Geschichte der nationalsozialistischen Patientenmorde
Geschichte der nationalsozialistischen Patientenmorde
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sich nun an <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> »Aktion Reinhardt«, dem Massenmord an den Juden<br />
Zentralpolens in den drei Lagern Belzec, Sobibor und Treblinka. Kommandant von Belzec (ab<br />
August 1942 Inspekteur aller drei Lager <strong>der</strong> »Aktion Reinhardt«) wurde Christian Wirth, <strong>der</strong><br />
frühere Büroleiter <strong>der</strong> »T 4«-Tötungsanstalten Grafeneck, Brandenburg, Hadamar und<br />
Hartheim. Irmfried Eberl, Tötungsarzt in Brandenburg und Bernburg, leitete das Lager<br />
Treblinka. Dort wurde er von Franz Stangl abgelöst, <strong>der</strong> zuvor für Wirth in Hartheim unter<br />
an<strong>der</strong>em als Leiter des Standesamtes fungiert und zahlreiche Sterbeurkunden ermordeter<br />
Patienten gefälscht hatte. Der »Aktion Reinhardt« fielen bis 1943 etwa 1,75 Millionen Juden<br />
sowie Tausende Sinti und Roma zum Opfer.<br />
8. . . DDie<br />
D<br />
ie ie dezentrale dezentralen dezentrale Krankenmord<br />
Krankenmorde Krankenmord<br />
1941 1941 – 1945 1945<br />
1945<br />
Nach dem Ende des Gasmordes endete die Tötung von Patienten und Heimbewohnern nicht;<br />
sie geschah jetzt durch Aushungern und durch die Verabreichung von Medikamenten. Das<br />
Verbrechen fand nun in vielen Heil- und Pflegeanstalten statt. Erst in jüngerer Zeit ist es <strong>der</strong><br />
historischen Forschung durch Einzelfallstudien gelungen, die den Morden vorangegangenen<br />
Patientenverlegungen detailliert zu belegen und die dafür Verantwortlichen zu benennen.<br />
Diese sind sowohl auf regionaler Ebene als auch auf Reichsebene zu finden, wo die weiter<br />
bestehende »T 4«-Zentrale in Berlin zusammen mit <strong>der</strong> Gesundheitsabteilung des<br />
Reichsinnenministeriums ein bestimmen<strong>der</strong> Akteur blieb. Der Verlauf des Verbrechens hing<br />
nun eng mit <strong>der</strong> verän<strong>der</strong>ten Kriegssituation zusammen. Die Wehrmacht befand sich in<br />
verlustreichen Rückzugsgefechten, zugleich trafen alliierte Flächenbombardements zahlreiche<br />
deutsche Großstädte. Die Wehrmacht benötigte zunehmend Raum für Lazarettzwecke; auf <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Seite suchten immer mehr Krankenhäuser durch die Folgen des Luftkrieges nach<br />
Ausweichquartieren. Die Gesundheitsverwaltung sah in psychisch Kranken »Platzhalter für<br />
den Bedarfsfall. Sie hielten die Betten warm, […] die Anstalt konnte nicht zur Kaserne<br />
umgewandelt werden« (Götz Aly). Trat <strong>der</strong> Bedarfsfall in den Augen <strong>der</strong> NS-<br />
Gesundheitspolitiker bzw. regionaler Verantwortlicher ein, wurden psychisch Kranke o<strong>der</strong><br />
Behin<strong>der</strong>te in an<strong>der</strong>e Anstalten verlegt und ihre Betten an Patienten städtischer<br />
Krankenhäuser vergeben. Die »T 4«-Zentrale koordinierte zahlreiche dieser Transporte. Mit<br />
<strong>der</strong> Einstellung <strong>der</strong> Gasmorde hatte die Verwaltung in <strong>der</strong> Tiergartenstraße 4 zwar ihre<br />
Machtstellung auf Reichsebene verloren, sie übte durch die Erfassung <strong>der</strong> Pflegekapazitäten<br />
dennoch weiterhin Planungskontrolle über die Heil- und Pflegeanstalten aus.<br />
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