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Ausgabe Nr. 25, Advent 2008 - Schottenpfarre

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Schotten-spirituell3Von fern halte ich Ausschau…Oder: Liturgie und Leben in einer spätherbstlichen ChorprobeLiturgieSerie: 12.Teilvon Dr. Ingrid FischerDie reflektierte Auseinandersetzung mitTexten und Handlungen der Liturgieund die Kommunikation darüber geratenfallweise in Verdacht abstrakt, abgehoben,elitär zu sein. Ich glaube, dass esanders ist. Dass im Vollzug – ob Übungoder Feier – Betroffenheit entsteht undEmotionen sich regen, die sich mitschon früher Vernommenem, d. h. „vernünftig“,verbinden, und dass sich dieseErfahrungen bedenken und mit-(einander)teilen lassen. Davon wünschte ichin diesmal ungewohnt persönlicherForm Zeugnis geben zu können.Noch fern von dir…Gar nicht adventlich gestimmt, eherhektisch hat die Chorprobe vergangeneWoche für mich begonnen. Doch schonder erste Text, den ich in Händen halte,rührt mich an, packt mich. Wort fürWort kommt er mir nahe und will seineErfahrung mit meiner verbinden: „Vonfern halte ich Ausschau...“ – so behauptetdas Responsorium am frühen Morgendes 1.Sonntags im <strong>Advent</strong>. Wer, ich? Ja,ich singe diese Worte und schaue aus.„Mehr als der Wächter auf den Morgen…“fällt mir spontan ein, obwohl dasnicht dort steht (sondern in Ps 130,6),und mit einem Mal empfinde ich ganzund gar die Not-Wendigkeit von Licht,Wärme, Gutwerden. „A longe ...“ – indas aufsteigende Intervall der „Sehnsucht-Sext“kann ich mein Sehnenlegen, und ich schaue immer noch „VonFerne…“ Doch die Musik führt michweiter – Da, ich sehe, die Macht Gotteskommt, und Nebel bedeckt die ganzeErde. Erhabene Größe und Tatkraft versprichtder Text. Ich kann entscheiden,ob ich meinen Herzenswunsch nachGeborgenheit davon „korrigieren“ lasseund erst einmal auf ihn, den „Gewaltigen“,blicke, ohne gleich festzuhalten,was genau ich von ihm erhoffe.Zerreiß’ die Hülle, die mich und alleVölker bedeckt!Dann sind da die Nebel – ist es dieWolke, die Gottes Gegenwart anzeigt?Doch heute scheint es mir eher trüb, wiekürzlich während der Autofahrt vonWels nach Wien, und die Nebel sind einSinnbild menschlichen Daseins. Erst zuAllerseelen haben wir gesungen „Wieein Nebel bald entstehet und bald wiederumvergehet, so ist unser Leben,sehet!“ Aber hier ist es anders: „Nebelbedeckt die ganze Erde“ – gar nichtflüchtig, sondern zäh liegt er über meinemLeben, über dem der anderen, ebenauf der „ganzen Erde“. Doch da blitztnoch etwas in der Erinnerung auf: diekürzlich gehörte Verheißung, am Endeder Zeiten werde die „Hülle“ entfernt,die „Decke“ zerrissen, „die alle Völkerbedeckt“ (Jes <strong>25</strong>,7). Will ich, dass dieDecke gelüftet wird? Bald wärmt sie,bald beschwert sie, jedenfalls nimmt siedie (Aus-) Sicht …… zu richten die Lebendenund die TotenEinige Takte später beendet ein Befehlmeinen Gedankengang: „Geht ihm entgegen!“Das adventlich-vertraute „Ihrmüsset ihm entgegengehn“ (GL 110)meldet sich sofort, aber es passt nicht.Denn die Jungfrauen im Matthäusevangeliumwissen, wen sie erwarten, denersehnten Bräutigam. Ich aber soll singenund fragen: „Künde uns: bist du esselbst, der in Israel herrschen wird?“Wie fragen? Zögernd wie Johannes, fürden alles auf dem Spiel steht, und derdeshalb seine Jünger zu Jesus schickt:„Bist du der, der kommen soll, odermüssen wir auf einen andern warten?“(Mt 11,3). Oder besorgt wie alle, derenMacht unter seiner Herrschaft zu Endegehen wird? Oder voll Hoffnung, weiler kommt, mich und die Erde (auf-) zurichten?Aspiciens a longe: ecce video Dei potentiam venientemet nebulam totam terram tegentem.Ite obviam ei et dicite: „Nuntia nobis, si tu es ipse,qui regnaturus es in populo Israel.“Von fern halte ich Ausschau: Da, ich sehe: die Macht Gottes kommt,und Nebel bedeckt die ganze Erde.Geht ihm entgegen und sagt: „Künde uns: Bist du es selbst,der in Israel herrschen wird?“Aspiciens a longe ... Hartker-Antiphonar, St. Gallen (10.Jhd.)Cod.Sang.390,15,Stiftsbibliothek St.Gallen / CodicesElectronici Sangallenses<strong>Advent</strong>liche BewegungenDieser letzte Text: „Künde uns: bist dues … , der herrschen wird?“ wird nundreimal, jeweils um ein Stück verkürzt,wiederholt: Es geht Schlag auf Schlag,wir singen und sagen einander imWechsel die Herrschaft dessen, der imKommen ist, zu. Zuspruch und Annahme,Wort und Antwort prägen sich ein. –Letztes Jahr hat die nach oben strebendeBewegung des Introitus zum 1. <strong>Advent</strong>sonntag„Zu dir, Herr, erhebe ich meineSeele“ (Ps <strong>25</strong>,1) meinen <strong>Advent</strong> begleitet.Heuer lerne ich den sehnsuchtsvollenBlick aus der Ferne. Und alles, wasich sonst noch an biblischen Worten undliturgischen Erfahrungen in mir trage,lässt mich, so hoffe ich, immer mehrund tiefer verstehen… Vielleicht imnächsten Jahr um dieselbe Zeit – oderschon früher im Gespräch und Austauschmit anderen?

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