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drr_extra_hng - Der Rechte Rand

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INFORMATIONEN VON UNDFÜR ANTIFASCHISTINNENTEXTE ZUR HNGDERRECHTERAND


»...helft den Kameraden im Knast!«Seit vielen Jahrzehnten kümmern sich Gefangenenhilfsorganisationen der extremen <strong>Rechte</strong>n um inhaftierteGesinnungsgenossen. Die »Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V.«, die im April2009 seit 30 Jahren besteht, hat in diesem Bereich inzwischen die eindeutig dominierende Stellung.Von Christian Dornbusch & Jan RaabeAm Anfang stehen rassistisch oder politisch aufgeladeneGewalt, volksverhetzende Parolen beziehungsweise Aussagenoder das Zeigen verbotener Symbole. Es folgen Festnahmeund Vernehmungen. Bis zur Anklageerhebung und zumgerichtlichen Verfahren dauert es in der Regel eine Weile. DieAngeklagten hoffen, manchmal betreut durch einen kundigen,mit der extrem rechten Szene wohl vertrauten Anwalt, auf eineBewährungsstrafe. Doch nicht immer geht es so glimpfl ich fürsie aus. Gerade bei Verfahren wegen schwerer Körperverletzungsteht am Ende häufi g eine Gefängnisstrafe. Was das bedeutet,begreifen die in der Regel jüngeren männlichen Tätererst, wenn sich die Zellentür hinter ihnen schließt. Wo vorhernoch »Kameraden« waren, die sie bestätigten, sind sie nunauf sich allein gestellt. Mit etwas Glück sitzen in der JVA andereNeonazis ein – besonders in Regionen, in denen Neonazisoffen agieren und die Verurteilten nahe am Heimatort einsitzen,ist das manchmal der Fall, jedoch nicht die Regel. Wasfolgt, ist eine von vielen Gefangenen als erdrückende Ruhebeschriebene Situation mit hohem psychosozialen Druck. <strong>Der</strong>Knast ist ein deutlicher Einschnitt im Leben, da hilft auch kein»Kleiner Wegweiser durch den Knastalltag«, wie ihn das Magazin»Widerstand« veröffentlichte. Und es hilft auch nicht, dassführende Neonazis die Inhaftierung immer wieder als »leidernicht zu umgehendes Übel in Kampfzeiten« bezeichnen oder»Kameraden« diesen Lebenseinschnitt verklären: »So bist Dunun in Haft, ja, sie haben es geschafft«, dichtet beispielsweise»Kamerad Eike Greß« in einem im Fanzine »Braggi. Reime fürNationalisten« veröffentlichten Gedicht. Ein Namenloser stehtals »nationaler Patriot« vor Gericht, nicht »wegen Raub odergar Mord«. Vorverurteilt sei er und sein »Leben zerstört«. Nursein »Ehrgefühl« sei ihm geblieben, das ihn davor bewahrthabe, mit seiner Weltanschauung zu brechen: »Demütigungenhast Du auf dich genommen, gefestigt bist Du aus der14 DERRECHTERAND | Nummer 117 | März | April 2009^ Titelbild einer Soli-CD für die HNGHaft gekommen. <strong>Der</strong> Kampf mit demSystem hat auf´s Neue begonnen«. Obsich der Inhaftierte – in der Regel jungeMänner zwischen 18 und 35 Jahren– von derart beschwörenden Wortenaufbauen lässt, ist letztlich wohl abhängigvon seiner psychischen Verfasstheitund davon, ob die »Kameraden« vondraußen ihn nicht vergessen, beziehungsweisedie sozialen Netzwerke, dieim Alltag das neonazistische Spektrumzusammenschweißen, auch bis in dieJVA hinein wirken.HilfsorganisationenUm diese Belastungssituation wissend,kümmer(te)n sich seit vielen Jahreneigene Organisationen der extremen<strong>Rechte</strong>n um diese auf sich gestellten»Kameraden«. Vorbild finden sie inHilfsorganisationen wie der am Endedes Zweiten Weltkriegs initiierten »StillenHilfe« oder dem nach dem Krieggegründeten »Bundesverband der ehemaligenInternierten und Entnazifizierungsgeschädigten«sowie der »Interessengemeinschaftder Entnazifizierungsgeschädigten«.Initiativen und Vereinewie die »Braune Hilfe« (Bremen) in den1970er Jahren, das »Hilfskomitee fürnationale politische Verfolgte und derenAngehörige e. V.« in den 1980er Jahrenoder aktuell der »JVA-Report« aus Brandenburg,der von einem einsitzendenNeonazi gemeinsam mit anderen inhaftierten»Kameraden« und Gewährsleutendraußen produziert wird, kümmernsich um inhaftierte Gesinnungsgenossenund versuchen deren Moral und vorallem deren Glauben an die Bedeutungdes neo-nationalsozialistischen Kampfesaufrecht zu halten. Besonders ist jedochdie »Hilfsorganisation für nationalepolitische Gefangene und deren Angehörigee. V.« (HNG) hervorzuheben.HNG»Werdet Mitglieder und helft den Kameradenim Knast! Solidarität ist unsereWaffe!«. Die HNG ist die am Längstenkontinuierlich aktive Gefangenenhilfsorganisationder extremen <strong>Rechte</strong>n,demnächst feiert sie ihr dreißigjährigesBestehen. Ihr Logo besteht aus einemaufrechten <strong>Rechte</strong>ck mit den Farbenschwarz, weiß, rot. In der Mitte ist einvergittertes Fenster abgebildet, an dessenStäbe »von innen« ein Paar Händefassen. Sie sollen wohl die verzweifelteLage des Inhaftierten symbolisieren.Gegründet wurde die HNG am 20.April 1979 in Frankfurt am Main alsüberparteiliche Organisation. Dem erstenVorstand gehörten Wolfgang Koch,Maria Horn und Henry Beier, der vorherbereits bei der »Braunen Hilfe« inBremen war, an. Am 23. August 2008referierte er auf Einladung durch den»Arbeitskreis Politik« aus dem Spektrumder »Freien Kameradschaften« inDresden.Mitglied werden, hieß es schon damalsim Vereinsstatut, könne jeder,»der Nationale Interessen vertritt.« Diesewürden »vorrangige Unterstützungbei eventueller Verhaftung« erhalten.Das beinhalte: »Bei Festnahme, diemit Haft bedroht, wird nach sofortigemBekanntwerden ein Anwalt eingeschaltet«.Ferner verpflichtete sich der Verein»nach mindestens vierzehntägiger Haft[...] Kontakt zur Familie des Inhaftiertenaufzunehmen«. »Bei längerer Haftzeit«,heißt es weiter, verpflichte sich die HNG,»sich um finanzielle Sorgen der Familied. h. um die Lebensgrundlage zu kümmern.Für etwaige Schulden, Luxusund dergleichen kommt sie nicht auf«.Allerdings hebt der Verein hervor, dass»Waffenhandel und Rauschgift« nichtunterstützt werde und betont, dass dieHNG »keine politische Organisation« seiund »keinerlei politische Propaganda«betreibe. In den folgenden Jahren wurdediese Satzung mehrfach überarbeitet.Zum Vereinszweck heißt es heute in § 2:»Die HNG verfolgt ausschließlich undunmittelbar karitative Zwecke, indem sienationale politische Gefangene und derenAngehörige im Rahmen der ihr zurVerfügung stehenden Mittel unterstützt«.Doch das finanzielle Volumen, über dasder Verein verfügen kann, ist begrenzt.Mitglied kann im Übrigen »jede Personunabhängig vom Geschlecht werden,mit Ausnahme Inhaftierter, die aus anderenals politischen Gründen sich inHaft befinden«. Immerhin, die HNG ver-


steht sich als »parteipolitisch, konfessionellsowie wirtschaftlich neutral«.HNG-Vorstand<strong>Der</strong> Vereinsvorstand hat sich seit 1979mehrfach geändert. Maria Horn schiedbereits 1982 aus dem Gremium aus,woraufhin Friedrich Wüster neu hinzukam.1984 schied Henry Beier aus,dafür rückten Christa Goerth von der»Aktionsfront Nationaler Sozialisten/NationaleAktivisten« und Wolfram Mookauf. 1991 wechselte der komplette Vorstand:Ursula Müller, geborene Jung,wurde mit ihrem Ehemann Kurt FranzMüller Vorstandsmitglied, neben ChristianMalcoci (Jüchen), Waldemar Niklas(Mainz), Markus Privenau (Bremen),Friedrich Illian (Wetzlar) und ChristianSennlaub (Witten). Malcocci, Privenauund Sennlaub wurden zwei Jahrespäter, 1993, von Norbert Weidner(Bonn), Fritz Cuhrts (Ketzin) und DetlefGlock (Salzkotten) ersetzt. Drei Jahrespäter vollzog sich der nächste Wechsel.Niklas, Weidner, Cuhrts und Glockschieden aus dem Vorstand aus, HeinzSteinbrecher (Sprendlingen), HildegardIllian (Wetzlar), Andreas Marhauer(Hildesheim) und Sylvia Endres, heuteverheiratete Fischer (Erolzheim) rücktennach. 1999 kam schließlich nochChristian Wendt (Berlin) neu dazu.Identifi ziert wird die HNG aber inerster Linie mit dem Ehepaar Müllerbeziehungsweise mit Ursula Müller.Vor einigen Jahre sprach die heute 75-Jährige noch häufi ger auf Veranstaltungendes neonazistischen Spektrums,mittlerweile aber ist es ruhiger um siegeworden.HilfeleistungDie HNG entfaltet wenig Außenwirkung.Monatlich publiziert der Verein ein Heftim DIN-A5 Format, ansonsten ist es bisauf Spendenaufrufe in verschiedenenZeitungen ruhig um die Organisation.Doch diese Ruhe sollte nicht täuschen.Das Spezialgebiet der HNG ist die ideelleHilfe, sie organisiert Kontakte zu deninhaftierten Gefangenen, um diese imGefängnis bei der Stange zu halten.»Die H.N.G. sieht es als ihre Aufgabe,den ›PVD´s‹ – den politisch Verfolgtender Demokratie – zu helfen«, erklärteUrsula Müller 1996 im Gespräch mitdem Fanzine »Hamburger Sturm«. DieSatzung der HNG regelt, was die Vereinsmitgliederzu erwarten haben. Dochim Gegensatz zum früheren Leistungskatalogheißt es jetzt nur noch lapidar:»Jedem Mitglied steht die satzungsgemäßeHilfe und Unterstützung zu,sofern es mindestens ein halbes Jahrdem Verein angehört. Ausnahmefällekönnen vom Vorstand beschlossen werden«.Plastischer wird das mit den Wortenvon Ursula Müller im Interview mitdem Fanzine »KdF«: »Die Betreuungbesteht in erster Linie in der brieflichenVerbindung mit den Inhaftierten. Eswerden Pakete zu den »drei Feiertagen«– Geburtstag, Ostern und Weihnachten– verschickt, sofern dem Vorstand Paketmarkenvorliegen. Briefmarken, dieimmer Mangelware sind, werden denBriefen beigelegt, darüber hinaus undsoweit es unsere bescheidenen Finanzenerlauben«, erklärt sie weiter, »zahltdie HNG auch für einen Anwalt«. Dochdie dürften nicht sehr umfangreichsein. Laut »Bundesamt für Verfassungsschutz«soll die HNG rund 600 Mitgliederhaben – der Mitgliedsbeitrag beläuftsich auf vier Euro ermäßigt »für sozialSchwache« und sieben Euro normal.Hinzu kommen Spenden, die teilweisevon Einzelpersonen und Kameradschaftenstammen. Manche dieser Spendenresultieren aus Solidaritätsaktionen wie<strong>extra</strong> für die HNG organisierten Konzertenals auch der Herstellung einer Mini-CD-Compilation mit RechtsRock-Bandssowie dem Vertrieb des »HNG-Unterstützerhemds:vorne - »Ungebrochen«,hinten – »Im Geiste frei«, Ärmel – HNGLogo s-w-r, Lieferbar in allen Größen«.Letztendlich sind die »HNG-Nachrichten«von besonderer Bedeutung, dadarin Listen mit Inhaftierten, die Briefkontakt wünschen, samtderen JVA-Adresse abgedruckt werden. Als vor einigen JahrenRechtsRock-Fanzines noch verbreiteter waren, wurden dieseListen darin teilweise nachgedruckt.»Liebe Ursel«, beginnen ein ums andere mal jene Antwortbriefe,die dann in den »Nachrichten« abgedruckt werden,»vielen Dank für Ihren Brief. Mir geht es soweit gut und neueBrieffreundschaften konnte ich auch schon schließen. Es bauteinen unwahrscheinlich auf, Post von Kameraden zu bekommenund mit diesen Gedanken- und Erfahrungen auszutauschen.Deshalb an dieser Stelle noch mal ein riesiges Dankefür die Aufnahme in die HNGListe!«.SozialarbeiterInnen, die mit Inhaftierten zu tun haben,beobachten, dass die HNG und ihre Aktivisten teilweise gezieltversuchen, Kontakt zu Gefangenen aufzubauen, die wederMitglied sind noch selbst um Unterstützung ersucht haben.Dabei wird es wohl, wie auch bei der Unterstützung dereigenen Mitglieder, darum gehen, zu verhindern, dass sichdie Inhaftierten in dieser schwierigen Situation vom politischenKampf verabschieden.Doch ganz ohne Konsequenzen ist der Kontakt zur HNG fürdie Inhaftierten nicht. Auch wenn die Justizvollzugsangestelltenin der Regel kaum dafür ausgebildet sind, solche die Resozialisierunggefährdenden Kontakte zu unterbinden, kann einBriefwechsel mit der HNG oder der Bezug der »Nachrichten«Konsequenzen haben. In der JVA untersteht die Post der Kontrolleund unter Umständen wird vermerkt, dass ein Inhaftiertermit der neonazistischen Organisation oder anderen NeonazisKontakt unterhalten hat, was, im Fall eines Antrags auf Haftverschonungdie ersehnte Verkürzung der Strafe gefährden kann.POWIn ihren »Nachrichten« verweist die HNG stets auch auf ähnlicheOrganisationen im Ausland. Oft wird im internationalenSprachgebrauch das aus dem angelsächsischen Sprachraumstammende Kürzel POW für die inhaftierten »Kameraden«benutzt: »Prisoner of War«. Verbunden ist damit die Aussage,dass die verurteilten Gewalttäter und Mörder – Deliktewie Volksverhetzung sind in den Ländern häufi g aufgrundeiner anderen Rechtsgeschichte nicht justiziabel – Gefangeneim Krieg gegen beziehungsweise mit dem »System« seien.Manche dieser Organisationen werden, wie »Women forAryan Unity« von den Frauen der Inhaftierten getragen. Auchin Deutschland gab es 1997 den Versuch, eine solche Interessengruppeunter dem Namen »Einfach ins kalte Wassergeworfen!« zu gründen. Doch die von der HNG aufgeführtenausländischen Hilfsorganisationen wie zum Beispiel das »Collectifd´ Entraide aux Prisonniers Europeens« (C.E.P.E.) ausFrankreich bestehen weder so lange wie die HNG noch verfügensie in der Regel über jenen Alleinvertretungsanspruch wiedie HNG in Deutschland.FazitDie HNG ist eine im neonazistischen Spektrum viel zu wenigbeachtete Organisation. Anders als die »Gesellschaft fürfreie Publizistik«, Parteien wie die NPD oder militante Kameradschaftensucht sie nicht direkt die intellektuelle, parlamentarischeoder konfrontative Auseinandersetzung, sondern sieversucht die inhaftierten »Kameraden« in den JVAs mit demAufbau von Brücken und Kontakten auf Linie zu halten. DieHaftzeit bleibt so zwar eine Zäsur im Leben des Aktivisten,aber keine Zeit, in der er sein Leben überdenkt und vielleichteinen anderen Weg einschlägt.DERRECHTERAND | Nummer 117 | März | April 2009 15


Funktionär Markus Privenau war imAnschluss bis 1992 als Verantwortlichertätig. Nach einigen weiteren Führungswechselnin der Leitung der Zeitschriftübernahm Christian Wendt 1998 dasAmt. Dieser war damals Funktionär derNeonazi-Vereinigung »Die Nationalen e.V.« unter Leitung des jetzigen thüringischenNPD-Landesvorsitzenden FrankSchwerdt. Seit 2002 wird das Amt derSchriftleitung der »Nachrichten derHNG« offi ziell von Mareike Brauchitschausgeübt. Dieser Name der Verantwortlichenim Sinne des Presserechts istvermutlich ein Pseudonym. Trotz derzahlreichen Wechsel der Schriftleitungkam es zu keinen entscheidenden inhaltlichenVeränderungen fernab derbewährten Schwerpunkte »Gesinnungsjustiz«,Verehrung von Rudolf Hess undparteiübergreifende »nationale Gefangenenhilfe«.Blatt der SzeneDie »Hilfsgemeinschaft für nationalepolitische Gefangene« nimmt innerhalbdes neonazistischen Spektrums– aufgrund ihres ArbeitsschwerpunktesRepression und Gefangenenhilfe – einezentrale Rolle ein. Bei ihrer Arbeit interessiertsie sich nicht für die jeweiligeGruppenzugehörigkeit der Betroffenen,sondern nur für deren »nationaleGesinnung«. Diese selbsterklärte Neutralitätgegenüber vorhandenen Meinungsdifferenzeninnerhalb der Neonazi-Szenebestärkt die Funktion derHNG als Bindeglied für das gesamteSpektrum. Über die Arbeit der HNG alsHilfsgemeinschaft für von Repressionbetroffene Neonazis hinaus sind die»Nachrichten der HNG« ein bedeutenderMultiplikator bei der eigenen Stilisierungals Opfer des »BRD-Systems«und dessen Vorgehen gegen »nationaldenkendeMenschen«. Sie sprechendabei eine Vielzahl von Neonazis an,die bereits persönliche Erfahrungen mitden Justizbehörden hatten oder bereitendiese vor. Hierbei formiert die HNGin ihren Nachrichten wirkungsvoll die»nationale Bewegung« als SchicksalsundOpfergemeinschaften aufgrundihrer »ungerechtfertigen« Verfolgungenund Bestrafungen durch die Justizbehörden.Die in den »Nachrichten der HNG«veröffentlichten Briefe und Adressender Gefangenen sind nicht nur Berichteüber die Unterstützungsarbeit des Vereins,sondern sie lassen damit die ofteingeforderte »nationale Solidarität« alsreal und machbar erscheinen.^Transparent für die »Kameraden« im Knast unter dem Motto: »Gesinnungsparagraphen abschaffen! –Freiheit für alle nationalen politischen Gefangenen!«Post vom Mörder^ Titelbild des »JVA-Report«Beim groben Durchblättern erscheintder »JVA Report« wie eindurchschnittliches Nazi-Skinzine. Daskopierte A5-Heft hat ein schlechtesLayout, der Schreibstil ist holprig. Dochum Rechtsrock geht es nicht: »EineVernetzung von Kameraden innerhalbund außerhalb der Kerkermauern« willder »JVA Report« ermöglichen. Dassdas Heft ästhetisch in den 1990erJahren stehen geblieben ist, hat eineneinfachen Grund. <strong>Der</strong> Macher sitzt seit<strong>Der</strong> »JVA Report« bietet Knastlektüre für inhaftierteNeonazis. <strong>Der</strong> Macher des Rundbriefs sitzt selbstein: Enrico Hilprecht ist der rassistische Mördervon Alberto Adriano.Von Christoph Schulzedem Jahr 2000 selbst im Gefängnis. Enrico Hilprecht, Jahrgang1975, ist der Mörder von Alberto Adriano. In der Nachtzum Pfi ngstsonntag 2000 traf Hilprecht mit zwei anderen,ebenso volltrunkenen Neonazis im Stadtpark von Dessau aufden 39-jährigen Schwarzen Adriano. Die Rassisten begannenzu pöbeln und bald zu prügeln. Hilprecht trat mit seinen 14-Loch-Springerstiefeln gegen den Kopf seines Opfers. AlbertoAdriano stirbt drei Tage später im Krankenhaus. Hilprechtzeigt sich vor Gericht reuelos und wird, mitten in der damalsbundesweit pulsierenden Debatte um »Rechtsextremismus«,wegen Mordes aus Rassenhass zu lebenslanger Haft verurteilt.Die Haftstrafe verbüßt er derzeit im Gefängnis von Brandenburgan der Havel.Seit dem Jahr 2006 gestaltet Hilprecht den »JVA Report«,von dem bisher zwölf Ausgaben erschienen sind. Die erstenneun trugen allerdings noch den Titel »Freundeskreis Brandenburg«,erst 2007 erfolgte die Umbenennung. Die Nummernzehn und elf sind nicht nur auf deutsch, sondern auchin einer englischen Übersetzung erschienen. Seit geraumerZeit existiert zudem eine Internetpräsenz, von welcher der»JVA Report« heruntergeladen werden kann.Unterstützung von »draußen«Hilprecht kann die Internet-Seite – mangels Netzzugang imGefängnis – nicht selbst gestalten. Viel Logistik steuern Neo-DERRECHTERAND | Nummer 117 | März | April 2009 17


^Oft wird auf Transparenten die Solidarität zu den »Kameraden«bekundet – als Beispiel hier »Landser« – oder allgemein für»Meinungsfreiheit« eingestanden, »koste es was es wolle«.nazis von außerhalb des Gefängnisses bei. Als Kontaktadressediente beispielsweise lange Zeit ein Postfach im brandenburgischenBelzig, das bis etwa 2005 von der mittlerweile inaktivenNeonazigruppe »Preußische Aktionsfront« genutzt wurde. <strong>Der</strong>enAnführer Pascal Stolle saß selbst ein. Wegen eines Überfallsim Jahr 1997 auf die Mitglieder einer linken Punk-Bandwar er zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Inhaber derjetzigen Bezugsadresse, ein Postfach in Wittmund, und einesSpendenkontos für den »JVA Report« ist hingegen StefanRichardt aus dem niedersächsischen Carolinensiel. <strong>Der</strong> gelernteKoch, Jahrgang 1983, stammt ebenfalls aus dem LandBrandenburg und war 2008 in Friesland erfolgloser Kandidatder NPD bei den Landtagswahlen in Niedersachsen.ZielsetzungFür seinen Macher Enrico Hilprecht soll der »JVA Report«nicht nur Zeitvertreib im tristen Knastalltag sein, sondern offenbarpolitisch als Ergänzung zur Gefangenenbetreuung dereinschlägigen »Hilfsorganisation für nationale politische Gefangeneund deren Angehörige« (HNG) wirken. Genau wie dieHNG will der »JVA Report« inhaftierten Neonazis seelsorgerischenZuspruch geben, Ratschläge für und Austausch überden Gefängnisalltag liefern und sie mit inhaltlichen Beiträgenauch ideologisch festigen. Kurzum: Sie sollen bei der Stangegehalten werden, damit sie nach der Haftstrafe wieder politischaktiv werden. Im »JVA Report« wechseln sich antisemitischeKarikaturen ab mit Tipps für den Knastalltag und denüblichen rechten Tiraden (»Deutsches Volk erwache!«, »Dieweiße Rasse ist bedroht«).18 DERRECHTERAND | Nummer 117 | März | April 2009GesprächspartnerDeutlicher Schwerpunkt sind Briefi nterviewsmit anderen inhaftierten Neonazis.Die Liste der Gesprächspartner liestsich wie ein »Who is who« des militantenNazismus. Darunter ist beispielsweiseder verurteilte Naziterrorist Martin Wiese,der 2003 einen Sprengstoffanschlagauf die Grundsteinlegung des neuenjüdischen Kulturzentrums in Münchenplante. Auf mehreren Seiten lässt sichWiese im »JVA Report« darüber aus,wie seiner Ansicht nach der »nationaleKampf« geführt werden solle und wirbtfür die Unterstützung der NPD. Auchder Neonazi-Aktivist Axel Reitz sowieder »Landser«-Sänger Michael »Lunikoff«Regener (beide inzwischen nichtmehr inhaftiert) wurden interviewt. DemNS-Kriegsverbrecher Erich Priebke,Jahrgang 1913, der 1998 in Italien wegenseiner Beteiligung als SS-Offi zier anErschießungen verurteilt wurde und derderzeit deshalb unter Hausarrest steht,wurde ein lobhudelnder Artikel gewidmet– und in der gleichen Ausgabe stolzein Leserbrief von Priebke abgedruckt.Als Autor im »JVA Report« tritt auchKarl Polacek, ehemaliger Funktionär der1995 verbotenen »Freiheitlichen DeutschenArbeiterpartei«, in Erscheinung.Auf der Website wird indes eifrig für»Solidarität mit Kay Diesner« geworben.Diesner, Jahrgang 1972, sitzt in derJVA Lübeck eine lebenslange Haftstrafeab, weil er einen linken Buchhändlerin Berlin-Marzahn mit einer Pumpgunangeschossen und auf der Flucht einenPolizisten erschossen hatte.In der Doppelausgabe 4/5 kommtSebastian Dahl, Jahrgang 1982, ausführlichzu Wort. <strong>Der</strong> Neonazi beschwertsich, dass für seinen Geschmack zuviele Ausländer in der JVA Tegel in Berlineinsitzen – dort ist auch er inhaftiert.Zuvor, in der JVA Brandenburg/Havelhatte es ihm besser gefallen. Nach seinerHaftzeit will er weiter aktiv bleiben:»Politisch werde ich nicht ruhiger werden.Das weiß ich schon heute!« Dahlhatte im Jahr 2001 zusammen mit anderenNeonazis mit Brandsätzen dieBühne des antirassistischen Festivals»Le Monde Est A Nous« in Königs Wusterhausenabbrennen wollen. Die Taterfolgte in der Nacht vor dem Festival.Auf der Bühne schliefen zu dieser Zeitmehrere alternative Jugendliche.Ein weiteres Beispiel: Oliver Oeltze,Jahrgang 1983, war Aktivist der inzwischenverbotenen Berliner »KameradschaftTor« und sitzt derzeit wegen einesÜberfalls im Jahr 2005 im Gefängnis.Eine Gruppe von 15 Neonazis zog in einerTram in Potsdam die Notbremse, alssie auf der Straße zwei Personen sah, diesie der linken Szene zuordnete. Oeltzeund die anderen fielen über die beidenjungen Männer her und zerschlugenFlaschen auf ihren Köpfen. Im Interviewmit dem »JVA Report« (Ausgabe10) wird deutlich, dass Oeltze sich nichtals Täter sondern als politisch Verfolgtersieht: »Eines ist auf jeden Fall sicher,nämlich dass ZOG mich mit der Inhaftierungnicht gebrochen hat und in Zukunftauch nicht brechen wird. Sobaldich wieder draußen bin, wird der Kampfunvermindert stark weitergeführt.«Dahl und Oeltze sind für Hilprechtmit ihren Äußerungen offenbar Musterdafür, wie man sich als Neonazi im Gefängnisverhalten solle: Zum Nationalsozialismusstehen, fest entschlossen,nach der Entlassung so weiterzumachen,wie man zwangsweise aufgehörthatte. Nicht alle sind so vorbildlich: Vieleandere Gefangene interessierten sichzu sehr für »Frauen« und »Fernsehen«,klagt Hilprecht in einem seiner Beiträgeim »JVA Report«.Behörden hilfl os?Die Vernetzungsarbeit unter militantenNeonazis, die der rassistische MörderEnrico Hilprecht mit seinem »JVA Report«aus dem Gefängnis heraus leistet,hat bisher erstaunlich wenig Reaktionender Behörden hervorgerufen. Immerhinwird in Niedersachsen inzwischenwegen der Darstellung verbotener Nazisymbolegegen den KontaktmannStefan Richardt ermittelt – in der Ausgabezehn prangt ein SA-Mann auf demCover, dessen Hakenkreuz-Armbindedeutlich zu erkennen ist. Dagegen, dassHilprecht im Gefängnis den »JVA Report«produziert, sei nach Ansicht desLandes Brandenburg hingegen kaumvorzugehen. Kontrollen oder Kontaktverbotewürden nicht helfen, diese könnten»nicht verhindern, dass Schreiben überDritte«, also Mitgefangene, versandtwerden, so ein Justizsprecher. Nacheiner Landtagsanfrage teilte die BrandenburgerLandesregierung mit, dassder »JVA Report« ihren Erkenntnissenzufolge keine hohe Verbreitung habe.Erst dreimal sei der »JVA Report« imPosteingang von neo nazistischen Gefangenenin Brandenburg aufgefallen.Eine strafrechtliche Relevanz der Internet-Seitemochte die Landesregierungübrigens nicht sehen – obwohl auchdort die Ausgabe mit dem Hakenkreuz-Cover zum Download bereitsteht.


... um bei der Stange zu bleiben ...Interview mit einem ehemaligen HNG-MitgliedFür die Zeitschrift DERRECHTERAND (DRR) sprach Christian Dornbusch mit dem ehemaligen aktiven Mitglied der»Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V.« (HNG), Ralf Meier (Name von derRedaktion geändert), der mittlerweile der extremen <strong>Rechte</strong>n den Rücken zugekehrt hat.DRR: Wie bist Du zur HNG gekommen?RM: Die HNG war mir schon vorherein Begriff. Für mich war das so einDing wie »<strong>Der</strong> Stahlhelm«. Eine Organisationvon alten Leuten, die sich im Fallder HNG um gefangene Kameradenkümmern. Irgendwiewaren die für mich aucheine Art Mythos, aufgrundder vielen und sehr bekanntenLeute, die sie betreuthaben wie den ehemaligenSS-Oberscharführer JosefSchwammberger als auchdie ganzen prominentenHolocaustleugner. Als ichdann zum zweiten Mal inder JVA saß, meinten Kameraden ausder Szene zu mir, ich solle doch malKontakt zur HNG aufnehmen, das wäreklug. Nun, das tat ich.DRR: Und was geschah weiter?RM: Ich bekam zunächst Post vonUrsula Müller. Sie fragte mich, ob ichgerne weitere Briefkontakte hätte. Siekönnten mich in jene, in den HNG-Nachrichten veröffentlichte Gefangenenlisteaufnehmen. Doch dafür mussteich ihr mein Urteil schicken, anhanddessen sie sehen konnte, dass ich nichtwegen Delikten einsaß, bei denen dieHNG einen nicht unterstützt wie zumBeispiel Sexualdelikte. Das Urteil einzuschickenist eine echte Hürde. Da stehtalles drin, was Du getan hast samt deinemStrafregisterauszug. Ich weiß voneinem, der wegen Totschlag gesessenhatte, dem war das zuviel Entblößungvor Ursula Müller beziehungsweise derHNG.DRR: Und, hat es geklappt mit denBriefkontakten?RM: Ja, das ging dann sehr schnell.Zunächst schrieb mir Ursula Müllermindestens einmal im Monat. Sieschickte mir auch immer Briefmarkenmit, so dass mir keine Kosten entstanden,wenn ich ihr antwortete oder anderenschrieb. Das war übrigens oftso, dass die, die einem geschriebenhaben, Marken mitschickten. Durchdie Aufnahme in die Liste meldetensich zunächst alte Bekannte bei mir,so dass Kontakte aufgefrischt werdenkonnten. Aber auch neue Briefkontaktekamen hinzu, teilweise auch zu Leutenaußerhalb Deutschlands und Europas.Die HNG gilt der neonazistischen Szenein vielen anderen Ländern als Vorbild.Immerhin betreute und betreut sie jaauch ausländische Gefangene in ihrenHeimatländern, beispielsweise gab eseinen Kontakt zu David Lane von »TheOrder«, der 2007 schließlich in einemUS-amerikanischen Bundesgefängnisverstorben ist. Ich bekam letztlich soungefähr zwei bis drei Briefe am Tag.DRR: Was haben Dir diese Kontaktebedeutet?RM: Mein Alltag in der JVA war mehroder weniger ausgefüllt. Ich hatte nichtdas Gefühl, mich mit meiner Straftatauseinandersetzen zu müssen. Eigentlichhaben diese Briefe immer wiederdas Feuer in einem entfacht. Irgendwiehatte man auch eine gewisse Macht gegenüberder Anstaltsleitung, weil manwusste, dass draußen Leute sind, dieeinen unterstützen. Und wenn man mitder mal Ärger hatte, dann haben sichUrsula Müller und die HNG auch eingeschaltet.Sie haben einem Urteile übervergleichbare Fälle zukommen lassen,damit man besser seine Interessendurchsetzen konnte. Teilweise hat siesich auch an die Anstalt gewandt, sichfür einen eingesetzt, was auch funktionierte.Hinzu kam, dass die Aufnahmein die Liste in den HNG-Nachrichtenauch so etwas wie eine Anerkennungwar. Man war halt kein Straftäter wiedie anderen, sondern politischer Aktivist. Für mich war dasseinerzeit sehr wichtig.DRR: Gab es denn oft Probleme in der JVA?RM: Nun ja, das hängt bis heute davon ab, wo man einsitzt.Im Osten ist die Anzahl von Neonazis im Gefängnis höher alsim Westen, dafür haben die JVA-Angestellten in den NeuenLändern aber auch mehr Ahnung, woransie die <strong>Rechte</strong>n erkennen können. Inder Regel bist du ja in der JVA schon andeinem Äußeren als Rechtsextremist zuerkennen. Und die bekommen ja überdie Briefkontrolle, beziehungsweise -zensurauch mit, zu wem du Kontakt hast.Das ist schon hinderlich, wenn man Vergünstigungenhaben will. Letztendlichwirst du von Seiten der HNG aber aufLinie gehalten, nicht auf solche Angebote^ Anzeige der HNGeinzugehen. Das seien Verlockungen desSystems, hieß es in manchen Briefen der HNG, denen mansich widersetzen müsse.DRR: Du bist ja schließlich auch selbst Mitglied der HNGgeworden. Was bedeutet das?RM: Als aktives Mitglied unterhältst du verschiedene Briefkontaktezu Inhaftierten, schickst ihnen Briefmarken, versuchstBesuch für die zu organisieren und fährst vielleichtauch selbst mal hin. Und du versuchst sie bei Problemen zuunterstützen, indem man Urteile raussucht zu jenen Problemen,die der Gefangene mit der Anstaltsleitung hat, so dassder sich wehren kann. Sitzt ein aktives HNG-Mitglied selbstmal ein, merkt man das auch schnell im JVA-Alltag. Die Leutestrahlen aus, schnell bauen sie dort ein Netzwerk auf. Ansonstengibt es eigentlich nur eine zentrale Veranstaltung derHNG, das ist die Jahreshauptversammlung. Zu der kommenaus allen verschiedenen Spektren und Organisationen Leute,da merkt man richtig den überparteilichen Charakter derHNG. Rund ein Drittel der Mitglieder der HNG reisen dazujedes Jahr an. Für viele ist es ein Widersehen in anderer Umgebung,es ist aber auch gut möglich dort neue Kontakte zuknüpfen oder Sachen bekannt zu machen.DRR: Und welche Rolle spielt Ursula Müller bei der HNG?RM: Ich möchte nicht sagen, dass sie so eine »Übermutter«ist, aber sie hält die Organisation zusammen. Sie schreibtden Leuten im Gefängnis regelmäßig persönlich Briefe undsie weiß, wer man ist. Sie kennen einen, entsprechend musssie wohl ein riesiges Netzwerk haben. In der Szene wird ihrmit viel Respekt begegnet, auch wenn sie mal auf den Tischhaut und die versammelte Leute anbrüllt und dabei nicht unbedingtdie Worte fi ndet, die allen genehm sind. Nun ja, dasmuss man wohl vor dem Hintergrund ihrer eigenen Vita alslangjährige NS-Aktivistin sehen. Wer diese Rolle in dem Maßeausfüllen könnte, wenn sie mal verstirbt, ist meines Erachtensunklar.DERRECHTERAND | Nummer 117 | März | April 2009 19


Arisch, aber wenig solidarischUnterstützung rassistischer Häftlinge in den USAObwohl Organisationen wie »Aryan Brotherhood« viele Mitglieder haben und es an »politischen Gefangenen« nichtmangelt, war es mit der Unterstützung dieser Häftlinge lange nicht weit her. Jetzt könnte eine strömungsübergreifendeVeranstaltung für neues Engagement sorgen.Von Leonard Zeskind [Institute for Research & Education on Human Rights]Für den 11. April 2009 planen zwei Skinheadgruppierungen,»East Coast White Unity« und »Volksfront«, eineSaalveranstaltung und ein Konzert. Zwei der angekündigtenRedner, der Finne Henrik Holappa und ein Anhänger von WilliamPierce, gehören zum Spektrum der »wissenschaftlichen«Ideologen weißer Seperatisten und Rassisten. Als Bands sindneben anderen »White Wash«, »Slavia« und »Empire Falls«angekündigt. Von den 30 US-Dollar für die Tickets sollen fünfder Unterstützung »politischer Gefangener« zukommen. Hinterdieser Bezeichnung verbergen sich all jene, die für rassistischmotivierten Mord, Körperverletzung, Raubüberfall undÄhnliches inhaftiert sind.»Aryan Brotherhood«Ob und wie diese »politischen Gefangenen« unterstützt werden,hat sich im Laufe der Jahre verändert. Dazu muss man wissen,dass in den USA in den letzten 30 Jahren sehr viele Menschenauch für relativ geringfügige Vergehen ins Gefängnis kamen.Zur Zeit liegen die USA mit 750 Gefangenen pro 100.000 EinwohnerInnenan der Weltspitze. Die Gefängnisse sind überfüllt;Berufsausbildung und Programme zur Rehabilitation gibt eskaum. Als Folge daraus sind eine Reihe von Gefängnis-Gangsentstanden, die sich meist an ethnischer Zugehörigkeit oderReligion orientieren. Die »Aryan Brotherhood« (dt. »ArischeBruderschaft«) ist eine dieser Gangs. Sie hat über 15.000 Mitgliederinnerhalb und außerhalb der Gefängnisse. Trotz ihresNamens ist sie primär ein Verbrechersyndikat und eher apolitisch.Zwar sind gelegentlich Mitglieder der »Bruderschaft« dereinen oder anderen »White Power«-Skinheadgruppe beigetreten,aber die politischen Mörder und Bombenattentäter derOrganisationen, die für die »Vorherrschaft der weißen Rasse«kämpfen, werden extrem selten Mitglieder der »Bruderschaft«.Demzufolge hat Unterstützung »politischer Gefangener« in denUSA nichts mit dieser Organisation zu tun.BZÖ GEWINNT IN KÄRNTENBei den Landtagswahlen im österreichischen Kärnten hat das »BündnisZukunft Österreich« (BZÖ) mit 45,48 Prozent fast die absolute Mehrheitder Stimmen erobert. Die Partei wurde von dem im Oktober 2008 tödlichverunglückten Jörg Haider als Abspaltung der »Freiheitlichen ParteiÖsterreichs« (FPÖ) gegründet. Mit 152.799 Stimmen liegt die rechtePartei deutlich vor der sozialdemokratische SPÖ (28 Prozent) und derkonservativen ÖVP (16,5 Prozent). Vor der Wahl vermuteten Beobachter,dass der unscheinbare Spitzenkandidat Landeshauptmann GerhardDörfler Verluste einfahren würde. Jedoch steigerte die BZÖ ihr Ergebnisnun noch einmal um drei Prozentpunkte im Vergleich zu den Wahlen 2004als Haider an der Spitze stand. Die BZÖ machte mit rassistischen Themenund dem Gedenken an Haider (»Wir passen auf dein Kärnten auf«)Wahlkampf. Die FPÖ landest weit abgeschlagen bei nur 3,7 Prozent.20 DERRECHTERAND | Nummer 117 | März | April 2009KKK vs. WARIn den 1960er und 1970er Jahren, alsder »Klu Klux Klan« (KKK) Verbrechenan BürgerrechtsaktivistInnen begingund einige seiner Mitglieder dafür insGefängnis mussten, war es mit der Betreuungsolcher Gefangener noch nichtweit her und sie erfuhren kaum Unterstützung.In den frühen 1980ern machtedann Gary Lauck, der Vertreter derNSDAP-AO in Nebraska, die UnterstützungGefangener, hauptsächlich von MichaelKühnen in Deutschland, erstmalszum Thema. Als Mitte der 1980er Jahre»Kämpfer« von »The Order«, einer extremrechten Terrorgruppe, der »WhitePatriot Party« und anderer Organisationeneine lange Haftstrafe antraten, etabliertesich die Unterstützung der Gefangenen,zumindest in Teilen der Szene.Die meisten rassistischen Gruppen,inklusive dem »Klu Klux Klan« unter derFührung von Thom Robb, ignoriertendie Gefangenen weiterhin. Tom Metzgerhingegen, ex-KKK und Gründer der»White Aryan Resistance«, kümmertesich um »politische Gefangene«, undzwar um alle, gleichgültig zu welcherOrganisation sie gehörten. Er und seineGefolgsleute schrieben Briefe, schicktenGeld und Bücher und besuchtenGefangene gelegentlich. 1988 kam esdann sogar zu einem öffentlichen Disputzwischen Metzger und Robb bezüglichder mangelnden Unterstützungfür Häftlinge durch die Klansmitglieder.Die Zuhörer dieses Disputes waren jeneSkinheads, die später den Kern der»Hammerskin Nation« bildeten – undsich bei der Auseinandersetzung aufMetzgers Seite stellten.»Volksfront«<strong>Der</strong> wohl prominenteste »politische Gefangene«,der auch am stärksten vonder Unterstützung profi tierte, war derRechtsterrorist David Lane, Mitbegründerder Terrorgruppe »The Order« undBeteiligter am Mord an dem jüdischenRadiomoderatoren Alan Berg 1984.Aus dem Gefängnis schrieb er überJahre hinweg Artikel und Kolumnen füreinschlägige Publikationen. 1994 heirateteLane pro forma, seine Frau und derenPartner Ron McVan gründeten den»14-Words«-Verlag und veröffentlichtendort Lanes Ergüsse, die in Teilen derSkinheadszene Anklang fanden undLane auch eine europäische Anhängerschafterschlossen. 2001 jedoch entzweitensich Frau Lane und McVan. InFolge dessen ging die Leitung des »14Words«-Verlages in andere Hände überund wurde nach dem Tod Lanes zunehmendunwichtiger. Erhalten blieb aberdie Tradition der Unterstützung »politischerGefangener« in der Skinheadszene,insbesondere bei der »Volksfront«.»Volksfront« wurde 1994 von vierInsassen der staatlichen Haftanstalt inOregon gegründet und umfasst mittlerweilegrößere Teile der »White Power«-Skinheadbewegung.»Volksfront«zeichnet sich weniger durch straff organisierteKader denn durch ein sich wildausbreitendes Imperium kleinerer Skinheadgruppenaus. Diese engagierensich auf diversen Gebieten, zu denenauch die »Thule Publications« gehörte,die inhaftierten »arischen Kämpfern«ein Forum bot und zusammen mit »ImperiumRecords« eine Soli-CD für Gefangenein Deutschland herausbrachte.»Thule Publications« gibt es so heutejedoch nicht mehr.Zukünftige Kooperation?Die Pläne für die Veranstaltung im Apriljedoch zeigen ein neues Stadium politischerReife innerhalb von »Volksfront«:Die Veranstaltung ist strömungsübergreifend,da die eigene Anhängerschaftmit denen von »East Coast White Unity«und Billy Ropers »White Revolution«zusammengebracht wird. Und das wirdsich in einer zukünftig stärkeren Unterstützung»politischer Gefangener« niederschlagen.


Gestrig bis in alle EwigkeitDie Arbeit der »Stillen Hilfe«»Eines der 23 Mitglieder einer sterbenden Organisation« sei sie, erklärte die damals 69-jährige Gudrun Burwitz 1998der Londoner »Times«. Und ja, sie arbeite für die »Stille Hilfe«, wolle aber grundsätzlich nicht über ihre Arbeit sprechen,beschied sie dem Reporter, der sie auf ihr »wohltätiges Wirken« für den NS-Kriegsverbrecher Anton Malloth ansprach.Von Friedrich C. BurschelGudrun Burwitz ist die Tochter deseinstigen »Reichsführers SS undChefs der Deutschen Polizei«, HeinrichHimmler, der seiner »Püppi«,während er den größten Massenmordder Menschheitsgeschichte ins Werksetzte, eine zärtlicher Vater war. Dashat sie ihm nie vergessen und mag bisheute eines der anschaulichsten Beispieledafür sein, was man als »ewiggestrig«bezeichnet. Ob die heute fast80-Jährige, die im Süden Münchenslebt, immer noch ihre Rolle als »Nazi-Prinzessin« spielt, die auf diversenSS-Veteranentreffen (»Ulrichsberg« inKärnten, »Bund Freicorps Oberland«in Schliersee), NPD-Aufmärschen undNS-Nachwuchsveranstaltungen Hofhält, ist unklar. Aber ihre Arbeit für den2001 wegen vielfachen Mordes zu lebenslangerHaft verurteilten Mörder imGestapo-Gefängnis »Kleine Festung«im tschechischen Theresienstadt, AntonMalloth, ist verbürgt. Sie besorgtedem einst als »Schöner Toni« berüchtigtenSS-Totschläger nach seiner Ausweisungaus Italien 1988 nicht nur »ordentlichedeutsche Papiere«, sondernauch einen Platz in einem Altenheimdes Paritätischen Wohlfahrtsverbandesin Pullach bei München, wo er währenddes endlosen Ermittlungsverfahrens aufKosten des Münchener Sozialamtes einenruhigen Lebensabend verbrachte.RückblickDafür setzte der dankbare und reuloseTäter, der bereits 1948 wegen seinerGräuel in der CSSR in Abwesenheitzum Tode verurteilt worden war, denVerein »Stille Hilfe für Kriegsgefangeneund Internierte e. V.« als seinen Erbenein. Nach diesem Muster soll der Verein,der am 15. November 1951 in dasVereinsregister Wolfratshausen eingetragenworden ist, ein veritables Vermögenangehäuft haben. Damit werdenRechtsanwaltskosten, Unterbringung,Haftbetreuung, Gnadengesuche, auchFluchthilfe (etwa über die »vatikanische«Rattenlinie des Bischofs Hudal) und Unterstützungder Angehörigen organisiert.In den ersten Vorständen des Vereins inden 1950er Jahren unter der Ägide der»Mutter der Landsberger« Helene Elisabethvon Isenburg saßen auch nochhochrangige kirchliche Würdenträgerwie der Münchener Weihbischof JohannesNeuhäusler und der StuttgarterLandesbischof Theophil Wurm. In denGenuss der stillen Hilfen kamen in denzurückliegenden Jahrzehnten Gestaltenwie die verurteilten Massenmörder ErichPriebke, Josef Schwammberger, KlausBarbie und früher auch KZ-Vordenkerwie Walter Rauff, der Erfinder der mobilenGaskammern, Auschwitz-MörderGottfried Weise und die »Stute von Majdanek«,Hermine Ryan.<strong>Der</strong> Verein »Stille Hilfe«, der erst 1994nach Protesten die »Gemeinnützigkeit«einbüßte, strickte von Anfang an, alsounmittelbar nach dem Ende des ZweitenWeltkrieges, an den Legenden einerfolternden und demütigenden »Siegerjustiz«der Alliierten, die Unschuldigedie Zeche der NS-Zeit bezahlen lasse.Eine Sichtweise, die offenbar im Laufeder Jahrzehnte auch von hochrangigen,(vor allem Unions-)Politikern der Bundesrepublikwie Alfred Dregger, FranzJosef Strauß, Ernst Albrecht, natürlichOtto von Habsburg und der Spenden-Skandal-Nudel Casimir von Sayn-Wittgensteingeteilt wurde.AusblickUnd was Gallionsfigur Burwitz als »sterbendeOrganisation« bezeichnet, scheintquicklebendig und, im übrigen, für denFall des Ablebens Vorsorge getroffen zuhaben. Nicht nur stand die »Stille Hilfe«für die Nachwuchs-Gefangenenhilfe»Hilfsgemeinschaft für nationale politischeGefangene e. V.« (HNG) Pate, diemit rund 600 Mitgliedern zu den heutegrößten Neonazi-Vereinigungen gehört.Die »Stille Hilfe« bietet ihre Diensteauch immer noch für die allerletztenNS-Verbrecher an, die noch vor Gerichtgestellt werden. <strong>Der</strong> Anwalt Anton Malloths,der ihm schon beim Auslieferungsbegehrender tschechischen Republik beistand, ist erst kürzlichwieder als »stiller Helfer« in Erscheinung getreten: Klaus Goebelvertritt den wegen 14-fachen Mordes angeklagten OttobrunnerJosef Scheungraber, der sich derzeit wegen eines Gebirgsjäger-Massakers im toskanischen Falzano di Cortona 1944 vor demLandgericht München I verantworten muss. Die Autoren OliverSchröm und Andrea Röpke konnten ihm in ihrer richtungweisendenVeröffentlichung »Stille Hilfe für braune Kameraden«aus dem Jahr 2001 nachweisen, dass er am 26. April 1989 indas Kuratorium der »Stillen Hilfe« gewählt worden war, was er ineinem Rechtsstreit mit der »Süddeutschen Zeitung« zunächstabgestritten hatte. Inhaltlich dürfte es kaum Uneinigkeit zwischender »Stillen Hilfe« und dem »erfahrenen Anwalt« Goebel»an ihrer Seite« geben: So soll dieser laut der »Abendzeitung«und der »Süddeutschen Zeitung« Mitglied noch weiterer »ehrenwerter«Vereinigungen sein, so der »Deutsch-SüdafrikanischenGesellschaft« sowie des »Traditionsverbands ehemaligerSchutz- und Überseetruppen« und auch der »FreundeskreisFreiheit für Rudolf Hess« sah Goebel in seinen Reihen; fernervertrat Goebel anwaltlich Holocaust-Leugner wie David Irvingund Germar Rudolf und beriet den einstigen Münchener »Berufsneonazi«Ewald Althans, als dieser 1991 einen Auschwitz-Leugner-Kongress in München plante.Entsprechend tritt Goebel gemeinsam mit zwei Kollegen,dem Nürnberger Baurechtsanwalt, Rainer Thesen, und demJenaer Christian Stünckel, vor Gericht auf: Mit BefangenheitsundEinstellungsanträgen versuchen sie die »Absurdität« und»Unmenschlichkeit« derart später Aufarbeitungsversuche zutorpedieren. <strong>Der</strong> Prozessinhalt ist für Thesen auch außerhalbdes Gerichtssaals von Interesse. <strong>Der</strong> Oberst der Reserve unddas Beiratsmitglied des »1. FC Nürnberg« hielt noch 2006 vorder »Gesellschaft für Wehr und Sicherheitspolitik, Sektion Nürnberg«einen Vortrag zum Thema »Erschießungen von Geiseln,Sühnegefangenen und sonstigen Zivilpersonen im II. Weltkrieg«.Vor Gericht stricken die Anwälte derweil an der Legendeder »ehrenhaften und ritterlichen« deutschen Soldaten.AB NACH ATLANTISAm 28. Februar 2009 verstarb der chilenische Faschist, Holocaustleugnerund Bewunderer Hitlers, Miguel Serrano, im Alter von 91 Jahren. InAnlehnung an die Welteislehre und die Legende von Atlantis schickte er inseinen Büchern Nazi-Flüchtlinge nach 1945 zum Südpol und Hitler selbstins Eis, wo er auf seine Auferstehung warte. Seine Überzeugung vomWeiterleben Hitlers schrieb Serrano in seinem Buch »Das goldene Band«nieder. Er sah die Zusammenkunft deutscher und lateinamerikanischerNationalisten als Wiedersehen Angehöriger gleicher Herkunft, da das lateinamerikanischeVolk Nachfahre der nordischen Rasse von Atlantis sei.Serrano gilt als Begründer des »esoterischen Hitlerismus«. Er war langeZeit Vorsitzender der »Nationalsozialistischen Partei« in Chile.DERRECHTERAND | Nummer 117 | März | April 2009 21


Kein BedauernIn München steht der 90-jährige Josef Scheungraber vor Gericht.Ihm wird vorgeworfen, als Wehrmachtsoffi zier die Ermordung vonZivilisten in Italien zu verantworten.Von Andreas Speit<strong>Der</strong> Blick des Angeklagten wirkt trotzig. Kein Wort des Bedauernskommt Josef Scheungraber über die Lippen. Seitdem 29. September 2008 steht der Rentner vor dem LandgerichtMünchen. <strong>Der</strong> ehemalige Wehrmachtsoffi zier ist angeklagt,die Ermordung von 14 Zivilisten in Italien 1944 zuverantworten. »Nicht schuldig«, sagen seine Verteidiger KlausGoebel, Rainer Thesen und Christian Stünkel.Im fensterlosen Saal sitzt der rüstige Herr im Trachtenanzugmit Hirschknöpfen. Für ihn scheinen die Aussagen vonÜberlebenden sowieso nur Lügen zu sein. Feind bleibt Feind.Hier vor dem Schwurgericht wird nicht von der Linie abgewichen.Das Nichterinnernkönnen der ehemaligen Kameradenpasst. »Mein Kompaniechef«, wird der Angeklagte von Zeugenbetitelt, bevor die Erinnerungslücken aufblühen.Alte Kameraden<strong>Der</strong> Beschuldigte, der seit Jahrzehnte als angesehene Personin Ottobrunn lebt und Ehrenbürger der Gemeinde ist, soll gernezu den Treffen der »alten Kameraden« gegangen sein. Ineinem Gasthof in Thalkirchen kommen sie zusammen. Rühmtman sich da mit den Taten von vor über 60 Jahren? Schwärmtman von der ewigen Kameradschaft oder stimmt gar Aussagenab? Erstmals steht mit Scheungraber ein Mitglied des»Kameradenkreises der Gebirgstruppe e. V.« wegen einesKriegsverbrechens vor einem deutschen Gericht. StaatsanwaltHans-Joachim Lutz betont, dass der Offi zier des Gebirgs-Pionier-Bataillons818 die Verantwortung für ein Massaker hatte– aus niederen Beweggründen. In Italien sprach ihn 2006 dasMilitärgericht La Spezia wegen des Massakers für schuldig.Toskana 1944: Die Wehrmacht war auf dem Rückzug. DasBataillon reparierte eine Brücke nahe Falzona di Cortona. Am26. Juni erschossen Partisanen einen Unteroffi zier und einenGefreiten, die eine Stute requirieren wollten. Eine VergeltungKRAUSES KULTURAUSSCHUSSThüringens CDU steht politisch weiterhin geschlossen hinter ihremLandtagsabgeordneten Peter Krause. Die Partei wählte ihn Ende Februar2009 einstimmig gegen den Widerstand von Oppositionsparteien undden Studierendenvertretungen zum Vorsitzenden des Ausschusses fürWissenschaft, Kunst und Medien des Thüringer Landtages. Krause sollte2008 Kultusminister von Thüringen werden. Massive Proteste gegenseine Ernennung verhinderten dies. Krause war 1998 Redakteur der neurechtenWochenzeitung »Junge Freiheit« und schrieb auch für andereneu-rechte und rechtskonservative Zeitschriften. <strong>Der</strong> Kulturausschussist auch für die Gedenkstättenpolitik des Landes, unter anderem dasantifaschistische Mahnmal Buchenwald, zuständig.22 DERRECHTERAND | Nummer 117 | März | April 2009< Josef Scheungraber (re.)mit Anwalt Klaus Goebelim Münchener Landgerichtsoll Scheungraber daraufhin befohlenhaben. Die Wehrmacht erschoss die74-jährige Maria B., den 55-jährigenSanti L., den 39-jährigen Angiolo D.und den 21-jährigen Ferdinando C. Elfweitere Männer im Alter von 15 bis 74Jahren trieben die Soldaten am 27. Juniin Falzona in ein Bauernhaus, das siesprengten. Nur der Jüngste, Gino M.,überlebte.Im Saal des Landgerichts schilderteM. am 7. November 2008 die Geschehnisse.»Wir hofften noch, dass wir ›nur‹in ein Konzentrationslager kommenwürden«, sagte er. Dann beobachtetensie, wie Kisten in das Haus getragenwurden. »Erst beim zweiten Mal istdas Haus in die Luft gefl ogen«, erzählteM. »Ich wurde durch den Körper einesunglücklichen Kameraden geschützt.«Als Schreie der Verschütteten zu hörenwaren, schossen die Soldaten mitMaschinengewehren in die Trümmer.M. war dem Erstickungstod nahe unddurch heiße Trümmer schwer verletzt.»Ich fl ehte darum, man sollte mich töten,weil die Schmerzen unerträglichwaren.« Später wurde M. aber von einerFrau und ihrem Bruder gerettet.Bis heute macht M. das Erlebte zuschaffen. »Sobald ich die deutscheSprache hörte, bin ich davongelaufen«,sagte er. Heute muss der frühere Polizeibeamte,der Medien und Behördenbat, die Vernehmung rasch zu beenden,noch zeitweise ein Stützkorsett tragen.Wenig Rücksicht nahmen Angeklagteund Verteidiger. Scheungraber mischtesich bei der Inaugenscheinnahme vonBildern derart ein, dass der Richter ihnermahnte. Goebel bohrte nach: »SindSie jetzt um 13.30 Uhr oder um 15 Uhrin Falzano angekommen?«Kontakt nach RechtsRücksicht auf die Schicksale der Opferwird von den Verteidigern nicht genommen.Immerhin, Goebel werden engeKontakte zur »Stillen Hilfe« nachgesagt.Die »Stille Hilfe« soll Anton Malloth, einenSS-Aufseher im Gestapo-GefängnisKleine Festung Theresienstadt, unterstützthaben. Vor Gericht verteidigte Goebelauch Malloth. Stünkel, der Zweiteim Verteidiger-Trio, ist bei der »MobilenBeratung für Opfer rechter Gewalt inSachsen-Anhalt« als Anwalt bekannt,der Gewalttäter aus der extremen <strong>Rechte</strong>nverteidigt. Und Thesen empfahldem Gericht als Gutachter einen Autorder neu-rechten Wochenzeitung »JungeFreiheit«.In anderen NS-Verfahren bemühtsich die Verteidigung gegenüber derPresse Verständnis für die Betroffenenzu zeigen. In München nicht. Offensivgreift Goebel in der rechtslastigen»Deutschen Militärzeitung« das Verfahrengegen den »kranken 90-jährigenMann« an, fragt ob das mit dem»Grundgesetz« und der Menschenrechtskonventionvereinbar sei undschimpft über die »kommunistischenPartisanen«.Mittels Videokonferenz nahm am 26.Januar 2009 auch Silvano R. am Verfahrenteil. <strong>Der</strong> 80-Jährige schilderte, wieWehrmachtsoldaten Zivilisten willkürlichfestnahmen, er hörte die Sprengung.Eine Zuordnung der Truppen konnte ernicht vornehmen. Eindeutiger konntesich Josef M. erinnern. Am 29. Januarverlas das Gericht eine Aussage desin einem österreichischen Altersheimlebenden schwerkranken M., in derScheungraber stark belastet wird. <strong>Der</strong>ehemalige Melder sagte: Scheungrabersei der Zugführer der Einheit gewesen,er habe den Befehl gegeben, sie habendie »Vergeltungsmaßnahme« durchgeführt.Juristisches Problem der Aussage:Staatsanwaltschaft und Verteidigungkönnen nicht nachhaken. So liegt dieBewertung noch stärker beim Gericht.Über den Prozessverlauf will RechtsanwältinGabriele Heinecke nicht spekulieren.Sie vertritt die 19 Geschwisterund Kinder der Opfer als Nebenklägerin.»Meine Mandanten möchten, dassnach 64 Jahren jemand Verantwortungübernimmt«, sagte Heinecke.

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