N aturwissenschaftlich- technische Bildung- Für Mädclten keine ...
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18 Ingrid Otto<br />
meinen vorenthalten, denn sie bekamen nur "ein schmales Derivat der<br />
Salonmusik" geboten, auf dem sich professionell kaum aufbauen ließ.4 Die<br />
Musik in den Bürgerhäusern diente der schicklichen Beschäftigung und<br />
Unterhaltung sowie der Vorführung der wohlerzogenen Töchter bei den<br />
Empfängen. Hausmusik sollte innerhalb der Grenzen des Dilettierens<br />
verharren. Die allgemein verkündeten Warnungen vor falschem Ehrgeiz<br />
wie in dem Gemälde "Ein Wunderkind" kaschierten nur die restaurative<br />
Tendenz. Der Begriff "Wunderkind" ist problematisch, denn ein "Wunderkind"<br />
hat eine . Sonderstellung. Sofern es "wunderbare" Begabungen<br />
besitzt, mag es - intrinsisch motiviert - diese Fähigkeiten und schöpferischen<br />
Kräfte gerne realisieren. Bei geringem Talent und fremdbestimmtem<br />
Zwang zum schöpferischen Tun wäre dieser junge Mensch um sein Kindsein<br />
betrogen.<br />
In diesem Fall gibt die von der "Gartenlaube" vorgegebene Bilderläuterung<br />
die Regieanweisung für das Sehen. Mit der Beschreibung werden die gezeigten<br />
Personen charakterisiert. Das "Kind mit den tiefen Augen und dem<br />
frühen Leidenszug um das kleine Mündlein" findet "mitleidiges Bedauern"<br />
von dem "alten Geiger, der das Geschäft kennt". <strong>Für</strong> ihn wird es sicher<br />
kein einträgliches sein, die nicht zu übersehenden Flicken seiner Kleidung<br />
kennzeichnen seine finanzielle Armut. Die Zeichnung zeigt die Ambivalenz<br />
zur Musik. Der professionelle Musiker hat nur geringen Status,<br />
aber in Verbindung mit Reichtum und bürgerlichem Stand verleiht Musik<br />
Prestige, ist Ausdruck der sozialen Geltung.<br />
Im Bereich der Musik wirkte vornehmlich das Orchester als soziale Organisation.<br />
So ist es von besonderem Interesse, daß in der "Illustrirten<br />
Zeitung" von 1899 erstmals "der Frauen-Orchesterverein in Berlin" dem<br />
breiten Pressepublikum vorgestellt wurde. Die photographische Aufnahme<br />
der Musikerinnen mit ihren Instrumenten stellt eines sofort klar: hier handelt<br />
es sich um professionelles Musikschaffen und nicht etwa um seichte<br />
Kaffeehausmusik.<br />
Die Illustrierte berichtete über die großartigen musikalischen Leistungen<br />
des Orchestervereins und prophezeite den Damen weitere künstlerische<br />
Erfolge. Die abgebildeten Musikerinnen hatten ihre Ausbildung bei nam-<br />
4 Vgl. Eva Rieger: Frau, Musik und MäDnerherrschaft. Frankfurt 1981, S. 62 ff