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Technische Mechanik Kompakt

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3 Gleichgewicht starrer Körper<br />

Dieses Kapitel gibt eine Einführung in die Untersuchung des Gleichgewichts<br />

starrer Körper. Nach der Vorstellung von Newtons Axiomen werden die<br />

Gleichgewichtsbedingungen eingeführt. Anschließend wird das Schnittprinzip<br />

mit Lager- und Gelenkreaktionen dargelegt. Die statische Bestimmtheit wird<br />

abschließend untersucht.<br />

Bild 3.1<br />

Starre Körper im Gleichgewicht<br />

3.1 Newtons Axiome<br />

Die <strong>Mechanik</strong> baut auf drei Axiomen auf, die nach Vorarbeit von Galileo Galilei<br />

(1546 – 1642) zuerst von Isaac Newton (1643 – 1727) zusammenhängend<br />

angegeben und von Leonhard Euler (1707 – 1783) erweitert wurden.<br />

3.1.1 Gleichgewichtsaxiom<br />

Jeder Körper beharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmig geraden Bewegung,<br />

solange er nicht durch einwirkende Kräfte gezwungen wird, diesen Zustand<br />

zu ändern.<br />

Dieser Zustand wird Gleichgewicht genannt. Gleichgewicht kann demzufolge nur<br />

dann vorliegen, wenn die Resultierende aller einwirkenden Kräfte und auch das<br />

resultierende Moment verschwindet:<br />

F R = 0 (3.1)<br />

M R = 0 (3.2)


34 3 Gleichgewicht starrer Körper<br />

Zwei Kräfte stehen also miteinander im Gleichgewicht, wenn sie den gleichen Betrag,<br />

aber entgegengesetzte Richtungen haben und auf derselben Wirkungslinie<br />

liegen, siehe Bild 3.2.<br />

−F F<br />

Bild 3.2<br />

Gleichgewichtsaxiom<br />

3.1.2 Dynamisches Grundgesetz<br />

Die auf einen starren Körper einwirkende resultierende Kraft F ist gleich dem<br />

Produkt aus Masse m und Beschleunigung aS des Schwerpunktes:<br />

F = m aS (3.3)<br />

Für die freie Bewegung im Erdschwerefeld folgt als erster Sonderfall das Fallgesetz<br />

von Galilei mit der Erdbeschleunigung g:<br />

G = m g (3.4)<br />

Als zweiter Sonderfall folgt das Gleichgewicht, wenn ein Körper keine Beschleunigung<br />

erfährt:<br />

aS = 0 ⇒ F = 0 (3.5)<br />

Gleichgewicht ist damit der Zustand der Ruhe oder der gleichförmig geradlinigen<br />

(und damit unbeschleunigten) Bewegung, der im Folgenden betrachtet wird. Die<br />

(beschleunigte) Bewegung des starren Körpers wird in Kapitel 20 behandelt.<br />

3.1.3 Reaktionsaxiom<br />

Zu einer Kraft ist stets eine gleichgroße entgegengesetzte Kraft auf derselben<br />

Wirkungslinie vorhanden. Wird beispielsweise von einem Körper (1) auf einen<br />

anderen Körper (2) an der Berührstelle B eine Kraft F 12 ausgeübt (actio),<br />

so bedingt dies, dass der zweite Körper auf den ersten Körper ebenfalls eine<br />

(Reaktions-)Kraft F 21 ausübt (reactio). Diese beiden Kräfte sind gleich groß,<br />

agieren auf derselben Wirkungslinie und sind entgegengesetzt gerichtet:<br />

F 12 = −F 21 (3.6)<br />

Kurz gesagt: actio = reactio .<br />

1<br />

B<br />

2<br />

1<br />

F 21 F 12<br />

2<br />

Bild 3.3<br />

Reaktionsaxiom


3.2 Gleichgewichtsbedingungen 35<br />

3.2 Gleichgewichtsbedingungen<br />

Gleichgewicht ist nur möglich, wenn sowohl die Resultierende der Kräfte F R<br />

(nach Gleichung 2.13) als auch die Resultierende der Momente M R (nach<br />

Gleichung 2.15) bezüglich eines beliebigen Punktes P verschwinden:<br />

F R = 0 , (3.7)<br />

M (P)<br />

R = 0 (3.8)<br />

Aus diesen Vektorgleichungen resultieren im allgemeinen räumlichen Fall sechs<br />

skalarwertige Gleichgewichtsbedingungen:<br />

P Fx = 0 ,<br />

P M (P)<br />

x<br />

= 0 ,<br />

P Fy = 0 ,<br />

P M (P)<br />

y<br />

= 0 ,<br />

P Fz = 0 , (3.9)<br />

P M (P)<br />

z = 0 (3.10)<br />

Für ebene Probleme reduzieren sich die Gleichgewichtsbedingungen auf drei<br />

skalare Gleichungen:<br />

P Fx = 0 ,<br />

P Fy = 0 ,<br />

P M (P)<br />

z = 0 . (3.11)<br />

Eine gebräuchliche Abkürzung für die Gleichgewichtsbedingungen, die auch im<br />

Folgenden verwendet wird, ist<br />

↑ für Summe aller Kräfte in Pfeilrichtung gleich null und<br />

<br />

A für Summe aller Momente in der durch den Pfeil gekennzeichneten Drehrichtung<br />

um den Bezugspunkt A gleich null.<br />

Beispiel 3.1 Seil<br />

Die Kräfte in einem Seils sind zu bestimmen.<br />

Lösung:<br />

¡ ¡ ¡ ¡ ¡<br />

¢¡¢¡¢¡¢¡¢¡¢<br />

¡<br />

¡ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡<br />

¢¡¢¡¢¡¢¡¢¡¢<br />

¢¡¢¡¢¡¢¡¢¡¢ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡<br />

¡ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡<br />

¢¡¢¡¢¡¢¡¢¡¢<br />

¢¡¢¡¢¡¢¡¢¡¢ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡<br />

y<br />

¡ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡<br />

¢¡¢¡¢¡¢¡¢¡¢<br />

¢¡¢¡¢¡¢¡¢¡¢ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡<br />

x<br />

¡ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡<br />

¢¡¢¡¢¡¢¡¢¡¢<br />

¢¡¢¡¢¡¢¡¢¡¢ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡<br />

¡ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡<br />

¢¡¢¡¢¡¢¡¢¡¢<br />

¢¡¢¡¢¡¢¡¢¡¢ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡<br />

S1<br />

S2<br />

Ein Seil überträgt nur Zugkräfte in<br />

Längsrichtung. Aus dem Gleichgewicht<br />

in dieser Richtung folgt:<br />

↗ : S2 − S1 = 0<br />

⇒ S1 = S2 .<br />

Beispiel 3.2 Seilrolle<br />

Die folgende Abbildung zeigt eine (reibungsfrei) gelagerte Seilrolle. Gesucht<br />

sind die unbekannten Lagerkräfte AH und AV.


36 3 Gleichgewicht starrer Körper<br />

α1<br />

S1<br />

AH<br />

Lösung:<br />

Die drei Gleichgewichtsbedingungen für dieses ebene Problem lauten nach<br />

Gleichung 3.11<br />

r<br />

AV<br />

→ : −S1 cos α1 + S2 cos α2 + AH = 0 ,<br />

↑ : −S1 sin α1 − S2 sin α2 + AV = 0 ,<br />

<br />

A : S1 r − S2 r = 0 .<br />

Aus der Momentengleichung folgt direkt<br />

S1 = S2 = S ,<br />

und die Kräftegleichgewichtsbedingungen liefern die unbekannten Lagerkräfte<br />

AH = S (cos α1 − cos α2) ,<br />

AV = S (sin α1 + sin α2) .<br />

3.2.1 Zentrales Kräftesystem<br />

Ein zentrales Kräftesystem ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Wirkungslinien<br />

aller Kräfte in einem Punkt schneiden. Bezüglich dieses Punktes ist dann<br />

offensichtlich die Summe der Momente null. Damit reduzieren sich die Gleichgewichtsbedingungen<br />

für zentrale Kräftesysteme auf die Kräftegleichgewichtsbedingungen<br />

(Gleichung 3.7). Alternativ können nach einer Zerlegung der Kräfte<br />

auch nur die Kraftkomponenten in jeweils einer Richtung (beispielsweise x-, yund<br />

z-Richtung) betrachtet werden, vgl. Gleichung 3.9.<br />

Beispiel 3.3 Zentrales Kräftesystem<br />

Überprüfen Sie grafisch und analytisch, ob die Kräfte F 1 bis F 4, die denselben<br />

Angriffspunkt haben, im Gleichgewicht sind.<br />

h iT h iT F 1 = 2 1.5 N, F 2 = 3 −1.5 N,<br />

h<br />

F 3 = 0 −1<br />

i T<br />

α2<br />

S2<br />

h<br />

N, F 4 = −5 1<br />

i T<br />

N


3.2 Gleichgewichtsbedingungen 37<br />

Grafische Lösung::<br />

Zunächst werden die Kräfte F 1 und F 2 sowie F 3 und F 4 nach dem Parallelogrammaxiom<br />

zu den Teilresultierenden F 12 bzw. F 34 zusammengefasst<br />

(vgl. Beispiel 2.2). Addiert man nun die beiden Teilresultierenden zusammen,<br />

so erhält man als endgültige Resultierende den Nullvektor. Die Kräfte<br />

F 1 bis F 4 sind somit im Gleichgewicht.<br />

y<br />

1 N<br />

x<br />

F 4<br />

F 3<br />

F 1<br />

F 2<br />

Rechnerische Lösung::<br />

Gleichung 2.5 liefert für die Resultierende den Nullvektor. Die Gleichgewichtsbedingung<br />

3.7 ist somit erfüllt.<br />

F R = F 1 + F 2 + F 3 + F 4<br />

=<br />

"<br />

2 + 3 + 0 − 5<br />

1.5 − 1.5 − 1 + 1<br />

3.2.2 Allgemeines Kräftesystem<br />

#<br />

y<br />

1 N<br />

N =<br />

"<br />

F 34<br />

x<br />

0<br />

0<br />

#<br />

N <br />

Bei einem allgemeinen Kräftesystem schneiden sich die Wirkungslinien der<br />

Kräfte nicht in einem Punkt. Es ist daher im Gleichgewicht, wenn sowohl<br />

das Kräftegleichgewicht (Gleichung 3.7) als auch das Momentengleichgewicht<br />

(Gleichung 3.8) erfüllt sind.<br />

Beispiel 3.4 Allgemeines Kräftesystem<br />

Die Kräfte Ax, Ay und By sind so zu bestimmen, dass sich der Körper, der<br />

durch die Kräfte F1, F2 und F3 belastet ist, im Gleichgewicht befindet.<br />

F1<br />

y<br />

Ax<br />

x<br />

α<br />

F2<br />

Ay By<br />

a 3a 2a<br />

F3<br />

a<br />

a<br />

F1 = F<br />

F2 = √ 2 F<br />

F3 = 4 F<br />

α = 45 ◦<br />

F 12

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