hochschulen<br />

in die Universitäten geführt wurde (siehe u.a. Kellermann 1978; Heidenreich<br />

1979; Pongs 1980; Weiß 1980). Im Brennpunkt der Auseinandersetzung<br />

stand dabei die Gewichtung der Anteile von fachwissenschaftlichen,<br />

fachdidaktischen <strong>und</strong> erziehungswissenschaftlichen Studien für die Sek<strong>und</strong>arstufe<br />

11 (Baurmann 1978).<br />

Ebenso wie die Fachvertreter an den Universitäten (die inzwischen die<br />

Fachdidaktik in ihrer Bedeutung für die Kapazitätsregelungen entdeckt<br />

hatten) verteidigte der Förderverein den Sonderstatus der Gymnasialleh-<br />

16) Stellungnahme zur Ausbildung der Fachlehrer für Mathematik, Physik,<br />

Chemie <strong>und</strong> Biologie in der Sek<strong>und</strong>arstufe 11 1972, S. 237ff. Vorläufige<br />

Stellungnahme zur Frage der fachdidaktischen Ausbildung der<br />

Lehrer für Mathematik, Physik, Chemie <strong>und</strong> Biologie in der Sek<strong>und</strong>arstufe<br />

11 1973, S. 307ff.<br />

- 176 -


erausbil dung. Damit di e Ausbildung der Gymnas i all ehrer ni cht "i n ei n<br />

Studium zweiter Klasse ...• womöglich auch noch erziehungswissensschaftlieh<br />

ideologisiert" abglitte. forderte er eine Reduktion des erziehungswissenschaftlichen<br />

Studenanteils zugunsten einer Stärkung des fachwissenschaftlichen<br />

<strong>und</strong> fachdidaktischen Studiums (a.a.D., S. 258f).<br />

Für den Förderverein wie für die gymnasialen Fachdidaktiker. denen in den<br />

70er Jahren die formelle Eingliederung ihres Standes in die entsprechenden<br />

fachwissenschaftlichen Gesellschaften gelungen war (vgl. Brämer<br />

1978)17), wird die Fachdidaktik unter weitgehender Verkennung. <strong>und</strong> Verdrängung<br />

der Sinn- <strong>und</strong> Praxisprobleme sogar als "Berufswissenschaft des<br />

Fachlehrers" ausgegeben I8 ), die, an die Fachwissenschaft kurzgeschlossen.<br />

den Zweck hat, im Interesse der etablierten Universitätsdisziplinen für<br />

einen reibungslosen Transfer der wissenschaftlichen Erkenntnisse <strong>und</strong> Methoden<br />

in den Untericht hinein zu sorgen.<br />

Die hieraus abgeleiteten Forderungen nach Ausbau der Fachdidaktik in Forschung<br />

<strong>und</strong> Lehre <strong>und</strong> ihre Verankerung in den Studien- <strong>und</strong> Prüfungsordnungen<br />

haben in den Studienreformplänen fast sämtlicher B<strong>und</strong>esländer ihren<br />

Niederschlag gef<strong>und</strong>en, zum Teil auch die Forderung nach gleichzeitiger<br />

Einschränkung erziehungswissenschaftlicher Studienanteile. Von den ursprünglichen<br />

Reformzielen zur Vereinheitlichung der Lehrerbildung ist -<br />

17)<br />

18)<br />

In den 70er Jahren etablierten sich nicht weniger als vier fachdidaktische<br />

Organisationen: 1970 die Fachgruppe "Chemieunterricht" in der<br />

Gesellschaft Deutscher Chemiker, 1973 der Fachausschuß "Didaktik der<br />

Physik" in der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, ebenfalls 1973<br />

die "Gesellschaft für Didaktik der Chemie <strong>und</strong> Physik", 1976 die Sektion<br />

"Fachdidaktik im Verein Deutscher Biologen". Nicht mitgezählt<br />

wurde die reaktivierte "Schulkommission der Astronomischen Gesellschaft"<br />

<strong>und</strong> die 1975 gegründete "Konferenz der Fachbereiche Physik",<br />

die eng mit der Deutschen Physikalischen Gesellschaft zusammenarbeitet<br />

<strong>und</strong> eine überregionale Plattform zur Diskussion von Problemen<br />

der wissenschaftlichen Lehre in der Physik, der Studiengangsgestaltung,<br />

der Kapazitätsberechnung sowie der Fragen der Forschung, ihrer<br />

institutionellen Organisation <strong>und</strong> Förderung darstellt.<br />

Vgl. "Aufruf zur Beseitigung der Praxisferne der wissenschaftlichen<br />

Lehrerausbildung an den deutschen Hochschulen" 1978, S. 370 <strong>und</strong> Emp:<br />

fehlungen zum Physikunterricht an den Schulen des Sek<strong>und</strong>arbereichs".<br />

vorgelegt von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, dem Förderverein<br />

<strong>und</strong> der Konferenz der Fachbereiche Physik. Beilage in MNU,<br />

H. 6/1980.<br />

- 177 -


is auf eine gewisse Aufwertung des wissenschaftlichen Standards der<br />

Haupt- <strong>und</strong> Realschullehrerausbildung - so gut wie nichts übrig geblieben<br />

(siehe Weiß 1976, S. 176ff). Im Gegenteil, mit der Abkoppelung der<br />

Sek<strong>und</strong>arstufe lI-Lehrerausbildung aus dem ursprünglichen Reformkonzept,<br />

die auf Betreiben der CDU/CSU-regierten Länder durchgesetzt werden konnte,<br />

ist den Standesvertretern der Gymnasiallehrer mit massiver Unterstützung<br />

der fachdidaktischen Gesellschaften <strong>und</strong> Verbände 19 ) die Durchsetzung<br />

eines ihrer zentralen Interessenpunkte gelungen. Verteidigt wurde<br />

damit nicht allein der Sonderstatus der Gymnasiallehrer. Begünstigt<br />

durch die umfassende Reform des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s <strong>und</strong><br />

seine bildungstheoretische Aufwertung ist es speziell den gymnasialen<br />

Vertretern der Naturwissenschaften - im Unterschied zu den Gymnasiallehrern<br />

mit traditionellen Elitefächern wie Latein <strong>und</strong> Griechisch - gleichzeitig<br />

gelungen, den Wandel des herrschenden Bildungsverständnisses einer<br />

technisch-ökonomisch expandierenden Gesellschaft erfolgreich in Richtung<br />

auf die soziale <strong>und</strong> ideologische Aufwertung ihres Berufsstandes zu<br />

nutzen.<br />

Daß der Förderverein damit einen berufs-, d.h. interessenpolitisch wirkungsvollen<br />

Kurs eingeschlagen hatte, zeigt das starke Ansteigen der Mitgliederzahl<br />

mit Beginn der Bildungsreform: Sie wuchs von r<strong>und</strong> 4.000 im<br />

Jahre 1972 auf über 6.200 im Jahre 1981 an; 1982 sind allerdings erstmals<br />

leicht rückläufige Zahlen zu verzeichnen 20 )(siehe Graphik S. 179).<br />

19) siehe Seite 179<br />

20) Ober den gegenwärtigen Organisationsgrad des Fördervereins lassen sich<br />

aufgr<strong>und</strong> fehlender bzw. unvollständiger Angaben über die Zahl der Mathematik-,<br />

Physik-, Chemie- <strong>und</strong> Biologielehrer mit Lehrbefähigung an<br />

Gymnasien in der B<strong>und</strong>esrepublik keine verläßlichen Aussagen machen<br />

(1977 betrug die Zahl der Physi k-Gymnasi allehrer ca 9. 500) . Siehe Born,<br />

Euler 1977, S.5. Nach Angaben des Fördervereins ist der Organisationsgrad,<br />

bezogen auf die einzelnen B<strong>und</strong>esländer recht unterschiedlich.<br />

In Schleswig-Hostein <strong>und</strong> Hamburg beispielsweise wird er von ihm auf<br />

50%, im B<strong>und</strong>esdurchschnitt lediglich auf 25% geschätzt. Hierbei spielen<br />

West-Berlin <strong>und</strong> Bayern eine besondere Rolle. Der aufgr<strong>und</strong> der<br />

Nachkriegsverhältnisse gegründete "Berliner Verein zur Förderung des<br />

mathemati sch-naturwi ssenschaftl ichen Unterri chts" hat mi t ca. 500 Mitgliedern<br />

bis heute seine Eigenständigkeit behalten, <strong>und</strong> Bayern ist<br />

bislang das einzige B<strong>und</strong>esland, das im Förderverein nicht mit einem<br />

Landesverband vertreten ist. Dort hat der Philologenverband (im Gegensatz<br />

zum sonstigen B<strong>und</strong>esgebiet) Fachgruppen, in denen die Interessen<br />

des Fördervereins mit vertreten werden. Die vorstehenden Angaben stützen<br />

sich auf eine persönliche Mitteilung des Geschäftsführers Friedrich<br />

Becker mit Schreiben vom 23.6.1978.<br />

- 178 -


Mitgliederbewegung des Fördervereins zwischen 1949 <strong>und</strong> 1982 21 )<br />

6000<br />

1 Mitglieder<br />

5000<br />

4000<br />

3000<br />

2000<br />

1/<br />

Jahr<br />

1949<br />

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19) Vgl. Empfehlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft zur Neustrukturierung<br />

des Physikstudiums 1972. Empfehlungen der Konferenz<br />

der Fachbereiche Physik zur Struktur des Physikstudiums 1978. Stellungnahme<br />

der Fachgruppe "Chemieunterricht" in der Gesellschaft<br />

Deutscher Chemiker zur Chemielehrerausbildung 1975. Stellungnahme<br />

der Gesellschaft für Didaktik der Chemie <strong>und</strong> Physik. Zur Didaktik<br />

der Chemie <strong>und</strong> Physik in der Lehrerausbildung 1981.<br />

21) Zusammengestellt nach den Berichten über die jährlichen Hauptversammlungen<br />

in der MNU der entsprechenden Jahrgänge.<br />

'"<br />

- 179 -


12.3 Die gymnasiale Oberstufe auf Einheitskurs<br />

Ein Markstein für die Entwicklung der Hochschulzugangsregelung <strong>und</strong> damit<br />

für die gymnas i ale Oberstufe war das sogenannte "Numerus-Cl ausus-Urteil "<br />

des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichtes vom 18.7.1972, da mit diesem auf juristischem<br />

Wege die Selektionskraft des Hochschulbereichs bzw. seiner schulischen<br />

Zugänge verstärkt wurde, um von oben her den sich abzeichnenden<br />

Abiturientenandrang auf die Universitäten zu bremsen.<br />

Die im Urteil geforderte Auswahl der Bewerber nach sachgerechten Kriterien<br />

<strong>und</strong> unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten<br />

führte am 20.10.1972 zum Staatsvertrag zwischen den B<strong>und</strong>esländern,<br />

in dem ein gemeinsames Verfahren bei der Zulassung zum Hochschulstudium<br />

vereinbart wurde. Dem Auftrag des Staatsvertrages versuchte die KMK daraufhin<br />

in folgender Weise nachzukommen:<br />

- In Ergänzung zur "Vereinbarung zur Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe<br />

in der Sek<strong>und</strong>arstufe 11" vom 7.7.1972 wurde am 13.12.1973 die<br />

"Vereinbarung über die Abiturprüfung der neugestalteten gymnasialen<br />

Oberstufe in der Sek<strong>und</strong>arstufe 11" verabschiedet, die einen ersten<br />

Schritt zur b<strong>und</strong>eseinheitlichen Angleichung der Maßstäbe der Abiturprüfung<br />

bedeutete.<br />

- Im September 1973 wurde der Schul ausschuß der KMK beauftragt, einheitliche<br />

Prüfungsanforderungen für die Abiturprüfung an der neugestalteten<br />

gymnasialen Oberstufe - sogenannte Normenbücher - auszuarbeiten; er<br />

setzte (unter Ausschluß der öffentlichkeit) Fachkommissionen mit ca.<br />

5 bis 6 von den Ländern benannten Lehrern <strong>und</strong> Vertretern der Kultusminister<br />

für 15 Fächer ein. Ihre Aufgabe war es, nach einem "möglichst<br />

pragmatischen Ansatz" einheitliche Lernziele für die Abiturprüfung <strong>und</strong><br />

Prüfungsaufgaben aufzustellen, um die Vergleichbarkeit der Prüfungsergebnisse<br />

zu verbessern (Piazalo 1975).<br />

- Im September 1974 lagen dann die ersten Normenbücher vor, die, wie alle<br />

folgenden, den Status von Erprobungsfassungen erhielten.<br />

Am 6.2.1975 beschloß die KMK die "Vereinbarung über die Anwendung einheitlicher<br />

Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung der neugestalteten<br />

gymnasialen Oberstufe", die am 23.5.1975 durch "Erläuternde Hinweise<br />

zu der Vereinbarung über die Anwendung einheitlicher Prüfungsanforderungen<br />

in der Abiturprüfung" ergänzt wurde 22 ). Noch im gleichen Jahr<br />

- 180 -


wurden einheitliche Prüfungsanforderungen (Normenbücher) für 15 Fächer<br />

verabschiedet.<br />

Die bildungspolitische Bedeutung der Normenbücher wird an zwei Gesichtspunkten<br />

deutlich: Der eine Gesichtspunkt betrifft ihren Anspruch auf Vereinheitlichung<br />

der Prüfungsanforderungen sowohl im Bereich der Lernzielbeschreibungen<br />

<strong>und</strong> deren Taxonomien als auch bei den "Gewichtungen <strong>und</strong><br />

Bewertungseinheiten", da diese als "begründete Setzungen" (a.a.O., S. 6)<br />

beschrieben werden <strong>und</strong> von daher normativen Charakter haben 23 ). Der andere,<br />

damit zusammenhängende Gesichtspunkt bezieht sich auf den rechtlichen<br />

Aspekt der Normenbücher, da es ihre Aufgabe ist, "die Prüfungsanforderungen<br />

zu vereinheitlichen, ohne gleichzeitig curriculare Angaben in Form<br />

eines Lehrplans festzuschreiben" (Sekretariat 1977, S. 5), denn juristisch<br />

liegt eindeutig fest (Art. 30 GG), daß die Lehrpläne den Ländern vorbehalten<br />

bleiben (ebenda).<br />

Gleichzeit wird jedoch darauf hingewiesen, daß sich das Vorhandensein<br />

einheitlicher Prüfungsanforderungen "auch bei der notwendigen Zurückhaltung<br />

in bezug auf inhaltliche Vorgaben ... auf den <strong>Unterricht</strong> der gymnasialen<br />

Oberstufe auswirken" wird, wobei als mögliche Einflußbereiche die<br />

"Lehrpläne <strong>und</strong> Prüfungsanforderungen der Länder", das "<strong>Unterricht</strong>sangebot<br />

der Schulen im Zusammenhang mit dem Wahlverhalten der Schüler" sowie<br />

die "<strong>Unterricht</strong>svorbereitung <strong>und</strong> (das) Prüfungsverhalten der Lehrer" genannt<br />

werden (a.a.O., S. 7).<br />

Damit wurden die Inhalte <strong>und</strong> Verfahrensweisen der Normenbücher nicht nur<br />

zu einer politisch-rechtlichen Frage, die auf der Ebene der Länderparlamente<br />

diskutiert wurde, sondern die mit ihnen getroffenen fachcurricularen<br />

Entscheidungen lösten natürlich innerhalb der Gymnasiallehrerschaft,<br />

bei den einschlägigen fachdidaktischen Organisationen <strong>und</strong> in Hochschulkreisen<br />

eine lebhafte Diskussion aus.<br />

22) Abgedruckt in: Sekretariat 1977 sowie in den "Normenbüchern" für alle<br />

Fächer.<br />

23) Zur Kritik von erziehungswissenschaftlicher Seite siehe: von Hentig<br />

1977; Flitner (Hrsg) 1976; Rumpf 1977; Lenzen 1977; Westphal (Hrsg)<br />

1976.<br />

- 181 -


12.3.1 Die Position des Fördervereins<br />

Bereits im März 1975 berief der Vorstand des Fördervereins Fachausschüsse<br />

für Mathematik <strong>und</strong> die naturwissenschaftlichen Fächer mit dem Auftrag<br />

ein, sich mit den durch die Normenbücher aufgeworfenen Fragen zu beschäftigen<br />

<strong>und</strong> entsprechende Erfahrungsberichte über ihre Erprobung zu sammeln<br />

24 ); darüber wurde im Herbst 1976 eine erste Stellungnahme vorgelegt.<br />

In ihr begrüßte der Förderverein die "Idee" der einheitlichen Prüfungsanforderungen<br />

<strong>und</strong> bezeichnete sie als einen "wichtigen Schritt in Richtung<br />

auf Prüfungsobjektivität <strong>und</strong> als eine notwendige, allerdings nicht<br />

hinreichende Voraussetzung für eine gerechte Verteilung der Studien- <strong>und</strong><br />

Ausbildungsplätze" (Förderverein 1976). Wenngleich der förderverein die<br />

Normenbücher außer aus den genannten Gründen auch deshalb bejaht haben<br />

dürfte, weil er sich von ihnen einen möglichen Beitrag zur Vereinheitlichung<br />

der oft von ihm beklagten Lehrplanvielfalt in der Oberstufe erhoffte,<br />

so hatte er doch gegenüber ihrer inhaltlichen Konzeption Einwände<br />

(Förderverein 1977). Sie richteten sich gegen die Stoffülle der Lerninhalte-Kataloge,<br />

gegen die den einzelnen Fächern zugr<strong>und</strong>egelegten, jedoch<br />

unterschiedlichen Lernzieltaxonomien sowie gegen die Bewertungsmatrix.<br />

Angesicht ihrer erheblich höheren Verbindlichkeit gegenüber den Lehrplänen<br />

forderte der Förderverein deshalb, den Umfang der Stoffkataloge zu reduzieren,<br />

um einerseits einer "oberflächliche(n) Vermittlung von Kenntnissen"<br />

zu begegnen <strong>und</strong> andererseits didaktische Neuansätze nicht zu blockieren<br />

(ebenda). Entsprechend wurde für die Lernziele der einzelnen Fächer eine<br />

einheitliche Taxonomie gefordert, die durch eine umfangreiche Aufgabensammlung<br />

präzisiert werden <strong>und</strong> der eine praktikablere Bewertungsmatrix zugr<strong>und</strong>egelegt<br />

werden sollte.<br />

24) Zu diesem Zweck fand am 20.10.1975 eine Konferenz zur Beratung über<br />

die Normenbücher am Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften<br />

an der Universität Kiel statt, an der Vertreter des IPN, des<br />

Instituts für Didaktik der Mathematik <strong>und</strong> des Fördervereins teilnamen.<br />

Zum Problem Normenbücher 1976.<br />

- 182 -


12.3.2 Die Position der "Gesellschaft für Didaktik der Chemie <strong>und</strong> Physik"<br />

Während der Förderverein in seinen Stellungnahmen im wesentlichen nur<br />

die Praktikabilität der Normenbücher kritisierte, ihren Standard aber<br />

prinzipiell akzeptierte, da sie, so die Begründung, einen Anstoß für<br />

eine längst notwendige Diskussion um "eine brauchbare Definition von<br />

Lernzielstufen" gebe, von der man sich "eine Hilfe für Lehrer <strong>und</strong> Schüler<br />

in Prüfungssituationen" erwarte, richtete sich das Augenmerk der Gesellschaft<br />

für Didaktik der Chemie <strong>und</strong> Physik (GDCp)25) in ihrer Stellungnahme<br />

auf die Begründung der aufgestellten Kataloge <strong>und</strong> der darin<br />

enthaltenen Kriterien für die Leistungsbewertung. Sie wurden gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

in Frage gestellt. "Statt jedoch, was möglich gewesen wäre, allgemeine<br />

<strong>und</strong> übergreifende pädagogisch <strong>und</strong> fachdidaktisch begründete Bewertungskriterien<br />

zu entwickeln, haben die Fachkommissionen detaillierte<br />

<strong>und</strong> unbegründete Stoffsammlungen zusammengestellt <strong>und</strong> bürokratische Benotungsschemata<br />

entwickelt. Die Stoffsammlungen entsprechen, entgegen<br />

dem Antrag, B<strong>und</strong>eslehrplänen für Chemie <strong>und</strong> Physik. Die Benotungsschemata<br />

täuschen eine Exaktheit, eine Beurteilungsgenauigkeit vor, die nicht<br />

erreichbar ist <strong>und</strong> in der Praxis zu einem nichtssagenden, widerwillig<br />

gehandhabten Formalismus führen muß" (GDCP 1977).<br />

Daran anknüpfend wurde kritisiert, daß Standards der Curricu1umentwick-<br />

1ung wie "Rationalität der Entscheidungsprozesse, Beteiligung der Betroffenen,<br />

Bezogenheit von Lernzielen, <strong>Unterricht</strong>- <strong>und</strong> Lernzielkontrolle,<br />

Offenheit <strong>und</strong> Differenzierung nach Adressatengruppen oder Orientierung<br />

an externen Systemen statt nur an der Fachsystematik" (a.a.O.) nicht<br />

berücksichtigt worden seien, wodurch die <strong>Unterricht</strong>s forschung behindert<br />

werde <strong>und</strong> die Gefahr bestehe, daß Reforminitiativen in "unnormierte Bereiche<br />

des Bildungswesens" kanalisiert würden. Von der GDCP wurde des-<br />

25)<br />

In der GDCP hatten sich 1973 vornehmlich die an den Pädagogischen<br />

Hochschulen tätigen Chemie- <strong>und</strong> Physikdidaktiker zusammengeschlossen.<br />

Im Unterschied zu ihren sich an den Universitäten etablierenden<br />

<strong>und</strong> in der Gymnasiallehrerausbildung tätigen Kollegen, die sich<br />

in der Deutschen Physikalischen Gesellschaft <strong>und</strong> der Gesellschaft<br />

Deutscher Chemiker organisierten <strong>und</strong> zugleich mehrheitlich Mitglieder<br />

des Fördervereins sind, war ihr fachdidaktisches Selbstverständnis<br />

weniger von den Fach-, d.h. den Naturwissenschaften als vielmehr<br />

von der Erziehungswissenschaft geprägt.<br />

- 183 -


halb "die Bildung legitimierter <strong>und</strong> kompetenter Gremien mit ausreichenden<br />

Arbeitsmöglichkeiten sowie Offenlegung der Verfahren <strong>und</strong> Kriterien" gefordert<br />

(ebenda).<br />

12.3.3 Die Position der "Konferenz der Fachbereiche Physik"<br />

Ähnlich war auch der Gr<strong>und</strong>tenor der Stellungnahme der Konferenz der Fachbereiche<br />

Physik (KFP) (KFP 1977), wenngleich diesem Votum ein anderes Motiv<br />

zugr<strong>und</strong>elag.<br />

Ihre im Januar 1977 vorgelegten "Empfehlungen" zum Normenbuch Physik basierten<br />

auf den Ergebnissen einer Umfrage der KFP (Beurteilung 1976), bei<br />

den physikalischen Fachbereichen der B<strong>und</strong>esrepublik <strong>und</strong> West-Berlin, in<br />

der Hochschullehrer danach gefragt wurden, "ob sich ihr Fach ... sachgemäß<br />

<strong>und</strong> sinnvoll im Normenbuch widerspiegelt" <strong>und</strong> wie sie die "studienvorbereitende<br />

Funktion des Physikunterrichts" auf dem Hintergr<strong>und</strong> des<br />

Normenbuchs beurteilen.<br />

Das Urteil der Hochschullehrer über das Normenbuch war in beiderlei Hinsicht<br />

entschieden negativ (siehe Beurteilung 1976, S. 4ff <strong>und</strong> S. 43ff).<br />

Einhellig war man der Ansicht, daß das Normenbuch in seinen Forderungen<br />

unrealistisch sei, da erfahrungsgemäß das geforderte Wissen selbst bei<br />

Studienanfängern des Fachs Physik nicht vorhanden sei <strong>und</strong> erst nach einem<br />

4- bis 5-semestrigen Studium bis zur Zwischen- oder Vordiplomprüfung<br />

erworben werde. Ebenso gab der überwiegende Teil der Hochschullehrer zu<br />

verstehen, daß der Normenbuchkatalog keinen richtigen Eindruck von der<br />

Physik vermittele. Hierbei kritisierten sie am Normenbuch nicht nur die<br />

mangelhaften Bezüge zur natürlichen Umwelt des Schülers, sondern auch<br />

das Fehlen von aktuellen Themen.<br />

Als ein gr<strong>und</strong>sätzliches Problem wurde in diesem Zusammenhang das der Motivation<br />

der Schüler angesprochen <strong>und</strong> befürchtet, daß das Normenbuch die<br />

Schüler davon abhalte, Physikkurse zu belegen bzw. sie von einem späteren<br />

Physikstudium abschrecke. Wichtig sei deshalb, daß der Physikunterricht<br />

"schwerpunktmäßig auf die Schüler abgestellt sein (sollte), die später<br />

keinen Kontakt mit der Physik mehr haben" (KFP 1977, S. 41), wobei stär-<br />

- 184 -


keres Gewicht auf die Motivation zur Beschäftigung mit Fragen der Physik<br />

gelegt werdensollte als auf die Vermittlung spezieller <strong>und</strong> umfangreicher<br />

Fachkenntnisse; denn bekanntlich sei für die Aufnahme eines Physikstudiums<br />

das Interesse am Fach wichtiger als fachliche Vorkenntnisse.<br />

In Entsprechung zu dieser Mängelliste legte die KFP ihren "Empfehlungen"<br />

zur Neuformulierung des Normenbuchs Physik "Gr<strong>und</strong>sätze" zugr<strong>und</strong>e, die dem<br />

Physikunterricht eine primär aufklärerisch-motivierende Aufgabe zuwiesen,<br />

in dem Sinne, daß dem Schüler sowohl die 'Praxis' der Wissenschaft Physik<br />

als auch ihre Bedeutung für das 'Weltverständnis' deutlich gemacht<br />

werden soll: Gefordert wurde:<br />

- eine stärkere Berücksichtigung der "physikalischen Gr<strong>und</strong>lagen der Technik",<br />

- die Motivierung der Schüler zur "weiteren selbständigen Beschäftigung<br />

mit physikalischen Fragestellungen",<br />

- die Einbeziehung von "interessanten <strong>und</strong> aktuellen Prob1eme(n),<br />

- die Herausstellung der "geistesgeschicht1iche(n) Bedeutung der Physik"<br />

<strong>und</strong> ihrer Leistungen "für unsere heutige Kultur",<br />

sowie<br />

- eine stärkere Betonung der Physik als "Gr<strong>und</strong>lage für alle modernen Naturwissenschaften"<br />

(ebenda) .<br />

Die sich hieraus ergebenden Konsequenzen lauteten: Das Normenbuch dürfe<br />

"nicht zu einem Katalog von Prüfungsfragen entarten", da es andernfalls<br />

sowohl dem Lehrer als auch den Schülern die Physik "vergraulen" würde,<br />

<strong>und</strong> die gestellten Anforderungen müßten solche "Freiräume für die eigene<br />

Gestaltung des <strong>Unterricht</strong>s lassen", "daß spezielle Gebiete der Physik,<br />

je nach Interesse <strong>und</strong> dem Kenntnisstand von Lehrern <strong>und</strong> Schülern, in angemessenem<br />

Umfang behandelt werden können" (ebenda).<br />

An dieser wie auch an der Stellungnahme des Fördervereins <strong>und</strong> der GDCP<br />

wird deutlich, daß mit der 'Normierung' der Abiturprüfungsanforderungen<br />

die naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrer sowie ihre fachdidaktischen<br />

Vertreter <strong>und</strong> Hochschulrepräsentanten entsprechend ihren je spezifischen<br />

Motiven zugleich auf eine Veränderung der inhaltlichen <strong>und</strong> methodischen<br />

Gestaltung des Physikunterrichts in der gymnasialen Oberstufe abzielten.<br />

Mit welchem Erfolg dies geschah 26 ), zeigt die Durchsicht der am 1. Juni<br />

1979 von der KMK verabschiedeten überarbeiteten Fassung des Normenbuchs<br />

Physik.<br />

- 185 -


•<br />

Die Forderungen der GDCP, die Normenbücher nicht nur unter fachspezifischen<br />

Gesichtspunkten zu überarbeiten, sondern auch die Standards der <strong>Unterricht</strong>s-<br />

<strong>und</strong> Curriculumforschung mit einzubeziehen, fanden keinen Niederschlag.<br />

Die damit zusammenhängende Verankerung von Reformansätzen wie<br />

z.B. die Offenheit des <strong>Unterricht</strong>s oder die Differenzierung nach Adressatengruppen<br />

oder Orientierung inhaltlicher Entscheidungen an fach-externen<br />

Gesichtspunkten (also etwa Entscheidungen, die von den Ansprüchen der Lernenden<br />

ausgehen <strong>und</strong> deren Berücksichtigung auch dazu führen müßte, diese<br />

in die Planung <strong>und</strong> Gestaltung des <strong>Unterricht</strong>s miteinzubeziehen (siehe auch<br />

die Kritik von Lenzen 1977)) dürfte wohl an den professionellen Interessen<br />

der meisten naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrer <strong>und</strong> der Vertreter<br />

ihrer Disziplinen an den Hochschulen gescheitert sein; sie gehen darin<br />

konform, daß sie an der tradierten Funktion des gymnasialen naturwissenschaftlichen<br />

(Oberstufen-)<strong>Unterricht</strong>s als universitäts- bzw. studienpropädeutische<br />

Einrichtung uneingeschränkt festhalten. Diese Gruppen konnten<br />

sich nicht nur mit ihrer Forderung nach Zugr<strong>und</strong>elegung einer einheitlichen<br />

Lernzieltaxonomie in der Abiturprüfung für alle Fächer des mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Aufgabenfeldes durchsetzen, sondern erreichten<br />

auch, daß auf einen Katalog verbindlicher Lerninhalte verzichtet<br />

(vgl. "Normenbuch Physik" 1979) <strong>und</strong> dafür eine Liste von sogenannten<br />

"Fachliche(n) Qualifikationen" <strong>und</strong> "Fachliche(n) Inhalte(n)" im Sinne<br />

der von der KFP geforderten Gr<strong>und</strong>sätze erstellt wurde (Sekretariat 1981,<br />

S. 6ff), die den naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrern weitgehende<br />

fachlich-inhaltliche Autonomie gewährte.<br />

Unangetastet blieb indes das fachwissenschaftliehe (<strong>und</strong> mathematische)<br />

Anspruchsniveau der gestellten Anforderungen 27 ). In Anlehnung an die<br />

26) Daß neben den Länderberichten die Stellungnahmen der einschlägigen<br />

Fachverbände bei der Oberarbeitung der Normenbücher eine nicht zu<br />

unterschätzende Rolle gespielt haben, wird nicht nur durch den Umstand<br />

nahegelegt, daß die hieran beteiligten Fachlehrer Mitglieder<br />

in der einen oder anderen Vereinigung sind <strong>und</strong> dementsprechend die<br />

spezifischen Interessen ihres Verbandes in der Schule mitvertreten<br />

haben dürften, sondern auch umgekehrt dadurch, daß die Vereinigungen<br />

über den Stand der Erprobungen "gut informiert" waren <strong>und</strong> insofern<br />

vereinspolitisch Einfluß nehmen konnten. Vgl. Westphal (Hrsg) 1976,<br />

S. 197 <strong>und</strong> Geschäftssitzung auf der 67. Hauptversammlung des Fördervereins<br />

1976, S. 306.<br />

- 186 -


fortschreitende wissenschaftstheoretische Systematisierung der modernen<br />

Naturwissenschaften wurden Begriffe wie Modell, Energie, Feld, Welle,<br />

Korpuskel, Quanten im Sinne von strukturellen Leitlinien bzw. als basale<br />

Konzepte (Teilchenstrukturkonzept, Wechselwirkungskonzept, Erhaltungskonzept)<br />

herausgestellt, mit denen Naturerkenntnis ersch)ossen <strong>und</strong> zugleich<br />

strukturiert werden soll.<br />

Im Bündnis mit den Naturwissenschaftsvertretern an den Hochschulen war<br />

damit die vom Förderverein im Zuge der gymnasialen Oberstufenreform durchgesetzte<br />

Reform des naturwissenschaftlichen Curriculums auch über die<br />

"Abitur-Normen" abgesichert. Für alternative fachdidaktische, insbesondere<br />

fächerübergreifende Konzeptionen, wie sie u.a. mit projektorientiertem<br />

<strong>Unterricht</strong> verfolgt werden, in dem die gesellschaftliche Bedeutung<br />

der Naturwissenschaften in den Vordergr<strong>und</strong> rückt,<strong>und</strong> die Lebenswelt<br />

der Schüler stärker miteinbezogen wird, gibt es - wie die gegenwärtige<br />

Schulpraxis in der gymnasialen Oberstufe zeigt - immer weniger Rea1isierungsmäg1ichkeiten,<br />

weil sie nicht zuletzt an den Abitur-Normen scheitern<br />

28 ) .<br />

Doch nicht allein für den naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong> in der<br />

traditionellen gymnasialen Oberstufe hatten die "Einheitlichen Prüfungsanforderungen"<br />

Konsequenzen, sondern z.B. auch für den naturwissenschaftlichen<br />

Oberstufenunterricht in den berufsbildenden Gymnasien, denen im<br />

Zuge der Bildungsreform die Hinführung zur allgemeinen Hochschulreife zuerkannt<br />

wurde. Die bis dahin in ihrem naturwissenschaftlichen Lehrplan<br />

27) Trotz der von seiten der Hochschullehrer erhobenen Zweifel an der Rea-<br />

1isierbarkeit des fachlichen wie mathematischen Anspruchsniveaus der<br />

"Qualifikationen" <strong>und</strong> "Inhalte" haben sich offenbar in diesem Punkte<br />

die naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrer durchzusetzen vermocht.<br />

28) Entsprechend problematisch sind die zur Oberprüfung <strong>und</strong> Bewertung der<br />

Lernziele zugr<strong>und</strong>egelegten Taxonomien (Reproduktion, Reorganisation<br />

<strong>und</strong> Transfer), die als gr<strong>und</strong>sätzlich erreichbar <strong>und</strong> überprüfbar verstanden<br />

werden. Die Frage z.B., welche pädagogische Bedeutung diese<br />

Erkenntniskategorien für den Schüler, der sie erlernt, haben sollen<br />

<strong>und</strong> ob sie dieser Bedeutung auch tatsächlich entsprechen können,<br />

bleibt offen. Das Problem ist, daß die Schüler immer weniger als Subjekt,<br />

sondern nur noch als Objekt des Lernprozesses vorkommen, an<br />

dessen gemessener Leistung sich die Güte einer bestimmten Lernzie1-<br />

Operationa1isierung zeigen soll.<br />

- 187 -


(traditionell) verankerten berufsbildenden, d.h. stärker technisch-anwendungsorientierten<br />

Inhalte wurden zugunsten einer auf der Theorie <strong>und</strong><br />

Methode der Naturwissenschaften basierenden allgemeinen Gr<strong>und</strong>bildung zurückgedrängt<br />

<strong>und</strong> damit dem Status des gymnasialen naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s angeglichen.<br />

- 188 -


13. Die Reformwende <strong>und</strong> die Haltung des Fördervereins<br />

13.1 Folgeprobleme der Bildungsreform<br />

Der in den letzten Jahren zunehmende konservative Widerstand gegen die<br />

Bildungsrefor.m (Zurückweisung der Hessischen Rahmenrichtlinien <strong>und</strong> der<br />

Kooperativen Schule in Nordrhein-Westfalen, die Thesen "Mut zur Erziehung",<br />

das Urteil des Hessischen Staatsgerichtshofes zur Verfassungswidrigkeit<br />

des Hessischen Oberstufengesetzes <strong>und</strong> der Streit um die b<strong>und</strong>eseinheitliche<br />

Anerkennung der Gesamtschulabschlüsse) wäre vermutlich nicht<br />

in der Form möglich gewesen, wenn er nicht an Erscheinungen <strong>und</strong> Entwicklungen<br />

innerhalb der Schule hätte anknüpfen können, die der Bildungsreform<br />

selbst zugerechnet werden: die Klagen über den Leistungsdruck in<br />

der Schule, der sich angesichts von Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> Numerus Clausus<br />

von der gymnasialen Oberstufe bis hinunter in die Gr<strong>und</strong>schule fortpflanzt<br />

<strong>und</strong> Gegenreaktionen wie Leistungsverweigerung hervorruft, <strong>und</strong><br />

die Debatten über Reformexperimente <strong>und</strong> Oberfrachtung der Schüler mit<br />

Lernstoff.<br />

Zu diesen innerschulischen Krisensymptomen gehört auch das relativ geringe<br />

Interesse der Oberstufenschüler am naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>,<br />

das sich darin dokumentiert, daß Physik <strong>und</strong> Chemie von der Schülermehrheit<br />

abgewählt wird. Im B<strong>und</strong>esdurchschnitt wählten, den jüngsten<br />

Untersuchungen zufolge, in den Jahrgangsstufen 12 <strong>und</strong> 13 lediglich 18%<br />

der Schüler Physik als Gr<strong>und</strong>kurs bzw. 13% als Leistungskurs <strong>und</strong> 28%<br />

Gr<strong>und</strong>kurse bzw. 12% Leistungskurse in Chemie 1 ).<br />

Auf der Suche nach den Gründen für das (Ab-)Wahlverhalten der Oberstufenschüler<br />

machen einige gymnasiale Vertreter der Naturwissenschaften neben<br />

der NC-Problematik <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen 'Punktejagd' , die die Schüler<br />

von den 'schweren' (naturwissenschaftlichen) auf die 'leichten' Fächer<br />

umsteigen lassen (Meinecke 1980), vor allem didaktisch-methodische<br />

- 189 -


Defizite verantwortlich. Dabei wird der starke "fachsystematisch-wissenschaftsorientierte"<br />

Aufbau der naturwissenschaftlichen Curricula ebenso<br />

kritisiert wie die Oberbetonung mathematischer Formalismen <strong>und</strong> die Stofffülle<br />

der Lehrpläne. Aber auch Gründe aus dem affektiven Bereich werden<br />

genannt: Die Unfähigkeit vieler Lehrer, "ihr Fach interessant, packend<br />

<strong>und</strong> attraktiv darzustellen", wird als eine entscheidende Ursache für die<br />

geringe Beliebtheit <strong>und</strong> Effektivität des Physik- <strong>und</strong> Chemieunterrichts<br />

angesehen (vgl. Born, Euler 1978; von Oy 1978; Werner 1978; Harbeck 1979).<br />

So schonungslos die Diagnose auch sein mag, neu sind ihre wesentlichen<br />

Einsichten nicht unbedingt. Jedoch sind die wenigen Erfahrungsberichte<br />

<strong>und</strong> empirischen Untersuchungen (siehe Nolte, Kremer 1983), die immer wieder<br />

auf die geringe qualifikatorische Wirksamkeit des Physikunterrichts<br />

<strong>und</strong> die fachspezifischen Denkstrukturen der naturwissenschaftlichen Lehrerstudenten<br />

<strong>und</strong> Gymnasiallehrer hingewiesen haben, in der fachdidaktischen<br />

Diskussion kaum beachtet worden. Es bedurfte daher, so scheint es,<br />

um Aufmerksamkeit zu erregen, erst der handelnden Schüler, die von ihrer<br />

Möglichkeit, den Schwerpunkt ihrer Ausbildung in der Oberstufe mitzubestimmen,<br />

Gebrauch gemacht haben. Jedoch fassen die meisten Naturwissenschaftsdidaktiker<br />

auch jetzt die Möglichkeit, bei der Lösung der aufgeworfenen<br />

Probleme die Schüler miteinzubeziehen, <strong>und</strong> "daß heißt vor allen<br />

Dingen auch die Schüler ernst zu nehmen, die den Sinn eines wissenschaftsorientierten<br />

Physikunterrichts ganz gr<strong>und</strong>sätzlich bezweifeln <strong>und</strong> ihm bestenfalls<br />

für 'Spezialisten' eine gewisse Handlungs- <strong>und</strong> Lebensrelevanz<br />

zuschreiben", nicht ins Auge (Brämer 1978, S. 43 <strong>und</strong> Speichert 1982;<br />

Wilhelmi 1982). Stattdessen beschreitet man vielfach traditionelle Wege,<br />

die sich jedoch als erfolglos erwiesen haben.<br />

1) Demgegenüber wurde Biologie von den Schülern wesentlich häufiger gewählt,<br />

<strong>und</strong> zwar von 40% als Gr<strong>und</strong>kurs <strong>und</strong> von 35% als Leistungskurs.<br />

Vgl. Willenbacher 1981, Weltner 1979. Die Vorliebe der Schüler für<br />

Biologie scheint überdies außerordentlich konstant zu sein. Schon in<br />

den 60er Jahren zeigte sich ein ähnliches Verhältnis, als man den<br />

Schülern infolge der Saarbrücker Rahmenvereinbarung für kurze Zeit eine<br />

Wahlmöglichkeit ließ. Vgl. Brenneke 1966, Hecht 1969. Ober das<br />

Wahlverhalten der Oberstufenschüler im Vergleich zu den gesamten Wahlpflichtfächern<br />

für die Schuljahre 1973 bis 1978 am Beispiel Rheinland­<br />

Pfalz siehe: Statistische Untersuchungen zur Mainzer Studienstufe<br />

1979.<br />

- 190 -


Auf bildungspolitisch-administrativer Ebene haben CDU-regierte Länder<br />

erste Schritte angekündigt. So nahm Baden-Württemberg bereits umfangreiche<br />

Korrekturen an der reformierten Oberstufe dahingehend vor, daß<br />

die Abiturienten künftig neben Deutsch, einer Fremdsprache, Mathematik<br />

<strong>und</strong> Geschichte auch eine Naturwissenschaft bis zum Abschluß des Gymnasiums<br />

als Pflichtfach behalten werden (Henckel 1981); <strong>und</strong> Niedersachsen<br />

änderte die Struktur der Oberstufe so, "daß künftig jeder Schüler im 11.<br />

Schuljahr wieder am <strong>Unterricht</strong> in mindestens 2 Naturwissenschaften teilnehmen<br />

muß, während bisher nur die Teilnahme an einer Naturwissenschaft<br />

vorgeschrieben war" (CDU/CSU-B<strong>und</strong>estagsfraktion 1981, S. 5).<br />

Wenngleich damit erreicht werden kann, daß wieder mehr Oberstufenschüler<br />

am Physik- <strong>und</strong>/oder Chemieunterricht teilnehmen, so wird die relative Unbeliebtheit<br />

(<strong>und</strong> Wirkungslosigkeit) dieser Fächer bei vielen Schülern damit<br />

auch nicht ansatzweise behoben, sondern (wie früher) lediglich verdeckt<br />

werden (vgl. H.-J. Becker 1978).<br />

Für die Mehrzahl der Naturwissenschaftsdidaktiker <strong>und</strong> -lehrer stellen<br />

sich die Veränderungsmäglichkeiten gemäß ihrem professione'llen Selbstverständnis<br />

zwar immer noch vornehmlich als fach immanente Probleme dar,<br />

aber innerhalb dieser Perspektive kommen doch neue Akzente zur Geltung.<br />

Obwohl auch ihre konservativen Vertreter, wie der Vorsitzende des Fördervereins<br />

Adolf Klein, eine Einschränkung der Wahlfreiheit befürworten<br />

(A. Klein 1982), sehen sie den Weg aus der Misere in einer erneuten umfassenden<br />

didaktisch-methodischen Reform des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s.<br />

Erstmals in der Geschichte des Vereins fordern sie, gleichsam<br />

in Umkehrung der Mängelliste,<br />

- einen "elementarisierten", weniger an der Fachsystematik ausgerichteten<br />

<strong>Unterricht</strong>,<br />

- Reduzierung des mathematischen Anspruchniveaus,<br />

- eine starke Berücksichtigung von Schülerexperimenten<br />

<strong>und</strong><br />

- einen Abbau der Anwendungsferne durch stärkere unterrichtliche Einbeziehung<br />

der Technik (ebenda)2).<br />

Diese Forderungen, mit denen der Förderverein erstmals die Wissenschaftsorientierung<br />

des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s wenn nicht in Frage<br />

- 191 -


Insbesondere in der kritischen Haltung der Schüler <strong>und</strong>.Jugendlichen gegenüber<br />

dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt <strong>und</strong> seinen Folgeproblemen,<br />

ausgelöst durch zunehmende Umweltverschmutzung, Bedrohung der Ges<strong>und</strong>heit<br />

durch unkontrollierte Schadstoffe, Bau von Kernkraftwerken, Rüstungswettlauf<br />

<strong>und</strong> nicht zuletzt durch eine verstärkte (Jugend-)Arbeitslosigkeit<br />

infolge von technischen Innovationen, sieht die Industrie eine<br />

ernsthafte Bedrohung der technologischen Leistungs- <strong>und</strong> Wettbewerbsfähigkeit<br />

der deutschen.Wirtschaft, die sich angesichts eines von ihr prognostizierten<br />

Mangels an qualifizierten Ingenieuren <strong>und</strong> Naturwissenschaftlern<br />

verschärfen werde (CDU/CSU-B<strong>und</strong>estagsfraktion 1981, S. 4). Die Ursache<br />

für die mangelnde "Technikakzeptanz" bei den Jugendlichen liegt<br />

für die Industrie <strong>und</strong> die Wissenschaft wie für die CDU/CSU "nachweislich"<br />

in der reformierten Oberstufe mit ihren Wahl- <strong>und</strong> Abwahlmäglichkeiten,<br />

die eine gr<strong>und</strong>legende naturwissenschaftliche (Aus-)Bildung nicht<br />

mehr gewährleiste (Beyde Sprachen 1981), eine Bildung, die für den Bürger<br />

"in der Industriegesellschaft <strong>und</strong> für sein Weltverständnis, für seine<br />

Diskussions- <strong>und</strong> Handlungskompetenz" als unverzichtbar erachtet wird (A.<br />

Klein 1981, s. 324).<br />

Sofern man es jedoch einstweilen für wahrscheinlich hält, daß der Pessimismus<br />

der Schüler <strong>und</strong> Jugendlichen, wo·er auftritt, in erheblichem Maße,<br />

wenn nicht gar in erster Linie durch reale Erfahrungen ausgelöst wird,<br />

<strong>und</strong> wenn man andererseits berücksichtigt, daß die Rolle von Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Technik in unserer Gesellschaft im naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong><br />

im allgemeinen äußerst einseitig aus der Sicht der betroffenen Wissenschaften<br />

- bisweilen fast in public relation Manier - dargestellt wird,<br />

während die Entwicklung kritischer, d.h. gesellschaftspolitischer Urteilsfähigkeit<br />

der Schüler (auch) in dieser Hinsicht eher verhindert als<br />

gefördert wird, dann verstärkt sich einmal mehr die Vermutung, daß das<br />

Interesse der Industrie am naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong> weniger einem<br />

realen Nachwuchsbedürfnis an Ingenieuren <strong>und</strong> Naturwissenschaftlern<br />

entspringt 4 ) als vielmehr ideologisch motiviert ist: Geht es diesen ge-<br />

4) Die Fragwürdigkeit des Nachwuchsmangels an Ingenieuren zeigte sich u.a.<br />

darin, daß im Juli 1981 bei der Nürnberger B<strong>und</strong>esanstalt "noch immer<br />

1.800 Ingenieure der angeblich verzweifelt suchenden Maschinenbaubranche<br />

<strong>und</strong> 1. 300 des Elektroberei chs vergebens auf Arbei t" warteten. Kaiser<br />

1981, S. 91.<br />

- 193 -


•<br />

sellschaftlichen Gruppen doch letztlich um die Aufrechterhaltung ihrer<br />

bislang so erfolgreichen Legitimationsideologeme.<br />

13.2 Technikunterricht: Notwendigkeit oder Ideologie?<br />

An diesen Ideologemen, die sich durch Umdefinition politischer in technische<br />

Probleme, die Verobjektivierung von Macht- zu Sachfragen sowie<br />

die Gleichsetzung von wissenschaftlich-technischem <strong>und</strong> gesellschaftlichem<br />

Fortschritt auszeichnen, beginnen in jüngster Zeit auch die Ingenieure<br />

verstärkt zu partizipieren, jene Berufsgruppe, die sich schon seit<br />

jeher als Träger des wissenschaftlich-technischen Fortschritts verstanden<br />

hat, jedoch immer im Schatten der Naturwissenschaftler stand. Insofern<br />

ist es kein Zufall, daß auch Ingenieure die legitimatorische Funktionsbestimmung<br />

des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s für ihre Interessen<br />

in Anspruch zu nehmen versuchen, ist doch der damit verb<strong>und</strong>ene<br />

Prestigezuwachs sowohl innerhalb der Schule als auch in der öffentlichkeit<br />

verlockend. Ihr Standesverband, der über 80.000 Mitglieder zählende<br />

VDI, der sich bereits seit Jahren um eine stärkere Berücksichtigung<br />

der Technik im naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong> bemüht hat, fordert<br />

nunmehr Technik als eigenständiges <strong>Unterricht</strong>sfach in allen Schul formen<br />

<strong>und</strong> Schul stufen (Technik als Schul fach 1981)5). Einer Legitimation bedarf<br />

der Technikunterricht nach Meinung der Technikdidaktiker <strong>und</strong> Ingenieure<br />

angesichts der "f<strong>und</strong>amentalen gesellschaftlichen <strong>und</strong> kulturellen<br />

Bedeutung" der Technik nicht mehr (Traebert (Hrsg) 1979, S. VIf).<br />

Das strittige Kernproblem, die Oberschneidung des Technikunterrichts<br />

mit dem Physikunterricht bzw. die Abgrenzung bei der Fächer, hat natur-<br />

5) Zurückgehend auf die Empfehlungen des Deutschen Ausschusses für das<br />

Erziehungs- <strong>und</strong> Bildungswesen aus dem Jahre 1964 wurde Technik Ende<br />

der 60er Jahre im Zusammenhang mit der Arbeitslehre <strong>Unterricht</strong>sfach<br />

zunächst an Haupt- <strong>und</strong> Gesamtschulen der meisten B<strong>und</strong>esländer. In<br />

der gymnasialen Oberstufe wurde Technik bislang nur versuchsweise<br />

an einigen Gymnasien in Nordrhein-Westfalen eingeführt.<br />

- 194 -


gemäß eine Phalanx betroffener Naturwissenschaftsdidaktiker <strong>und</strong> -lehrer<br />

auf den Plan gerufen, müssen sie doch befürchten, daß eine etwaige Etablierung<br />

des Technikunterrichts in den Schulen zu Lasten des naturwissenschaftlichen<br />

St<strong>und</strong>enanteils geht. Wenn auch Physikdidaktiker fordern,<br />

die Technik verstärkt in den Physikunterricht einzubeziehen, so dürfte<br />

dieses Postulat heute nicht nur dem Interesse entspringen, die Anwendungsferne<br />

des Physikunterrichts abzubauen, sondern auch darauf abzielen, den<br />

Einzug des Faches Technik in den Lehrplan des Gymnasiums zu verhindern.<br />

Ob djes den Naturwissenschaftsdidaktikern <strong>und</strong>demFörderverein gelingen<br />

wird, wird vermutlich nicht zuletzt davon abhängen, ob sie sich mit den<br />

Ingenieuren auf ein einheitliches Verständnis von naturwissenschaftlicher<br />

<strong>und</strong> ingenieurwissenschaftlicher Rationalität werden einigen können.<br />

Ihre (gemeinsame) ideologische Zulieferfunktion ist in der gegenwärtigen<br />

'Akzeptanzkrise' für die Industrie <strong>und</strong> weite Kreise der Naturwissenschaft<br />

sowie für starke Kräfte in den etablierten politischen Parteien umso unersetzbarer,<br />

da nur Naturwissenschaftler <strong>und</strong> Techniker über das Image der<br />

scheinbar objektiven, allein der 'Sache' verpflichteten 'Gewährsmänner'<br />

verfügen. Daß sie sich dieser Rolle bewußt sind <strong>und</strong> diese akzeptieren,<br />

dokumentiert ihr jüngster Aufruf "Rettet die mathematisch-naturwissenschaftliche<br />

Bildung!", mit dem sich der Förderverein zusammen mit der<br />

Deutschen Mathematikervereinigung, der Gesellschaft Deutscher Chemiker,<br />

der Deutschen Physikalischen Gesellschaft <strong>und</strong> dem Verband Deutscher Biologen<br />

an die öffentlichkeit gewandt hat, um Unterstützung für ihre Position<br />

zu erhalten (Rettet 'die math.-naturw. Bildung 1982).<br />

Um "dem Verfall der mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildung entgegenzutreten",<br />

fordern sie u.a. dazu auf, "daß die Naturwissenschaftler <strong>und</strong><br />

Techniker den Inhalt dieser Bildung der Bevölkerung in verstärktem Maße<br />

nahebringen <strong>und</strong> durchschaubarer als bisher darstellen" <strong>und</strong> "daß die Politiker<strong>und</strong><br />

Publizisten die öffentlichkeit immer wieder auf die humane Bedeutung<br />

<strong>und</strong> den kulturellen Rang dieser Bildung sowie auf ihre Rolle für<br />

unsere technisch-ökonomische Leistungsfähigkeit hinweisen" sollen (ebenda).<br />

Abgesehen von der fragwürdigen Konstatierung des "Verfalls der mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Bildung" (vgl. H. Becker 1981; Furck 1961;<br />

- 195 -


Nägerl 1982), drängen sich Fragen auf, deren Antworten der Aufruf schuldig<br />

bleibt: Worin besteht der "Inhalt dieser Bildung", angesichts der<br />

Krise, in die die Naturwissenschaften <strong>und</strong> Technik in zunehmenden Maße ins<br />

Bewußtsein einer kritischen öffentlichkeit <strong>und</strong> vieler Wissenschaftler geraten<br />

sind? Sollen es die vornehmlich fachimmanenten <strong>und</strong> von methodologischen<br />

Verkürzungen bestimmten traditionellen Inhalte mathematisch-naturwissenschaftlicher<br />

Bildung sein, die öffentlichkeitswirksam dargestellt<br />

werden sollen, oder soll es sich in der Hauptsache um eine effizientere<br />

methodische Vermittlung in diesem Rahmen handeln? Welche soziale Geltung<br />

haben "humane Bedeutung" <strong>und</strong> "kultureller Rang" dieser Bildung in der<br />

jetzigen Zeit, glaubt man "technisch-ökonomische Leistungsfähigkeit" noch<br />

unhinterfragt als Orientierungsgröße für diese Bildung nehmen zu können,<br />

ohne die ökonomisch-gesellschaftlichen <strong>und</strong> politischen Interessenten miteinzubeziehen,<br />

die sich der naturwissenschaftlich-technischen Forschung<br />

in Form technischer Geräte <strong>und</strong> Verfahren, Sozialtechnologien <strong>und</strong> handlungsleitender<br />

Deutungsmuster bedienen?<br />

Angesichts dieser offen bleibenden Fragen drängt sich die Vermutung auf,<br />

daß die den Aufruf unterzeichneten wissenschaftlichen Gesellschaften <strong>und</strong><br />

Verbände - möglicherweise ungewollt - die Rolle von Systemapologeten,<br />

von Propagandisten einer zunehmend unhaltbarer werdenden technokratischen<br />

Ideologie übernommen haben.<br />

Sofern sie nicht die Interessengeb<strong>und</strong>enheit von naturwissenschaftlichtechnischer<br />

Forschung im Bereich der Obersetzung von Naturwissenschaft<br />

<strong>und</strong> Technik in gesellschaftliche Produktionszusammenhängen oder bei individueller<br />

Nutzung wissenschaftlicher Erkenntisse <strong>und</strong> Verfahren aufhellen<br />

<strong>und</strong> ins Bewußtsein rufen, geraten sie bei vielen Schülern in die Gefahr,<br />

mit dieser Art unkritischer Wissenschafts- <strong>und</strong> Technikorientierung<br />

ihre Glaubwürdigkeit vollends zu verlieren (vgl. Speichert 1982; Wilhelmi<br />

1982). Angesichts solcher Probleme muß die pathetische Selbstsicherheit<br />

erstaunen, mit der der derzeitige Vorsitzende des Fördervereins eine<br />

Festveranstaltung im Jahre 1981 einleitete: "WIR LIEBEN UNSERE WISSEN­<br />

SCHAFT ... HEUTE, MORGEN UND OBERMORGEN STEHEN WIR ... VOR UNSERER GELIEB­<br />

TEN" (A. Klein 1981, S. 324).<br />

- 196 -


Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen<br />

AGDHS<br />

DAMNU<br />

DPG<br />

DVTWV<br />

Förderverein<br />

GDCP<br />

GDNÄ<br />

IPN<br />

KFP<br />

KMK<br />

MNU<br />

OECD<br />

OEEC<br />

SRV<br />

<strong>Unterricht</strong>sblätter<br />

VDCh<br />

VDI<br />

VDPG<br />

Arbeitsgemeinschaft Deutsche Höhere Schule<br />

Deutscher Ausschuß für den mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong><br />

Deutsche Physikalische Gesellschaft<br />

Deutscher Verband technisch-wissenschaftlicher Vereine<br />

Deutscher Verein zur Förderung des mathematischen <strong>und</strong><br />

naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s<br />

Gesellschaft für Didaktik der Chemie <strong>und</strong> Physik<br />

Gesellschaft Deutscher Naturforscher <strong>und</strong> Ärzte<br />

Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften<br />

Konferenz der Fachbereiche Physik<br />

Kultusministerkonferenz<br />

Der mathematische <strong>und</strong> naturwissenschaftliche <strong>Unterricht</strong><br />

Organization for Economic Cooperation and Development<br />

Organization of European Economic Cooperation<br />

Saarbrücker Rahmenvereinbarung<br />

<strong>Unterricht</strong>sblätter für Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften<br />

Verein Deutscher Chemiker<br />

Verein Deutscher Ingenieure<br />

Verband Deutscher Physikalischer Gesellschaften<br />

- 197 -


Literaturverzeichnis<br />

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Praxis des Gegenwartsunterrichts. Bie1efe1d/Leipzig 1916.<br />

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1958.<br />

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der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik. MNU 1978, S. 370.<br />

E. AURICH: Der Beruf des Diplom-Handelslehrers. Dissertation Hamburg 1967.<br />

AUS DER ARBEIT DER INFORMATIONSSTELLE: Physikalische Blätter, H. 10/1944,<br />

S. 163.<br />

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S. 29ff.<br />

AUSSTELLUNG "SCHULE UND KRIEG" im Zentral institut für Erziehung <strong>und</strong> <strong>Unterricht</strong>.<br />

<strong>Unterricht</strong>sblätter 1915, S. 17.<br />

S. BALKE: Grußwort an die 50. Hauptversammlung des Fördervereins. MNU<br />

1959/60, S. 97.<br />

DERS: Atomkerntechnik als Ergebnis naturwissenschaftlicher Forschung.<br />

MNU 1960/61, S. 97ff.<br />

E. BANSE: Wehrwissenschaft. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1933, S. 225ff.<br />

G. BAUMANN: Die klassische Bildung der deutschen Jugend vom pädagogischen<br />

<strong>und</strong> deutsch-nationalen Standpunkt aus. Berlin 1900.<br />

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DERS: Begrüßungsansprache auf der Festsitzung. MNU 1978, S. 257ff.<br />

B. BAVINK: Moderne Physik <strong>und</strong> Humanismus. Neue Jahrbücher für Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Jugendbildung 1930, S. 520ff.<br />

- 198 -


DERS.: Die Bedeutung der Naturwissenschaften in der heutigen Schule. <strong>Unterricht</strong>sblätter<br />

1933, S. 310ff.<br />

DERS.: Ober die Naturwissenschaften in der Schule. Physikalische Blätter,<br />

H. 1/1947, S. 11.<br />

U. BECK, M. BRATER, H.-J. DAHEIM: Soziologie der Arbeit <strong>und</strong> der Berufe.<br />

Reinbek 1980.<br />

H. BECKER: Zensuren als Lebenslüge <strong>und</strong> Notwendigkeit. Neue Sammlung 1981,<br />

S. 335ff.<br />

H.-J. BECKER: Chemie - ein unbeliebtes Schul fach. Ergebnisse <strong>und</strong> Motive<br />

der Fachbeliebtheit. MNU 1978, S. 455ff.<br />

BEITRÄGE ZUR OBERLEHRERFRAGE: I. Die geschichtliche Entwicklung des Lehramts<br />

an den höheren Schulen von Prof. Dr. K. Fricke; 11. Die soziale<br />

Lage der Oberlehrer von Privatdozent Dr. F. Eulenburg. Leipzig/<br />

Berlin 1903.<br />

J. BEN-DAVID: Akademische Berufe <strong>und</strong> Professionalisierung. Kölner Zeitschrift<br />

für Soziologie <strong>und</strong> Sozialpsychologie. Sonderheft 5. "Soziale<br />

Schichtung <strong>und</strong> Mobilität", 1961, S. 104ff.<br />

W. BENZ: Die modernen physikalischen Theorien in der Schule. MNU 1950/51,<br />

S. 333.<br />

R. BENZE (Hrsg): Deutsche Schulerziehung. Jahrbuch des Deutschen Zentralinstituts<br />

für Erziehung <strong>und</strong> <strong>Unterricht</strong> 1941/42. Berlin 1943.<br />

BERICHT über die Geschäftssitzung auf der Hauptversammlung in Wiesbaden.<br />

MNU 1950/51, S. 63.<br />

BERICHT über die Geschäftssitzung auf der Hauptversammlung in Hannover.<br />

MNU 1955/56, S. 92f.<br />

BERICHT über die Geschäftssitzung auf der Hauptversammlung in Düsseldorf.<br />

MNU 1960/61, S. 89.<br />

BERICHT über die Geschäftssitzung auf der Hauptversammlung in Frankfurt.<br />

MNU 1961/62, S. 85.<br />

BERICHT OBER DIE 8. HAUPTVERSAMMLUNG. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1899, S. 57ff.<br />

BERICHT OBER DIE 10. HAUPTVERSAMMLUNG .. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1901, S. 53ff.<br />

BERICHT OBER DIE 11. HAUPTVERSAMMLUNG. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1902, S. 64ff.<br />

BERICHT OBER DIE 20. HAUTPVERSAMMLUNG. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1911, S. 86ff.<br />

BERICHT OBER DIE 39. HAUPTVERSAMMLUNG. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1937, S. 97ff.<br />

BERICHT OBER DIE 73. HAUPTVERSAMMLUNG. MNU 1982, S. 298ff.<br />

- 199 -


BEURTEILUNG' der "Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung<br />

Physik", KMK 1975, durch die Hochschullehrer. Ergebnisse einer Umfrage<br />

der Konferenz der Fachbereiche Physik, Juli 1976. Von W. Westphal<br />

<strong>und</strong> L. Landwehr im Auftrag von <strong>und</strong> in Zusammenarbeit mit der Konferenz<br />

der Fachbereiche Physik durchgeführt.<br />

BEYDE SPRACHEN. Spiegel Nr. 38, 1981, S. 63ff.<br />

E. BINDER: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des chemischen <strong>Unterricht</strong>s<br />

an deutschen Mittelschulen. Leipzig/Berlin 1904.<br />

F. BLÄTTNER: Das Gymnasium. Heidelberg 1960.<br />

P. BODE: Die Reform des mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s<br />

an höheren Schulen in der Gegenwart. Dissertation Leipzig<br />

1911.<br />

DERS.: Der Verein zur Förderung des mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s in den ersten fünf<strong>und</strong>zwanzig Jahren seines Bestehens<br />

(Ein Rückblick). <strong>Unterricht</strong>sblätter 1916, Teil A, B, S. 61ff;<br />

Teil C, D, E, S. 85ff.<br />

W. BöHM: Kulturpolitik <strong>und</strong> Pädagogik Paul Oestreichs. Bad Heilbrunn<br />

1975.<br />

H. BöHME: Prolegomena zu einer Sozial- <strong>und</strong> Wirtschaftsgeschichte Deutschlands<br />

im 19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>ert. Frankfurt/M. 1968.<br />

R. BöLLING: Zur Entwicklung <strong>und</strong> Typologie der Lehrerorganisationen in<br />

Deutschland. In: M. Heinemann (Hrsg) 1977, S. 23ff.<br />

K.E. BORN: Von der Reichsgründung bis zum 1. Weltkrieg. In: B. Gebhardt:<br />

Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 3, 8. Auflage, herausgegeben<br />

von H. Gr<strong>und</strong>mann. Stuttgart 1960, S. 194ff.<br />

G. BORN, M. EULER: Der Physiklehrer in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland.<br />

Bonn, September 1977, herausgegeben von der Deutschen Physikalischen<br />

Gesellschaft.<br />

DIES.: Physik in der Schule. Bild der Wissenschaft, H. 2/1978, S.74ff.<br />

P. BORSCHEID: Die Chemie Süddeutschlands im Spannungsfeld von Wissenschaft,<br />

Technik <strong>und</strong> Staat, 1850-1914. In: P. L<strong>und</strong>green (Hrsg) 1976,<br />

S. 239ff.<br />

R. BRÄMER: Wieviel Naturwissenschaft braucht hier der Mensch? päd. extra,<br />

H. 4/1978, S.42ff.<br />

DERS.: Wie die Fachdidaktik die Allgemeinbildung kolonialisiert. päd. extra,<br />

H. 7/8 1978, S. 77ff.<br />

DERS. (HRSG): Naturwissenschaft im NS-Staat. Marburg 1983.<br />

R. BRÄMER, A. KREMER: Der unaufhaltsame Aufstieg des naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s. Soznat, H. 2/1980 (a), S.3ff (Teil I) <strong>und</strong> Soznat,<br />

H. 4/1980 (a), S. 6ff (Teil II).<br />

- 200 -


DERS.: Aspekte der Schulpolitik der katholischen Lehrerverbände in der<br />

Weimarer Republik. In: M. Heinemann (Hrsg) 1977, S. 151ff.<br />

A. CDMBE: Krisen im Lehrerberuf. Eine strukturtheoretisch-sozialgeschichtliche<br />

Deutung von aktuellen Handlungsproblemen. Bensheim 1979.<br />

H.-J. DAHEIM: Die Rolle von Interessengruppen <strong>und</strong> Berufsfachverbänden<br />

bei Reformen im Bildungssystem. In: K. Frey, K. Blänsdorf (Hrsg):<br />

Integriertes Curriculum Naturwissenschaft der Sek. I. Projekte <strong>und</strong><br />

Innovationsstrategien. Bericht über das 5. IPN-Symposium. Weinheim/<br />

Basel 1974, S. 403ff.<br />

F. DANNEMANN: Der naturwissenschaftliche <strong>Unterricht</strong> auf praktisch-heuristischer<br />

Gr<strong>und</strong>lage. Hannover/Leipzig 1907.<br />

DAS RHEINISCH-WESTFÄLISCHE INDUSTRIEGEBIET zur Schulreform. <strong>Unterricht</strong>sblätter<br />

1924, S. 91f.<br />

DENKSCHRIFT der Technischen Hochschulen. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1924, S. 89f.<br />

DENKSCHRIFT über die gr<strong>und</strong>ständige deutsche Oberschule <strong>und</strong> die Aufbauschule<br />

vom 18. Februar 1922, herausgegeben vom preußischen Minister<br />

für Wissenschaft, Kunst <strong>und</strong> Volksbildung. Zentralblatt für die gesamte<br />

<strong>Unterricht</strong>s-Verwaltung in Preußen. Berlin 64, 1922, H. 6, Sonderbeilage.<br />

DER MATHEMATISCHE UND NATURWISSENSCHAFTLICHE UNTERRICHT (MNU) 1948-1982.<br />

DER PHYSIKUNTERRICHT in den Ländern der OEEC. MNU 1959/60, S. 426.<br />

J. DERBOLAV: Der Bildungsauftrag des Gymnasiums <strong>und</strong> die pädagogische Ausbildung<br />

der Lehrer an Höheren Schulen. Zeitschrift für Pädagogik<br />

1959, S. 146ff.<br />

DEUTSCHE WISSENSCHAFT UND VOLKSBILDUNG. Amtsblatt des Reichsministeriums<br />

für Wissenschaft, Erziehung <strong>und</strong> Volksbildung <strong>und</strong> der <strong>Unterricht</strong>sverwaltungen<br />

der Länder. 1. Jg. 1935, 2. Jg. 1936.<br />

DEUTSCHER BILDUNGSRAT: Strukturplan für das Bildungswesen. Stuttgart 1971.<br />

DEUTSCHER VERBAND technisch-wissenschaftlicher Vereine: Gründungsaufruf.<br />

<strong>Unterricht</strong>sblätter 1916, S. 80.<br />

DIE 26. HAUPTVERSAMMLUNG vom 12. bis 14.4.1924 in Heidelberg. <strong>Unterricht</strong>sblätter<br />

1924, S. 27ff.<br />

DIE JUBILÄUMSTAGUNG in Bonn. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1922, S. 26ff.<br />

DIE SAARBROCKER RAHMENVEREINBARUNG. Eine erste Stellungnahme. MNU 1960,<br />

S. 289ff.<br />

L. DOERMER: Die Neuordnung des preußischen höheren Schulwesens von 1924.<br />

Physikalische Blätter, H. 12/1944, S.205ff.<br />

- 202 -


C. DORNER, W. HAMECKER: Vom deutschen Anteil an der physikalischen Forschung,<br />

Bd. 1 (Begründer <strong>und</strong> Führer der klassischen Physik). 0.0.<br />

1932.<br />

R. EILERS: Die nationalsozialistische Schulpolitik. Eine Studie zur Funktion<br />

der Erziehung im totalitären Staat. Köln/Opladen 1963.<br />

EINE AUSSPRACHE. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1921, S. 18f.<br />

EINE KUNDGEBUNG zur Schulreform. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1917, S. 63.<br />

EINSPRUCH von Fachmännern der Universität <strong>und</strong> der höheren Schulen Mün-<br />

,sters. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1924, S. 45.<br />

EMPFEHLUNGEN der Deutschen Physikalischen Gesellschaft zur Neustrukturierung<br />

des Physikstudiums. Physikalische Blätter, H. 10/1972 (Teil<br />

I) <strong>und</strong> Physikalische Blätter, H.ll/1972, S. 503ff (Teil II).<br />

EMPFEHLUNGEN der Konferenz der Fachbereiche Physik zur Struktur des Physikstudiums.<br />

Deutsche Universitätszeitung, H. 12/1978, S.376.<br />

EMPFEHLUNGEN zum Physikunterricht an den Schulen des Sek<strong>und</strong>arbereichs,<br />

vorgelegt von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, dem Förderverein<br />

<strong>und</strong> der Konferenz der Fachbereiche Physik. Beilage in<br />

MNU, H. 6/1980.<br />

S. ENDLICH U.A.: Sozio-ökonomische Analyse des allgemeinbildenden Schulwesens<br />

in der BRD, Berlin 1973.<br />

E. ENGEL: Beiträge zur Geschichte der Statistik des <strong>Unterricht</strong>s, insbesondere<br />

des Volksschulunterrichts im Preußischen Staate. Zeitschrift<br />

des königlichen Preußischen Statistischen Bureaus, Bd. 9, 1869.<br />

ENTSCHLIESSUNG der Deutschen Physikalischen Gesellschaft vom 16.1.1967.<br />

"Physikunterricht in den Unterstufen der Gymnasien". Physikalische<br />

Blätter, H. 4/1967, S. 182.<br />

ENTSCHLIESSUNG der geschäftsführenden Kommission des Deutschen Ausschusses<br />

für den mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong><br />

vom 6. Juli 1919 in Göttingen. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1919, S. 50f.<br />

ENTSCHLIESSUNG der Gesellschaft Deutscher Naturforscher <strong>und</strong> Ärzte vom<br />

21. 9.1952. "Lei tsätze zur Gestaltung des Unterri chts an den höheren<br />

Schulen". Die Naturwissenschaften 1952, S. 543f.<br />

ENTSCHLIESSUNG des Fördervereins auf der Hauptversammlung 1949 in Göttingen.<br />

MNU 1949, S. 97.<br />

ENTSCHLIESSUNG des Fördervereins auf der Hauptversammlung 1952 in Tübingen.<br />

MNU 1952/53, S. 127.<br />

ENTSCHLIESSUNG des Fördervereins auf der Hauptversammlung 1953 in Münster.<br />

MNU 1953/54, S. 92.<br />

- 203 -


ENTSCHLIESSUNG. Fördervereinstagung in Wiesbaden. MNU 1950/51, S. 58ff.<br />

ENTSCHLIESSUNG des Verbandes Deutscher Physikalischer Gesellschaften zum<br />

Physikunterricht an den Höheren Schulen. MNU 1951/52, S. 189ff.<br />

ENTSCHLIESSUNG des Vorstandes des Fördervereins vom 7. Juli 1919. <strong>Unterricht</strong>sblätter<br />

1919, S. 51f.<br />

ERKLÄRUNG zur Frage der Schulreform der Mathematischen Gesellschaft in<br />

Hamburg. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1924, S. 90f.<br />

ERZIEHUNG UND UNTERRICHT in der Höheren Schule. Amtliche Ausgabe des<br />

Reichs- <strong>und</strong> preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Erziehung<br />

<strong>und</strong> Volksbildung. Ber1in 1938.<br />

A. ETZIONI (HRSG): The Semi-Professions and their Organization. New York<br />

1969.<br />

F. EULENBURG: Die Frequenz der Deutschen Universitäten. Von ihrer Gründung<br />

bis zur Gegenwart. Leipzig 1904.<br />

K. FISCHER: Geschichte des Deutschen Volksschullehrerstandes. 2. Bde.<br />

Hannover 1892 (unveränderter Nachdruck Leipzig 1969).<br />

A. FLITNER (HRSG): Der Numerus C1ausus <strong>und</strong> seine Folgen. Stuttgart 1976.<br />

FURDERVEREIN: Stellungnahme zu den "Einheitlichen Prüfungsanforderungen<br />

in der Abiturprüfung" der Fächer Mathematik, Physik, Chemie, Biologie.<br />

Beilage in MNU, H. 5/1976.<br />

DERS.: Stellungnahmen zu den "Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der<br />

Abiturprüfung" der Fächer Mathematik, Physik, Chemie, Biologie. Beilage<br />

in MNU, H. 1/1977.<br />

FORDERVEREINSTAGUNG in Wiesbaden. MNU 1950/51, S. 58ff.<br />

FORDERVEREINSTAGUNG in Marburg 1955. MNU 1955/56, S.85ff.<br />

FORDERVEREINSVORSITZENDER Mutsche11er auf der Hauptversammlung des Fördervereins<br />

1958 in Düsseldorf. 49. Hauptversammlung des Fördervereins.<br />

MNU 1958/59, S.85ff.<br />

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1978, S. 50ff.<br />

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L. FROESE (HRSG): Bildungspolitik <strong>und</strong> Bildungsreform. München 1969.<br />

C.L. FURCK: Das pädagogische Problem der Leistung in der Schule. Weinheim<br />

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Berlin 1967.<br />

H.-J. GAMM: Führung <strong>und</strong> Verführung. Pädagogik des Nationalsozialismus.<br />

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H.GERTH: Die sozialgeschichtliche L.age der bürgerlichen Intelligenz um<br />

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GESELLSCHAFT für Didaktik der Chemie <strong>und</strong> Physik (GDCP): Entschließung zu<br />

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1in /Frankfurt a.M. 1961.<br />

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Jahrh<strong>und</strong>erts. Leipzig 1920.<br />

W. GöTTEL: Neue Aufgabengebiete des Physik- <strong>und</strong> Chemieunterrichts im Spiegel<br />

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Interessen. Der Beitrag der Berufsschule zur politischen Erziehung<br />

der Unterschichten. Hannover 1975.<br />

R. GROSSE: Beiträge zur Geschichte des Oberlehrerstandes 1810-1910. Leipzig/Dresden<br />

1910.<br />

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(DDR) 1973.<br />

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<strong>und</strong> naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong> in den Jahren 1908-1913.<br />

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in der Weimarer Republik. Eine Untersuchung zur Sozialgeschichte<br />

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29. HAUPTVERSAMMLUNG des Fördervereins. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1927, S. 129ff.<br />

37. HAUPTVERSAMMLUNG des Fördervereins. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1935, S. 146ff.<br />

49. HAUPTVERSAMMLUNG des Fördervereins. MNU 1958/59, S. 85ff.<br />

K. HECHT: Welche naturwissenschaftlichen Wahlpflichtfächer wählen die<br />

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DERS.: Der Lehrermangel in der Mathematik <strong>und</strong> den Naturwissenschaften.<br />

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DERS.: Naturwissenschaft <strong>und</strong> Bildungsreform. Mathematische <strong>und</strong> pyhsikalische<br />

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R. HEIDENREICH: Zur Auseinandersetzung um die Stufenlehrerausbildung in<br />

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A. HERMANN: Wie die Wissenschaft ihre Unschuld verlor. Macht <strong>und</strong> Mißbrauch<br />

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U. HINZ: Die Geburt des Gymnasiums aus dem Geist der Bürokratie. Zur Diskussion<br />

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J. HIRSCH: Wissenschaftlich-technischer Fortschritt <strong>und</strong> politisches System.<br />

2. ergänzte Aufl. Frankfurt/M. 1971.<br />

J. HIRSCH, ST. LEIBFRIED: Materialien zur Wissenschafts- <strong>und</strong> Bildungspolitik.<br />

1. Aufl. Frankfurt/M. 1971.<br />

O. HöFLING: Vorschläge zu einem Lehrplan für den <strong>Unterricht</strong> in Physik an<br />

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DERS.: Rückblick <strong>und</strong> Ausblick. MNU 1958/59 (a), S. 11ff.<br />

DERS.: OEEC-Tagung zur Förderung des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s.<br />

MNU 1958/59 (b), S. 230f.<br />

DERS.: Kernphysik an Gymnasien. MNU 1958/59 (c), S. 425.<br />

DERS.: Kernphysik <strong>und</strong> Kernchemie im <strong>Unterricht</strong>. MNU 1958/59 (d), S. 433f.<br />

DERS.: Deutscher B<strong>und</strong>estag <strong>und</strong> Physikunterricht. MNU 1960/61, S.91ff.<br />

V. HOFFMANN: Lehrer <strong>und</strong> Gewerkschaft. Die preußische Junglehrerbewegung<br />

in den ersten Jahren der Weimarer Republik. In: M. Heinemann (Hrsg):<br />

Sozialisation <strong>und</strong> Bildungswesen in der Weimarer Republik. Veröffentlichungen<br />

der Historischen Kommission der Deutschen Gesellschaft für<br />

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In: M. Heinemann (Hrsg) 1977, S. 177ff.<br />

G. HOHENDORF: Der Deutsche Republikanische Lehrerb<strong>und</strong>. Aus der Geschichte<br />

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G. HORTLEDER: Das Gesellschaftsbild des Ingenieurs. Zum politischen Verhalten<br />

der technischen Intelligenz in Deutschland. 3. Aufl. Frankfurt/Mo<br />

1974.<br />

K. HOFNER: Leere Kassen für die Bildung? Eine Dokumentation zur internationalen<br />

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30ff.<br />

K. HOFNER, J. NAUMANN: Konjunkturen der Bildungspolitik in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland, Bd. I: Der Aufschwung (1960-1967). Stuttgart<br />

1977.<br />

J. HOMPEL: Arbeitstagung zur Atomphysik in Hamburg. MNU 1958/59, S. 183ff.<br />

E. HUNGER: Bildungsaufgaben des physikalischen <strong>Unterricht</strong>s. 2. Aufl.<br />

Braunschweig 1966.<br />

E.-U. HUSTER, H. SCHWEIGER: Die 'vergessene' Einheitsschule. Schulpolitik<br />

in Hessen zwischen Neuordnung <strong>und</strong> Restauration 1945-1951. Die Deutsche<br />

Schule 1979, S. 740ff.<br />

H. INHETVEEN: Die Reform des gymnasialen Mathematikunterrichts zwischen<br />

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J. KAISER: Kalkül für die Katz. Stern Nr. 32, 1981, S.90f.<br />

GENERALLEUTNANT KARLEWSKI: Die Luftwaffe <strong>und</strong> die Naturwissenschaften. <strong>Unterricht</strong>sblätter<br />

1938, S. 1ff.<br />

O. KARSTÄDT: Aufbauschule <strong>und</strong> Deutsche Oberschule. Osterwieck 1920.<br />

R. KECKSTEIN: Die Geschichte des biologischen Schulunterrichts in Deutschland.<br />

Bad Salzdetfurth 1981.<br />

E. KEHR: Schlachtflottenbau <strong>und</strong> Parteipolitik 1894-1901. Historische Studien,<br />

H. 197. Berlin 1930.<br />

H. KELLER: Krieg <strong>und</strong> Schule. Zeitschrift für angewandte Psychologie, H.<br />

12/1917, S. 108ff.<br />

G. KELLERMANN: Lehrerbildung. Reform der Reformen. Weiter oder Zurück?<br />

Deutsche Universitätszeitung, H. 14/1978, S.429ff.<br />

G. KERSCHENSTEINER: Wesen <strong>und</strong> Wert des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s.<br />

Leipzig/Berlin 1914.<br />

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DERS.: Die Bildungswerte der Volksschule. Die Volksschule 1919, S. 14ff.<br />

DERS.: Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften als Bildungsfächer. Neue Jahrbücher<br />

für Wissenschaft <strong>und</strong> Jugendbildung 1930, S. 335ff.<br />

R. KERSCHER: Die Stiftung Volkswagenwerk. Bonn 1972.<br />

B. KERST: Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften im deutschen Erziehungswesen.<br />

<strong>Unterricht</strong>sblätter 1933 (a), S. 145f.<br />

DERS.: Mathematik <strong>und</strong> Wehrwissenschaft. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1933 (b), S.<br />

226ff.<br />

L. KERSTIENS: Die Schule in den Reformplänen der Nachkriegszeit. Zeitschrift<br />

für Pädagogik 1965, S. 538ff.<br />

W. KLAFKI: Restaurative Schulpolitik 1945-1950 in Westdeutschland: Das<br />

Beispiel Bayern. In: Ders.: Aspekte kritisch-konstruktiver Erziehungswissenschaft.<br />

Weinheim 1976, S. 253ff.<br />

O. KLAUSING: Biologie in der Bildungsreform. Weinheim/Berlin/Basel 1968.<br />

A. KLEIN: Begrüßungsansprache auf der Festsitzung. MNU 1981, S. 321ff.<br />

DERS.: Begrüßungsansprache auf der Festsitzung. MNU 1982, S. 257ff.<br />

DERS.: Forderungen zur Verbesserung des mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s. MNU, H. 3/1982, o.S.<br />

F. KLEIN: Vorträge über den mathematischen <strong>Unterricht</strong>. Leipzig 1907.<br />

KLEINE MITTEILUNGEN. Ferienkurse in Jena. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1895, S.<br />

31f.<br />

W. KLIEFOTH: Keine Anekdoten - Prüfungsanworten! Physikalische Blätter,<br />

H. 12/1944, S. 222ff.<br />

GEH. REG. RAT PROF. DR. DR. ING. E.H. KLINGENBERG: Begrüßungsansprache<br />

auf der Hauptversammlung des Vereins Deutscher Ingenieure im Juni<br />

1924. Das höhere Schulwesen 1924, S. 16f.<br />

P. KOCH, GEH. ADMIRALSRAT PROF. H. BORK: Deutsches Flottenlesebuch für<br />

höhere <strong>und</strong> mittlere Lehranstalten Leipzig 1901.,<br />

D.C. KOCHAN (HRSG): Allgemeine Didaktik - Fachdidaktik - Fachwissenschaft.<br />

Darmstadt 1970.<br />

G. KöNIG: Bericht über die Arbeit des Lehrplanausschusses für Physik. MNU<br />

1951/52, S. 62.<br />

K. KöRNER: Zur Schulreform. Die Schulreform <strong>und</strong> die mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Fächer. Wo <strong>und</strong> wie wir stehen. <strong>Unterricht</strong>sblätter<br />

1922, S. 13ff.<br />

M. KOLBE: Erziehungsintentionen <strong>und</strong> Lehrerverhalten. Frankfurter Beiträge<br />

zur Lehrerausbildung. Frankfurt/M. 1975.<br />

- 209 -


DERS.: Der Deutsche Verein zur Förderung des mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s e.V. 1891-1938. Frankfurt/M. 1938.<br />

K.-H. LUDWIG: Technik <strong>und</strong> Ingenieure im Dritten Reich. Königstein/Ts.<br />

1979.<br />

H. LODTKE (Hrsg): Erzieher ohne Status? Heidelberg 1973.<br />

P. LUNDGREEN: Techniker in Preußen während der frühen Industrialisierung.<br />

Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin. Bd.<br />

16. Berlin 1975.<br />

DERS. (HRSG): Zum Verhältnis von Wissenschaft <strong>und</strong> Technik.Erkenntnisziele<br />

<strong>und</strong> Erzeugungsregeln akademischen <strong>und</strong> technischen Wissens. Reihe<br />

Report Wissenschaftsforschung 7, Universität Bielefeld. Bielefeld<br />

1976.<br />

DERS.: Sozialgeschichte der deutschen Schule im Oberblick, Teil I: 1770-<br />

1918, Teil 11: 1918-1980. Göttingen 1980.<br />

K.-H. MANEGOLD: Die Akademisierung der Technik. Bildung <strong>und</strong> Ausbildung<br />

des Ingenieurs im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert. In: P. L<strong>und</strong>green (Hrsg): Zum<br />

Verhältnis von Wissenschaft <strong>und</strong> Technik. Erkenntisziele <strong>und</strong> Erzeugungsregeln<br />

akademischen <strong>und</strong> technischen Wissens. Reihe Report Wissensehaftsforschung<br />

7, Universität Bielefeld. Bielefeld 1976, S.<br />

96ff.<br />

MASSNAHMEN UND RICHTLINIEN für den mathematisch-naturwissenschaftl ichen<br />

<strong>Unterricht</strong>. OEEC-Seminar in BrUsse1, 27.4. bis 4.5.1960. MNU 1960/<br />

61, S. 136ff.<br />

MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT der Universität Göttingen.<br />

<strong>Unterricht</strong>sblätter 1924, S. 88f.<br />

MEHR NATURWISSENSCHAFT. Bildung <strong>und</strong> Politik, H. 6/1970, S. 185ff.<br />

G. MEINECKE: Leistungsstand der Abiturienten in Physik <strong>und</strong> Mathematik.<br />

Leserbrief in: Physikalische Blätter, H. 4/1980, S. 112.<br />

P. MELLMANNM: Geschichte des Deutschen Philologen-Verbandes (Vereinsverband<br />

akademisch gebildeter Lehrer Deutschlands) bis zum Weltkrieg.<br />

Leipzig 1929.<br />

K. METZNER (HRSG): Luftfahrt - Luftschutz <strong>und</strong> ihre Behandlung im <strong>Unterricht</strong>.<br />

Ein Handbuch für Lehrende. Leipzig 1937.<br />

H. MICHALSKY: Bildungspolitik <strong>und</strong> Bildungsreform in Preußen. Weinheim/<br />

Basel 1978.<br />

B. MICHAEL: Die Professionalisierung des Lehrers. Bemerkungen zu Myron<br />

Liebermanns Buch "Education a Profession". Soziale Welt, H. 12/<br />

1961, S. 30ff.<br />

B. MICHAEL, H.-H. SCHEPP (HRSG): Politik <strong>und</strong> Schule von der Französischen 1<br />

Revolution bis zur Gegenwart. 2. Bde. Frankfurt/M. 1973/74.<br />

- 212 -


I. NEUNER: Der B<strong>und</strong> entschi edener Schul reformer 1919-1933. Bad Heilbrunn<br />

1980.<br />

R. NITSCHE, W. KRöBER: Gr<strong>und</strong>buch zur bürgerlichen Gesellschaft, Bd. I,<br />

2. Aufl. Darmstadt/Neuwied 1979.<br />

G. NOLTE, A. KREMER: Auswahlbibliographie zum Thema "Empirie des naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s". Soznat, H. 1/2 1983, S. 75ff.<br />

"NORMENBUCH PHYSIK" neu aufgelegt. Physikalische Blätter, H. 11/1979,<br />

S. 532.<br />

J. NORRENBERG: Geschichte des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s an den<br />

Höheren Schulen Deutschlands. Leipzig/Berlin 1904.<br />

DERS.: Die deutsche höhere Schule nach dem Weltkrieg. Leipzig/Berlin 1916.<br />

NORNBERGER LEHRPLANE. MNU 1965/66, S. Iff.<br />

NORNBERGER LEHRPLÄNE. Kritiken <strong>und</strong> Erwiderung. MNU 1965/66, S. 433ff.<br />

E. NYSSEN: Schule im Nationalsozialismus., Heidelberg 1979.<br />

K. VON OY: Aufgabe <strong>und</strong> Bedeutung der Physik als Schul fach. MNU 1978,<br />

S. 1ff.<br />

F. PAHL: Geschichte des naturwissenschaftlichen <strong>und</strong> mathematischen <strong>Unterricht</strong>s.<br />

Leipzig 1913.<br />

FR. PAULSEN: Ober die gegenwärtige Lage des höheren Schulwesens in Preußen.<br />

Berlin 1893.<br />

DERS.: Die höheren Schulen <strong>und</strong> das Universitätsstudium im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />

Braunschweig 1901.<br />

DERS.: Geschichte des gelehrten <strong>Unterricht</strong>s, Bd. 2, 3. erweiterte Aufl.<br />

Berlin/Leipzig 1921.<br />

DERS.: Der höhere Lehrerstand <strong>und</strong> seine Stellung in der gelehrten Welt.<br />

In: E. Spranger (Hrsg): Friedrich Paulsen. Gesammelte pädagogische<br />

Abhandlungen. Stuttgart/Berlin 1912, S. 281ff.<br />

F.-K. PENNO: Wie es begann ... <strong>Naturwissenschaftlicher</strong> <strong>Unterricht</strong> im Interessenfeld<br />

der Kernindustrie. Soznat, H. 6/1980, S. 3ff.<br />

W. PETZOLD, K. SCHARF: Versuche zum Luftschutz. Leipzig 1935.<br />

F. R. PFETSCH: Zur Entwicklung der Wissenschaftspoltik in Deutschland<br />

1750-1914. Berlin 1974.<br />

PHYSIKALISCHE SAMMLUNGEN der höheren Schulen. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1897,<br />

S. 75.<br />

PHYSIKALISCHE BLATTER, H. 12/1944.<br />

- 214 -


P.H. PIAZALO: Numerus clausus <strong>und</strong> Hochschulzugang. Philologenverband<br />

Nordrhein-Westfalen: Abitur <strong>und</strong> Hochschulzugang. Bottrop 1975, S. 59.<br />

FR. PIETZKER: Entwurf eines Normalverzeichnisses für die Physikalischen<br />

Sammlungen der höheren Lehranstalten. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1896, S.<br />

24ff.<br />

DERS.: Die neue Prüfungsordnung für das Lehramt. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1899,<br />

S. 10ff.<br />

DERS.: Die Stellung der Fachkreise zu den Vorschlägen der von der Naturforscher-Gesellschaft<br />

eingesetzten <strong>Unterricht</strong>skommission. <strong>Unterricht</strong>sblätter<br />

1906, S. 79ff.<br />

D. POHLMANN: Hermann Athen zum 70. Geburtstag. MNU 1981, S. 243f.<br />

F. POLLOCK: Automation. 2. Aufl. Frankfurt/M. 1964.<br />

U. PONGS: Bildungspolitischer Kotau vor dem Konservatismus. Demokratische<br />

Erziehung, H. 3/1980, S. 250ff.<br />

FR. POSKE: "Nachwort" zu der Entschließung des DAMNU vom 6.7.1919 <strong>und</strong><br />

des Fördervereins vom 7.7.1919. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1919 (al, S. 52.<br />

DERS.: Die Naturwissenschaften in der neuen Erziehung. Die Neue Erziehung,<br />

H. 12/13 1919 (bl, S. 401ff.<br />

DERS.: Zur Schulreform. Eine Aussprache über den mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1921, S. 18f.<br />

U.K. PREUSS: Bildung <strong>und</strong> Bürokratie. Sozialhistorische Bedingungen in<br />

der 1. Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts. In: Der Staat. Zeitschrift für<br />

Staatslehre, öffentl. Recht <strong>und</strong> Verfassungsgeschichte Bd. 14/1975,<br />

S. 37lff.<br />

J. RADKAU: Kernenergie-Entwicklung in der B<strong>und</strong>esrepublik. Ein Lernprozeß?<br />

Geschichte <strong>und</strong> Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaften<br />

H. 2/1978 "Technik <strong>und</strong> Gesellschaft im 19. <strong>und</strong><br />

20. Jahrh<strong>und</strong>ert", S. 195ff.<br />

C. RAMSAUER: Physik - Technik - Pädagogik. Karlsruhe 1949.<br />

B. RASSOW: Geschichte des "Vereins Deutscher Chemiker" in den ersten<br />

25 Jahren seines Bestehens. Leipzig 1912. .<br />

A. REBLE (HRSGl: Zur Geschichte der Höheren Schule, Bd. 11. Bad Heilbrunn<br />

1975.<br />

REFORMVORSCHLAGE für den mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>.<br />

Entworfen von der <strong>Unterricht</strong>skommission der GDNA, nebst<br />

einem allgemeinen Bericht über die bisherige Tätigkeit der Kommission<br />

von A. Gutzmer. Leipzig/Berlin 1905. Sonderdruck aus der Zeitschrift<br />

für mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>,<br />

H. 7/1905.<br />

- 215 -


H. SCHMITT: Entstehung <strong>und</strong> Wandlungen der Zielsetzungen, der Struktur<br />

<strong>und</strong> der Wirkungen der Berufsverbände. Berlin 1966.<br />

B. SCMOLDT: Zur Theorie <strong>und</strong> Praxis des Gymnasialunterrichts (1900-1930).<br />

Weinheim/Basel 1980.<br />

W. SCHNELL: Biologieunterricht im "Dritten Reich". Soznat, H. 2/1981,<br />

S. 22ff.<br />

J. SCHNIPPENKOTTER, TH. WEYRES: Physik der Luftfahrt. Berlin 1937.<br />

W. SCHOLER: Geschichte des naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>s. Berlin 1970.<br />

H. SCHOTTEN: Wissenschaft <strong>und</strong> Schule. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1900, S. 37ff<br />

(Teil 1) <strong>und</strong> S. 61ff (Teil 2).<br />

DERS.: Bericht über die Breslauer Versammlung der Naturforscher-Gesellschaft<br />

1904. Zeitschrift für mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong> 1905, S. 136.<br />

H. SCHRODER, O. BRANDT: Vereinheitlichung der physikalischen Obungssammlungen<br />

<strong>und</strong> Gestaltung der Schülerübungen. Deutsche Wissenschaft, Erziehung<br />

<strong>und</strong> Volksbildung, 5. Jg. 1939, S. 235 (nichtamtlicher Teil).<br />

E. SCHUBERTH: Die Modernisierung des mathematischen <strong>Unterricht</strong>s. Stuttgart<br />

1971.<br />

K. SCHOTT: Die chemischen <strong>und</strong> physikalischen Gr<strong>und</strong>lagen des Luftschutzes<br />

in der Schule. 0.0. 1934.<br />

DERS.: Gr<strong>und</strong>riß der Luftfahrt - Flugzeug <strong>und</strong> Luftschiff. 0.0. 1936.<br />

SCHUL- UND UNIVERSITÄTSNACHRICHTEN. Fortbildungskurse zu Frankfurt/M.<br />

<strong>Unterricht</strong>sblätter 1908, S. 87.<br />

W.E. SCHULZE: Fluglehre. Berlin 1937.<br />

B. SCHWALBE: Bericht über die Aufstellung eines Normalverzeichnisses für<br />

die physikalischen Sammlungen der höheren Lehranstalten. <strong>Unterricht</strong>sblätter<br />

1896, S. 71ff.<br />

C. SEELIGMANN: Zur Gestalt des Erziehers im Dritten Reich. Beitrag zur<br />

Herbsttagung der Historischen Kommission der Deutschen Gesellschaft<br />

für Erziehungswissenschaft. "Erziehung, Sozialisation <strong>und</strong> Ausbildung<br />

zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland". Vervielfältigtes<br />

Manuskript 1978.<br />

H. SEIDL: Bildung, Naturwissenschaft, Humanismus. Eine Dokumentation.<br />

Beiträge zum mathematisch-naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>. H.<br />

13/1967.<br />

SEKRETARIAT der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der<br />

B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland (Hrsg): Zur stärkeren Förderung des mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s in den Gymnasien.<br />

Beschluß vom 21.5.1970.<br />

- 217 -


M. TRUBE: Zur Auseinandersetzung um Gewerkschaft <strong>und</strong> Streik im Deutschen<br />

lehrerverein (DLV) 1918-1922. In: M. Heinemann (Hrsg) 1977, S. 167ff.<br />

J. TYMISTER: Die Entstehung der Berufsvereine der kathol ischen l.ehrer·schaft<br />

in Deutschland. Beiträge zur Schul- <strong>und</strong> Standespolitik katholischer<br />

Lehrerschaft im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert. Bochum o.J.<br />

UNSERE 31. HAUPTVERSAMMLUNG in Breslau. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1929, S. 121.<br />

UNTERRICHTSBLÄTTER für Mathemati k<strong>und</strong> Naturwi ssenschaften (Unterri chts··<br />

blätter) 1895-1943.<br />

VEREINE UND VERSAMMLUNGEN: Naturwissenschaftliche Ferienkurse für Lehrer<br />

an höheren Schulen zu Berlin. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1896, S. 28.<br />

VEREINE UND VERSAMMLUNGEN: Lehrmittelausstellung bei dem Berliner Ferienkurs.<br />

<strong>Unterricht</strong>sblätter 1898, S. 48f.<br />

VEREINE UND VERSAMMLUNGEN: XXII. Hauptversammlung des Fördervereins in<br />

München. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1913, S. 69ff.<br />

VEREINE UND VERSAMMLUNGEN: XXIII. Hauptversammlung des Fördervereins in<br />

Braunschweig. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1914, S. 73ff.<br />

VEREINE UND VERSAMMLUNGEN: Die Preußische Zentralstelle für den naturwissenschaftlichen<br />

<strong>Unterricht</strong>. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1915, S. 74f.<br />

VEREINSANGELEGENHEITEN. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1915, S. 41.<br />

VEREINSMITTEILUNGEN. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1931, S. 353f.<br />

VEREINSNACHRICHTEN. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1927, S. 161f.<br />

VERHANDLUNGEN über ,Fragen des höheren <strong>Unterricht</strong>s. Berlin, 4. bis 17. Dezember<br />

1890. Im Auftrage des Ministers der geistlichen, <strong>Unterricht</strong>s<strong>und</strong><br />

Medizinalangelegenheiten. Berlin 1891 (Dezember-Konferenz 1890).<br />

VERHANDLUNGEN über Fragen des höheren <strong>Unterricht</strong>s. Berlin, 6. bis 8. Juni<br />

1900. Im Auftrage des Minsters der geistlichen, <strong>Unterricht</strong>s- <strong>und</strong> Medizinalangelegenheiten.<br />

Berlin 1901 (Juni-Konferenz 1900).<br />

86. VERSAMMLUNG Deutscher Naturforscher <strong>und</strong> Ärzte in Bad-Nauheim vom 19.-<br />

23.9.1920. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1920, S. 77ff.<br />

VON DER GöTTINGER VEREINIGUNG zur Förderung der angewandten Physik <strong>und</strong><br />

Mathematik. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1918, S. 15.<br />

VON UNSERER 34. HAUPTVERSAMMLUNG in Aachen. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1932, S.<br />

97f.<br />

VON UNSERER 35. HAUPTVERSAMMLUNG in Erfurt. Allgemeines Stimmungsbild.<br />

<strong>Unterricht</strong>sblätter 1933, S. 113ff.<br />

VORLÄUFIGE STELLUNGNAHME des Fördervereins zur Frage der fachdidaktischen<br />

Ausbildung der Lehrer für Mathematik, Physik, Chemie <strong>und</strong> Biologie<br />

in der Sek<strong>und</strong>arstufe 11. MNU 1973, S. 307ff.<br />

- 220 -


VORTRÄGE über Schule <strong>und</strong> Krieg. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1915, S. 75f.<br />

M. WAGENSCHEIN: Zu dem Aufsatz: W. Benz: "Moderne physikalische Theorien<br />

in der Schule". MNU 1951/52, S. 183.<br />

H.-U. WEHLER: Das Deutsche Kaiserreich 1871-1918. 4. durchgesehene <strong>und</strong><br />

bibliographisch ergänzte Auflage. Göttingen 1980.<br />

WEHRGEISTIGE ERZIEHUNG DER SCHULEN. Nationalsozialistisches Bildungswesen,<br />

H. 5/1940, S. 172f.<br />

W.W. WEISS: Lehrerbildung zwischen Anspruch <strong>und</strong> Wirklichkeit. München/<br />

'Berlin/Wien 1976.<br />

DERS.: Die Forderung nach dem einheitlichen Lehramt. Eine Studie zur<br />

Lehrerausbildung in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. In: Gewerkschaft<br />

Erziehung <strong>und</strong> Wissenschaft (Hrsg): Im Brennpunkt. Reform der Lehrerausbildung.<br />

Zwischenbilanz 1980. Frankfurt/M., Juni 1980.<br />

K. WELTNER: Wahlverhalten der Oberstufenschüler in den mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Fächern. MNU 1979, S. 245ff.<br />

H. WENZEL: ,Lernziele im Physikunterricht. Die Lernzieldiskussion in der<br />

Physikdidaktik der B<strong>und</strong>esrepublik unter besonderer Berücksichtigung<br />

gesellschaftsorientierter Lernziele, München 1978.<br />

J. WERNER: Physik - ein Schul fach für Spezialisten? Die Höhere Schule, H.<br />

9/1978, S. 336ff.<br />

W. WESTPHAL (HRSG): Normiertes Abitur? Braunschweig 1976.<br />

W. WIEBE: Eine Einführung in die Atomphysik in Unterprima. MNU 1954/55,<br />

S. 68ff.<br />

L. WIESE: Verordnungen <strong>und</strong> Gesetze. Berlin 1875.<br />

J. WILHELMI: Technikfeindlichkeit unter Jugendlichen - Urteil oder Vorurteil?<br />

Soznat, H. 3/1982, S. 87ff.<br />

P. WILLENSBACHER: Zum Wahlverhalten der Schüler bezüglich des Faches Physik<br />

in der neugestalteten gymnasialen Oberstufe. Der Physikunterricht,<br />

H. 3/1981, S. 56f.<br />

W. WILMANNS: Vom Sinn einer naturwissenschaftlich-mathematischen Bildungsanstalt<br />

im neuen Staat. Neue Jahrbücher für Wissenschaft <strong>und</strong> Jugendbildung<br />

1934, S. 266ff.<br />

R. WINDERLICH: Staatsbürgerliche Erziehung, die Aufgabe jeglichen <strong>Unterricht</strong>s.<br />

<strong>Unterricht</strong>sblätter 1915, S. 61f.<br />

A. WITTING: Die Naturwissenschaften <strong>und</strong> die militärische Jugenderziehung.<br />

<strong>Unterricht</strong>sblätter 1915, S. 16f.<br />

W.W. WITTWER: Die Schulpolitik der deutschen Sozialdemokratie 1869-1933.<br />

Ein Beitrag zur politischen Schulgeschichte. Berlin 1980.<br />

- 221 -


•<br />

o. WREDE: Technik <strong>und</strong> Physik in der Gr<strong>und</strong>schule. Kurhessischer Erzieher.<br />

Beilage zu: Der Deutsche Erzieher, H. 7/1939, S. 164ff.<br />

W. WLJLFERS: Fachverbände für Lehrer. Gesellschaft für Arbeit, Technik <strong>und</strong><br />

Wirtschaft im <strong>Unterricht</strong>. Hessische Lehrerzeitung, H. 5/1980, S. 28.<br />

P. WUST: Die Oberrealschule <strong>und</strong> der moderne Geist. Leipzig 1917 (Verlag<br />

der Verbandszeitschrift der Vereine ehemaliger Realschüler Deutschlands,<br />

Leipzig) S. 13.<br />

E. ZACHMANN: Der humanistische Bildungswert des Physikunterrichts. Physikalische<br />

Blätter 1949, S. 97ff.<br />

ZEITSCHRIFT des Vereins Deutscher Ingenieure (1857), (1888), (1891),<br />

(1901).<br />

ZEITSCHRIFT für den mathematischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>.<br />

Organ für Methodik, Bildungsgehalt <strong>und</strong> Organisation der<br />

exaktwissenschaftlichen <strong>Unterricht</strong>sfächer an Gymnasien, Realschulen,<br />

Lehrerseminaren <strong>und</strong> gehobenen Bürgerschulen 1919, S. 249ff.<br />

ZEITSCHRIFT für den physikalischen <strong>und</strong> chemischen <strong>Unterricht</strong> 1911, S. 178<br />

<strong>und</strong> S. 250.<br />

H.G. ZMARZLIK: Wieviel Zukunft hat unsere Vergangenheit? München 1970.<br />

ZUM PROBLEM NORMENBOCHER. MNU 1976, S. 54f.<br />

ZUR SCHULPOLITIK. Entschließung gegen die Neuordnung. <strong>Unterricht</strong>sblätter<br />

1924, S. 108f.<br />

ZUR SCHULREFORM. Eine Aussprache. <strong>Unterricht</strong>sblätter 1921, S. 18f.<br />

- 222 -

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