PDF, 2,4 MB - Hansestadt Wismar
PDF, 2,4 MB - Hansestadt Wismar
PDF, 2,4 MB - Hansestadt Wismar
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
GESCHICHTE – GESTERN & HEUTE<br />
„Es ist menschlich, wenn ein Volk wie das unsere ungern an<br />
diese Verbrechen denkt; es ist menschlich, dass die meisten<br />
Menschen nicht gerne davon sprechen; es ist menschlich, dass<br />
sie versuchen, es zu verdrängen. Aber gerade dies ist es, was<br />
wir unter gar keinen Umständen tun dürfen. Es handelt sich<br />
nicht darum, dass wir immer wieder in den eigenen Wunden<br />
wühlen, sozusagen eine Art von Flagellantismus betreiben,<br />
aber es handelt sich darum, dass wir eine ganz klare Bilanz<br />
von dem Umfang des Unheils ziehen und dass wir uns klar<br />
darüber sind über das, was wir wollen.“<br />
Franz Böhm, am 14. Dezember 1955 im Bundestag<br />
Franz Böhm, der aktiv an den Wiedergutmachungsverhandlungen<br />
beteiligt war, sprach schon vor mehr als fünfzig Jahren aus, was uns<br />
auch heute und gerade heute noch betrifft.<br />
Der 8. Mai ist als offi zielles Ende der Nazi-Ära zu sehen, da in<br />
den frühen Morgenstunden des 7. Mai 1945 die Gesamtkapitulation<br />
aller Streitkräfte der Wehrmacht im alliierten Hauptquartier in Reims<br />
unterzeichnet wurde. Heute begehen wir den 8. Mai in Gedenken an<br />
die 55 Millionen Opfer des grausamen und vernichtenden 2. Weltkrieges.<br />
55 Millionen Menschen ließen ihr Leben in der Zeit von 1939 bis<br />
1945. Aber das eigentliche Verbrechen der Nationalsozialisten be gann<br />
schon früher...<br />
Bereits als Hitler langsam ins Licht der Öffentlichkeit trat, begann er<br />
Juden als Ursache allen Unheils, das Deutschland seit dem verlorenen<br />
ersten Weltkrieg überkommen hatte, darzustellen. Es folgte eine grausame<br />
und unmenschliche Verfolgung der Juden, die zur vollkommenen<br />
Ausrottung führen sollte.<br />
Hat es in der deutschen Geschichte jemals ein größeres grausameres<br />
Verbrechen gegeben?<br />
Tatsache ist, Faschismus hat seit dem Ende des zweiten Welt -<br />
krieges nie die Null-Marke erreicht. Aktuelle Beispiele sollten durchaus<br />
zum Nachdenken anregen, wie z. B. die NPD-Demonstration am<br />
1. Mai in Rostock.<br />
Viele junge Menschen, aber auch ältere sind der Meinung, es ginge<br />
sie nichts an oder vielmehr sie wären „damals“ noch nicht auf der<br />
Welt gewesen. Demnach hätten sie auch nichts mit der Sache zu tun<br />
und schon gar keine Schuld an eben diesen Geschehnissen.<br />
Schuld? Ist das wirklich die Frage, die wir uns stellen müssen?<br />
Wer hat Schuld daran? Sprechen wir nicht von Verantwortung?<br />
Der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker sagte hierzu<br />
in seiner Bundestagsrede zum 40. Jahrestag der Kapitulation des<br />
Deutschen Reiches am 8. Mai 1985:<br />
„Bei uns ist eine neue Generation in die politische Verantwortung<br />
hereingewachsen. Die Jungen sind nicht verantwortlich<br />
für das, was damals geschah. Aber sie sind verantwortlich für<br />
das, was in der Geschichte daraus wird.“<br />
Während der Recherche zu diesem Thema sprach ich mit einer 68jährigen<br />
Frau, die mir sehr ausführlich ihre Standpunkte darlegte. Sie<br />
sah den Anstieg der NPD-Anhänger darin begründet, dass viele junge<br />
Menschen mit der Politik, die derzeit betrieben wird, nicht zufrieden<br />
sind und sich demnach der NPD zuwenden.<br />
Sie sprach von Perspektiven, die insbesondere jungen Menschen<br />
geboten werden müssten, wie die Aussicht auf eine Lehrstelle mit<br />
anschließender Anstellung, und zielte damit auch auf den Sozialismus<br />
an, den sie selbst als „schon in Ordnung“ einstufte.<br />
Gedanken zum 8. Mai<br />
STADTANZEIGER / 13. MAI 2006<br />
Obwohl sie selbst den gesamten Krieg miterlebte und auch ihren<br />
Vater und Teile des Anwesens ihrer Familie durch Bombenangriffe<br />
verlor, kann sie sich nur an weniges genau erinnern. Auf die Frage,<br />
ob sie ihre Gefühle am 8. Mai 1945 beschreiben könnte, konnte sie<br />
sich speziell an diesen Tag nicht mehr erinnern. „Allerdings kann ich<br />
mich noch gut an den Fliegeralarm erinnern und wie tief die Flieger<br />
über die Dächer fl ogen.“<br />
Sie hatte von der Deportation der Juden durch Freunde erfahren und<br />
war sich der Verfolgung bewusst.<br />
Nur wenige der Zeitzeugen, die ich auf die Verfolgung der Juden<br />
und das plötzliche Verschwinden dieser aus dem öffentlichen Leben<br />
ansprach, wollten etwas bemerkt haben. Aber kann das sein?<br />
Ist es möglich, dass nahezu sechs Millionen Menschen aus ihren<br />
Wohnungen geholt und in Lager in Osteuropa gebracht werden,<br />
aber niemand merkt es? Fragte sich denn niemand, wo sind diese<br />
Menschen hin? Wobei doch auch öffentlich bekannt gemacht wurde:<br />
„Kauft nicht bei den Juden!“ und damit offi ziell Judenfeindlichkeit<br />
aufgezeigt wurde.<br />
Um mit dem Vorurteil aufzuräumen, Jugendliche interessieren<br />
sich nicht für Geschichte, und insbesondere die Verantwortung, die<br />
wir alle zu tragen haben, wurden in <strong>Wismar</strong> verschiedene Projekte<br />
gestartet, die Jugendliche mit dem Thema Nationalsozialismus in<br />
Kontakt bringen.<br />
Eines davon hat Thorsten Schäfer von der Netzwerkstelle in Zusammenarbeit<br />
mit dem Geschichtskurs der 12. Klasse von Angela Schinke<br />
am Gerhart-Hauptmann-Gymnasium ins Rollen gebracht.<br />
Die Teilnehmer dieses Projektes sahen beispielsweise am 8. Mai<br />
den Film „Ich war 19“ von Konrad Wolf im Tiko. Der Film handelt<br />
von einem 19-jährigen sowjetischen Soldaten im Mai 1945, der zum<br />
Kommandanten ernannt wird und unter anderem Kapitulationsverhandlungen<br />
mit deutschen Truppen führen muss.<br />
Insgesamt wurde der Film positiv aufgenommen und im Anschluss<br />
wurden Fragen wie „Warum war dieser Film in der DDR so gut wie<br />
verboten?“, „Wird heutzutage noch genügend an den 8. Mai erinnert?“<br />
oder „Ist eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit überhaupt<br />
nötig?“ aufgegriffen und geklärt.<br />
Des Weiteren gibt es ein Projekt von Jugendlichen in <strong>Wismar</strong>, das<br />
sich unter anderem mit der „Ringbande“, einer Widerstandsgruppe,<br />
die um 1942 aktiv war, befasst.<br />
Wie man sieht, gibt es durchaus interessierte und engagierte Jugendliche<br />
in <strong>Wismar</strong>, die sich der Vergangenheit und Verantwortung<br />
bewusst sind und sich damit auseinandersetzen.<br />
Quellen:<br />
– „Die schönsten Zitate der Politiker“,<br />
herausgegeben von Peter Köhler<br />
– „Sind die Deutschen ausländerfeindlich?<br />
49 Stellungnahmen zu einem aktuellen Thema“<br />
– „Verfolgt und auserwählt“, Gerald Messadié<br />
– „Geschichte des Antisemitismus“, Werner Bergmann<br />
– www.shoa.de<br />
Diese Seite wurde im Rahmen eines<br />
zweiwöchigen Praktikums in der<br />
Pressestelle der <strong>Hansestadt</strong> <strong>Wismar</strong><br />
von Jana Lehmkuhl, Klasse 11b<br />
des Gerhart-Hauptmann-Gymnasiums,<br />
erstellt.<br />
9