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Leitartikel - RotFuchs

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Seite 20 ROTFUCHS / April 2008<br />

Warum man das Unrecht des Slánský-Prozesses<br />

nicht unterschlagen darf<br />

Der Wahrheit die Ehre geben<br />

Der slowakische Nationalaufstand<br />

gegen die deutsch-faschistischen Besatzer<br />

und deren Marionette Tiso, angeführt<br />

durch den aus einem breiten Bündnis<br />

von Demokraten und Kommunisten<br />

hervorgegangenen Slowakischen Nationalrat<br />

und eine verzweigte Partisanenbewegung,<br />

die sich bereits zu einer Slowakischen<br />

Armee formiert hatte, behauptete<br />

sich in der zweiten Hälfte des Jahres<br />

1944 fast drei Monate. Die herbeigerufene<br />

Übermacht der Deutschen zwang die<br />

Teilnehmer des Aufstands, sich bis zum<br />

Einmarsch der Roten Armee im Frühjahr<br />

1945 in die Berge zurückzuziehen.<br />

Eine herausragende Persönlichkeit dieser<br />

Periode war der maßgeblich an der<br />

Volkserhebung beteiligte 43jährige Rudolf<br />

Slánský, ein jüdischer Kommunist.<br />

Seine Genossen hatten ihn schon 1929 als<br />

28jährigen in das ZK der Tschechoslowakischen<br />

Kommunistischen Partei gewählt.<br />

Nach der Befreiung durch die Rote Armee<br />

wurde er 1945 Generalsekretär der Partei<br />

und war als solcher exponiert an der im<br />

„<strong>RotFuchs</strong>“ beschriebenen Umwälzung<br />

vom Februar 1948 beteiligt. 1951 wurde<br />

Slánský jedoch auf Verlangen Klement<br />

Gottwalds seiner Funktion enthoben.<br />

George Habash (Al Hakim – der Doktor)<br />

war einer der bedeutendsten<br />

und standhaftesten Männer des linken<br />

Flügels der palästinensischen Befreiungsbewegung.<br />

Er ist unlängst in der jordanischen<br />

Hauptstadt Amman gestorben, wo<br />

er seit dem Jahr 2000 das Ghad-al-Arabia-<br />

Studienzentrum geleitet hatte.<br />

Genosse Habash, ein zielklarer marxistischer<br />

Analytiker, der zeit ihres Bestehens<br />

ein verläßlicher Freund der DDR war,<br />

stieß schon während der britischen Protektoratsherrschaft<br />

über Palästina zum<br />

antikolonialen, antiimperialistischen<br />

und antizionistischen Widerstand. Nach<br />

dem Studium übte er zunächst eine zweijährige<br />

Lehrertätigkeit aus, bevor er 1944<br />

an der Beiruter Amerikanischen Universität<br />

das Medizinstudium aufnahm. Als<br />

die UNO im Jahre 1948 der Bildung des<br />

Staates Israel zustimmte, wurden George<br />

Habash und seine Familie wie 700 000<br />

andere Palästinenser durch die Zionisten<br />

aus ihrer Heimat vertrieben.<br />

Gründer der Arabischen Nationalen<br />

Bewegung, die sich für den bewaffneten<br />

Kampf in den okkupierten Gebieten<br />

aussprach, arbeitete Habash zunächst<br />

als Arzt in verschiedenen Flüchtlingslagern<br />

auf libanesischem Boden. Nach<br />

der arabischen Niederlage im Jahre 1967<br />

Ende jenes Jahres stand er – in einem auf<br />

Moskauer Betreiben in Szene gesetzten<br />

Schauprozeß – wegen „titoistischer und<br />

zionistischer Umtriebe“ vor Gericht. Er<br />

wurde wie die meisten seiner Mitangeklagten<br />

zum Tode verurteilt und hingerichtet.<br />

Das auf fadenscheinige „Beweise“ und unwahre<br />

Behauptungen gestützte Urteil löste<br />

in der internationalen kommunistischen<br />

Öffentlichkeit unter den Bedingungen des<br />

Aufatmens im schwer erkämpften Frieden<br />

Bestürzung aus. Rudolf Slánský war bekannt<br />

und geachtet. Die Passanten der Prager<br />

Innenstadt oder in Bratislava erstarrten<br />

vor den Straßenlautsprechern, die das<br />

Verfahren live aus dem Gerichtssaal übertrugen.<br />

Der bereits Todgeweihte beschwor<br />

mit gebrochener Stimme seine Landsleute,<br />

dem neuen Generalsekretär und Präsidenten<br />

der Tschechoslowakischen Republik<br />

Klement Gottwald treu zu folgen.<br />

Vielleicht hatte man Slánský 1951 für einen<br />

solchen Appell das Leben versprochen<br />

– wir wissen es nicht. Nach all dem, was<br />

geschehen ist, erscheint es mir bedenklich,<br />

57 Jahre später dem „<strong>RotFuchs</strong>“-Leser<br />

von der „Prager Lektion“ zu berichten<br />

und Klement Gottwald als „lichte Gestalt“<br />

darzustellen. Daß sich die Februar-Ereignisse<br />

„auf dem Boden der Verfassung“<br />

vollzogen, kann nur glaubwürdig sein,<br />

wenn zugleich eingestanden wird, daß<br />

Präsident Gottwald nur drei Jahre danach<br />

den Boden der Verfassung verließ, um ein<br />

ihm empfohlenes Justizverbrechen – den<br />

Slánský-Prozeß – in Auftrag zu geben. So<br />

sahen in dem Beitrag (RF 121) nicht näher<br />

erwähnte „Folgen des Februarsieges“ aus.<br />

Es handelt sich dabei um düstere Kapitel<br />

der Geschichte, die durch Klitterung<br />

nicht aufgehellt werden. Wenn wir uns<br />

schon an ein so widersprüchliches Thema<br />

heranwagen, sollten wir den Boden der<br />

Tatsachen nicht verlassen.<br />

Die Beteuerungen des Kommunisten Rudolf<br />

Slánský auf der Anklagebank halfen<br />

nichts. Er wurde erst 1963, also zehn<br />

Jahre nach Stalins Tod, durch die KP der<br />

Tschechoslowakei rehabilitiert. Wir sollten<br />

die einst verstoßenen Genossen nicht<br />

auch noch heute verleugnen, weil das<br />

einer neuerlichen Verurteilung de facto<br />

gleichkäme, sondern – fern aller Opferrituale<br />

– lernen, ihren Mut, ihre Ergebenheit,<br />

ihren Kampfgeist zu bewundern, was<br />

sich positiv auf unsere gesamte Bewegung<br />

auswirken dürfte. Walter Ruge<br />

Zum Tode von George Habash (1925–2008)<br />

Der palästinensischen Sache ergeben<br />

formierten er und seine politischen Mitstreiter<br />

die Volksfront für die Befreiung<br />

Palästinas (PFLP), die eine besonders<br />

aktive Rolle in der Auseinandersetzung<br />

mit den israelischen Unterdrückern spielt.<br />

Während ihre Taktik nicht immer auf die<br />

ungeteilte Sympathie aller Freunde der<br />

palästinensischen Sache stieß, wurde die<br />

zunehmende Orientierung der PFLP auf<br />

marxistische Positionen unter Linken in<br />

aller Welt mit Sympathie begleitet. Zunächst<br />

in Libanon angesiedelt, sah sich<br />

die PFLP-Führung nach der israelischen<br />

Invasion und der Vertreibung der PLO von<br />

dort zur Übersiedlung nach Damaskus<br />

gezwungen.<br />

Entschieden widersetzte sich die zum linken<br />

Flügel der PLO gehörende PFLP dem<br />

von USA-Präsident Reagan scheinheilig<br />

initiierten „Friedensprozeß“, der 1985 zunächst<br />

im Abkommen von Amman gipfelte<br />

und später mit den Osloer Verträgen seine<br />

Fortsetzung fand. George Habash unterstrich<br />

stets das Recht der Palästinenser<br />

auf Rückkehr in ihre Heimat. Anläßlich<br />

der 6. Konferenz der PFLP im Jahre 2000<br />

hielt er als deren Generalsekretär seine<br />

Abschiedsrede. Habashs Nachfolger wurde<br />

Abu Ali Mustafa.<br />

R. F., gestützt auf einen Nachruf der<br />

PFLP („The New Worker“, London)

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