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97. § 18 VOB/A - Angebotsfrist, Bewerbungsfrist - Oeffentliche ...

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Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 14.03.2010<strong>97.</strong> <strong>§</strong> <strong>18</strong> <strong>VOB</strong>/A - <strong>Angebotsfrist</strong>, <strong>Bewerbungsfrist</strong><strong>Angebotsfrist</strong>, <strong>Bewerbungsfrist</strong>1. Für die Bearbeitung und Einreichung der Angebote ist eine ausreichende <strong>Angebotsfrist</strong>vorzusehen, auch bei Dringlichkeit nicht unter 10 Kalendertagen. Dabei ist insbesondereder zusätzliche Aufwand für die Besichtigung von Baustellen oder die Beschaffung vonUnterlagen für die Angebotsbearbeitung zu berücksichtigen.2. Die <strong>Angebotsfrist</strong> läuft ab, sobald im Eröffnungstermin der Verhandlungsleiter mit derÖffnung der Angebote beginnt.3. Bis zum Ablauf der <strong>Angebotsfrist</strong> können Angebote in Textform zurückgezogen werden.4. Für die Einreichung von Teilnahmeanträgen bei Beschränkter Ausschreibung nachÖffentlichem Teilnahmewettbewerb ist eine ausreichende <strong>Bewerbungsfrist</strong> vorzusehen.<strong>97.</strong>1 Vergleichbare Regelungen4816Der Vorschrift des <strong>§</strong> <strong>18</strong> <strong>VOB</strong>/A vergleichbar sind im Bereich der <strong>VOB</strong> <strong>§</strong><strong>§</strong> <strong>18</strong>a, <strong>18</strong> b<strong>VOB</strong>/A, im Bereich der VOF <strong>§</strong> 14 VOF und im Bereich der VOL <strong>§</strong><strong>§</strong> <strong>18</strong>, <strong>18</strong> a, <strong>18</strong> b VOL/A.Die Kommentierungen zu diesen Vorschriften können daher ergänzend zu derKommentierung des <strong>§</strong> <strong>18</strong> herangezogen werden.<strong>97.</strong>2 Änderungen in der <strong>VOB</strong>/A 20064817In <strong>§</strong> <strong>18</strong> Nr. 3 werden die Worte „schriftlich, fernschriftlich, telegrafisch oder digital“ durchdie Worte „in Textform“ ersetzt.<strong>97.</strong>3 Bieterschützende Vorschrift48<strong>18</strong>Bei <strong>§</strong> <strong>18</strong> <strong>VOB</strong>/A handelt es sich um eine Norm mit bieterschützendem Charakter im Sinnedes im Sinne des <strong>§</strong> 97 Abs. 7 GWB. Denn nur bei ausreichenden Fristen haben die Bieterdie Möglichkeit, ein ordnungsgemäßes Angebot zu erstellen. <strong>§</strong> <strong>18</strong> <strong>VOB</strong>/A ist demnachnicht eine bloße Ordnungsvorschrift, sondern eine subjektiv bieterschützende Regelung (2.VK Bund, B. v. 28.09.2005 - Az.: VK 2 – 120/05; B. v. 17.4.2003 - Az.: VK 2 - 16/03).<strong>97.</strong>4 Rechtscharakter der <strong>Angebotsfrist</strong>4819Bei der <strong>Angebotsfrist</strong> handelt es sich um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist (VKMünster, B. v. 15.1.2003 - Az.: VK 22/02). Um eine Ausschlussfrist handelt es sich immerdann, wenn der Sinn der gesetzlichen Regelung mit der Fristbeachtung steht und fällt.Sinn und Zweck des <strong>§</strong> <strong>18</strong> Nr. 2 und des <strong>§</strong> 22 Nr. 2 <strong>VOB</strong>/A ist einen ordnungsgemäßen


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 14.03.2010Wettbewerb zu gewährleisten und eine mögliche Manipulationsgefahr auszuschließen.Überschreitet ein Bieter die <strong>Angebotsfrist</strong>, verschafft er sich schon insoweit einenWettbewerbsvorteil, als ihm mehr Zeit zur Erarbeitung der Angebotsunterlagen zurVerfügung steht als einem Konkurrenten, der sich den zeitlichen Schranken unterwirft.Darüber hinaus kann die Abgabe einer verspätet abgegebenen Erklärung auch deshalbvorteilhaft sein, weil etwaige kurzfristige Entwicklungen wirtschaftlicherRahmenbedingungen - wie etwa Preisänderungen von Zulieferprodukten oderEinkaufskonditionen - in die Kalkulation einfließen können, während konkurrierendefristkonforme Bewerbungen einer zeitlichen Bindung unterliegen und nicht mehr abänderbarsind (Thüringer OLG, B. v. 22.4.2004 - Az.: 6 Verg 2/04).4820Eine Ausnahme ist in <strong>§</strong> 22 Nr. 6 Abs. 1 <strong>VOB</strong>/A (bzw. <strong>§</strong> 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe e)VOL/A) nur für den Fall vorgesehen, dass ein Angebot nachweislich vor Ablauf der<strong>Angebotsfrist</strong> dem Auftraggeber zugegangen war, aber bei Öffnung des ersten Angebots ausvom Bieter nicht zu vertretenden Gründen dem Verhandlungsleiter nicht vorgelegen hat.Abgesehen von dieser Ausnahme kommt es auf die Gründe, die zum verspäteten Eingangeines Angebots geführt haben, nicht an; die rechtzeitige Übermittlung der Angebote istausschließlich Sache der Bieter (1. VK Sachsen, B. v. 29.12.2004 - Az.: 1/SVK/123-04; VKNordbayern, B. v. <strong>18</strong>.8.2000 - Az.: 320.VK-3194-<strong>18</strong>/00).<strong>97.</strong>5 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung derFrist48214822Bei Ausschlussfristen ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur möglich, wennsie ausnahmsweise ausdrücklich durch eine Rechtsvorschrift zugelassen ist. Ob eine Fristeine Ausschlussfrist in diesem Sinne ist, ist Auslegungsfrage, die vor allem nach dem Zweckder Regelung zu beantworten ist. Um eine Ausschlussfrist handelt es sich immer dann, wennder Sinn der gesetzlichen Regelung mit der Fristbeachtung steht und fällt. Sinn und Zweckdes <strong>§</strong> <strong>18</strong> Nr. 2 und des <strong>§</strong> 22 Nr. 2 <strong>VOB</strong>/A ist einen ordnungsgemäßen Wettbewerb zugewährleisten und eine mögliche Manipulationsgefahr auszuschließen. Insoweit kommteine Wiedereinsetzung nicht in Betracht (VK Nordbayern, B. v. <strong>18</strong>.8.2000 - Az.: 320.VK-3194- <strong>18</strong>/00; 2. VK Bund, B. v. 26.9.2001 - Az.: VK 2 - 30/01).<strong>Angebotsfrist</strong>en im Vergabeverfahren sind auch weder Fristen des Gerichts- noch desVerwaltungsverfahrens. Diese können mangels Regelungslücke und Vergleichbarkeitder Konstellationen auch nicht analog auf das Vergabeverfahren angewendet werden.Ebenso verbietet sich ein "erst-recht-Schluss". Angebotsabgabefristen im Vergabeverfahrenunterscheiden sich nach ihrem Sinn und Zweck grundlegend von den Fristen des GerichtsundVerwaltungsverfahrens. Letztere dienen vorrangig der Beschleunigung des Verfahrens,während die Angebotsabgabefrist im Vergabeverfahren in erster Linie Ausfluss desTransparenz- und des Gleichbehandlungsgebotes ist (2. VK Bund, B. v. 26.9.2001 - Az.: VK2 - 30/01).<strong>97.</strong>6 Begriff der <strong>Angebotsfrist</strong><strong>97.</strong>6.1 Begriff der <strong>Angebotsfrist</strong> nach der <strong>VOB</strong>/A


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 14.03.20104823<strong>§</strong> <strong>18</strong>a Nr. 1 Abs. 1 definiert die <strong>Angebotsfrist</strong> als Frist für den Eingang der Angebote.<strong>97.</strong>6.2 <strong>Angebotsfrist</strong> im Sinne von <strong>§</strong> 107 Abs. 3 GWB4824Zum Verständnis der <strong>Angebotsfrist</strong> im Sinne von <strong>§</strong> 107 Abs. 3 GWB vgl. die Kommentierungzu <strong>§</strong> 107 GWB RZ 1970.<strong>97.</strong>7 Dauer der <strong>Angebotsfrist</strong> (<strong>§</strong> <strong>18</strong> Nr. 1)48254826Nach <strong>§</strong> <strong>18</strong> Nr. 1 ist für die Bearbeitung und Einreichung der Angebote eine ausreichende<strong>Angebotsfrist</strong> vorzusehen, auch bei Dringlichkeit nicht unter 10 Kalendertagen. Dabei istinsbesondere der zusätzliche Aufwand für die Besichtigung von Baustellen oder dieBeschaffung von Unterlagen für die Angebotsbearbeitung zu berücksichtigen.Durch die in <strong>§</strong> <strong>18</strong> Nr. 1 vorgesehene Mindestfrist für die Bearbeitung und Einreichung derAngebote soll sichergestellt werden, dass den Bietern für die Angebotserstellungausreichend Zeit zur Verfügung steht und Nachteile aufgrund einer nichtordnungsgemäßen Kalkulation vermieden werden (2. VK Bund, B. v. 28.09.2005 - Az.:VK 2 – 120/05).<strong>97.</strong>7.1 Angemessenheit der Dauer der <strong>Angebotsfrist</strong>4827Gemäß <strong>§</strong> <strong>18</strong> Abs. 1 Abs. 2 Satz 3 <strong>VOB</strong>/A müssen die - auch verkürzten - Fristen ausreichendsein, um ordnungsgemäße Angebote abgeben zu können. Dies bedeutet, dass derAuftraggeber nur dann von der Verkürzung der <strong>Angebotsfrist</strong> Gebrauch machen soll,wenn die <strong>Angebotsfrist</strong> für die teilnehmenden Unternehmen als ausreichend angesehenwerden kann. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit ist entsprechend denRealitäten auszulegen. Abzustellen ist mithin auch auf den Umfang der zu vergebendenLeistung und der Verdingungsunterlagen (1. VK Sachsen, B. v. 9.12.2002 - Az.:1/SVK/102-02).<strong>97.</strong>7.2 Engagement und Personaleinsatz der Bewerber48284829Es bleibt der Organisation und damit der Risikosphäre eines Bieters überlassen, mitwelchem Engagement und Personaleinsatz er sich an einer Ausschreibung beteiligt. Erkann aber umgekehrt einen zu knappen Personaleinsatz nicht dem Auftraggeberentgegenhalten, indem er geltend macht, eine <strong>Angebotsfrist</strong> sei zu knapp bemessen (VKLüneburg, B. v. 20.11.2000 - Az.: 203-VgK-13/2000).Vgl. im Einzelnen die Kommentierung RZ 1974.<strong>97.</strong>7.3 Dauer der <strong>Angebotsfrist</strong> bei Parallelausschreibungen(einschließlich eines Generalunternehmerangebots)


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 14.03.20104830Bei der Bemessung der Dauer der <strong>Angebotsfrist</strong> für die Abgabe eines vollständigausgepreisten, mit einer Nachunternehmerliste versehenen Generalunternehmerangebots ist zubedenken, dass die entsprechenden Vorgaben der <strong>VOB</strong>/A gerade auf eher kleinteiligelosweise Vergaben zugeschnitten sind und damit für die Beurteilung einerGeneralunternehmerausschreibung nicht geeignet sind. Es dürfte (sieht man von derDringlichkeitsfrist von 10 Tagen ab) für einen Einzellosbieter unproblematisch sein, auchinnerhalb einer (abgekürzten) <strong>Angebotsfrist</strong> von 36 Tagen die entsprechenden Unterlagen zubearbeiten und die Preise zu kalkulieren. Dies liegt daran, dass er innerhalb seines gewohntenTätigkeitsfeldes agiert und auch nur für dieses ein Angebot abgibt. Bei einemGeneralunternehmer ist dies jedoch nicht der Fall. Er ist üblicherweise auf dem Gebietdes Bauhauptgewerbes tätig und muss sich für einen Großteil der ausgeschriebenen Losezuverlässige Nachunternehmer suchen und diese entsprechend an sich binden. Hinzukommt, dass auch Personal gebunden wird, um die vom Generalunternehmer im eigenenUnternehmen durchgeführten Leistungen zu kalkulieren. Dieses Vorgehen erfordert nachoben stehenden Erwägungen deutlich mehr Zeit und Personal als bei der Bearbeitung einesAngebots zu einem Einzellos. Insoweit ist eine <strong>Angebotsfrist</strong> von 41 Tagen nichtausreichend (1. VK Sachsen, B. v. 1.2.2002 - Az.: 1/SVK/139-01).<strong>97.</strong>7.4 Dauer der <strong>Angebotsfrist</strong> bei ÖPP-Projekten4831Die Frist soll bei solchen Projekten im Baubereich die Erstellung eines sorgfältigen Angebots,die Zeit zur Übermittlung des Angebots und den zusätzlichen Aufwand zur Besichtigung vonBaustellen oder die Beschaffung von Unterlagen berücksichtigen. Unter anderem muss denBietern auch ausreichend Zeit für die Klärung der steuerrechtlichen Vor- und Nachteileeines Gesamtpaketes, das sie anbieten möchten, zur Verfügung gestellt werden. Beikomplexen ÖPP-Modellen ist insgesamt eine den Schwierigkeiten angepasste, ehergroßzügige Fristsetzung angeraten (Bundesministerium für Verkehr, Bau undStadtentwicklung, Gutachten PPP im öffentlichen Hochbau, 19.9.2003, Band II: RechtlicheRahmenbedingungen, Teilband 2: Vergaberecht, Steuerrecht, Recht der öffentlichenFörderung, S. 343).<strong>97.</strong>7.5 Dauer der <strong>Angebotsfrist</strong> bei Leistungsbeschreibung mitLeistungsprogramm<strong>97.</strong>7.5.1 Richtlinie des VHB 20084832Bei Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm ist die <strong>Angebotsfrist</strong> dem erhöhtenArbeitsumfang entsprechend zu bemessen (Richtlinien zu 111 – Vergabevermerk – Wahl derVergabeart – Ziffer 5.3).<strong>97.</strong>7.6 Heilung einer zu kurz bemessenen <strong>Angebotsfrist</strong>?4833Im Verwaltungsrecht ist anerkannt, dass bei Nichteinhaltung von Verfahrens- undFormfehlern durch die Nachholung der in Frage stehenden Verfahrenshandlung derVerfahrens- bzw. Formfehler geheilt werden kann, <strong>§</strong> 45 VwVfG. Im Interesse derVerfahrensökonomie soll durch diese Vorschriften verhindert werden, dass ein im Übrigen


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 14.03.2010rechtmäßiges Verfahren an der Verletzung von Formalvorschriften scheitert, die für dieVerwaltungsentscheidung an sich nicht weiter maßgeblich sind. Auch wenn dasVergabeverfahren nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet ist und deshalbfraglich ist, ob das VwVfG auch im Nachprüfungsverfahren gilt, kann man dazu neigen, dieseGrundsätze auch im Vergaberecht anzuwenden. Denn auch in diesem formellen Verfahrendarf die Verletzung von Formvorschriften nicht zur Aufhebung des Vergabeverfahrensführen, wenn tatsächlich der mit der Formvorschrift bezweckte Erfolg auf anderem Wegeerreicht worden ist, ohne die Rechte des Bieters im Ergebnis einzuschränken (2. VK Bund, B.v. 17.4.2003 - Az.: VK 2 - 16/03).4833/1In einer späteren Entscheidung verbietet die 2. VK Bund einen Zuschlag u.a. wegenNichteinhaltung der <strong>Angebotsfrist</strong>; problematisch ist die Nichteinhaltung sowohl imHinblick auf den erheblichen Umfang der Ausschreibung, als auch unter dem Aspektfehlender Angaben zu den Kalkulationsgrundlagen (2. VK Bund, B. v. 15.11.2007 - Az.:VK 2 - 123/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 120/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 117/07,B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 114/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 108/07, B. v.15.11.2007 - Az.: VK 2 - 105/07; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07).<strong>97.</strong>7.7 Sofortige Prüfungspflicht der Verdingungsunterlagen durch dieBewerber?4834Die Bieter sind nicht verpflichtet, die Verdingungsunterlagen sofort nach dem Empfangauf Vollständigkeit, Angemessenheit des Kostenbeitrages oder möglicherweise Problemen beider Arbeit mit den Datenträgern zu überprüfen, da davon auszugehen ist, dass dieVergabestelle ordnungsgemäße Verdingungsunterlagen zur Verfügung stellt, die einereibungslose Angebotserarbeitung sowohl auf elektronischem Wege als auch schriftlichermöglichen (VK Magdeburg, B. v. 6.3.2000 - Az.: VK-OFD LSA-01/00).<strong>97.</strong>7.8 Obliegenheit der interessierten Unternehmen zur Vorbeugungder Verkürzung der Kalkulationsfrist4834/1Soweit sich eine angemessene und ausreichende <strong>Angebotsfrist</strong> für interessierteUnternehmen individuell verkürzt hat, weil sie von der Ausschreibung erst später Kenntnisnahm, erwachsen hieraus für den Auftraggeber keine besonderen Verpflichtungen.Insbesondere ist der Auftraggeber deswegen nicht gehalten, die <strong>Angebotsfrist</strong> zuverlängern. Er ist insoweit auch nicht verpflichtet, im Hinblick auf etwaigePostlaufzeiten die Verdingungsunterlagen anders als auf einfachem Postwege zuversenden. Es ist Sache der interessierten Unternehmen, einer weiteren Verkürzung desihnen zur Verfügung stehenden Zeitraums für die Angebotserstellung durch geeigneteMaßnahmen, z. Bsp. Abholung der Verdingungsunterlagen oder Beauftragung einesExpressdienstes, vorzubeugen (OLG Naumburg, B. v. 29.04.2008 - Az.: 1 W 14/08).<strong>97.</strong>7.9 Verlängerung der <strong>Angebotsfrist</strong>4834/2Hinsichtlich der Entscheidung über die Verlängerung der <strong>Angebotsfrist</strong> wegen vonBewerbern gestellten Fragen steht dem öffentlichen Auftraggeber ein Ermessen zu. Beider Ausübung dieses Ermessens darf der Auftraggeber berücksichtigen, welchen Umfang z.B.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 14.03.2010die Antworten auf Fragen haben, die Kompliziertheit von Sachverhalten etc. DerAuftraggeber darf dabei auch berücksichtigen, ob und welches Risiko besteht, dass einNachprüfungsverfahren wegen einer von ihm abgelehnten Verlängerung der <strong>Angebotsfrist</strong>oder wegen einer zu kurz bemessenen Verlängerung eingeleitet wird, zumal dann, wenn eineAussicht auf Erfolg dieses Nachprüfungsverfahrens nicht von vornherein ausgeschlossenwerden kann. Die Grenze sachgerechter Ermessensausübung bei der Entscheidung über dieVerlängerung der <strong>Angebotsfrist</strong> durch den Auftraggeber ist erst dann überschritten, wennsachfremde Erwägungen bei dieser Entscheidung eine Rolle spielen. Eine solchesachfremde Erwägung wäre dann zu bejahen, wenn einem "bestimmten" präferiertenBieter noch die fristgerechte Abgabe eines Angebotes ermöglicht werden soll. Das liefeauf eine vergaberechtswidrige Manipulation des Ergebnisses des Vergabeverfahrens hinaus(OLG Brandenburg, B. v. 12.01.2010 - Az.: Verg W 5/09).4834/34834/4Bei einer Verlängerungsentscheidung stellt es auch keinen Verstoß gegen das Vergaberechtdar, wenn die <strong>Angebotsfrist</strong> erst kurz vor deren Ablauf verlängert wird (OLGBrandenburg, B. v. 12.01.2010 - Az.: Verg W 5/09).Dass neben der Notwendigkeit einer gleichzeitigen Bekanntgabe der Verlängerung der<strong>Angebotsfrist</strong> an alle Bieter für ihre Wirksamkeit noch weitere formelle Anforderungen- wie z.B. die Veröffentlichung der Angebotsverlängerung im Rahmen einer EU-Bekanntmachung - bestehen, ist den Regelungen der <strong>§</strong><strong>§</strong> <strong>18</strong>, <strong>18</strong>a <strong>VOB</strong>/A bzw. VOL/A nichtzu entnehmen und wird auch nach den Vorgaben (Art.38) der Richtlinie 2004/<strong>18</strong>/EG desEuropäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung derVerfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträgenicht gefordert (OLG Celle, B. v. 04.03.2010 – Az.: 13 Verg 1/10).<strong>97.</strong>7.10 Regelung des HVA B-StB 03/2006 zur <strong>Angebotsfrist</strong>4835Der Eröffnungs-/Einreichungstermin ist grundsätzlich nicht auf einen Tag nach arbeitsfreienTagen zu legen. Den Bietern ist nach den Erfordernissen des Einzelfalls ausreichend Zeit fürdie Angebotsbearbeitung zu geben. Die Mindestfristen gemäß <strong>§</strong> <strong>18</strong> bzw. <strong>§</strong> <strong>18</strong>a <strong>VOB</strong>/A sindnicht als Regelfristen zu verwenden (Ziffer 1.1 Nr. 9).<strong>97.</strong>8 Ende der <strong>Angebotsfrist</strong> (<strong>§</strong> <strong>18</strong> Nr. 2)4836Die <strong>Angebotsfrist</strong> läuft ab, sobald im Eröffnungstermin der Verhandlungsleiter mit derÖffnung der Angebote beginnt.<strong>97.</strong>8.1 Bedeutung des Ablaufes der <strong>Angebotsfrist</strong> für die Wertung48374838Einmal ist für die Wertung das Angebot in dieser zum Eröffnungstermin vorliegendeninhaltlichen und formellen Form zugrunde zu legen (VK Münster, B. v. 15.1.2003 - Az.:VK 22/02; VK Nordbayern, B. v. <strong>18</strong>.8.2000 - Az.: 320.VK-3194-<strong>18</strong>/00).Zum andern werden nach <strong>§</strong> 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe a) <strong>VOB</strong>/A Angebote, die imEröffnungstermin dem Verhandlungsleiter bei Öffnung des ersten Angebots nichtvorgelegen haben, ausgeschlossen, ausgenommen Angebote nach <strong>§</strong> 22 Nr. 6 <strong>VOB</strong>/A.


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 14.03.2010<strong>97.</strong>8.2 Setzung unterschiedlicher Fristen für die Einreichung derAngebote und der Eröffnung der Angebote483948404841Die Setzung unterschiedlicher Fristen für die Einreichung der Angebote und derEröffnung der Angebote widerspricht <strong>§</strong> <strong>18</strong> Nr. 2 <strong>VOB</strong>/A, der das Ende der <strong>Angebotsfrist</strong>mit der Eröffnung zusammenfallen lässt (BayObLG, B. v. 21.12.2000 - Az.: Verg 13/00;VK Düsseldorf, B. v. 21.10.2008 - Az.: VK – 34/2008 – B; VK Thüringen, B. v. 15.11.2000 -Az.: 216-4002.20-041/00-G-S). Diese Koppelung wird zudem durch die Regelung des <strong>§</strong> 22Nr. 6 Abs. 1 <strong>VOB</strong>/A verdeutlicht, der sogar Angebote zulässt, die zwar aus nicht vom Bieterzu vertretenden Umständen bei Eröffnung der Angebote dem Verhandlungsleiter nichtvorlagen, aber schon derart in den Machtbereich des Auftraggebers gelangt waren, dass voneinem wirksamen Zugang des Angebots auszugehen ist (1. VK Sachsen, B. v. 22.2.2000 -Az.: 1/SVK/4-00; OLG Dresden, B. v. 14.4.2000 - Az.: WVerg 0001/00).Da aber jeder Bieter damit rechnen muss, bei einer gegen <strong>§</strong> <strong>18</strong> Nr. 2 <strong>VOB</strong>/A verstoßendenAnkündigung mit einem im Sinne der Ankündigung nicht fristgemäßen Angebotausgeschlossen zu werden, muss er, um dem zu begegnen, in der Frist des <strong>§</strong> 107 Abs. 3GWB das zeitliche Auseinanderfallen von Angebots- und Eröffnungsterminbeanstanden (OLG Dresden, B. v. 14.4.2000 - Az.: WVerg 0001/00).Zum Ausnahmefall der Parallelausschreibung vgl. RZ 5093.<strong>97.</strong>8.3 Ende der <strong>Angebotsfrist</strong> an einem Sonntag4842Bei einem auf einen Sonntag festgesetzten Frist zur Abgabe der Angebote endet die<strong>Angebotsfrist</strong> mangels besonderer Vereinbarung gemäß <strong>§</strong> 193 BGB am Montag um 24.00Uhr (Thüringer OLG, B. v. 14.11.2001 - Az.: 6 Verg 6/01; VK Thüringen, B. v. 24.10.2001 -Az.: 216-4003.20-124/01-EF-S).<strong>97.</strong>8.4 Einheitlicher, auf den ersten Eröffnungstermin festgesetzterFristablauf für alle Angebote bei Parallelausschreibungen4843Gegen die Parallelausschreibung als solche sowie gegen die Festsetzung gestaffelterEröffnungstermine für das Generalunternehmerangebot und die einzelnen Fachlose bestehenkeine Bedenken. Auch die Bestimmung des ersten Eröffnungstermins(Generalunternehmerangebot) als Frist für die Einreichung aller Angebote - auch soweitfür sie ein späterer Eröffnungstermin festgesetzt ist - steht mit dem Vergaberecht inEinklang. Nach <strong>§</strong> <strong>18</strong> Nr. 2 <strong>VOB</strong>/A läuft die <strong>Angebotsfrist</strong> ab, sobald im Eröffnungsterminder Verhandlungsleiter mit der Öffnung der Angebote beginnt. Dies lässt für die Festsetzungeiner gesonderten Einreichungsfrist, die schon vor dem Eröffnungstermin abläuft,grundsätzlich keinen Raum. Dem steht jedoch nicht entgegen, im Verfahren derParallelausschreibung mit gestaffelten Eröffnungsterminen den ersten, derGesamtleistung geltenden Eröffnungstermin als für das Ende der <strong>Angebotsfrist</strong>maßgeblich zu erklären. Hierfür spricht die besondere wettbewerbliche Situation imParallelverfahren. Es muss Vorsorge dagegen getroffen werden, dass Bieter aus derKenntnis der Eröffnung der Angebote für die Gesamtleistung Wettbewerbsvorteile für ihre


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 14.03.2010erst später zu eröffnenden Angebote für Fachlose ziehen können (1. VK Sachsen, B. v.1.2.2002 - Az.: 1/SVK/139-01). Ein einheitlicher, auf den ersten Eröffnungsterminfestgesetzter Fristablauf für alle Angebote ist zweifellos geeignet, jegliche Gefahr in dieserRichtung von vornherein auszuschließen (BayObLG, B. v. 21.12.2000 - Az.: Verg 13/00; VKNordbayern, B. v. 27.11.2000 - Az.: 320.VK-3194-30/00).<strong>97.</strong>8.5 Verlängerung des Endes der <strong>Angebotsfrist</strong><strong>97.</strong>8.5.1 Zulässigkeit der Verlängerung4844Eine Verlängerung des Endes der <strong>Angebotsfrist</strong> ist nach der Rechtsprechung zulässig.<strong>97.</strong>8.5.2 Information aller Bieter4845Die Vergabestelle verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz des GWB <strong>§</strong> 97 Abs. 2, <strong>VOB</strong>A <strong>§</strong> 8 Nr. 1 Satz 1, wenn sie zunächst entgegen <strong>VOB</strong> A <strong>§</strong> <strong>18</strong> Nr. 2 als Termin derAngebotsabgabe einen vor dem Eröffnungstermin liegenden Tag benennt, dann aber die<strong>Angebotsfrist</strong> bis zum Eröffnungstermin verlängert, ohne sämtliche Bieter entsprechendzu informieren (OLG Dresden, B. v. 14.4.2000 - Az.: WVerg 0001/00).<strong>97.</strong>8.5.3 Aufhebung der Ausschreibung bei Verfahrensfehlern imZusammenhang mit der Verlängerung48464847Ist die Verlängerung des Endes der <strong>Angebotsfrist</strong> verfahrensmäßig fehlerhaft, kann eineVergabekammer zu Recht die Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens annehmen und mit derEntscheidung, das Vergabeverfahren aufzuheben, eine im Sinne des <strong>§</strong> 114 Abs. 1 Satz 1GWB geeignete Maßnahme treffen, um die Rechtsverletzung zu beseitigen (OLG Dresden, B.v. 14.4.2000 - Az.: WVerg 0001/00).leer<strong>97.</strong>8.6 Regelung des HVA B-StB 03/20064848Nach Ablauf der <strong>Angebotsfrist</strong>, aber vor Öffnung des ersten Angebotes eingegangeneAngebote sind zu berücksichtigen (Ziffer 2.3 Nr. 9).<strong>97.</strong>9 Nennung unterschiedlicher <strong>Angebotsfrist</strong>en durch denAuftraggeber4848/1Werden für die Abgabefrist unterschiedliche Termine genannt, weil in der Ausschreibungals Termin z.B. der 19.11.2008 0.00 h genannt und in den Verdingungsunterlagen als Terminder 19.11.2008 24.00 h aufgeführt ist, sind diese Zeitangaben nicht identisch, weil mit 0.00 hein Tag beginnt, während er mit 24.00 h endet, gehen diese Widersprüche zwischen


Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 14.03.2010Bekanntmachung und Verdingungsunterlagen zu Lasten des Auftraggebers, so dasszugunsten der Bieter die längere Frist gilt (OLG München, B. v. 02.03.2009 - Az.: Verg01/09).<strong>97.</strong>10 Zurückziehung von Angeboten (<strong>§</strong> <strong>18</strong> Nr. 3)4849Bis zum Ablauf der <strong>Angebotsfrist</strong> können Angebote in Textform zurückgezogen werden.<strong>97.</strong>10.1 Möglichkeit der Zurückziehung durch Abgabe einesunvollständigen Angebots?4850Ein Bieter, der kein annahmefähiges Angebot abgegeben hat, weil in seinem Angebot in derAusschreibung geforderte Erklärungen fehlen (z. B. eine Nachunternehmererklärung), ist ansein Angebot nicht gebunden. Räumt man diesem Bieter die Möglichkeit ein, über seinAngebot nach Angebotsergänzung zu disponieren (z. B. Ergänzung des Angebots), hätte esdieser infolge seines nicht annahmefähigen Angebots nicht gebundene Bieter nach demEröffnungstermin in der Hand, in Kenntnis des Ergebnisses der Ausschreibung sein Angebotentweder durch Nachreichen der im Angebot nicht enthaltenen Erklärung annahmefähig zumachen oder durch die Weigerung, sein Angebot entsprechend den Anforderungen derAusschreibung zu vervollständigen, den Ausschluss des Angebots herbeizuführen und somitsein Angebot entgegen den rechtlichen Vorgaben des <strong>§</strong> <strong>18</strong> Nr. 3 <strong>VOB</strong>/A faktisch auchnach Ablauf der <strong>Angebotsfrist</strong> zurückzuziehen. Da dem Bewerber somit nur unterSchädigung des Wettbewerbs die Möglichkeit eingeräumt werden könnte, sein Angebot durchNachholung der fehlenden Erklärungen zu vervollständigen, ist in diesen Fällen dasAngebot auszuschließen (BayObLG, B. v. 19.3.2002 - Az.: Verg 2/02; VK Südbayern, B. v.1.7.2003 - Az.: 22-06/03, B. v. 12.3.2003 - Az.: 04-02/03; VK Nordbayern, B. v. 13.11.2002 -Az.: 320.VK-3194-35/02).<strong>97.</strong>10.2 Änderung von Angeboten4851Auch nachträgliche Korrekturen eines Angebotes sind nur bis zum Ablauf der<strong>Angebotsfrist</strong> möglich, um letztlich eine Gleichbehandlung aller Bieter zu gewährleisten (2.VK Bund, B. v. 10.10.2002 - Az.: VK 2 - 76/02; VK Münster, B. v. 25.2.2003 - Az.: VK01/03).<strong>97.</strong>10.3 Begriff der Textform4852In <strong>§</strong> <strong>18</strong> Nr. 3 sind die Worte „schriftlich, fernschriftlich, telegrafisch oder digital“ durch dieWorte „in Textform“ ersetzt. Zur Bestimmung des Begriffs der Textform ist auf <strong>§</strong> 126bBGB zurückzugreifen. Danach fallen unter den Begriff der Textform zum einenschriftliche Urkunden, aber auch jede andere lesbare Form, sofern die dauerhafteWiedergabe in Schriftzeichen gewährleistet ist und die Person des Erklärenden genanntwird. Taugliche Medien für die Übermittlung in Textform sind insbesondere Telefax,CDs, Disketten und E-Mails aber natürlich auch herkömmliche Schriftstücke.

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