N aturwissenschaftlich- technische Bildung- Für Mädclten keine ...
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14 Ingrid Otto kauf der hergestellten Waren, er vergab Darlehen und Stipendien an die Auszubildenden und unterhielt ein Arbeitsverrnittlungsbüro. Deutlich wird eine Wechselwirkung von Wirtschaft und Ausbildung, sie trieben sich gegenseitig an. 11. Vom l'art pour l'art der Handarbeiten zum Kunsthandwerk Handarbeit umfaßt im wesentlichen die Herstellung und Verarbeitung von zumeist textilen Werkstoffen bei Anwendung verschiedener Techniken. Handarbeitsergebnisse können von unterschiedlicher Qualität sein, Kunstwert und Gebrauchswert bilden ihre diversen Gütekriterien. Indem Handarbeit im Sinne des l' art pour I' art getan wurde, fungierte sie als Mittel zur Weiblichkeitserziehung entsprechend dem Idealbild patriarchalisch angepaßter Frauen. Nach Dagmar Ladj-Teichmann ist Handarbeit die "Fesselung von Kopf, Herz und Hand" . 3 In der Literatur und Malerei der damaligen Zeit läßt sich nachweisen, daß die Handarbeiten vornehmlich Disziplinierungsfunktion hatten. Das ökonomische Prinzip stand im Abseits, denn es ist ein Anachronismus zum Industriezeitalter, die Arbeitskraft an filigrane Nutzlosigkeiten zu verschwenden. Fanny Lewald, eine Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts berichtete in ihrer Autobiographie, daß ihr als heranwachsende bürgerliche Tochter fünf Stunden Handarbeit täglich abverlangt wurden. Lesen galt für Frauen noch als Luxus und war nur gestattet, wenn gleichzeitig das Strickzeug vorangebracht wurde (z.B. deutlich in Gemälden, Autobiographien u.a. von Louise Otto oder Romanen, wie z.B. von Thomas Mann oder Theodor Fontane). Bevor die Frauen das Recht zur Vereinsgründung und öffentlichen Versammlung hatten, waren es vielfach die Handarbeitszirkel, von wo aus sich der Reformgeist erhob. Die von Otto Piltz in Szene gesetzte "Handarbeitsstunde" ist symptomatisch für das I'art pour I'art des Tuns. Markantes Zeichen für die fehlende Unterrichtstheorie und -systematik dieser "Handarbeitsstunde" ist, daß bei den meisten Mädchen nicht die Tätigkeit der textilen Arbeit demonstriert 3 Vgl. Dagmar Ladj-Teichmann: Erziehung zur Weiblichkeit durch Textilarbeiten. Weinheim 1983, S. 91
Vom Dilettantismus zur Emanzipation 15 wird, sondern die Unterbrechung der Handarbeiten zugunsten von verschiedenen Aktivitäten der Unterrichtsstörungen. Abb. 6 -Handarbeitsstunde- nach einem Gemiilde von Otto Piltz -Die Gartenlaube- 1887 (S. 169) Genrebilder dieser Art bildeten eine Idylle ab, die auf grund der gesellschaftlichen Veränderungen längst fragwürdig geworden war. Die niedlichen Genreszenen verschleiern die tragische Realität der ledigen, nicht ausgebildeten Frauen. Die existenzielle Not bewirkte, daß Frauen des Bürgerstandes unter dem "Deckmantel des llart pour l l art" mit ihren Handarbeiten längst einer heimlichen Erwerbstätigkeit nachgingen (z.B. Fontane: "Die Poggenpuhls" 1897). Die Tendenz zu einer didaktischen Systematisierung und pädagogischen Legitimation der Handarbeiten war also initiiert durch den Entzug der wirtschaftlichen Bedingungen für die 1 art pour 1 art Tätigkeiten in den bürgerlichen Schichten ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der ökonomische Zwang zur Erwerbstätigkeit verschaffte den Forderungen
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14 Ingrid Otto<br />
kauf der hergestellten Waren, er vergab Darlehen und Stipendien an die<br />
Auszubildenden und unterhielt ein Arbeitsverrnittlungsbüro. Deutlich wird<br />
eine Wechselwirkung von Wirtschaft und Ausbildung, sie trieben sich<br />
gegenseitig an.<br />
11. Vom l'art pour l'art der Handarbeiten zum Kunsthandwerk<br />
Handarbeit umfaßt im wesentlichen die Herstellung und Verarbeitung von<br />
zumeist textilen Werkstoffen bei Anwendung verschiedener Techniken.<br />
Handarbeitsergebnisse können von unterschiedlicher Qualität sein, Kunstwert<br />
und Gebrauchswert bilden ihre diversen Gütekriterien. Indem Handarbeit<br />
im Sinne des l' art pour I' art getan wurde, fungierte sie als Mittel zur<br />
Weiblichkeitserziehung entsprechend dem Idealbild patriarchalisch angepaßter<br />
Frauen. Nach Dagmar Ladj-Teichmann ist Handarbeit die "Fesselung<br />
von Kopf, Herz und Hand" . 3<br />
In der Literatur und Malerei der damaligen Zeit läßt sich nachweisen, daß<br />
die Handarbeiten vornehmlich Disziplinierungsfunktion hatten. Das ökonomische<br />
Prinzip stand im Abseits, denn es ist ein Anachronismus zum Industriezeitalter,<br />
die Arbeitskraft an filigrane Nutzlosigkeiten zu verschwenden.<br />
Fanny Lewald, eine Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts berichtete in<br />
ihrer Autobiographie, daß ihr als heranwachsende bürgerliche Tochter fünf<br />
Stunden Handarbeit täglich abverlangt wurden. Lesen galt für Frauen noch<br />
als Luxus und war nur gestattet, wenn gleichzeitig das Strickzeug vorangebracht<br />
wurde (z.B. deutlich in Gemälden, Autobiographien u.a. von<br />
Louise Otto oder Romanen, wie z.B. von Thomas Mann oder Theodor<br />
Fontane).<br />
Bevor die Frauen das Recht zur Vereinsgründung und öffentlichen Versammlung<br />
hatten, waren es vielfach die Handarbeitszirkel, von wo aus sich<br />
der Reformgeist erhob.<br />
Die von Otto Piltz in Szene gesetzte "Handarbeitsstunde" ist symptomatisch<br />
für das I'art pour I'art des Tuns. Markantes Zeichen für die fehlende<br />
Unterrichtstheorie und -systematik dieser "Handarbeitsstunde" ist, daß bei<br />
den meisten Mädchen nicht die Tätigkeit der textilen Arbeit demonstriert<br />
3 Vgl. Dagmar Ladj-Teichmann: Erziehung zur Weiblichkeit durch Textilarbeiten.<br />
Weinheim 1983, S. 91