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Skriptum zur Vorlesung Mengenlehre

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<strong>Skriptum</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong><strong>Mengenlehre</strong>Klaus GloedeMathematisches Institut der Universität HeidelbergSommersemester 2004


iVorwortDieses <strong>Skriptum</strong> ist gedacht für die Hörer meiner <strong>Vorlesung</strong> im Sommersemester2004; es soll weder ein Lehrbuch noch den Besuch der <strong>Vorlesung</strong> ersetzen,sondern das Mitschreiben erleichtern und zum Nachschlagen der wichtigsten Definitionenund Ergebnisse dienen.Im ersten Teil wird die ZERMELO-FRAENKELsche <strong>Mengenlehre</strong> ZF als axiomatischeTheorie entwickelt. Hier werden die wichtigsten mengentheoretischenBegriffsbildungen eingeführt, wie sie in den verschiedenen Gebieten der Mathematikbenötigt werden. Dabei gehen wir vom zentralen Begriff der Wohlordnungaus, die im anschließenden zweiten Teil zu den Prinzipien der Induktion und Rekursionführt (welche leicht für den Fall fundierter Relationen verallgemeinertwerden können). Mit dem Auswahlaxiom im Teil III wird wieder eine enge Verknüpfungmit einzelnen mathematischen Gebieten angedeutet, es spielt aber aucheine entscheidende Rolle für die Theorie der Kardinalzahlen (Teil IV). Das Kontinuumsproblemist der Ausgangspunkt für die Entwicklung der Deskriptiven <strong>Mengenlehre</strong>,hier können nur die einfachsten Ergebnisse aufgeführt werden. Auch dieanschließenden Teile geben nur einen knappen und unvollkommenen Einblick inweitere mengentheoretische Themen:• Axiomatisierungen der <strong>Mengenlehre</strong> mittels Reflexionsprinzipien, die sichbesonders flexible zu Abschwächungen oder auch Verstärkung der ZF-<strong>Mengenlehre</strong>einsetzen lassen und auch besonders gut geeignet sind, Modelleder <strong>Mengenlehre</strong> zu charakterisieren, welche mittels einer kumulativenHierarchie aufgebaut sind,• Präzisierung des Begriffes der definierbaren Menge und damit eine Charakterisierunginnerer Modelle; die Hierarchie der konstruktiblen Mengen alsModell der <strong>Mengenlehre</strong>, in welcher das Auswahlaxiom und die Kontinuumshypotheseerfüllt sind,• einige grundlegende Ergebnisse aus der Theorie der großen Kardinalzahlen.Heidelberg, im Juli 2004


INHALTSVERZEICHNISiiInhaltsverzeichnisI Mengen und Unmengen 11 Ordnungen und Wohlordnungen 41.1 Ordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.2 Definition der Ordinalzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.3 Charakterisierung der Ordinalzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . 91.4 Die Ordnung der Ordinalzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Mengen und Klassen 122.1 Die Antinomien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.2 Auswege aus den Antinomien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.3 Die mengentheoretische Sprache mit Klassentermen . . . . . . . . 152.4 Variable für Klassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172.5 Überblick über verschiedene Axiomensysteme . . . . . . . . . . . 183 Extensionalität und Aussonderung 203.1 Gleichheit von Mengen und Klassen . . . . . . . . . . . . . . . . 203.2 Eigenschaften der Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223.3 Die Booleschen Operationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Relationen und Funktionen 244.1 Paare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244.2 Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264.3 Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Axiome von ZF 295.1 Vereinigung, Durchschnitt und Ersetzung . . . . . . . . . . . . . 295.2 Potenzmenge und allgemeines Produkt . . . . . . . . . . . . . . . 325.3 Überblick über die ZF-Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35


INHALTSVERZEICHNISiiiII Mengen von Mengen von . . . 376 Induktion und Rekursion 386.1 Ordnungen auf Klassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396.2 Minimumsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406.3 Induktionsprinzip für Wohlordnungen . . . . . . . . . . . . . . . 406.4 Rekursionssatz für Wohlordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 426.5 Kontraktionslemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436.6 Repräsentationssatz für Wohlordnungen . . . . . . . . . . . . . . 446.7 Minimumsprinzip, transfinite Induktion und Rekursion . . . . . . 467 Normalfunktionen 477.1 Addition, Multiplikation, Potenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477.2 Monotonie-Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487.3 Verallgemeinerte Stetigkeit von Normalfunktionen . . . . . . . . 527.4 Fixpunkte von Normalfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 Die von-Neumannsche Hierarchie 578.1 Mengeninduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578.2 Mengen von Rang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608.3 Anwendungen des Ranges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 Die Rolle des Unendlichkeitsaxioms 649.1 Die Peano-Theorie PA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659.2 Die Theorie der endlichen Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . 679.3 Anwendungen der numerischen Rekursion . . . . . . . . . . . . . 68III Mengen auswählen 7010 Das Auswahlaxiom 7110.1 Mengentheoretisch äquivalente Formen . . . . . . . . . . . . . . 7210.2 Der Zermelosche Wohlordnungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . 7210.3 Maximumsprinzipien von Zorn und Hausdorff . . . . . . . . . . . 7410.4 Anwendungen des Auswahlaxioms . . . . . . . . . . . . . . . . . 76


INHALTSVERZEICHNISivIV Die Größe der Mengen 8211 Mächtigkeiten und Kardinalzahlen 8311.1 Endliche und abzählbare Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8311.2 Überabzählbare Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8711.3 Satz von Cantor-Schröder-Bernstein . . . . . . . . . . . . . . . . 8811.4 Vergleichbarkeitssatz von Hartogs . . . . . . . . . . . . . . . . . 8911.5 Satz von Cantor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9011.6 Alternative zum Größenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9011.7 Kardinalzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9011.8 Operationen auf den Kardinalzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . 9411.9 Satz von Hessenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9412 Die Menge der reellen Zahlen 9712.1 Mengen von der Größe des Kontinuums . . . . . . . . . . . . . . 9712.2 Die Cantorsche Kontinuumshypothese . . . . . . . . . . . . . . . 9812.3 Einige topologische Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10012.4 Satz über perfekte Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10112.5 Der Satz von Cantor-Bendixson . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10312.6 Die Borelschen Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10612.7 Verspielte Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10813 Potenzen von Kardinalzahlen 11013.1 Unendliche Summen und Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . 11013.2 Satz von König-Jourdain . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11313.3 Eingeschränkte Potenzmengenoperationen . . . . . . . . . . . . . 11513.4 Konfinalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11713.5 Eigenschaften regulärer Kardinalzahlen . . . . . . . . . . . . . . 11813.6 Die wichtigsten Eigenschaften der Potenz . . . . . . . . . . . . . 120V Reflexionen über Mengen 12414 Partielle Reflexion 12514.1 Die Levy-Hierarchie der mengentheoretischen Formeln . . . . . . 12514.2 Relativierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12714.3 Die Theorie KP von Kripke-Platek . . . . . . . . . . . . . . . . . 12814.4 Partielle Reflexionsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130


INHALTSVERZEICHNISv15 Vollständige Reflexion 13215.1 Vollständige Reflexionsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . 13215.2 Reflexion über Klassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13415.3 Hierarchiesätze in ZF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13615.3.1 Hauptsatz über kumulative und stetige Hierarchien . . . . 13715.3.2 Satz von Scott-Scarpellini . . . . . . . . . . . . . . . . . 13715.3.3 Satz von Löwenheim-Skolem . . . . . . . . . . . . . . . 138VI Definierbare Mengen 13916 Innere Modelle 14016.1 Definierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14016.2 Relative Konsistenzbeweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14216.2.1 Satz über Interpretationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 14316.3 Gödelisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14416.3.1 Kodierung der mengentheoretischen Formeln . . . . . . . 14516.3.2 Definierbarkeit des Wahrheitsbegriffes . . . . . . . . . . . 14616.3.3 Definierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14716.3.4 Bemerkungen und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . 14716.4 Charakterisierung Innerer ZF-Modelle . . . . . . . . . . . . . . . 14816.4.1 Hauptsatz über innere ZF-Modelle . . . . . . . . . . . . . 15017 Konstruktible Mengen 15217.1 Die Hierarchie der konstruktiblen Mengen . . . . . . . . . . . . . 15217.2 Absolutheit von L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15317.3 Eine definierbare Wohlordnung von L . . . . . . . . . . . . . . . 15417.4 Das Kondensationslemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15517.5 Das Cohensche Minimalmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15817.6 GCH in L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15817.7 Relative Konstruktibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159VII Große Zahlen und nichtunterscheidbare Mengen 16118 Große Kardinalzahlen 16218.1 Große endliche Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16218.2 Große unendliche Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163


INHALTSVERZEICHNISvi18.3 Ideale und Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16618.4 Mahlosche Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16918.5 Meßbare Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17119 Homogene Mengen 17519.1 Das Schubfachprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17519.2 L kann sehr klein sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17720 Literatur 179


1Teil IMengen und Unmengen


2VorbemerkungDie <strong>Mengenlehre</strong> hat für die Mathematik eine zweifache Bedeutung:1. Als Grundlagentheorie stellt sie sämtliche Objekte, die in den einzelnenmathematischen Disziplinen untersucht werden:Zahlen, Funktionen, Operatoren, Relationen, Punkte, Räume . . .unter dem einheitlichen Begriff der Menge dar.2. Außerdem ist sie selbst eine mathematische Theorie des Unendlichen (insbesondereder transfiniten Ordinal- und Kardinalzahlen).Beide Aspekte lassen sich nicht völlig voneinander trennen; insbesondere dasAuswahlaxiom (mit seinen vielen äquivalenten Fassungen) hat zahlreiche Anwendungenin fast allen mathematischen Gebieten, ist aber auch wichtig für die Entwicklungder Theorie der transfiniten Kardinalzahlen.Als Einleitung in die <strong>Mengenlehre</strong> wollen wir dem Weg GEORG CANTORs<strong>zur</strong> Einführung der transfiniten Ordinalzahlen folgen und kurz in die Theorie derOrdnungen und Wohlordnungen einführen. Dabei gelangen wir über die frühestemengentheoretische Antinomie zu einer axiomatisch neubegründeten <strong>Mengenlehre</strong>nach ERNST ZERMELO und ABRAHAM A. FRAENKEL, wie sie heuteallgemein in Gebrauch als Grundlage für die Mathematik ist. Für den formalaxiomatischenAufbau der <strong>Mengenlehre</strong> benötigen wir den Formelbegriff aus derMathematischen Logik, die zwar mit der <strong>Mengenlehre</strong> als Grundlagentheorie engverknüpft ist, deren Kenntnis hier aber nicht vorausgesetzt wird. Allerdings werdenwir die üblichen logischen Symbole als Abkürzungen benutzen und mit ihrerintuitiven Bedeutung verwenden:


3¬ nicht∨ oder∧ und−→ wenn . . . dann←→ genau dann . . . wenn (im Englischen: iff)∃ existiert∃! es existiert genau ein∀ für alleAuch die einfachsten mengentheoretischen Bezeichnungen, die wir später formaleinführen werden, dürften bereits bekannt sein:a ∈ A a ist Element von A/0 leere Menge{a} Einermenge von a{a,b} (ungeordnetes) Paar von a und ba ∪ b Vereinigung von a und ba ∩ b Durchschnitt von a und b⊆ Teilmenge


4Kapitel 1Ordnungen und WohlordnungenIn seinen Untersuchungen über die Konvergenz von Fourierreihen führte CANTORden Begriff der Ableitung A ′ einer Menge A von reellen Zahlen ein: A ′ besteht ausden Elementen von A, welche Häufungspunkte von Elementen von A sind. Mankann nun nach der Menge der Häufungspunkte dieser neuen Menge fragen unddamit eine Menge A ′′ bilden, die Menge der Häufungspunkte der Häufungspunktevon A. Iteriert man diese Operation, so erhält man eine eine unendlich-absteigendeFolgeA ⊇ A ′ ⊇ A ′′ ⊇ A ′′′ ...deren “Limes” A ∞ , d. h. in diesem Fall der Durchschnitt, möglicherweise wiederisolierte Punkte enthält, so daß man wieder die Menge ihrer Häufungspunkte bildenkann. Auf diese Weise fortgesetzt, führt der Zählprozeß über die natürlichenZahlen hinaus ins Transfinite, und zwar mit ω statt ∞ als neuer “Zahl”:0,1,2,3,...ω,ω + 1,ω + 2,ω + 3,...ω + ω,ω + ω + 1,ω + ω + 2,...ω + ω + ω,...ω · ω,...Einen derartigen Zählprozeß erhalten wir auch, wenn wir die natürlichen Zahlenumordnen und neu aufzählen, etwa erst die Potenzen von 2, dann die Potenzenvon 3, dann die Potenzen von 5 . . . :1,2,4,8,...3,9,27,...5,25,125,...und dann bleibt immer noch ein unendlicher Rest von Zahlen wie 0, 6, 10, . . .Offenbar gibt es verschiedene Möglichkeiten, ins Unendliche aufzuzählen, wieunterscheiden sich diese Möglichkeiten? Führen unterschiedliche Aufzählungenvielleicht zu Widersprüchen? Lassen sich überhaupt alle Mengen in irgendeiner


1.1. ORDNUNGEN 5Weise aufzählen? Tatsächlich ergeben sich Widersprüche, wenn man allzu naivversucht, Eigenschaften von endlichen auf unendliche Mengen zu übertragen;trotzdem kann man aber die Theorie der Wohlordnungen und der Ordinalzahleneinheitlich für endliche und unendliche Mengen begründen. Hier setzen wirzunächst einen intuitiven Mengenbegriff voraus (eine formale Begründung werdenwir später nachliefern) und erinnern an die in der Mathematik üblichen Ordnungsbegriffe:1.1 Ordnungen1. Eine (reflexive) teilweise Ordnung auf einer Menge A ist eine 2-stelligeRelation ≤ auf A, so daß für alle a,b,c ∈ A:(a) a ≤ a reflexiv,(b) a ≤ b ∧ b ≤ a → a = b antisymmetrisch,(c) a ≤ b ∧ b ≤ c → a ≤ c transitiv.2. Eine (reflexive) lineare Ordnung auf A ist eine teilweise Ordnung auf A,so daß für alle a,b ∈ A:(d) a ≤ b ∨ b ≤ a vergleichbar (connex).3. Eine (irreflexive) teilweise Ordnung auf einer Menge A ist eine 2-stelligeRelation < auf A, so daß für alle a,b,c ∈ A:(a’) a ≮ a irreflexiv,(c’) a < b ∧ b < c → a < c transitiv.4. Eine (irreflexive) lineare Ordnung auf A ist eine teilweise Ordnung auf A,so daß für alle a,b ∈ A:(d’) a < b ∨ a = b ∨ b < a vergleichbar (connex).Definiert mana < b :↔ a ≤ b ∧ a ≠ b,so erhält man aus einer reflexiven (teilweisen) Ordnung ≤ eine irreflexive (teilweise)Ordnung


1.1. ORDNUNGEN 6aus einer irreflexiven (teilweisen) Ordnung < wieder eine reflexive (teilweise)Ordnung ≤ (und bei wiederholter Operation die alte Ordnung <strong>zur</strong>ück).Eine teilweise Ordnung nennt man manchmal auch eine partielle (oder Halb-)Ordnung, eine lineare Ordnung auch einfach Ordnung. Die gewöhnlichen Ordnungenauf den natürlichen, den ganzen, den rationalen und den reellen Zahlensind offenbar lineare Ordnungen; die Relationf < g :↔ ∀x ∈ R f (x) < g(x)auf den reellen Funktionen ist dagegen nur eine teilweise Ordnung.Die natürlichen Zahlen lassen sich der Größe nach aufzählen, aber für die anderenZahlbereiche ist dies nicht möglich; selbst wenn man noch −∞ als “kleinsteZahl” hinzunimmt, gibt es keine nächstgrößere (und bei dichten Ordnungen wieden rationalen Zahlen gibt es zu überhaupt keiner Zahl eine nächstgrößere). Umdiese Bereiche in der Form {a 0 ,a 1 ,...a n ,a n+1 ...} aufzuzählen, müssen wir sieauf solche Weise neu ordnen, daß man mit(i) einem kleinsten Element beginnen kann,und wenn man in der Aufzählung zu einem Element gekommen ist,(ii) weiß, mit welchem Element man fortfahren kann, und schließlich(iii) auch den Aufzählungsprozeß fortsetzen kann, wenn man bereits eine unendlicheTeilfolge von Elementen aufgezählt hat (aber noch nicht alles aufgezähltist).Diese Anforderungen kann man präzisieren und zugleich vereinheitlichen, indemman verlangt, daß jede nicht-leere Teilmenge (nämlich der Rest der nochnicht aufgezählten Elemente) ein kleinstes Element enthält (welches als “nächstes”aufzuzählen ist):5. Eine Wohlordnung auf einer Menge A ist eine (irreflexive) lineare Ordnungauf A, welche zusätzlich die Minimalitätsbedingung(Min) ∀z (/0 ≠ z ⊆ A → ∃x ∈ z ∀y ∈ z y ≮ x)erfüllt, welche wegen der Vergleichbarkeit (d’) äquivalent ist <strong>zur</strong> Existenzeines kleinsten Elementes:(Kl)∀z (/0 ≠ z ⊆ A → ∃x ∈ z ∀y ∈ z x ≤ y),wobei wie oben x ≤ y :↔ x < y ∨ x = y.


1.1. ORDNUNGEN 7BeispieleJede lineare Ordnung auf einer endlichen Menge ist eine Wohlordnung, ebensodie gewöhnliche Ordnung auf den natürlichen Zahlen. Dagegen sind die ganzenZahlen erst wohlgeordnet, wenn wir sie (etwa) in folgende Ordnung bringen:0,1,2,3,4,...,−1,−2,−3,−4,... oder kürzer:0,1,−1,2,−2,3,−3,...Im ersten Fall werden wir von einer Ordnung vom Typ ω + ω, sprechen, imzweiten Fall vom Typ ω (und viele andere Möglichkeiten noch kennenlernen).Die endlichen Ordinalzahlen (und zugleich auch die endlichen Kardinalzahlen)sind die natürlichen Zahlen. Diese werden wir so einführen, daß (wie auch späterauf allen Ordinalzahlen) die


1.2. DEFINITION DER ORDINALZAHLEN 81.2 Definition der OrdinalzahlenOrdinalzahlen wurden von CANTOR als Repräsentanten (isomorpher) Wohlordnungeneingeführt; heute definiert man sie nach von NEUMANN als Mengen, die(wie speziell die natürlichen Zahlen) transitiv und durch die ∈-Beziehung wohlgeordnetsind:∈ a : = {x,y | x,y ∈ a ∧ x ∈ y} Elementbeziehung auf a,Ord(a) : ↔ trans(a)∧ ∈ a ist Wohlordnung auf a Ordinalzahl,con(a) : ↔ ∀x,y ∈ a (x ∈ y ∨ x = y ∨ y ∈ x) connex,fund(a) : ↔ ∀x ⊆ a (x ≠ /0 → ∃y ∈ x ∀z ∈ x z ∉ y) fundiert.Eine Menge a ist fundiert, wenn jede nicht-leere Teilmenge b ⊆ a ein Elementbesitzt, welches minimal (bezüglich der ∈-Relation) ist; diese Bedingung ist alsoTeil der Forderung, daß ∈ a eine Wohlordnung ist (Bedingung Min in der Definitioneiner Wohlordnung). Eine Menge a mit der Eigenschaft a ∈ a ist nicht fundiert(denn {a} wäre eine nicht-leere Teilmenge ohne minimales Element), und ebensowenigist eine Menge {a,b} mit a ∈ b ∈ a fundiert.Vereinbarung <strong>zur</strong> FundierungWir wollen nun der Einfachheit halber voraussetzen, daß alle Mengen fundiertsind. Dann gilt also insbesondere:b ≠ /0 → ∃y ∈ b ∀z ∈ b z ∉ y, d. h.b ≠ /0 → ∃y ∈ b y ∩ b = /0.Damit werden dann einige ungewöhnliche Mengen ausgeschlossen, insbesondereMengen a (wie oben) die sich selbst als Element enthalten oder mit anderenMengen einen endlichen ∈-Zyklus bilden. Es gilt somit:(F ∗ ) a ∉ a, ¬(b ∈ c ∧ c ∈ b), ¬(d ∈ b ∧ b ∈ c ∧ c ∈ d),...Damit läßt sich die Definition der Ordinalzahlen wesentlich kürzer fassen(siehe (i) in folgendem Satz). Später werden wir ohnehin das Fundierungsaxiom(in der Form: alle Mengen sind fundiert) voraussetzen; alle folgenden Aussagenüber Ordinalzahlen lassen sich jedoch (mit etwas Mehraufwand) ohne das Fundierungsaxiombeweisen, wenn man die ursprüngliche Definition zugrunde legt.


1.3. CHARAKTERISIERUNG DER ORDINALZAHLEN 91.3 Charakterisierung der Ordinalzahlen(i) Ord(a) ↔ trans(a) ∧ con(a).(ii) Elemente von Ordinalzahlen sind wieder Ordinalzahlen:Ord(a) ∧ b ∈ a → Ord(b).Beweis: Da ∈ a eine Wohlordnung auf a ist gdw ∈ a irreflexiv, transitiv, connexund fundiert ist und die Irreflexivität aus der Fundiertheit folgt, ist nach unsererVereinbarung (alle Mengen sind fundiert) für (i) nur zu zeigen:con(a) → trans(∈ a ).Sei also con(a) sowie b,c,d ∈ a mit b ∈ c ∧ c ∈ d. Beh.: b ∈ d.Es gilt: b ∈ d ∨ d = b ∨ d ∈ b wegen con(a).Falls d = b, so hätten wir b ∈ c ∧ c ∈ b im Widerspruch zu (F ∗ )falls d ∈ b, so d ∈ b ∧ b ∈ c ∧ c ∈ d im Widerspruch zu (F ∗ ).Somit bleibt nur die Möglichkeit b ∈ d.Um (ii) zu zeigen, sei Ord(a) ∧ b ∈ a. Dann ist wegen trans(a): b ⊆ a undmit ∈ a auch ∈ b eine Wohlordnung. Somit brauchen wir nur noch zu zeigen, daß bauch transitiv ist:Sei x ∈ y ∈ b. Beh.: x ∈ b. Dazu argumentieren wir wie oben: Es sind x,b ∈ a (erstereswegen trans(a)), also sind beide wegen con(a) miteinander vergleichbar:x ∈ b ∨ x = b ∨ b ∈ x, wobei die letzten beiden Möglichkeiten zu einem Widerspruch<strong>zur</strong> Fundierung (F ∗ ) führen.□1.4 Die Ordnung der OrdinalzahlenOrdinalzahlen werden üblicherweise mit kleinen griechischen Buchstaben bezeichnet:α,β,γ,...,ξ ,η,ζ ,... stehen für Ordinalzahlen,ebenso die Quantoren∀ξ ,...∃ζ ... für ∀x(Ord(x) → ...),...∃y(Ord(y) ∧ ...)...Ferner schreiben wirα < β für α ∈ β,α ≤ β für α ∈ β ∨ α = β.


1.4. DIE ORDNUNG DER ORDINALZAHLEN 10Wir werden gleich zeigen, daß alle Ordinalzahlen durch die ∈-Relation nicht nurgeordnet, sondern sogar wohlgeordnet sind, so daß diese Bezeichnungsweise gerechtfertigtist. Der obige Satz 1.3 besagt also im Teil (ii) : α = {ξ | ξ < α}.Satzα ≤ β ↔ α ∈ β ∨ α = β ↔ α ⊆ β.Beweis: Wir zeigen zunächst etwas allgemeiner:trans(a) ∧ a ⊆ β → Ord(a) ∧ (a ∈ β ∨ a = β)Sei trans(a) ∧ a ⊆ β. Dann ist auch ∈ a eine Wohlordnung, also Ord(a).Falls a ≠ β, so a ⊂ β, d. h. β − a ≠ /0, und wir können wegen der Fundiertheitein minimales γ ∈ β −a wählen, von dem wir zeigen werden, daß a = γ und damita ∈ β wie erwünscht:Sei also γ ∈ β − a ∈-minimal, so daß insbesondere ∀x ∈ γ x ∈ a, d. h. γ ⊆ a.Es gilt dann aber auch a ⊆ γ :Sei x ∈ a. Dann x ∈ β (nach Voraussetzung) und x ∈ γ ∨ x = γ ∨ γ ∈ x wegencon(β). Aber die letzten beiden Fälle können nicht eintreten: x = γ → γ ∈ a undγ ∈ x → γ ∈ a (wegen trans(a)), es ist aber nach Wahl von γ : γ ∉ a. □Somit haben wir mengentheoretisch nicht nur eine einfache


1.4. DIE ORDNUNG DER ORDINALZAHLEN 11Beweis von (i):α ∉ αα ∈ β ∈ γ → α ∈ γα ∈ β ∨ α = β ∨ β ∈ αnach dem Fundierungsaxiom (oder wegen f und(α))wegen trans(γ)kann man wie folgt zeigen:Sei δ := α ∩ β das Minimum der beiden Ordinalzahlen. Dann ist trans(δ)und δ ⊆ α,β, also nach nach dem vorangegegangen Satz: δ = α ∨ δ ∈ α undebenso δ = β ∨ δ ∈ β, aber im Fall δ ∈ α ∧ δ ∈ β erhielten wir den Widerspruchδ ∈ δ! Somit ist die ∈-Beziehung auf den Ordinalzahlen eine lineare Ordnung.Sie ist ferner eine Wohlordnung, da für Mengen a von Ordinalzahlen die Minimalitätsbedingung/0 ≠ a → ∃α ∈ a α ∩ a = /0 nach unserer Vereinbarung (also demFundierungsaxiom) erfüllt ist.(ii) Angenommen, es gäbe eine Menge a aller Ordinalzahlen. Nach Satz 1.3(ii) ist a transitiv und nach der gerade bewiesenen Aussage (i) ist die ∈-Beziehungeine Wohlordnung auf a, also ist a selbst eine Ordinalzahl, somit a ∈ a nach Definitionvon a als Menge aller Ordinalzahlen, aber anderseits gilt a ∉ a für alleOrdinalzahlen a, Widerspruch! (Man könnte auch so argumentieren: die Menge aaller Ordinalzahlen wäre als Ordinalzahl die größte Ordinalzahl, dann kann abernicht a ∈ a sein!)□Die Antinomie von BURALI-FORTI (1897) war CANTOR übrigens bereitsschon 1895 bekannt. Man kann sie als Aussage lesen, daß es keine größte Ordinalzahlgibt und die Gesamtheit aller Ordinalzahlen so “groß” ist, daß sie sichnicht zu einer Menge zusammenfassen läßt. Das wäre an sich harmlos, wenn sichnicht herausgestellt hätte, daß auch andere Eigenschaften von Mengen zu “inconsistentenVielheiten” (CANTOR) führen, und man deshalb befürchten müßte,daß vielleicht an einer anderen Stelle der Theorie ein (womöglich bisher noch garnicht entdeckter) Widerspruch versteckt ist, der sich nicht so einfach hinweg interpretierenläßt. Wir wollen daher erst einmal innehalten, um uns den Grundlagender <strong>Mengenlehre</strong> zuzuwenden.


12Kapitel 2Mengen und Klassen2.1 Die AntinomienIn seinem Hauptwerk 1 gab CANTOR seine berühmte Beschreibung einer Menge:Unter einer “Menge” verstehen wir jede Zusammenfassung M vonbestimmten wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung oderunseres Denkens (welche die “Elemente” von M genannt werden) zueinem Ganzen.Man kann diese “Definition” in folgendem Sinne zu präzisieren versuchen:Zu jeder Eigenschaft E(x) existiert die Menge M aller Objekte xmit der Eigenschaft E(x): M = {x : E(x)}.ZERMELOs Erklärung des Begriffes Eigenschaft als definite Eigenschaft wurdevon FRAENKEL und SKOLEM dahingehend präzisiert, daß Eigenschaften als Ausdrückeeiner bestimmten formalen Sprache festzulegen sind, wie wir sie gleichnäher präzisieren werden. Benutzen wir ϕ,ψ,... als Notationen für mengentheoretischeFormeln, so kann die CANTORsche Definition wie folgt aufgeschriebenwerden:Komprehensionsaxiom∃y∀x(x ∈ y ↔ ϕ(x)),wobei ϕ(x) eine beliebige Formel ist, in welcher y nicht vorkommt.1 Beiträge zu Begründung der transfiniten <strong>Mengenlehre</strong>. Math. Ann. 46, (1895), 481 - 512,Math. Ann. 49, (1897), 207 - 246


2.2. AUSWEGE AUS DEN ANTINOMIEN 13Dieses Axiom (eigentlich ein Axiomenschema, da es aus unendlich vielen Axiomenbesteht) ist nun aber widerspruchsvoll: Wie wir gerade mittels der Antinomievon BURALI-FORTI gesehen haben, führt es für die Eigenschaft Ord(x) zu einemWiderspruch, da es keine Menge aller Ordinalzahlen geben kann. B. RUSSELLentdeckte einen weiteren Widerspruch, der viel elementarer zu erhalten ist:RUSSELLsche Antinomie (1903)Wählt man für ϕ(x) die Formel x ∉ x, so liefert das Komprehensionsaxiom dieExistenz einer Menge r mit∀x(x ∈ r ↔ x ∉ x) insbesondere gilt für x = r :r ∈ r ↔ r ∉ rWiderspruch!Ähnliche Widersprüche erhält man, wenn man für ϕ(x) die Formelx = xAntinomie der “Menge aller Mengen” von CANTORx ist Kardinalzahl Antinomie von CANTOR (um 1899, publiziert erst 1932)x ist OrdinalzahlAntinomie von CANTOR und BURALI-FORTIwählt, wobei man allerdings noch einige Schritte in der Anwendung der Theoriedurchführen muß, um zum Widerspruch zu gelangen, während die Antinomievon RUSSELL (die um die gleiche Zeit auch bereits ZERMELO bekannt war) sehrelementar - und daher besonders beeindruckend - ist.2.2 Auswege aus den Antinomiena) RUSSELLsche Typentheorie:Im Komprehensionsaxiom darf <strong>zur</strong> Vermeidung eines circulus vitiosus beider Definition der Menge y durch die Eigenschaft ϕ(x) nicht auf einen BereichBezug genommen werden, dem dieses y selbst angehört. Man nimmteine Stufeneinteilung vor: x 0 ,x 1 ,... und vereinbart, daß x n ∈ x m nur erlaubtist, wenn m = n + 1. Das Komprehensionsaxiom hat dann die Form∃y n+1 ∀x n (x n ∈ y n+1 ↔ ϕ(x n )).Da die Bildung von r n ∉ r n nicht mehr erlaubt ist, ist die RUSSELLsche Antinomienicht mehr formulierbar. Dieses prädikative Komprehensionsaxi-


2.2. AUSWEGE AUS DEN ANTINOMIEN 14om schränkt die Mengenbildung jedoch stark ein; die Idee eines stufenweisenAufbaus der <strong>Mengenlehre</strong> läßt sich jedoch auch in der ZF-<strong>Mengenlehre</strong>wieder finden (von NEUMANNsche Hierarchie Kap. 8).b) Unterscheidung zwischen Mengen und Klassen (von NEUMANN, GÖDEL,BERNAYS):Man läßt eine (mehr oder weniger beschränkte) Komprehension von Mengenzu, das Ergebnis ist dann aber nicht notwendig wieder eine Menge,sondern zunächst eine Klasse {x | ϕ(x)}. So kann man bilden:die RUSSELLsche KlasseR = {x | x ∉ x},die Klasse aller MengenV = {x | x = x},die Klasse aller Ordinalzahlen, Kardinalzahlen, usw.Das Auftreten von Antinomien wird nun dadurch vermieden, daß Klassennicht notwendig wieder Mengen sind; z. B. kann R in die Eigenschaft, welcheR definiert, nur dann eingesetzt werden, wenn R eine Menge x ist, und dadiese Annahme zum Widerspruch führt, kann R keine Menge sein, sondernnur eine Klasse (echte Klasse oder Unmenge). Welche Klassen zugleichauch Mengen sind, versucht man durch Axiome festzulegen, wobei man• einerseits möglichst viele Klassen als Mengen (und damit wieder alsElemente von Mengen und Klassen) erlauben möchte,• andererseits aber nicht so viele, daß es zu einem Widerspruch kommt.c) ZERMELOsches Aussonderungsaxiom:Das Komprehensionsaxiom wird eingeschränkt auf die Bildung von Teilmengeneiner bereits gegebenen Menge a:Aussonderungsaxiom: ∃y∀x(x ∈ y ↔ x ∈ a ∧ ϕ(x))Versucht man erneut, die RUSSELLsche Antinomie abzuleiten, so erhältman die Existenz einer Menge r mitr ∈ r ← r ∈ a ∧ r ∉ r, also• es gibt keine “Menge aller Mengen” (für a eingesetzt, erhielte manden RUSSELLschen Widerspruch),


2.3. DIE MENGENTHEORETISCHE SPRACHE MIT KLASSENTERMEN 15• es gibt eine “leere” Menge (setze für ϕ(x) ein: x ≠ x und für a irgendeineMenge).Das Aussonderungsaxiom ist nachweisbar widerspruchsfrei - es ist bereits wahrin einem Modell, welches nur die leere Menge enthält. Um es darüber hinaus anwendenzu können, müssen wir die Menge a, aus welcher mittels der Eigenschaftϕ(x) eine Teilmenge ausgesondert wird, bereits haben - weitere Axiome sind erforderlich!Im folgenden werden wir - wie jetzt allgemein üblich - der Entwicklung der<strong>Mengenlehre</strong> nach ZERMELO folgen, dabei aber auch den Klassenbegriff benutzen,weil sich damit die Axiome von ZF leicht in der Formbestimmte Klassen (und zwar “nicht zu große”) sind Mengenbequem ausdrücken lassen.2.3 Die mengentheoretische Sprache mit KlassentermenWie schon angedeutet, benötigen wir für die ZF-Sprache nur die ∈-Beziehung alseinziges nicht-logisches Prädikat. Als Variable für Mengen benutzen wir Kleinbuchstaben,und zwar meistens a,b,c,... für freie Variable und x,y,z,... (u. U.mit Indizes) für gebundene Variable, werden aber die Unterscheidung möglicherweisenicht immer genau einhalten. Die damit gebildete Sprache L ZF werden wirerweitern um die Hinzunahme von definierbaren Klassen (auch Klassenterme genannt){x | ϕ(x)}welche in Formeln jedoch nur in der Kombination a ∈ {x | ϕ(x)} benötigt werden,so daß Formeln wie folgt gebildet werden:(F1) Sind a,b Mengenvariable, so sind a = b und a ∈ b Formeln (Primformeln,atomare Formeln).(F2) Ist ϕ eine Formel, so auch ¬ϕ.(F3) Sind ϕ und ψ Formeln, so auch (ϕ ∧ ψ), (ϕ ∨ ψ), (ϕ → ψ) und (ϕ ↔ ψ).(F4) Ist ϕ(a) eine Formel, in welcher die Variable x nicht vorkommt, so sind auch∀xϕ(x) und ∃xϕ(x) Formeln.


2.3. DIE MENGENTHEORETISCHE SPRACHE MIT KLASSENTERMEN 16(F5) Ist ϕ(a) eine Formel, in welcher die Variable x nicht vorkommt, so ist aucha ∈ {x | ϕ(x)} eine Formel.(F6) Das sind alle Formeln.Von Formeln der ZF-Sprache im engeren Sinne sprechen wir, wenn bei derBildung dieser Formeln die Bedingung (F5) nicht benutzt wurde, ansonsten vonFormeln der erweiterten ZF-Sprache.Außerdem benutzen wir beschränkte Quantoren ∀x ∈ a, ∃x ∈ a als Abkürzungen:∀x ∈ aϕ steht für ∀x(x ∈ a → ϕ),∃x ∈ aϕ steht für ∃x(x ∈ a ∧ ϕ).Für viele Untersuchungen spielen Fragen der Komplexität von Eigenschaften einewichtige Rolle; dabei gelten beschränkte Quantoren als “einfacher” als unbeschränkteQuantoren. Wir werden daher im folgenden - soweit möglich - beschränkteQuantoren verwenden.Elimination von KlassentermenUnser erstes Axiom (für die erweiterte ZF-Sprache) ist das folgendeCHURCHsche Schema (CS):Es erlaubt, Klassenterme wieder zu eliminieren:Metatheorema ∈ {x | ϕ(x)} ↔ ϕ(a).Zu jeder Formel ϕ der erweiterten Sprache existiert eine Formel ψ der engerenSprache (mit denselben freien Variablen), so daß unter Benutzung von CS gilt:ϕ ↔ ψ.(Beweis bei A. LEVY: Basic Set Theory, Appendix X. Beachte, daß der Beweiskonstruktiv ist.)Die erweiterte ZF-Sprache ist somit eigentlich nicht ausdrucksstärker, aberes wird sich zeigen, daß sie für mengentheoretische Überlegungen bequemer zubenutzen ist, vor allem weil man für jede Eigenschaft ϕ(x,...) die Klasse {x |ϕ(x,...)} bilden kann, während man <strong>zur</strong> Bildung einer entsprechenden Mengeerst nachprüfen muß, ob die Axiome dies zulassen bzw. ob man einen Widersprucherhält, was sehr schwierig (oder sogar unmöglich) sein kann!


2.4. VARIABLE FÜR KLASSEN 172.4 Variable für KlassenSchließlich noch ein weiterer Schritt: Um nicht immer über die Klassenterme{x | ϕ(x,...)} durch Angabe von Formeln sprechen zu müssen, werden wir VariableA,B,... für Klassenterme benutzen! Damit nähern wir uns einer Sprache 2.Stufe, in welcher neben den Variablen für Mengen (Kleinbuchstaben) auch Variablefür Klassen (Großbuchstaben) auftreten. Streng genommen werden hier keineformalen Klassenvariable eingeführt, sondern Metavariable für Klassenterme.Das bedeutet, daß eine Aussage der Formes gibt ein A mit . . . A . . . B. . .als Behauptung zu lesen ist, für einen vorgegebenen Klassenterm B einen KlassentermA konkret (d. h. durch eine Formel) anzugeben, der die gewünschte Eigenschaftbesitzt; ebenso bedeutet eine universelle Aussage der Formfür alle A . . . A . . .daß sie für alle (konkret definierbaren) Klassenterme A gilt.Diese Unterscheidungen werden sich allerdings nur selten bemerkbar machen,sie treten z. B. auf bei der Einführung von Ordnungen und Wohlordnungen in 1.1:Die verschiedenen Definitionen von Ordnungen auf einer Menge A enthalten nurGesetze über die Elemente von A (Eigenschaften 1. Stufe im Sinne der mathematischenLogik), sie können somit - wie durch die Wahl des Großbuchstabens Abereits angedeutet - direkt für Klassen A übernommen werden. Dagegen besagtdie Minimumsbedingung für Wohlordnungen, daß jede nicht-leere Teilmenge einminimales Element besitzt. Im Falle einer Wohlordnung auf einer Klasse A werdenwir eine zusätzliche Bedingung hinzufügen, aus welcher folgt, daß die Minimalitätsbedingungsich von Mengen auf beliebige definierbare Klassen verstärkenläßt. Wenn man jedoch die Minimalitätsbedingung für alle Teilklassen von A fordernwill, so kann man dies nur in einer entsprechenden Sprache 2. Stufe formulieren.Es gibt nun allerdings Axiomensysteme der <strong>Mengenlehre</strong> mit freien und möglicherweiseauch gebundenen Klassenvariable (also in einer Sprache 2. Stufe mitformalen Variablen wie den Mengenvariablen), in denen Klassen eine stärkereRolle spielen:


2.5. ÜBERBLICK ÜBER VERSCHIEDENE AXIOMENSYSTEME 182.5 Überblick über verschiedene AxiomensystemeDie Axiomensysteme der <strong>Mengenlehre</strong> unterscheiden sich weniger in dem jeweilszugelassenen Bereich von Mengen als in dem Status, den sie den Klasseneinräumen:• ohne Klassen:das Axiomensystem ZF von ZERMELO-FRAENKEL in der (engeren) ZF-Sprache• mit eliminierbaren Klassen (“virtuelle Klassen” (QUINE)):das Axiomensystem ZF von ZERMELO-FRAENKEL in der erweiterten ZF-Sprache (welches wir hier zugrunde legen werden)• mit freien Klassenvariablen:das Axiomensystem von BERNAYS 1958• mit freien und gebundenen Klassenvariablen, aber nur prädikativen Klassen:das Axiomensystem NBG (von NEUMANN-GÖDEL-BERNAYS)) mit demKomprehensionsaxiom in der Form∃Y ∀x(x ∈ Y ↔ ϕ(x,...,A,...)).Hier stehen A,B,...,X,Y,... für Klassen, x,y,... weiterhin für Mengen, undϕ(x,...) ist eine Eigenschaft von Mengen (möglicherweise mit Klassen alsParametern), in welcher aber nur über Mengen quantifiziert werden darf -prädikative Form.• Klassen, ernst genommen (imprädikativ):das Axiomensystem QM von QUINE-MORSE mit dem Komprehensionsaxiomwie oben, aber jetzt werden auch Formeln zugelassen, die Quantifikationenüber Klassen enthalten; in diesem System lassen sich mehr Aussagenüber Mengen beweisen als in NBG!• neben Klassen und Mengen auch noch Halbmengen:die alternative <strong>Mengenlehre</strong> von VOPENKA (VOPENKA-HAJEK 1972).


2.5. ÜBERBLICK ÜBER VERSCHIEDENE AXIOMENSYSTEME 19Neben der Entscheidung, welchen existentiellen Wert man den Klassen einräumensoll, bleibt als Hauptproblem die Frage: welche Mengen existieren - bzw.:(i) welche Eigenschaften definieren Mengen - oder(ii) (wenn wir ein allgemeines Komprehensionsprinzip für Klassen zugrundelegen): welche Klassen führen zu Mengen?Grundlegend werden folgende Vorstellungen sein:• Es gibt Mengen und Klassen; ihre Gleichheit wird durch das Extensionalitätsprinzipbestimmt: Mengen bzw. Klassen sind identisch, wenn sie vomselben Umfang sind, d. h. dieselben Elemente enthalten.• Elemente von Klassen und Mengen sind wieder Mengen; echte Klassen(wie die RUSSELLsche Klasse) sind dagegen niemals Elemente - weder vonMengen noch von anderen Klassen.• Komprehensionsprinzip: Jeder Eigenschaft E(x) von Mengen x entsprichtdie Klasse {x | E(x)} aller Mengen x mit der Eigenschaft E(x),• insbesondere ist jede Menge a eine Klasse (nämlich: a = {x | x ∈ a}),• umgekehrt ist aber nicht jede Klasse eine Menge, sondern nur diejenigenKlassen, die nicht “zu groß” sind, sind Mengen (limitation of size).Klassen sind somit nach dem Komprehensionsprinzip (nahezu) unbeschränkt bildbar,Mengen existieren (als spezielle Klassen) nur nach Maßgabe einzelner Axiome.Literatur zu diesem KapitelBERNAYS, P. Axiomatic Set Theory. Amsterdam 1958FELGNER, U. (Herausgeber) <strong>Mengenlehre</strong>. Darmstadt 1979FRAENKEL, A.- BAR HILLEL, Y. - LÉVY, A. Foundations of Set Theory.Amsterdam 1973FRAENKEL, A.A. Zu den Grundlagen der Cantor-Zermeloschen <strong>Mengenlehre</strong>.Math Ann 86 (1922), 230 - 237, auch in: FELGNER [1979]SKOLEM, T. Einige Bemerkungen <strong>zur</strong> axiom. Begründung der <strong>Mengenlehre</strong>.Kongreß Helsingfors 1922, auch in FELGNER [1979].


20Kapitel 3Extensionalität und Aussonderung3.1 Gleichheit von Mengen und KlassenMengen sind allein durch ihre Elemente bestimmt, unabhängig von deren Definitionund Reihenfolge:Extensionalitätsaxiom (Ext) ∀x(x ∈ a ↔ x ∈ b) → a = b.Aus den logischen Axiomen über die Gleichheit folgt die Umkehrung, es gilt dannalso:extensionale Gleichheit: ∀x(x ∈ a ↔ x ∈ b) ↔ a = b.Somit könnte man im Prinzip auf die Gleichheit als logisches Grundsymbol verzichtenund sie mittels der Elementbeziehung definieren. - Denkbar wäre aucheine Definition durchintensionale (Leibniz-)Gleichheit: ∀x(a ∈ x ↔ b ∈ x) ↔ a = b.Diese Äquivalenz wird später einfach beweisbar sein (mit Existenz der Einer-Menge).Mengen ohne Elemente bezeichnet man auch als Urelemente; aus dem Extensionalitätsaxiomfolgt, daß es höchstens eine solche Menge gibt, die leere Menge.Für eine alternative <strong>Mengenlehre</strong>, die weitere Urelemente zulassen soll, muß manalso das Extensionalitätsaxiom abändern.


3.1. GLEICHHEIT VON MENGEN UND KLASSEN 21Die Gleichheit von Klassen bzw. Klassen und Mengen wird als Umfangsgleichheitdefiniert:A = B : ↔ ∀x(x ∈ A ↔ x ∈ B),A = b : ↔ ∀x(x ∈ A ↔ x ∈ b),a = B : ↔ ∀x(x ∈ a ↔ x ∈ B),und in ähnlicher Weise (da Elemente stets Mengen sein sollen):A ∈ B : ↔ ∃y(y = A ∧ y ∈ B),A ∈ b : ↔ ∃y(y = A ∧ y ∈ b).Somit sind nun die Grundprädikate = und ∈ für sowohl Mengen wie auch Klassendefiniert.Wenn eine Klasse dieselben Elemente wie eine Menge enthält, so sind nachunserer Definition beide gleich, und genau in diesem Fall werden wir eine Klasseeine Menge nennen:Mg(A) :↔ ∃x(x = A)Mg(A) ↔ A ∈ V,V := {x | x = x}A ist eine Menge, somit gilt alsowobeiKlasse aller Mengen, Allklasse, Universum.Klassen, die keine Mengen sind, nennt man auch echte Klassen.Aus diesen Definitionen erhalten wir:Lemma(i) Jede Menge ist eine Klasse: a = {x | x ∈ a},(ii) Gilt eine Eigenschaft für alle Klassen, so insbesondere auchfür alle Mengen: Falls ϕ(A,B,...), so auch ϕ(a,b,...) □.Definition/0 := {x | x ≠ x} leere KlasseV := {x | x = x}Klasse aller MengenA ⊆ B :↔ ∀x(x ∈ A → x ∈ B) InklusionA ⊂ B :↔ A ⊆ B ∧ A ≠ B echte Inklusion


3.2. EIGENSCHAFTEN DER INKLUSION 223.2 Eigenschaften der Inklusion(i) A ⊆ AA ⊆ B ∧ B ⊆ C → A ⊆ CA ⊆ B ∧ B ⊆ A → A = B(reflexiv)(transitiv)(antisymmetrisch)(ii) /0 ⊆ A ⊆ V(iii) A ⊂ B ↔ A ⊆ B ∧ B ⊈ A ↔ A ⊆ B ∧ ∃x(x ∈ B ∧ x ∉ A) □.Somit ist die Inklusion ⊆ eine reflexive teilweise Ordnung mit /0 als kleinstem,V als größtem “Element”.3.3 Die Booleschen Operationenkönnen wir allein mit Hilfe der Klassenschreibweise einführen:A ∩ B : = {x | x ∈ A ∧ x ∈ B} DurchschnittA ∪ B : = {x | x ∈ A ∨ x ∈ B} VereinigungA − B : = {x | x ∈ A ∧ x ∉ B} relatives Komplement−B : = {x | x ∉ B} KomplementDamit erhalten wir nun die Gesetze einer BOOLEschen Algebra (eigentlich Gesetzeüber die aussagenlogischen Operationen ¬,∧,∨):A ∩ B = B ∩ AA ∪ B = B ∪ AA ∩ (B ∩C) = (A ∩ B) ∩CA ∪ (B ∪C) = (A ∪ B) ∪CA ∩ A = AA ∪ A = AA ∩ (B ∪C) = (A ∩ B) ∪ (A ∩C)A ∪ (B ∩C) = (A ∪ B) ∩ (A ∪C)A ∩ (B ∪ A) = AA ∪ (B ∩ A) = AA ∪ −A = V, A ∩ −A = /0− − A = A− /0 = V, −V = /0−(A ∩ B) = −A ∪ −B−(A ∪ B) = −A ∩ −BKommutativgesetzeAssoziativgesetzeIdempotenzgesetzeDistributivgesetzeAbsorptionsgesetzeKomplementgesetzede MORGANsche Gesetze


3.3. DIE BOOLESCHEN OPERATIONEN 23Es zeigt sich hier ein Vorteil der mengentheoretischen Darstellung mit Hilfedes Klassenbegriffs: Die BOOLEschen Gesetze gelten allein aufgrund der Logikund benötigen keine speziellen mengentheoretischen Existenzaxiome. Sie geltenstatt für Klassen natürlich auch für Mengen, allerdings führen nicht alle Operationenvon Mengen zu Mengen (aber von Klassen zu Klassen), denn in den üblichenmengentheoretischen Axiomensystemen ist V (und das Komplement einer Menge)keine Menge. Bereits erwähnt haben wir dasZERMELOsche Aussonderungsschema (AusS)∃y∀x(x ∈ y ↔ x ∈ a ∧ ϕ(x,...))Unter Benutzung von Klassenvariablen und einfachen Definitionen erhaltenwir den:SatzDas Aussonderungsschema ist äquivalent zu den folgenden Aussagen:(i) ∃y∀x(x ∈ y ↔ x ∈ a ∧ x ∈ A)Aussonderungsaxiom(ii) ∃y(y = a ∩ A)(iii) a ∩ A ∈ V , d. h. Mg(a ∩ A)(iv) A ⊆ a → Mg(A) Abschätzungssatz □KorollarAus dem Aussonderungsaxiom folgt:(i) Mg(/0)(ii) Mg(a ∩ A)(iii) Mg(a − b)(iv) ¬Mg(V )□Um außer der Existenz der leeren Menge weitere Mengen zu erhalten, brauchenwir die Existenz von Mengen, aus denen ausgesondert werden kann.


24Kapitel 4Relationen und Funktionen4.1 Paare{a,b} := {x | x = a ∨ x = b} ungeordnetes Paar{a} := {x | x = a} = {a,a} Einerklasse von a.Paarmengenaxiom (Paar) ∃y∀x(x ∈ y ↔ x = a ∨ x = b)Insbesondere ist die Einerklasse {a} einer Menge a wiederum eine Menge,die Einermenge von a (unit set). Somit kann man die folgenden Mengen bilden:Setzen wir das{a,b},{a},{a,{a,b}},{{a,c},{e,{a,e}}},{{a,{a,b}},{{a,c},{e,{a,e}}},... usw.Nullmengenaxiom (Null) ∃y∀x(x ∉ y)voraus (welches aus dem Aussonderungsschema folgt, das wir hier aber nochnicht voraussetzen wollen), und bezeichnen die damit existierende Menge alsleere Menge: ∀x(x ∉ /0),so kann man ausgehend von dieser Menge nun etwa folgende Mengen bilden:/0,{/0},{/0,{/0}}...die später für die Zahlen 0, 1, 2. . . stehen werden und untereinander verschiedensind, denn es ist/0 ∈ {/0}, aber /0 ∉ /0, somit /0 ≠ {/0}, ebenso {/0,{/0}} ̸= /0,{/0}.


4.1. PAARE 25Tatsächlich gibt es aufgrund der bisherigen Axiome bereits unendlich viele Mengen,z. B./0,{/0},{{/0}},{{{/0}}},... usw., aber die Existenz einer Menge mit mehr alszwei Elementen ist damit noch nicht nachweisbar!Intensionale Charakterisierung der GleichheitUnter der Voraussetzung, daß zu jeder Menge a die Einermenge {a} existiert, giltalso (indem man für x die Menge {a} setzt):∀x(a ∈ x → b ∈ x) → a = b, insbesondere∀x(a ∈ x ↔ b ∈ x) ↔ a = b.Geordnetes Paar (Wiener 1914, Kuratowski 1921)(a,b) := {{a},{a,b}}geordnetes PaarSatz: Charakteristische Eigenschaft des geordneten Paares(i) (a,b) = (c,d) ↔ a = c ∧ b = d(ii) (a,b) = (b,a) ↔ a = bBeweis von (i): Offensichtlich gilt nach Definition der Paarmenge bzw. Einermenge:(∗) {a,b} = {c} → a = b = c,was wir wiederholt benutzen werden.Es sei nun also (a,b) = (c,d), d. h. {{a},{a,b}} = {{c},{c,d}}.1.Fall: c = d. Die Vor. lautet dann: {{a},{a,b}} = {{c},{c}} = {{c}},also gilt nach (*) {a} = {a,b} = {c},und daraus folgt wiederum mit (*): a = b = c.2.Fall: c ≠ d. Wegen {a} ∈ {{a},{a,b}} = {{c},{c,d}} gilt:{a} ∈ {{c},{c,d}}, also: {a} = {c} oder {a} = {c,d}.Wegen c ≠ d kann letzteres nicht gelten, wir erhalten also {a} = {c} unddamit a = c. Ähnlich gilt wegen {c,d} ∈ {{a},{a,b}}:{c,d} = {a} (nicht möglich wegen c ≠ d) oder {c,d} = {a,b} = {c,b}(letzteres wegen a = c), dann aber: d = b.□


4.2. RELATIONEN 264.2 RelationenMittels geordneter Paare lassen sich auch Tripel(a,b,c) := (a,(b,c))und allgemeiner auch auch n-Tupel definieren. Außerdem können wir damit auch2-stellige Relationen (und ähnlich mittels n-Tupeln n-stellige Relationen) darstellendurch(a,b) ∈ A ↔ ϕ(a,b),entsprechend unserer früheren Einführung von Klassen als Extensionen 1-stelligerPrädikate:a ∈ A ↔ ϕ(a).Die Klasse der Paare (x,y) mit der Eigenschaft ϕ(x,y) ist{x,y | ϕ(x,y)} := {z | ∃x∃y(z = (x,y) ∧ ϕ(x,y))}oder auch geschrieben {(x,y) | ϕ(x,y)}.Ein Sonderfall ist das cartesische ProduktA × B := {x,y | x ∈ A ∧ y ∈ B}.Eine (2-stellige) Relation ist einfach eine Klasse von Paaren:wir schreiben dann auchRel(R) :↔ R ⊆ V ×V ↔ ∀z ∈ R ∃x∃y z = (x,y),aRb :↔ (a,b) ∈ R.Die an erster bzw. zweiter Stelle stehenden Mengen bilden den Vorbereich(domain) bzw. den Nachbereich (range) von R:D(R) := {x | ∃y xRy}W(R) := {y | ∃x xRy}Vertauscht man die Paarmengen in einer Relation, so erhält man die inverse(oder auch konverse) Relation:R −1 := {y,x | xRy}.


4.3. FUNKTIONEN 274.3 FunktionenFunktionen identifizieren wir mit ihrem Graphen, d. h. eine Funktion ist eineRelation, die jedem Element ihres Vorbereiches (hier Definitionsbereich genannt)genau ein Element ihres Nachbereiches (hier Wertebereich genannt) zuordnet:Fkt(F) :↔ Rel(F) ∧ ∀x,y,z((x,y) ∈ F ∧ (x,z) ∈ F → y = z).In diesem Fall gibt es also zu jedem a ∈ D(F) genau ein b ∈ W(F), so daß (a,b) ∈F. Dieses b nennen wir wie üblich den Funktionswert von F an der Stelle a undbezeichnen ihn mit F(a):{b, falls Fkt(F) ∧ a ∈ D(F) ∧ (a,b) ∈ FF(a) =/0, sonst.Damit können wir auch die Klasse der F(x) mit einer Eigenschaft ϕ(x) bilden:und insbesondereF[A] := {F(x) | x ∈ A}F ↾ A := {(x,F(x)) | x ∈ A}{F(x) | ϕ(x)} := {y | ∃x(ϕ(x) ∧ y = F(x))}Bild von A unter FEinschränkung von F auf A (als Def.bereich).Oft findet man für Funktionen auch die folgende Bezeichnung unter Angabeihres Definitionsbereiches A und ihres Bildbereiches B:F : A −→ B :↔ Fkt(F) ∧ D(F) = A ∧W(F) ⊆ Bund definiert häufig die Funktion durch Angabe ihres Wertes F(a) für a ∈ A:F : A −→ Ba ↦→ F(a).Es ist dann F = {(a,F(a)) | a ∈ A}, wobei man dann auch oft F = (F a ) a∈A schreibtund von einer Familie spricht, insbesondere wenn der Definitionsbereich eine geordneteMenge (Indexmenge) ist.Ist F : A −→ B, also F eine Abbildung von A nach B, so ist der BildbereichB durch F nicht eindeutig bestimmt; er braucht nämlich den Wertebereich W(F)nur zu enthalten. Ist jedoch Bildbereich = Wertebereich, so heißt F surjektiv oderauf B:F : A ↠ B :↔ F : A −→ B ∧W(F) = B


4.3. FUNKTIONEN 28In diesem Fall gibt es also zu jedem b ∈ B mindestens ein a ∈ A mit F(a) = b.Die Angabe des Bildbereiches B ist in diesem Fall wichtig, da jede Funktion eineAbbildung auf ihren Wertebereich ist!Eine Funktion F : A −→ B heißt injektiv oder eineindeutig:F : A ↣ B :↔ ∀x,y ∈ A (F(x) = F(y) → x = y).In diesem Fall gibt es also zu jedem b ∈ W(F) genau ein a ∈ A mit F(a) = b, welchesmit a = F −1 (b) bezeichnet wird. Für eine injektive F Funktion ist nämlichdie inverse Relation F −1 eine Funktion, und zwarF −1 : W(F) −→ A für injektives F : A −→ B.Eine Funktion F : A −→ B heißt bijektiv gdw F injektiv und surjektiv ist:F : A ←→ B :↔ F : A ↣ B ∧ F : A ↠ B.Für eine bijektive Funktion F : A ←→ B ist dann die inverse Funktion (oder Umkehrfunktion)eine AbbildungF −1 : B ←→ AmitF −1 (F(a)) = a, F(F −1 (b)) = b für alle a ∈ A,b ∈ B.


29Kapitel 5Axiome von ZFEine einfache mengentheoretische Operation führt von zwei Mengen zu ihrer Vereinigung;wir werden gleich eine allgemeinere Mengenbildung einführen:5.1 Vereinigung, Durchschnitt und Ersetzung⋃ ⋃ A :=⋂ ⋂ x∈A x := {z | ∃x ∈ A z ∈ x} Vereinigung (Summe)A := x∈A x := {z | ∀x ∈ A z ∈ x} DurchschnittSummenaxiom (Zermelo) (Sum) Mg( ⋃ a),ausgeschrieben also: ∃y∀z(z ∈ y ↔ ∃x ∈ a z ∈ x).Lemma(i) ⋃ {a} = a,(ii) ⋂ {a} = a,⋃ {a,b} = a ∪ b⋂ {a,b} = a ∩ b(iii) ⋃ a ist das Supremum der Elemente von a bzgl. ⊆:∀x ∈ a x ⊆ ⋃ a, ∀x ∈ a x ⊆ c → ⋃ a ⊆ c.(iv) ⋂ a ist das Infimum der Elemente von a bzgl. ⊆:∀x ∈ a ⋂ a ⊆ x, ∀x ∈ a c ⊆ x → c ⊆ ⋂ a.(v) ⋂ /0 = V,⋂ V = /0,⋃ /0 = /0,⋃ V = V.


5.1. VEREINIGUNG, DURCHSCHNITT UND ERSETZUNG 30Bemerkungen1. Aus dem Summen- und Paarmengenaxiom folgt also, daß für je zwei Mengena und b die Vereinigung a ∪ b wieder eine Menge ist, damit ist dannaber das absolute Komplement einer Menge −a stets eine echte Klasse!2. Dagegen ist a ∩ b eine Menge nach dem Aussonderungsaxiom, allgemeinergilt nach (AusS):A ≠ /0 → Mg( ⋂ A),A ≠ /0 ↔ Mg( ⋂ A).wegen ⋂ /0 = V alsoStatt der obigen Summen und Durchschnitte kommen in der Mathematik häufigerVereinigungen und Durchschnitte von Familien von Mengen vor. Zur Angleichungan den dort üblichen Gebrauch bezeichnen wir den Indexbereich mit I (derzunächst eine Klasse sein kann) und schreiben auch F i für F(i):⋃F i := ⋃ {F i | i ∈ I} = {z | ∃i ∈ I z ∈ F i }i∈I⋂F i := ⋂ {F i | i ∈ I} = {z | ∀i ∈ I z ∈ F i }i∈IVereinigungDurchschnittIn Verallgemeinerung des ZERMELOschen Axioms besagt das Summenaxiomvon P. BERNAYS, daß die Vereinigung von Mengen-vielen Mengen wieder eineMenge ist:Summenaxiom (BSum)Mg( ⋃ x∈a F(x))Der Indexbereich I ist hier eine Menge a, jedem i ∈ a ist eine Menge F(i) zugeordnet,die Zuordnung kann allerdings durch eine Klasse F gegeben sein! Wennman dies beachtet, kann man die BERNAYSsche Summe auch in der vertrautenForm ⋃ i∈I a i und das BERNAYSsche Summenaxiom in der Formschreiben. DasMg( ⋃ i∈I a i ) für jede Indexmenge IErsetzungsaxiom (Ers)Mg({F(x) | x ∈ a})


5.1. VEREINIGUNG, DURCHSCHNITT UND ERSETZUNG 31von A. FRAENKEL besagt, daß das Bild einer Menge a unter einer Funktion F(welche eine Klasse sein kann) wieder eine Menge ist, bzw. daß man wieder eineMenge erhält, wenn man die Elemente x einer Menge a durch ihre FunktionswerteF(x) ersetzt. Wir können es auch in der folgenden Form schreiben:SatzFkt(F) → Mg(F[a]) bzw.Fkt(F) ∧ Mg(D(F)) → Mg(W(F)).Auf der Basis der bisherigen Axiome (Ext,Null,Paar) gilt:BERNAYSsches Summenaxiom = Summenaxiom + Ersetzungsaxiom.Beweis: Aus BSum folgt Sum, indem man für F die Identität (also F(x) = x) setzt,und das Ers ergibt sich wegen {F(x) | x ∈ a} = ⋃ {{F(x)} | x ∈ a}. Umgekehrt gilt:⋃F(x) = ⋃ {F(x) | x ∈ a} = ⋃ F[a].Satzx∈a(i) Fkt(F) ∧ D(F) ∈ V → W(F),F ∈ V ,d. h. ist der Definitionsbereich einer Funktion eine Menge, so ist nicht nurihr Bild, sondern die Funktion selber eine Menge.(ii) F : A ↠ B ∧ Mg(A) → Mg(B)(iii) F : A ↣ B ∧ Mg(B) → Mg(A)Beweis von (i): Zu gegebener Funktion F definiere eine Funktion G durchD(G) = D(F) und G(x) = (x,F(x)) für x ∈ D(F).Dann ist W(G) = {G(x) | x ∈ D(F)} = {(x,F(x)) | x ∈ D(F)} = F, also auch FMenge nach dem Ersetzungsaxiom (angewandt auf G). Die Beweise von (ii) und(iii) sind leichte Übungsaufgaben.□Die Aussagen (ii) und (iii) werden verständlich, wenn man “Mg(A)” inhaltlichdeutet als “A ist nicht zu groß” und beachtet, daß das Bild einer Funktion eher“kleiner” als der Definitionsbereich ist (da die Funktion möglicherweise verschiedeneMengen auf dasselbe Objekt abbildet. (Genaueres hierzu bei der Einführungdes Begriffes der Kardinalzahl!)□


5.2. POTENZMENGE UND ALLGEMEINES PRODUKT 32Satz über das ProduktDas Produkt zweier Mengen ist wieder eine Menge: Mg(a × b)Beweis: Offensichtlich kann man die Menge b auf {c} × b abbilden, dieses istalso eine Menge nach dem Ersetzungsaxiom. Somit kann man eine FunktionF : a −→ V definieren durch F(x) = {x} × b.Hiermit gilt nun a × b = ⋃ x∈a({x} × b) = ⋃ x∈a F(x).□5.2 Potenzmenge und allgemeines ProduktP(A) := {x | x ⊆ A}b A := { f | f : b −→ A}Potenzmengenaxiom (Pot)Mg(P(a))Potenzklasse von ABelegungsklasse von b nach ABemerkungen• Da Elemente von Klassen stets Mengen sind, ist P(A) nur als Klasse allerTeilmengen von A definierbar, ebenso ist b A nur für Mengen b definierbar.• Es ist stets/0,a ∈ P(a).• Aufgrund der spezifischen Definition des geordneten Paares gilt:a × b ⊆ P(P(a ∪ b)).Also kann man auch mit Hilfe des Potenzmengenaxioms (und des Aussonderungsaxioms)zeigen, daß das Produkt von zwei Mengen wieder eineMenge ist.• Indem man jeder Menge x ⊆ a ihre charakteristische Funktion c x zuordnet,erhält man eine Bijektion der Potenzklasse P(A) auf die Belegungsklasse b 2mit 2 := {0,1} = {/0,{/0}}. Falls a eine endliche Menge mit n Elementen ist,so hat also die Potenzmenge von a 2 n Elemente (was auch für unendlicheMengen gilt und die Bezeichnung “Potenzmenge” erklärt).Wie im Falle der Vereinigung gibt es für eine Menge ein einfaches und für eineFamilie von Mengen ein allgemeines Produkt; in diesem Fall läßt es sich aber nurfür Indexmengen definieren:


5.2. POTENZMENGE UND ALLGEMEINES PRODUKT 33Allgemeines Produkt∏ F(x) := { f | Fkt( f ) ∧ D( f ) = a ∧ ∀x ∈ a f (x) ∈ F(x)}x ∈aWeniger gebräuchlich ist der Sonderfall∏a = ∏x ∈ax := { f | Fkt( f ) ∧ D( f ) = a ∧ ∀x ∈ a f (x) ∈ x}.BemerkungEs gibt einfache Bijektionen (für a ≠ b)∏ F(x) ←→ F(a),x∈{a}∏ F(x) ←→ F(a) × F(b)x∈{a,b}usw., so daß man das allgemeine Produkt als Verallgemeinerung des endlichenProduktes auffassen kann. Benutzen wir wieder I als Indexmenge und Familienstatt Funktionen, so können wir das allgemeine Produkt auch in der folgendenForm schreiben:für Mengen I :∏i ∈IF i bzw. ∏ a i = {(x i ) i ∈I | ∀i ∈ I x i ∈ a i },i ∈Iwobei wir statt F jetzt auch eine Mengenvariable a einsetzen können, da nachdem Ersetzungsaxiom eine Funktion, die auf einer Menge definiert ist, selbst eineMenge ist.Satz(i) ∏ x ∈a F(x) ⊆ P(a × ⋃ x∈a F(x))(ii) a b = ∏ x ∈a F(x) mit F(x) = b konstant für alle x ∈ a,(iii) a b und ∏ x ∈a F(x) sind Mengen. □Somit können wir die folgenden Mengen bilden:/0, {a}, {a,b}, a ∪ b, a ∩ B, a − b,⋃ ⋃a, F(x), F[a], { f | f : a −→ b}, a × b, ∏F(x), P(a).x∈ax∈a


5.2. POTENZMENGE UND ALLGEMEINES PRODUKT 34Damit erhalten wir die in der Mathematik gebräuchlichen Operationen, die,auf Mengen angewandt, wiederum Mengen ergeben; das gilt zwar nicht für dasKomplement, aber dieses wird ohnehin in Anwendungen nur relativ zu einer vorgegebenenGrundmenge gebraucht. Es fehlt aber noch die Existenz einer unendlichenMenge (und damit der Zahlbereiche N,Z,R,...), und hierzu benötigen wirdasUnendlichkeitsaxiom (Un)∃x(/0 ∈ x ∧ ∀y(y ∈ x → y ∪ {y} ∈ x))Die kleinste derartige Menge, d. h. der DurchschnittN := ⋂ {x | /0 ∈ x ∧ ∀y(y ∈ x → y ∪ {y} ∈ x)}kann als Menge der natürlichen Zahlen gewählt werden. Im Sinne der Ordinalzahltheorieist es eine Ordinalzahl, und zwar die kleinste unendliche Ordinalzahl,bezeichnet mit ω.Die bisherigen Axiome legen die Gleichheit von Mengen fest (Ext) oder forderndie Existenz von Mengen, die eindeutig beschrieben werden (Paar, Summe,Potenz, Bildmenge, natürliche Zahlen). Von anderer Art ist dasFundierungsaxiom (Fund) a ≠ /0 → ∃x ∈ a x ∩ a = /0.Dieses schränkt den Mengenbereich ein, indem es “unbequeme” Mengen ausschließt,die man beim gewöhnlichen Aufbau der <strong>Mengenlehre</strong> nicht benötigt. Wirhaben es bei der Entwicklung der Ordinalzahltheorie bereits benutzt und werdeneine weitere Anwendung später darstellen.


5.3. ÜBERBLICK ÜBER DIE ZF-AXIOME 355.3 Überblick über die ZF-AxiomeExtensionalitätsaxiom (Ext) ∀x(x ∈ a ↔ x ∈ b) → a = bNullmengenaxiom (Null) ∃y∀x(x ∉ y)Paarmengenaxiom (Paar) ∃y∀x(x ∈ y ↔ x = a ∨ x = b)Summenaxiom (Sum) ∃y∀z(z ∈ y ↔ ∃x ∈ a z ∈ x)Ersetzungsschema (ErsS) ∀x∀y∀z(ϕ(x,y) ∧ ϕ(x,z) → y = z)→ ∃u∀y(y ∈ u ↔ ∃x ∈ aϕ(x,y))Potenzmengenaxiom (Pot) ∃y∀z(z ∈ y ↔ z ⊆ a)Unendlichkeitsaxiom (Un) ∃x(/0 ∈ x ∧ ∀y(y ∈ x → y ∪ {y} ∈ x))Fundierungsaxiom (Fund) a ≠ /0 → ∃x ∈ a ∀y ∈ xy ∉ a.Unter Benutzung von Klassentermen, also Ausdrücken der Form {x | ϕ(x)},bezeichnet mit Großbuchstaben A,B,... und der DefinitionMg(A) :↔ ∃x(x = A)A ist Mengelassen sich die obigen Axiome auch wie folgt kürzer und prägnanter ausdrücken(mit den üblichen Definitionen von Funktionen als Klassen geordneter Paare):Extensionalitätsaxiom (Ext) ∀x(x ∈ a ↔ x ∈ b) → a = bNullmengenaxiom (Null) Mg(/0)Paarmengenaxiom (Paar) Mg({a,b})Summenaxiom (Sum) Mg( ⋃ a)Ersetzungsaxiom (ErsS) Fkt(F) → Mg(F[a])Potenzmengenaxiom (Pot) Mg(P(a))Unendlichkeitsaxiom (Un) Mg(N)Fundierungsaxiom (Fund)) a ≠ /0 → ∃x ∈ a x ∩ a = /0.Das Aussonderungsaxiom ist übrigens als Folge des Ersetzungsaxioms überflüssig(wobei man - je nach Art der Formalisierung - noch das Nullmengenaxiombenötigt):Metatheorem(i) Aus den Axiomen Ext,Null,Paar,Ers folgt Aus,(ii) aus ErsS folgt AusS.


5.3. ÜBERBLICK ÜBER DIE ZF-AXIOME 36Beweis von (i): zu zeigen ist: a ∩ A ∈ V .1. Fall: a ∩ A = /0 : Dann gilt die Beh. wegen des Nullmengenaxioms.2. Fall: a ∩ A ≠ /0: Wähle ein b ∈ a ∩ A und definiere eine FunktionF : a ↠ a ∩ A durch{x, falls x ∈ a ∩ A,F(x) =b, sonstund wende das Ersetzungsaxiom an.Dasselbe Argument liefert einen Beweis von (ii), benötigt aber weder dasNullmengenaxiom noch das Paarmengenaxiom:Zu zeigen ist:Definiere dazu eine FormelEs gilt dann:also ex. nach ErsS ein b mit∃y∀x(x ∈ y ↔ x ∈ a ϕ(x)).ψ(x,y) :↔ (ϕ(x) ∧ x = y).ψ(x,y) ∧ ψ(x,z) → y = z,∀y(y ∈ b ↔ ∃x ∈ a ψ(x,y)), d. h.∀y(y ∈ b ↔ ∃x ∈ a (ϕ(x) ∧ x = y)), also∀y(y ∈ b ↔ y ∈ a ∧ ϕ(y))□


37Teil IIMengen von Mengen von . . .


38Kapitel 6Induktion und RekursionWillst du ins Unendliche schreiten,Geh nur im Endlichen nach allen Seiten.Johann Wolfgang von Goethe: WegeQuod enim dicimus aliquid esse infinitum,non aliquid in re significamus,sed impotentiam in animo nostro;tanquam si diceremus, nescire nos, an et ubiterminetur.Th. Hobbes, De cive XV 14. . . l´homme qui n´est produit que pour l´infinité.Blaise Pascal: Préface sur le Traité du videWenn man eine Aussage über alle natürlichen Zahlen beweisen will, so kannman sie nicht für jede Zahl einzeln nachprüfen, da dies unendlich-viele Schritteerfordern würde. Stattdessen kann man auf das Induktionsprinzip für die natürlichenZahlen <strong>zur</strong>ückgreifen, allgemeiner im Falle unendlicher Mengen auf eineWohlordnung dieser Menge. Diese ordnet die Elemente der Menge in einer Weise,daß man sie von den kleineren zu den größeren “durchlaufen” kann, was danngenauer im (transfiniten) Induktionsprinzip ausgedrückt wird. Wir wiederholenzunächst den Begriff der Wohlordnung und erweitern ihn zugleich auf den Fallvon Klassen:


6.1. ORDNUNGEN AUF KLASSEN 396.1 Ordnungen auf Klassen1. Eine (irreflexive) teilweise Ordnung auf einer Klasse A ist eine 2-stelligeRelation < ⊆ A × A, für die gilt:(a) ∀x ∈ A x ≮ x irreflexiv,(b) ∀x,y,z ∈ A (x < y ∧ y < z → x < z) transitiv.2. Eine (irreflexive) lineare Ordnung auf A ist eine teilweise Ordnung < aufA mit(c) ∀x,y ∈ A (x < y ∨ x = y ∨ y < x) vergleichbar.3. Eine Wohlordnung auf einer Klasse A ist eine lineare Ordnung < auf A,welche zusätzlich die folgenden Bedingungen erfüllt:(F1) ∀z(/0 ≠ z ⊆ A → ∃x ∈ z ∀y ∈ z y ≮ x) Minimalitätsbedingung(F2) ∀y ∈ A Mg({x | x < y}) Mengenbedingung4. S(a,


6.2. MINIMUMSPRINZIP 406.2 Minimumsprinzip< sei Wohlordnung auf A. Dann hat jede nicht-leere Teilklasse B von A ein


6.3. INDUKTIONSPRINZIP FÜR WOHLORDNUNGEN 41Falls ∀y(yRa → ϕ(y)) (Induktionsannahme),so gilt ϕ(a) (Induktionsschluß).Dieses Beweisverfahren nennt man auch Beweis durch R-Induktion.Beweis von (i): Annahme: ∀x ∈ A[S(x,R) ⊆ B → x ∈ B], aber A ⊈ B.Dann ist A − B ≠ /0 und besitzt nach obigem Satz ein R-minimales Element a:a ∈ A − B, aber ∀y ∈ A − B ¬yRa, d.h. ∀y(yRa → y ∈ B),also S(a,R) ⊆ B und damit nach der Voraussetzung der R-Induktion: a ∈ B, Widerspruch!(Tatsächlich ist die Aussage (i) von 6.2 logisch äquivalent <strong>zur</strong> Aussage(i) dieses Satzes: benutze Kontraposition, logische Umformungen und gehe von B<strong>zur</strong> Komplementklasse über!)□SegmenteFür eine Relation R definieren wir:Im Falle der ∈-Beziehung E gilt:R-Segment(B) :↔ ∀x∀y(xRy ∧ y ∈ B → x ∈ B).E-Segment(B) ↔ trans(B).Für Ordnungen < sind die Mengen S(a,


6.4. REKURSIONSSATZ FÜR WOHLORDNUNGEN 426.4 Rekursionssatz für WohlordnungenEs sei R eine Wohlordnung auf A, G: V ×V −→ V eine Funktion. Dann existiertgenau eine Funktion F : A −→ V , die durch die folgenden rekursiven Eigenschaftenbestimmt ist:F(a) = G(a,F ↾ S(a,R)), bzw. als VarianteF(a) = G(a,{F(x) | xRa}).Ferner können G und F weitere Stellen als Parameter enthalten, z. B.F(a,u,v) = G(a,u,v,{F(x,u,v) | xRa}).Beweis:a) Die Eindeutigkeit von F zeigt man durch R-Induktion.b) Für den Nachweis der Existenz definiert man:(i) h brav: ↔ ∃s(s ist Segment ∧ h : s → V ∧ ∀x ∈ s h(x) = G(x,h ↾ S(x,R))),(ii) h verträglich mit g :↔ ∀x ∈ D(h) ∩ D(g) h(x) = g(x)Durch R-Induktion zeigt man, daß je zwei brave Funktionen miteinanderverträglich sind:(iii) h,g brav → ∀x ∈ D(h) ∩ D(g) h(x) = g(x).(Mit Hilfe von (i) des vorigen Lemmas kann man sogar zeigen, daß für jezwei brave h,g gilt: g ⊆ h ∨ h ⊆ g.)Die gesuchte Funktion können wir jetzt explizit definieren durch:(iv) F := ⋃ {h | hbrav }.F ist wegen (iii) eine Funktion, D(F) ist ein Segment, und F erfüllt die Rekursionsbedingungen(als Vereinigung braver Funktionen). Es bleibt zu zeigen, daß Fauf ganz A definiert ist:Wäre B := D(F) echtes Segment von A, so B = S(a,R) für ein a ∈ A nachobigem Lemma (ii), insbesondere B und damit F eine Menge, etwa F = f mitbravem f . Dieses f könnte man dann fortsetzen zu einem bravenh := f ∪ {(a,G(a, f ↾ S(a,R)))}mit a ∈ D(h) = S(a,R) ∪ {a} ein Segment, also müßte auch a ∈ D(F) = B =S(a,R) sein und somit aRa, Widerspruch!□


6.5. KONTRAKTIONSLEMMA 43Damit haben wir eine explizite mengentheoretische Definition einer Funktionerhalten, die durch eine rekursive Bedingung charakterisiert ist, und zwar erhältman die Funktion als Vereinigung von “partiellen” Lösungen der Rekursionsgleichungen.Insbesondere kann man damit die Elemente einer wohlgeordneten Klasseder Größe nach aufzählen - dabei hängt nämlich die Aufzählung eines Elementesb ∈ A ab von der Aufzählung der Vorgänger von b:6.5 KontraktionslemmaR sei eine Wohlordnung auf A. Dann existiert genau eine Abbildung F und einetransitive Klasse B, so daß:F ist ein Isomorphismus: (A,R) ∼ = (B,∈), d. h.F : A ←→ B mitaRb ↔ F(a) ∈ F(b) für alle a,b ∈ A.Dabei sei das geordnete Paar von Klassen etwa definiert durch:(A,B) := (A × {0}) ∪ (B × {1}),und (B,∈) ist die Struktur (B,E B ) mit E B := {x,y | x,y ∈ B ∧ x ∈ y}.Beweis:a) Eindeutigkeit: Sei F : A ←→ B mit aRb ↔ F(a) ∈ F(b), B transitiv. Danngilt für alle b ∈ A:F(b) ∈ B → F(b) ⊆ Ba ∈ F(b) → ∃x(a = F(x) ∈ F(b))a ∈ F(b) ↔ ∃x(a = F(x) ∧ xRb),(*) F(b) = {F(x) | xRb}.wegen trans(B)nach VoraussetzungsomitDadurch ist aber F eindeutig festgelegt, und B ist eindeutig als Wertebereich vonF bestimmt.b) Existenz: Nach dem Rekursionssatz existiert (genau) ein F mit D(F) = Aund für alle b ∈ A:F(b) = {F(x) | xRb},d. h. es existiert ein F : A ↠ B mit der Eigenschaft (*), wobei wir B := W(F)gesetzt haben.


6.6. REPRÄSENTATIONSSATZ FÜR WOHLORDNUNGEN 44F ist injektiv:Sei F(y) = F(z), aber y ≠ z. Da R eine Ordnung ist, so giltyRz und damit F(y) ∈ F(z) oderzRy und damit F(z) ∈ F(y),in beiden Fällen ein Widerspruch zu F(y) = F(z) (und dem Fundierungsaxiom)!F ist ein Isomorphismus:Nach Def. von F gilt: aRb → F(a) ∈ F(b). Sei umgekehrt F(a) ∈ F(b). Dann istF(a) = F(c) für ein cRb, aber a = c (wegen der Injektivität), und somit auch aRb.B ist transitiv:Sei c ∈ B = W(F). Dann ist c = F(b) für ein b ∈ A, andererseits nach Def. von F(d.h. nach (*)): c = F(b) = {F(x) | xRb} ⊆ B, also c ⊆ B.□Da transitive Mengen, die durch die ∈-Beziehung wohlgeordnet sind, geradedie Ordinalzahlen sind, erhalten wir mitOn := {x | Ord(x)}als Klasse aller Ordinalzahlen:6.6 Repräsentationssatz für Wohlordnungen< sei eine Wohlordnung auf A.(i) Ist A = a eine Menge, so gibt es genau eine Abbildung f und genau eineOrdinalzahl α mitf : (a,


6.6. REPRÄSENTATIONSSATZ FÜR WOHLORDNUNGEN 45Anwendung auf die OrdinalzahlenDie kleinste Ordinalzahl ist 0, und für jede Ordinalzahl α ist α + 1 ebenfalls eineOrdinalzahl, und zwar eine Nachfolgerzahl. Die restlichen Typen von Ordinalzahlensind Limeszahlen:Lemma0 := /0 NullN f (α) : ↔ ∃ξ α = ξ + 1NachfolgerzahlLim(λ) : ↔ λ ≠ 0 ∧ ¬N f (λ)Limeszahl↔ λ ≠ 0 ∧ ∀ξ < λ (ξ + 1 < λ)(i) α = 0 ∨ N f (α) ∨ Lim(α) (und es gilt genau einer der drei Fälle),(ii) Lim(λ) ↔ λ > 0 ∧ λ = ∪λ,(iii) trans(A) ∧ A ⊆ On → A ∈ On ∨ A = On,(iv) A ⊆ On → ∪A ∈ On ∨ ∪A = On.Beweis von (iii): Ist A transitiv, so ein E-Segment von On und nach Lemma (ii)aus 6.3 somit = On oder als echtes Segment von der Form A = {x | x < α} = αfür ein α.Zum Beweis von (iv) beachte man, daß für A ⊆ On gilt: ∪A ist transitiv (allgemeinerist die Vereinigung transitiver Mengen wieder transitiv), so daß man (iii)anwenden kann.□Beachte, daß (iii) eine Verallgemeinerung des Satzes aus 1.4 ist. (iv) besagt,daß das Supremum einer Klasse von Ordinalzahlen wieder eine Ordinalzahl istoder = On ist, und zwar gilt in (iii) und (iv) jeweils der 1. Fall, wenn A beschränktist (d. h. ∃α A ⊆ α), der 2. Fall, falls A unbeschränkt ist (also ∀α ∃ξ ≥ α ξ ∈ A).Die Existenz von Limeszahlen folgt erst aus dem Unendlichkeitsaxiom, unddamit werden wir uns im folgenden Abschnitt beschäftigen. Hier können wir dieExistenzfrage erst einmal offen lassen; falls es keine Limeszahl gibt, sind die Ordinalzahlengerade die natürlichen Zahlen, anderenfalls gehen sie darüber hinaus:Mit einer Limeszahl λ gibt es auch wieder die Nachfolgerzahlen λ + 1,λ + 2,...(die aber keine natürlichen Zahlen mehr sind) und dann wieder deren Limes, ...,usw. Somit führen die Ordinalzahlen über die natürlichen Zahlen hinaus, indem


6.7. MINIMUMSPRINZIP, TRANSFINITE INDUKTION UND REKURSION 46zu jeder Menge von Ordinalzahlen auch das Supremum wieder eine Ordinalzahlist: Es gilt(∗)0 = /0 ∈ On ∧ ∀α(α ∈ On → α + 1 ∈ On) ∧ ∀x(x ⊆ On → ∪x ∈ On),tatsächlich ist On die kleinste Klasse mit dieser Abgeschlossenheitsbedingung.Da die Ordinalzahlen durch die ∈ -Beziehung wohlgeordnet sind, gelten hierfürdie Induktions- und Rekursionstheoreme des vorigen Abschnitts; zusätzlichkann man ihnen aber wegen (*) auch eine zweite Fassung geben, die zeigt, wiediese Prinzipien die entsprechenden Sätze über die natürlichen Zahlen verallgemeinern:6.7 Minimumsprinzip, transfinite Induktion und Rekursion(i) /0 ≠ A ⊆ On → ∃α ∈ A A ∩ α = /0 Minimumsprinzip(ii) ∃α ϕ(α) → ∃α(ϕ(α) ∧ ∀ξ < α¬ϕ(ξ ))(iii) ∀α(α ⊆ A → α ∈ A) → On ⊆ A Induktionsprinzip(iv) ϕ(0) ∧ ∀α((ϕ(α) → ϕ(α + 1))∧∧∀λ(Lim(λ) ∧ ∀ξ < λ ϕ(ξ ) → ϕ(λ)) → ∀α ϕ(α)Dabei haben wir in (i) und (iii) die Klassen-, in (ii) und (iv) die Schema-Schreibweisebenutzt; (i) - (iv) sind untereinander äquivalent. In (v) beschränken wir unsauf den Fall, welcher der Induktion der Form (iv) entspricht:(v) Transfinite Rekursion: Sind G,H : On ×V −→ V Funktionen, a eine Menge,so existiert genau eine Funktion F : On −→ V mitF(0) = aF(α + 1) = G(α,F(α))F(λ) = H(λ,{F(ξ ) | ξ < λ}) für Lim(λ).(Analog für mehrstellige Funktionen mit Parametern.)□


47Kapitel 7Normalfunktionen7.1 Addition, Multiplikation, PotenzDer Rekursionssatz erlaubt es, die arithmetischen Operationen auf den Ordinalzahlenso einzuführen, daß sie die entsprechenden Operationen auf den natürlichenZahlen verallgemeinern (nach JACOBSTHAL 1909):α + 0 = α α · 0 = 0α + (β + 1) = (α + β) + 1α · (β + 1) = α · β + αα + λ = ⋃ ξ


7.2. MONOTONIE-GESETZE 48Bevor wir auf die Beweise eingehen, wollen wir einige Beispiele berechnen.Dabei sind für den Limesfall die Operationen oft sehr einfach zu bestimmen:Beispiele und Gegenbeispiele1 + ω = ⋃ n


7.2. MONOTONIE-GESETZE 49(iii) für α > 1 :α β = α γ ↔ β = γ Kürzungsregel (aber 2 ω = 3 ω ,2 ≠ 3)α β < α γ ↔ β < γMonotonie im 2. Argument(iv) α ≤ β → α + γ ≤ β + γ schwache Monotonie(v) α ≤ β → α · γ ≤ β · γ schwache Monotonie(vi) α ≤ β → α γ ≤ β γ schwache MonotonieDie arithmetischen Operationen der Addition, Multiplikation und Potenz sindoffenbar vom selben Typ hinsichtlich ihres zweiten Arguments und fallen unterden allgemeinen Begriff der Normalfunktion. Wir werden daher die entsprechendenGesetze als Spezialfälle von Eigenschaften der Normalfunktionen (VEBLEN1908) erhalten:DefinitionN ft(F) :↔ F : On → On ∧ ∀ξ ,η (ξ < η → F(ξ ) < F(η))∧ ∀λ (Lim(λ) → F(λ) = ⋃ ξ


7.2. MONOTONIE-GESETZE 50Beweis: Zeige für den Teil (⇐) durch Induktion über β, daß∀ξ (ξ < β → F(ξ ) < F(β)).Die Addition ist eine wiederholte Hinzufügung von 1, die Multiplikation einewiederholte Addition und die Potenz eine wiederholte Multiplikation. Allgemeinerkönnen wir die Iteration einer Funktion erklären durch die folgendeDefinitionEs sei F : V → V eine Funktion, a eine beliebige Menge. Dann istIt = It(F,a),der Iterator von F mit Anfangswert a, wie folgt durch transfinite Rekursion definiert:It(0) = aIt(γ + 1) = F(It(γ))It(λ) = ⋃It(ξ )ξ


7.2. MONOTONIE-GESETZE 51SatzEs sei F : On → On mit ∀ξ (ξ < F(ξ )). Dann ist It(F,a) eine Normalfunktion.Insbesondere sind folgende Funktionen Normalfunktionen:(i) Die Addition als Funktion des 2. Argumentes, d. h.β ↦→ α + β für beliebiges α (da δ < S(δ)),(ii) die Multiplikation als Funktion des 2. Argumentes, d. h.β ↦→ α · β für beliebiges α > 0 (da dann δ < δ + α),(iii) die Potenz als Funktion des 2. Argumentes, d. h.β ↦→ α β für beliebiges α > 1 (da dann δ < δ · α).Somit gelten alle Eigenschaften von Normalfunktionen insbesondere für dieobigen arithmetischen Operationen. Als streng monotone Funktionen sind sie injektivund ihre Umkehrfunktionen sind ebenfalls streng monoton. Die einzigestreng monotone und zugleich surjektive Funktion auf den Ordinalzahlen ist somitdie identische Abbildung:SatzEs sei F : On → On streng monoton, also ∀ξ ,η (ξ < η → F(ξ ) < F(η)). Danngilt:(i) ∀ξ (ξ ≤ F(ξ )),(ii)∀ξ ,η (F(ξ ) < F(η) → ξ < η).Beweis: Falls F(α) < F(β) ist, so muß auch α < β sein, denn nach Voraussetzunggilt β ≤ α → F(β) ≤ F(α). Daraus erhalten wir (ii) und damit auch dieInjektivität von F.(i) kann man durch Induktion beweisen oder mit Hilfe des Minimumsprinzips:Falls α ≰ F(α) für ein α gilt, so wähle man ein kleinstes derartiges α. Dann giltalsoF(α) < α ∧ ∀ξ < α ξ ≤ F(ξ ).Setze γ := F(α). Dann ist γ = F(α) < α, also wegen der Monotonie von FF(F(α)) = F(γ) < F(α) = γ,und somit F(γ) < γ mit γ < α im Widerspruch <strong>zur</strong> Wahl von α als kleinsterderartiger Zahl!□Hieraus erhalten wir insbesondere die früheren Monotoniegesetze 7.2.□


7.3. VERALLGEMEINERTE STETIGKEIT VON NORMALFUNKTIONEN 527.3 Verallgemeinerte Stetigkeit von NormalfunktionenFür die Nachfolgerfunktion gilt immer α < F(α), und streng monotone Funktionenkönnen natürlich noch viel stärker stark wachsen. Dagegen führt die Stetigkeitseigenschaftenvon Normalfunktionen dazu, daß es für solche Funktionenimmer beliebig große “Fixpunkte” α mit F(α) = α gibt, wo die Funktion alsowieder von der identischen Funktion “eingeholt” wird. Dazu leiten wir eine Verallgemeinerungder Stetigkeit her, wollen vorher aber noch auf unterschiedlicheSupremums-Begriffe aufmerksam machen:Die Ordinalzahlen sind durch


7.3. VERALLGEMEINERTE STETIGKEIT VON NORMALFUNKTIONEN 53Da λ eine Limeszahl ist, soξ < λ → ξ + 1 < λ → g(ξ ) < g(ξ + 1),woraus leicht die Behauptung folgt.(Als Voraussetzung würde genügen: ∀ξ < λ∃η < λ g(ξ ) < g(η).)□Hiermit ergibt sich folgende verallgemeinerte Stetigkeitseigenschaft von Normalfunktionen:Satz über die Stetigkeit von NormalfunktionenEs sei N ft(F),Lim(λ) und g : λ → On streng monoton, α = sup ξ


7.4. FIXPUNKTE VON NORMALFUNKTIONEN 54Der Nachfolgerfall ist ebenfalls einfach:α β+(γ+1) = α (β+γ)+1) = α β+γ · α = α β · α γ · α = α β · α γ+1nach Induktionsvoraussetzung und Definition der Operationen im Nachfolgerfall.Schließlich sei λ eine Limeszahl und nach Induktionsvoraussetzung∀ξ < λ α β+ξ = α β · α ξ .Dann giltα β+λ ⋃= α η , da Lim(β + λ)η


7.4. FIXPUNKTE VON NORMALFUNKTIONEN 55Beweis: Offenbar gilt die Behauptung im Falle α = F(α). Anderenfalls muß aberα < F(α) sein, und dann ist die β-Folge monoton:α = β 0 < F(α) = β 1 < F(F(α)) = β 2 < ...Somit gilt aufgrund der Stetigkeitseigenschaft von F:F(β) = ⋃F(β n ) = ⋃β n+1 = ⋃β n = β.n


7.4. FIXPUNKTE VON NORMALFUNKTIONEN 56CANTORsche NormalformEs sei α > 1. Dann ist jede Ordinalzahl β eindeutig darstellbar in der Formβ = α γ0 · δ 0 + α γ1 · δ 1 + ...α γ k−1· δ k−1 mit 0 < δ i < α,γ 0 > γ 1 > ... > γ k−1 .Damit erhalten wir eine Verallgemeinerung der Dezimaldarstellung (α = 10)der natürlichen Zahlen auf alle Ordinalzahlen. Interessant ist für Anwendungenauf transfinite Zahlen besonders die Darstellung <strong>zur</strong> Basis α = ω, wobei die ε-Zahlen dann die Darstellung ε = ω ε · 1 besitzen!


57Kapitel 8Die von-Neumannsche Hierarchie8.1 MengeninduktionDas Fundierungsaxiom haben wir bisher nur benutzt, um die Definition der Ordinalzahlenzu vereinfachen. Hier wollen wir es jetzt in einer neuen Bedeutungkennenlernen: jede Menge läßt sich - von der leeren Menge ausgehend - durchBildung von Mengen von Mengen von . . . darstellen. Damit erhalten wir einen stufenweisenAufbau der Mengen, wie er bereits in der RUSSELLschen Typentheorie(s. 2.2) zum Ausdruck gekommen ist. Durch transfinite Rekursion definieren wireine Folge von Mengen (V α |α ∈ On), indem wir mit der leeren Menge beginnenund dann die Potenzmengenoperation iterieren:V α = P α (/0), also : V 0 = /0, V α+1 = P(V α ), V λ = ⋃V ξ für Lim(λ).Die Mengen V α nennt man auch VON-NEUMANNsche Stufen; sie sind transitivund aufsteigend geordnet (kumulativ):ξ


8.1. MENGENINDUKTION 58V α sind nicht notwendig wieder Stufen, und die ∈-Beziehung ist zwar eine Wohlordnungauf allen Stufen, nicht aber auf deren Elementen!Um zu zeigen, daß jede Menge in einer Stufe vorkommt, benötigen wir denBegriff der transitiven Hülle (transitive closure):DefinitionTC(a) : = ⋃n


8.1. MENGENINDUKTION 59Sei also A ≠ /0, etwa a ∈ A. Setze b := A ∩ TC({a}). Dann ist wegen a ∈ b:b ≠ /0, und zwar eine Menge, auf welche wir das Fundierungsaxiom anwendenkönnen: es existiert ein c ∈ b mit(∗) c ∩ b = /0.Es bleibt zu zeigen: c ∈ A ∧ c ∩ A = /0 :Zunächst ist c ∈ A, da c ∈ b ⊆ A. Wäre c ∩ A ≠ /0, etwa d ∈ c ∩ A, so d ∈ A undwegen d ∈ c ∈ TC({a}) ∧ trans(TC({a})) auch d ∈ TC({a}), also d ∈ c ∩ b imWiderspruch zu (*)!□Durch Mengeninduktion erhalten wir den:SatzV = ⋃V αα∈OnBeweis: Wir setzen zunächst N := ⋃ α∈OnV α und zeigen a ⊆ N → a ∈ N:Sei also a ⊆ N, d. h. ∀x ∈ a ∃α x ∈ V α . Mittelsh : a → On, h(x) ↦→ µα x ∈ V αwählen wir das jeweils kleinste α und bilden das Supremum dieser Menge vonOrdinalzahlen:β := ⋃ x∈ah(x).Dann ist also ∀x ∈ a x ∈ V h(x) ⊆ V β und somit a ⊆ V β . Damit gilt aber a ∈ V β+1 ,d. h. a ∈ N. □Bemerkung1. Zum Beweis des obigen Satzes haben wir das Fundierungsaxiom (in Formder Mengeninduktion) benutzt; tatsächlich ist die Aussage, daß jede Mengeals Element einer Stufe vorkommt, äquivalent zum Fundierungsaxiom: Essei ZF 0 die Theorie ZF, aber ohne das Fundierungsaxiom. Definieren wir inZF 0 den Ordinalzahlbegriff mit dem Zusatz fund(a), so gelten die früherenErgebnisse über transfinite Induktion und Rekursion in ZF 0 . Bildet man nunwieder die KlasseN = ⋃V α ,α∈On


8.2. MENGEN VON RANG 60so ist N = {x | f und(x)} die Klasse aller fundierten Mengen, und es gilt inZF 0 :V = N ↔ Fund.2. Man kann zeigen, daß in N alle Axiome von ZF gelten und erhält daraus:Ist ZF 0 widerspruchsfrei, so auch ZF = ZF 0 + Fund.3. Mit Hilfe eines anderen inneren Modells kann man auch zeigen:Ist ZF 0 widerspruchsfrei, so auch ZF 0 + ¬Fund.Also ist das Fundierungsaxiom unabhängig von den übrigen Axiomen vonZF.8.2 Mengen von RangDie in der Mathematik gebräuchlichen Mengen sind stets fundiert; für den Aufbauder <strong>Mengenlehre</strong> ist das Fundierungsaxiom zwar weitgehend entbehrlich, vereinfachtaber die Entwicklung der Ordinalzahltheorie. Darüber hinaus läßt es sichbenutzen, um jeder Menge einen “Rang” zuzuordnen:Definition (MIRIMANOFF 1917)ρ(a) := µα a ∈ V α+1Rang von aLemma(i)a ∈ V α ↔ ∃ξ < α a ⊆ V ξ(ii) a ∈ V α → ⋃ a ∈ V α ∧ {a},P(a) ∈ V α+1(iii)(iv)(v)a ⊆ b ∈ V α → a ∈ V αV α ∩ On = αα < β ↔ V α ∈ V β , α ≤ β ↔ V α ⊆ V βBeweis: (i) und (iv) zeigt man durch Induktion über α, (ii) folgt aus (i) und derTransitivität der V α ’s, und (iii) folgt aus (i). (v) zeigt man am einfachsten mit (iv)des folgenden Lemmas.□


8.2. MENGEN VON RANG 61Eigenschaften des Ranges(i)(ii)a ⊆ b → ρ(a) ≤ ρ(b)a ∈ b → ρ(a) < ρ(b)(iii) ρ({a}) = ρ(P(a)) = ρ(a) + 1(iv)ρ(α) = ρ(V α ) = α(v) V α = {x|ρ(x) < α}(vi)ρ(α) = ⋃ x∈a ρ(x) + 1 = sup + x∈aρ(x)Beweis: Übungsaufgabe!□Bemerkungen• Wegen ω ⊆ V ω , P(ω) ⊆ V ω+1 , P(ω) ∈ V ω+2 kommen reelle Zahlen, Mengenund Funktionen von reellen Zahlen und alle Objekte der reellen Analysisin V ω+ω vor (sicher schon in V ω+10 ). Darüber hinaus sind die Stufen V αtransitive Mengen mit interessanten Abschlußeigenschaften:• a,b ∈ V α → {a},{a,b},P(a) ∈ V α+1 ,(a,b) ∈ V α+2 .• Ist λ eine Limeszahl, so ist also V λ abgeschlossen unter{a},{a,b},(a,b), ⋃ a,P(a),a × bund enthält mit jedem a auch jede Teilmenge b ⊆ a.• (V ω ,∈) ist Modell aller Axiome von ZF, bis auf das Unendlichkeitsaxiom,das hierin falsch ist (da alle Mengen in V ω endlich sind, s. unten 9.2).• (V λ ,∈) ist für Limeszahlen λ > ωdas Ersetzungsaxiom,Modell aller Axiome von ZF, bis auf• HC := {x | TC(x) abzählbar} ist ein Modell aller Axiome von ZF, bis aufdas Potenzmengenaxiom.• Die Frage nach der Existenz von Ordinalzahlen α, für die (V α ,∈) ein Modellvon ZF ist, führt zu den “großen Kardinalzahlen”, deren Existenz in ZFnicht beweisbar ist (“unerreichbare” Zahlen).Offensichtlich weisen die von-NEUMANNschen Stufen V α gewisse “Ähnlichkeiten”mit V auf. Genauer läßt sich dieser Zusammenhang in der Form eines


8.3. ANWENDUNGEN DES RANGES 62Reflexionsprinzips∃α[a ∈ V α ∧ ∀x 1 ...x n ∈ V α (ϕ V α(x 1 ...x n ) ↔ ϕ(x 1 ...x n ))]ausdrücken, wobei die Formel ϕ a (die Relativierung von ϕ nach a) aus ϕ hervorgeht,indem dort jeder Quantor Qx durch den relativierten Quantor Qx ∈ aersetzt wird. Somit besagt das Reflexionsprinzip, daß zu jeder Formel ϕ ein beliebiggroßes V α existiert, das bezüglich der Eigenschaft ϕ sich wie die AllklasseV verhält. Man kann Reflexionsprinzipien benutzen als alternative Möglichkeit,die Theorie ZF zu axiomatisieren - bei geeigneter Formulierung machen sie alleAxiome über die Existenz von Mengen (bis auf das Aussonderungsaxiom) überflüssigund sind natürlich modelltheoretisch von besonderem Interesse (Näheresim Teil V).8.3 Anwendungen des RangesEine Einteilung aller Mengen in Äquivalenzklassen führt häufig zu echten Klassen;ein geeignetes Repräsentantensystem erhält man dann meistens nur unter Anwendungdes Auswahlaxioms. Mit Hilfe des Rangbegriffes kann man sie aberauch nach SCOTT-TARSKI 1955 auf Mengen beschränken: Jeder Klasse A ordnetman die Elemente von A zu, die minimalen Rang haben:DefinitionSatz(i) a,b ∈ A min → ρ(a) = ρ(b),(ii) A min ⊆ A ∧ A min ∈ V,(iii) A min ≠ /0 ↔ A ≠ /0.A min := {x ∈ A | ∀y ∈ A ρ(x) ≤ ρ(y)}Beweis: (i) folgt aus unmittelbar aus der Definition. Ist A ≠ /0, so existiert nach demFundierungsaxiom für Klassen ein a ∈ A mit a∩A = /0, dieses hat dann unter allenElementen von A den minimalen Rang (es kann aber natürlich mehrere Elementevon minimalem Rang geben). Ist ρ(a) = α, so A min ⊆ V α+1 und somit eine (nichtleere)Menge.□


8.3. ANWENDUNGEN DES RANGES 63DefinitionR ist eine Äquivalenzrelation auf der Klasse A gdw. R ⊆ A × A undÄ1 ∀x ∈ A xRx reflexivÄ2 ∀x,y ∈ A (xRy → yRx) symmetrischÄ3 ∀x,y,z ∈ A (xRy ∧ yRz → xRz) transitivFür jedes a ∈ A sei [a] R := {x | xRa} die Äquivalenzklasse von a bzgl. R unda R := ([a] R ) min die entsprechende Teilmenge von minimalem Rang.Abstraktionsprinzip (FREGE 1884, RUSSELL 1907, SCOTT 1955)Es sei R Äquivalenzrelation auf A. Dann ist A die Vereinigung der paarweise disjunktenÄquivalenzklassen: A = ⋃ a∈A[a] R mita ∈ [a] R[a] R ≠ [b] R → [a] R ∩ [b] R = /0[a] R = [b] R ↔ aRb.Die a R sind immer Mengen, und für sie gilt immerhin noch:a R ≠ /0,a R = b R ↔ aRb,so daß sie als Repräsentantenmengen für die Äquivalenzklassen gewählt werdenkönnen.


64Kapitel 9Die Rolle des UnendlichkeitsaxiomsWenn man möglichst schnell und einfach das Induktionsprinzip für die natürlichenZahlen erhalten will, so definiert man sie als Durchschnitt aller induktivenMengen (und damit als kleinste induktive Menge):N := ⋂ {x | Ind(x)},wobeiInduktiv(a) :↔ /0 ∈ a ∧ ∀y(y ∈ a → y ∪ {y} ∈ a).Da der Durchschnitt über die leere Menge jedoch keine Menge (sondern die echteKlasse aller Mengen) ist, muß man für diesen Weg das Unendlichkeitsaxiom voraussetzen(welches gerade besagt, daß es eine induktive Menge gibt). Wir wollenjedoch - soweit möglich - dieses Axiom vermeiden und wählen daher den Begriffder natürlichen Zahl als “endliche” Ordinalzahl, d. h. als Ordinalzahl unterhalbder ersten Limeszahl:Nz(n) : ↔ Ord(n) ∧ (n = 0 ∨ N f (n)) ∧ ∀x ∈ n(x = 0 ∨ N f (x))↔ Ord(n) ∧ ∀λ(Lim(λ) → n < λ) natürliche ZahlDa das Unendlichkeitsaxiom Un auch damit gleichbedeutend ist, daß eine Limeszahlexistiert, bedeutet diese Definition:a) Gilt Un, so ist die kleinste Limeszahl ω = Menge der natürlichen Zahlen.b) Gilt ¬Un, existiert also keine unendliche Menge, so sind alle Mengen endlichund die natürlichen Zahlen bilden eine echte Klasse, die mit der KlasseOn aller Ordinalzahlen zusammenfällt.


9.1. DIE PEANO-THEORIE PA 65Für die natürlichen Zahlen als spezielle Ordinalzahlen können wir aus den jeweiligenPrinzipien für die Ordinalzahlen entsprechende Aussagen über die natürlichenZahlen gewinnen (dabei benutzen wir für natürliche Zahlen wie üblich dieVariablen n, m, k):InduktionsprinzipInduktionsschemaMinimumsprinzip∀n(∀m < n m ∈ A → n ∈ A) → ∀n n ∈ Aϕ(0) ∧ ∀n[ϕ(n) → ϕ(n + 1)] → ∀n ϕ(n)∃nϕ(n) → ∃n[ϕ(n) ∧ ∀m < n ¬ϕ(m)]Rekursion Sind G,H : N×V −→ V Funktionen, a eine Menge, so existiert genaueine Funktion F : N −→ V mitF(0) = aF(n + 1) = G(n,F(n).9.1 Die Peano-Theorie PADie Sprache von PA enthält ein 1-stelliges Funktionszeichen ′ , zwei 2-stelligeFunktionszeichen +,· sowie eine Individuenkonstante 0. Ähnlich wie im Falleder mengentheoretischen Sprache bilden wir hieraus die Menge der zahlentheoretischenFormeln, in welcher nun dieAxiome von PA formuliert werden:P1 x ′ ≠ 0 P2 x ′ = y ′ → x = yP1 x + 0 = x P5 x · 0 = 0P4 x + y ′ = (x + y) ′ P6 x · y ′ = x · y + xsowie die unendlich-vielen Induktionsaxiome:IndS ϕ(0) ∧ ∀x(ϕ(x) → ϕ(x ′ )) → ∀x ϕ(x),wobei ϕ eine Formel der zahlentheoretischen Sprache ist.Die Menge der natürlichen Zahlen ω mit a ′ = a∪{a}, 0 = /0 und mit den mengentheoretisch(durch Rekursion auf den natürlichen Zahlen) definierten Operationen+,· (der Einfachheit halber benutzen wir hierfür dieselben Zeichen wie fürdie Symbole der Sprache von PA) bilden ein Modell von PA, dasStandardmodell N = (ω, ′ ,+,·,0).


9.1. DIE PEANO-THEORIE PA 66Modelle, die nicht isomorph zum Standardmodell sind, heißen Nichtstandardmodelle.Im Rahmen der Mathematischen Logik zeigt man, daß die obige Theoriesehr viele (sowohl abzählbare wie auch überabzählbare) Nichtstandardmodellebesitzt. Im Rahmen der <strong>Mengenlehre</strong> dagegen kann man das InduktionsschemaIndS aber nicht nur für Aussagen der Sprache von PA, sondern für beliebige mengentheoretischeFormeln nachweisen, und es läßt sich in ZF zeigen, daß das Standardmodellbis auf Isomorphie das einzige dieser (mengentheoretisch erweiterten)Axiome ist (wobei man P3 − P6 nicht einmal benötigt):Kategorizität der mengentheoretischen PEANO-AxiomeDie Theorie PA (2) (PEANO-Axiome 2. Stufe) besitzt folgende Axiome:P1∀x e ≠ xP2 ∀x∀y(x ′ = y ′ → x = y)Ind (2) ∀X[0 ∈ X ∧ ∀x(x ∈ X → x ′ ∈ X) → ∀x x ∈ X]Die Kategorizität dieser Theorie besagt, daß es (bis auf Isomorphie) genau einModell gibt, d. h.:Jedes Modell von PA (2) ist isomorph zum Standardmodell (ω, ′ ,0).Beweis: Ind (2) ist ein Axiom, in welchem ∀X ein Quantor 2. Stufe ist, welcherin einem Modell (w,∗,e) ausdrückt: für alle Teilmengen von w . . . , d. h. diesesAxiom entspricht dem mengentheoretische Induktionsprinzip.Es sei nun also (w, ∗ ,e) ein Modell von PA (2) , d.h.(1) e ≠ x ∗ für alle x ∈ w,(2) x ∗ = y ∗ → x = y für alle x,y ∈ w,(3) e ∈ v ∧ ∀x(x ∈ v → x ∗ ∈ v) → w ⊆ v für alle Mengen v ⊆ w.Der gesuchte Isomorphismus ist eine Abbildung f : ω ←→ w mitf (0) = e ∧ ∀n ∈ ω f (n ′ ) = f (n) ∗ .Der Rekursionssatz für die natürlichen Zahlen liefert ein (sogar eindeutig bestimmtes)f mit dieser Eigenschaft; zu zeigen bleibt also nur noch die Bijektivität:


9.2. DIE THEORIE DER ENDLICHEN MENGEN 67f ist surjektiv: Sei v := W( f ) = { f (n) | n ∈ ω}. Dann folgt aus den rekursivenBedingungen für f :e ∈ v ∧ ∀x(x ∈ v → x ∗ ∈ v),also nach (3): w ⊆ v und damit w = v, d. h. f ist surjektiv.f ist injektiv, d. h.(i)m ≠ n → f (m) ≠ f (n).Zunächst zeige man durch Induktion über m, daß jede von 0 verschiedene Zahleinen Vorgänger besitzt:und dann (i) durch Induktion über n:(ii) m ≠ 0 → ∃n(m = n ′ )1. Sei n = 0 und n ≠ m. Dann ist m ≠ 0, also nach (i) m = k ′ für ein k unddamit f (0) = e ≠ f (m) = f (k) ∗ nach (2).2. Sei (i) bewiesen für n (und alle m), m ≠ n ′ . Falls m = 0, schliessen wirwie oben auf f (m) ≠ f (n ′ ). Falls m ≠ 0, so ist wieder m = k ′ für ein k. Ausm = k ′ ≠ n ′ folgt wegen (P2) k ≠ n und damit nach Induktionsvoraussetzungf (k) ≠ f (n).□9.2 Die Theorie der endlichen MengenBezeichnet ZF f in die Theorie ZF, in welcher das Unendlichkeitsaxiom durch seineNegation ersetzt ist, so kann man sie als Theorie der endlichen Mengen auffassen;(V ω ,∈) ist “das Standardmodell” dieser Theorie. Diese ist ebenso “stark” wie diePEANO-Arithmetik PA, d. h. sie lassen sich wechselweise ineinander interpretieren,und damit ist insbesondere ZF ohne das Unendlichkeitsaxiom genau dannwiderspruchsfrei, wenn die PEANO-Arithmetik widerspruchsfrei ist:• Wie oben bemerkt, kann man in ZF ohne Unendlichkeitsaxiom die natürlichenZahlen (als Klasse) definieren und die arithmetischen Operationen derAddition und Multiplikation auf den natürlichen Zahlen (mittels des Rekursionssatzes)definieren, so daß hierfür die PEANO-Axiome gelten,


9.3. ANWENDUNGEN DER NUMERISCHEN REKURSION 68• umgekehrt kann man (nach W. ACKERMANN) in der Theorie PA endlicheMengen durch Zahlen kodieren und eine entsprechende ∈-Beziehung sodefinieren, daß hierfür die Axiome von ZF f in gelten.• In ZF ohne Unendlichkeitsaxiom (oder einer geeigneten Erweiterung vonPA <strong>zur</strong> Theorie 2. Stufe) kann man auch eine eingeschränkte Analysis betreiben;um aber etwa die Gesamtheit der reellen Zahlen <strong>zur</strong> Verfügung zuhaben, benötigt man das Unendlichkeitsaxiom.9.3 Anwendungen der numerischen RekursionAls Spezialfall des Rekursionstheorems für die natürlichen Zahlen erhalten wirdie Möglichkeit, Funktionen zu iterieren und damit Mengen zu erhalten, die untervorgegebenen Funktionen abgeschlossen sind:Satz über die Iteration und den Abschluß(i) Zu jeder Funktion F und jeder Menge a gibt es eine FunktionH : N ×V −→ V mitH(0,a) = a, H(n + 1,a) = F(H(n,a)).Wir nennen H auch die Iteration von F mit dem Anfangswert a undschreiben auch F n (a) für H(n,a).(ii) Zu jeder Funktion F und jeder Menge a gibt es eine Obermenge b von a, dieunter F abgeschlossen ist:∃y(a ⊆ y ∧ ∀x ∈ y F(x) ∈ y)Beweis von (ii): Zu gegebenem F und der Ausgangsmenge a definiere durch Rekursioneine Funktion G mit den EigenschaftenG(0) = a, G(n ′ ) = {F(x) | x ∈ G(n)} und setze b := ⋃G(n).Dann ist offensichtlich a ⊆ b ∧ ∀x ∈ b F(x) ∈ b, und zwar ist b die kleinste derartigeMenge, die Hülle oder der Abschluß von a unter der Abbildung F. □Für viele Anwendungen gut zu benutzen ist dasHüllenaxiom (HS)∃y(a ⊆ y ∧ ∀x ∈ y F(x) ∈ y).n∈ω


9.3. ANWENDUNGEN DER NUMERISCHEN REKURSION 69SatzUnter der Voraussetzung der übrigen Axiome von ZF (einschließlich des Aussonderungsschemas)ist dasErsetzungsaxiom + Unendlichkeitsaxiom äquivalent zum Hüllenaxiom.Beweis: HS haben wir in obigem Satz in ZF gezeigt. Umgekehrt folgt aus HS dasUnendlichkeitsaxiom (mit a = /0 und F(x) = x ′ ) und ähnlich das Ersetzungsaxiom,indem es für eine Funktion F und eine Menge a zunächst eine Obermenge b ⊇ amit {F(x) | x ∈ b} ⊆ b liefert, für die dann aber {F(x) | x ∈ a} als Teilklasse vonb eine Menge nach dem Aussonderungsaxiom ist.□Anwendungen des Hüllenaxioms1. Ähnlich wie wir ω als (kleinste) Ordinalzahl erhalten können, die > 0 istund unter ′ abgeschlossen ist, erhalten wir zu jeder Ordinalzahl α eine(nächstgrößere) Limeszahl λ > α, aber auch Ordinalzahlen > α, die unterarithmetischen Operationen abgeschlossen sind:∀ξ ,η < γ ξ + η < γ bzw. die ε-Zahlen: ∀ξ < ε 2 ξ < ε, usw.(In ähnlicher Weise haben wir Fixpunkte für Normalfunktionen erhalten, s.7.4.)2. Die Existenz der transitiven Hülle TC(a) einer Menge a folgt unmittelbaraus HS (in 8.1 haben wir sie durch durch ω-Iteration gebildet).3. Eine Menge ist endlich gdw sie sich auf die Zahlen {0,...,n} für einenatürliche Zahl n abbilden läßt,HF := {x | TC(x) endlich} ist die Klasse der erblich-endlichen Mengen.Sie läßt sich auch beschreiben durch HF = V ω und ist somit eine Menge(wobei man wesentlich das Unendlichkeitsaxiom benutzt - dagegen ist dieKlasse aller endlichen Mengen stets eine echte Klasse).4. Mit Hilfe der von-NEUMANNschen Stufenhierarchie kann man die folgendenVerstärkungen des Hüllenaxioms erhalten:∀x ∃y ϕ(x,y,...) → ∃α ∀x ∈ V α ∃y ∈ V α ϕ(x,y,...), bzw.∀x ∈ a ∃y ϕ(x,y,...) → ∃u (a ⊆ u ∧ ∀x ∈ a ∃y ∈ u ϕ(x,y,...)),welche sich (in engem Zusammenhang mit den Reflexionsprinzipien) auch<strong>zur</strong> Axiomatisierung von ZF verwenden lassen (s. Teil V).


70Teil IIIMengen auswählen


71Kapitel 10Das Auswahlaxiomsteht am Anfang der Entwicklung einer axiomatischen <strong>Mengenlehre</strong>: ZERMELOstellte sein Axiomensystem in Zusammenhang mit seinem zweiten Beweis desWohlordnungssatzes dar, und bis heute ist es wohl das interessanteste Axiom gebliebenwegen seiner Auswirkungen nicht nur für die <strong>Mengenlehre</strong>, sondern auchfür fast alle Gebiete der Mathematik. 1 In seiner einfachsten Form besagt es, daßdas Produkt einer Menge nicht-leerer Mengen wiederum nicht leer ist (RUSSELL1906: multiplicative axiom):Auswahlaxiom: (AC,1904/08) ∀x ∈ a x ≠ /0 → ∏ x∈a x ≠ /0,d. h. ∀x ∈ a x ≠ /0 → ∃ f (Fkt( f ) ∧ D( f ) = a ∧ ∀x ∈ a f (x) ∈ x)(ein solches f heißt Auswahlfunktion für die Menge a.)Das AC ist unabhängig von den übrigen ZF-Axiomen:Ist ZF 0 (= ZF ohne Fundierungsaxiom) widerspruchsfrei, so auchZF 0 + ¬AC (FRAENKEL 1922),ZF + AC (GÖDEL 1938),ZF + ¬AC (COHEN 1963).Im Gegensatz zu den anderen mengentheoretischen Axiomen fordert es dieExistenz einer Menge, ohne sie zu definieren oder auch nur einen Hinweis füreine mögliche Beschreibung zu bieten. Ähnlich ist es im Falle des Fundierungsaxioms,dafür hat aber das Auswahlaxiom zahlreiche Anwendungen, besitzt aberauch verschiedene1 Zur Geschichte und Problematik des Auswahlaxioms s. das Buch von G.H. MOORE: Zermelo´saxiom of choice, Springer 1982


10.1. MENGENTHEORETISCH ÄQUIVALENTE FORMEN 7210.1 Mengentheoretisch äquivalente FormenAC2 ∀x ∈ a F(x) ≠ /0 → ∏ x∈a F(x) ≠ /0AC2´ ∀x ∈ a ∃y ϕ(x,y) → ∃ f [Fkt( f ) ∧ D( f ) = a ∧ ∀x ∈ a ϕ(x, f (x))](ein solches f heißt Auswahlfunktion für ϕ)AC3 ∀x ∈ a x ≠ /0 ∧ ∀x,y ∈ a(x ≠ y → x ∩ y = /0) → ∃z∀x ∈ a∃!u u ∈ z ∩ x(ein solches z heißt Auswahlmenge für die nicht-leeren, disjunkten Mengenin a; ∃!u... = es existiert genau ein u. . . )AC3´ r Äquivalenzrelation auf a → ∃z∀x ∈ a∃!u(x,u) ∈ r(jede Äquivalenzrelation besitzt ein Repräsentantensystem)AC4 Fkt( f ) → ∃g(Fkt(g) ∧ g : W( f ) ↣ D( f ) ∧ g ⊆ f −1 )(jede Funktion besitzt eine Umkehrfunktion; f −1 := {(y,x) | (x,y) ∈ f })AC5 Rel(r) → ∃ f (Fkt( f ) ∧ D( f ) = D(r) ∧ f ⊆ r)Der Beweis dieser Aussagen aus dem Auswahlaxiom beruht darauf, daß manin allen diesen Fällen eine Auswahl in Abhängigkeit von den Elementen einerMenge treffen muß (dabei benötigt man für AC2´ das Fundierungsaxiom, umden Bereich der möglichen y auf eine genügend große Menge V α einschränkenzu können). Umgekehrt sind die obigen Auswahlprinzipien allgemein genug, umhieraus das ursprüngliche AC zu folgern.□10.2 Der Zermelosche WohlordnungssatzDas Auswahlaxiom, AC, ist äquivalent zum Wohlordnungssatz:WO1bzw.WO2∀x∃r(r ist Wohlordnung auf x),∀x∃ f ∃α( f : α ←→ x),d. h. jede Menge a läßt sich aufzählen:a = {a ξ |ξ < α} für ein α und eine Folge (a ξ ξ < α).


10.2. DER ZERMELOSCHE WOHLORDNUNGSSATZ 73Beweis: Ist r Wohlordnung auf a, so isomorph <strong>zur</strong> ∈-Beziehung auf einer Ordinalzahlα (nach 6.6 (i)), somit WO1 ⇒ WO2. Ist umgekehrt f : a ←→ α für eineOrdinalzahl α, so kann man auf a eine Wohlordnung r definieren durchxry ⇐⇒ f (x) ∈ f (y),wodurch die natürliche Wohlordnung auf α auf die Menge a übertragen wird.Also gilt auch WO2 ⇒ WO1.WO1 ⇒ AC: Ist eine Menge wohlgeordnet, so kann man aus ihren Elementeneine Auswahl treffen, indem man das kleinste Element (bezüglich der Wohlordnung)auswählt: Sei ∀x ∈ a x ≠ /0. Nach WO1 gibt es eine Wohlordnung < auf⋃ a. Damit kann man eine Auswahlfunktion f definieren durchf (x) = das kleinste (bzgl.


10.3. MAXIMUMSPRINZIPIEN VON ZORN UND HAUSDORFF 74BemerkungDer Wohlordnungssatz besagt, daß jede Menge eine Wohlordnung besitzt, ohne(wie schon im Falle des Auswahlaxioms und ähnlich auch für die folgendenMaximumsprinzipien) konkret eine Wohlordnung anzugeben. Endliche Mengenlassen sich leicht wohlordnen (man braucht sie ja nur zu ordnen) und alle Wohlordnungensind in diesem Falle isomorph. Im Falle unendlicher Mengen dagegengibt es (wenn überhaupt!) stets verschiedene Wohlordnungen, wenn auch für jedeWohlordnung ihr Ordnungstyp eindeutig bestimmt ist.10.3 Maximumsprinzipien von Zorn und HausdorffDiese Prinzipien formulieren wir am besten für reflexive Ordnungen:Eine (reflexive) teilweise Ordnung auf A ist eine 2-stellige Relation R auf A,für die gilt:(a) ∀x ∈ A xRx reflexiv,(b) ∀x,y,z ∈ A (xRy ∧ yRz → xRz) transitiv,(c) ∀x,y ∈ A (xRy ∧ yRx → x = y) antisymmetrisch.(d) K ⊆ A heißt R-Kette: ↔ ∀x,y ∈ K (xRy ∨ yRx),d.h. je zwei Elemente aus K sind bzgl. R vergleichbar;(e) a ∈ A heißt R-obere Schranke von B ⊆ A :↔ ∀x ∈ B xRa,a ∈ A heißt R-maximal: ↔ ∀x ∈ A (aRx → a = x).Ein maximales Element besitzt also kein echt größeres, braucht aber nicht dasgrößte Element zu sein (zumindest nicht in einer teilweisen Ordnung).HAUSDORFFsches Maximumsprinzip (H,1914)r sei teilweise Ordnung auf der Menge a. Dann gibt es eine (bzgl. ⊆) maximaler-Kette k, d. h. ein k ⊆ a mit: k ist r-Kette ∧∀y ( y r-Kette ∧ k ⊆ y → k = y).ZORNsches Lemma (ZL,1935)r sei teilweise Ordnung auf der Menge a mit der Eigenschaft(*) jede r-Kette besitzt eine r-obere Schranke.Dann hat a ein maximales Element (bzgl. r).


10.3. MAXIMUMSPRINZIPIEN VON ZORN UND HAUSDORFF 75Diese beiden Aussagen sind äquivalent zum Auswahlaxiom:Beweis von WO ⇒ H: r sei partielle Ordnung auf a, a = {a ξ |ξ < α} sei wohlgeordnet.Wir definieren eine Teilmenge {b ξ |ξ < α} von a durch Rekursion wiefolgt:{aβ falls {b ξ |ξ < β} ∪ {a β } r-Kette,b β =a 0sonst.Damit erhalten wir eine maximale r-Kette {b ξ |ξ < α} (mit b 0 = a 0 ).H ⇒ ZL: Sei r partielle Ordnung auf a, die (*) erfüllt. Nach H existiert einemaximale r-Kette k ⊆ a. Eine obere Schranke von k ist dann ein maximalesElement (sonst könnte man k echt erweitern).ZL ⇒ AC: Sei a ≠ /0 und ∀x ∈ a x ≠ /0. SetzeB := { f | ∃y ⊆ a( f : y → ⋃ a ∧ ∀x ∈ y f (x) ∈ x)}.Jedes Element von B ist eine partielle Auswahlfunktion und Teilmenge vona × ⋃ a, damit ist auch B als Menge b ⊆ P(a × ⋃ a) abschätzbar. Als teilweiseOrdnung auf B = b wählen wir r =⊆ -Beziehung. Für jede r-Kette k ist dann ⋃ keine obere Schranke, und ein nach dem ZORNschen Lemma maximales Elementin B ist dann eine Auswahlfunktion für a .□Bemerkungen• Aus obigem Beweis läßt sich ablesen, daß H sogar allgemeiner gilt: jedepartielle Ordnung r auf a besitzt für jedes b ∈ a eine r-Kette k mit b ∈ k.• Das ZORNsche Lemma ist offenbar trivial, wenn r eine lineare Ordnung aufa ist, weil dann a selbst schon eine Kette ist. Daher kann man Anwendungenvon ZL nur für teilweise Ordnungen erwarten. Wie in obigem Beweisist häufig diese Ordnung die ⊆ -Beziehung, und meistens kann man (*) indiesem Fall nachweisen, indem man zeigt, daßfür jede ⊆-Kette k: ⋃ k ∈ a.(Dann ist ⋃ k nämlich eine obere Schranke.)• Für Anwendungen benötigt man gelegentlich nur abgeschwächte Formendes Auswahlaxioms:


10.4. ANWENDUNGEN DES AUSWAHLAXIOMS 76Auswahlaxiom für abzählbare Mengen: (AC ω )∀n ∈ ω a n ≠ /0 → ∃ f (D( f ) = ω ∧ ∀n ∈ ω f (n) ∈ a n ),Axiom der abhängigen Auswahl: (DC, dependent choice)Rel(R) ∧ a 0 ∈ a ∧ ∀x ∈ a∃y ∈ a xRy→ ∃ f [ f : ω −→ a ∧ f (0) = a 0 ∧ ∀n < ω f (n)R f (n + 1)]Es gilt: AC → DC,DC → AC ω (aber die Umkehrungen sind nicht beweisbar).Das AC ω wird vielfach in der Analysis benutzt (s.u.), insbesondere auch fürdie Aussage, daß die Vereinigung abzählbar-vieler abzählbarer Mengen wiederumabzählbar ist. DC benötigt man z. B. für die Äquivalenz verschiedener Endlichkeitsdefinitionensowie zum Beweis, daß die Minimalitätsbedingung der Fundiertheit(s. F1 von 6.1.3)F1 ∀z(/0 ≠ z ⊆ A → ∃x ∈ z ∀y ∈ z y ≮ x)äquivalent ist <strong>zur</strong> Aussage, daß es keine unendlich-absteigenden


10.4. ANWENDUNGEN DES AUSWAHLAXIOMS 77Bemerkungen1. A. Blass: Existence of bases implies AC, Contempory Math., Axiomatic SetTheory, AMS 31 (1983)) hat gezeigt, daß auch die Umkehrung gilt: Hatjeder Vektorraum eine Basis besitzt, so gilt das Auswahlaxiom.2. Die reellen Zahlen R kann man auch als (unendlich-dimensionalen) Vektorraumüber den rationalen Zahlen Q auffassen, eine Basis nennt manin diesem Fall eine HAMEL-Basis. Aus der Existenz einer HAMEL-Basisfolgt nun aber insbesondere die Existenz einer Funktion f : R −→ R mitf (x + y) = f (x) + f (y) für alle reellen x,y; f ist zwar Q-linear, aber nichtR-linear. Tatsächlich kann f unstetig sein, und es ist sogar möglich, daßW( f ) ⊆ Q!Der Satz von Hahn-Banach(s. Bücher über Funktionalanalysis)Nicht-meßbare MengenEs existiert eine Menge reeller Zahlen, die nicht Lebesgue-meßbar ist. (VITALI1905)Beweis: Die Lebesgue-meßbaren Mengen bilden eine Teilmenge L ⊆ P(R), aufwelcher das Lebesgue-Maß definiert ist als Abbildungso daß gilt:m : L −→ {x | x ∈ R ∧ x ≥ 0} ∪ {∞},(L1) L enthält die offenen und abgeschlossenen Intervalle:(a,b),[a,b] ∈ L für alle reellen Zahlen a < b, und es ist m([a,b]) = b − a.(L2) L ist ein Mengenring, d. h. A,B ∈ L → A ∪ B, A ∩ B, A − B ∈ L.(L3) A ⊆ B → m(A) ≤ m(B).Monotonie(L4) Ist (A i |i < ω) eine abzählbare Folge von Mengen ∈ L, so ist auch⋃i


10.4. ANWENDUNGEN DES AUSWAHLAXIOMS 78Auf [0,1] definieren wir eine Äquivalenzrelation durchx ∼ y :↔ x,y ∈ [0,1] ∧ x − y ∈ Q.Nach dem Auswahlaxiom in der Form (AC3´) existiert hierzu ein RepräsentantensystemS, d. h.S ⊆ [0,1] ∧ ∀x ∈ [0,1] ∃!y ∈ S (x ∼ y).Setzen wir S r := {x + r | x ∈ S} = S + r, so ist R = ⋃ r∈Q S r , und es istS r ∩ S t = /0 für r,t ∈ Q, r ≠ t.Wäre S Lebesgue-meßbar, also S ∈ L, so erhielte man im Falle m(S) = 0 :m(R) = 0, und im Falle m(S) > 0 : 2 = m([0,2]) = ∞, Widerspruch! Somit ist dieMenge S nicht Lebesgue-meßbar.□Äquivalenz verschiedener StetigkeitsdefinitionenFür x ∈ R und eine reelle Zahl ε > 0 wird die ε-Umgebung von x definiert durchU ε (x) := {y ∈ R | x − ε < y < x + ε}.1. Für A ⊆ R definiert man die abgeschlossene Hülle von A durchx ∈ A : ↔ ∀ε > 0 U ε (x) ∩ A ≠ /0 bzw.↔ x = lim n→∞ x n für eine Folge (x n ) n 0 ∃δ > 0 ∀y ∈ R (|x − y| < δ → | f (x) − f (y)| < ε) bzw.↔ f (x) = lim n→∞ f (x n ) für alle Folgen (x n ) n


10.4. ANWENDUNGEN DES AUSWAHLAXIOMS 79BOOLEsches PrimidealtheoremEine BOOLEsche Algebra ist ein Modell (B,∧,∨,−,0,1) der BOOLEschen Gesetze,die wir in 3.3 für die mengentheoretischen Operationen formuliert haben.Um den trivialen Fall auszuschließen, fügen wir noch /0 ≠ V als Axiom hinzu, sodaß stets 0 ≠ 1 gilt und die kleinste BOOLEschen Algebra aus zwei Elementenbesteht.Beispiele und Bemerkungen1. Für eine nicht-leere Menge M ist (P(M),∩,∪,−, /0,M) eine BOOLEsche Algebra,die Potenzmengenalgebra von M. Eine Unteralgebra davon, definiertalso auf einer Teilmenge B ⊆ P(M), die /0 und M enthält und abgeschlossenist unter den Mengenoperationen ∩,∩,−, heißt Mengenalgebra.2. Jede endliche BOOLEschen Algebra ist isomorph zu einer Potenzmengenalgebraund hat damit 2 n Elemente für eine natürliche Zahl n. Die Menge{x ⊆ N | x endlich oder N − x endlich} mit den üblichen mengentheoretischenOperationen ist eine abzählbare BOOLEsche Algebra, die aber nichtzu einer Potenzmengenalgebra isomorph sein kann.3. Es gibt zahlreiche Beispiele BOOLEscher Algebren, die keine Mengenalgebrensind. Diese lassen sich am besten mit topologischen Hilfsmittelnbeschreiben; aber es gibt auch natürliche Beispiele aus der Logik:Die LINDENBAUM-Algebra einer Theorie TFür eine Theorie T und eine Aussage σ in der Sprache L dieser Theorie kann maneinen Folgerungsbegriff erklären: T ⊢ σ bedeute: σ folgt aus (den Axiomen von)T. Damit erhält man eine Äqivalenzrelationϕ ∼ T ψ :⇐⇒ T ⊢ ϕ ↔ ψ,L(T) := {[σ] T | σ L-Satz}sei die Menge der zugehörigen Äquivalenzklassen. Den aussagenlogischen Operationenentsprechen dann Operationen auf L(T):[ϕ] T ∧ [ψ] T := [ϕ ∧ ψ] T


10.4. ANWENDUNGEN DES AUSWAHLAXIOMS 80und ähnlich für die übrigen Operationen. Damit wird L(T) zu einer BOOLEschenAlgebra mit0 = {σ | T ⊢ ¬σ} und 1 = {σ | T ⊢ σ}.Ein Filter einer BOOLEsche Algebra (B,∧,∨,−,0,1) ist eine nichtleere TeilmengeF ⊆ B mit folgenden Eigenschaften:(F1) x,y ∈ F ⇒ x ∧ y ∈ F,(F2) x ∈ F, y ∈ B ⇒ x ∨ y ∈ F.Ein Filter F heißt echt gdw F ≠ B. Ein Primfilter (Ultrafilter) ist ein echter FilterF mit der zusätzlichen Eigenschaft(U) x ∈ F oder − x ∈ F.Ultrafilter kann man auch als maximale echte Filter charakterisieren; sie habenaußerdem folgende Eigenschaften:x ∉ U ⇔ −x ∈ Ux ∈ U und y ∈ U ⇔ x ∧ y ∈ Ux ∈ U oder y ∈ U ⇔ x ∨ y ∈ Uund stehen damit in enger Verbindung zum Wahrheitsprädikat, was in dem folgendenSatz zum Ausdruck kommt.Das BOOLEsche Primidealtheorem (BPI) besagt:Jeder echte Filter in einer BOOLEschen Algebra läßt sich zu einem Ultrafilter erweitern(bzw.: Jedes echte Ideal in einer BOOLEschen Algebra läßt sich zu einemPrimideal erweitern.)(Die Begriffe Ideal und Primideal sind die zu Filter und Ultrafilter dualenBegriffe (vertausche ∨ mit ∧).)Das BPI folgt offensichtlich aus dem Auswahlaxiom (mittels des ZORNschenLemmas), ist aber echt schwächer.SatzDas BPI ist äquivalent zu folgenden Aussagen:(i) Jede BOOLEsche Algebra besitzt einen Ultrafilter.


10.4. ANWENDUNGEN DES AUSWAHLAXIOMS 81(ii) STONEscher Repräsentationssatz: Jede BOOLEsche Algebra ist isomorphzu einer Mengenalgebra.(iii) Satz von TYCHONOFF für T 2 -Räume(iv) Vollständigkeitssatz für formale Sprachen erster Stufe(v) Kompaktheitssatz für formale Sprachen erster StufeWeitere Abschwächungen des Auswahlaxioms sind:Ordnungserweiterungsprinzip (OE)Jede partielle Ordnung läßt sich zu einer linearen Ordnung erweitern.Ordnungsprinzip (OP)Jede Menge besitzt eine lineare Ordnung.Es gilt: AC ⇒ BPI ⇒ OE ⇒ OP (ohne Umkehrungen).Eine weitere interessante Folgerung aus dem Auswahlaxiom ist das Paradoxvon HAUSDORFF, BANACH und TARSKI:Wagon, S.: The Banach-Tarski paradox. Cambridge 1986French, R. M.: The Banach-Tarski theorem. Math. Intell. 10 (1988), 21-28Kirsch, A.: Das Paradox von Hausdorff, Banach und Tarski. Kann man es verstehen?Math. Semesterberichte 37,2 (1990), 216-239Viele weitere Ergebnisse und eine Übersicht findet man in dem bereits erwähntenBuchMoore, G. H.: Zermelo´s Axiom of Choice. Springer 1982.Schließlich seien noch erwähnt:Kanamori, A.: The mathematical import of Zermelo´s well-ordering theoremBull. Symb. Logic 3,3 (1997), 281-311Keremides, K.: Disasters in topology without the axiom of choiceArchiv Math. Logik 40,8 (2001), 569-580


82Teil IVDie Größe der Mengen


83Kapitel 11Mächtigkeiten und KardinalzahlenGrundlegend für die Theorie der Kardinalzahlen ist der Begriff der Mächtigkeiteiner Menge. Zunächst definieren wir, wann zwei Mengen gleichmächtig sind:a ∼ b :↔ ∃ f ( f : a ←→ b)gleichmächtig11.1 Endliche und abzählbare MengenEs gibt verschiedene Möglichkeiten, den Begriff des Endlichen zu erfassen; daman hierbei auch das Unendliche definiert, ist der Begriff keineswegs trivial, wassich auch darin zeigt, daß die verschiedenen Definitionen oft erst mit Hilfe desAuswahlaxioms als äquivalent nachgewiesen werden können (s. (iv) des folgendenSatzes).1. Der übliche Begriff der endlichen Menge greift auf die natürlichen Zahlen<strong>zur</strong>ück:Eine Menge a ist endlich gdw ihre Elemente mit Hilfe der natürlichen Zahlenvon 0 bis n − 1 für ein n abgezählt werden können. Da nach unserer Festlegung{0,1,...,n − 1} = n ist, so haben wir eine besonders einfache Definition:a endlich : ↔ ∃n < ω (a ∼ n),a unendlich : ↔ ¬ a endlich.Ist a endlich, so ist die natürliche Zahl n mit a ∼ n (die man durch Abzählenbestimmt) eindeutig festgelegt und gibt die Anzahl der Elemente von a an - fürunendliche Mengen gilt dies aber nicht mehr!


11.1. ENDLICHE UND ABZÄHLBARE MENGEN 842. Von WHITEHEAD-RUSSELL stammt die folgende Definition, die den Zahlbegriffvermeidet:Eine Menge u ⊆ P(a) heißt induktive Familie von Teilmengen von a gdw/0 ∈ u ∧ ∀x ∈ u ∀y ∈ a x ∪ {y} ∈ u,d. h. u enthält die leere Menge und mit jeder Menge x auch die um ein Elementaus a erweiterte Menge. Definiere:a endlich :↔ ∀u ⊆ P(a)(u induktive Familie von Teilmengen von a → a ∈ u).Dieser Begriff ist äquivalent zu obiger Definition.3. DEDEKIND wählt eine (anfangs als paradox angesehene) Eigenschaft <strong>zur</strong>Charakterisierung unendlicher Mengen:Satza D-unendlich :↔ ∃x ⊂ a(a ∼ x)(i) n ∼ m ∧ n,m ∈ ω → n = m, allgemeiner:α ∼ m ∧ m ∈ ω → α = m, (jedoch: ω ∼ ω + 1 ∼ ω + ω)(ii) α endlich ↔ α ∈ ω, insbesondere:∀n ∈ ω (n endlich) ∧ ω unendlich∀n ∈ ω ¬(n D-unendlich) ∧ ω D-unendlich(iii) a D-unendlich ↔ ∃x ⊆ a(x ∼ ω)(iv) a D-unendlich → a unendlich,a D-unendlich ↔ a unendlich (mit DC !)Beweis von (iii) (DEDEKIND 1888):Sei a D-unendlich, also f : a ←→ b ⊂ a für ein f und ein b. Wähle a 0 ∈a − b und setze a n+1 = f (a n ) (rekursive Definition!). Es ist also a 1 ≠ a 0 (wegena 1 ∈ b) und allgemeiner a n ≠ a m für n ≠ m. Somit ist {a n |n < ω} eine abzählbarunendlicheTeilmenge von a.Ist umgekehrt {a n |n < ω} eine abzählbar-unendliche Teilmenge von a, wobeia n ≠ a m für n ≠ m, so definieren wir eine Funktion g : a −→ a durchg(x) ={an+1 , falls x = a nx, sonstEs ist dann g : a ←→ a − {a 0 } ⊂ a.□


11.1. ENDLICHE UND ABZÄHLBARE MENGEN 85Eigenschaften endlicher Mengen(i) /0 und {a} sind endlich,(ii) sind a und b endlich, so auch a ∪ b,a ∩ b,a − b,a × b,P(a),F[a], a b,(iii) a endlich ∧ ∀x ∈ a (x endlich) → ⋃ a endlich,(iv) a endlich ∧ b ⊆ a → b endlich.(v) Induktionsprinzip für endliche Mengen:ϕ(/0) ∧ ∀x[x endlich ∧ ϕ(x) → ∀y(ϕ(x ∪ {y}))] → ∀x(x endlich → ϕ(x)).Diese Eigenschaften beweist man am einfachsten mit Hilfe des Endlichkeitsbegriffesvon WHITEHEAD-RUSSELL, zeigt dann, daß unter diesem Begriff allenatürlichen Zahlen endlich sind und somit beide Endlichkeitsdefinitionen zusammenfallen.□Wir wollen von den endlichen zu abzählbaren Mengen übergehen. Diese lassensich mit Hilfe der natürlichen Zahlen abzählen:a abzählbar: ←→ a = /0 ∨ a = {a n |n < ω} für eine Folge (a n |n < ω).Damit sind dann auch die endlichen Mengen einbegriffen, da in der AbzählungElemente mehrfach aufgezählt werden können. Wir unterscheiden:1. f : ω ↠ a heißt Aufzählung von a (es ist dann a = { f (n)|n < ω}),2. f : ω ↔ a heißt Aufzählung von a ohne Wiederholungen.Eine Aufzählung ohne Wiederholungen (also eine bijektive Abbildung auf dienatürlichen Zahlen) liefert eine abzählbar-unendliche Menge:a abzählbar-unendlich: ←→ a ∼ ω.Für die Menge der endlichen Teilmengen von a bzw. die Menge der endlichenFolgen von Elementen von a benutzen wir folgende Bezeichnungen:P


11.1. ENDLICHE UND ABZÄHLBARE MENGEN 86Eigenschaften abzählbarer Mengen(i) a abzählbar ←→ a endlich ∨ a abzählbar-unendlich←→ ∃α ≤ ω (a ∼ α),(ii) sind a und b abzählbar, so aucha ∪ b, a ∩ b, a − b, a × b, F[a], P


11.2. ÜBERABZÄHLBARE MENGEN 8711.2 Überabzählbare MengenWährend die Potenzmenge einer endlichen Menge auch wieder endlich ist, istdie Potenzmenge einer abzählbar-unendlichen Menge nicht mehr abzählbar, alsoüberabzählbar: WäreP(ω) = {a n | n ∈ ω},a := {m ∈ ω | m ∉ a m } = a nn ∈ a n ↔ n ∉ a nso wäre auchfür ein n,dann aberWiderspruch!Wir erhalten also einen Widerspruch wie im Falle der RUSSELLschen Antinomie!In ähnlicher Weise kann man zeigen, daß die Menge aller zahlentheoretischenFunktionen und auch die Menge aller reellen Zahlen R überabzählbar sind.Vergleich von MächtigkeitenObwohl wir die Mächtigkeit einer Menge noch nicht erklärt haben, konnten wirMengen als gleichmächtig definieren, wenn sie sich eineindeutig aufeinander abbildenlassen. Ebenso lassen sich Mengen hinsichtlich ihrer Größe vergleichen,ohne sie vorher aufzählen zu müssen:a ∼ b: ↔ ∃ f ( f : a ←→ b) a ist gleichmächtig mit ba ≼ b: ↔ ∃ f ( f : a ↣ b) a ist kleiner oder gleichmächtig mit b↔ ∃x ⊆ b (a ∼ x) (a ist schmächtiger als b)a ≺ b: ↔ a ≼ b ∧ a ≁ b a ist kleiner als b(Genauer sollte man für a ≼ b sagen: a ist von Mächtigkeit kleiner oder gleich b.)So ist z.B.n ≼ ω, n ≺ ω, ω ≼ ω + 1, ω + 1 ≼ ω, ω ≺ P(ω),aber: ω + 1 ⊀ ω, ω ⊀ ω + 1.


11.3. SATZ VON CANTOR-SCHRÖDER-BERNSTEIN 88Lemma(i) a ≼ a reflexiv(ii) a ≼ b ∧ b ≼ c → a ≼ c transitiv(iii) a ⊆ b → a ≼ b aber i. a. nicht umgekehrt!(iv) a ∼ c ∧ a ≼ b → c ≼ b ebenso für ≺(v) b ∼ d ∧ a ≼ b → a ≼ d ebenso für ≺Die Gleichmächtigkeit (Äquivalenz) von Mengen ist somit außer einer Äquivalenzrelationauch eine Kongruenzrelation bezüglich ≼ und ≺; die Relation ≼ist reflexiv und transitiv. Der folgende Satz besagt, daß ≼ antisymmetrisch ist (bisauf ∼), was trivial ist, wenn man das Auswahlaxiom benutzt. Als eines der wenigenErgebnisse der Theorie der Mächtigkeiten läßt er sich aber auch ohne dieseVoraussetzung beweisen:11.3 Satz von Cantor-Schröder-Bernsteina ≼ b ∧ b ≼ a → a ∼ bBeweis: Wir führen die Behauptung zunächst auf den einfacheren Fall(∗)a b ∧ b ⊆ a → a ∼ b<strong>zur</strong>ück: Nach Voraussetzung existieren Abbildungeng : a ←→ a ′ ⊆ b,h : b ←→ b ′ ⊆ a,f := h ◦ g : a ↣ b ′a b ′ ∧ b ′ ⊆ a ∧ b ′ ∼ b.also mitgiltNach (*) gilt dann a ∼ b ′ , also auch a ∼ b, wie zu zeigen war.Zum Beweis von (*) gehen wir von einer injektiven Abbildungf : a ↣ b ⊆ aaus und konstruieren daraus eine Abbildungg : a ↔ b


11.4. VERGLEICHBARKEITSSATZ VON HARTOGS 89wie folgt:g(x) ={ ⋃f (x), falls x ∈ n∈ω f n [a − b]x sonst.Dabei ist f 0 (y) = y, f n+1 (y) = f ( f n (y)) (numerische Rekursion). Es gilt nun:(i) g ist surjektiv, d. h. W(g) = b:Sei d ∈ b. Falls d ∈ ⋃ n∈ω f n [a − b], so ist d ∈ f n [a − b] für ein n, und zwarn > 0 wegen d ∈ b. Dann ist aber d = f ( f n−1 (y)) für ein y und damit d ∈W(g). Im anderen Fall ist aber d = g(d) und damit auch d ∈ W(g).(ii) g ist injektiv:Da f injektiv ist, so auch g auf ⋃ n∈ω f n [a − b], und als identische Abbildungist sie auch auf dem Komplement injektiv. Ist jedoch einerseitsx ∈ ⋃ n∈ω f n [a − b] und andererseits y ∈ a − ⋃ n∈ω f n [a − b], so muß auchg(x) ≠ g(y) sein, da g(x) ∈ ⋃ n∈ω f n [a − b], während g(y) = y im Komplementliegt. Somit ist g eine Bijektion von a auf b.Der folgende Satz benötigt zum Beweis notwendig das Auswahlaxiom, da erhierzu äquivalent ist:□11.4 Vergleichbarkeitssatz von Hartogsa ≼ b ∨ b ≼ aBeweis: Nach dem Wohlordnungssatz gibt es Ordinalzahlen α,β mit a ∼ α undb ∼ β. Da Ordinalzahlen vergleichbar sind (und zwar α ⊆ β ∨ β ⊆ α), überträgtsich diese Beziehung in der Form a ≼ b ∨ b ≼ a auf die entsprechenden Mengen.□FolgerungJede unendliche Menge enthält eine abzählbar-unendliche Teilmenge (und ist damitD-unendlich).Daß es zu jeder Menge eine mit größerer Mächtigkeit gibt, zeigt der


11.5. SATZ VON CANTOR 9011.5 Satz von Cantora ≺ P(a)Beweis: Da durch x ↦→ {x} eine injektive Funktion definiert wird, ist a ≼ P(a). DieAnnahme a ∼ P(a) widerlegt man wie im Fall a = ω durch ein Diagonalargument:Falls f : a ↠ P(a), so setze man d := {x ∈ a | x ∉ f (x)}. Dann erhält man wegender Surjektivität von f ein b ∈ a mit d = f (b), was aber mitb ∈ f (b) = d ↔ b ∉ f (b)zum Widerspruch führt!□11.6 Alternative zum GrößenvergleichDa bei einer Abbildung Mengen möglicherweise auf dasselbe Element abgebildetwerden können, wird man das Bild einer Menge a als höchstens so groß wie aselbst ansehen. Man findet daher auch folgende Definition:a ≼ ∗ b :↔ a = /0 ∨ ∃ f ( f : b ↠ a).Für die Definition der Abzählbarkeit haben wir z. B.:a abzählbar ↔ a ≼ ∗ ω ↔ a ≼ ω,und der obige Satz von CANTOR besagt gerade: a ⋠ ∗ P(a). Allgemein gilt:a ≼ b ↔ a ≼ ∗ b,und zwar (→), weil eine injektive Funktion stets eine Umkehrfunktion besitzt,aber für die Umkehrung benötigt man das Auswahlaxiom (oder zumindest eineWohlordnung von b)! Ebenso gilt zwar stets F[a] ≼ ∗ a, aber F[a] ≼ a allgemeinnur, wenn das Auswahlaxiom vorausgesetzt ist.11.7 KardinalzahlenFür die Mächtigkeit einer Menge a, bezeichnet mit a, soll gelten:a = b ↔ a ∼ b.Diese Eigenschaft kann man in verschiedener Weise erfüllen:


11.7. KARDINALZAHLEN 91• a = {x | x ∼ a} (FREGE-RUSSELL). Allerdings sind diese Äquivalenzklassendann stets echte Klassen (außer für a = /0).• a = {x | x ∼ a} min (SCOTT-TARSKI, s. 8.3) Mächtigkeiten sind nun stetsMengen, aber im konkreten Fall schwer zu bestimmen.• Wähle aus der Äquivalenzklasse {x | x ∼ a} einen geeigneten Repräsentantenals die Mächtigkeit von a aus:Im Falle einer endlichen Menge kann man ihre Mächtigkeit dadurch bestimmen,daß man sie abzählt: Ista ∼ {0,...,n − 1} = n,so ist n eindeutig durch a bestimmt und bezeichnet die Anzahl der Elemente vona. Ist jedoch a eine unendliche Menge, so können folgende Probleme auftauchen:1. a besitzt keine Wohlordnung und damit auch keine Aufzählung,2. a besitzt Aufzählungen verschiedener Länge.Das erste Problem läßt sich vermeiden, indem man das Auswahlaxiom voraussetzt:Dann läßt sich jede Menge wohlordnen:a = {α ξ | ξ < α} für ein α,aber das zweite Problem bleibt bestehen: Selbst bei injektiven Aufzählungen ist imFalle unendlicher Menge die ”Länge” α nie eindeutig bestimmt. Als Kardinalzahlvon a wählt man daher das kleinstmögliche 1 derartige α:|a| := a := µα(a ∼ α) Kardinalzahl von a.Die Kardinalzahl einer Menge a ist somit die kleinste Ordinalzahl unter allengleichmächtigen Mengen (man sagt dann auch, daß man die Kardinalzahlen mitden Anfangszahlen identifiziert).1 µα ϕ bezeichnet die kleinste Ordinalzahl α mit der Eigenschaft ϕ, falls eine solche existiert,die Zahl 0 sonst.


11.7. KARDINALZAHLEN 92BemerkungSetzt man dagegen das Auswahlaxiom nicht voraus, so muß man unterscheidenzwischen Mächtigkeiten (allgemeiner Fall) und Kardinalzahlen (im Falle wohlgeordneterMengen, für die man dann die entsprechenden Anfangszahlen als Mächtigkeit= Kardinalzahl wählen kann). Da man ohnehin ohne Auswahlaxiom keinebefriedigende Theorie der Mächtigkeiten entwickeln kann, werden wir im folgendendas Auswahlaxiom voraussetzen und brauchen dann nicht zwischen Kardinalzahlenund Mächtigkeiten zu unterscheiden.Lemma(i) a ∼ b ↔ a = b,(ii) a ≼ b ↔ a ≤ b,(iii) a ≺ b ↔ a < b.DefinitionCard(a) :↔ ∃x(a = |x|)Cn := {x | Card(x)}KardinalzahlKlasse aller KardinalzahlenLemma(i) Card(α) ↔ ∀ξ < α (ξ ≁ α)↔ ∀ξ < α (ξ ≺ α) ↔ α = |α|,(ii) Card(α) ∧ α ≥ ω → Lim(α),(iii) a ⊆ Cn → ⋃ a ∈ Cn,(iv) ∀α ∃κ ∈ Cn α < κ,(v) Cn ist eine echte Klasse.Beweis: (i) drückt auf verschiedene Weise aus, daß Kardinalzahlen Anfangszahlensind. Für (ii) zeigt man, daß für unendliches α stets gilt: α + 1 ∼ α (nachderselben Methode wie ω + 1 = {0,1,...ω} ∼ {ω,0,1,...} ∼ ω). (iv) beweistman am einfachsten mit dem Satz von CANTOR: α ≺ P(α). Insbesondere gibt eskeine größte Kardinalzahl und die Klasse aller Kardinalzahlen kann keine Mengesein.□


11.7. KARDINALZAHLEN 93Definitionα + := µξ (ξ ∈ Cn ∧ α < ξ )kardinaler NachfolgerMit Hilfe des Satzes von CANTOR (und des Auswahlaxioms) ergibt sich wiein obigem Beweis:α ≺ α + ≤ |P(α)|.Man kann stattdessen aber auch die HARTOGsche FunktionH(a) := {ξ | ξ ≼ a}verwenden und ohne Benutzung des Auswahlaxioms zeigen, daßH(α) = µξ (|α| < ξ ) = α +ist. Zur Aufzählung der unendlichen Kardinalzahlen benutzt man seit CANTORden hebräischen Buchstaben ℵ (aleph):ω = ℵ 0 < ℵ 1 < ...ℵ ω < ...Aleph-Funktionℵ 0 ist also die Kardinalzahl abzählbar-unendlicher Mengen, ℵ 1 die erste überabzählbareKardinalzahl, allgemeiner ℵ α+1 = ℵ + α und (nach (iii) des obigen Lemmas)ℵ λ = ⋃ ξ


11.8. OPERATIONEN AUF DEN KARDINALZAHLEN 9411.8 Operationen auf den KardinalzahlenDie arithmetischen Operationen auf den Kardinalzahlen definiert man analog zumendlichen Fall, wobei im Falle der Addition zu beachten ist, daß man als Summezweier Kardinalzahlen die Mächtigkeit der Vereinigung disjunkter Mengen derentsprechenden Kardinalzahl wählt:κ ⊕ λ = |(κ × {0}) ∪ (λ × {1})|κ ⊙ λ = |κ × λ|κ λ = | λ κ| = |{ f | f : λ → κ}|Endliche Ordinal- und Kardinalzahlen stimmen überein (es sind gerade dienatürlichen Zahlen), und für diese Fälle stimmen diese Operationen mit den entsprechendenOperationen auf den Ordinalzahlen ebenfalls überein. Für unendlicheKardinalzahlen ergeben sich aber wesentliche Unterschiede. So sind die Operationender Addition und Multiplikation auf den Kardinalzahlen (wie im Falleder natürlichen Zahlen, aber im Gegensatz zu den ordinalen Operationen) kommutativ,assoziativ und distributiv - wenngleich diese Gesetze trivial sind; es giltnämlich der11.9 Satz von HessenbergEs seien κ,λ unendliche Kardinalzahlen. Dann gilt:κ ⊕ λ = κ ⊙ λ = max{κ,λ}.(Tatsächlich braucht nur eine der beiden Zahlen unendlich zu sein, im Falle derMultiplikation darf aber natürlich keine = 0 sein.) Dieses Ergebnis läßt sich (miteinfachen Monotoniegesetzen) <strong>zur</strong>ückführen auf denSatzFür unendliche Kardinalzahlen gilt:κ ⊙ κ = κ.Beweis: Wir werden eine bijektive Abbildung F : On × On ↔ On angeben, diedie Paare von Ordinalzahlen abzählt, und zwar so, daß für jede unendliche Kardinalzahlκ gilt:F ↾ κ × κ : κ × κ ←→ κ.


11.9. SATZ VON HESSENBERG 95Dazu müssen wir die Paare von Ordinalzahlen wohlordnen. Zunächst definierenwir auf On × On die lexikographische Ordnung:(α,β) < l (γ,δ) :↔ α < γ ∨ (α = γ ∧ β < δ).Dieses ist zwar eine lineare Ordnung, die die Minimumsbedingung erfüllt, abernicht die Mengenbedingung, denn in dieser Ordnung kommt die echte Klasse allerOrdinalzahlen {(0,ξ ) | ξ ∈ On} vor dem Paar (1,0)! Deshalb wandelt man dieseOrdnung nach GÖDEL ab, indem man nach dem Maximum der Paare vorsortiert:(α,β) < g (γ,δ) :↔ max(α,β) < max(γ,δ) ∨∨ (max(α,β) = max(γ,δ) ∧ (α,β) < l (γ,δ)).Damit erhalten wir wieder eine lineare Ordnung, die offensichtlich die Mengenbedingungerfüllt, aber auch weiterhin die Minimalitätsbedingung, und zwar findetman in einem nicht-leeren A ⊆ On × On das kleinste Element, indem man• zunächst das kleinste γ 0 ∈ {max(α,β) | (α,β) ∈ A} bestimmt,• sodann hierzu das kleinste α 0 ∈ {α | ∃β ((α,β) ∈ A ∧ max(α,β) = γ 0 )}• und schließlich das kleinste β 0 ∈ {β | (α 0 ,β) ∈ A ∧ max(α 0 ,β) = γ 0 }.(α 0 ,β 0 ) ist dann das kleinste Element von A bezüglich < g .Nach dem Kontraktionslemma 6.5 existiert also eine transitive Klasse A undein Ordnungsisomorphismus F : On × On ↔ A mit(α,β) < g (γ,δ) ↔ F(α,β) < F(γ,δ).Da On × On eine echte Klasse ist, so auch A und damit A = On. Damit habenwir also eine bijektive Abbildung aller Paare von Ordinalzahlen auf On erhalten,von der wir nun noch zeigen, daß sie für jede unendliche Kardinalzahl κ auch diePaare in κ × κ nach dem Ordnungstyp κ aufzählt:Zunächst bemerken wir, daß:(∗)α × α = {(ξ ,η) | (ξ ,η) < g (0,α)},also ist α × α ein < g -Segment. Aufgrund der rekursiven Definition von F undwegen (*) gilt:(∗∗) F(0,α) = F[α × α] ≥ α.


11.9. SATZ VON HESSENBERG 96Für α = ω ist offenbar F[ω × ω] = ω und allgemein gilt für jedes α:F[ℵ α × ℵ α ] = ℵ α .Diese Aussage beweisen wir durch Induktion nach α:1. Fall: α = 0, also ℵ α = ω. Wäre die Behauptung falsch, so gäbe es nach (**)zwei natürliche Zahlen n,m mit ω = F(n,m). Für k = max(n,m)+1 erhielten wirdann jedoch ω = F(n,m) < F(0,k) = F[k × k], aber F[k × k] ist offenbar endlich,Widerspruch!2. Fall: α > 0, und wir nehmen wieder an F[ℵ α × ℵ α ] > ℵ α , wobei wir αminimal mit dieser Eigenschaft wählen. Wie im ersten Fall existieren dann Zahlenγ,δ < ℵ α mit F(γ,δ) = ℵ α . Wir setzen ρ = max(γ,δ) + 1, so daß ω ≤ ρ < ℵ α(da ℵ α als Ordinalzahl eine Limeszahl ist) und (γ,δ) < g (0,ρ). Somitℵ α = F(γ,δ) < g F(0,ρ) = F[ρ × ρ],insbesondere ℵ α ≤ |ρ ×ρ|. Wegen der Minimalität von α gilt nun aber |ρ ×ρ| =|ρ| < ℵ α , Widerspruch!□Den Satz von HESSENBERG können wir nun hieraus folgern: Für unendlichesκ gilt zunächst:κ ≤ κ ⊕ κ ≤ κ ⊙ κ = κ, also κ ⊕ κ = κ ⊙ κ = κ.Es seien nun κ,λ Kardinalzahlen und etwa κ ≤ λ, λ unendlich. Dann gilt alsoλ ≤ κ ⊕ λ ≤ λ ⊕ λ = λ, also κ ⊕ λ = λ, und ebensoλ ≤ κ ⊙ λ ≤ λ ⊙ λ = λ, also κ ⊙ λ = λ für κ,λ ≠ 0.Damit vereinfacht sich die Bestimmung der Kardinalzahl unendlicher Mengenin vielen Fällen, und in Verallgemeinerung des Falles abzählbarer Mengenerhalten wir:SatzFür /0 ≠ b ≼ a, a unendlich, gilt:(i) |a ∪ b| = |a × b| = |a|,(ii) |a


97Kapitel 12Die Menge der reellen Zahlen12.1 Mengen von der Größe des KontinuumsWährend nach dem Satz von HESSENBERG Addition und Multiplikation von unendlichenKardinalzahlen trivial (nämlich das Maximum) ist, stößt man bereits beiBestimmung der einfachsten transfiniten Potenz, nämlich 2 ω , auf unlösbare Probleme.Dabei hat diese Kardinalzahl eine besondere Bedeutung als Mächtigkeitder reellen Zahlen (des Kontinuums):Satz|R| = |P(N)| = 2 ℵ 0.Beweis: Die zweite Gleichheit folgt aus der Äquivalenz der Potenzmenge einerMenge a mit der Menge der charakteristischen Funktionen von Teilmengen von a.Es gibt zahlreiche Beweise für den ersten Teil, am einfachsten ist die Beziehung|R| ≤ |P(N)|,nachzuweisen, indem man z. B. jeder reellen Zahl r die Menge {x ∈ Q | x < r} (alsopraktisch den entsprechenden DEDEKINDschen Schnitt) zuordnet und die Abzählbarkeitvon Q benutzt oder die Darstellung reeller Zahlen als Dezimalbrüche(bzw. Dualbrüche im Binärsystem). Für den Beweis der umgekehrten Beziehungstört die fehlende Eindeutigkeit der Dezimal- bzw. Binärdarstellung, was sich jedochnur auf abzählbar-viele Fälle bezieht, die wegen der Überabzählbarkeit von


12.2. DIE CANTORSCHE KONTINUUMSHYPOTHESE 98R aber keine Rolle spielen. Man kann aber auch etwa wie folgt argumentieren: Füreine Binärfolge f : N → 2 = {0,1} definieren wir eine zugeordnete reelle Zahlr f =∞2 · f (n)∑n=03 n+1 ,womit wir eine injektive Abbildung von N 2 in die reellen Zahlen erhalten unddamit auch |R| ≥ |P(N)|.□Folgerungen1. Mit |R| = 2 ℵ 0 ist auch |R n | = (2 ℵ 0) n = 2 ℵ 0, es ist sogar|R ω | = (2 ℵ 0) ℵ 0= 2 ℵ 0⊙ℵ 0= 2 ℵ 0,d. h. es gibt genau so viele abzählbare Folgen reeller Zahlen wie es reelleZahlen gibt!2. Da eine stetige reelle Funktion bereits durch ihre Werte auf den abzählbarvielenrationalen Stellen eindeutig bestimmt ist und da es mit den konstantenFunktionen mindestens so viele stetige Funktionen wie reelle Zahlengibt, so gilt:|{ f | f : R → R ∧ f stetig}| = |{ f | f : Q → R}| = (2 ℵ 0) ℵ 0= 2 ℵ 0.3. Dagegen erhalten wir höhere Mächtigkeiten, indem wir <strong>zur</strong> Potenzmengeder reellen Zahlen oder <strong>zur</strong> Menge aller reellen Funktionen übergehen:|{ f | f : R → R}| = |P(R)| = 2 2ℵ0 > 2 ℵ 0.12.2 Die Cantorsche KontinuumshypotheseWie groß ist nun 2 ℵ 0? Nach dem Satz von CANTOR ist die Menge der reellenZahlen überabzählbar, also 2 ℵ 0 ≥ ℵ + 0 = ℵ 1. DieCantorsche Kontinuumshypothese (CH) 2 ℵ 0 = ℵ 1erscheint als naheliegende, zumindest einfachste Festlegung der Größe von 2 ℵ 0.Sie ist zwar mit den Axiomen von ZF + AC verträglich (GÖDEL 1938), aber aus


12.2. DIE CANTORSCHE KONTINUUMSHYPOTHESE 99ihnen nicht beweisbar (COHEN 1963) und somit unabhängig von den Axiomenvon ZF + AC.CH besagt, daß die Mächtigkeit der reellen Zahlen nach dem Abzählbarendie nächst-größere Kardinalzahl ist. Um CH zu widerlegen, müßte man also eineMenge reeller Zahlen angeben, die überabzählbar, aber noch von Mächtigkeit


12.3. EINIGE TOPOLOGISCHE BEGRIFFE 10012.3 Einige topologische BegriffeWir haben oben bereits einige einfache topologische Begriffe metrischer Räumebenutzt und tragen die Definitionen mit einigen Ergänzungen nach:DefinitionFür reelle Zahlen ε,a mit ε > 0 und eine Menge reeller Zahlen M ⊆ R sei1. U ε (a) := {x ∈ R | a − ε < x < a + ε} die (offene) ε-Umgebung von a,2. a ist Berührpunkt von M :↔ ∀ε > 0 |U ε (a) ∩ M| > 0,3. a ist Häufungspunkt von M :↔ ∀ε > 0 |U ε (a) ∩ M| > 1,4. a ist Kondensationspunkt von M :↔ ∀ε > 0 |U ε (a) ∩ M| > ℵ 0 .Für einen Berührpunkt a einer Menge M enthält also jede Umgebung des Punktesa mindestens einen Punkt von M, insbesondere sind alle Punkte von M selbstBerührpunkte, aber auch die Endpunkte eines offenen Intervalls sind Berührpunkte.Im Falle eines Häufungspunktes muß in jeder Umgebung mindestens ein weitererPunkt von M liegen, und wenn man diese Umgebungen verkleinert, ebenfallsein weiterer, so daß in der Umgebung eines Häufungspunktes unendlich-vielePunkte von M liegen. (Punkte, die nicht Häufungspunkte sind, heißen isoliertePunkte.) Der Grenzwert 0 der Folge 1,2 1, 1 3... ist Häufungspunkt, aber kein Kondensationspunktder Menge der Folgenglieder, während Endpunkte eines IntervallsKondensationspunkte sind.5. M := {x ∈ R | x Berührpunkt von M} abgeschlossene Hülle von M,M ′ := {x ∈ R | x Häufungspunkt von M} Ableitung von M,also M = M ∪ M ′ .6. M abgeschlossen: ↔ M = M ↔ M ′ ⊆ M,M offen: ↔ R − M abgeschlossen,7. M in sich dicht: ↔ M ⊆ M ′ ,8. M perfekt: ↔ M = M ′ .


12.4. SATZ ÜBER PERFEKTE MENGEN 101Die Ableitung M ′ entsteht also aus M, indem man einerseits die isoliertenPunkte wegläßt und andererseits die Ränder von M hinzunimmt. Eine abgeschlosseneMenge enthält alle ihre Häufungspunkte, eine in sich dichte Menge hat keineisolierten Punkte. (Die rationalen Zahlen Q wie auch die Irrationalzahlen sind insich dichte Teilmengen der reellen Zahlen, aber weder offen noch abgeschlossen.)Perfekte Mengen enthalten also ihre Häufungspunkte und haben keine isoliertenPunkte, die einfachsten perfekten Mengen sind die abgeschlossenen Intervalle,während eine konvergente Folge zusammen mit ihrem Grenzwert zwarabgeschlossen, nicht aber perfekt ist.Eine weniger triviale perfekte Menge ist die CANTOR-Menge (das CANTORscheDiskontinuum), welches aus dem abgeschlossenen Einheitsintervall [0,1]entsteht, indem man jeweils die inneren offenen Drittel entfernt:C 0 = [0,1], C 1 = [0, 1/3] ∪ [2/3,1] ..., D = ⋂ n


12.4. SATZ ÜBER PERFEKTE MENGEN 102Beweis: 2 ℵ 0 ist die Mächtigkeit der Menge C = { f | f : ω → 2} aller unendlichenBinärfolgen,2


12.5. DER SATZ VON CANTOR-BENDIXSON 103BemerkungIn der Deskriptiven <strong>Mengenlehre</strong> benutzt man statt der reellen Zahlen den• BAIREschen Raum N der Folgen natürlicher Zahlen f : ω → ω oder den• CANTORraum C der unendlichen Binärfolgen, jeweils mit der Produkttopologie.Dabei ist N homöomorph zum Raum der Irrationalzahlen (als Teilraum von R), Chomöomorph zum Unterraum, der durch das CANTORsche Diskontinuum gebildetwird. Diese - und viele weitere - Räume fallen unter den Begriff des PolnischenRaumes (ein separabler und vollständiger metrischer Raum). Der obige Beweiszeigt, daß sich der CANTORraum in jeden perfekten Polnischen Raum einbettenläßt; auch der folgende Satz von CANTOR-BENDIXSON gilt für beliebige PolnischeRäume.12.5 Der Satz von Cantor-BendixsonSatz über die Anzahl isolierter PunkteFür jede Menge M ⊆ R ist die Menge R = M −M ′ der isolierten Punkte abzählbar.Beweis: Da die Menge der Paare Q × Q der Paare rationaler Zahlen abzählbarist, gibt es auch eine Abzählung I 0 ,I 1 ... der nicht-leeren offenen Intervalle mitrationalen Endpunkten. Für jedes x ∈ R seif (x) = µn ∈ N (x ∈ I n ∧ I n ∩ M = {x}).Dann ist f : R ↣ ω, also ist R abzählbar.□Die Restmenge R kann jedoch wieder isolierte Punkte besitzen, nimmt mandie isolierten Punkte von R weg, so können jetzt wiederum isolierte Punkte übrigbleiben. Wir betrachten daher nach CANTOR die Folge der Ableitungen:DefinitionM ⊆ R sei eine Menge von reellen Zahlen. Die Folge der Ableitungen von Mwird durch transfinite Rekursion definiert:M 0 = M, M α+1 = (M α ) ′ , M λ = ⋂M ξ für Limeszahlen λ.ξ


12.5. DER SATZ VON CANTOR-BENDIXSON 104LemmaFür M ⊆ R,α > 0 gilt:(i) M α ist abgeschlossen,(ii) M α ⊇ M α+1 .Somit erhalten wir eine absteigende FolgeM 1 ⊇ M 2 ⊇ ... ⊇ M α ⊇ M α+1 ....Da M eine Menge ist, die Ordinalzahlen aber eine echte Klasse bilden, mußdieser Prozeß einmal stoppen, so daß alle M α ab einem α konstant sind. Daskleinste derartige α heißt Cantor-Bendixson-Rang von M und das zugehörigeM α (das wegen M α = M α+1 = (M α ) ′ perfekt ist), der perfekte Kern von M.Man kann zeigen, daß es für jede abzählbare Ordinalzahl α eine Menge reellerZahlen mit CANTOR-BENDIXSON-Rang α gibt; umgekehrt werden wir zeigen,daß der CANTOR-BENDIXSON-Rang jeder Menge reeller Zahlen abzählbar ist.Es gibt absteigende Folgen von Mengen reeller Zahlen mit einer überabzählbarenLänge. Dagegen sind absteigende Folgen von abgeschlossenen Mengen höchstensabzählbar:LemmaEs sei (A ξ |ξ < β) eine Folge abgeschlossener Mengen mit A 0 ⊃ A 1 ⊃ ...A ξ ⊃ ....Dann ist β abzählbar.(Wir können dann auch schreiben: β < ω 1 , wobei ω 1 := {ξ | ξ abzählbar} = ℵ 1die erste überabzählbare Ordinalzahl ist).Beweis: Wir benutzen wieder eine Abzählung I 0 ,I 1 ,...I n ... aller nicht-leeren Intervallemit rationalen Endpunkten und definieren für jedes α < β eine Mengenatürlicher ZahlenN α := {n ∈ N|I n ∩ A α ≠ /0}.Damit erhalten wir eine absteigende Folge von Mengen natürlicher Zahlen:N 0 ⊃ N 1 ⊃ ...N n ⊃ ... :Für α < γ < β ist offenbar N γ ⊆ N α . Wegen A α+1 ⊂ A α gibt es ein x ∈ A α −A α+1 ,und es istN x := {n ∈ N | x ∈ I n } ⊆ N α .


12.5. DER SATZ VON CANTOR-BENDIXSON 105Wäre auch A α+1 ∩ I n ≠ /0 für alle n ∈ N x , so wäre x Häufungspunkt von A α+1und damit x ∈ A α+1 wegen der Abgeschlossenheit von A α+1 , im Widerspruch <strong>zur</strong>Wahl von x! Also muß es ein n ∈ N x ⊆ N α geben mit n ∉ N α+1 , folglich ist alsodie Folge der N α echt absteigend.Definieren wir nun für α < βg(α) = µn(n ∈ N α − N α+1 ),so erhalten wir eine injektive Abbildung g : β ↣ ω, also muß β abzählbar sein.□Satz von Cantor-BendixsonFür jede abgeschlossene Menge F ⊆ R gibt es eine eindeutige ZerlegungF = P ∪ A, P ∩ A = /0 mit(i) P ist perfekt, A ist abzählbar,(ii) P = F α für ein abzählbares α.Beweis: Wir setzenα ∗ := µα(F α = F α+1 ), P := F α∗ .Dann ist nach dem obigen Lemma α ∗ abzählbar und P offenbar perfekt. Für jedesα < α ∗ ist die Restmenge A α := F α − F α+1 der isolierten Punkte von F αabzählbar und damit auchA := ⋃α


12.6. DIE BORELSCHEN MENGEN 10612.6 Die Borelschen MengenDie rationalen wie auch die irrationalen Zahlen erfüllen CH, sind aber weder offennoch abgeschlossen, sondern gehören zu F σ - bzw. G δ -Mengen:• Eine G δ -Menge ist von der Form ⋂ n


12.6. DIE BORELSCHEN MENGEN 107Die BOREL-Mengen kann man auch als Hierarchie wie folgt erhalten:Σ 0 1 = {G | G offen},Π 0 α = {X | R − X ∈ Σ 0 α},Σ 0 α = {X | X = ⋃X i ,∀i < ω X i ∈ Π 0 ξ i,ξ i < α} für α > 1,B : = ⋃n


12.7. VERSPIELTE MENGEN 10812.7 Verspielte MengenFür eine Teilmenge A ⊆ ω ω des BAIREschen Raumes N betrachten wir das folgende2-Personen-Spiel G(A):Zwei Spieler I und II wählen abwechselnd natürliche Zahlen, wobei SpielerinI beginnt:I: a 0 a 2 a 4 a 6 . . .II: a 1 a 3 a 5 a 7 . . .Damit wird eine unendliche Folge f = (a 0 ,a 1 ,...) erzeugt; Spielerin I gewinnt,falls f ∈ A, sonst gewinnt Spieler II.Eine Strategie für I ist eine Abbildungσ : ⋃n


12.7. VERSPIELTE MENGEN 109• alle F σ -Mengen sind determiniert (WOLFE 1955),• alle G δσ -Mengen sind determiniert (DAVIS 1964),• alle BOREL-Mengen sind determiniert (MARTIN 1975),wobei das letzte Ergebnis auch unter dem Gesichtspunkt interessant ist, dass derBeweis notwendig das Ersetzungsaxiom erfordert (FRIEDMAN).MYCIELSKI und STEINHAUS haben 1962 das folgende Axiom vorgeschlagen:Axiom der Determiniertheit (AD)Folgerungen aus AD∀A ⊆ ω ω A ist determiniert.• Alle Mengen reeller Zahlen sind L-meßbar, haben die perfekte-Mengen-Eigenschaft (d. h. sie sind abzählbar oder enthalten eine perfekte Teilmenge)und erfüllen somit (CH), und es gilt das abzählbare Auswahlaxiom AC ω .Ferner ist jeder Ultrafilter in P(ω) ein Hauptfilter.• Andererseits gilt das Auswahlaxiom nicht, die reellen Zahlen können nichtwohlgeordnet werden, die Restklassen von P(ω)/I, wobei I das Ideal derendlichen Mengen {x ⊆ N | x endlich} ist, lassen sich nicht ordnen, undüberhaupt ist die Kardinalzahltheorie recht bizarr: ℵ 1 ist mit der Mächtigkeit2 ℵ 0 der reellen Zahlen nicht vergleichbar, zwischen ℵ 0 und 2 ℵ 0 gibt eskeine Mächtigkeit, zwischen 2 ℵ 0 und 2 (2ℵ 0) jedoch genau 3 Mächtigkeiten.Das Axiom AD kann somit als Alternative zum Auswahlaxiom angesehenwerden, einigen positiven Ergebnissen stehen jedoch ungewöhnliche Eigenschaftengegenüber, insbesondere in der Theorie der Kardinalzahlen und Mächtigkeiten.Problematisch ist vor allem die Widerspruchsfreiheit dieses Axioms; um 1988wurde gezeigt, daß die Widerspruchsfreiheit der Theorie ZF + DC + AD gleichwertigist mit der Widerspruchsfreiheit der Theorie ZF + AC, zu welcher die Existenzgewisser “großer” Kardinalzahlen hinzugenommen wird.


110Kapitel 13Potenzen von KardinalzahlenFür Kardinalzahlen, die ja auch zugleich Ordinalzahlen sind, sind sowohl ordinalewie kardinale Operationen definiert. Diese Unterscheidung ist besonders wichtigim Falle der Potenzen, da z. B.2 ω = ω (ordinale Potenz), während 2 ω > ω (kardinale Potenz).Im Falle der Kardinalzahlen, insbesondere in der Alephschreibweise, soll die Potenzoperationim folgenden stets die kardinale Potenz darstellen (wenn nicht anderesvermerkt wird).Aus dem Satz von HESSENBERG 11.9 folgen einige einfache Abschätzungenfür die Potenzen:Satz von BernsteinBeweis: Es ist2 ≤ κ ≤ ℵ α → 2 ℵ α= κ ℵ α= ℵ ℵ αα , d.h.β ≤ α → 2 ℵ α= ℵ ℵ αβ= ℵ ℵ αα .2 ≤ κ ≤ ℵ α → 2 ℵ α≤ κ ℵ α≤ ℵ ℵ αα ≤ (2 ℵ α) ℵ α= 2 ℵ α⊙ℵ α= 2 ℵ α,so daß hier überall die Gleichheit gelten muß.□13.1 Unendliche Summen und ProdukteMit Hilfe unendlicher Summen und Produkte werden wir eine (und praktisch dieeinzige) Ungleichheit in der Theorie der Kardinalzahlen erhalten, ausgedrückt im


13.1. UNENDLICHE SUMMEN UND PRODUKTE 111Satz von KÖNIG-JOURDAIN, aus dem sich der Satz von CANTOR 11.5 als Spezialfallergibt.Definition(κ x |x ∈ a) sei eine Folge von Kardinalzahlen. Dann heißt⊕κ x : = | ⋃ (κ x × {x})| kardinale Summe von (κ x |x ∈ a)x∈a x∈a⊗κ x : = |∏κ x | kardinales Produkt von (κ x |x ∈ a)x∈ax∈aDarin sind offensichtlich die folgenden Spezialfälle enthalten:κ ⊕ λ (endliche Summe) für a = 2,κ ⊗ λ (endliches Produkt für a = 2,κ λ = ⊗ ξ


13.1. UNENDLICHE SUMMEN UND PRODUKTE 112(iii) ∀γ < α κ γ ≤ ⊕ ξ


13.2. SATZ VON KÖNIG-JOURDAIN 11313.2 Satz von König-Jourdain(i) ∀x ∈ a (a x ≺ b x ) → ⋃ x∈a a x ≺ ∏ x∈a b x ,bzw.(ii) ∀x ∈ a (κ x < λ x ) → ⊕ x∈a κ x < ⊗ x∈a λ x .Beweis: Es seien also κ x ,λ x Kardinalzahlen mit ∀x ∈ a (κ x < λ x ). Wir setzenb := ⋃ x∈a(κ x × {x}), c := ∏x∈aλ xund müssen zeigen: b ≺ c. Da b ≼ c nach der Methode des vorausgegangenenSatzes gezeigt werden kann, müssen wir nur noch b ≁ c nachweisen, was - wiebeim Satz von CANTOR 11.5 - indirekt erfolgt:Angenommen, es wäre f : b → c. Dann wird gelten, daß f nicht surjektiv seinkann, es also ein h ∈ c gibt mit h ∉ W( f ). Nun ist aberW( f ) = { f (z) | z ∈ b} = { f (β,x) | x ∈ a ∧ β < κ x },und wir werden mittels eines Diagonalargumentes ein h finden, so daß h ∈ c, aber(∗)∀x ∈ a ∀β < κ x h(x) ≠ f (β,x)(x).Dazu bemerken wir, daß für jedes x ∈ a nach 11.6insbesondere|{ f (β,x)(x)|β < κ x }| ≤ κ x < λ x ,λ x − { f (β,x)(x) | β < κ x } ̸= /0.Das gesuchte h ∈ ∏ x∈a λ x mit der Eigenschaft (*) können wir also definieren durchBemerkungenh(x) = µγ(γ ∈ λ x − { f (β,x)(x) | β < κ x }) für x ∈ a.1. Der Beweis des Satzes von KÖNIG-JOURDAIN ( KÖNIG 1905, ZERMELO1908) benutzt das Auswahlaxiom, was unvermeidbar ist, denn für a x = 0erhalten wir aus diesem Satz:und damit das Auswahlaxiom.∀x ∈ a (0 ≺ b x ) → 0 ≺ ∏x∈ab x□


13.2. SATZ VON KÖNIG-JOURDAIN 1142. Für den Spezialfall a x = 1,b x = 2 erhält man⊕1 < ⊗ 2, d. h. |a| < |2 a |x∈a x∈aund damit den Satz von CANTOR 11.5.3. Als Korollar erhält man auch das folgende Monotoniegesetz für aufsteigendeFolgen von Kardinalzahlen:KorollarEs sei Lim(λ) ∧ ∀ξ ,η < λ (ξ < η → 0 < κ ξ < κ η ). Dann gilt:⊕Hausdorffsche Rekursionsformelξ


13.3. EINGESCHRÄNKTE POTENZMENGENOPERATIONEN 11513.3 Eingeschränkte PotenzmengenoperationenP


13.3. EINGESCHRÄNKTE POTENZMENGENOPERATIONEN 116und somit ist(∗) |{x ⊆ κ | |x| ≤ λ}| ≤ κ λ .Andererseits ist für λ ≤ κ : κ = κ ⊗ λ, und somit ist κ in λ-viele disjunkte Mengender Mächtigkeit λ zerlegbar:κ = ⋃ξ


13.4. KONFINALITÄT 11713.4 KonfinalitätIn der Reihe der ℵ´s fällt auf, daß ℵ ω ein Limes von abzählbar-vielen kleinerenKardinalzahlen ist, selbst aber nicht abzählbar ist. Die Folge der Ordinalzahlenℵ 0 ,ℵ 1 ,..., aber auch ℵ 2 ,ℵ 17 ,ℵ 35 ..., haben dasselbe Supremum ℵ ω , bilden alsoeine mit ℵ ω confinale Menge:Definitiona ⊆ α confinal in α : ↔ ⋃ a = α↔ ∀ξ < α ∃η ∈ a ξ < ηc f (λ) : = µβ ∃ f ( f : β → λ ∧ W( f ) confinal in λ)= µβ ∃ f ( f : β → λ ∧ λ = ⋃f (η))η


13.5. EIGENSCHAFTEN REGULÄRER KARDINALZAHLEN 118LemmaFür Limeszahlen λ gilt:(i) c f (λ) ist eine unendliche Kardinalzahl,(ii) c f (λ) = µβ ∃ f ( f : β → λ ∧ f monotonwachsend ∧ λ = ⋃ η


13.5. EIGENSCHAFTEN REGULÄRER KARDINALZAHLEN 119Satzℵ 0 und alle Nachfolgerkardinalzahlen ℵ α+1 sind regulär.Beweis: Annahme: δ := c f (ℵ α+1 ) < ℵ α+1 . Dann gibt es also einf : δ → ℵ α+1 mit ℵ α+1 = ⋃f (η).η


13.6. DIE WICHTIGSTEN EIGENSCHAFTEN DER POTENZ 120voraussetzt, stimmen die schwach unerreichbaren mit den (stark) unerreichbarenZahlen überein.• Für ein unerreichbares κ > ω muß gelten:κ = ℵ κ = D(ℵ)(κ) = DD(ℵ)(κ) = ...,d. h. κ ist Fixpunkt der ℵ-Funktion, Fixpunkt der Ableitung der ℵ-Funktion,Fixpunkt der Ableitung der Ableitung der ℵ-Funktion . . .Falls die <strong>Mengenlehre</strong> ZF widerspruchsfrei ist, kann man in ZFC die Existenzunerreichbarer Zahlen > ℵ 0 nicht beweisen, denn für ein derartiges κist die Menge V κ (mit der gewöhnlichen ∈-Beziehung) ein Modell von ZFC.Wir fassen zusammen:13.6 Die wichtigsten Eigenschaften der PotenzFür Kardinalzahlen κ,λ ≥ ω gelten die folgenden Beziehungen:(i) 2 κ > κ (CANTOR), sogar:(ii) c f (2 κ ) > κ und allgemeiner:(iii) c f (λ κ ) > κ und(iv) κ c f (κ) > κ.Beweis von (ii): Annahme: es gibt einf : δ → 2 κ mit δ ≤ κ ∧ 2 κ = ⋃η


13.6. DIE WICHTIGSTEN EIGENSCHAFTEN DER POTENZ 121Somit istκ ≤ ⊕ ξ κund ist F “vernünftig” definiert (z. B. nicht F(κ) = (2 κ ) + ), so existiert ein Modellvon ZFC mitF(κ) = 2 κ für alle regulären κ.Für singuläres κ ist in dem Modell 2 κ so “klein wie möglich”, im allgemeinenaber nicht so frei wählbar.Definition2


13.6. DIE WICHTIGSTEN EIGENSCHAFTEN DER POTENZ 122SatzFür jede Limeskardinalzahl κ gilt:2 κ = (2


13.6. DIE WICHTIGSTEN EIGENSCHAFTEN DER POTENZ 123Satz (GCH)ℵ ℵ βα =⎧⎪⎨ℵ α falls ℵ β < c f (ℵ α ),ℵ α+1 falls c f (ℵ α ) ≤ ℵ β ≤ ℵ α ,⎪⎩ℵ β+1 falls ℵ α ≤ ℵ β .Hinsichtlich des Wertes von 2 κ für singuläres κ gibt es noch verschiedeneEinzelresultate:• Ist ℵ λ singulär mit überabzählbarer Konfinalität, so überträgt sich die Kontinuumshypothesevon den Zahlen unterhalb von ℵ λ auf ℵ λ selbst (SILVER1974):∀β < λ 2 ℵ β= ℵ β+1 → 2 ℵ λ= ℵ λ+1 .• Ein Ergebnis von SHELAH 1989 betrifft eine singuläre Kardinalzahl vonabzählbarer Konfinalität:∀n < ω 2 ℵ n< ℵ ω → 2 ℵ ω< ℵ ℵ4 .• Schließlich gilt nach PATEI folgendes interessante Ergebnis:∀α 2 ℵ α= ℵ α+γ für ein festes γ → γ < ω.


124Teil VReflexionen über Mengen


125Kapitel 14Partielle Reflexion14.1 Die Levy-Hierarchie der mengentheoretischen FormelnAm Anfang hatten wir bereits beschränkte Quantoren ∀x ∈ a, ∃x ∈ a eingeführtals Abkürzungen:∀x ∈ aϕ steht für ∀x(x ∈ a → ϕ),∃x ∈ aϕ steht für ∃x(x ∈ a ∧ ϕ).Im Folgenden betrachten wir nur Formeln der engeren ZF-Sprache, also ohneKlassenterme (die sich ja notfalls eliminieren lassen). Diese Formeln werden nachA. LEVY 1965 gemäß ihrer Komplexität klassifiziert:Definitionϕ ist ∆ 0 -Formel: ⇐⇒ ϕ enthält höchstens beschränkte Quantorenϕ ist Σ 1 -Formel: ⇐⇒ ϕ = ∃x 1 ...∃x m ψ für eine ∆ 0 -Formel ψϕ ist Π 1 -Formel: ⇐⇒ ϕ = ∀x 1 ...∀x m ψ für eine ∆ 0 -Formel ψAllgemeiner gilt (mit ∆ 0 = Σ 0 = Π 0 ):Σ n+1 -Formeln sind von der Form ∃x 1 ...∃x m ψ für eine Π n -Formel ψ,Π n+1 -Formeln sind von der Form ∀x 1 ...∀x m ψ für eine Σ n -Formel ψ.


14.1. DIE LEVY-HIERARCHIE DER MENGENTHEORETISCHEN FORMELN 126Zur Vereinfachung werden wir auch endliche Variablenfolgen mit überstrichenenVariablen bezeichnen:∃x steht für ∃x 1 ...∃x m ,x ∈ a steht für x 1 ∈ a ∧ ... ∧ x m ∈ a,∃x ∈ a steht für ∃x 1 ∈ a...∃x m ∈ a,und entsprechend für den ∀-Quantor.Die obige Klassifizierung gilt nur für pränexe Formeln (in welchen alle - zumindestdie unbeschränkten - Quantoren am Anfang der Formel stehen), aber mankann leicht jede mengentheoretische Formel zu einer logisch äquivalenten pränexenFormel umformen. Daher werden wir Formeln, die logisch äquivalent sind,bei dieser Klassifizierung nicht unterscheiden (eine Σ 3 -Formel ist damit dann aucheine Π 17 -Formel). Gelegentlich zieht man aber <strong>zur</strong> Umformung auch mengentheoretischeAxiome heran; ist T eine Theorie, also bestimmt durch ihre Axiome,so sei auchΣ T n die Menge aller Formeln, die in T äquivalent sind zu einer Σ n -Formel,Π T n die Menge aller Formeln, die in T äquivalent sind zu einer Π n -Formel,und ∆ T n := Σ T n ∩ Π T n , d. h. eine ∆ T n- Formel ist in v äquivalent sowohl zu einer Σ n -wie auch zu einer Π n -Formel.Bemerkungen und Beispiele1. Unter Voraussetzung des Paarmengenaxioms können mehrere gleichartigeQuantoren zusammengezogen werden:∃x∃yϕ ↔ ∃z∃x ∈ z∃y ∈ zϕund ähnlich für ∀-Quantoren. Somit kann man Σ 1 -Formeln auch charakterisierenals Formeln, die mit nur einem ∃-Quantor beginnen und dann nurnoch beschränkte Quantoren enthalten.2. Wegen∃x ∈ ⋃ a... ↔ ∃y ∈ a∃x ∈ a...können auch ∃x ∈ ⋃ a,∃x ∈ ⋃⋃ a,∀x ∈ ⋃ a... als beschränkte Quantorenaufgefaßt werden, nicht aber ∃x ∈ P(a)!


14.2. RELATIVIERUNG 1273. Die wichtigsten elementaren mengentheoretischen Begriffe (BOOLEscheAlgebra, Relationen- und Funktionenkalkül, Ordinalzahltheorie) sind ∆ 0 -oder zumindest ∆ Paar0 -Formeln:a = b, a = /0, a ⊆ b, a = b ∩ c, a = b ∪ c, a = ⋂ b, a = ⋃ b,a = {b,c}, a = (b,c), Rel(r), a = D( f ), b = W( f ),Fkt( f ), f : a → b, c = a × b,< lineare Ordnung auf a,...Ord(a), Lim(a), N f (a),a ∈ ω ...4. Dagegen führen die Potenzmengenoperation sowie kardinale Begriffe meistenszu komplizierteren Formeln:Σ 1 -Formeln sind:∃x(x = ω), a ∼ b, a ist abzählbar,Π 1 -Formeln sind: a = P(b), Card(a),< Wohlordnung auf a.∃x(x = ω) ist natürlich in ZF beweisbar, aber die übrigen Formeln lassensich selbst in ZFC nicht in ∆ 0 -Formeln umformen!14.2 RelativierungDie Formel ϕ a entsteht aus ϕ, indem man jeden Quantor Qx in der Formel ϕdurch den beschränkten Quantor Qx ∈ a ersetzt. (Dabei ist darauf zu achten, daßgegebenenfalls definierte Begriffe bzw. Abkürzungen durch die ursprünglichenAusdrücke der formalen ZF-Sprache zu ersetzen sind!) Wir lesenϕ a als: ϕ relativiert nach a.Liest man ϕ als eine Aussage über den Bereich aller Mengen, so ist ϕ a dieentsprechende Aussage über die Elemente von a. Die Bedeutung der ∆ 0 -Formelnliegt darin, daß sie für transitive Mengen a in beiden Fällen dasselbe besagen(absolut sind):Satz(i) (Absolutheit von ∆ 0 -Formeln): Ist ϕ(a) eine ∆ 0 -Formel, so gilt:trans(a) ∧ a ∈ a → [ϕ(a) ↔ ϕ a (a)],


14.3. DIE THEORIE KP VON KRIPKE-PLATEK 128(ii) (Aufwärts-Absolutheit von Σ 1 -Formeln): Ist ϕ(a) eine Σ 1 -Formel, so gilt:trans(a) ∧ a ∈ a → [ϕ a (a) → ϕ(a)],(iii) (Abwärts-Absolutheit von Π 1 -Formeln): Ist ϕ(a) eine Π 1 -Formel, so gilt:trans(a) ∧ a ∈ a → [ϕ(a) → ϕ a (a)],(iv) (Absolutheit von ∆ 1 -Formeln): Ist ϕ(a) eine ∆ 1 -Formel, so gilt:trans(a) ∧ a ∈ a → [ϕ(a) ↔ ϕ a (a)].14.3 Die Theorie KP von Kripke-PlatekDiese Theorie wurde von S.A. KRIPKE und R.A. PLATEK entwickelt als mengentheoretischeGrundlage für eine verallgemeinerte Rekursionstheorie und besitztfolgende Axiome:Extensionalitätsaxiom (Ext) ∀x(x ∈ a ↔ x ∈ b) → a = bPaarmengenaxiom (Paar) ∃y∀x(x ∈ y ↔ x = a ∨ x = b)Summenaxiom (Sum) ∃y∀z(z ∈ y ↔ ∃x ∈ a z ∈ x)∆ 0 -Aussonderung (∆ 0 -AusS) ∃y∀z(z ∈ y ↔ x ∈ a ∧ ϕ(x))∆ 0 -Collection (∆ 0 -CollS) ∀x∃yϕ(x,y) → ∃z∀x ∈ a∃y ∈ zϕ(x,y)Fundierungsschema (FundS) ∃xϕ(x) → ∃x(ϕ(x) ∧ ∀y ∈ x¬ϕ(y))Dabei soll in den ∆ 0 -Schemata die Formel ϕ jeweils eine beliebige ∆ 0 -Formelsein (im Fundierungsschema dagegen eine beliebige Formel).LemmaFolgende Mengen existieren in KP und sind (wegen Ext) eindeutig bestimmt:/0, a ∩ b, a ∪ b, ⋃ a, {a,b}, (a,b), a × b.Beweis: Interessant (und nicht-trivial) ist nur die Existenz von a × b:Es sei x ∈ a. Dann gilt ∀y ∈ b ∃w w = (x,y), also existiert nach ∆ 0 -CollS einu mit∀y ∈ b∃w ∈ u w = (x,y),


14.3. DIE THEORIE KP VON KRIPKE-PLATEK 129d. h. wir haben gezeigt∀x ∈ a∃u∀y ∈ b ∃w ∈ u w = (x,y).Somit existiert wiederum nach ∆ 0 -CollS ein c mit∀x ∈ a∃u ∈ c ∀y ∈ b ∃w ∈ u w = (x,y).Setzen wir nun d := ⋃ c, so erhalten wir:∀x ∈ a∀y ∈ b (x,y) ∈ dund somit a × b ⊆ d. Nun brauchen wir nur noch das ∆ 0 -AusS anzuwenden.□Flexibler als der Begriff der Σ 1 -Formel ist der Begriff der Σ-Formel:DefinitionDie Klasse der Σ-Formeln ist die kleinste Klasse aller Formeln, welche die ∆ 0 -Formeln enthält und abgeschlossen ist unter ∨,∧,∀x ∈ a,∃x ∈ a sowie unter ∃.Π-Formeln sind ähnlich definiert, ∆ T := Σ T ∩ Π T .Somit ist jede Σ 1 -Formel auch eine Σ-Formel, aber z. B. ist für eine ∆ 0 -Formelϕ∀x ∈ a ∃y ∀u ∈ y ϕeine Σ-Formel, aber keine Σ 1 -Formel. Da man im ∆ 0 -AusS offenbar “→” durch“↔” ersetzen kann, ist in KP jede Σ-Formel äquivalent zu einer Σ 1 -Formel.BemerkungenMengen, die durch eine ∆- (bzw. Σ-Formel) definierbar sind, entsprechen denrekursiven (bzw. rekursiv-aufzählbaren) Mengen natürlicher Zahlen. Tatsächlichist die Theorie KP der zulässigen Mengen entwickelt worden, um eine geeignete(mengentheoretische) Verallgemeinerung dieser Begriffe von den Zahlen aufgrößere Bereiche zu erhalten.In KP läßt sich das ∆ 0 -AusS verallgemeinern zum ∆-AusS, das ∆ 0 -CollSzum ∆-CollS, und es gilt ein Ersetzungsaxiom sowie ein Rekursionssatz für Σ-Funktionen. Zu diesen Funktionen, die - wie die rekursiven Funktionen der Zahlentheorie- sehr gute Abschlußeigenschaften besitzen, gehören insbesondere alsodie arithmetischen Operationen auf den Ordinalzahlen. Man kann daher KP auchals eine “effektive” <strong>Mengenlehre</strong> auffassen. Transitive Mengen A, die (mit dergewöhnlichen ∈-Beziehung) ein Modell von KP bilden, heißen zulässige Mengen(admissible sets); die kleinste zulässige Menge ist HF = V ω .


14.4. PARTIELLE REFLEXIONSPRINZIPIEN 13014.4 Partielle ReflexionsprinzipienWir gehen aus von der folgenden Basistheorie S 0 mit den AxiomenExtensionalitätsaxiom (Ext) ∀x(x ∈ a ↔ x ∈ b) → a = b∆ 0 -Aussonderung (∆ 0 -AusS) ∃y∀z(z ∈ y ↔ x ∈ a ∧ ϕ(x))(ϕ ∆ 0 -Formel)Fundierungsaxiom (Fund) a ≠ /0 → ∃x x ∩ a = /0Hinzunehmen werden wir die folgenden partiellen ReflexionsprinzipienPR trans ϕ(a) → ∃u[trans(u) ∧ a ∈ u ∧ ϕ u (a)] bzw.PR strans ϕ(a) → ∃u[strans(u) ∧ a ∈ u ∧ ϕ u (a)],wobeistrans(a) :↔ trans(a) ∧ ∀y(y ⊆ x ∈ a → y ∈ a)stark transitiv.Diese Axiome besagen, daß jede Eigenschaft, die im Bereich aller Mengengilt, auch im Bereich einer geeigneten Menge gilt. Es seienT 1 := S 0 + PR trans ,T 2 := S 0 + PR stransdie so entstehenden Theorien.Satz(i) In T 1 sind die Axiome Null,Paar,Sum,Un,FundS beweisbar,(ii) in T 2 gilt zusätzlich das Potenzmengenaxiom Pot.Beweis: Das Nullmengenaxiom folgt aus dem ∆ 0 -AusS, für das Paarmengenaxiomwähle in PR trans die Formelϕ(a,b) :↔ a = a ∧ b = b,woraus die Existenz einer Menge u mit a,b ∈ u folgt. {a,b} ist dann also eineMenge nach dem ∆ 0 -AusS. Ebenso liefert PR trans für jede Menge a eine transitiveMenge u mit a ∈ u, also auch ⋃ a ⊆ u, und wir brauchen nur noch ∆ 0 -AusSanzuwenden, um das Summenaxiom zu erhalten.


14.4. PARTIELLE REFLEXIONSPRINZIPIEN 131Somit ist beweisbar:∃u(u = /0) ∧ ∀x∃y(y = x ∪ {x}).Eine Anwendung von PR trans ergibt die Existenz einer transitiven Menge u mit[∃x(x = /0) ∧ ∀x∃y (y = x ∪ {x})] u , alsoda x = /0 und x ∪ {x} ∆ 0 -Formeln sind./0 ∈ u ∧ ∀x ∈ u∃y ∈ u (x ∪ {x} ∈ u),Zum Beweis des Fundierungsschemas nehmen wir an, daßϕ(a) ∧ ∀x(ϕ(x) → ∃y ∈ x ϕ(y)).Das Reflexionsprinzip liefert dann die Existenz einer transitiven Menge u (mit denParametern von ϕ als Elementen von u und)a ∈ u ∧ ϕ u (a) ∧ (∀x(ϕ(x) → ∃y ∈ x ϕ(y)) u , alsoa ∈ u ∧ ϕ u (a) ∧ ∀x ∈ u(ϕ u (x) → ∃y ∈ x ϕ u (y)).Setzen wir c := {x ∈ u | ϕ u (x)}, so ist dieses eine Menge nach ∆ 0 -AusS, welchedem Fundierungsaxiom widerspricht.Potenzmengenaxiom: Falls für jede Menge a eine stark transitive Menge uexistiert mit a ∈ u, so haben wir die Abschätzung P(a) ⊆ u.□Somit ist die Theorie T 1 eine Erweiterung von KP, und zwar eine echte Erweiterung,da das Unendlichkeitsaxiom in KP nicht beweisbar ist.


132Kapitel 15Vollständige Reflexion15.1 Vollständige ReflexionsprinzipienUm auch das volle FRAENKELsche Ersetzungsaxiom zu erhalten, verstärken wirdie Schemata der partiellen Reflexion zu entsprechenden vollständigen Reflexionsprinzipien(complete reflection):CR trans ∃u [trans(u) ∧ a ∈ u ∧ ∀x ∈ u (ϕ(x) ↔ ϕ u (x))] bzw.CR strans ∃u [strans(u) ∧ a ∈ u ∧ ∀x ∈ u (ϕ(x) ↔ ϕ u (x))].Es seienT 3 := S 0 + CR trans ,T 4 := S 0 + CR stransdie so entstehenden Theorien, die offenbar T 1 bzw. T 2 erweitern; während in T 2das Potenzmengenaxiom gilt, läßt sich in T 3 das Ersetzungsaxiom beweisen (abernicht umgekehrt), während T 4 sich als eine neue Axiomatisierung von ZF herausstellt:T 1❝T 2 ⊢ Pot❅ ❅❅❅❅❘❝ ✠❅❅❅❅❅❘✠❝T 4 = ZF❝ T 3 ⊢ ErsS


15.1. VOLLSTÄNDIGE REFLEXIONSPRINZIPIEN 133SatzIn T 3 läßt sich CR trans verstärken <strong>zur</strong> simultanen Anwendung auf endlich-vieleFormeln (und ebenso CR strans in T 4 ):∃u [trans(u) ∧ a ∈ u ∧ ∀x ∈ u ∧(ϕ i (x) ↔ ϕi u (x))](wobei wir der Einfachheit annehmen, daß alle Formeln ϕ i dieselben freie Variablenfolgex enthalten).i


15.2. REFLEXION ÜBER KLASSEN 134Bemerkungen1. Die vollständigen Reflexionsprinzipien lassen sich etwas vereinfachen, indemman a ∈ u durch die Bedingung a ∈ u ersetzt; allerdings ist es dannziemlich aufwendig, das Paarmengenaxiom abzuleiten: Man benutzt dazudie Verallgemeinerung auf endlich-viele Formeln (deswegen wurden dortdie Zahlen nach ZERMELO benutzt, welche man mit dem Einermengenaxiomallein darstellen kann), zeigt etwas aufwendiger das Ersetzungsaxiomund erhält dann erst das Paarmengenaxiom mittels Existenz einer einzigen2-elementigen Menge, auf welche sich alle 2-elementigen Paare abbildenlassen.2. Besonders einfach läßt sich mit den Reflexionsprinzipien die Existenz dertransitiven Hülle sowie (im Falle der vollständigen Reflexion) die Existenzvon Mengen beweisen, die unter einer gegebenen Funktion abgeschlossensind (und damit auch z. B. die Existenz von Fixpunkten).3. Die Theorien T 1 −T 4 sind nicht endlich-axiomatisierbar. Denn sonst könnteman sie durch einen einzigen Satz σ = ∧ i=1,...,n σ i axiomatisieren. DieAnwendung des Reflexionsprinzips auf diesen Satz ergäbe aber die Existenzeines (transitiven) Modells, was dem 2. GÖDELschen Unvollständigkeitssatzwiderspricht. (Im Falle von T 4 kann man auch direkter zu einemWiderspruch gelangen.)15.2 Reflexion über KlassenVollständige Reflexion über Mengen läßt sich in partielle Reflexion leicht einbauen,wenn man (nach P. BERNAYS) eine Sprache mit Klassen benutzt: Wir erlaubenjetzt auch mengentheoretische Formeln mit Klassen A,B... (als freie Klassenvariableoder auch nur wie früher als Metavariable für Klassenterme) und formulierenhierfür die folgenden Axiomenschemata:PRC trans ϕ(a,A) → ∃u[trans(u) ∧ a ∈ u ∧ ϕ u (a,A ∩ u)] bzw.PRC strans ϕ(a,A) → ∃u[strans(u) ∧ a ∈ u ∧ ϕ u (a,A ∩ u)].SatzS 0 + PRC trans ⊢ CR trans


15.2. REFLEXION ÜBER KLASSEN 135(und ebenso mit strans statt trans).Beweis: ϕ(a) sei eine Formel (ohne Klassenterme) wie in CR trans . Da wir dasPaarmengenaxiom wie früher erhalten, können wir die zugehörige Klasse der n-TupelA = {(x) | ϕ(x)}bilden und das Reflexionsprinzip auf die Formel∀x,y∃z (z = (x,y)) ∧ ∃x(x = (a)) ∧ ∀x(ϕ(x) ↔ (x) ∈ A)anwenden. Dann erhalten wir eine transitive Menge u, die unter Paarmengenbildungabgeschlossen ist, mit a ∈ u undSatz∀x ∈ u (ϕ u (x) ↔ (x) ∈ A ∩ u), also∀x ∈ u(ϕ u (x) ↔ ϕ u (x)).Das Ersetzungsaxiom erhält man ebenso leicht:S 0 + PRC trans ⊢ ErsSBeweis: Es sei Fkt(F) ∧ a = D(F). Dann gilt also∀x ∈ a∃y(x,y) ∈ F.Anwendung der Reflexion auf diese Formel ϕ(a,F) ergibt die Existenz einerMenge u mit a ⊆ u und∀x ∈ a∃y ∈ u (x,y) ∈ F ∩ u,und somit W(F) ⊆ u. Nun ist also W(F) eine Menge nach dem Aussonderungsschema(welches aufgrund des vorhergehenden Satzes gilt bzw. nach derselbenMethode bewiesen werden kann.□Eine interessante Eigenschaft der Reflexionsprinzipien ist ihre “Selbstverstärkung”:Hat man eine Aussage σ bewiesen, so gilt sie in bereits einer transitiven□


15.3. HIERARCHIESÄTZE IN ZF 136Menge u, welche also in Bezug auf die Eigenschaft σ ähnlich wie V ist. Die Tatsache,daß (beliebig große) Reflexionsmengen für σ existieren, ist eine neue Eigenschaftσ 1 des Universums V , die man wiederum in sehr vielen Mengen spiegelnkann . . .P. BERNAYS hat gezeigt 1 , daß partielle Reflexionsprinzipien für Formeln mitgebundenen Klassenvariablen sehr starke Folgerungen erlauben. Insbesondere lassensie sich so verstärken, daß die Existenz sehr vieler Reflexionsmengen derForm V α mit unerreichbarem α gefordert wird.15.3 Hierarchiesätze in ZFWir wollen nun umgekehrt in der Theorie ZF ein Reflexionsprinzip in der Form∃α [a ∈ V α ∧ ∀x ∈ V α (ϕ(x) ↔ ϕ V α(x))]beweisen. Tatsächlich gilt dies Ergebnis allgemeinen für viele Hierarchien:DefinitionEine Folge von Mengen (M α |α ∈ On) heißt kumulative und stetige Hierarchiegdw.(H1) ∀α Mg(M α ),(H2) ∀α,β(α < β → M α ⊆ M β ) kumulativ,(H3) ∀λ(Lim(λ) → M λ = ⋃ ξ


15.3. HIERARCHIESÄTZE IN ZF 13715.3.1 Hauptsatz über kumulative und stetige Hierarchien(M α |α ∈ On) sei eine kumulative und stetige Hierarchie von Mengen mit M =⋃α∈On M α . Dann gibt es zu jeder ZF-Formel (im engeren Sinne) ϕ(a) mit denangegebenen freien Variablen eine Normalfunktion F mitF(α) = α → ∀x ∈ M α (ϕ M α(x) ↔ ϕ M (x)).Beweis durch Induktion über den Formelaufbau von ϕ. Dabei können wir uns aufden Fall ϕ = ∃y ψ beschränken. Nach Induktionsvoraussetzung gibt es also eineNormalfunktion G mitG(α) = α → ∀x,y ∈ M α (ψ M α(x,y) ↔ ψ M (x,y)).Wir definieren eine Funktion H durchH(α) = µβ(α < β ∧ ∀x ∈ M α (∃y ∈ M ψ M (x,y) → ∃y ∈ M β ψ M (x,y))und weiterhin durch transfinite Rekursion eine Normalfunktion F mitF(0) = 0,F(α + 1) = H(F(α)),F(λ) = ⋃F(ξ )ξ


15.3. HIERARCHIESÄTZE IN ZF 138Insbesondere sind die Reflexionsprinzipien CR strans und PRC strans in ZF beweisbar.Wie aus dem Beweis ersichtlich (oder mit der früheren Methode der Kodierungendlich-vieler Formeln durch eine einzige) lassen sich die Reflexionsprinzipienauf den Fall der simultanen Reflexion für endlich-viele Formeln verstärken.Kann man aus ihnen auch ein Reflexionsprinzip für alle Formeln (simultan) erhalten,so daß man eine Ordinalzahl α erhält, die∀x ∈ M α (ϕ M α(x) ↔ ϕ M (x))für alle Formeln ϕ erfüllt? In ZF ist dieses nicht mehr beweisbar (außer ZF istwiderspruchsvoll), aber wenn ZF widerspruchsfrei ist, so auch die Erweiterungzu einer Theorie mit einer zusätzlichen Konstanten α 0 , dem Axiom Ord(α 0 ) unddem Schema∀x ∈ V α0 (ϕ V α 0 (x) ↔ ϕ(x)),wobei ϕ eine beliebige ZF-Formel (ohne die Konstante α 0 ) ist. (Denn ein Beweiseines Widerspruches würde nur endlich-viele Fälle des obigen Schemas benutzen,die aber dann in ZF bereits beweisbar sind.) Im Falle einer Menge M haben wiraber einen Ersatz in der Form eines Satzes von LÖWENHEIM-SKOLEM-TARSKI,den wir hier nur in einer einfachen Form benötigen:15.3.3 Satz von Löwenheim-SkolemEs sei b ⊆ a. Dann existiert ein b 0 mit b ⊆ b 0 ⊆ a, so daß für alle Formeln ϕ gilt:∀x ∈ b 0 (ϕ b 0(x) ↔ ϕ a (x))wofür man auch (b 0 ,∈) ≼ (a,∈) schreibt. Außerdem kann für unendliches b dieMenge b 0 so gewählt werden, daß |b 0 | = |b| ist.Beweis: Wir benötigen das Auswahlaxiom oder (für die spätere Anwendung ausreichend)eine Wohlordnung von a. Damit kann man Funktionen f für jede Formelder Form ∃yψ(y,x) definieren, so daß für alle x ∈ af (x) = y für ein y ∈ a mit ψ a (y,x),falls ein solches existiert (ein beliebiges Element von a sonst). b 0 ist dann derAbschluß von b unter diesen (abzählbar-vielen) Funktionen.□


139Teil VIDefinierbare Mengen


140Kapitel 16Innere Modelle16.1 DefinierbarkeitAlle konkreten Beispiele von Mengen sind definierbar: Die leere Menge /0, dieMenge der natürlichen Zahlen ω, die Teilmenge der Primzahlen, die Menge allerstetigen reellen Funktionen, die Zahlen √ 2, e, π die Kardinalzahlen ℵ 1 ,ℵ ω , diekleinste unerreichbare Zahl (sofern sie existiert), usw. Wir wollen eine Mengedefinierbar nennen gdw sie die einzige Menge ist, die eine Formel ϕ(v) erfüllt:ϕ(a) ∧ ∃!x ϕ(x),und eine Klasse A ist definierbar gdw es eine Formel ϕ(v) gibt mitA = {x | ϕ(x)}.(Eine Menge a ist dann auch als Klasse definierbar.)Kann man den Begriff der definierbaren Menge definieren und damit etwa dieMenge der definierbaren Mengen definieren? Da es nur abzählbar-viele Formelngibt, kann es auch nur abzählbar-viele definierbare Mengen geben, insbesonderenur abzählbar-viele Ordinalzahlen, und da die Klasse der Ordinalzahlen nichtabzählbar ist, muß es also eine kleinste nicht-definierbare Ordinalzahl geben - diewir aber gerade definiert haben! Diesen Widerspruch kann man positiv wenden:MetatheoremJede definierbare Klasse mit definierbarer Wohlordnung ist enthalten in jeder definierbarenKlasse, die alle definierbaren Mengen enthält.


16.1. DEFINIERBARKEIT 141Es läßt sich nun zeigen 1 , daß tatsächlich eine Klasse OD existiert mit(i) OD ist eine definierbare Klasse mit einer definierbaren Wohlordnung und(ii) OD ist eine definierbare Klasse, welche alle definierbaren Mengen enthältund dadurch ist sie dann eindeutig bestimmt als• OD = die größte definierbare Klasse mit definierbarer Wohlordnung und• OD = die kleinste definierbare Klasse, welche alle definierbaren Mengenenthält.Da On eine definierbare Klasse mit definierbarer Wohlordnung ist, muß ODalle Ordinalzahlen enthalten und damit auch alle V α sowie alle damit definierbarenMengen. Das Problem besteht darin, eine mengentheoretische Definition von ODzu finden. Während der allgemeine Definierbarkeitsbegriff nicht definierbar seinkann (wegen des oben aufgezeigten Widerspruchs), werden wir jedoch zeigen,daß man den Begriff relativ zu einer Menge formalisieren kann. Insbesonderekann man die Menge der in V α definierbaren Elemente definieren; wir bezeichnensie mitD f (V α ) = {x ∈ V α | “x ist in V α definierbar”}und erhalten damit die Klasse der ordinalzahl-definierbaren MengenOD := {x | ∃α x ∈ D f (V α )}.Man kann nun zeigen, daß OD die gewünschten Eigenschaften besitzt. Außerdemgilt:MetatheoremDie Theorie ZF + V = OD ist die schwächste Erweiterung von ZF zu einer Theoriemit der Auswahleigenschaft:jede nicht-leere definierbare Klasse besitzt ein definierbares Element.Elemente von definierbaren Mengen brauchen nicht definierbar zu sein (R isteine definierbare Menge, hat aber überabzählbar-viele Elemente). Man geht daherüber zu der Klasse der erblich-ordinalzahl-definierbaren MengenHOD := {x | TC({x}) ⊆ OD}.1 Myhill-Scott: Ordinal definability. Proc. Symposia in Pure Math., AMS XIII,1 (1971), pp.271-278


16.2. RELATIVE KONSISTENZBEWEISE 142Es ist dannHOD = {x | x ∈ OD ∧ TC(x) ⊆ OD} = {x | x ∈ OD ∧ x ⊆ HOD}.Ferner gilt:• trans(HOD) ∧ HOD ⊆ OD,• OD = HOD ↔ V = HOD ↔ V = OD.Außerdem läßt sich zeigen, daß HOD ein Modell von ZF + AC ist; somit ist dieseTheorie widerspruchsfrei, sofern ZF widerspruchsfrei ist. Wir werden im folgendenjedoch für diese Ergebnisse das GÖDELsche Modell L der konstruktiblenMengen benutzen.16.2 Relative KonsistenzbeweiseDie Widerspruchsfreiheit einer Theorie T weist man gewöhnlich nach, indem maneinen Grundbereich für die Objekte der Theorie und darauf erklärte Relationenund Funktionen angibt, so daß die Axiome der Theorie T gültig sind, also einModell der Theorie aufzeigt. (Man denke etwa an die algebraische Theorie derGruppen oder Körper, oder an die (nicht-)Euklidische Geometrie). Im Falle einermengentheoretischen Theorie T fällt nun auf, daß man ein Modell für eine solcheTheorie über Mengen selbst in einem mengentheoretischen Rahmen, also mitgewissen mengentheoretischen Voraussetzungen angeben muß. Somit können wirnur relative Konsistenzbeweise etwa der FormIst die Theorie ZF widerspruchsfrei, so auch die erweiterte Theorie ZF + ACführen. Tatsächlich besagt der 2. GÖDELsche Unvollständigkeitssatz, daß mandie absolute Widerspruchsfreiheit (Konsistenz) einer genügend ausdrucksstarkenTheorie (wie der Zahlentheorie, aber auch der ZF-<strong>Mengenlehre</strong>) nicht überzeugendnachweisen kann.Eine weitere Besonderheit einiger relativen Konsistenzbeweise liegt darin, daßman hierfür nicht Mengen, sondern echte Klassen benutzt. Insbesondere für denNachweis der oben erwähnten relativen Konsistenz werden wir Klassen von definierbarenMengen einführen, so daß die zusätzlich gewünschten Eigenschaften(Auswahlaxiom, Kontinuumshypothese) gültig sind, wenn man den Bereich allerMengen auf diese Klassen einschränkt, die Elementbeziehung aber unverändert


16.2. RELATIVE KONSISTENZBEWEISE 143läßt. Die Gültigkeit einer mengentheoretischen Aussage σ bei Einschränkung aufden Bereich M läßt sich dann einfach durch die Relativierung nach M ausdrücken:σ M ,welches wie im Falle einer Menge so erklärt ist, daß man alle Quantoren der Form∃x bzw. ∀y in σ durch die relativierten Quantoren ∃x ∈ M bzw. ∀y ∈ M ersetzt.Aus der mathematischen Logik werden wir die BezeichnungsweiseT ⊢ ϕϕ ist beweisbar in (bzw. folgt aus) Tübernehmen, ohne sie hier genauer zu präzisieren. Die Widerspruchsfreiheit einerTheorie T bedeutet dann, daß T ⊢ σ und T ⊢ ¬σ für keine Aussage σ zugleichgelten, und dies ist (wie in der Mathematischen Logik gezeigt wird) gleichbedeutenddamit, daß T ein Modell besitzt.Eine Klasse M heißt eine Interpretation von S in T gdw. man in T beweisenkann, daß M ein Modell von S ist:T ⊢ σ Mfür alle Axiome σ von S(und außerdem nachweisen kann, daß M nicht-leer ist: T ⊢ M ≠ /0).16.2.1 Satz über InterpretationenS und T seien Theorien in der mengentheoretischen Sprache, M eine Interpretationvon S in T. Dann gilt:Ist T widerspruchsfrei, so auch S .Beweis: Wäre S widerspruchsvoll, so gäbe es einen Beweis einer Aussage derForm σ ∧ ¬σ aus den Axiomen von S. Da ein Beweis endlich ist, können auchnur endlich-viele Axiome von S, etwa σ 1 ,...,σ n benutzt worden sein, so daß also⊢ σ 1 ∧ ... ∧ σ n → σ ∧ ¬σnur mit logischen Argumenten beweisbar wäre. Logische Folgerungen gelten jedochin allen (nicht-leeren) Bereichen, insbesondere, wenn sie nach M relativiertwerden:⊢ (σ 1 ∧ ... ∧ σ n ) M → (σ ∧ ¬σ) M .Da nach Voraussetzung aber M eine Interpretation von S in T ist, gelten die Voraussetzungenin T, alsoT ⊢ (σ ∧ ¬σ) M .und damit haben wir einen Widerspruch in der Theorie T (der Form σ M ∧ ¬σ M ).□


16.3. GÖDELISIERUNG 144Beispiele1. ZF 0 sei die Theorie ZF, aber ohne das Fundierungsaxiom. In ZF 0 müssenwir den Ordinalzahlbegriff mit dem Zusatz fund(a) definieren, dann geltendie früheren Ergebnisse über transfinite Induktion und Rekursion in ZF 0 .Bildet man die Klasse N = ⋃ α∈OnV α , so ist N eine Interpretation von ZF inZF 0 . Also gilt: Ist ZF 0 widerspruchsfrei, so auch ZF.2. Mit ähnlichen Methoden kann man (nach FRAENKEL-MOSTOWSKI-SPEK-KER) auch die Unabhängigkeit des Fundierungsaxioms beweisen. Dazu benutztman allerdings Nicht-Standard-Interpretationen, indem man für eineBijektion F : V ↔ V eine neue Elementbeziehungx ∈ F y :↔ x ∈ F(y)definiert. Das entsprechende Permutationsmodell (V,∈ F ) ist nun eine Interpretationvon ZF 0 in ZF 0 (statt der Relativierung einer Formel ϕ bildet manjetzt die Formel ϕ F , indem man überall ∈ durch ∈ F ersetzt). Für geeignetesF erhält man dann eine Interpretation von ZF 0 + ¬Fund in ZF 0 , also auchdie Aussage: Ist ZF 0 widerspruchsfrei, so auch ZF 0 + ¬Fund.3. Es sei V ω = HF die Menge der Mengen von endlichem Rang (erblichendlicheMengen). In ZF kann man dann beweisen, daß alle Axiome von ZF- bis auf das Unendlichkeitsaxiom Un - relativiert nach HF gelten, währendUn in HF nicht gilt. Somit ist HF eine Interpretation von (ZF−Un)+¬Unin ZF. Insbesondere ist das Unendlichkeitsaxiom aus den übrigen Axiomenvon ZF nicht beweisbar, falls ZF widerspruchsfrei ist.4. Das wichtigste Beispiel einer Interpretation ist die Klasse L der konstruktiblenMengen, welche eine Interpretation von ZF + AC + GCH in ZF ergibt.16.3 GödelisierungEine Menge b ist in a definierbar, wenn sie von der Formb = {z ∈ a | ϕ a (z,a 0 ,...,a n )}ist, wobei ϕ eine mengentheoretische Formel ist und und endlich-viele Elementea 0 ,...,a n ∈ a als Parameter auftreten dürfen.


16.3. GÖDELISIERUNG 145Um die Menge aller definierbaren Teilmengen bilden zu können, müssen wirdiesen Begriff in der mengentheoretischen Sprache aufschreiben; insbesonderemüssen wir die Forderung “für eine mengentheoretische Formel ϕ” durch einemengentheoretische Existenzformel ausdrücken. Dazu benutzen wir eine vonGÖDEL (zunächst für die Zahlentheorie eingeführte) Kodierung der Formeln einerformalen Sprache, die jeder Formel ϕ (welche hier nun allein als formale Zeichenreihegesehen wird) eine natürliche Zahl (Gödelnummer) oder - in unseremZusammenhang einfacher - eine geeignete Menge als Code ϕ zuordnet:16.3.1 Kodierung der mengentheoretischen FormelnDie formalen Variable (für Mengen) legen wir jetzt genauer fest als v n für natürlicheZahlen n (wobei wir uns hier der Einfachheit auf eine Sorte von Variablenbeschränken und nicht zwischen freien und gebundenen Variablen unterscheiden)und setzen etwav n = (1,n).Es ist zweckmäßig, die formale mengentheoretische Sprache zu erweitern, indemman auch jeder Menge x eine formale Konstante x o zuordnet, für welche wir alsCode wählenx o = (2,x).Damit werden wir die Möglichkeit haben, bei einer vorgegebenen Struktur (a,∈)Aussagen über die Elemente von a durch Formeln wiederzugeben, die die entsprechendenKonstanten x o für x ∈ a benutzen. Wenn x o in (a,∈) durch x selbstinterpretiert werden soll, sprechen wir von einer kanonischen Interpretation.Dem rekursiven Aufbau der Formeln entsprechen die folgenden Festlegungen:x = y = (3,(x,y))x ∈ y = (4,(x,y))¬ϕ = (5,ϕ)(ϕ ∨ ψ) = (6,(ϕ,ψ))∃v n ϕ = (7,(n,ϕ))Definierbarkeit syntaktischer BegriffeVerschiedene Aussagen über Formeln, etwa “v ist eine Variable”, können wir nunals mengentheoretische Formel über die entsprechenden Codes ausdrücken:V bl(a) :↔ ∃y ∈ a∃x ∈ y(a = (1,x) ∧ x ∈ ω),


16.3. GÖDELISIERUNG 146wobei man auch die Teilformel x ∈ ω durch eine geeignete ∆ 0 -Formel ersetzenkann, welche ausdrückt, daß x eine natürliche Zahl ist. Da rekursive Begriffsbildungenbereits in der Theorie KP bzw. KP ∞ = KP + Un durchgeführt werdenkönnen, erhalten wir in dieser Theorie ∆-Formeln, welche ausdrücken:Fml n (e):Fml n a(e) :e ist Code einer Formel ϕ, welche als freie Variable höchstensv 0 ,...,v n−1 enthält, ebenso:e ist Code einer Formel ϕ, welche als freie Variable höchstensv 0 ,...,v n−1 enthält, außerdem aber Konstanten a o i mit a i ∈ a.16.3.2 Definierbarkeit des WahrheitsbegriffesErsetzen wir eine Formel ϕ durch ihren Code ϕ, so müssen wir die nach arelativierte Formel durch eine entsprechende Aussage über die Gültigkeit der Formelin (a,∈) mittels ihres Codes ausdrücken, also einen formalisierten Wahrheitsbegriffbenutzen: Entsprechend der rekursiven Definition des Wahrheitsbegriffeskann man eine eine mengentheoretische Formel Sat(a,e) finden, welche in derTheorie KP ∞ durch ∆-Formeln definierbar ist und ausdrückt:Sat(a,e):e ist Code einer Formel ϕ(a o 0 ,...,ao n), die keine freie Variable enthält,und ϕ ist wahr in (a,∈) unter der kanonischen Interpretation.Für Sat(a,e) werden wir auch schreiben (a,∈) |= e. Für jede einzelne Formelstimmt dann die formale Definition der Gültigkeit mit der Relativierung überein:Satz über die Relativierungϕ(v 0 ,...,v n−1 ) sei eine mengentheoretische Formel mit den angegebenen freienVariablen, a 0 ,...,a n−1 ∈ a. Dann gilt in KP ∞ :ϕ a (a 0 ,...,a n−1 ) ↔ Sat(a,ϕ(a o 0 ,...,ao n−1 )).Beweis durch einfache Induktion über den Formelaufbau, wobei im Falle eineratomaren Formel beide Seiten dasselbe aussagen (wegen unserer Festlegung aufdie kanonische Interpretation der Konstanten), und sich in den Induktionsfällenbeide Seiten gegenüber den entsprechenden Fällen für ihre Teilformeln gleich verhalten.□


16.3. GÖDELISIERUNG 14716.3.3 DefinierbarkeitNunmehr können wir auch den informalen Definierbarkeitsbegriff formal ausdrücken:Def(a) := {x ⊆ a | ∃e(Fml 1 a(e) ∧ x = {z ∈ a | (a,∈) |= e(z)})},wobei e(z) so definiert ist, daß (inhaltlich) für eine Formel ϕ(v 0 ) mit Code e gilt:e(z) ist der Code der Formel ϕ(z o ), wobei ϕ(z o ) aus ϕ entsteht, indem die Konstantez o für die Variable v o eingesetzt wird:ϕ(v 0 )(z) = ϕ(z o )Satz über die ∆-Definierbarkeit von DefIn der Theorie KP ∞ ist für jedes a auch De f (a) eine Menge. Außerdem gilt:Die Abbildung bzw. Relationa ↦→ Def(a)b = Def(a)ist Σ − de f inierbar,ist ∆ − de f inierbar.Beweis: Wegen Def(a)⊆ P(a) kann man in ZF das Potenzmengenaxiom benutzen,um auch De f (a) als Menge zu erhalten. Da wir jedoch später auch die Komplexitätdieser Operation kennen müssen, arbeiten wir mit den Hilfsmitteln von KP ∞ .Darin kann man zuerst nachweisen, daßFml 1 a := {e | Fml 1 a(e)}eine Menge ist (hier benötigen wir das Unendlichkeitsaxiom!), und dann hieraufeine Σ-Funktion f definieren kann mitf : Fml 1 a ↠ Def(a) mit f (e) = {z ∈ a | (a,∈) |= e(z)}.Der Graph einer Σ-Funktion, definiert auf einem Definitionsbereich, welcher eine∆-definierbare Menge ist, ist aber stets eine ∆-Relation (wegen f (x) ≠ y ↔∃z( f (x) = z ∧ y ≠ z) für x ∈ D( f )).□16.3.4 Bemerkungen und Beispiele1. Für jede mengentheoretische Formel ϕ(v 0 ,...,v n ) und beliebige Elementea 1 ,...,a n ∈ a ist{z ∈ a | ϕ a (z,a 1 ,...,a n } ∈ Def(a),


16.4. CHARAKTERISIERUNG INNERER ZF-MODELLE 148und dieses ist die wichtigste Eigenschaft des Definierbarkeitsbegriffes (außerseiner ∆-Definierbarkeit in KP ∞ ). Insbesondere:2. /0,a ∈ Def(a),3. a 1 ,...,a n ∈ a → {a 1 ,...,a n } ∈ Def(a),4. c,d ∈ Def(a) → c ∪ d,c ∩ d,c − d ∈ Def(a),5. trans(a) → a ⊆ Def(a) ∧ trans(Def(a)).16.4 Charakterisierung Innerer ZF-ModelleDefinition:Eine Klasse M heißtZF-Modell gdw σ M für alle ZF-Axiome σ gilt,transitives ZF-Modell gdw zusätzlich gilt: trans(M), undinneres ZF-Modell gdw trans(M) ∧ On ⊆ (M) ∧ σ Mfür alle ZF-Axiome σ gilt.Transitive Modelle nennt man auch Standardmodelle. Innere Modelle sind wegenOn ⊆ M stets echte Klassen. (“Innere” bezieht sich darauf, daß M ein Klassenterm,also in ZF durch eine Formel definierbar ist. Die Gültigkeit in obiger Definitionbezieht sich in der Regel auf die Theorie ZF, genauer wird dies im Begriff derInterpretation einer Theorie T in einer Theorie S festgelegt, s. 16.2.)Zunächst wollen wir zusammenstellen, was die Gültigkeit der ZF-Axiome inM (im Sinne der Relativierung) bedeutet. Dabei setzen wir die Axiome von ZFvoraus, obwohl man (zumindest in den einfachsten Fällen) für Gültigkeit von σ Mnur das Axiom σ selbst vorauszusetzen braucht:SatzM sei transitiv, M ≠ /0.(i) Ext M , Null M , FundS M gelten stets.(ii) Das Paarmengenaxiom gilt in M gdw M abgeschlossen ist unter der Paarmengenbildung:Paar M ↔ ∀x,y ∈ M {x,y} ∈ M,


16.4. CHARAKTERISIERUNG INNERER ZF-MODELLE 149(iii) Das Summenaxiom gilt in M gdw M abgeschlossen ist unter der Vereinigungsmenge:Sum M ↔ ∀x ∈ M ∪ x ∈ M,(iv) Das Potenzmengenaxiom gilt in M gdw M abgeschlossen ist unter der relativenPotenzmenge:(v) Ordinalzahlen sind absolut bzgl. M:Pot M ↔ ∀x ∈ M P(x) ∩ M ∈ M,∀x ∈ M (Ord(x) M ↔ Ord(x)),(vi) Das Unendlichkeitsaxiom gilt in M gdw M die Menge der natürlichen Zahlenenthält:Un M ↔ ω ∈ M.(vii) AusS ϕ sei das Aussonderungsaxiom für die Formel ϕ. Dann gilt:AusS M ϕ ↔ ∀x 0 ∈ M ∀x 1 ...x n ∈ M {x ∈ x 0 | ϕ M (x,x 1 ,...,x n )} ∈ M.(viii) Für eine Formel ϕ sei F := {x,y | ϕ(x,y,x)} und ErsS ϕ das Ersetzungsaxiomfür die durch ϕ definierte Funktion. Ferner sei M abgeschlossen unterPaarmengen (also Paar M ). Dann gilt:ErsS M ϕ ↔ ∀x ∈ M [∀x,y,z ∈ M(ϕ M (x,y,x) ∧ ϕ M (x,z,x) → y = z)→ ∀u ∈ M ∃z ∈ M(∀y ∈ M(y ∈ z ↔ ∃x ∈ u ϕ M (x,y,x))],d. h. für F M := {x,y | x,y ∈ M ∧ ϕ M (x,y,x)} gilt :ErsS M ϕ ↔ ∀x ∈ M [(F M : M → M) → ∀u ∈ M F M [u] ∈ M].□Wie oben benutzen wir allgemein die Relativierung einer Klasse in der Form{x | ϕ(x)} M := {x ∈ M | ϕ M (x)}.Die Transitivität haben wir bereits in den Reflexionsprinzipien verstärkt:strans(M) :↔ ∀x ∈ M ∀y(y ∈ x ∨ y ⊆ x → y ∈ M)M ist stark transitivBeispiel: strans(V α )


16.4. CHARAKTERISIERUNG INNERER ZF-MODELLE 150SatzM sei transitives ZF-Modell. Dann gilt:(i) On M = On ∩ M,(ii) ∀x ∈ M P(x) M = P(x) ∩ M,(iii) ∀α ∈ On ∩ M V M α = V α ∩ M,(iv) ∀α ∈ On ∩ M (Card(α) → Card M (α)),v) Gilt außerdem strans(M), so ∀α ∈ On ∩ M Vα M = V α und damit:{V, falls On ⊆ M undM =V αf ür α = On ∩ M sonst.Die Allklasse V ist somit das einzige stark transitive innere ZF-Modell!16.4.1 Hauptsatz über innere ZF-ModelleM ist ein inneres ZF-Modell gdw es eine Folge (M α |α ∈ On) von Mengen gibt mitfolgenden Eigenschaften (für alle α,β,λ):(I1) trans(M α ),(I2) α < β → M α ⊆ M β ,(I3) Lim(λ) → M λ = ⋃ ξ


16.4. CHARAKTERISIERUNG INNERER ZF-MODELLE 151Sei a ∈ M, etwa a ∈ M α für ein α. Dann ist P(a) M ⊆ M, und da es eine Mengeist, muß es ein β ≥ α geben, so daß P(a) M ⊆ M β . dann ist aber nach (I5) P(a) M ∈M β+1 .□Um ein inneres ZF-Modell zu erhalten, sind wir nur im Limesfall festgelegt.Für den Nachfolgerfall gibt es zwei Extremfälle:(i) M α+1 = De f (M α ) bzw.(ii) M α+1 = P(M α ).Legen wir M 0 = /0 fest, so ergibt (i) die Klasse M = L der konstruktiblen Mengenund somit das kleinste innere ZF-Modell, während (ii) <strong>zur</strong> VON NEUMANNscheHierarchie mit M = V als dem größten ZF-Modell führt. Dazwischen liegen möglicherweiseweitere Modelle, die man außerdem noch durch die FestlegungM 0 = TC(a)für eine vorgegebene Menge a abwandeln kann.


152Kapitel 17Konstruktible Mengen17.1 Die Hierarchie der konstruktiblen MengenGÖDEL hat 1938 die Hierarchie der konstruktiblen Mengen eingeführt:L 0 = /0,L α+1 = De f (L α ),L λ = ⋃L ξ für Limeszahlen λ,ξ


17.2. ABSOLUTHEIT VON L 153(v) L ∩ α = L α ∩ On = α,(vi) α ≤ ω → L α = V α ,(vii) α ≥ ω → |L α | = |α|.Beweis: (i) - (iii) beweist man durch Induktion über α, was sich dann leicht aufden Nachfolgerfall reduzieren läßt, für den man die Eigenschaften des Definierbarkeitsbegriffesaus 16.3.4 benutzt.Auch für (iv) braucht man auch nur α,L α ∈ L α+1 zu zeigen, letzteres giltwieder nach 16.3.4. Benutzt man als Induktionsvoraussetzung∀γ < α γ ∈ L γ+1 ,so gilt α ⊆ L α nach (ii) und wegen (iii) α = L α ∩ On. Somitα = {x ∈ L α | Ord L α(x)} ∈ L α+1 ,womit wir zugleich auch (v) bewiesen haben. Da für jedes endliche α auch V αendlich ist, so gilt (vi).Wegen (v) gilt |α| ≤ |L α |, also braucht man für (vii) nur |L α | ≤ |α| zu zeigen,und wegen (vi) können wir α ≥ ω annehmen. Sei also |L α | ≤ |α| für ein unendlichesα. Da es nur abzählbar-viele Formeln für definierbare Mengen gibt und nachVoraussetzung auch nur ≤ |L α | ≤ |α|-viele Parameter, so ist auch |Def (L α )| =|L α+1 | ≤ |α| = |α + 1|. Der Limesfall des Induktionsbeweises ist wiederum trivial.□17.2 Absolutheit von LDie rekursive Definition und der Nachweis der wichtigsten Eigenschaften derHierarchie der konstruktiblen Mengen (ohne (vi)) ist bereits in KP ∞ und damitsogar in einer endlichen Teiltheorie von KP ∞ möglich:SatzEs gibt eine Theorie T, die aus endlich-vielen Axiomen von KP ∞ besteht und diein allen Modellen der Form L λ mit Lim(λ) ∧ λ > ω gelten, so daß:


17.3. EINE DEFINIERBARE WOHLORDNUNG VON L 154(i) Die Prädikate bzw. die Aussageb = Def(a), a = L α , a ∈ L αa ∈ LV = Lsind ∆ T 1 − de f inierbar,ist Σ T 1 − de f inierbar,ist Π T 2 − de f inierbar.(ii) (Absolutheit) Ist M transitives Modell von T (oder sogar von ZF), so gilt:L M α = L αfür alle α ∈ On, insbesondere:L M = L, falls M echte Klasse ist, also On ⊆ M,L M = L α , falls M Menge ist, also α = On ∩ M für ein α.(iii) (Minimalität, ZF vorausgesetzt) L ist das kleinste innere ZF-Modell.(iv) L L = L, somit gilt (V = L) L und damit:Ist ZF widerspruchsfrei, so auch ZF + V = L.(v) Ist M transitives Modell von T + V = L, so gilt:{L, falls M echte Klasse ist, also On ⊆ M,M =L α , falls M Menge ist, also α = On ∩ M für ein α.Aus (iv) folgt, daß natürlich auch alle Folgerungen aus der Annahme V = L widerspruchsfreisind relativ zu ZF.17.3 Eine definierbare Wohlordnung von LDie Klasse L der konstruktiblen Mengen besitzt eine einfache definierbare Wohlordnung,und zwar läßt sich aus einer Wohlordnung einer Menge a• eine Wohlordnung der endlichen Folgen von Elementen aus a definierenund• mit einer Wohlordnung aller (abzählbar-vielen) mengentheoretischen Formelnerhält man daraus dann eine Wohlordnung der definierbaren Teilmengen von a:


17.4. DAS KONDENSATIONSLEMMA 155SatzEs gibt eine ∆ KP -Relation < L und eine Σ KP -Funktion F, die beide bezüglich Labsolut sind, derart daß in KP gilt:V = L → < L ist Wohlordnung von L, F : On ↔ L.Insbesondere gilt AC L und somit:BemerkungenOffensichtlich istIst ZF widerspruchsfrei, so auch ZF + AC.L ⊆ HOD ⊆ V.Falls V = L, so natürlich auch V = HOD, aber möglich ist auch: L ⊂ HOD =V, L ⊂ HOD ⊂ V, L = HOD ⊂ V .□17.4 Das KondensationslemmaBevor wir zeigen, daß aus V = L auch die allgemeine Kontinuumshypothese GCHfolgt, benötigen wir noch einige Hilfsmittel. Zunächst greifen wir auf unserefrüheren Ergebnisse über Wohlordnungen (6.1) <strong>zur</strong>ück. Wie dort bemerkt, lassensie sich weitgehend auf fundierte Relationen übertragen:Eine Relation R auf einer Klasse A heißt fundiert gdw(F1) ∀z(/0 ≠ z ⊆ A → ∃x ∈ z ∀y ∈ z ¬yRx) Minimalitätsbedingung(F2) ∀y ∈ A Mg({x|xRy}) MengenbedingungOffenbar muß eine fundierte Relation irreflexiv sein, dagegen ist eine Wohlordnungzusätzlich transitiv und connex. Die Transitivität kann man durch Erweiterungerreichen (ähnlich wie man die ∈-Beziehung x ∈ y zu einer transitivenRelation x ∈ TC(y) erweitern kann):aR ∗ b :↔ ∃n < ω ∃ f ( f : n + 1 → V ∧ f (0) = a ∧ ∀i < n f (i)R f (i + 1) ∧ f (n) = b).R ∗ heißt die Vorfahrenrelation zu R; es gilt nämlich aR ∗ b gdw es eine endlicheR-Kette von a nach b gibt.


17.4. DAS KONDENSATIONSLEMMA 156SatzR sei eine fundierte Relation auf A. Dann ist R ∗ eine transitive Erweiterung vonR, die ebenfalls fundiert ist. □Mit Hilfe von R ∗ kann man nun wie früher zeigen, daß für fundierte RelationenR das Prinzip (F1) sich verallgemeinern läßt zum Minimumsprinzip fürnicht-leere Teilklassen von A, einem entsprechenden Induktionsprinzip sowie einemRekursionssatz. Um auch ein Gegenstück zum früheren Kontraktionslemma6.5 zu erhalten, benötigen wir noch den Begriff der extensionalen Relation:R extensional :↔ ∀x,y ∈ A[∀z ∈ A(zRx ↔ zRy) → x = y].Daß R extensional ist, bedeutet also gerade, daß das Extensionalitätsaxiom fürdie Relation R auf A gilt. Dagegen ist die Fundiertheit von R eine echt stärkere Bedingungals die Gültigkeit des Fundierungsaxioms für die Struktur (A,R), denn eskönnte durchaus sein, daß es in A keine unendlich-absteigende R-Folge gibt, dafüraber außerhalb von A. Andererseits ist die ∈-Relation fundiert aufgrund des Fundierungsaxiomsund bleibt fundiert, wenn man sie auf eine Klasse A einschränkt.Somit ist die ∈-Beziehung auf einer transitiven Klasse A ein Beispiel einer fundiertenund extensionalen Relation und zudem im wesentlichen das einzige:Isomorphiesatz von MostowskiR sei eine fundierte und extensionale Relation auf A. Dann existiert genau eineAbbildung F und eine transitive Klasse B, so daß:F ist ein Isomorphismus: (A,R) ∼ = (B,∈), d.h.F : A ←→ B mitaRb ↔ F(a) ∈ F(b) für alle a,b ∈ A.Beweis: Falls ein solches F mit transitivem B = W(F) existiert, muß wie frühergelten:(∗) ∀x ∈ A F(x) = {F(y) | yRx},und damit haben wir die Eindeutigkeit. Zum Beweis der Existenz definieren wir Fdurch (*) mittels R-Rekursion und setzen B := W(F). Offenbar gilt dann trans(B)undF : A ↠ B ∧ ∀x,y ∈ A(xRy → F(x) ∈ F(y)).


17.4. DAS KONDENSATIONSLEMMA 157Als nächstes zeigen wir die Injektivität von F, indem wir für jedes a ∈ A durchR-Induktion zeigen:∀x ∈ A(F(a) = F(x) → a = x).Sei also nach InduktionsvoraussetzungAus F(a) = F(b) folgt dann:∀z(zRa → ∀x ∈ A(F(z) = F(x) → z = x)).cRa → F(c) ∈ F(a) = F(b)→ F(c) = F(x) für ein xRb→ c = x nach Ind.vor., da cRa→cRb.Ganz analog erhalten wir cRb → cRa, also die gewünschte Aussage a = b wegender Extensionalität von R. Schließlich ergibt sich hieraus wie früher:F(a) ∈ F(b) → F(a) = F(c) für ein cRb→→a = c wegen der Injektivität von FaRb.Wählen wir als Aussage σ die endlich-vielen Axiome der Theorie T + V = Lvon 17.2, so erhalten wir mittels des Isomorphiesatzes von MOSTOWSKI dasKondensationslemmaEs gibt eine Aussage σ, die in allen Modellen der Form (L λ ,∈) mit Lim(λ),λ > ωgilt, so daß für jedes Modell (a,∈) von σ ein α existiert mit(a,∈) ∼ = (L α ,∈).Ist außerdem c ⊆ a ∧ trans(c), so läßt der Isomorphismus die Elemente von cinvariant, d. h. ist die Identität auf c.□□


17.5. DAS COHENSCHE MINIMALMODELL 15817.5 Das Cohensche MinimalmodellWenn ZF widerspruchsfrei ist (was wir hoffen), so besitzt es ein Modell, alsoexistiert eine Menge M und eine darauf erklärte 2-stellige Relation ∈ M , so daß(M,∈ M ) ein Modell von ZF ist, d. h. alle ZF-Axiome sind wahr, wenn Mengen alsElemente von M und die ∈-Beziehung durch die Relation ∈ M interpretiert werden.Interessanter wäre es sicher, wenn es ein Standardmodell, also ein Modell derForm (a,∈), für eine Menge a gäbe. Diese Forderung können wir mit Hilfe desformalisierten Wahrheitsbegriffes sogar als AxiomSM ∃xSMod(x,ZF) (Existenz eines Standardmodells)aufschreiben, wenn wir die Menge ZF definieren als Menge der Codes derAxiome von ZF und SMod(a) :↔ ∀e ∈ ZF Sat(a,e). Setzen wir nun (außerden ZF-Axiomen) das Axiom SM voraus, so gibt es auch ein Standardmodellvon ZF ∗ V = L und nach dem Kondensationslemma sogar ein transitives derartigesModell von der Form L α . Das kleinste derartige Standardmodell von ZFheißt das COHENsche Minimalmodell, es ist von der Form L α0 , wobei nach demSatz 15.3.3 von LÖWENHEIM-SKOLEM die Ordinalzahl α 0 abzählbar sein muß.In diesem Modell kann es dann offenbar kein Minimalmodell geben, also gilt dasAxiom SM hierin nicht, so daß ZF + V = L + ¬SM widerspruchsfrei ist. COHENhat es außerdem dazu benutzt zu zeigen, daß man die Methode der Inneren ZF-Modelle nicht verwenden kann, um die Unabhängigkeit des Axioms V = L (undseiner Folgerungen) zu beweisen.17.6 GCH in LEs sei a ⊆ κ für ein unendliches κ und außerdem a ∈ L. Dann ist sicher a ∈ L αfür ein α. Wir wollen zeigen, daß ein solches α unabhängig von a gewählt werdenkann, und zwar mit der Abschätzung α ≤ κ + :Satza ⊆ κ ∧ a ∈ L → a ∈ L κ +.Beweis: Sei also a ∈ L ∧ a ⊆ κ für eine unendliche Kardinalzahl κ. Dann gibt eseine Limeszahl λ > κ mit a ∈ L λ . Mit Hilfe des Satzes 15.3.3 von LÖWENHEIM-


17.7. RELATIVE KONSTRUKTIBILITÄT 159SKOLEM erhalten wir eine Menge b ⊆ L λ mit κ ∪ {a} ⊆ b ∧ |b| = κ, so daß bdieselben Formeln erfüllt wie L λ . Nach dem Kondensationslemma ist (b,∈) ∼ =(L β ,∈) für ein β, wobei der Isomorphismus die transitive Menge κ ∪ {a} invariantläßt. Insbesondere muß κ ∪ {a} ⊆ L β sein, und wegen |β| = |L β | = |b| = κerhalten wir L β ⊆ L κ +.□Die konstruktiblen Teilmengen von ω sind also bereits Elemente von L ω1 ,allgemeiner erhalten wir wegen |L κ +| = κ + für unendliche Kardinalzahlen κ alsFolgerungV = L → GCH, insbesondere :Ist ZF widerspruchsfrei, so auch ZF + AC + GCH.17.7 Relative KonstruktibilitätDer Begriff der Konstruktibilität läßt sich relativieren auf eine vorgegebene Mengea: Setzt manL 0 [a] = TC({a}),L α+1 [a] = Def (L α [a]),L λ [a] = ⋃L ξ [a] für Limeszahlen λ,L[a] :=ξ


17.7. RELATIVE KONSTRUKTIBILITÄT 160Auch die COHENschen Modelle, mit denen die Unabhängigkeit etwa von CHgezeigt wurde, sind Modelle relativer Konstruktibilität, aber Mengen, und zwargehen sie von einem abzählbaren Modell von ZF + AC (wie etwa dem Minimalmodell)aus und erweitern es für eine geeignete (“generische”) Menge G ⊆ Mzu einem Modell der Form M[G], wobei G ∈ M[G], aber M und M[G] dieselbenOrdinalzahlen besitzen. G enthält dabei die notwendige Information, um z. B. zuerzwingen, daß in M[G] : 2 ℵ 0 > ℵ 1 gilt (forcing-Methode).


161Teil VIIGroße Zahlen undnichtunterscheidbare Mengen


162Kapitel 18Große KardinalzahlenWann ist eine Kardinalzahl κ “groß”? Ist dann nicht κ + 1 noch “größer”?18.1 Große endliche ZahlenDieses Problem stellt sich natürlich schon bei den natürlichen Zahlen. Lange Zeitwar eine Zahl von SKEWES die größte in einem sinnvollen Beweis benutzte Zahl 1 ,abgelöst wurde sie kürzlich durch Grahams Zahl 2 (nach RONALD L. GRAHAM):sie ist eine obere Grenze für ein Problem der Ramsey-Theorie:In einem n-dimensionalen Hyperwürfel seien alle Punkte (Knoten)je paarweise durch eine Kante verbunden, so daß ein vollständigerGraph auf 2 n Knoten entsteht. Diese Kanten werden nun mit jeweilseiner von zwei Farben eingefärbt. Es ergibt sich die Frage, wie groß nsein muß, damit es immer mindestens einen gleichfarbigen vollständigenUntergraphen gibt, der aus 4 Knoten besteht, die in einer Ebeneliegen. Anders ausgedrückt: Ab welcher Dimension tritt notgedrungendie genannte Form von Ordnung auf? Das Problem wurde nochnicht gelöst. Graham und Rothschild (1971) haben gezeigt, daß nmindestens 6 ist, EXOO (2003) zeigte, daß n ≥ 11. Grahams Zahlist andererseits eine obere Grenze für dieses Problem, d. h. n < G 64 .1 http://mathworld.wolfram.com/SkewesNumber.html2 im folgenden zitiert nach http://de.wikipedia.org/wiki/Grahams Zahl


18.2. GROSSE UNENDLICHE ZAHLEN 163Grahams Zahl ist so groß, daß sie am besten mit Knuths Pfeil-Schreibweiseausgedrückt werden kann:m ↑ n = } m · m {{ · ... · m}n−malm ↑↑ n = m ↑ m ↑ ... ↑ m} {{ }n−malm ↑↑↑ n = m ↑↑ m ↑↑ ... ↑↑ m} {{ }n−mal.Hierbei ist zu beachten, daß der Potenzoperator nicht assoziativ ist. Der klammerfreinotierte Ausdruck ist deshalb mehrdeutig; in diesem Fall ist er von rechtszu klammern, d. h. beispielsweise ist m ↑ m ↑ m = m ↑ (m ↑ m) zu lesen. Diese Abarbeitungsreihenfolgeist auch gerade diejenige, bei der die größten Endergebnissehervorgebracht werden. Ausgestattet mit dieser Notation kann man eine Folgebilden, die durch die folgenden Regeln rekursiv definiert ist:G 0 = 4G n+1 = 3↑↑↑ ... ↑3} {{ }G n −malGrahams Zahl ist nun definiert als G = G 64 . Zur besseren Veranschaulichung,wie extrem groß die Grahams Zahl ist, werden hier die Ergebnisse der erstenSchritte angegeben:3 ↑ 3 = 273 ↑↑ 3 = 7.625.597.484.987Bereits G 1 läßt sich nicht mehr vernünftig in der üblichen Exponentialdarstellungausdrücken. Trotzdem kann man die letzten Stellen von Grahams Zahl mitelementarer Zahlentheorie bestimmen: die letzten 10 Stellen sind 2464195387.18.2 Große unendliche ZahlenGegenüber den natürlichen Zahlen ist ω als erste unendliche Zahl natürlich “sehrgroß”. Als neuen Ansatz könnte man versuchen:


18.2. GROSSE UNENDLICHE ZAHLEN 164κ ist groß ⇐⇒ κ hat hinsichtlich kleinerer Zahlen ähnliche Eigenschaften wieω gegenüber den natürlichen Zahlen.So gelangt man schnell <strong>zur</strong> Forderung, daß eine “große” Zahl eine Limeszahl,regulär, sogar unerreichbar sein soll und weitere Eigenschaften erfüllen soll, diewir später einführen werden (die RAMSEY-Eigenschaft, meßbar . . . ).Ein weiterer Ansatz geht von der Überlegung aus, daß On die größte Ordinal-(und Kardinal-) Zahl wäre, wenn es nur eine Menge wäre:κ ist groß ⇐⇒ κ hat ähnliche Eigenschaften wie On.Mit geeignet gewählten Eigenschaften gelangt man schnell zu den unerreichbarenKardinalzahlen oder - je nach Präzisierung - zu Widersprüchen! Mit Hilfe despartiellen Reflexionsprinzips erhalten für jede Aussage σ der ZF-Sprache:σ On → ∀α∃κ(α < κ ∧ σ κ ).Aus dem Beweis des Hierarchiesatzes 15.3.1 ergibt sich, daß es sogar sehrviele δ gibt, die eine Eigenschaft σ aller Ordinalzahlen reflektieren, und zwar soviele, daß jede Normalfunktion einen Fixpunkt besitzt, welcher die Eigenschaft σreflektiert.DefinitionLimespunkte von A : A ′ := {α > 0 | α = ∪(A ∩ α)},A ⊆ On unbeschränkt : ↔ ⋃ A = On,A ⊆ On abgeschlossen : ↔ ∀x ⊆ A(x ≠ /0 → ⋃ x ∈ A),A ⊆ On club : ↔ A abgeschlossen und unbeschränkt.(club steht als Abkürzung für closed unbounded). Offensichtlich gilt:LemmaEs sei A ⊆ On.(i) A ′ ist stets abgeschlossen; falls A unbeschränkt ist, so ist A ′ club.(ii) N ft(F) → W(F) club, und umgekehrt:(iii) Ist A club, so A=W(F) für eine Normalfunktion F (nämlich die monotoneAufzählung von A).□


18.2. GROSSE UNENDLICHE ZAHLEN 165Somit gilt:A club ↔ ∃F (N ft(F) ∧ A = W(F)),was allerdings eine Aussage in der <strong>Mengenlehre</strong> 2. Stufe ist, ebenso wie die Definition:A stationär: ↔ ∀F (N ft(F) → A ∩W(F) ≠ /0),die wir aber immerhin noch als Schema auffassen können, wie etwa etwa in derfolgenden Verstärkung des partiellen Reflexionsprinzips:σ On ∧ N ft(F) → ∃κ(F(κ) = κ ∧ σ κ ),welches ausdrückt, daß jede Eigenschaft σ, die für die Klasse aller Ordinalzahlengilt, sogar für eine stationäre Klasse von Ordinalzahlen gilt. Die entsprechendrelativierten Begriffe können wir im Rahmen von ZF definieren:Definitiona unbeschränkt in κ : ↔ a ⊆ κ ∧ ⋃ a = κ,a abgeschlossen in κ : ↔ ∀x ⊆ κ(x ⊆ a ∧ x ≠ /0 → ⋃ x ∈ κ ∪ {κ}),a club in κ : ↔ a abgeschlossen und unbeschränkt in κ,a stationär in κ : ↔ ∀x (x club in κ → x ∩ a ≠ /0).(Statt unbeschränkt haben wir früher confinal gesagt.) Der Durchschnitt von zweiclub-Mengen kann leer sein: {ℵ 2n | n < ω} und {ℵ 2n+1 | n < ω} sind beide clubin ℵ ω , haben aber leeren Durchschnitt. Dagegen gilt:LemmaEs sei κ eine Kardinalzahl mit c f (κ) > ω. Dann ist der Durchschnitt von zweiMengen, welche club in κ sind, wieder club in κ.Beweis: Sind a,b abgeschlossen in κ, so auch a ∩ b, während der Durchschnittunbeschränkter Mengen nicht wieder unbeschränkt, sondern sogar sogar leer seinkann. Es seien also nun a,b club in κ. Um die Unbeschränktheit von a ∩ b zuzeigen, sei α < κ. Dann wählt man eine aufsteigende Folge (γ n |n < ω) mit γ n < κundα < γ 0 ∧ γ 2n ∈ a ∧ γ 2n+1 ∈ b,


18.3. IDEALE UND FILTER 166was wegen der Unbeschränktheit der Mengen a,b möglich ist. Wegen c f (κ) > ωist das Supremum γ dieser Folge < κ und zugleich γ ∈ a wegen γ = ⋃ n


18.3. IDEALE UND FILTER 167Beispiele und Bemerkungen1. Der einfachste Filter auf a ≠ /0 ist die Menge {a}, {/0} ist das einfachsteIdeal.2. Für jedes /0 ≠ x ⊆ a ist < x >:= {z ⊆ a | x ⊆ z} ein Filter, der von x erzeugteHauptfilter. Dieser ist ein Ultrafilter genau dann, wenn x nur einElement besitzt. Interessanter sind Ultrafilter, die keine Hauptfilter sind, siewerden auch freie Ultrafilter genannt (während die Hauptultrafilter durchein Element fixiert sind).3. Hat a = {x,y} zwei Elemente x ≠ y, so gibt es auf a die Filter {a},{{x},a}und {{y},a}; die letzten beiden sind Hauptultrafilter, {a} ist zwar Hauptfilter,aber kein Ultrafilter. Allgemeiner ist auf einer endlichen Menge a jederFilter ein Hauptfilter (erzeugt vom Durchschnitt der endlich-vielen Elementedes Filters).4. Auf einer unendlichen Menge a ist{x ⊆ a | x endlich} ein Ideal mit{x ⊆ a | x co-endlich (d.h. a − x endlich)} als dualem Filterauf a, der kein Hauptfilter (und auch kein Ultrafilter) ist und welcher imFalle a = N FRÉCHET-Filter genannt wird. Ultrafilter, die den obigen Filtererweitern, können keine endlichen Mengen als Elemente enthalten und sindsomit freie Ultrafilter.5. Auf der Menge der reellen Zahlen ist die Menge{x ⊆ R | x hat Lebesgue-Maß 0}ein Ideal, welches kein Hauptideal ist.6. Es sei κ eine Kardinalzahl mit c f (κ) > ω. Dann ist{x ⊆ κ | ∃y ⊆ κ(y club ∧ y ⊆ x)}ein Filter, der club-Filter auf κ. Das duale Ideal besteht aus den Teilmengenvon κ, welche nicht stationär in κ sind.


18.3. IDEALE UND FILTER 1687. Für eine unendliche Kardinalzahl κ ist{x ⊆ κ | |x| < κ}ein Ideal auf κ, der zugehörige duale Filter heißt auch Kardinalzahlfilter aufκ.8. Unter den Anwendungen des Auswahlaxioms haben wir früher bereits dasBOOLEsche Primideal-Theorem BPI erwähnt, welches besagt, daß jederFilter zu einem Ultrafilter erweitert werden kann. Soweit nicht anders vermerkt,sind die Filter in den obigen Beispielen keine Ultrafilter, besitzenaber Erweiterungen zu freien Ultrafiltern.Für eine Kardinalzahl κ ist ein Filter F κ-vollständig gdw er unter Durchschnittenvon weniger als κ-vielen Elementen abgeschlossen ist:α < κ ∧ ∀ξ < α x ξ ∈ F → ⋂ξ ω regulär, s ⊆ κ stationär in κ und f : s → κ mit ∀α ∈ s f (α) < α.Dann existiert eine stationäre Teilmenge t ⊆ s, so daß f auf t konstant ist.Dieses Ergebnis gilt übrigens auch für Funktionen auf stationären Teilklassenvon On und erklärt die Bezeichnung “stationär”.


18.4. MAHLOSCHE ZAHLEN 169Beweis: Angenommen, für alle ξ < κ wären die Mengena ξ := {α ∈ s | f (α) = ξ }nicht stationär. Dann gäbe es für alle ξ < κ club Mengen c ξ mit c ξ ∩ a ξ = /0. Derdiagonale Durchschnitt ∆ ξ


18.4. MAHLOSCHE ZAHLEN 170MAHLOsche FixpunktprinzipJede unbeschränkte Klasse besitzt einen regulären Limespunkt (und damit beliebiggroße):A unbeschränkt → F(A) ≠ /0→F(A) unbeschränkt.Angewandt auf die unbeschränkte Klasse der regulären Zahlen liefert es dieExistenz der schwach-unerreichbaren Zahlen (als 1-schwach-unerreichbaren Zahlen)sowie allgemeiner unbeschränkt vieler schwach-unerreichbaren Zahlen vomendlichen Grad n:wIn(0) : = {κ | reg(κ)} = RegwIn(1) : = {κ | reg(κ) ∧ Reg ∩ κ unbeschränkt inκ}wIn(2) : = {κ | reg(κ) ∧ sIn(1) ∩ κ unbeschränkt inκ}wIn(3) : = {κ | reg(κ) ∧ sIn(2) ∩ κ unbeschränkt inκ}...Um auch die ω-schwach-unerreichbaren Zahlen zu erhalten (oder allgemein überdie Limes-Iteration herauszugelangen), muß man es verstärken. Stattdessen gehenwir gleich zu dem stärkeren (und besser anwendbaren)MAHLOschen Prinzipüber, welches über das Fixpunktprinzip hinausführt und das man als ein Beispielfür die Reflexion der Eigenschaft 2. Stufe stationär auffassen kann: Setzt manso besagt das MAHLOsche Prinzip:ST (A) := {κ | reg(κ) ∧ A ∩ κ stationär in κ},A stationär → ST (A) stationär.Beginnt man mit der Klasse On aller Ordinalzahlen, die offensichtlich stationärist, so ergibt eine erste Anwendung des MAHLOschen Prinzips, daß ST (On) stationärist. Diese Klasse besteht aus den regulären Kardinalzahlen κ (= MAHLOscheZahlen vom Grad 0), so daß die kleineren regulären Zahlen eine stationäre Teilmengevon κ bilden (= MAHLOsche Zahlen vom Grad 1). Durch wiederholte An-


18.5. MESSBARE ZAHLEN 171wendung des MAHLOschen Prinzips erhält man dann die Existenz stationär-vieler(schwach) Mahloscher Zahlen vom endlichen Grad n:Ma(0) : = {κ | reg(κ)} = RegMa(1) : = {κ | reg(κ) ∧ Reg ∩ κ stationär inκ}Ma(2) : = {κ | reg(κ) ∧ Ma(1) ∩ κ stationär inκ}Ma(3) : = {κ | reg(κ) ∧ Ma(2) ∩ κ stationär inκ}...Ersetzt man im MAHLOschen Prinzip die Eigenschaft regulär durch (stark)unerreichbar, so erhält man die Existenz der Mahloschen Zahlen als unerreichbareKardinalzahlen (während die obigen Zahlen nur schwach unerreichbar sind).Verstärkungen des obigen Prinzips erlauben es, den Prozeß fortzuführen und auchnoch zu diagonalisieren:MAHLOsche Zahlen κ vom Grad κ =hyper-MAHLOsche Zahlen vom Grad 0,hyper-hyper-MAHLOsche Zahlen,hyper-hyper. . . hyper-MAHLOsche Zahlen,κ-hyper-MAHLOsche Zahlen,. . .Es zeigt sich ein weiterer Ansatz, zu großen Kardinalzahlen zu kommen, indemman von den regulären Zahlen ausgeht und diese Klasse immer weiter “verdünnt”:“kleine” Zahlen werden nach und nach ausgesondert, so daß schließlich nur die“großen” Zahlen in “großen” Abständen übrigbleiben.18.5 Meßbare ZahlenWir haben bereits gesehen, das als Folge des Auswahlaxioms Mengen existieren,die nicht LEBESGUE-meßbar sind, wobei der Satz von VITALI zeigte, daß BA-NACH verallgemeinerte das Problem, indem er die Translationsinvarianz wegließund triviale Fälle durch die Forderung ersetzte, daß m({x}) = 0 ist für alle reellenZahlen x. Nach BANACH-KURATOWSKI 1929 gibt es aber auch hierfür keineLösung, wenn man die Kontinuumshypothese annimmt. Benutzt man die Translationinvarianz,so kann man das Maßproblem auf Mengen A ⊆ [0,1] beschränken,


18.5. MESSBARE ZAHLEN 172das Einheitsintervall durch eine beliebige Menge I ersetzen und das Maß dort auf1 normieren. Damit stellt sich die Frage, ob es eine nicht-leere Menge M gibt miteiner Maßabbildungm : P(M) → {x | x ∈ R ∧ x ≥ 0},die folgende Bedingungen erfüllt:(M1) m(M) = 1(M2) ∀x ∈ M m({x}) = 0normiertnicht-trivial(M3) ist (A i | i < ω) eine abzählbare Folge von Mengen ⊆ M, so istm( ⋃ i


18.5. MESSBARE ZAHLEN 173Bemerkungen und Definitionen1. Ist m ein Maß auf κ, so ist• I m := {x ⊆ κ | m(x) = 0} ein ω 1 -vollständiges Ideal auf κ, welcheskein Hauptideal ist,• F m := {x ⊆ κ | m(x) = 1} ein ω 1 -vollständiger Filter auf κ, welcherkein Hauptfilter ist.2. Ein 2-wertiges Maß ist ein Maß, welches nur die Werte 0 und 1 annimmt.In diesem Fall ist der entsprechende Filter F m ein Ultrafilter (und I m einPrimideal).Ist umgekehrt U ein ω 1 -vollständiger Filter auf κ, welcher kein Hauptfilterist, und definiert man eine Abbildung m : P(κ) → {0,1} durch{1 falls x ∈ U,m(x) =0 sonst,so erhält man ein 2-wertiges Maß m auf κ.3. Ein Filter, welcher kein Hauptfilter ist, heißt freier Filter.4. κ sei eine überabzählbare Kardinalzahl. Dann heißtκ reell-wertig meßbar : ↔ ∃m(m κ-additives Maß auf κ)κ meßbar : ↔ ∃m(m κ-additives 2-wertiges Maß auf κ)↔ ∃U(U κ-vollständiger freier Ultrafilter auf κ)Da man (mit Hilfe des Auswahlaxioms) den FRÉCHET-Filter der co-endlichenMengen von natürlichen Zahlen zu einem Ultrafilter auf ω erweitern kann, derdann kein Hauptfilter sein kann, erfüllt auch ω die Bedingung, die an eine meßbareKardinalzahl gestellt werden kann, wird aber i. a. nicht dazugerechnet, da dieüberabzählbaren meßbaren Zahlen zu den großen Kardinalzahlen gehören, derenExistenz man in ZFC nicht beweisen kann. Tatsächlich gilt:• jede reell-wertig meßbare Kardinalzahl κ ist schwach unerreichbar,• jede meßbare Kardinalzahl κ ist (stark) unerreichbar (aber nicht umgekehrt),


18.5. MESSBARE ZAHLEN 174• ist κ reell-wertig meßbar, so ist κ meßbar oder κ ≤ 2 ℵ 0(ist also κ reell-wertig meßbar, aber nicht meßbar, so muß 2 ℵ 0 sehr großsein).Die kleinste unerreichbare Zahl ist noch nicht meßbar, tatsächlich liegen untereiner unerreichbaren Zahl κ κ-viele kleinere unerreichbare Zahlen, und währenddie Existenz einer unerreichbaren Zahl noch mit der Annahme V = L verträglichist, widerspricht die Existenz einer meßbaren Zahl diesem Axiom, hat dafür aberweitere Konsequenzen für die projektive Hierarchie:SatzIn der Theorie ZFC + MC : “es existiert eine meßbare Kardinalzahl” ist beweisbar:• Σ 1 2-Mengen haben die Perfekte-Mengen-Eigenschaft (P) und erfüllen damitauch die Kontinuumshypothese,• Σ 1 2 - und Π1 2-Mengen haben die BAIRE-Eigenschaft und sind LEBESGUEmeßbar.Ist κ eine RAMSEY-Zahl, also κ → κ 2 2 , so gilt das MAHLOsche Prinzip für V κ(also unterhalb von κ): κ ist eine MAHLOsche Zahl vom Grad κ, es gibt unterhalbvon κ unbeschränkt-viele MAHLOsche Zahlen α vom Grad α, . . .


175Kapitel 19Homogene Mengen19.1 Das Schubfachprinzipbesagt in seiner einfachsten Form:Verteilt man n Elemente in m < n-viele Schubladen, so muß eine der Schubladenmindestens 2 Elemente enthalten.Die Verallgemeinerung auf unendliche Mengen lautet:Ist eine unendliche Menge a zerlegt in endlich-viele Mengen, so muß wenigstenseine dieser Mengen unendlich sein:a = a 0 ˙∪... ˙∪a k unendlich → ∃i ≤ k (a i unendlich) .Noch etwas allgemeiner erhalten wir dasDas Schubfachprinzip für reguläre Kardinalzahlenreg(κ) ∧ λ < κ ∧ κ = ⋃a ξ → ∃x ⊆ κ ∃ξ < λ (|x| = κ ∧ x ⊆ a ξ )ξ


19.1. DAS SCHUBFACHPRINZIP 176Eine Zerlegung [a] n = a 0 ˙∪... ˙∪a k in k+1 Teile kann man auch als eine Abbildungf : [a] n → {0,...,k} auffassen. Daher stellen die folgenden Pfeilrelationeneine Verallgemeinerung dar, wobei n < ω und α eine Kardinalzahl sei:κ −→ (α) n γ :↔ ∀ f ( f : [κ] n → γ→ ∃x ⊆ κ (|x| = α ∧ ∀u,v ∈ [x] n f (u) = f (v))),d. h. jede Zerlegung der n-elementigen Teilmengen von κ besitzt eine Teilmengex ⊆ κ von der Mächtigkeit α, so daß f auf den n-elementigen Teilmengenvon x konstant ist (d. h. daß alle n-elementigen Teilmengen von x in derselbenTeilmenge liegen). Eine derartige Menge x nennt man auch homogen (oder nichtunterscheidbar)für f . Beachte, daß die obige Relation erhalten bleibt, wenn mandie Zahlen auf der linken Seite vom Pfeil vergrößert bzw. die Werte auf der rechtenSeite verkleinert. Im wichtigsten Fall γ = 2 läßt man den unteren Index häufigweg.Der Satz von RAMSEY besagt mit dieser Bezeichnungsweise:ω −→ (ω) n m für alle n,m < ωZur Verallgemeinerung dieses Satzes definieren wir die Beth-Funktion durchℶ 0 (α) = α, ℶ β+1 = 2 ℶ β (α) , ℶ λ (α) = ⋃ξ ω; diese Zahlen sind (stark) unerreichbar, die Menge {λ < κ | λ unerreichbar}der kleineren unerreichbaren Zahlen ist stationär in κ, ebenso die Menge der kleinerenMAHLOschen Zahlen vom Grad < κ, usw. Zugleich haben diese Zahlenweitere interessante Charakterisierungen (schwach kompakt, Baum-Eigenschaft,Π 1 1 -unbeschreibbar)1 .10, § 21 s. z. B. DRAKE, F.R. Set Theory. An Introduction to Large Cardinals Amsterdam 1974, Ch.


19.2. L KANN SEHR KLEIN SEIN 17719.2 L kann sehr klein seinEine Verallgemeinerung der Relation κ −→ (α) n γ mit ω statt n führt zum Widerspruchmit dem Auswahlaxiom, ist aber möglich im Rahmen des Axioms derDeterminiertheit 2 . Dagegen ist ohne Verletzung des Auswahlaxioms vermutlichnoch folgende Verallgemeinerung möglich:Definition[X]


19.2. L KANN SEHR KLEIN SEIN 178Satz von SilverFür unendliche Limeszahlen α sind folgende Aussagen äquivalent:(i) κ −→ (α)


179Kapitel 20LiteraturZur Einführung und zum Gebrauch neben der <strong>Vorlesung</strong>CAMERON, P. J. Sets, Logic and Categories. Springer 1999DEISER, O. Einführung in die <strong>Mengenlehre</strong>. Springer 2004DEVLIN, K. The Joy of Sets. Springer 1993EBBINGHAUS, D. Einführung in die <strong>Mengenlehre</strong>. Spectrum 2003FRIEDRICHSDORF, U.-PRESTEL, A. <strong>Mengenlehre</strong> für den Mathematiker.vieweg 1985KLAUA, D. <strong>Mengenlehre</strong> de Gruyter 1979KRIVINE, J.L. Théorie axiomatique des ensembles. Presse Univ. Paris 1969MOSCHOVAKIS, Y. Notes on Set Theory. Springer 1994LÉVY, A. Basic Set Theory. Springer 1979RUBIN, J.E. Set Theory for the Mathematician. Holden-Day 1967Ergänzende und weiterführende LiteraturJECH, TH. Set Theory. Springer 2003MENDELSON, E. Introduction to Math. Logic. Chapman & Hall 1997RAUTENBERG, W. Einführung in die Mathematische Logik. vieweg 2002SHOENFIELD, J.R. Mathematical Logic. Addison-Wesley 1967


180Monographien mit besonderen SchwerpunktenDEVLIN, K. Aspects of Constructibility. Springer 1984DRAKE, F.R. Set Theory. An Introduction to Large Cardinals North Holland 1974FELGNER, ULRICH Models of ZF-set theory. Springer 1971JECH, TH. The Axiom of Choice. Springer 1993KANAMORI, A. The Higher Infinite. Large Cardinals in Set Theory from TheirBeginnings. Springer 2003KECHRIS, ALEXANDER S. Classical descriptive set theory. Springer 1995KUNEN, K. Set Theory. An Introduction to Independence Proofs.North Holland 1983MOSCHOVAKIS, YIANNIS N. Descriptive set theory. North Holland 1980WAGON, S. The Banach-Tarski paradox. Cambridge 1986Von historischem und allgemeinem InteresseBOLZANO, B. Paradoxien des Unendlichen. Leipzig 1851 (Meiner 1955)CANTOR, G. Gesammelte Abhandlungen. Springer 1980DAUBEN, J.W. Georg Cantor. His Mathematics and Philosophy of the Infinite.Princeton 1990FELGNER, U. (Herausgeber) <strong>Mengenlehre</strong>. Wiss. Buchgesellschaft 1979FRAENKEL, A. Einleitung in die <strong>Mengenlehre</strong>. Springer 1919FRAENKEL, A.- BAR HILLEL, Y. - LÉVY, A. Foundations of Set Theory.North Holland 1973GÖDEL, K. Collected Works. Oxford 1986-2003HALLETT, M. Cantorian set theory and limitation of size.Oxford Univ. Press 1984HAUSDORFF, F. Gesammelte Werke Band II. Grundzüge der <strong>Mengenlehre</strong>.Springer 2002LAVINE, S. Understanding the Infinite. Harvard 1998MESCHKOWSKI, H. Probleme des Unendlichen. Werk und Leben Georg Cantorsvieweg 1967MESCHKOWSKI, H. Hundert Jahre <strong>Mengenlehre</strong> dtv 1973MOORE, G.H. Zermelo’s Axiom of Choice. Springer 1982PURKERT, E. - ILGAUDS, H.J. Georg Cantor 1845-1918. Birckhäuser 1987QUINE, WILLARD V. Set Theory and its Logic. Harvard 1969


181Alternative AxiomensystemeBERNAYS, P. Axiomatic set theory. North Holland 1968CHUAQUI, R. Axiomatic Set theory. Impredicative Theory of Classes.North Holland 1981FORSTER, T. E. Set theory with a universal set. Oxford Univ. Press 1992POTTER, M.D. Sets. An Introduction. Oxford Univ. Press 1990QUINE, WILLARD V. <strong>Mengenlehre</strong> und ihre Logik. vieweg 1973SCHMIDT, J. <strong>Mengenlehre</strong> I. BI 1966VOPENKA, P. - HAJEK, P. The Theory of Semisets. North Holland 1972BibliographieG.H. MÜLLER und V. LENSKI ed. Ω-Bibliography of Mathematical Logic.Vol. I-VI. Springer 1987, fortgesetzt im internet unter:http://www-logic.uni-kl.de/BIBL/index.htmlWeitere links auch über http://www.math.uni-heidelberg.de/logic/wwwlinks.htmlSkripten im Internetüber die linkshttp://www.math.uni-heidelberg.de/logic/skripten.htmlhttp://www.uni-bonn.de/logic/world.htmlBiographien: http://www-groups.dcs.st-and.ac.uk/ history/BiogIndex.html

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