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und vergib uns unsere Schuld. - Prof. Dr. Franz Segbers

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Die Finanzmärkte sind keineswegs Millionen einzelne Marktakteure sondern vielmehr institutionelleAnleger wie Hedgefonds oder Pensionsfonds, die eine ökonomische <strong>und</strong> politischeMacht entwickeln. Sie bildet eine Finanzoligarchie, welche die derzeit herrschende Weltmachtdarstellt. So stellt die us-amerikanische Bank Goldman Sachs mittlerweile in Europaeinige führende Politiker: Mario <strong>Dr</strong>aghi, der Präsident der EZB, der griechische PräsidentPapademos <strong>und</strong> der italienische Präsident Monti. Der jetzige us-amerikanische Finanzministerwar Mitarbeiter von Goldman Sachs. Und es sei daran erinnert, dass es die Bank GoldmanSachs war, die Griechenland dabei geholfen haben soll, einen Teil seiner Staatsschuldenzu verschleiern, um überhaupt in den Euroraum aufgenommen zu werden. Man kann alsodem „Handelsblatt“ nur beipflichten, das in einem Kommentar zur Berufung von Papademosvon einem „stillen Putsch” spricht, denn nun „bekommen die Finanzmärkte, was sie wollen”(Handelsblatt 16.11.2011). Finanztechnokraten wurden eingesetzt, nachdem GriechenlandsPremier es gewagt hatte, ein Referendum zu stellen <strong>und</strong> man Erfahrungen mit einem Referendumin Island hatte. Finanzmärkte mögen keine Demokratie <strong>und</strong> Beteiligung der Menschen,die für den <strong>Schuld</strong>endienst einstehen müssen. Die Bezeichnung „Technokraten“ fürdie Exekutoren einer derart <strong>und</strong>emokratischen Politik wie in Italien oder Griechenland ist einzynischer Euphemismus für Finanzlobbyisten, die im Namen der Finanzoligarchie fungieren.Für den <strong>Schuld</strong>endienst wird die Demokratie geopfert. Dies ist nichts weniger als eine dieAbkehr von den europäischen Idealen. Dies zeigt, dass es bei der Finanzkrise um mehr als umein finanztechnisches oder wirtschaftspolitisches Problem geht, das man getrost zur Lösungden Ökonomen überlassen könnte.Dort, wo keine Finanztechnokraten wie in Italien oder Griechenland die Regierung stellen,greifen jetzt der europäische Fiskalpakt <strong>und</strong> die <strong>Schuld</strong>enbremse. Der Pakt schreibt vor, dassder <strong>Schuld</strong>enstand muss mittelfristig auf maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts(BIP) reduziert werden. Fiskalpakt heißt: Jeder Steuer-Cent muss zuerst für die <strong>Schuld</strong>entilgungverwendet werden. Erst danach dürfen Steuereinnahmen für die Finanzierung des öffentlichenLebens genutzt werden. Der Pakt zementiert den Sparkurs <strong>und</strong> macht Sozialabbauzum Staatsziel. Es herrscht ein unbedingter kategorischer Imperativ: Die <strong>Schuld</strong>en müssenunter allen Umständen bezahlt werden, wie hart es die Menschen auch treffen mag. Dafürwerden die Arbeitsrechte <strong>und</strong> sozialen Standards des Sozialstaates geopfert, die in Jahrzehntenerkämpft worden sind.Was meinen wir, wenn wir von Verschuldung reden?Keiner lebt für sich allein. Dass wir existieren, verdanken wir nicht <strong>uns</strong> selber. Wir verdankenBildung <strong>und</strong> Erziehung den Eltern, Erziehern oder Lehrern. Unsere Sprache <strong>und</strong> <strong>uns</strong>ere Kultur,die Art zu essen <strong>und</strong> <strong>uns</strong> zu kleiden – alles das haben wir von anderen Menschen übernommen.Das Leben eines jeden ist eingeb<strong>und</strong>en in ein ganzes Netz von „Verbindlichkeiten“.So wird ein jeder sicherlich auf die eine oder andere Weise bereits in seinem Leben einemanderen etwas schuldig geblieben oder geworden sein. Wir sind alle auf irgendeine Weise<strong>Schuld</strong>ner eines anderen. Wir können auch nicht alles entgelten, was wir einander schulden.Und deshalb schulden wir einander viel <strong>und</strong> vieles – <strong>und</strong> nicht nur ökonomische <strong>Schuld</strong>en.Wie der Wortstamm „<strong>Schuld</strong>en“ besagt, ist mit <strong>Schuld</strong>en gemeint, dass Menschen einanderin Verpflichtung stehen.2

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