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Neue Distributionswege im Reifenhandel Neue ... - Reifenpresse.de

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Pit Stop gilt als eine nach vorn ausgerichtete und von Kwik Fit angetriebene Fast Fit-Kette mit hohem Wachstumsansprüchen<br />

<strong>Neue</strong> <strong>Distributionswege</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Reifenhan<strong>de</strong>l</strong><br />

Der klassische <strong>Reifenhan<strong>de</strong>l</strong> sieht sich auf<br />

vielen Ebenen einem rasanten und folgenreichen<br />

Wandlungsprozess ausgesetzt.<br />

Ob große herstellereigene Han<strong>de</strong>lsketten wie<br />

Vergölst, Holert Konz, Euromaster, Pneumobil,<br />

ob Kooperationen wie VRG, team, point<br />

S <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Markt künftig eine noch stärkere<br />

Rolle spielen o<strong>de</strong>r ob Partnerschaften <strong>de</strong>s<br />

Han<strong>de</strong>ls mit Industriefirmen - z.B. EFR, Premio<br />

o<strong>de</strong>r auch Franchiseangebote - die beste<br />

Antwort <strong>im</strong> Wettbewerb sind, bleibt schwer zu<br />

beurteilen. Eine regelrechte Flucht in größere<br />

Einheiten, vorgemacht durch das Fusionsfieber<br />

großer Industriekonzerne, wird es mit<br />

Sicherheit geben. Die jüngste Konzentrationsgeschichte<br />

wird gera<strong>de</strong> von einer englischen<br />

Investorengruppe gemeinsam mit <strong>de</strong>m<br />

dänischen Händler Nielsen, Inhaber <strong>de</strong>r<br />

Viborg-Gruppe, geschrieben. Ob sich aus<br />

Gummi-Mayer und Stinnes Reifendienst nun<br />

schlagkräftige „Mayer’s Reifendienste” formen<br />

lassen, ist noch zu beweisen. Diese „neue<br />

Bedrohung” hat die ohnehin geplante engere<br />

Zusammenarbeit <strong>de</strong>r Kooperationen team<br />

und VRG, die vertraglich so ausgestaltet ist,<br />

dass am En<strong>de</strong> die Fusion steht, je<strong>de</strong>nfalls<br />

beschleunigt. Um mit <strong>de</strong>n betreuten Großverbrauchern<br />

<strong>im</strong> Flotten- und Leasinggeschäft<br />

<strong>im</strong> Geschäft bleiben zu können, ist vollstän-<br />

dige Flächenab<strong>de</strong>ckung innerhalb Deutschlands<br />

und darüber hinaus erfor<strong>de</strong>rlich. Weitere<br />

Synergien <strong>de</strong>r Kooperationsfusion sollen<br />

sich in Einkauf, Werbung, Marketing und Verwaltung<br />

schöpfen lassen. Und auch diese<br />

Maßnahme wird über kurz o<strong>de</strong>r lang eine<br />

Gegenmaßnahme erfahren, <strong>de</strong>nn auch point<br />

S wird an einer opt<strong>im</strong>alen Flächenab<strong>de</strong>ckung<br />

zu feilen haben. Das ist nicht alles. Pneuhage,<br />

seit wenigen Monaten erst aus <strong>de</strong>m team-<br />

Kreis ausgeschie<strong>de</strong>n, sucht Flächen<strong>de</strong>ckung<br />

in <strong>de</strong>r Zusammenarbeit mit Schwarz/Passau,<br />

Günther/Diepholz und weiteren namhaften<br />

Händlern herzustellen. <strong>Neue</strong>rdings aufgekommene<br />

Gerüchte, Reiff/Reutlingen wer<strong>de</strong><br />

sich mit <strong>de</strong>r Pneuhage verbün<strong>de</strong>n und aus<br />

team ausschei<strong>de</strong>n, hat Eberhard Reiff klar und<br />

<strong>de</strong>utlich zurückgewiesen.<br />

Zwar konnte <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche Fachhan<strong>de</strong>l <strong>im</strong><br />

vergangenen Jahr <strong>im</strong>mer noch seinen Distributionsanteil<br />

<strong>im</strong> hauptsächlichen Wettbewerb<br />

mit Autohäusern und Fachmärkten von rund<br />

60 Prozent nach Angaben <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverban<strong>de</strong>s<br />

<strong>Reifenhan<strong>de</strong>l</strong> und Vulkaniseur-Handwerk<br />

(BRV) behaupten, doch schon bald<br />

kommt neue Konkurrenz aus <strong>de</strong>n Startlöchern,<br />

um großen wie kleinen Reifenhändlern,<br />

unabhängigen wie abhängigen, das<br />

Leben spürbar schwerer zu machen. Grob<br />

gerastert stellen sich die Distributionsmöglichkeiten<br />

wie folgt dar:<br />

❏ Der klassische <strong>Reifenhan<strong>de</strong>l</strong> hat sich bisher<br />

behaupten können; er differenziert sich weiter<br />

nach Betriebstypen, kann nicht mehr überall<br />

alles machen, son<strong>de</strong>rn spezialisiert sich als<br />

Pkw-Reifen- bzw. Nutzfahrzeugreifenanbieter.<br />

❏ Seit Jahren wächst die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r<br />

Autohäuser als Reifenvermarkter, gemeint sind<br />

Vertragswerkstätten für gute Automarken,<br />

allerdings sind die Potenziale wohl l<strong>im</strong>itiert.<br />

❏ Zur weiteren und gefährlicheren Konkurrenz<br />

wer<strong>de</strong>n sich die von <strong>de</strong>n Autoherstellern<br />

gekündigten und <strong>im</strong> Stich gelassenen<br />

Reparaturwerkstätten mausern und als preisgünstige<br />

Anbieter schneller Automobilreparaturen<br />

sich um eine Alternative zum „noblen<br />

und teuren Autohaus” profilieren. Das sind<br />

dann die Fast Fitter, Konzentration auf Verschleißteile<br />

wie Bremsen, Stoßdämpfer, Auspuffanlagen<br />

und eben auf Reifen und Rä<strong>de</strong>r.<br />

Diese künftig namen- und markenlosen Reparaturbetriebe<br />

wer<strong>de</strong>n um ihre Existenzberechtigung<br />

hart kämpfen, weil die Inhaber mit ihren<br />

Familien diesen ihnen aufgezwungenen Umwandlungsprozess<br />

überstehen müssen. Fast Fitter<br />

wer<strong>de</strong>n populärer wer<strong>de</strong>n. Man wird aus<br />

<strong>de</strong>r Automobilecke kommen<strong>de</strong> Servicebetriebe<br />

sehen, die auch Reifen verkaufen, und man<br />

wird aus <strong>de</strong>r <strong>Reifenhan<strong>de</strong>l</strong>secke kommen<strong>de</strong><br />

Servicebetriebe sehen, die in das Feld <strong>de</strong>r Verschleißteile<br />

wie Bremsen, Stoßdämpfer, Auspuff<br />

etc. massiver als bisher hineinstoßen.<br />

❏ Fast Fitter wie AutoCrew, die sich bisher<br />

<strong>Neue</strong> ReifenZeitung 1/2000 25


26<br />

Markt + Marketing<br />

mehr o<strong>de</strong>r weniger auf <strong>de</strong>n Stoßdämpferaustausch<br />

zum Wohle <strong>de</strong>r Firma Fichtel & Sachs<br />

kaprizierten, brauchen mehr, u.a. auch Reifenund<br />

Rä<strong>de</strong>rvermarktung, um Profite sehen zu<br />

können. Good to know.<br />

❏ Nicht wenige Bosch-Werkstätten stehen<br />

vor notwendiger Neuorientierung. „Bosch-<br />

Licht” und „Bosch-Zündkerzen” o<strong>de</strong>r „Bosch-<br />

Zündung” sind kaum noch große Domänen<br />

<strong>de</strong>r Stuttgarter Vertragshändler, seit computergesteuerte<br />

Bosch-Elektronik Einzug in<br />

nahezu alle Automobilwerkstätten gefun<strong>de</strong>n<br />

hat und in BMW-, Merce<strong>de</strong>s- und an<strong>de</strong>ren<br />

Werkstätten ein Bosch-Prüfstand unverzichtbar<br />

gewor<strong>de</strong>n ist. Wie kaum ein an<strong>de</strong>rer Serviceleister<br />

sind Bosch-Autowerkstätten<br />

gezwungen, sich nach weiteren Geschäftsfel<strong>de</strong>rn<br />

umzusehen.<br />

❏ Dass Großhändler sich bemühen, für<br />

ihre Kun<strong>de</strong>n mehr und mehr in die Rolle eines<br />

Franchisegebers zu schlüpfen, lässt sich ebenso<br />

an vielen Ecken und Kanten feststellen. Die<br />

Mengen- und Streckengeschäfte mit Reifenhändlern<br />

gehören ohnehin <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />

an.<br />

❏ <strong>Neue</strong>r Wettbewerb, neue Distributionsformen,<br />

wer<strong>de</strong>n sich auch für Nutzfahrzeugreifenvermarkter<br />

ergeben. Viele Werkstätten<br />

drängeln und wollen teilhaben am Flottenund<br />

Leasinggeschäft. Auch in diesem Bereich<br />

ist <strong>de</strong>r Nachweis einer Flächenab<strong>de</strong>ckung auf<br />

Dauer unverzichtbar o<strong>de</strong>r das Geschäft fällt<br />

flach.<br />

❏ Last but not least könnte sich auch das<br />

Internet <strong>im</strong> Laufe <strong>de</strong>r Jahre zu einem Wettbewerbsfaktor<br />

entwickeln; zunächst noch<br />

bleibt mit Erleichterung festzuhalten, dass sich<br />

Reifen nicht so einfach wie Bücher verkaufen<br />

und versen<strong>de</strong>n lassen.<br />

Und warum kommen diese Entwicklungen<br />

heute geballt auf <strong>de</strong>n Reifenfachhan<strong>de</strong>l zu? Eine<br />

Überraschung ist es nicht, eher fast eine Normalität.<br />

Der Markt ist gesättigt, vielfach sind<br />

Unternehmer auch satt. Die Geschäftsverbindungen<br />

sind fest eingefahren, Marktanteile<br />

scheinen zementiert. Das aber kann kein Grund<br />

sein für Newcomer aus an<strong>de</strong>ren Regionen <strong>de</strong>r<br />

Welt, sich mit <strong>de</strong>m nach USA und Japan drittgrößten<br />

Einzelmarkt <strong>de</strong>r Welt für Reifen nicht<br />

zu beschäftigen. Und wenn ein Markteintritt<br />

nicht mit „Traditionalisten” möglich ist, nicht mit<br />

<strong>de</strong>n größten und besten Vermarktern, muss<br />

man die zweitbeste Alternative nehmen. Und<br />

dann hilft je<strong>de</strong>r Lieferant seinem Kun<strong>de</strong>n so gut<br />

er halt kann <strong>im</strong> wohl verstan<strong>de</strong>nen eigenen<br />

Interesse. Die Annahme, irgendwann einen<br />

wichtigen Markt allein beherrschen zu können,<br />

kann sich selbst in Theorie nur erfüllen, wenn<br />

die anzubieten<strong>de</strong>n Produkte einmalig sind. Für<br />

Reifen und Rä<strong>de</strong>r, Bremsen und Stoßdämpfer<br />

gilt das wohl nicht.<br />

Vorliegend geht es um einen sehr groben<br />

Überblick über bereits zu sehen<strong>de</strong> wie zu<br />

erwarten<strong>de</strong> Verän<strong>de</strong>rungen in Sachen Reifenvermarktung.<br />

Fragen wer<strong>de</strong>n in Hülle und Fülle<br />

zu stellen sein, Antworten kann es, wenn überhaupt,<br />

nur nach eingehen<strong>de</strong>r Diskussion,<br />

weitergehen<strong>de</strong>r Recherche sowie <strong>de</strong>m Dialog<br />

mit Fachleuten geben. Was sich heute bereits<br />

abzeichnet, kann vorgestellt und in Etappen <strong>im</strong><br />

laufen<strong>de</strong>n Jahr Monat für Monat weiter untersucht<br />

und beleuchtet wer<strong>de</strong>n. Im einzelnen:<br />

Ford<br />

Die Ford Motor Company, zur Zeit<br />

bestverdienen<strong>de</strong>r und – noch – hinter General<br />

Motors zweitgrößter Automobilhersteller<br />

<strong>de</strong>r Welt, traf <strong>im</strong> vorigen Jahr gleich zwei<br />

schlagzeilenträchtige Entscheidungen, aus<br />

<strong>de</strong>nen sich nachhaltige Auswirkungen auf die<br />

Reifenvermarktung ableiten lassen.<br />

1. Mit <strong>de</strong>r Übernahme von Kwik-Fit, <strong>de</strong>r größten<br />

Autoservicekette in Europa, gehören seit<br />

April 1999 weitere rund 1.900 Servicewerkstätten<br />

zum Ford-Konzern. Neben <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen<br />

Pit-Stop-Netz sind dies vor allem die<br />

Kwik-Fit-Stützpunkte in Großbritannien,<br />

Irland, <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n und Belgien sowie<br />

die Speedy-Filialen in Frankreich, Belgien,<br />

Spanien und <strong>de</strong>r Schweiz. Und bis zum Jahre<br />

2010 will Kwik-Fit-Boss Sir Tom Farmer mit <strong>de</strong>r<br />

finanziellen Rücken<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>s Autoriesen<br />

die Zahl <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlassungen bekanntlich auf<br />

5.000 steigern – so zumin<strong>de</strong>st die ehrgeizige<br />

Zielsetzung. Sir Tom möchte in Frankreich<br />

jährlich 100 neue Speedy-Lä<strong>de</strong>n eröffnen,<br />

was nach Auffassung <strong>de</strong>r französischen Speedy-Geschäftsführung<br />

allerdings nicht möglich<br />

sein wird. 60 Lä<strong>de</strong>n könne man aber jährlich<br />

„ans Netz” bringen. Welcher Chef einer <strong>Reifenhan<strong>de</strong>l</strong>skette<br />

in Deutschland ließe sich zu<br />

einer Aussage hinreißen, die Eröffnung von<br />

60 Betrieben <strong>im</strong> Jahr, wohlgemerkt: <strong>Neue</strong>röffnungen,<br />

sei machbar? Und in diesen 60<br />

Speedy-Lä<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n dann auch Reifen vermarktet,<br />

wie viele es <strong>im</strong>mer sein mögen.<br />

2. Im September überraschte Ford-USA mit<br />

<strong>de</strong>r klaren Aussage, „größter Reifenvermarkter<br />

<strong>de</strong>r USA” wer<strong>de</strong>n zu wollen. Ein aus 2.400<br />

von insgesamt 5.000 Ford- und Lincoln-Mercury-Händlern<br />

bestehen<strong>de</strong>s Netz wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Öffentlichkeit in einer Anzeigenkampagne als<br />

„Amerikas neuestes Reifengeschäft” vorgestellt.<br />

Die Zielsetzung ist ambitiös: In diesem<br />

Jahr sind drei Millionen Pkw-Reifen geplant,<br />

damit das für 2001 gesetzte Etappenziel von<br />

sechs Millionen Pkw-Reifen erreichbar bleibt.<br />

Das ist durchaus realistisch, <strong>de</strong>nn um die Drei-<br />

Millionen-Grenze zu überspringen, müsste<br />

je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r zunächst beteiligten 2.400 Betriebe<br />

lediglich einen Satz Reifen pro Tag verkaufen.<br />

Und wenn es in <strong>de</strong>n USA funktioniert, Ford<br />

auch profitiert, welche Entwicklung wer<strong>de</strong>n<br />

wir dann in Europa, auch in Deutschland, zu<br />

erwarten haben?<br />

Was verspricht sich Ford von <strong>de</strong>r sehr teuren<br />

Kwik-Fit-Akquisition? Welche Konsequenzen<br />

kann das haben? Was treibt die<br />

Ford-Verantwortlichen an, mit <strong>de</strong>n Geldsäkken<br />

durch die Län<strong>de</strong>r zu ziehen und für neue<br />

Kun<strong>de</strong>n ein Vermögen nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren<br />

hinzublättern?<br />

Eine Antwort kann <strong>im</strong> Hinweis auf <strong>de</strong>n<br />

Begriff <strong>de</strong>r „Opt<strong>im</strong>ierung <strong>de</strong>r Wertschöpfungskette”<br />

liegen. Was ist damit gemeint?<br />

Je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Marke Ford untreu wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Kun<strong>de</strong> ist aus Sicht <strong>de</strong>s Managements pure<br />

Provokation. Wan<strong>de</strong>rt dieser zu <strong>de</strong>n preisgünstigeren<br />

Fast Fittern und „freien Werk-<br />

<strong>Neue</strong> ReifenZeitung 1/2000


Die Kwik-Fit-Geschichte<br />

Sir Tom Farmer (59), Kwik-Fits charismatischer<br />

Führer, grün<strong>de</strong>te 1964 in Edinburgh/Schottland<br />

die Firma TYRE &<br />

ACCESSORY SUPPLIES und verkaufte sie<br />

bereits vier Jahre später für eine halbe Million<br />

Pfund Sterling an ALBANY TYRES.<br />

Nach einer „Schamfrist” als angestellter Geschäftsführer<br />

verließ er das Unternehmen,<br />

um es sich als Pensionär in Kalifornien<br />

gemütlich zu machen. Langeweile und<br />

He<strong>im</strong>weh trieben ihn nach Schottland<br />

zurück, wo er 1971 die Firma Kwik-Fit grün<strong>de</strong>te.<br />

Schon die Namensgebung und<br />

Schreibweise waren seine eigene I<strong>de</strong>e. Drei<br />

Jahre später hatte er 24 Depots aufgebaut<br />

und er verkaufte diese nun G.A. ROBIN-<br />

SON für etwa 750.000 Pfund Sterling;<br />

damals stand das Pfund zu<strong>de</strong>m weitaus<br />

höher <strong>im</strong> Kurs als heute. Als ROBINSON<br />

nur drei, vier Jahre später in finanzielle<br />

Schwierigkeiten geriet, kaufte Sir Tom das<br />

Unternehmen für einen Bruchteil <strong>de</strong>ssen,<br />

was er seiner Zeit bekommen hatte, zurück.<br />

Nun begann eine einzigartige Expansions-<br />

und Erfolgsgeschichte. Bereits 1979<br />

verfügte Kwik-Fit über 49 Depots, kaufte<br />

weitere 50 Depots von EURO EXHAUST<br />

CENTRE HOLDINGS und konnte schließlich<br />

alle 180 Firestone-Depots ergattern,<br />

nach<strong>de</strong>m die Amerikaner auf <strong>de</strong>m Rückzug<br />

alles verkauften, was nicht niet- und nagelfest<br />

war. Wie schlecht die Firestone-Manager<br />

verhan<strong>de</strong>lt hatten, zeigte sich daran,<br />

daß Sir Tom lediglich 80 schwache Depots<br />

sofort verkaufte zu einem besseren Preis, als<br />

er für alle 180 Depots hatte zahlen müssen.<br />

Kwik-Fit baute sodann eine zweite Fast Fit-<br />

Kette durch Aufkauf kleinerer Han<strong>de</strong>lsunternehmen<br />

auf. Diese haben <strong>im</strong> Grun<strong>de</strong> <strong>de</strong>n<br />

gleichen Auftritt, unverkennbare Corporate<br />

I<strong>de</strong>ntity, allerdings operieren sie unter <strong>de</strong>m<br />

Namen TYRE PLUS AUTOCENTRES.<br />

1998 akquirierte Kwik-Fit mit einem Paukenschlag<br />

die europäischen Speedy- und Pit-<br />

Stop-Aktivitäten.<br />

Wie in Großbritannien, so stieß Kwik-Fit<br />

auch in Europa in weitere Geschäftsfel<strong>de</strong>r vor<br />

wie Mobile Fitting und Tuning, Flottenservice,<br />

Versicherungsvermittlungsdienste sowie neuerdings<br />

Autoglas-Reparaturen.<br />

Im Mai 1999 war es dann wie<strong>de</strong>r einmal<br />

so weit. Sir Tom Farmer verkaufte die Kwik-Fit-<br />

Gruppe für sagenhafte 1,1 Milliar<strong>de</strong>n Pfund an<br />

Ford, was sein Privatvermögen um etwa 150<br />

Millionen Euro erhöht haben dürfte. Sir Tom<br />

sitzt weiter am Kwik-Fit-<br />

Steuer und hat bereits<br />

angekündigt, von Polen<br />

aus auch <strong>de</strong>n zentraleuropäischen<br />

Markt aufrollen<br />

zu wollen.<br />

KWIK-FIT IM<br />

ÜBERBLICK<br />

Allein in Großbritannien<br />

vermarktet Kwik-Fit<br />

zwischen 4 bis 5 Millionen<br />

Reifen jährlich und<br />

hält damit weit über 20<br />

Prozent <strong>im</strong> englischen<br />

Reifenersatzgeschäft. Das<br />

Unternehmen gibt ferner<br />

an, mehr als 30 Prozent<br />

<strong>de</strong>s Schalldämpfermarktes<br />

sowie knapp 10 Prozent<br />

<strong>de</strong>s Bremsenmarktes<br />

<strong>im</strong> After-Market auf<br />

sich gezogen zu haben.<br />

Beson<strong>de</strong>rs stark ist <strong>de</strong>r<br />

Kwik-Fit Fleetservice, <strong>de</strong>r<br />

etwa 50 Prozent <strong>de</strong>s<br />

Marktes beherrschen<br />

dürfte.<br />

1998 (neuere Zahlen<br />

liegen noch nicht vor)<br />

setzte die Gruppe 515,9<br />

Mio. Pfund um und<br />

erzielte einen Operating<br />

Profit von 58,7 Millionen<br />

Pfund. Kein an<strong>de</strong>res<br />

Unternehmen hat es bisher<br />

so konsequent verstan<strong>de</strong>n<br />

wie Kwik-Fit, sich<br />

für die einmal gewonnenen<br />

Kun<strong>de</strong>n auf vielen<br />

an<strong>de</strong>ren Ebenen (z.B.<br />

Versicherungen, Glasbruch)<br />

als attraktiver Partner<br />

zu profilieren.<br />

Momentan wer<strong>de</strong>n in Großbritannien<br />

888 Depots betrieben, davon 174 als Tyre Plus<br />

Autocentres. Die Gruppe nennt 181 Mobile<br />

Tyre Fitting Vehicles und 116 Mobile Car Servicing<br />

Vehicles (England und Holland) ihr<br />

Eigen, und – wie bereits erwähnt – neuerdings<br />

sind 57 Silver ShieldScreens-Depots mit<br />

225 Silver Shield Screens-Mobile Glass Fitting<br />

Vans hinzugekommen.<br />

In Europa ist Kwik-Fit mit 179 Service Cen-<br />

Markt + Marketing<br />

Sir Tom Farmer, geboren 1940 nahe Edinburgh, verließ mit 14 Jahren die Schule,<br />

um in einem Reifenshop Geld zu verdienen. Mit 21 Jahren wur<strong>de</strong> er Verkäufer. Von<br />

da an verkaufte er seine I<strong>de</strong>en, seine Visionen und verstand es, Kollegen wie Untergebene<br />

jeweils förmlich mitzureißen. Sir Tom Farmer wur<strong>de</strong> wegen seiner herausragen<strong>de</strong>n<br />

Verdienste als Wirtschaftsführer vielfach geehrt, so von <strong>de</strong>r englischen<br />

Königin, aber auch von Regierungen an<strong>de</strong>rer Staaten.<br />

Wie kein an<strong>de</strong>rer hat Sir Tom Farmer auf seine eigenen Leute gesetzt, ihnen gera<strong>de</strong>zu<br />

vorbildliche Aus- und Weiterbildungschancen ermöglicht. Statt wirtschaftsund<br />

wettbewerbstheoretische Bücher zu wälzen, hört Farmer lieber <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n<br />

zu, schaut ihnen sozusagen aufs Maul und feuert seine vielen Tausend Mitarbeiter<br />

an, je<strong>de</strong>n einzelnen Kun<strong>de</strong>n wie einen König zu behan<strong>de</strong>ln. Nicht Customer-Satisfaction,<br />

son<strong>de</strong>rn Customer-Delight ist angesagt.<br />

Kwik-Fit ist Farmer, Farmer ist Kwik-Fit. Farmer kann aus <strong>de</strong>m Stand je<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>re<br />

Unternehmen grün<strong>de</strong>n und zum Erfolg führen, ob Kwik-Fit langfristig auch ohne<br />

Sir Tom erfolgreich bleiben kann, wird sich erst noch beweisen müssen.<br />

tern sowie 30 USN/Centuri Distribution Centres<br />

in Holland und in Belgien aktiv. In Frankreich<br />

wer<strong>de</strong>n 376 Speedy-Depots betrieben, in<br />

Belgien 25, in Spanien 10 und in Deutschland<br />

157 Outlets unter <strong>de</strong>m Namen Pit-Stop. Es ist<br />

durchaus realistisch, von einer Verdoppelung<br />

<strong>de</strong>r Outlets in weniger als fünf Jahren auszugehen.<br />

Klaus Had<strong>de</strong>nbrock/Peter Gardner<br />

<strong>Neue</strong> ReifenZeitung 1/2000 27


28<br />

stätten”<br />

ab,<br />

ist es auch<br />

aus mit <strong>de</strong>n<br />

schönen „Nachlaufumsätzen”<br />

– will heißen: Vermarktung von „Original-Ersatzteilen”.<br />

I<strong>de</strong>ntteile tun es auch,<br />

zu<strong>de</strong>m billiger. Warum auch soll ein<br />

Gebrauchtwagenfahrer die Kosten für Neuwagenfinanzierungen,<br />

große Verkaufsräume<br />

etc. anteilsmäßig wenn auch unausgeschrieben<br />

auf seiner Rechnung wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>n. Da ist<br />

es be<strong>im</strong> Schnelldienst ebenso gut, ebenso<br />

bequem und zu<strong>de</strong>m st<strong>im</strong>mt das Preis-/Leistungsverhältnis.<br />

Je<strong>de</strong>nfalls haben Fast Fitter<br />

das Image, ein ausgesprochen günstiges<br />

Preis-/Leistungsverhältnis herzustellen. Wenn<br />

aber eine Begleitung <strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n „von <strong>de</strong>r<br />

Wiege bis zur Bahre” nicht möglich ist, kann<br />

die Wertschöpfungskette nicht opt<strong>im</strong>al sein.<br />

Je<strong>de</strong> Mark, die <strong>de</strong>r Autofahrer für sein Vehikel<br />

ausgeben muss, sollte direkt o<strong>de</strong>r indirekt<br />

<strong>im</strong> Ford-Reich lan<strong>de</strong>n. Nur von toten Kun<strong>de</strong>n<br />

ist nichts mehr zu holen. Da Neuwagenkäufer<br />

aber mit zunehmen<strong>de</strong>m Alter <strong>de</strong>s Fahrzeugs<br />

größere Neigungen verspüren, zum<br />

Fast Fitter abzuwan<strong>de</strong>rn, fällt die Begleitung<br />

schon weit vor <strong>de</strong>r Bahre flach. Vor diesem<br />

Hintergrund ist die Kwik-Fit-Akquisition zu<br />

sehen. Ford holt sich viele alte Kun<strong>de</strong>n zurück<br />

(beutet sie <strong>im</strong> geschäftlichen Sinne aus) und<br />

hofft darauf, aus <strong>de</strong>n vielen Hun<strong>de</strong>rttausen<strong>de</strong>n,<br />

ja Millionen Kwik-Fit-Kun<strong>de</strong>n noch bessere<br />

Ford-Kun<strong>de</strong>n, je<strong>de</strong>nfalls Konzernkun<strong>de</strong>n,<br />

machen zu können. Da Neukun<strong>de</strong>nakquisition<br />

mit das teuerste Unterfangen eines je<strong>de</strong>n<br />

Unternehmens ist, soll alles getan wer<strong>de</strong>n,<br />

wenigstens die bisherigen – direkt o<strong>de</strong>r indirekt<br />

- bei <strong>de</strong>r Stange zu halten. Wer Ford fährt,<br />

braucht<br />

Bremsen, Stoßdämpfer,<br />

Reifen, Auspuffanlagen, braucht vieles<br />

an<strong>de</strong>re mehr, braucht Versicherungen.<br />

Was <strong>im</strong>mer <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> zu investieren bereit<br />

ist, sollte nach Möglichkeit nicht an <strong>de</strong>n<br />

„Abfangjägern” <strong>de</strong>s Konzerns vorbei gehen.<br />

Bemühungen um Wertschöpfungsketten und<br />

Opt<strong>im</strong>ierung <strong>de</strong>rselben sind alt. Ihre Erfin<strong>de</strong>r<br />

- gelehrte Professoren diverser Wirtschaftsuniversitäten<br />

diverser Län<strong>de</strong>r - sehen sich die<br />

Radieschen schon lange von unten an. Was<br />

hat zur Wie<strong>de</strong>rent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r „Opt<strong>im</strong>ierung<br />

<strong>de</strong>r Wertschöpfungskette” geführt?<br />

Negativ gewen<strong>de</strong>t: Die Automobilhersteller<br />

verdienen klotzig, Händler sehen sich in<br />

Krisen schlittern. Autos halten lange, sind<br />

weniger reparaturanfällig als jemals zuvor,<br />

Garantiefristen wer<strong>de</strong>n länger und länger. Das<br />

ist nicht das Umfeld, in Werkstätten phantastisch,<br />

sozusagen als reiner Dauer- und Selbstläufer,<br />

Geld verdienen zu können. Je weniger<br />

Kun<strong>de</strong>n kommen, die etwas zu brauchen vorgeben,<br />

umso besser muss das Marketing sein,<br />

das Verkaufs- und Dienstleistungssort<strong>im</strong>ent,<br />

so dass Kun<strong>de</strong>n we<strong>de</strong>r nach Hause noch zu<br />

an<strong>de</strong>ren Handwerkern geschickt wer<strong>de</strong>n<br />

müssen. Natürlich sagt niemand, man wolle<br />

<strong>im</strong>mer dort schon sitzen, wo <strong>de</strong>r Autofahrer<br />

sein Geld ausgeben muss, son<strong>de</strong>rn man<br />

behauptet, <strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n Vorteile zu bieten<br />

wie „alles aus einer Hand”. Den Kun<strong>de</strong>n wird<br />

weisgemacht, sie vertäten bei an<strong>de</strong>ren nur<br />

ihre wichtige und angeblich zu schmal ausfallen<strong>de</strong><br />

Freizeit. Wenn man <strong>de</strong>nn schon das<br />

Rad „runter” hat, um die Bremsklötze zu<br />

Gummi-Mayer, <strong>de</strong>r Traditionalist ist untergegangen. Macht<br />

schiere Größe auch stark? Auch <strong>im</strong> Reifenfachhan<strong>de</strong>l?<br />

erneuern, lässt sich das Profil umso leichter<br />

messen. Aktiv muss verkauft wer<strong>de</strong>n. Die<br />

Kun<strong>de</strong> sagt nicht länger, was er braucht, man<br />

muss ihm sagen, was er braucht und dass <strong>de</strong>r<br />

Ford-Händler alles regeln kann, <strong>de</strong>r Weg zum<br />

Reifenspezialisten wird damit überflüssig.<br />

„Around the Wheel Initiative” heißt es bei<br />

Ford, Reifen, Rä<strong>de</strong>r, Serviceleistungen. Der<br />

Reifen wird <strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n als „extrem wichtiges<br />

Ersatzteil” ans Herz gelegt. Geht es bei<br />

Auspuff, Bremse und Stoßdämpfer um „Original-Ersatzteile”,<br />

so dominieren <strong>im</strong> Autohaus<br />

die „unter schwierigsten Bedingungen freigeprüften<br />

Erstausrüstungsreifen”. Die Einkaufsabsprachen<br />

trifft <strong>de</strong>r Automobilhersteller für<br />

seine Vertragshändler zu <strong>de</strong>ren Vorteil und<br />

gewiss nicht zum eigenen Nachteil. In <strong>de</strong>n<br />

USA dürfen sich damit Goodyear, Michelin<br />

und Bridgestone sowie <strong>de</strong>ren Zweitmarken<br />

Uniroyal (gehört bekanntlich zu Michelin in<br />

<strong>de</strong>n USA) und Firestone auf größere Aufträge<br />

freuen. Auch General Tire geht nicht leer<br />

aus. So kann man Reifenhersteller ohne Erstausrüstungsfreigaben<br />

<strong>im</strong> Grun<strong>de</strong> nach Belieben<br />

außen vor halten; sofern man es <strong>de</strong>nn<br />

will. Und die Reifenhersteller möchten schon;<br />

Ford (und an<strong>de</strong>re Automobilhersteller)<br />

machen es diesen aber nicht ganz so leicht.<br />

Fords zweite Antwort: Fast Fit<br />

Die Ford-Organisation wird mit „<strong>de</strong>r zweiten<br />

Ebene” Kwik-Fit, Speedy und Pit-Stop nicht<br />

eng zusammenarbeiten, son<strong>de</strong>rn diesen die<br />

unternehmerische Freiheit belassen; so heißt<br />

es je<strong>de</strong>nfalls. Das verwun<strong>de</strong>rt auch nicht, <strong>de</strong>nn<br />

das Reparatur- und Reifengeschäft müssen<br />

Kwik-Fit-Leute nicht von Ford lernen, da laufen<br />

die Schulungen eher an<strong>de</strong>rs herum.<br />

<strong>Neue</strong> ReifenZeitung 1/2000


Reifenvermarktung <strong>im</strong> Ford-<br />

Autohaus und bei Pit-Stop<br />

Bis zum Jahresen<strong>de</strong> 2000 bzw. Anfang<br />

2001 wollen die Ford-Werke AG nach<br />

eigenen Angaben die Umstrukturierung<br />

ihres Händlernetzes abgeschlossen<br />

haben. Dabei strebt man an, mit<br />

rund 130 sogenannten „Wirtschaftsraumkoordinatoren”<br />

zu arbeiten. Die<br />

Anzahl <strong>de</strong>r Stützpunkte für die Kun<strong>de</strong>n<br />

(= angeschlossene Händler<br />

sowie Vertragswerkstätten) soll dagegen<br />

unverän<strong>de</strong>rt bleiben. Gegenwärtig<br />

vermarkten laut Ford-Presseabteilung<br />

rund 350 Ford-Händler Reifen<br />

und Kompletträ<strong>de</strong>r. Allerdings ist<br />

man in Deutschland noch weit von <strong>de</strong>n<br />

amerikanischen Zielvorstellungen, <strong>im</strong><br />

großen Umfange professionelle Reifenvermarktung<br />

zu betreiben, entfernt. Das<br />

hat uns beispielsweise ein Besuch bei<br />

marktung begonnen, und seit 1997 wer<strong>de</strong>n<br />

auch „nur” Reifen be<strong>im</strong> Ford-Händler verkauft.<br />

Lediglich etwa sechs Prozent vom Teilerlös<br />

in <strong>de</strong>r Werkstatt wer<strong>de</strong>n heute über das<br />

Reifengeschäft erwirtschaftet.<br />

Wo wenig ist, sind hohe Zuwachsraten zu<br />

erwarten, alles hängt von <strong>de</strong>r Intensität <strong>de</strong>r<br />

Marketing- und Schulungsbemühungen ab,<br />

von selbst passiert auch <strong>im</strong> Autohaus nichts.<br />

Je<strong>de</strong>nfalls dürfte Ford ein Potenzial von einer<br />

Million Pkw-Reifen und viel mehr in Deutschland<br />

haben und somit ausschöpfen können.<br />

Die Notwendigkeit, besser und intensiver zu<br />

schulen, hat man bei Ford in Köln erkannt und<br />

nun neben <strong>de</strong>r obligatorischen Verkaufsschulung<br />

beson<strong>de</strong>re Ausbildungsschwerpunkte<br />

in <strong>de</strong>r Vermarktung von Winterreifen/rä<strong>de</strong>rn<br />

gesehen.<br />

Die Zusammenarbeit von Ford mit <strong>de</strong>r<br />

Kwik-Fit-Tochter Pit-Stop in Deutschland<br />

gestaltet sich problemfrei; sie läuft über Kwik-<br />

Fit, Ford hat nichts zu mel<strong>de</strong>n. Durch die<br />

Ansprache verschie<strong>de</strong>ner Zielgruppen ergeben<br />

sich kaum Überschneidungen <strong>im</strong> opera-<br />

Goodyear-Versuch: Zwei schnelle Partner verbin<strong>de</strong>n sich be<strong>im</strong> Werben um Kun<strong>de</strong>n, die nicht mehr von Pontius zu Pilatus geschickt wer<strong>de</strong>n wollen<br />

einem Schweriner Ford-Händler <strong>im</strong> Rahmen<br />

unserer „Reifenplatz-Reihe” sehr anschaulich<br />

vor Augen geführt (vgl. NEUE REIFENZEI-<br />

TUNG 1/99). Dort glänzte man nicht gera<strong>de</strong><br />

durch außeror<strong>de</strong>ntliche Kompetenz. Das ist<br />

durchaus verwun<strong>de</strong>rlich, <strong>de</strong>nn bereits 1991<br />

wur<strong>de</strong> zunächst mit <strong>de</strong>r Komplettradver-<br />

tiven Geschäft. Der Plan scheint damit aufzugehen.<br />

Neben <strong>de</strong>r hochpreisigen Vermarktung<br />

<strong>im</strong> Autohaus bedient die Fast-Fit-Kette<br />

zu<strong>de</strong>m die Economy-Schiene und damit die<br />

auf <strong>de</strong>n Geldbeutel schielen<strong>de</strong> Kundschaft. In<br />

166 <strong>de</strong>r heute 170 Pit-Stop-Filialen in Deutschland<br />

wer<strong>de</strong>n Reifen vermarktet. Welchen<br />

Markt + Marketing<br />

Anteil das Reifengeschäft an <strong>de</strong>n insgesamt<br />

ca. 152 Millionen DM Gesamtumsatz <strong>im</strong> vergangenen<br />

Jahr hatte (vgl. Schaubild S. 34),<br />

darüber schweigt man sich jedoch aus. Die<br />

Pläne <strong>de</strong>s gegenwärtig 600 Mitarbeiter zählen<strong>de</strong>n<br />

Unternehmens für die Zukunft sind<br />

ambitioniert. Bereits in diesem Jahr soll die<br />

Anzahl <strong>de</strong>r Betriebe die 200er Marke überschreiten.<br />

„Durch die Übernahme wird die<br />

Marktsituation von Pit-Stop weiter nachhaltig<br />

gestärkt. Insbeson<strong>de</strong>re unsere Expansionspläne<br />

wer<strong>de</strong>n durch die Finanzkraft von Ford<br />

noch schneller realisierbar sein”, bewertet<br />

Michael Krieger, Leiter Einkauf bei Pit-Stop,<br />

die Zusammenarbeit. Ansonsten wolle man<br />

natürlich nach wie vor autonom agieren.<br />

Es wird permanent an neuen I<strong>de</strong>en zur<br />

Opt<strong>im</strong>ierung <strong>de</strong>r Wertschöpfungskette gearbeitet.<br />

Das jüngste Beispiel hierfür lieferte<br />

Kwik-Fit erst vor wenigen Wochen: Mitte<br />

Dezember bekun<strong>de</strong>te man öffentlich Interesse<br />

daran, das britische Unternehmen Silver<br />

Shield Screens kaufen zu wollen, das sich auf<br />

die Reparatur und <strong>de</strong>n Ersatz bei Glasschä-<br />

<strong>de</strong>n an Fahrzeugen spezialisiert hat. Dort wird<br />

in 57 Nie<strong>de</strong>rlassungen und 225 firmeneigenen<br />

Service- und Franchisemobilen ein 24-<br />

Stun<strong>de</strong>n-Reparaturservice angeboten. Silver<br />

Shield Screens ist mit einem Umsatz von über<br />

20 Millionen Pfund (etwa 32 Millionen Euro)<br />

die Nummer Drei auf <strong>de</strong>m englischen Markt.<br />

<strong>Neue</strong> ReifenZeitung 1/2000 29


30<br />

Markt + Marketing<br />

Ist das nun ein Aufbruch in ein<br />

neues Geschäftsfeld? Klar doch!<br />

Aber es han<strong>de</strong>lt sich weiter um<br />

<strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n Autofahrer. Wer<br />

hin und wie<strong>de</strong>r mal einen Auspuff<br />

benötigt, einen Stoßdämpfer,<br />

eine Bremse, einen Reifen,<br />

eine Felge, <strong>de</strong>m könnte auch<br />

mal die Scheibe bersten. Die<br />

Kun<strong>de</strong>nansprache erfolgt über<br />

Kwik-Fit, über Direct Mail, über<br />

Call Center. Da besteht ständig<br />

ein kurzer Weg und heißer<br />

Draht zum Kun<strong>de</strong>n Autofahrer.<br />

Reifenvermarktung<br />

durch Opel<br />

Großkonzerne sind wie Lemminge.<br />

Einer rennt vor, die<br />

an<strong>de</strong>ren trotten hinterher. Nach<br />

<strong>de</strong>r Kwik-Fit-Übernahme durch<br />

Ford sind Antworten bis heute,<br />

so auch von General<br />

Motors/Opel, ausgeblieben.<br />

Noch. Man arbeitet daran, verhan<strong>de</strong>lt,<br />

wartet auf Chancen. Was die Reifenvermarktung<br />

in Deutschlands Autohäusern<br />

durch die Adam Opel AG angeht, scheint<br />

man ohnehin schon einen Schritt weiter als<br />

<strong>de</strong>r Wettbewerber aus Köln zu sein. Seit 1991<br />

beschäftigt sich <strong>de</strong>r Rüsselshe<strong>im</strong>er General<br />

Motors-Ableger intensiv mit <strong>de</strong>m Reifengeschäft<br />

und kann nach eigenen Angaben jährlich<br />

zweistellige Steigerungsraten vorweisen.<br />

Gestartet wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>n Marken Continental,<br />

Goodyear und Michelin. 1995 wur<strong>de</strong>n<br />

Dunlop, Pirelli und Bridgestone/Firestone ins<br />

Angebot aufgenommen. Man scheut sich<br />

auch nicht, konkrete Stückzahlen zu nennen.<br />

So wur<strong>de</strong>n <strong>im</strong> vergangenen Jahr rund<br />

650.000 Pkw-Reifen in Opel-Autohäusern<br />

vermarktet. Der prozentuale Anteil am<br />

gesamten Konzerngeschäft mit „Teilen und<br />

Zubehör” belief sich damit auf ca. vier Prozent.<br />

Da die Opel-Vertragshändler jedoch<br />

einen Teil ihres Reifenbedarfs über die Techno-Einkaufsorganisation<br />

für Opel-, Ford- und<br />

VW-Händler <strong>de</strong>kken,<br />

geht man bei Opel davon aus, dass die<br />

Zahl <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r gesamten Händlerschaft<br />

(einschließlich Vertragswerkstätten) vermarkteten<br />

Reifen annähernd doppelt so hoch und<br />

damit je<strong>de</strong>nfalls <strong>de</strong>utlich oberhalb einer Million<br />

liegt. Das wür<strong>de</strong> einen Anteil von 23 Prozent<br />

am von Opel für Opel ermittelten jährlichen<br />

Gesamtbedarf an Reifen <strong>im</strong> Ersatzgeschäft<br />

ausmachen, <strong>de</strong>r bei 5,6 Millionen<br />

Pneus pro Jahr liegen soll. Der Automobilhersteller<br />

errechnet diesen Bedarf übrigens,<br />

Zwar sauber und or<strong>de</strong>ntlich, aber Dienstleister dieser Art (von <strong>de</strong>nen es in England unzählig viele gibt), wer<strong>de</strong>n sich hierzulan<strong>de</strong> langfristig<br />

nicht behaupten können<br />

in<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n Gesamtbestand an Opel-Fahrzeugen<br />

(rund sieben Millionen) mit <strong>de</strong>m Faktor<br />

0,8 gewichtet. Auch wenn <strong>de</strong>r Reifenfachhan<strong>de</strong>l<br />

laut dieser Rechnung nach wie vor<br />

<strong>de</strong>n Hauptteil <strong>de</strong>s Geschäftes wahrn<strong>im</strong>mt,<br />

han<strong>de</strong>lt es sich hier doch bereits um eine recht<br />

stattliche Quote.<br />

Und dabei wird es in Zukunft gewiss nicht<br />

bleiben. „Denn”, so die Aussage von Katrin<br />

Obry, Abteilung Presse und Information <strong>de</strong>r<br />

Adam Opel AG, „da <strong>de</strong>r <strong>Reifenhan<strong>de</strong>l</strong> auch<br />

Dienstleistungen für Schalldämpferreparaturen,<br />

Bremsbeläge o<strong>de</strong>r Stoßdämpfer anbietet,<br />

trainieren wir unsere Vertragshändler hinsichtlich<br />

<strong>de</strong>s Reifengeschäftes, damit das<br />

„Core Business” auch <strong>im</strong> Händlerbetrieb<br />

bleibt und wir für Verschleißteile nach wie vor<br />

erster Lieferant unseres Händlers sind”. So<br />

bietet die Opel-Trainingsaka<strong>de</strong>mie u.a. Reifenlehrgänge<br />

an, die Technik- und Vermarktungs-Know-how<br />

beinhalten. Diese Lehrgänge<br />

wer<strong>de</strong>n mit Unterstützung <strong>de</strong>r Reifenhersteller<br />

entwe<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n eigenen Trainings-<br />

Centern o<strong>de</strong>r bei Bedarf auch in großen<br />

Händlerbetrieben durchgeführt.<br />

Volkswagen: Circa 50 Prozent <strong>de</strong>s<br />

Zubehörgeschäftes sind Reifen<br />

Ein beträchtliches Vermarktungspotenzial<br />

stellt auch das Händlernetz von Volkswagen<br />

dar. Es umfasst zur Zeit knapp 2.000 Händler.<br />

Hinzu kommen noch einmal 800 Vertragswerkstätten.<br />

Die Volkswagen- und Audi-<br />

Vertriebszentren sind bereits sehr früh, nämlich<br />

schon <strong>im</strong> Jahre 1976, ins Reifen- und<br />

Komplettradgeschäft eingestiegen. Seit 1982<br />

wer<strong>de</strong>n sie dabei auch zentral von <strong>de</strong>r Volkswagen<br />

AG unterstützt. Derzeit wer<strong>de</strong>n laut<br />

Aussage <strong>de</strong>r Abteilung Unternehmenskommunikation<br />

bei VW „knapp die Hälfte aller <strong>im</strong><br />

Zubehörgeschäft <strong>de</strong>r Autohäuser auflaufen<strong>de</strong>n<br />

Umsätze mit <strong>de</strong>r Vermarktung von Reifen<br />

und Kompletträ<strong>de</strong>rn erzielt”. Auch hier<br />

zeigt sich wie<strong>de</strong>r die enge Verzahnung von<br />

Erstausrüstung und Ersatzgeschäft: Mit Continental,<br />

Bridgestone/Firestone, Goodyear,<br />

Dunlop, Michelin und Pirelli stellen wie<strong>de</strong>rum<br />

die Anbieter aus <strong>de</strong>r Erstausrüstung – als<br />

„VW-Original-Ersatzteile” mit höheren Margen<br />

versehen – auch in <strong>de</strong>n VW-/Audi-Autohäusern<br />

die wichtigsten Umsatzträger dar.<br />

Auch hier dreht sich also <strong>im</strong> wesentlichen alles<br />

um die Original-Ersatzteile. „Und wo bleiben<br />

die übrigen Reifenmarken?”, könnte man sich<br />

angesichts dieses Umstan<strong>de</strong>s fragen. Die<br />

(naheliegen<strong>de</strong>) Antwort: Wür<strong>de</strong> in Deutschland<br />

generell eine professionelle Autohaus-<br />

Reifenvermarktung <strong>im</strong> großen Stile erfolgen,<br />

so hätte dies mit großer Wahrscheinlichkeit<br />

auch gravieren<strong>de</strong> negative Konsequenzen für<br />

die nicht in <strong>de</strong>r Erstausrüstung bei <strong>de</strong>r Automobilindustrie<br />

vertretenen kleineren Reifenmarken.<br />

Diese wür<strong>de</strong>n dann nämlich so gut<br />

wie unter <strong>de</strong>n Tisch fallen.<br />

Ähnlich wie Ford mit Kwik-Fit verfügt auch<br />

VW mit „Stop & Go” über einen separaten<br />

Schnellservice-Anbieter mit klar <strong>de</strong>finiertem<br />

<strong>Neue</strong> ReifenZeitung 1/2000


Leistungsprogramm, zu <strong>de</strong>m neben Inspektion,<br />

Ölwechsel, Auspuff-, Bremsen-, Stoßdämpferreparatur<br />

u.a. auch Reifen gehören.<br />

Die Zielsetzung geht in dieselbe Richtung.<br />

Man will „preissensible Kun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Segmente<br />

II und III (Autos älter als vier Jahre) aller<br />

Marken, die <strong>im</strong> Mutterhaus aufgrund abnehmen<strong>de</strong>r<br />

Loyalität nicht gehalten wer<strong>de</strong>n können,<br />

durch die Etablierung einer wettbewerbsfähigen<br />

Systemkette” für sich gewinnen<br />

– also die sog. „Schnäppchenjäger”. Allerdings<br />

unterschei<strong>de</strong>n sich die bei<strong>de</strong>n Fast-Fit-<br />

Organisationen allein schon aufgrund ihrer<br />

D<strong>im</strong>ensionen beträchtlich voneinan<strong>de</strong>r. So<br />

stehen 170 Pit-Stop-Filialen gegenwärtig<br />

lediglich rund 20 Stop & Go-Betriebe gegenüber.<br />

Merce<strong>de</strong>s-Benz<br />

und BMW<br />

Auch von Merce<strong>de</strong>s-Benz wird <strong>de</strong>r durchschnittliche<br />

Anteil von Reifen am Zubehörgeschäft<br />

in <strong>de</strong>n Autohäusern mit 50 Prozent<br />

angegeben. Seit 1986 wer<strong>de</strong>n hier ausschließlich<br />

die sechs führen<strong>de</strong>n Erstausrüstungsmarken<br />

vertrieben. En<strong>de</strong> 1999 umfasste<br />

das Vertragspartner-Netz in Deutschland<br />

35 Nie<strong>de</strong>rlassungen, 100 Vertreter sowie 510<br />

Vertragswerkstätten. Ähnlich sieht die Sache<br />

be<strong>im</strong> Hauptwettbewerber in München aus.<br />

Das BMW-Händlernetz erstreckte sich <strong>im</strong><br />

vergangenen November auf 810 Händler und<br />

44 Nie<strong>de</strong>rlassungsbetriebe. Parallel zum allgemeinen<br />

Trend <strong>im</strong> Autohan<strong>de</strong>l ist allerdings<br />

eine Reduzierung geplant. Größere Marktverantwortungsgebiete<br />

(nochmals das Beispiel<br />

<strong>de</strong>r Lemminge: Vorgemacht von einem<br />

Automobilhersteller rennen nahezu alle an<strong>de</strong>ren<br />

nach) sollen die interne Wettbewerbssituation<br />

einschränken und <strong>de</strong>m Han<strong>de</strong>l bessere<br />

Renditen sichern. Seit 1990 wer<strong>de</strong>n bei BMW<br />

aktiv Reifen vermarktet – neben <strong>de</strong>n bekannten<br />

sechs Marken auch noch Uniroyal. Ihr<br />

Anteil am Zubehörgeschäft in <strong>de</strong>n Autohäusern<br />

liegt mit 35 Prozent jedoch etwas niedriger<br />

als be<strong>im</strong> Wettbewerb.<br />

Was tut sich <strong>im</strong> Fast-Fit- und<br />

Werkstatt-Bereich?<br />

Der Fast-Fit-Markt zeigt beständiges und ausgeprägtes<br />

Wachstum. Immer mehr Kun<strong>de</strong>n<br />

verlangen offenbar nach einem schnellen,<br />

unkomplizierten und nicht zuletzt preisgünstigen<br />

Rundum-Service, <strong>de</strong>r alle Zubehörkomponenten<br />

einbezieht, wollen nicht mehr<br />

von Pontius zu Pilatus geschickt wer<strong>de</strong>n, um<br />

dieses o<strong>de</strong>r jenes Ersatzteil zu erhalten. Nach<br />

einer Prognose <strong>de</strong>s englischen Marktfor-<br />

schungsinstitutes<br />

Datamonitor soll <strong>de</strong>r<br />

europäische Fast-Fit-<br />

Markt in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n<br />

fünf Jahren<br />

um jährlich mehr als<br />

vier Prozent von <strong>de</strong>rzeit<br />

neun auf mehr<br />

als elf Milliar<strong>de</strong>n<br />

Euro <strong>im</strong> Jahre 2004<br />

wachsen. Obwohl<br />

Großbritannien mit<br />

einem Anteil von 28<br />

Prozent <strong>im</strong> vergangenen<br />

Jahr noch <strong>de</strong>r<br />

größte europäische<br />

Markt für Fast-Fit-Produkte<br />

gewesen ist,<br />

haben die übrigen Län<strong>de</strong>r – allen voran<br />

Deutschland (26,3 Prozent) und Frankreich (23,1<br />

Prozent) – doch ziemlich aufgeschlossen (vgl. die<br />

bei<strong>de</strong>n Schaubil<strong>de</strong>r). Die Popularität <strong>de</strong>s Fast-Fit-<br />

Bereiches ist <strong>de</strong>mnach überall ungebrochen.<br />

Eine Vielzahl an Konzepten konkurriert um die<br />

Gunst <strong>de</strong>r Endverbraucher.<br />

Zeitgleich unterliegt <strong>de</strong>r Fast-Fit-Sektor einer<br />

neuen strategischen Ausrichtung innerhalb <strong>de</strong>s<br />

Aftermarktes. Gemeint sind hier die Markteintritte<br />

<strong>de</strong>r Automobilhersteller Ford (Kwik-<br />

Fit) und Fiat (Midas), welche die europäische<br />

Fast-Fit-Landschaft quasi über Nacht schlagartig<br />

verän<strong>de</strong>rt und Ford zum größten Marktteilnehmer<br />

Europas gemacht haben. Mit möglicherweise<br />

weitreichen<strong>de</strong>n Folgen. Die Karten<br />

könnten völlig neu gemischt wer<strong>de</strong>n. In je<strong>de</strong>m<br />

Falle wird sich <strong>de</strong>r gegenwärtige Trend hin zu<br />

einem stärkeren En-<br />

gagement <strong>de</strong>r Automobilindustrie<br />

in diesem<br />

Feld fortsetzen.<br />

Über das Engagement<br />

von Volkswagen<br />

haben wir bereits<br />

berichtet. Erst jüngst<br />

soll auch Merce<strong>de</strong>s-<br />

Benz Interesse an<br />

einem Eintritt in <strong>de</strong>n<br />

Aftermarkt-Service-<br />

Bereich gezeigt haben.<br />

So hielten sich<br />

hartnäckig Gerüchte,<br />

die Autobauer hätten<br />

die Fachmarktkette<br />

„Auto Teile Unger”<br />

(ATU) ins Übernahme-Visiergenommen.<br />

Doch Peter<br />

Unger ist viel zu<br />

clever; er kann auf<br />

<strong>de</strong>n günstigsten Aus-<br />

Markt + Marketing<br />

Volumen und Entwicklungsprognose <strong>de</strong>s<br />

europäischen Fast Fit-marktes 1995-2004<br />

in Mrd. Euro<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004<br />

Quelle: Datamonitor<br />

<strong>Neue</strong> ReifenZeitung 1/2000<br />

stiegszeitpunkt warten und ist nicht auf Merce<strong>de</strong>s<br />

angewiesen. Und wenn die Tinte unter<br />

einem ATU-Akquisitionsvertrag getrocknet<br />

sein sollte, kann man sicherlich von einem<br />

„Bonanza in <strong>de</strong>r Oberpfalz” träumen, <strong>de</strong>nn<br />

ATU hat erstklassige Unternehmen in erstklassigen<br />

Lagen, während bei Kwik-Fit die<br />

Anzahl <strong>de</strong>r „Depots” ins Auge sticht. Und<br />

mögen Unger und Farmer noch so unterschiedlich<br />

sein, sind sie doch Unternehmer<br />

mit Visionen, mit Charisma, die bewiesen<br />

haben, noch je<strong>de</strong>m noch so hochgelobten<br />

Konzern <strong>im</strong> Grun<strong>de</strong> meilenweit überlegen<br />

sein zu können.<br />

Es gibt auch noch weitere potenzielle<br />

Übernahmekandidaten, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Markt weist<br />

eine große Diversifizierung auf. So erfreuen<br />

sich Werkstattsysteme in <strong>de</strong>r Kfz-Branche<br />

<strong>Neue</strong> ReifenZeitung 1/2000 31<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Benelux<br />

Frankreich<br />

Italien<br />

Län<strong>de</strong>ranteile am europäischen<br />

Fast-Fit-Markt 1999<br />

Spanien<br />

5,4 %<br />

5,6 %<br />

23,1 %<br />

Quelle: Datamonitor<br />

An<strong>de</strong>re<br />

7,1 %<br />

4,4 %<br />

26,3 %<br />

28,0 %<br />

Deutschland<br />

England<br />

<strong>Neue</strong> ReifenZeitung 1/2000


32<br />

Stinnes und Gummi-Mayer<br />

Die Geschichte hinter <strong>de</strong>r Geschichte<br />

Für Heinz-Werner Knörnschild, Geschäftsführer<br />

<strong>de</strong>r point S, sind die Dinge klar: Continental,<br />

Michelin und Pirelli bil<strong>de</strong>n eine Art<br />

europäische Allianz, die dafür sorgt, dass we<strong>de</strong>r<br />

die Amerikaner noch die Japaner auf <strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>utschen Reifenersatzmarkt allzu übermütig<br />

wer<strong>de</strong>n können. Und weil sie es direkt nicht<br />

wollen, sen<strong>de</strong>n diese drei europäischen<br />

Konzerne an<strong>de</strong>re vor, eine englische<br />

Investorengruppe, die mit <strong>de</strong>m dänischen<br />

Reifengroßhändler als Min<strong>de</strong>rheitsbeteiligtem<br />

ein Gesicht bekommen<br />

hat. Zu<strong>de</strong>m zählt Nielsen auch<br />

noch zum Freun<strong>de</strong>skreis <strong>de</strong>r Italiener<br />

wie <strong>de</strong>r Franzosen. Es passt somit alles<br />

zusammen. Der Haken an <strong>de</strong>r Sache<br />

ist: Knörnschild hat keinen Beweis. Das<br />

weiß und sagt er auch selbst. Pirelli-<br />

Verkaufschef Hans-Ulrich Röske<br />

<strong>de</strong>mentiert eine Beteiligung seines<br />

Unternehmens, doch was ist das wert?<br />

Röske ist zwar eine „ehrliche Haut”,<br />

doch weiß er, was in Mailand geplant<br />

wird? Dass Knörnschild in<strong>de</strong>ssen skeptisch<br />

bleibt, kann Auswirkungen auf die<br />

Beziehungen mit Pirelli haben, die<br />

<strong>im</strong>merhin mehr als 15 Prozent ihres<br />

Ersatzgeschäftsumsatzes über die<br />

point S abwickelt. Somit entsteht<br />

Manövriermasse für Pirelli-Konkurrenten.<br />

Allzu schnell wird sich point S vielleicht<br />

aber <strong>de</strong>shalb nicht bewegen, weil<br />

mit Dunlop ein weiterer Kernlieferant<br />

in Frage gestellt wer<strong>de</strong>n könnte, nach<strong>de</strong>m dieser<br />

unter <strong>de</strong>m Dach <strong>de</strong>s Goodyear-Konzerns<br />

gelan<strong>de</strong>t ist, mit <strong>de</strong>m wie<strong>de</strong>rum die point S<br />

nicht allzu viel am Hut hatte bisher.<br />

Was ist nun wirklich geschehen? Stinnes<br />

Reifendienst ist viele Monate lang nahezu wie<br />

Sauerbier angeboten wor<strong>de</strong>n, Interessenten<br />

sprangen reihenweise ab, bis die Dorana letztlich<br />

zugriff. Die Stinnes-Story, ein profitables<br />

Autoserviceunternehmen zu sein, verfing<br />

nicht. Das macht sich letztlich <strong>im</strong> Preis auch<br />

spürbar bemerkbar. Während das Fast Fit-<br />

Unternehmen Kwik-Fit pro Umsatzmark <strong>de</strong>m<br />

Ford-Konzern zwei Mark wert war, zahlte die<br />

Dorana etwa 20 bis 25 Pfennig pro Mark<br />

Umsatz. Besser kann man <strong>de</strong>n Unterschied<br />

zwischen Fast Fit (Autoservice) und Reifenservice<br />

momentan kaum dokumentieren.<br />

Stinnes Reifendienst ist profitabel. Was das<br />

Unternehmen aber mittelfristig unter Loslö-<br />

sung aus <strong>de</strong>m riesigen Veba-Konzern, mit<br />

<strong>de</strong>m es herausragen<strong>de</strong> Geschäfte zu tätigen<br />

wusste, wert bleibt, muss man sehen. Und<br />

überhaupt, <strong>de</strong>rzeit wird weniger über Stinnes<br />

gesprochen als über <strong>de</strong>n Dänen Nielsen. Wo<br />

er ins Tagesgeschäft hinein dirigierte, so in<br />

Österreich und <strong>de</strong>r Schweiz, liefen gleich meh-<br />

H.W. Knörnschild: Aufmerksam-kritischer Beobachter <strong>de</strong>s Wan<strong>de</strong>ls<br />

rere Manager davon. Ob Nielsen, ein herausragen<strong>de</strong>r<br />

mittelständischer Unternehmer in<br />

Skandinavien, das Zeug zur Führung eines<br />

neuen Konzerns hat, muss man sehen. Der<br />

„Konzernla<strong>de</strong>n” Stinnes tickt genauso wenig<br />

nach Mittelstand wie <strong>de</strong>r „Beamtenla<strong>de</strong>n”<br />

Gummi-Mayer. Alle Beobachter sind sich einig:<br />

Nielsen kann beson<strong>de</strong>rs gut einkaufen und versteht<br />

es, die letzte Mark noch schnell loszueisen.<br />

So ist es ihm mit Pirelli, aber auch mit Michelin<br />

gelungen, weniger gut mit Continental und ein<br />

paar an<strong>de</strong>ren. Doch hier zeigt sich schon das<br />

erste Dilemma: Pirelli „zahlt” für eine beson<strong>de</strong>re<br />

Beteiligung, so auch Michelin. Continental hatte<br />

schon bei Stinnes nicht allzu viel zu verlieren und<br />

wür<strong>de</strong> nur dann, ist je<strong>de</strong>nfalls anzunehmen, herausragen<strong>de</strong><br />

Son<strong>de</strong>rkonditionen nur für herausragen<strong>de</strong><br />

Beteiligungen am Neureifengeschäft<br />

gewähren. Momentan macht Nielsen durchaus<br />

einer Reihe an<strong>de</strong>rer namhafter Hersteller Avan-<br />

cen, die auch gern einsteigen möchten, sich aber<br />

an <strong>de</strong>n Preisvorstellungen stören. Die Nielsen-<br />

Geschichte ist dabei eigentlich s<strong>im</strong>pel: Er will <strong>de</strong>n<br />

Anteil <strong>de</strong>r Power-Reifen zu Gunsten bester Marken<br />

zurücknehmen. So etwas macht man, wenn<br />

man es <strong>de</strong>nn schafft, aber auch nur ein einziges<br />

Mal. Und schon sieht man, dass auch einen Bent<br />

Nielsen die Vergangenheit einholen könnte. Als<br />

Exclusiv-Distributeur (mit Preisen zwischen Erstausrüstung<br />

und bestem Ersatzmarktpreis, auch<br />

wenn es Pirelli-Röske ungern hört) hätte er Pirelli-Reifen<br />

nur in Skandinavien verkaufen dürfen.<br />

Hat er sich daran gehalten in <strong>de</strong>r Vergangenheit?<br />

Continental hatte auch Exclusiv-<br />

Distributeure, die Stein und Bein schworen,<br />

dies eingehalten zu haben. Die Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Wahrheit (und <strong>de</strong>r Enttäuschung) kam, als<br />

diese Distributeure übernommen wur<strong>de</strong>n.<br />

Es waren Jobber par excellence.<br />

Das zweite Dilemma wird sich schon<br />

bald offenbaren: Wenn die Reiffs, Knörnschilds,<br />

Schütterles, Heymanns dieser<br />

Welt erst mal gemerkt haben, sich wie<br />

unreife Deppen benommen zu haben,<br />

sprich: benachteiligt wor<strong>de</strong>n zu sein,<br />

regeln sich die Dinge sehr schnell von<br />

selbst. Der Einkaufsvorteil läuft ein einziges<br />

Mal, dann schon ist Sabbat.<br />

Und es gibt ein drittes Dilemma:<br />

Nielsen versteht es, in Dänemark eine<br />

Mannschaft für sich einzunehmen, sie<br />

zu motivieren. In Deutschland, Österreich<br />

und <strong>de</strong>r Schweiz verstehen ihn die<br />

Leute nicht. Wer spricht Dänisch und wie<br />

viele Nie<strong>de</strong>rlassungsleiter sind in <strong>de</strong>r<br />

Lage, sich locker in Englisch, Business-<br />

English, unterhalten und erklären zu<br />

können? Somit wird Nielsen nicht ein<br />

charismatischer Führer wie Tom Farmer o<strong>de</strong>r<br />

auch Peter Unger wer<strong>de</strong>n können. Bei<strong>de</strong> verstehen<br />

ihre Leute <strong>im</strong> besten Sinne <strong>de</strong>s Wortes,<br />

schauen ihnen aufs Maul, fühlen und spüren,<br />

was man ihnen sagt.<br />

Im Gegensatz zu einigen an<strong>de</strong>ren glaube<br />

ich, dass Nielsen durchaus finanziell in <strong>de</strong>r<br />

Lage war, <strong>de</strong>n ersten Schritt, Stinnes Reifendienst,<br />

woran er wie hoch auch <strong>im</strong>mer beteiligt<br />

ist, finanzieren zu können. Ob er zu diesem<br />

Zweck auch Finanzierungshilfen <strong>de</strong>r<br />

Industrie, z.B. von Pirelli, angenommen o<strong>de</strong>r<br />

bekommen hat, bleibt Spekulation. Aber es<br />

macht sowieso keinen allzu großen Unterschied,<br />

ob das Geld von einer Bank o<strong>de</strong>r<br />

einem Konzern kommt. Je<strong>de</strong>nfalls so lange<br />

man in <strong>de</strong>r Lage bleibt, es <strong>im</strong> Falle eines Falles<br />

zurückzahlen zu können.<br />

Welchen Sinn aber macht die zweite<br />

Akquisition, die von Gummi-Mayer? Neben<br />

<strong>Neue</strong> ReifenZeitung 1/2000


<strong>de</strong>n Akquisitionskosten wer<strong>de</strong>n erhebliche<br />

Restrukturierungs- und Schließungskosten für<br />

eine Vielzahl von Nie<strong>de</strong>rlassungen anfallen.<br />

Und die Sache mit <strong>de</strong>m Einkaufsvorteil kann<br />

nicht wie<strong>de</strong>r und wie<strong>de</strong>r funktionieren.<br />

Michelin hat insbeson<strong>de</strong>re <strong>im</strong> Bereich Nutzfahrzeugreifen<br />

einen relativ hohen Anteil zu<br />

verteidigen, Pirelli ist auch ganz gut <strong>im</strong><br />

Geschäft mit Gummi-Mayer, nicht zuletzt mit<br />

Ceat-Reifen. Aber reicht das alles als Motiv<br />

aus, sich ggf. indirekt zu beteiligen? Dorana<br />

und Nielsen haben sich nun erst mal je<strong>de</strong><br />

Menge Kopfschmerzen und viel, viel Arbeit<br />

aufgela<strong>de</strong>n. Ob Gummi-Mayer nun auf<br />

einem besseren Weg ist, kann durchaus<br />

bezweifelt wer<strong>de</strong>n. In diesem Zusammenhang<br />

ist nochmals die „europäische Allianz”<br />

zu erwähnen. Eine solche gab es Mitte <strong>de</strong>r 90er<br />

Jahre. Pirelli-, Continental- und Michelin-<br />

Manager beratschlagten über <strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>s Falles,<br />

was man bei einer Insolvenz <strong>de</strong>nn tun<br />

o<strong>de</strong>r lassen wür<strong>de</strong>. Man wur<strong>de</strong> sich über vieles<br />

einig, allerdings wollte niemand <strong>im</strong> Falle <strong>de</strong>s<br />

Falles Gummi-Mayer übernehmen.<br />

An<strong>de</strong>rs als H.-W. Knörnschild glaube ich,<br />

dass Dorana/Nielsen zwar mit wohlwollen<strong>de</strong>r<br />

Billigung und Unterstützung von Pirelli und Michelin<br />

(Continental sehe ich dabei eher weit weg,<br />

weil die Gruppe gera<strong>de</strong> in Deutschland stark<br />

genug ist, allein bestehen zu können) han<strong>de</strong>ln,<br />

ohne dass es eine direkte Beteiligung gibt. Auch<br />

eine indirekte Beteiligung, z.B. über Lieferantenkredite,<br />

mit <strong>de</strong>nen man dieser Gruppe<br />

etwas aufzwingen könnte, sehe ich eigentlich<br />

nicht. Die englische Investorengruppe ist dafür<br />

viel zu finanzstark.<br />

Wenn man die Zeichen am Horizont richtig<br />

<strong>de</strong>utet und auf best<strong>im</strong>mte Bankkreise hört, könnte<br />

Nielsen seinen Anteil sogar noch einmal<br />

erhöht, sich dafür aber auch mächtig angestrengt<br />

haben. Darauf <strong>de</strong>uten einige Transaktionen hin.<br />

Beobachter glauben, bald könne die dritte<br />

Kette „fällig” sein und in das Dorana-Reich kommen<br />

können: Pneumobil. Kann schon sein, dass<br />

die Italiener auch mal Glück haben und diesen<br />

Verlustbringer loswer<strong>de</strong>n. Bestätigte dies dann<br />

doch die „europäische Allianz”? Ich glaube es<br />

nicht. Nach meiner Meinung sind einfach nur<br />

Investoren unterwegs, die sich durch eine billige<br />

Übernahme von Han<strong>de</strong>lsbetrieben und eine<br />

Zusammenfügung <strong>de</strong>rselben in <strong>de</strong>n Milliar<strong>de</strong>nbereich<br />

eine gehörige Verzinsung versprechen.<br />

Mit einem Umsatz von einer Milliar<strong>de</strong> und mehr<br />

lässt sich eine „Go public-story” stricken. Nur<br />

daran dürfte Dorana interessiert sein, wer die<br />

Aktien dann erwirbt, ist ihr völlig gleichgültig.<br />

Ob die Investoren aber die Rechnung mit<br />

o<strong>de</strong>r ohne <strong>de</strong>n Wirt gemacht haben, muss man<br />

ebenfalls noch sehen. Die Erfolgsgeschichte<br />

lautet nicht Reifen, son<strong>de</strong>rn zumin<strong>de</strong>st „Reifen<br />

und mehr” – Richtung 1/2/3-Service. Das setzt<br />

aber noch viele weitere Investitionen voraus.<br />

An eine europäische Allianz glaube ich<br />

schon <strong>de</strong>shalb nicht, weil dies best<strong>im</strong>mtes strategisches<br />

Denken voraussetzen dürfte. Wie sollten<br />

solche Strategien o<strong>de</strong>r auch bloß Überlegungen<br />

<strong>de</strong>nn aussehen? Wer macht was, welche<br />

Konzerne, welche Marken wer<strong>de</strong>n wie<br />

berücksichtigt? Wer bereit ist, diesen Gedanken<br />

bis zum En<strong>de</strong> hin zu <strong>de</strong>nken, wird das Chaos<br />

nicht nur erahnen, son<strong>de</strong>rn sehen können.<br />

Eigene Han<strong>de</strong>lsunternehmen för<strong>de</strong>rn die<br />

„Verfaulung” <strong>de</strong>s Vertriebs. Vergölst muß Konzernmarken<br />

kaufen, warum soll man sich noch<br />

anstrengen. Vergölst ist (angeblich) Kun<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Continental-Konzerns und <strong>de</strong>nnoch nur so frei,<br />

das tun zu dürfen, was man so erwartet: Vermarktung<br />

von Konzernreifen.<br />

Eigene Han<strong>de</strong>lsketten sind in Deutschland<br />

noch <strong>im</strong>mer mehr Last als Lust gewesen und alle<br />

Konzerne mit Han<strong>de</strong>lsbetrieben wissen das zur<br />

Genüge.<br />

Aber mir geht es wie H.-W. Knörnschild. Ich<br />

verfüge über nicht mehr Hintergrund als er. Alles<br />

ist möglich.<br />

Aber wäre es <strong>de</strong>nn so schl<strong>im</strong>m, stün<strong>de</strong> hinter<br />

„Mayer’s Reifendiensten” tatsächlich Pirelli?<br />

O<strong>de</strong>r Michelin? Falls ja, warum? Klar, beson<strong>de</strong>rs<br />

Pirelli könnte sich so <strong>im</strong> Markt völlig neu aufstellen.<br />

Doch das können bisherige Pirelli-Großkun<strong>de</strong>n<br />

wie point S und an<strong>de</strong>re auch. Dass sie<br />

die Bindung an Pirelli vertiefen wür<strong>de</strong>n, ist nicht<br />

zu erwarten. So bringt es letztlich nicht viel, sich<br />

Kun<strong>de</strong>n zu kaufen, man sollte sie um- und<br />

bewerben und dann für sich gewinnen.<br />

Erfolg wird von Menschen ermöglicht.<br />

Große, abhängige wie unabhängige Han<strong>de</strong>lsketten<br />

haben gute und schlechte Geschäftsführer,<br />

haben gute und schlechte Nie<strong>de</strong>rlassungsleiter.<br />

In familiengeführten Unternehmen i<strong>de</strong>ntifiziert<br />

sich das Management in aller Regel besser<br />

und vor allem dauerhafter mit <strong>de</strong>m Unternehmen;<br />

wie lange schon wirken erfolgreiche<br />

Männer wie Reiff, Schütterle und Unger für ihre<br />

Unternehmen? Wie viele Geschäftsführer hatten<br />

Han<strong>de</strong>lsketten in <strong>de</strong>n 90er Jahren und wie<br />

viele unterschiedliche Oberaufseher haben mitgewirkt,<br />

für ein Jahr, für zwei, manchmal sogar<br />

für drei? Ergo: Wie <strong>im</strong>mer die Besitzverhältnisse<br />

um Gummi-Mayer/Stinnes sein mögen, es<br />

zeichnet sich keine Bedrohung für <strong>de</strong>n Reifenmarkt<br />

ab. Bestenfalls verbessern sich die Marktanteile<br />

<strong>de</strong>s einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren “Hauslieferanten”.<br />

Letztlich wird es aber vielleicht doch bloß<br />

auf eine Verschiebung <strong>de</strong>r Markenanteile hinauslaufen.<br />

Klaus Had<strong>de</strong>nbrock<br />

Markt + Marketing<br />

nach wie vor äußerster Beliebtheit. Die Zahl<br />

<strong>de</strong>r Outlets <strong>de</strong>r <strong>im</strong> Markt befindlichen Konzepte<br />

steigt kontinuierlich an und mit ihr<br />

natürlich auch die Anzahl <strong>de</strong>r Verkaufsstellen<br />

für Reifen. Ob 1,2,3///AutoService, ATE-<br />

BremsenCenter, Boge-Fachwerkstatt, Monroe,<br />

Sachs, Walker o<strong>de</strong>r AutoCrew, Bosch-<br />

Partner, Coparts – die Vielfalt <strong>de</strong>r gegenwärtig<br />

auf <strong>de</strong>m Markt konkurrieren<strong>de</strong>n Detailund<br />

Fullservicekonzepte ist verwirrend.<br />

Zugleich drängen auch <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r neue<br />

Systemanbieter auf <strong>de</strong>n Markt und buhlen<br />

um die Gunst <strong>de</strong>r Werkstätten. Diese sind aus<br />

unterschiedlichen Grün<strong>de</strong>n sowohl für freie<br />

als auch für markengebun<strong>de</strong>ne Werkstätten<br />

attraktiv.<br />

Bei <strong>de</strong>n „Freien” han<strong>de</strong>lt es sich laut einer<br />

„Akzeptanzuntersuchung von Werkstattsystemen”<br />

<strong>de</strong>r BBE-Unternehmensberatung „in<br />

<strong>de</strong>r Regel um wenig spezialisierte und wenig<br />

profilierte Generalisten mit sehr heterogener<br />

Tätigkeitsstruktur”. Diese streben vielfach<br />

einen professionelleren Auftritt <strong>im</strong> Markt an<br />

und wen<strong>de</strong>n sich aus diesem Grund an kompetente<br />

Unterstützung von dritter Seite, die sie<br />

in <strong>de</strong>n zahlreichen von Industrie und Han<strong>de</strong>l<br />

angebotenen Werkstattsystemen fin<strong>de</strong>n. Die<br />

Ausgangssituation <strong>de</strong>r markengebun<strong>de</strong>nen<br />

Werkstätten ist dagegen laut BBE-Studie eine<br />

gänzlich an<strong>de</strong>re: Bedingt durch <strong>de</strong>n starken<br />

Wettbewerb sind viele Automobilhersteller<br />

dazu gezwungen, neben Kostenreduzierungen<br />

auf <strong>de</strong>r Produktionsseite auch <strong>de</strong>n Vertrieb<br />

auf Einsparpotenziale hin zu überprüfen.<br />

Für viele als Folge dieser Maßnahmen aus <strong>de</strong>n<br />

Vertriebsnetzen <strong>de</strong>r Hersteller entlassenen<br />

Autohäuser/Vertragswerkstätten stellt sich damit<br />

das Problem, dass sie sich unvermittelt<br />

<strong>de</strong>m harten Wettbewerb mit freien Werkstätten<br />

ausgesetzt sehen, ohne vielleicht <strong>de</strong>ren<br />

markenübergreifen<strong>de</strong>s Know-how zu besitzen.<br />

Aus diesem Grund wen<strong>de</strong>n sich viele von<br />

ihnen gerne <strong>de</strong>n markenübergreifend agieren<strong>de</strong>n<br />

Werkstattsystemen zu, um dieses<br />

Defizit schnellstmöglich auszugleichen.<br />

Auch für die in <strong>de</strong>n Vertriebsnetzen <strong>de</strong>r<br />

Autohersteller verbliebenen Autohäuser/Vertragswerkstätten<br />

wer<strong>de</strong>n die Werkstattsysteme<br />

zunehmend interessant. Angesichts sinken<strong>de</strong>r<br />

Wartungs- und Reparaturhäufigkeiten<br />

und <strong>de</strong>r damit vermin<strong>de</strong>rten Werkstattauslastung<br />

bietet sich <strong>de</strong>n markengebun<strong>de</strong>nen<br />

Werkstätten damit nicht nur die Möglichkeit<br />

eines zweiten Standbeines, son<strong>de</strong>rn auch die<br />

Chance, verlorene Kun<strong>de</strong>npotenziale unter<br />

<strong>de</strong>n Besitzern älterer Fahrzeuge zurückzugewinnen.<br />

Umgekehrt betrachtet sind sowohl<br />

die ehemaligen als auch die aktuellen Vertragswerkstätten<br />

eine lukrative Zielgruppe für<br />

die Anbieter von Werkstattsystemen, da sie in<br />

<strong>Neue</strong> ReifenZeitung 1/2000 33


34<br />

Markt + Marketing<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Umsatzanteile Pit-Stop Deutschland<br />

‘88 ‘89 ‘90 ‘91 ‘92 ‘93 ‘94 ‘95 ‘96 ‘97 ‘98 ‘99<br />

Quelle: Datamonitor<br />

<strong>de</strong>r Regel technisch besser ausgestattet sind,<br />

über ein größeres kaufmännisches und marketingbezogenes<br />

Verständnis verfügen und<br />

somit unter <strong>de</strong>m Strich professioneller agieren<br />

als das Gros <strong>de</strong>r freien Werkstätten.<br />

AutoCrew und Bosch<br />

Im folgen<strong>de</strong>n sollen mit AutoCrew sowie<br />

Bosch zwei Werkstattsysteme, die u.a. auch<br />

Reifen vermarkten, kurz vorgestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Zur Erinnerung: Bosch hat <strong>im</strong> vergangenen<br />

Jahr durch die Kooperation mit Goodyear in<br />

puncto Reifenvermarktung für Schlagzeilen<br />

und Proteststürme (<strong>im</strong> Wasserglas) aus <strong>de</strong>n<br />

Reihen <strong>de</strong>s Reifenfachhan<strong>de</strong>ls<br />

(insbeson<strong>de</strong>re auf <strong>de</strong>r<br />

Verbandsebene) gesorgt.<br />

Systempartnerschaft<br />

von Bosch<br />

und Goodyear –<br />

Pilotphase been<strong>de</strong>t<br />

Im vergangenen Frühjahr<br />

wur<strong>de</strong> bekannt, dass Bosch<br />

sich <strong>im</strong> Rahmen eines seiner<br />

Werkstattsysteme<br />

(Bosch-Partner-System)<br />

künftig auch mit <strong>de</strong>r Vermarktung<br />

von Reifen<br />

beschäftigen wolle. Zu diesem<br />

Zweck wur<strong>de</strong> eine<br />

Systempartnerschaft mit<br />

Goodyear initiiert, die vom<br />

freien Reifenfachhan<strong>de</strong>l<br />

mit Unmut quittiert wur<strong>de</strong>.<br />

Dabei geht es je<strong>de</strong>nfalls<br />

nach Goodyear-Angaben<br />

neben <strong>de</strong>r Erschließung<br />

neuer Vertriebskanäle<br />

für bei<strong>de</strong><br />

Partner – Goodyear<br />

liefert Reifen an die<br />

Bosch-Dienste, die<br />

Goodyear-Han<strong>de</strong>lsorganisation<br />

GHS<br />

verkauft Bosch-Produkte<br />

in ihren Premio-,<br />

HMI- und<br />

Quick-Lä<strong>de</strong>n – insbeson<strong>de</strong>re<br />

um möglichst<br />

kurzfristigen,<br />

gegenseitigen Knowhow-Transfer<br />

nach<br />

<strong>de</strong>m Motto: „Wir stellen<br />

Euch ein Reifenkonzept<br />

zur Verfügung<br />

und Ihr uns <strong>im</strong> Gegenzug ein Autoservice-Konzept”.<br />

Es geht um <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>rseitigen<br />

Vorteil: Die mit Goodyear über GHS verbun<strong>de</strong>nen<br />

Premio- und HMI-Händler sollen neue<br />

Kompetenzen <strong>im</strong> Bereich Autoservice erlangen<br />

und sich damit nach und nach ein zweites finanzielles<br />

Standbein neben <strong>de</strong>m Reifenverkauf<br />

schaffen. An<strong>de</strong>rerseits wur<strong>de</strong> für Bosch mit <strong>de</strong>m<br />

Reifen ebenfalls ein neues, bislang brachliegen<strong>de</strong>s<br />

Geschäftsfeld eröfnet. „Bei<strong>de</strong> Unternehmen<br />

sind als Systemgeber gefor<strong>de</strong>rt, die ihnen angeschlossenen<br />

Han<strong>de</strong>lspartner für die sich zunehmend<br />

verschärfen<strong>de</strong>n Wettbewerbsbedingungen<br />

zu rüsten. Dazu bedarf es viel Know-how,<br />

das weit über die Reifenvermarktung hinausgeht”,<br />

erläutert Jürgen Titz, <strong>de</strong>r bei Goodye-<br />

<strong>Neue</strong> ReifenZeitung 1/2000<br />

ar für die Kooperation mit Bosch zuständig ist.<br />

Die zunehmen<strong>de</strong> Intensität <strong>de</strong>r Zusammenarbeit<br />

zeige eine Vielzahl von Synergiepotenzialen,<br />

die weit über die bisherige Form <strong>de</strong>r<br />

Zusammenarbeit hinausgingen.<br />

Begonnen wur<strong>de</strong> mit einer Pilotphase, in<br />

die 15 ausgewählte Bosch-Dienste einbezogen<br />

waren. Titz: „Diese ist inzwischen erfolgreich<br />

abgeschlossen wor<strong>de</strong>n, so dass wir die<br />

Zahl zwischenzeitlich auf ca. 80 Betriebe<br />

erhöht haben.” Der Schwerpunkt <strong>de</strong>r Reifenvermarktung<br />

soll dabei auf <strong>de</strong>m Pkw-Segment<br />

liegen. Hinsichtlich <strong>de</strong>r Stückzahlen will<br />

man sich bei Goodyear nicht festlegen, es<br />

könne keine abschließen<strong>de</strong> Beurteilung abgegeben<br />

wer<strong>de</strong>n. Es sei jedoch sicherlich nicht<br />

davon auszugehen, dass die Bosch-Betriebe<br />

das Stückzahl-Niveau eines Reifenhändlers<br />

erreichen wür<strong>de</strong>n. Für Werkstattsysteme wie<br />

Bosch wer<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Reifen nur ein Geschäftsfeld<br />

neben an<strong>de</strong>ren Geschäftsfel<strong>de</strong>rn, wie z.B.<br />

Kl<strong>im</strong>a, Standheizungen etc., sein. Und auf wie<br />

viele Bosch-Betriebe soll die Systempartnerschaft<br />

letztlich ausge<strong>de</strong>hnt wer<strong>de</strong>n? Zielgruppe<br />

sind für Goodyear ausschließlich diejenigen<br />

unter <strong>de</strong>n Bosch-Diensten, die „aktiv<br />

und qualifiziert” Reifen vermarkten wollen.<br />

Titz geht davon aus, „dass auch hier die schon<br />

typische Drittel-Lösung angewandt wer<strong>de</strong>n<br />

kann, d.h. ein Drittel <strong>de</strong>r Bosch-Dienste vertreibt<br />

auch künftig keine Reifen, ein Drittel<br />

betreibt die Reifenvermarktung auf <strong>de</strong>m<br />

Niveau einer ‚Hobbythek‘ <strong>im</strong> Sinne von<br />

Bedarfs<strong>de</strong>ckung, und ein Drittel <strong>de</strong>r Bosch-<br />

Dienste vermarktet aktiv und qualifiziert Rei-<br />

Theoretisch eignen sich viele Bosch-Werkstätten auch hervorragend als Fast-Fitter. Ob Sie aber auch <strong>de</strong>n Bogen zum Reifen schlagen?<br />

<strong>Neue</strong> ReifenZeitung 1/2000


fen. In welchen Größen man sich hier bewegt,<br />

ist aufgrund <strong>de</strong>r starken Expansionsbemühungen<br />

von Bosch nicht zu sagen.“<br />

Im Dezember vergangenen Jahres gab es<br />

exakt 626 Bosch-Dienste in Deutschland –<br />

geteilt durch drei, macht schon wie<strong>de</strong>r knapp<br />

über 200 neue Abverkaufsstellen, die Reifen<br />

professionell vermarkten wollen und die man<br />

vor einem Jahr noch nicht auf <strong>de</strong>r Liste hatte.<br />

AutoCrew – Reifenvermarktung<br />

soll ausgebaut wer<strong>de</strong>n<br />

AutoCrew ist als Fullservice-Konzept ebenso<br />

wie die bei<strong>de</strong>n Detailkonzepte Original Sachs<br />

Service und das Boge-Fachwerkstatt-Konzept<br />

ein Werkstattsystem<br />

<strong>de</strong>r Sachs Han<strong>de</strong>l<br />

GmbH in Schweinfurt, die<br />

damit bun<strong>de</strong>sweit über mehrere<br />

tausend Outlets verfügt.<br />

Bei ihr han<strong>de</strong>lt es sich wie<strong>de</strong>rum<br />

um eine Tochtergesellschaft <strong>de</strong>r<br />

Mannesmann Sachs AG, die<br />

weltweit zu <strong>de</strong>n führen<strong>de</strong>n Erstausrüstern<br />

in <strong>de</strong>n Bereichen<br />

Fahrwerk und Antriebsstrang<br />

gehört. Während die Automobilhersteller<br />

ihren Ersatzteile-<br />

Bedarf als „Original-Ersatzteile”<br />

mit höheren Margen<br />

versehen in <strong>de</strong>n Markt bringen,<br />

können die Kfz-Zulieferer<br />

die von ihnen in die Erstausrüstung<br />

gelieferten Komponenten<br />

auf <strong>de</strong>m freien<br />

Markt – <strong>im</strong> konkreten Falle<br />

die Sachs Han<strong>de</strong>l GmbH über<br />

ihre drei Vertriebsschienen –<br />

<strong>im</strong>merhin noch als „I<strong>de</strong>ntteile”<br />

(d.h. sie st<strong>im</strong>men in <strong>de</strong>n Spezifikationen<br />

mit <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Erstausrüstung<br />

verbauten Teilen<br />

überein) bzw. als sog. „Original-Marken-<br />

Ersatzteile” verkaufen. Hiermit ist also z.B. <strong>de</strong>r<br />

Original-Sachs/Boge-Stoßdämpfer, <strong>de</strong>r Original-Hella-Scheinwerfer<br />

usw. gemeint.<br />

Das AutoCrew-Konzept wur<strong>de</strong> in<br />

Zusammenarbeit mit Zulieferfirmen aus <strong>de</strong>n<br />

Bereichen Bremsentechnologie, Kfz-Elektrik/Elektronik,<br />

Abgas- und Regelsysteme,<br />

Mobilfunk, Motormanagement, Ölservice,<br />

Batterieservice, Filtertechnik sowie Firmen aus<br />

<strong>de</strong>n Bereichen Werkstattausrüstung, EDV und<br />

Umwelt-Service entwickelt. Die Reifenindustrie<br />

war also nicht an <strong>de</strong>r Planung beteiligt,<br />

obwohl nahezu alle <strong>de</strong>r insgesamt 450 Auto-<br />

Crew-Outlets, die es <strong>im</strong> November vergangenen<br />

Jahres in Deutschland gab (En<strong>de</strong> 1998:<br />

388), u.a. auch Reifen vermarkten, wenn auch<br />

nicht alle „<strong>im</strong> großen Stil”, wie AutoCrew-<br />

Geschäftsführer Thomas Bothe auf Anfrage<br />

<strong>de</strong>r NEUE REIFENZEITUNG betont. Ein Teil<br />

<strong>de</strong>r Betriebe ist jedoch bereits als Kooperationspartner<br />

<strong>de</strong>r Continental-Tochter „Franchise<br />

Service Gesellschaft” (FSG) professionell<br />

<strong>im</strong> Reifengeschäft aktiv. Die FSG muss in<br />

Kürze nochmals beleuchtet wer<strong>de</strong>n. Vielleicht<br />

ist ja mehr als ein Gag daraus gewor<strong>de</strong>n. Die<br />

Chancen haben sich seit <strong>de</strong>r Jahresmitte 1999<br />

dazu je<strong>de</strong>nfalls gezeigt.<br />

AutoCrew wen<strong>de</strong>t sich laut BBE-Branchenreport<br />

an die freien Pkw- und Lkw-Werkstätten<br />

in Deutschland, <strong>de</strong>nen mit produktbezogenen<br />

Werkstattkonzepten nur „Insellö-<br />

sungen” geboten wür<strong>de</strong>n. Sachs Han<strong>de</strong>l erhebe<br />

<strong>de</strong>n Anspruch, mit <strong>de</strong>m Werkstattsystem<br />

die freien Kfz-Werkstätten in ähnlicher Weise<br />

zu unterstützen wie die Automobilhersteller<br />

ihre Vertragshändler. Bei AutoCrew han<strong>de</strong>lt es<br />

sich allerdings nicht um ein Franchise-Konzept,<br />

son<strong>de</strong>rn um eine lose Kooperation mit<br />

einigen Einzelvereinbarungen (wie z.B. <strong>de</strong>r<br />

Nutzung <strong>de</strong>s AutoCrew-Logos). Es bestün<strong>de</strong>n<br />

keine Abnahmeverpflichtungen in bezug auf<br />

Mengen und/o<strong>de</strong>r Produkte. Die AutoCrew-<br />

Zentrale spricht diesbezüglich von einer „Partnervereinbarung”,<br />

wobei hier vermutet wer<strong>de</strong>n<br />

darf, dass vorzugsweise Produkte <strong>de</strong>r<br />

Sachs-Gruppe Verwendung fin<strong>de</strong>n. Die konzeptionelle<br />

Weiterentwicklung erfolgt auf <strong>de</strong>r<br />

Markt + Marketing<br />

Basis aktueller Problemstellungen und Anregungen<br />

<strong>de</strong>r Werkstattpartner in regelmäßig<br />

tagen<strong>de</strong>n Arbeitsgruppen.<br />

Im Frühjahr 1999 sollte bun<strong>de</strong>sweit das<br />

Schnellservice-Konzept „AutoMagic” als<br />

gemeinsames Kind von AutoCrew und FSG<br />

gestartet wer<strong>de</strong>n. Die I<strong>de</strong>e ist nicht neu: Den<br />

Autofahrern sollte laut Pressemitteilung vom<br />

Januar 1999 „ein qualitativ hochwertiger<br />

Auto- und Reifenservice zu fairem Preis” dort<br />

angeboten und durchgeführt wer<strong>de</strong>n, wo sie<br />

ihre Fahrzeuge sowieso für längere Zeit<br />

abstellen – auf Großflächenparkplätzen von<br />

Einkaufszentren/Verbrauchermärkten o<strong>de</strong>r in<br />

City-Parkhäusern. Das Franchise-System sollte<br />

auf <strong>de</strong>n Schnellservice in Sachen Reifen,<br />

Wenn selbst schon große Han<strong>de</strong>lsketten Know How kaufen müssen, wie steht es dann um die Innovationskraft <strong>de</strong>s Reifenfachhan<strong>de</strong>ls?<br />

Stoßdämpfer, Bremsen, Ölwechsel, Filter, Batterie,<br />

Windschutzscheiben hin ausgelegt sein;<br />

die erfor<strong>de</strong>rliche Kompetenz hierfür durch<br />

die Erfahrung aus <strong>de</strong>m gemeinsamen<br />

Geschäft <strong>de</strong>r AutoCrew-Werkstätten mit <strong>de</strong>n<br />

über 150 FSG-Partnern <strong>im</strong> Reifenservice und<br />

–fachhan<strong>de</strong>l sichergestellt wer<strong>de</strong>n. Ganz so<br />

flott wie geplant ist es dann doch offensichtlich<br />

nicht gegangen. Aus <strong>de</strong>m Starttermin<br />

Frühjahr ’99 ist mittlerweile laut AutoCrew-<br />

Geschäftsführer Thomas Bothe „Anfang<br />

2000” gewor<strong>de</strong>n, was <strong>im</strong>mer das auch genau<br />

heißen könnte. „Geplant sind zunächst einige<br />

Pilotbetriebe an verschie<strong>de</strong>nen Orten, bevor<br />

En<strong>de</strong> 2000 in die Fläche gegangen wird”, so<br />

Bothe. Die Sache stagniert, bereits vor einem<br />

<strong>Neue</strong> ReifenZeitung 1/2000 35


36<br />

Markt + Marketing<br />

Jahr wur<strong>de</strong> von Pilotbetrieben und<br />

einer Aus<strong>de</strong>hnung in „die Fläche”<br />

gesprochen. Man wollte damals mit<br />

elf Standorten starten und hatte sich<br />

die 200er Outlet-Marke zum Ziel<br />

gesetzt. Die Messlatte war offenbar<br />

zu hoch angelegt. Die Annahme<br />

drängt sich förmlich auf, dass kein<br />

Prüfer die tollen I<strong>de</strong>en intensiverer<br />

Betrachtung unterzog und diese <strong>im</strong><br />

Conti-Kessel eingedampft wur<strong>de</strong>n,<br />

bevor sich das Desaster <strong>de</strong>r zeltartigen<br />

Quick-Boxen auf Metro-Parkplätzen<br />

wie<strong>de</strong>rholen konnte. Und<br />

dies ist nur ein Beispiel von vielen.<br />

Der Weg in die Zukunft scheint<br />

vorgezeichnet: Mit <strong>de</strong>n neuen<br />

Werkstattsystemen <strong>im</strong> Fullserviceund<br />

Fast-Fit-Bereich schießen<br />

gleichzeitig auch die neuen Reifenvermarkter<br />

wie Pilze aus <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n. Die<br />

Folge: Auf einem ohnehin schon hart<br />

umkämpften Markt tummeln sich mit einem<br />

Mal <strong>im</strong>mer mehr Anbieter. Der traditionelle<br />

Reifenfachhan<strong>de</strong>l, für <strong>de</strong>n dieses Produkt das<br />

„Herzstück” darstellt, gerät <strong>im</strong>mer weiter unter<br />

Druck, ist gezwungen zu reagieren. Der<br />

Markt ist <strong>im</strong> Wan<strong>de</strong>l, Händler müssen sich mit<br />

ihm wan<strong>de</strong>ln. Wer heute meint, sein Geld<br />

allein und ausschließlich mit Reifen verdienen<br />

zu können, für <strong>de</strong>n könnte dann morgen<br />

schon gestern sein.<br />

Viele Fragen bleiben offen<br />

Der <strong>Reifenhan<strong>de</strong>l</strong> befin<strong>de</strong>t sich <strong>im</strong> Umbruch.<br />

Wohin geht die Entwicklung? Könnte das Bei-<br />

Eine Entwicklung wie ATU schaffte in diesem Bereich kein Wettbewerber. Dynamisch, professionell. Große Zukunft<br />

spiel von Ford Amerika in Deutschland Schule<br />

machen? Ist Autohaus-Reifenvermarktung<br />

<strong>im</strong> großen Stil in absehbarer Zeit eine realistische<br />

Bedrohung für <strong>de</strong>n Reifenfachhan<strong>de</strong>l?<br />

Wer<strong>de</strong>n die Automobilhersteller irgendwann<br />

versuchen, <strong>de</strong>n <strong>Reifenhan<strong>de</strong>l</strong> unter ihre Kontrolle<br />

zu bringen? Be<strong>im</strong> Kfz-Zubehör- und<br />

Dienstleistungsmarkt sind ja bereits erste<br />

Ansätze in diese Richtung zu erkennen. O<strong>de</strong>r<br />

Reifengroßhändler verkaufen nicht nur Hard-, son<strong>de</strong>rn auch Soft-ware und empfehlen sich als Franchisegeber<br />

liegt für <strong>de</strong>n <strong>Reifenhan<strong>de</strong>l</strong> das Potenzial <strong>de</strong>r<br />

Zukunft eher bei <strong>de</strong>n herstellerunabhängigen<br />

Fast-Fit-Organisationen, bei <strong>de</strong>n großen<br />

Werkstattsystem-Anbietern?<br />

Dieser Artikel will einen generellen Überblick<br />

über die laufen<strong>de</strong>n Verän<strong>de</strong>rungen in<br />

Sachen Reifenvermarktung und <strong>de</strong>ren Auswirkungen<br />

für <strong>de</strong>n „klassischen Reifenfachhan<strong>de</strong>lsbetrieb“<br />

geben. Er wirft dabei not-<br />

wendigerweise in erster Linie eine Vielzahl<br />

von Fragen auf. Und auch wenn hier sicherlich<br />

nur einige Teilaspekte <strong>de</strong>r komplexen<br />

Thematik beleuchtet wer<strong>de</strong>n können, han<strong>de</strong>lt<br />

es sich doch um Fragen, die jetzt gestellt wer<strong>de</strong>n<br />

müssen. Wir wer<strong>de</strong>n uns <strong>im</strong> Laufe dieses<br />

Jahres kontinuierlich darum bemühen, <strong>im</strong><br />

Dialog mit <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>lspartnern unserer<br />

Branche Antworten auf diese Fragen zu erhalten.<br />

Zu diesem Zweck sollen alle <strong>im</strong><br />

vorliegen<strong>de</strong>n Beitrag angesprochenen<br />

Distributionsmöglichkeiten für<br />

Reifen – also sowohl <strong>de</strong>r klassische<br />

Fachhan<strong>de</strong>l mit freien, kooperativen<br />

Franchisesystemen und Han<strong>de</strong>lsketten<br />

als auch alternative bzw. neue<br />

Distributionsformen (Schnellreparatur-<br />

und Werkstattkonzepte) –<br />

jeweils in Einzelschritten einer eingehen<strong>de</strong>n<br />

analytischen Betrachtung<br />

unterzogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Ohne Kaffeesatzleserei betreiben<br />

zu wollen, kann an dieser Stelle<br />

jedoch bereits folgen<strong>de</strong>s festgehalten<br />

wer<strong>de</strong>n: Dem Reifenfachhan<strong>de</strong>l<br />

muss es wohl o<strong>de</strong>r übel darum<br />

gehen, seinen Platz neu zu <strong>de</strong>finieren,<br />

sich mit „Zusatzgeschäften” stärker<br />

als bisher zu beschäftigen und<br />

selbst mit solchen „Zusatzgeschäften”,<br />

die auf <strong>de</strong>n ersten Blick nichts o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>nfalls<br />

nicht viel mit <strong>de</strong>m „Stammgeschäft” zu tun<br />

haben. Der traditionelle Fachhan<strong>de</strong>l hat neue<br />

Wettbewerber bekommen, die er nicht nur<br />

zur Kenntnis nehmen muss. Vielmehr wird es<br />

erfor<strong>de</strong>rlich sein, sich das von irgendwoher<br />

zurückzuholen, was von diesen neuen Distributeuren<br />

„abgesaugt” wor<strong>de</strong>n ist.<br />

Klaus Had<strong>de</strong>nbrock/Holger Düx<br />

<strong>Neue</strong> ReifenZeitung 1/2000

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