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Freiräume im geförderten Wohnungsbau - wiener wohnbau forschung

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abschließt. Sie wirkt unaufdringlich „leise“: Eine Art intensives Kammerspiel <strong>im</strong> Freiraum.<br />

Das so genannte Wohnregal des Architekten Helmut W<strong>im</strong>mer in der Koppstraße ist eine vergleichsweise<br />

großstädtische Anlage mit acht Geschossen, die zudem - wie in den Fallstudien<br />

dargelegt - mit Einschränkungen öffentlich begehbar ist.<br />

Aus der Sicht der Freiraumgestaltung liegt das Außergewöhnliche an diesem Projekt in der<br />

extensiven Zurverfügungstellung privater Außenräume und in deren Relation zu den Gemeinschaftsflächen.<br />

Bekanntlich wünschen sich Bauträger heute auch bei Anlagen dieser Gebäudehöhe Mietergärten,<br />

weil entsprechend ausgestattete Wohnungen sehr gesucht sind. Wie kann man nun<br />

einerseits eine einigermaßen zumutbare private Situation in einem sehr lebhaften Gartenhof<br />

mit enormem Nutzungsdruck gewährleisten und zugleich ähnlich attraktive Bedingungen für<br />

die Bewohner der obergeschosse anbieten?<br />

Der Wohnkomplex liefert auf diese drängende, weil - wie es sich zeigt - ganz <strong>im</strong> Sinne der<br />

Bewohner gestellten Fragen, sehr interessante Antworten: Das Wohnregal in der Koppstraße<br />

erweist sich als veritables Freiraumregal, das dem Bedürfnis nach variabel verfügbaren und<br />

veränderbaren Privatraum außerhalb der eigentlichen Wohnung nachkommt und zugleich<br />

Gemeinschaft stiftend wirkt.<br />

Die Balkone können durch die Mieter auch in geschlossene wintergartenartige Vorzonen der<br />

Wohnung umgewandelt werden. Sie eröffnen Nutzungschancen und Möglichkeitssinn, wie<br />

sie bei Wohnbauten dieser Größenordnung am ehesten noch auf den Dachflächen zugelassen<br />

werden. Um eine regelrechte Erfindung handelt es sich bei den „Vorgärten“, z<strong>im</strong>mergroßen<br />

Flächen zwischen Laubengang und Wohnung. Zwei liegen jeweils nebeneinander<br />

und müssen durchquert werden um von den Laubengängen in die Wohnung zu gelangen.<br />

Dies hat ein sehr freizügiges Hinausstülpen des Privaten in die einsehbare Sphäre des Gemeinschaftlichen<br />

zur Folge; gleichzeitig wirkt es ausgesprochen gemeinschaftsbildend, weil<br />

diese Zone es gestattet, Gäste zu empfangen, ohne sie in die Wohnung hineinzulassen.<br />

Die „Vorgärten“ in den obergeschossen tragen somit sowohl zu einer quantitativen Bereicherung<br />

des Wohnraumangebots bei, als sie auch zu einer qualitativen Ausdifferenzierung<br />

von Kommunikationsformen führen.<br />

Die privaten Freiflächen <strong>im</strong> Erdgeschoss haben weniger den Charakter von Mietergärten<br />

denn eher von erweiterten Wohnfeldern. Durch einen prägnant architektonisch formulierten<br />

„Laubenrahmen“, der von den Mietern nach Belieben ausgebaut bzw. gefüllt werden kann,<br />

sind sie von der allgemeinen Hoffläche manchmal bloß getrennt, mitunter auch abgeschottet.<br />

Der Raum davor (zu den Wohnungen hin) erscheint in der Grundausstattung anfangs<br />

wie hinter einem Filter. Die Grenze ist nicht mit einer Mauer eindeutig definiert, wie in einer<br />

ähnlichen Situation „Am Hofgartel“, sondern gleichsam fakultativer.<br />

Dieses offenlassen für eine spätere Gestaltung durch die Mieter innerhalb eines klar definierten<br />

Korsetts ist das Besondere an den Freiflächen dieser Architektur. Sie stellen für die<br />

Mieter in Wirklichkeit Spielräume mit außerordentlich hohen Freiheitsgraden dar. In Folge<br />

entwickeln sich am Bauwerk außen wie innen „soziale Fassaden“, wie der Architekt sie nennt:<br />

Entstanden aus den Wünschen, Veränderungen und Ergänzungen der Bewohner. Diese<br />

wundersam parasitären Schichten sind das Ergebnis eines ungewöhnlich uneitlen architektonischen<br />

Konzeptes: Gestalt wird als Prozess begriffen - mit offenem Ende.<br />

Angesichts der bisherigen Entwicklung ist davon auszugehen, dass sich dieses Format in der<br />

Lebenszeit des Bauwerks wie seiner Bewohner als sehr adaptionsfähig und flexibel erweisen<br />

wird.<br />

Vertiefende Analyse<br />

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