GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 4Art 2 I 1 GG – Freie Entfaltung <strong>de</strong>r PersönlichkeitJe<strong>de</strong>s menschliche Tun, „ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht <strong>de</strong>r Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltungzukommt“ (allgemeine Handlungsfreiheit)BVerfG, Urteil v. 16.01.1957, 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32 – 45, Elfes = BVerfGA 3.a.A. 1 „Persönlichkeitskerntheorie“: Verhalten, das elementar ist für die geistige und sittliche Entfaltung<strong>de</strong>s Menschen. (HESSE)a.A. 2 Verhalten, das <strong>de</strong>r engeren persönlichen, nicht auf rein geistige und sittliche Entfaltung beschränktenLebenssphäre zuzurechnen ist. (GRIMM, Son<strong>de</strong>rvotum BVerfGE 80, 137 [164 - 170]BVerfG, Beschluss v. 06.06.1989, 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, 137 – 164 (-170, abw. Meinung),Reiten im Wal<strong>de</strong> = BVerfGA 75.Art. 2 I i.V.m. 1 I GG – Allgemeines PersönlichkeitsrechtDas allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt „i.S.d. obersten Konstitutionsprinzips <strong>de</strong>r Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>sMenschen die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen“ 12z.B. Recht am eigenen Bild, Wort; Ehre, informationelle Selbstbestimmung, Resozialisierung, nemo-tenetur-Grundsatz.Art. 2 II 1 GG – Recht auf LebenGeschützt ist die biologisch-physische Existenz einerseits und das geistig-seelische Wohlbefin<strong>de</strong>nan<strong>de</strong>rerseits; nicht geschützt ist das Recht auf Suizid (Selbstbeschädigung fällt in <strong>de</strong>n Schutzbereich<strong>de</strong>s Art. 2 I GG) 13Art. 2 II 1 GG – Recht auf körperliche UnversehrtheitGeschützt sind die menschliche Gesundheit im biologisch-physischen Sinne und das psychischeWohlbefin<strong>de</strong>n gegen Beeinträchtigungen, die zu körperlichen Schmerzen vergleichbaren Wirkungenführen.Art. 2 II 2 GG – Recht auf Freiheit <strong>de</strong>r PersonGeschützt ist die körperliche positive Fortbewegungsfreiheit (h.M. 14 )Nach a.A. ist auch die negative Bewegungsfreiheit erfasst. 1512131415BVerfGE 54, 148 [153].a.A.: P/S Rn. 392.BVerfGE 94, 166 [198]; E 96, 10 [21].P/S Rn. 413.
GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 5Art 3 I GG – Allgemeiner Gleichheitssatz• Rechtsanwendungsgleichheit (Gerichte / Verwaltung)• Rechtssetzungsgleichheit (Gesetzgeber) wg. Art. 1 III GG, aber Art. 1 III reicht nur soweit,wie die Schutzbereiche <strong>de</strong>r einzelnen <strong>Grundrechte</strong>, Art. 1 III erweitert diesen nicht; an<strong>de</strong>rerseitskann ein Gleichheitssatz überhaupt nur Wirkung entfalten, wenn er auch <strong>de</strong>n Gesetzgeberbin<strong>de</strong>t. → i.E. [+]a) Ungleichbehandlungaa) von wesentlich gleichem → gemeinsamer OberbegriffWesentlich Gleiches liegt vor, wenn zwischen zwei Personengruppen o<strong>de</strong>r Sachverhaltendie Bildung eines gemeinsamen „tertium comparationis“ möglich ist, und dieses Eigenschaftenaufweist, die im wesentlichen übereinstimmen. (gemeinsamer Nenner)bb) durch <strong>de</strong>nselben Träger von Staatsgewaltb) sachlicher Grundaa) Maßstabbb) strenge Prüfung / WillkürverbotGroßzügige Prüfung (Willkürverbot)‣ Ungleichbehandlung von Sachverhalten(z.B. Gebührenregelung von RA’en, keineRechtsbehelfsbelehrung in <strong>de</strong>r ZPO; E 83, 1[22f.]; E 93, 99 [100 ff.])‣ Staat gewährt Leistungen (E 51, 295 [300];BVerwGE 74, 260 [264])‣ Differenzierung bereits im GG angelegt(Beamte, Art. 33 IV, V GG, E 52, 303; Ehe,Art. 6 I GG, E 87, 1, BVerwGE 91, 130 [133f.])‣ komplexe Sachverhalte (Staatshaushalt,E 64, 158 [169], Wirtschaftslenkung, E 50,290 [338])Strenge Prüfung (=neue Formel)‣ Ungleichbehandlung von Personen o<strong>de</strong>rPersonengruppen (Arbeiter – Angestellte,E 90, 46 [56 f.]‣ Annäherung an spezielle Diskriminierungsverbotei.S.d. Art. 3 II und III GG(Beson<strong>de</strong>rs streng: E 92, 53 [69])‣ Spezielles Freiheitsrecht betroffen – in <strong>de</strong>rKlausur in aller Regel <strong>de</strong>r FallRefo: (=äußerste Grenzen gesetzgeberischerFreiheit eingehalten?, nur Verstoß, wenn Ungleichbehandlungoffensichtlich unsachlich ist→ „abwegig“, „hirnrissig“)Refo: (= die Unterschie<strong>de</strong> müssen nach Art undUmfang so sein, dass sie genau diese Ungleichbehandlung<strong>de</strong>cken, VHMK, Zweck, Geeignetheit,Erfor<strong>de</strong>rlichkeit, Angemessenheit) Einordnung <strong>de</strong>s Willkürkriteriums nach <strong>de</strong>r neuen Formel1. Ansicht: h.M.: Verhältnismäßigkeitsprüfung: Legitimer Zweck <strong>de</strong>r Ungleichbehandlung; geeignetund notwendig; angemessenes Verhältnis zw. Ungleichbehandlung und Wert<strong>de</strong>s Zwecks2. Ansicht: a.A.: 16 2 Fallgruppen sind zu unterschei<strong>de</strong>n: Wenn <strong>de</strong>r Gesetzgeber an vorhan<strong>de</strong>neUnterschie<strong>de</strong> anknüpft, liegt <strong>de</strong>r sachliche Grund in <strong>de</strong>n Unterschie<strong>de</strong>n, wie sie nachArt und Umfang bestehen. Schafft <strong>de</strong>r Gesetzgeber dagegen neue Unterschie<strong>de</strong>, somuss das Mittel gemessen an <strong>de</strong>m verfolgten legitimen Zweck geeignet, erfor<strong>de</strong>rlichund angemessen sein.16 Vgl. Huster JZ 1994, 541.