Hinter den Kulissen - Alterszentrum Obere Mühle AG

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11.07.2015 Aufrufe

Portrait1 • 2013 • Frühling • 16Mamma AliceAlice Wildi, die gebürtige Italienerin aus der ProvinzUdine, zog 1947 nach dem Krieg in die Schweiz, um ihrGlück zu finden. 17 Jahre lang hatte sie in Herrschaftshäusernu.a. in Rom gedient und dabei die italienischeGastronomie bestens kennen gelernt. Nun wollte sie IhrLeben im gelobten Norden neu starten. Doch der Alltagin Helvetien war hart, die Italiener wurden von denSchweizern nicht gerade liebevoll empfangen und mehrals Fabrikarbeit liess sich hier nicht finden.Dort, wo heute «Rohner Stoffe» seine Ballen stapelt,nähte sie Damenmäntel und Deux-Pièces für die FirmaOtta AG in Zürich. Sie heiratete einen Schweizer undholte ihre in Italien geborene Tochter nach Lenzburg andie Kirchgasse, wo sie 40 Jahre lang zusammen lebten.Die Schweizer Überheblichkeit bereitete ihr und ihrenLandsleuten Mühe. Ihre Tochter erinnert sich, wie siesich jeweils temperamentvoll beim Verkaufspersonal indenden wehrte, wenn einer «Frau Doktor» wegendie Reihenfolge beim Bedienen nicht eingehalten wurde.Auch waren die «Südländler» in den Gaststuben nichtsehr willkommen. Sie waren unüblich laut. Alice Wilditräumte von Eigenverantwortung und schaffte Abhilfe.Ein Bekannter ihres Ehemannes überliess ihr ein leerstehendesGebäude an der Wylgasse und so gründete sieihr eigenes Restaurante.Hans-Ueli Glarner würdigte in den Achtziger Jahren imdamaligen Tagblatt ausführlich die ausgezeichnete Qualitätder italienischen Küche in der Pensione della MammaAlice, wie sie genannt wurde. Zusammen mit ihrer TochterMarisa zauberte sie jeden Tag für je zehn Frankenzwei reichhaltige Menüs inkl. Getränke auf den Tisch.Das deckte die Kosten kaum, aber Mamma Alice wolltekein Luxusétablissement. Das Essen sollte für jedenbezahlbar bleiben. So wurde sie oft auch ausgenutzt.Zechprellerei gab es auch damals.Im Winter 1988 wurde ihr gekündigt, weil ein Neubauvorgesehen war. Von nun an, 73 Jahre alt, privatisiertesie in der Aavorstadt, wo sie mit der Familie ihrer Tochterhingezogen war. Um nicht ganz der Untätigkeit anheimzu fallen begann sie das Treppenhaus, je nach Verschmutzungsgrad,täglich zu putzen. Ihr Ehemann starbbereits 1960, doch eine Rückkehr nach Italien stand niezur Debatte. Wie viele ausgewanderte Italiener wusstesie inzwischen die schweizerische Zuverlässigkeit zuschätzen. Seit letzten Mai lebt Frau Wildi im LenzburgerAlterszentrum. Sie ist total erblindet und leidet unter ihrerAbhängigkeit. Sie, die doch ihr ganzes Leben tatkräftigin Eigenregie gestaltet hatte.Aufgezeichnet von Brigitte Arnold

Portrait1 • 2013 • Frühling • 17

Portrait1 • 2013 • Frühling • 16Mamma AliceAlice Wildi, die gebürtige Italienerin aus der ProvinzUdine, zog 1947 nach dem Krieg in die Schweiz, um ihrGlück zu fin<strong>den</strong>. 17 Jahre lang hatte sie in Herrschaftshäusernu.a. in Rom gedient und dabei die italienischeGastronomie bestens kennen gelernt. Nun wollte sie IhrLeben im gelobten Nor<strong>den</strong> neu starten. Doch der Alltagin Helvetien war hart, die Italiener wur<strong>den</strong> von <strong>den</strong>Schweizern nicht gerade liebevoll empfangen und mehrals Fabrikarbeit liess sich hier nicht fin<strong>den</strong>.Dort, wo heute «Rohner Stoffe» seine Ballen stapelt,nähte sie Damenmäntel und Deux-Pièces für die FirmaOtta <strong>AG</strong> in Zürich. Sie heiratete einen Schweizer undholte ihre in Italien geborene Tochter nach Lenzburg andie Kirchgasse, wo sie 40 Jahre lang zusammen lebten.Die Schweizer Überheblichkeit bereitete ihr und ihrenLandsleuten Mühe. Ihre Tochter erinnert sich, wie siesich jeweils temperamentvoll beim Verkaufspersonal in<strong>den</strong> Lä<strong>den</strong> wehrte, wenn einer «Frau Doktor» wegendie Reihenfolge beim Bedienen nicht eingehalten wurde.Auch waren die «Südländler» in <strong>den</strong> Gaststuben nichtsehr willkommen. Sie waren unüblich laut. Alice Wilditräumte von Eigenverantwortung und schaffte Abhilfe.Ein Bekannter ihres Ehemannes überliess ihr ein leerstehendesGebäude an der Wylgasse und so gründete sieihr eigenes Restaurante.Hans-Ueli Glarner würdigte in <strong>den</strong> Achtziger Jahren imdamaligen Tagblatt ausführlich die ausgezeichnete Qualitätder italienischen Küche in der Pensione della MammaAlice, wie sie genannt wurde. Zusammen mit ihrer TochterMarisa zauberte sie je<strong>den</strong> Tag für je zehn Frankenzwei reichhaltige Menüs inkl. Getränke auf <strong>den</strong> Tisch.Das deckte die Kosten kaum, aber Mamma Alice wolltekein Luxusétablissement. Das Essen sollte für je<strong>den</strong>bezahlbar bleiben. So wurde sie oft auch ausgenutzt.Zechprellerei gab es auch damals.Im Winter 1988 wurde ihr gekündigt, weil ein Neubauvorgesehen war. Von nun an, 73 Jahre alt, privatisiertesie in der Aavorstadt, wo sie mit der Familie ihrer Tochterhingezogen war. Um nicht ganz der Untätigkeit anheimzu fallen begann sie das Treppenhaus, je nach Verschmutzungsgrad,täglich zu putzen. Ihr Ehemann starbbereits 1960, doch eine Rückkehr nach Italien stand niezur Debatte. Wie viele ausgewanderte Italiener wusstesie inzwischen die schweizerische Zuverlässigkeit zuschätzen. Seit letzten Mai lebt Frau Wildi im Lenzburger<strong>Alterszentrum</strong>. Sie ist total erblindet und leidet unter ihrerAbhängigkeit. Sie, die doch ihr ganzes Leben tatkräftigin Eigenregie gestaltet hatte.Aufgezeichnet von Brigitte Arnold

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