Auch den Hunden im Tierheim soll es gut gehen - Tierheim Paderborn
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Tierhe<strong>im</strong> Zeitung <strong>Paderborn</strong> Ausgabe 1/2012<br />
Seite 8<br />
Warenhaus Tierhe<strong>im</strong><br />
Ein Beitrag von Beate Rost<br />
Vor ein paar Tagen bekam ich einen Brief aus <strong>Paderborn</strong>.<br />
Eine mir unbekannte „Dame“ hatte dem Tierhe<strong>im</strong> in<br />
Schloss Neuhaus einen B<strong>es</strong>uch abg<strong>es</strong>tattet, mit dem Ziel<br />
– so ihre Worte – „sich einen kleinen Hund zuzulegen“.<br />
Aber, so schrieb sie, tief enttäuscht habe sie bereits nach<br />
einer halben Stunde das Gelände wieder verlassen.<br />
„Liebe Frau Rost“, so der Beginn ihrer Zeilen, „ich bin enttäuscht<br />
und frage mich ernsthaft, ob Sie wirklich wissen,<br />
was für ein Tierhe<strong>im</strong> Sie in Schloss Neuhaus unterstützen.<br />
Ich bin von Ihrer Arbeit begeistert, und Sie sind mir als<br />
eine seriöse Tierschützerin bekannt. Aus di<strong>es</strong>em Grund<br />
halte ich <strong>es</strong> auch für meine Pflicht, Ihnen meine Erfahrungen<br />
aus dem Tierhe<strong>im</strong> mitzuteilen. Ich bin an jedem<br />
Zwinger und an jedem Freilauf vorbeigelaufen. Können<br />
Sie sich vorstellen, dass <strong>es</strong> in dem ganzen Tierhe<strong>im</strong> nicht<br />
einen kleinen unkomplizierten Hund gibt? Entweder die<br />
Tiere sind uralt, groß oder völlig verhaltensg<strong>es</strong>tört. Müssten<br />
die Ang<strong>es</strong>tellten nicht dafür sorgen, dass für je<strong>den</strong><br />
etwas dabei ist? Irgendwann kommt doch sonst niemand<br />
mehr. Ich je<strong>den</strong>falls habe mir meinen Hund aus einem anderen<br />
Tierhe<strong>im</strong> geholt. Da hatte ich richtig Auswahl. (…)“<br />
Tja, liebe L<strong>es</strong>erinnen und L<strong>es</strong>er, sicher können Sie sich<br />
vorstellen, dass ich zunächst dachte, da will mich jemand<br />
auf <strong>den</strong> Arm nehmen. Aber so war <strong>es</strong> nicht. Di<strong>es</strong>er Brief<br />
war ernst gemeint. Die Dame, die ihn verfasst hatte, glaubte<br />
wirklich daran, was sie da schrieb. Und da sie eine Antwort<br />
von mir erwartete, <strong>soll</strong>te sie di<strong>es</strong>e auch bekommen.<br />
„Liebe Frau Falke 1* ,<br />
zunächst einmal möchte ich mich ganz herzlich für Ihre<br />
anerkennen<strong>den</strong> Worte zu meiner Arbeit bedanken. Ich<br />
freue mich, dass Sie trotz Ihrer Enttäuschung über die<br />
Auswahl der vorhan<strong>den</strong>en Hunde in Ihrem örtlichen Tierhe<strong>im</strong><br />
nicht zu einem Züchter gefahren sind, sondern sich<br />
auf <strong>den</strong> Weg zu einem nahe liegen<strong>den</strong> Tierhe<strong>im</strong> in der<br />
Umgebung gemacht haben.<br />
Sie schreiben, dass ich Ihnen als seriöse Tierschützerin<br />
bekannt sei. Ich werde versuchen, di<strong>es</strong>em Ruf in meiner<br />
Antwort auf Ihren Brief gerecht zu wer<strong>den</strong>.<br />
Albert Schweitzer sagte einmal „Tierschutz ist Erziehung<br />
zur Menschlichkeit“. Di<strong>es</strong>em Satz Geltung verschaffen<br />
zu wollen ist ein <strong>gut</strong>er Gedanke. Ein Gedanke, <strong>den</strong> wir<br />
Tierschützer gern beherzigen wür<strong>den</strong>. Aber so einfach<br />
wie <strong>es</strong> klingt, ist <strong>es</strong> leider nicht. In Wahrheit ist Tierschutz<br />
in unserer G<strong>es</strong>ellschaft nichts ander<strong>es</strong> mehr als eine Art<br />
Auffanglager, das man sich zunutze macht, wenn <strong>es</strong> zu<br />
unbequem wird. An das man sich erinnert, wenn man sich<br />
der Verantwortung, die man unüberlegt übernommen hat,<br />
wieder entziehen möchte, weil sie einem nicht mehr in <strong>den</strong><br />
Kram passt. Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen das so unverblümt<br />
sage. Aber in Anbetracht d<strong>es</strong>sen, dass alljährlich<br />
hunderttausende von Hun<strong>den</strong>, Katzen und Kleintieren in<br />
unseren Tierhe<strong>im</strong>en aufgenommen wer<strong>den</strong> müssen, mö-<br />
* Name geändert<br />
gen Sie mir die eine oder andere Emotion g<strong>es</strong>tatten.<br />
Um <strong>es</strong> aber nun auf <strong>den</strong> Punkt zu bringen: Ein Tierhe<strong>im</strong>,<br />
liebe Frau Falke, ist kein Warenhaus. In einem seriösen<br />
Tierhe<strong>im</strong> b<strong>es</strong>t<strong>im</strong>mt nicht die Nachfrage das Angebot. In<br />
einem seriösen Tierhe<strong>im</strong> wer<strong>den</strong> ausg<strong>es</strong>etzte oder abg<strong>es</strong>chobene<br />
Tiere aufgenommen, Tiere, die in Not sind,<br />
Tiere, die durch uns Menschen in Not geraten sind und<br />
Hilfe brauchen. Die Ang<strong>es</strong>tellten ein<strong>es</strong> Tierhe<strong>im</strong><strong>es</strong> haben<br />
die Aufgabe, di<strong>es</strong>en Tieren vorüber<strong>gehen</strong>d ein möglichst<br />
tiergerecht<strong>es</strong> Dasein zu ermöglichen. Dabei kommt <strong>es</strong><br />
kein<strong>es</strong>falls darauf an, ob di<strong>es</strong><strong>es</strong> Tier alt oder verhaltensg<strong>es</strong>tört<br />
ist, oder ob <strong>es</strong> möglicherweise nicht dem Schönheitsideal<br />
mancher B<strong>es</strong>ucher entspricht.<br />
Nun ist mir aber durchaus bekannt, dass zahlreiche Tierhe<strong>im</strong>e<br />
in Deutschland, auch das, in dem Sie nun Ihren<br />
Fred gefun<strong>den</strong> haben, dazu übergegangen sind, ihre Kassen<br />
durch regelmäßige Übernahmen „leicht vermittelbarer<br />
Hunde“ aus dem ost- und südeuropäischen Raum aufzub<strong>es</strong>sern.<br />
Denn bei einer Vermittlung ein<strong>es</strong> Auslandstier<strong>es</strong><br />
fließt in der Regel kein Geld zurück an die ausländischen<br />
Tierhe<strong>im</strong>e bzw. Tierschutzvereine. Der Nettogewinn aus<br />
<strong>den</strong> Vermittlungen di<strong>es</strong>er Auslandshunde ist in vielen<br />
deutschen Tierhe<strong>im</strong>en bereits eine f<strong>es</strong>t kalkulierte Größe<br />
<strong>im</strong> Budget. Manche Tierhe<strong>im</strong>e sind längst abhängig von<br />
dem Gewinn aus der Importhundevermittlung, und müssten<br />
sie darauf verzichten, wäre der Konkurs in vielen Fällen<br />
die zwangsläufige Folge. Aber, liebe Frau Falke, ein<strong>es</strong><br />
<strong>soll</strong>te Ihnen bewusst sein: Nicht selten wird einem alten<br />
und vielleicht schwer vermittelbaren Hund ein Platz in einem<br />
di<strong>es</strong>er Tierhe<strong>im</strong>e verwehrt, nur weil <strong>es</strong> di<strong>es</strong>en auch<br />
mit einem kleinen, <strong>gut</strong> vermittelbaren Süd- oder Osteuropäer<br />
b<strong>es</strong>etzen kann. Im Tierhe<strong>im</strong> in Schloss Neuhaus ist<br />
das nicht so. Hier findet jed<strong>es</strong> Tier Aufnahme und kein<strong>es</strong><br />
wird aus nicht medizinischen Grün<strong>den</strong> eing<strong>es</strong>chläfert. Jed<strong>es</strong><br />
Tier bleibt bis zu Vermittlung, <strong>im</strong> traurigsten Fall bis<br />
zu seinem Lebensende, in der Obhut der <strong>Paderborn</strong>er<br />
Tierschützer. <strong>Auch</strong> die alten, kranken und verhaltensg<strong>es</strong>törten.<br />
Liebe Frau Falke, am Ende mein<strong>es</strong> Brief<strong>es</strong> möchte ich Ihnen<br />
Ihre Frage beantworten: Ja, ich bin mir durchaus <strong>im</strong><br />
Klaren darüber, was für ein Tierhe<strong>im</strong> ich unterstütze. Ein<strong>es</strong>,<br />
das sich der wahren Aufgabe <strong>im</strong> Tierschutz bewusst<br />
ist.“<br />
Kommentar von Gabi Votsmeier, 1. Vorsitzende „Tiere<br />
in Not“ e.V.<br />
Es ist für mich <strong>im</strong>mer wieder erstaunlich, welche Vorstellung<br />
die Menschen von einem Tierhe<strong>im</strong> haben. Und was<br />
die Allgemeinheit unter dem Begriff „Tierschutz“ so all<strong>es</strong><br />
zusammenfasst. Dabei gibt <strong>es</strong> eine ganz einfache Übersetzung:<br />
Tierschutz bedeutet, dass man Tiere schützt.<br />
Nicht nur die G<strong>es</strong>un<strong>den</strong>, nicht nur die Schönen und nicht<br />
nur die Freundlichen. Nein, Tierschutz bedeutet, dass<br />
man auch die Alten und Kranken schützt, und sich auch<br />
der Hässlichen und Misstrauischen ann<strong>im</strong>mt.