Freiräume im geförderten Wohnungsbau - wiener wohnbau forschung
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herbert kuhn Wohnanlage<br />
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Wohnorten. Die Passage sei, so das ergebnis der befragung, der ort an dem die meisten<br />
kontakte geknüpft würden. 8 hierbei fällt auf, dass sich erwachsene ohne kinder kaum gezielt<br />
zum gemeinschaftlichen aufenthalt in der Passage treffen. so sieht man nur selten erwachsene<br />
auf den bänken oder vor den haustüren zusammensitzen. Dies ist u. a. darauf zurück<br />
zu führen, dass es in den Passagen <strong>im</strong> Winter zwar wärmer als draußen, aber zum sitzen<br />
dennoch zu kalt ist. Im sommer stehen jeder Partei private Freiflächen zur Verfügung, die von<br />
erwachsenen weitaus intensiver genutzt werden als die Passagen. bleibt das Dach <strong>im</strong> sommer<br />
verschlossen, kann es in den Durchgängen darüber hinaus sehr schwül werden.<br />
Der kontakt ergibt sich in den Passagen daher vor allem durch die Überschneidung individueller<br />
tätigkeiten. erwachsene halten sich hier auf, wenn sie diese Zone als Durchgangsfläche<br />
benutzen oder ihre Pflanzen gießen. Da sich die Postkästen in den Passagen befinden, gehen<br />
auch jene mieter, die ihr auto in der tiefgarage parken, auf dem Weg von den liften zu<br />
den Postkästen und wieder zurück, kurz durch ihre Passage. auf den balkonen wird Wäsche<br />
auf- und abgehängt bzw. (vor allem <strong>im</strong> Winter) geraucht. Immer wieder kommt es zu Überlappungen<br />
der sich durch die tätigkeiten ergebenden aktionsradien und gehverläufe. so<br />
erzählt etwa eine bewohnerin: „Im Winter gehe ich <strong>im</strong>mer vor die türe rauchen. Der nachbar<br />
gießt manchmal gleichzeitig die blumen. hin und wieder kommt wer vorbei. so kommt<br />
man kurz ins Plaudern und lernt sich kennen.“ Die Passagen erweisen sich durch diese informellen<br />
Überlagerungen ungeplanten geschehens als ein ganz besonderes und zugleich<br />
unaufdringliches netzwerk <strong>im</strong> alltag der bewohner.<br />
kInDersPIel In Den Passagen<br />
Wie in der Planung vorgesehen, werden die Passagen stellenweise von kindern als spielfläche<br />
genutzt. Dies ist vor allem in den kalten monaten und verstärkt zu Ferienzeiten der Fall und<br />
wird sowohl von den eltern als auch von den kindern sehr geschätzt. Immer wieder sieht man<br />
kinder auf rollern und rädern fahren bzw. durch die gänge laufen. Im sommer geschieht<br />
dies zumeist nur vorübergehend, wenn die kinder auf ihre eltern warten, um ins Freie spielen<br />
zu gehen. Im Winter halten sich kinder jedoch vielfach länger in den Passagen auf. eltern<br />
gehen mit ihnen gezielt „in die Passage spielen“, wie es eine mutter ausdrückt. kleinkinder<br />
krabbeln etwa eigens dem dortigen kl<strong>im</strong>a entsprechend gekleidet am boden. Immer wieder<br />
kommt es vor, dass kinder in den gängen Fußball spielen.<br />
Die Passagen bieten den kindern so die möglichkeit, auch <strong>im</strong> Winter in unmittelbarer Wohnungsnähe<br />
mit nachbarn zu spielen. In Folge dessen kennen sich die meisten kinder eines<br />
Passagenhauses. auch unter den eltern haben sich in den Durchgängen Freundschaften<br />
gebildet. Das kinderspiel konzentriert sich nicht zuletzt deshalb in den Passagen, weil sonst<br />
keine geschlossenen kinderspielräume zur Verfügung stehen.<br />
kInDersPIel oDer ruheraum: Das aushanDeln Der regeln<br />
Das kinderspiel in den Passagen war in der Planung vorgesehen. Demgegenüber ist es in<br />
der hausordnung seit jeher verboten. In den Passagen ist weder spielen noch laufen, lärmen<br />
und Fahrradfahren gestattet. ein grundwiderspruch, der die basis für das aushandeln<br />
der regeln in diesem bereich bildet. hierbei verstehen die meisten eltern die Durchgänge als<br />
gemeinschaftliche spielwelt, während einige mieter ohne kinder diese als ruheräume sehen.<br />
es gibt in der anlage keine integrative Figur oder alltäglich vor ort präsente Institution, die<br />
zwischen den Positionen vermittelnd eingreift. Für die Pflege der anlage ist der <strong>im</strong> Wohnkom-<br />
8 Vgl.: ebner, Peter; klaffke Julius; living streets Wien; studie <strong>im</strong> auftrag des amtes der Wiener landesregierung - magis<br />
tratsabteilung 50 - Wohnbauförderung; münchen, 2006, s. 64