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Altersgrenze von 68 Jahren zuschreitet. Schirrma<strong>che</strong>r, der kleine George im jungen<br />
Männerbund. Das „Benjamin-Aufbackbröt<strong>che</strong>n“, wie sie ihn später nennen<br />
werden. Ein Publizist im Umfeld der Zeitschrift Merkur beschreibt die Konstellation<br />
mit einem psychoanalytis<strong>che</strong>n Szenarium, der Freud’s<strong>che</strong>n Brüderhorde: Einer<br />
wird sich hervorheben und die Horde zerstören, die Brüder ermorden.<br />
Frank Schirrma<strong>che</strong>r weiß als an Literatur geschulter Realist, dass Macht nie ein<br />
reiner Selbstläufer ist. Er buhlt um die Gunst von Joachim Fest, der 1986 in dem<br />
von ihm verantworteten FAZ-Feuilleton den Historikerstreit nicht nur um Ernst<br />
Nolte und seine provozierenden vergangenheitspolitis<strong>che</strong>n Thesen austrägt,<br />
sondern auch um einen nationalen Patriotismus versus den von Jürgen Habermas<br />
in Anschlag gebrachten Verfassungspatriotismus.<br />
Noltes verglei<strong>che</strong>nde Pointierung, der Holocaust sei als eine abwehrende Reaktion<br />
auf die „Vernichtungsvorgänge der Russis<strong>che</strong>n Revolution“ und somit als<br />
nicht einzigartiges Ereignis zu werten, spaltet auch das Feuilleton der FAZ. Fest<br />
und die so genannte Viererbande, unter anderem der Historiker Michael Stürmer,<br />
damaliger Berater von Helmut Kohl, gegen den Rest. Aber auch gegen<br />
Reich-Ranicki, der sich als Holocaust-Überlebender heftig gegen die Position<br />
Noltes verwahrt.<br />
Schirrma<strong>che</strong>r, der 1994 im Interview mit Herlinde Koelbl betonen wird, dass er<br />
„den Historikerstreit nicht für eine Sternstunde der Menschheit halte“, speziell<br />
das Debattenniveau bestimmter „fals<strong>che</strong>r Freunde“, die dachten, „mit dieser<br />
Zeitung könne man ganz besonders schön in nationalistis<strong>che</strong>n Träumen schwelgen“,<br />
dieser Schirrma<strong>che</strong>r hält sich damals bedeckt und macht den Streit kurzerhand<br />
zu seiner persönli<strong>che</strong>n Sternstunde. Er nutzt die wohl einmalige Gelegenheit,<br />
die Differenz zwis<strong>che</strong>n Fest und Reich-Ranicki, und positioniert sich zwis<strong>che</strong>n<br />
den ideologis<strong>che</strong>n Lagern.<br />
Den Instinkt für den richtigen Moment, das vorausschauende Gespür für den<br />
idealen Zeitpunkt – diese Gabe besitzen nicht viele. Frank Schirrma<strong>che</strong>r hat sie<br />
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