recher che-stipendium - Otto Brenner Shop
recher che-stipendium - Otto Brenner Shop
recher che-stipendium - Otto Brenner Shop
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ein Vers der alten schweizeris<strong>che</strong>n<br />
Nationalhymne lautete: „Nie vor Gefahren<br />
bleich.“ Ich sang diese Nationalhymne<br />
noch. Und ich halte mich an die<br />
todesmutige Devise der alten Eidgenossen.<br />
Darum, meine sehr verehrten<br />
Damen und Herren, bin ich heute<br />
trotzdem hier.<br />
Reden soll ich über Journalismus. Eine<br />
Festrede soll es sein. In höchst unfestli<strong>che</strong>r<br />
Zeit, wie ich an Schlagzeilen und<br />
Titelbildern der deuts<strong>che</strong>n Presse<br />
erkennen muss.<br />
Was fällt mir zum deuts<strong>che</strong>n Journalismus<br />
ein? Oder, konkreter: Was fällt mir<br />
am deuts<strong>che</strong>n Journalismus auf?<br />
Es fällt mir auf, und zwar nicht erst<br />
heute, sondern seit einigen Jahren,<br />
ganz besonders in den letzten beiden:<br />
Die Politikfeindlichkeit der Medien.<br />
Liest man die Zeitungen und Zeitschriften,<br />
schaut man Fernsehen, so ers<strong>che</strong>inen<br />
die deuts<strong>che</strong>n Politiker als notoris<strong>che</strong><br />
Lügner, als skrupellose Geldverschwender,<br />
als machtversessene Hallodris,<br />
kurzum als Angeklagte, die es<br />
zu verhören gilt, wie die „Bild-Zeitung“,<br />
diese Staatsanwaltschaft aus<br />
21<br />
eigenem Recht, es vor einiger Zeit mit<br />
Norbert Blüm vorexerzierte.<br />
Die Politik in Deutschland taugt also<br />
nichts. Sie löst nicht die Probleme, sie<br />
bringt stattdessen Gesetzesmonster<br />
zur Welt. Ein offenbar besonders abschreckendes<br />
Beispiel: die Gesundheitsreform.<br />
Auch sieht diese Politik nicht – wie<br />
einst am Vorabend des Ersten Weltkriegs<br />
Wilhelm II. – „nur noch Deuts<strong>che</strong>“,<br />
nein, sie ist parteiisch. Ich<br />
zitiere noch einmal den „Spiegel“, der<br />
in einem Artikel über die Partner der<br />
Grossen Koalition vorwurfsvoll befand:<br />
„Zuerst die Partei, dann das Land.“<br />
Als politis<strong>che</strong>r Journalist, seit bald 40<br />
Jahren akkreditiert im Berner Bundeshaus,<br />
erlaube ich mir die Frage: Gibt<br />
es Demokratie ohne Parteien? Und<br />
gibt es Parteien ohne Parteilichkeit?<br />
Wo bin ich, wenn ich in Deutschland<br />
bin? In einer Demokratie? Oder in<br />
einem Land voll unerfüllter Sehnsucht<br />
nach dem politis<strong>che</strong>n Führertum?<br />
Ich komme aus einem Land, das seit<br />
1959 nicht nur mit einer Grossen Koali-