Freiräume im geförderten Wohnungsbau - wiener wohnbau forschung
Freiräume im geförderten Wohnungsbau - wiener wohnbau forschung
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Vergleichende Betrachtungen<br />
316<br />
„öffentlich“ begangen werden kann, jedoch klar als gemeinschaftlicher Bereich wahrzunehmen<br />
ist. Infolge dessen gehen zwar siedlungsfremde Personen durch die Anlage, halten sich<br />
aber kaum in dieser auf. Da die zugänge in der Nacht verschlossen bleiben, werden von<br />
Außen kommende Akte von Vandalisierung und Gewalt in den gemeinschaftlichen <strong>Freiräume</strong>n<br />
unterbunden.<br />
In der Koppstraße stehen den Mietern als Besonderheit innen liegende „Vorgärten“ zur Verfügung,<br />
die als Pufferzone zwischen dem privaten Wohnungsbereich und dem gemeinschaftlichen<br />
bzw. öffentlich zugänglichen Flächen dienen sollen. Die „Vorgärten“ befinden sich in<br />
den Obergeschossen an gemeinschaftlich zugänglichen Laubengängen und <strong>im</strong> Erdgeschoss<br />
an einem bei Tag öffentlich begehbaren Weg sowie stellenweise direkt am Straßenraum. Begrenzt<br />
werden diese „Vorgärten“ sowohl in den Obergeschossen wie <strong>im</strong> Erdgeschoss durch<br />
ein Metallgeländer mit Türe, die de facto eine vorgelagerte zugangstüre in den Wohnungsverband<br />
bildet.<br />
In der Aneignung erscheint die Auslegung der Grenze zwischen den Öffentlichkeitssphären<br />
durch die Bewohner jedoch stark vom Kontext abhängig. Auffälligerweise bleiben die<br />
„Vorgärten“ in den oberen Geschossen so gut wie <strong>im</strong>mer einsichtig, zudem zieht sich die private<br />
Aneignung stellenweise auch über die Laubengänge. Anders als in den Obergeschossen<br />
sind die „Vorgärten“ am bei Tag öffentlich begehbaren Weg <strong>im</strong> Erdgeschoss zum Teil mit<br />
Trennwänden abgeschirmt worden. Bei den direkt am Straßenraum gelegenen „Vorgärten“<br />
erfolgt die Grenzziehung noch eindeutiger. Da es mehrfach zu Diebstählen gekommen ist,<br />
haben einige Mieter ihre Gärten mit hohen, verschließbaren Schiebetüren, teils sogar mit<br />
Alarmanlagen versehen. Während die Grenze zwischen „Privatraum“ und „Stadtraum“ so zu<br />
einer hermetischen wird, kommt es dort, wo die „Vorbereiche“ der eingeschränkten Gemeinschaft<br />
der Nachbarn gegenüber stehen, zu einer Überlagerung der Öffentlichkeitssphären.<br />
Derartige Überlappungen konnten auch bei anderen untersuchten Wohnhausanlagen beobachtet<br />
werden. So kommt es auch in der „Interethnischen Nachbarschaft“ auf den Dächern,<br />
die nur den Bewohnern zugänglich sind, nicht zuletzt aufgrund der Gemeinschaft, die sich<br />
herausgebildet hat, zu ähnlichen Phänomenen. Noch stärker als in der Koppstraße breitet<br />
sich in den Laubengängen der „Autofreien Mustersiedlung“ der private Wohnraum auf die<br />
gemeinschaftlichen Gänge aus.<br />
Selbiges geschieht in den Passagenhäusern der Herbert Kuhn Wohnanlage, wo die Präsenz<br />
des Privaten in Form von Topfpflanzen und Sitzmöbeln in der gemeinschaftlichen Gangfläche<br />
zum prägenden Merkmal wird. Ein Prozess, der konfliktfrei verläuft, da es in den<br />
Passagen, trotz der Überlagerung der Öffentlichkeitssphären klare (für den Außenstehenden<br />
nicht sogleich erkennbare) Grenzen gibt, die <strong>im</strong> allgemeinen respektiert werden. So entsteht,<br />
wie auch in der Koppstraße, die glückliche Konstellation einer „regulierten Überlappung“ in<br />
einem beschränkt zugänglichen Raum.<br />
Auch in der Seitenberggasse scheint die komplexe Überlagerung der Funktionen und die<br />
Durchlässigkeit der Grenzen nur möglich, da der gesamte Freiraum vom Straßenraum abgeschottet<br />
ist. Eine klare Grenze nach Außen bildet also eine wichtige Voraussetzung für die<br />
Durchlässigkeit der Grenzen <strong>im</strong> Innenbereich. Diese Offenheit innerhalb einer beschränkten<br />
Gruppe wird in der Seitenberggasse und der Autofreien Mustersiedlung dadurch erleichtert,<br />
dass alternative, kompensatorische Flächen bereit stehen. Charakteristisch für beide<br />
Anlagen ist eine Differenzierung in laute und leise Räume, woraus in der tatsächlichen Nutzung<br />
Grenzen entstehen, welche jene zwischen den „privaten“ und den „gemeinschaftlichen“<br />
Flächen geradezu konterkarieren. Eine entscheidende Voraussetzung für solche elastischen<br />
und daher belastbareren Strukturen bildet der Umstand, dass Freiflächen auf mehreren<br />
Ebenen (Erdgeschoss + Dächer) zur Verfügung stehen.