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4. Vorlesung am 31. März 2003 Die Wertestrukturen lösen sich im ...

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560.006 Neue Ansätze in der Medienwissenschaft (2 VO) Kacianka, SS <strong>2003</strong><strong>4.</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>am</strong> <strong>31.</strong> März <strong>2003</strong><strong>Die</strong> <strong>Wertestrukturen</strong> lösen <strong>sich</strong> <strong>im</strong> Zuge der zivilisatorischen Entwicklung in Werte-Relativität auf.Jean Baudrillard unterscheidet 4 Stufen:1. Das natürliche Stadium (stade naturel) vgl. Tauschhandel2. Das kommerzielle Stadium (stade marchand), auch Stadium des Handels.Es kommt zur Verstädterung der Kultur. Geld wird zum Leitmedium.3. Das strukturale Stadium (stade structural) ca. 2. Hälfte des 20 Jh.Es kommt zu Machtstrukturen und zu Inszenierungen der Macht. Soziale Interaktionenwerden zu Inszenierungen. Es kommt zu einem Gesellschaftsvertrag,zur Verinnerlichung äußerer Normen.<strong>4.</strong> Das fraktale Stadium (stade fractal), an dieser Schwelle befinden wir uns heute.Wir werden zu „Funktionseinheiten“.Elemente werden in ihrem funktionalen Zus<strong>am</strong>menhang gesehen und nichtmehr als Individuum. Indifferenz („e-quality“) herrscht vor.In diesem Zus<strong>am</strong>menhang sei an die Postman’sche Gliederung in Werkzeugkultur,Technokratie und Technopol erinnert bzw. an McLuhans orale Kultur, Manuskriptkulur,Gutenberg-Galaxis und das elektronische Zeitalter.Baudrillard unterscheidet auch 4 Arten von Bildern, die den Menschen zu historischenund zivilisatorischen je anderen Rahmenbedingungen die Wirklichkeit vermittelthaben: Das Bild1. ist Reflex einer tieferliegenden Realität. Das Bild Gottes ist die Idee einersinnstiftenden Instanz, welche dem Leben Sinn gegeben hat.2. maskiert und denaturiert eine tieferliegende Realität.Das Bild Gottes gerät unter Legit<strong>im</strong>ationszwang.3. maskiert eine Abwesenheit einer tieferliegenden Realität. Das Bild Gottes wirdals sinnstiftende Instanz verkauft (Nietzsche „Gott ist tot“).<strong>4.</strong> verweist auf keine Realität: Das Bild ist sein eigenes S<strong>im</strong>ulakrum.An dieser Stelle befinden wir uns heute. Das Wirklichkeitserlebnis ist nur mehrdurch Medien möglich – Wirklichkeit wird nur mehr medial vermittelt. S<strong>im</strong>ulakrentreten an die Stelle der Wirklichkeit. Wir brauchen keine anderen Menschenmehr.Digitale Technik verändert grundsätzlich Bilder (vgl. Baudrillards 4 Stufen der Bilder).Das digitale Sehen ist kein richtiges Sehen mehr.Wir denken in Bildern. Das kollektiv Imaginäre reguliert die Bilder, richtet sie ausund gewährleistet deren Verbindlichkeit.Werbung ist ein Zeichenprozess. <strong>Die</strong> Bilder wollen nicht mehr aufklären, sondernbewegen. Bilder sind in ihrer Lernwirkung nur noch dort gegeben, wo emotionale Bereicheangesprochen werden. Dann erst erhält Werbung eine rationale Nachhaltigkeit.<strong>4.</strong> VL <strong>am</strong> <strong>31.</strong> März <strong>2003</strong> Seite 1


560.006 Neue Ansätze in der Medienwissenschaft (2 VO) Kacianka, SS <strong>2003</strong>Hans Ulrich Reck: „Kunst als Medientheorie“.Kunst ist aber auch Medienbewusstsein zB Cezanne.Das Bildproblem wurde zum bildtheoretischen Problem, welches die Realität inFarbwelten analysiert. <strong>Die</strong> Kunst wird <strong>sich</strong> ihrer Medialität bewusst.Der Medienbegriff wurde verfeinert, da Kunst Kritik an neuen Technologien übenkann. Das führt zu einer Medienkompetenz (Kunst will keinen neuen Medienbegriffdefinieren).Medien normieren, standardisieren, homogenisieren die Welt – Kultur<strong>im</strong>perialismus.(zB 80 % der Medienprodukte kommen aus den USA)Coca-Colonisierung:Akkulturation (Übernahme fremder geistiger und materieller Kulturgüter durch Einzelpersonenoder ganze Gruppen)Dh Menschen eines best<strong>im</strong>mten Gebietes werden mit anderen Kulturen „zwangsbeglückt“.Das geschieht durch Massenmedien.Enkulturation (das Hineinwachsen des Einzelnen in die Kultur der ihn umgebendenGesellschaft) Dh kulturelle (natürliche) Sozialisation und Entwicklung. <strong>Die</strong>se bietetein Gegengewicht zu den Medien.Eine weitere Definition für Medium:Instrument, um Kommunikation stattfinden zu lassen (soziale Kommunikation) zBSprache. Daraus folgt: Instrumente sind mit Mitteln der Semiologie analysierbar.Reck: Der Medienbegriff ermöglicht die Beschreibung von Sachverhalten.Er beschreibt wie Sachverhalte einerseits durch Maschinen umformiert, moduliert,verändert werden und andererseits, wie <strong>im</strong> neuronalen Kortex all diese Informationen/Sachverhalteprozessiert werden.Es gibt kein Medium, das nicht ohne die Mitarbeit des Einzelnen funktioniert.ZB Ein Buch entsteht <strong>im</strong> Kopf des/der Lesers/Leserin. <strong>Die</strong> Mitarbeit ist wichtig, dasonst nichts mit dem Buch passiert.<strong>Die</strong> Kunst ist ein Medium, das darauf angewiesen ist, sprachlich artikuliert zu werden.Das ist jedoch paradox, da es einerseits ein Kunstwerk ist und somit einzigartigund andererseits beispielhaft. Das führt zu einer Spannung zwischen Singularitätund Exempel, was wiederum interessant für die Medienwissenschaft ist.(<strong>Die</strong> Idee von Reck bezieht <strong>sich</strong> nicht auf die 3 herkömmlichen Ebenen vgl. Kittler.)Das „www“ ist eine Pentagonerfindung.Das Militär nutzt die Medien zur Fernaufklärung nach dem Motto „Sehen ist gleichTod“ (wer zuerst gesehen wird, stirbt vgl. Waffensysteme in Kriegsflugzeugen).Mediengebrauch ist niemals exklusiv vorhersehbar (wofür das Medium gebrauchtwerden wird/kann).Brecht/Benj<strong>am</strong>in: Medien sind emanzipatorische Elemente (politisch gesehen),zB Radio, Film usw. Es ist eine Neuauflage der Aufklärung sozial niederer Schichten.Sie sollen eine Weiterbildung in Politik erhalten.Es stellt <strong>sich</strong> dann aber auch die Frage des Zugangs, der Distribution – wer darf (zBkriegskritische Seiten <strong>im</strong> www werden in den USA zensiert) bzw. kann (zB finanzielleMittel) darüber verfügen?<strong>4.</strong> VL <strong>am</strong> <strong>31.</strong> März <strong>2003</strong> Seite 2


560.006 Neue Ansätze in der Medienwissenschaft (2 VO) Kacianka, SS <strong>2003</strong>Dabei entwickelte zB das Geld eine Eigendyn<strong>am</strong>ik. Es wurde zum Leitmedium undhat die ganze Gesellschaft verändert. Es herrschte zuvor kein Wertegebäude wieheute.Es findet eine Verkopplung auf den Ebenen der Medienkunst statt. Man muss <strong>sich</strong>bewusst machen, dass dies passiert und dass es auf mehreren Ebenen stattfindet(Es betrifft alle Ebnen eines Betrachters, auch sein Hintergrundwissen.). Das führtnatürlich zu einem neuen Zugang zur medial geprägten Wirklichkeit.So entsteht ein neuer Kontext, eine neue Metapher.<strong>Die</strong>se Verkopplung regt zum Denken an.Phantasie wird technisch geprägt und vereinnahmt.Reck: „das Techno-Imaginäre“ wird geprägt durch:• * Digitale Materielosigkeit* Keine Be-Grifflichkeit in der Realität. Es ist alles nur auf „0“ und „1“ beschränktund findet auf dem Bildschirm, <strong>am</strong> Computer statt.* Verständnis als Metapher• <strong>Die</strong> Tatsache, dass das Digitale die Phantasie übernommen hat.Es ist keine Transzendenz hinter dem www mehr erkennbar.(Gott)All<strong>Die</strong> Rückkopplung zwischen All und Gottwurde wegdiskutiert durch das www.Es kommt zu einer Pseudotranszendenz.Massenmedien(www)Alles was Wirklichkeit vermittelt, ist technisch und medial.Das „Techno-Imaginäre“ erzeugt Wirklichkeit als solche. Das S<strong>im</strong>ulakrum wird selbstzur Wirklichkeit, es verliert den Bezug zur Gegenwelt. Es existieren nur mehr errechnete/digitaleBilder (Stichwort: Aisthesis).„Wirklich ist, was Wirkung zeigt“<strong>4.</strong> VL <strong>am</strong> <strong>31.</strong> März <strong>2003</strong> Seite 4

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