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recher che-stipendium - Otto Brenner Shop

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is 1919 publiziert wurden und sich laut literaturtheoretis<strong>che</strong>m Programm der<br />

„künstleris<strong>che</strong>n Umformung des Lebens“ widmen sollten. Strenger Ästhetizismus<br />

hatte über allen politis<strong>che</strong>n oder sozialen „Weltverbesserungen“ zu stehen.<br />

Der Dichter als Führer mit seinen Blättern als Podium – heute hieße das wohl<br />

Meinungsführer mit den Blättern des FAZ-Feuilletons.<br />

Dass Schirrma<strong>che</strong>r später vehement mit Dichterinnen wie Christa Wolf abrechnet<br />

und Günter Grass bis heute zu seinen intellektuellen Intimfeinden zählt, ist da<br />

nur konsequent. An einem wie Grass muss er sich abarbeiten, an dem späteren<br />

Nobelpreisträger, dem Literaten aus Danzig, der in den Fünfzigerjahren zunächst<br />

einen Bonus hatte: Er verkörpert einen neuen Typus des Intellektuellen. Im<br />

Gegensatz zum großbürgerli<strong>che</strong>n Dandy, wie ihn etwa Joachim Fest repräsentiert,<br />

steht Grass für den nahbaren Rotweintrinker, der sich bis heute, als kämpferis<strong>che</strong>r<br />

Sozialdemokrat, unermüdlich in den politis<strong>che</strong>n Diskurs einmischt. Figuren wie<br />

Grass müssen bei einem Ästhetizisten wie Schirrma<strong>che</strong>r auf Verachtung stoßen<br />

– gerade weil er selbst mit seiner so oft als kindlich beschriebenen Statur, über<br />

die schon so viele hilflos gespottet haben, dem asketis<strong>che</strong>n Ideal des George-<br />

Bundes kaum entspricht und die ersehnte intellektuelle Aura beim öffentli<strong>che</strong>n<br />

Auftritt vermissen lässt.<br />

Umso glückli<strong>che</strong>r fügt sich die Öffnung der deuts<strong>che</strong>n Germanistik in den Achtzigerjahren<br />

für den Dekonstruktivismus. Franz Kafka, über den Schirrma<strong>che</strong>r seine<br />

Magisterarbeit verfasst und 1988 promoviert, wird völlig neu erschlossen. Der<br />

Prozess des Schreibens als selbstschöpferis<strong>che</strong>r Lebensakt, als Ersatz und<br />

gleichsam Tod des realen Ichs – ein Faszinosum für Schirrma<strong>che</strong>r.<br />

Also studiert Schirrma<strong>che</strong>r mit Verve, tummelt sich im Kreis der Studienstiftung<br />

des Deuts<strong>che</strong>n Volkes und macht sich bei seinen Professoren einen Namen als<br />

Vorzeigestudent und Ausnahmetalent. Bei einem seiner Literaturprofessoren<br />

zählt er schnell zu den Freunden des Hauses.<br />

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