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sich Leopold. Er versuchte ein Lächeln, das sogleich von seiner Angeschwärmten erwidert wurde. Doch dieser Gunstbeweis förderte Leopolds Schüchternheit, statt sie zu überwinden. Anna hatte genug von ihrem zurückhaltenden Verehrer. Sie schlug nicht länger die Aufforderungen der anderen Galane zum Tanz aus. Traurig, aber auch wütend, dass seine Verehrte sich mit wildfremden Kerlen abgab, während sie ihn, den einzigen Mann, der es verdiente, sie in den Arm zu nehmen, verschmähte, saß Leopold allein an einem Tisch nahe der Theke und beschickerte sich immer mehr. Warum tanzt sie nicht mit mir?! Weil du es nicht kannst! Und sogar zu feige bist, sie anzugucken! Leopold goss sich erneut ein Glas hinter die Binde. Der Alkohol, der Leos Zorn zunächst steigerte, hatte längst seinen Mut erstickt. Er verlor die Kraft, „seine“ wirbelnde Schönheit zu beobachten. Anna besaß diese Energie. Der stattliche blonde Mann mit den strahlend blauen Augen, gewiss ein Hauer, und so sauber und ordentlich gekleidet, war ihr sogleich aufgefallen. Zunächst war sie enttäuscht, dass er Barbara zum Tanz gebeten hatte. Doch dann hatte sie sogleich bemerkt, dass er kein Tänzer, sondern ein Stolperer war. Barbaras Zorn amüsierte sie. Die meisten Bergleute waren täppische Tänzer. Na und? So waren Männer nun mal. Und dass er aus Polen kam, war auch nicht ungewöhnlich. Annas Schwager war ebenfalls Pole. Anna sah an Leopolds Augen, dass er sich in sie verguckt hatte. Schon vor einer Woche. Sie war sich sicher, dass der Blonde wiederkommen würde, um sie zu sehen – trotz seiner Schüchternheit. Deshalb hatte sie sich das Verlobungskleid ihrer Schwägerin Martha ausgeliehen und sich so lange auf die Lippen gebissen, bis sie rot glänzten. Und nun musste sie mit ansehen, wie der Verehrer seine, ihre Liebe versoff. Ihr Versuch, durch das Tanzen mit anderen Männern bei ihm Eifersucht zu wecken, war gründlich ins Schnapsglas gegangen. Doch Anna war nicht der Typ, sich durch Schüchternheit oder anderen Klein- 20
mut von ihrem Vorhaben abbringen zu lassen. Das konnte sie sich als älteste Tochter von sieben Geschwistern nicht erlauben. Also handelte sie rasch. Ehe ihr Angebeteter sich vollends betrank. Anna schüttelte ihren Tanzpartner ab. Bewegte sich langsam und unauffällig um die Tanzfläche und baute sich vor ihrem Bergmann auf. Sie sah, wie dieser zusammenzuckte. Sein schnapsgerötetes Gesicht wurde augenblicklich blass. Er riss seine herrlichen, dunkelblauen Augen auf. Er hörte ihre volle, wohlklingende Stimme: „Ich seh wohl, dass du mich die ganze Zeit anstarrst …“ Leopolds Herz raste wie noch nie. Er wusste nicht, was er ihr antworten sollte. Er wollte, er musste etwas sagen. Nur was? „… aber so kommen wir nicht weiter.“ Sie lächelte mit feingeschwungenen Lippen, vor allem mit ihren tiefen, warmen Augen. „Mit dem Tanzen wird’s auch nichts. Das ist ja wohl nicht deine Stärke.“ Was konnte er ihr nur antworten, zum Teufel? „Also sollten wir uns unterhalten.“ Sie lächelte Leopold geradezu kokett an, der Schleier einer leichten Melancholie, der bis dahin ihren Blick umwölkt hatte, zerriss. „Möchtest du mich nicht auf eine Limonade einladen?“ – „Ja“, presste Leopold heraus. Er brauchte eine Weile, ehe es ihm gelang, sich aus seiner Starre zu lösen. Dann sprang er auf, sein Stuhl kippte nach hinten. Leopold war seine Ungeschicklichkeit peinlich. Da ergriff Anna sanft seine Hand. Um sie, um ihn nie wieder loszulassen. Zwei Monate später verlobten sich Anna und Leopold. Familie Hauser war zunächst nicht begeistert von der Wahl ihrer Tochter. Musste es unbedingt ein Pole sein? Noch dazu ein dahergelaufener, der fern seiner Familie im Ledigenheim hauste? Wie es in den Menagen zuging, war allenthalben bekannt. Darüber hinaus verdiente Anna, wenn auch nicht viel, als Heimnäherin für die Firma Heinze-Textilien und gab ihren Lohn als Haushaltsgeld in die Familienkasse. Doch Annas Entscheidung stand unverrückbar fest, und ihre Willensstärke war trotz ihrer sanften Stimme 21
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