Skriptum zur Vorlesung Mengenlehre

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97Kapitel 12Die Menge der reellen Zahlen12.1 Mengen von der Größe des KontinuumsWährend nach dem Satz von HESSENBERG Addition und Multiplikation von unendlichenKardinalzahlen trivial (nämlich das Maximum) ist, stößt man bereits beiBestimmung der einfachsten transfiniten Potenz, nämlich 2 ω , auf unlösbare Probleme.Dabei hat diese Kardinalzahl eine besondere Bedeutung als Mächtigkeitder reellen Zahlen (des Kontinuums):Satz|R| = |P(N)| = 2 ℵ 0.Beweis: Die zweite Gleichheit folgt aus der Äquivalenz der Potenzmenge einerMenge a mit der Menge der charakteristischen Funktionen von Teilmengen von a.Es gibt zahlreiche Beweise für den ersten Teil, am einfachsten ist die Beziehung|R| ≤ |P(N)|,nachzuweisen, indem man z. B. jeder reellen Zahl r die Menge {x ∈ Q | x < r} (alsopraktisch den entsprechenden DEDEKINDschen Schnitt) zuordnet und die Abzählbarkeitvon Q benutzt oder die Darstellung reeller Zahlen als Dezimalbrüche(bzw. Dualbrüche im Binärsystem). Für den Beweis der umgekehrten Beziehungstört die fehlende Eindeutigkeit der Dezimal- bzw. Binärdarstellung, was sich jedochnur auf abzählbar-viele Fälle bezieht, die wegen der Überabzählbarkeit von

12.2. DIE CANTORSCHE KONTINUUMSHYPOTHESE 98R aber keine Rolle spielen. Man kann aber auch etwa wie folgt argumentieren: Füreine Binärfolge f : N → 2 = {0,1} definieren wir eine zugeordnete reelle Zahlr f =∞2 · f (n)∑n=03 n+1 ,womit wir eine injektive Abbildung von N 2 in die reellen Zahlen erhalten unddamit auch |R| ≥ |P(N)|.□Folgerungen1. Mit |R| = 2 ℵ 0 ist auch |R n | = (2 ℵ 0) n = 2 ℵ 0, es ist sogar|R ω | = (2 ℵ 0) ℵ 0= 2 ℵ 0⊙ℵ 0= 2 ℵ 0,d. h. es gibt genau so viele abzählbare Folgen reeller Zahlen wie es reelleZahlen gibt!2. Da eine stetige reelle Funktion bereits durch ihre Werte auf den abzählbarvielenrationalen Stellen eindeutig bestimmt ist und da es mit den konstantenFunktionen mindestens so viele stetige Funktionen wie reelle Zahlengibt, so gilt:|{ f | f : R → R ∧ f stetig}| = |{ f | f : Q → R}| = (2 ℵ 0) ℵ 0= 2 ℵ 0.3. Dagegen erhalten wir höhere Mächtigkeiten, indem wir zur Potenzmengeder reellen Zahlen oder zur Menge aller reellen Funktionen übergehen:|{ f | f : R → R}| = |P(R)| = 2 2ℵ0 > 2 ℵ 0.12.2 Die Cantorsche KontinuumshypotheseWie groß ist nun 2 ℵ 0? Nach dem Satz von CANTOR ist die Menge der reellenZahlen überabzählbar, also 2 ℵ 0 ≥ ℵ + 0 = ℵ 1. DieCantorsche Kontinuumshypothese (CH) 2 ℵ 0 = ℵ 1erscheint als naheliegende, zumindest einfachste Festlegung der Größe von 2 ℵ 0.Sie ist zwar mit den Axiomen von ZF + AC verträglich (GÖDEL 1938), aber aus

97Kapitel 12Die Menge der reellen Zahlen12.1 Mengen von der Größe des KontinuumsWährend nach dem Satz von HESSENBERG Addition und Multiplikation von unendlichenKardinalzahlen trivial (nämlich das Maximum) ist, stößt man bereits beiBestimmung der einfachsten transfiniten Potenz, nämlich 2 ω , auf unlösbare Probleme.Dabei hat diese Kardinalzahl eine besondere Bedeutung als Mächtigkeitder reellen Zahlen (des Kontinuums):Satz|R| = |P(N)| = 2 ℵ 0.Beweis: Die zweite Gleichheit folgt aus der Äquivalenz der Potenzmenge einerMenge a mit der Menge der charakteristischen Funktionen von Teilmengen von a.Es gibt zahlreiche Beweise für den ersten Teil, am einfachsten ist die Beziehung|R| ≤ |P(N)|,nachzuweisen, indem man z. B. jeder reellen Zahl r die Menge {x ∈ Q | x < r} (alsopraktisch den entsprechenden DEDEKINDschen Schnitt) zuordnet und die Abzählbarkeitvon Q benutzt oder die Darstellung reeller Zahlen als Dezimalbrüche(bzw. Dualbrüche im Binärsystem). Für den Beweis der umgekehrten Beziehungstört die fehlende Eindeutigkeit der Dezimal- bzw. Binärdarstellung, was sich jedochnur auf abzählbar-viele Fälle bezieht, die wegen der Überabzählbarkeit von

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