September 07 | No. 15 - Das Magazin für Kunst, Architektur und ...
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8 o.T. Ausstellungen<br />
NEUMÜNSTER<br />
Wo liegt<br />
Arkadien?<br />
EIN SKULPTURENGARTEN AN DER SCHWALE<br />
Die Messlatte liegt hoch. Neumünsters neue Attraktion, ein Skulpturengarten<br />
samt zweier Ausstellungshäuser, will sich künftig mit Einrichtungen<br />
wie dem Skulpturengarten des Kröller-Müller-Museums in<br />
Otterlo messen lassen. Zur Verfügung stehen da<strong>für</strong> ein Stiftungskapital<br />
von 18 Millionen Euro sowie ein 30 Hektar großer Park entlang der<br />
Schwale. Drei Hektar davon sind <strong>für</strong> den Skulpturengarten<br />
vorgesehen.<br />
Initiator des Skulpturenparks ist das Stifterpaar Herbert <strong>und</strong> Brigitte<br />
Gerisch. Vor fünf Jahren begann die von ihm gegründete Herbert-Gerisch-Stiftung<br />
eine Skulpturensammlung aufzubauen, unter anderem<br />
mit Werken von Magdalena Abakanowicz, Horst Antes, Ian Hamilton<br />
Finlay <strong>und</strong> Markus Lüpertz. Mit der offiziellen Einrichtung des<br />
Skulpturen-Parks wird sich auch die Skulpturensammlung verjüngen<br />
mit Namen wie Bogomir Ecker <strong>und</strong> Res Ingold. Olaf Nicolai errichtet<br />
einen gläsernen Zaun in Form einer floral-gemusterten, semi-transparenten<br />
Gardine, die voyeuristisch den Blick ins Parkinnere erlaubt.<br />
HANNOVER<br />
Revolution<br />
des Alltäglichen<br />
NOUVEAU RÉALISME IM SPRENGEL MUSEUM<br />
Mimmo Rotella | Le Tigre, 1962<br />
Affiche lacérée, 110 x 85 cm<br />
Die Ausstellung „<strong>No</strong>uveau Réalisme“<br />
erinnert nicht zuletzt an den erbitterten<br />
<strong>Kunst</strong>kampf, bei dem Mitte<br />
der siebziger Jahre 20.000 Hannoveraner<br />
mit ihrer Unterschrift gegen<br />
die Aufstellung von drei poppig bunten<br />
Nana-Figuren von Niki de Saint<br />
Phalle protestierten. Heute ist man<br />
stolz auf sie. Die Künstlerin, die dem<br />
Sprengel Museum über 300 Werke<br />
vermachte, wurde zur Ehrenbürgerin<br />
ernannt. In der Schau über eine der<br />
spektakulärsten Künstlerbewegungen<br />
der Nachkriegszeit ist sie jetzt<br />
zentral mit ihrem Werk vertreten.<br />
Olaf Nicolai | Blick durch seine gläserne Gardine: „Annie“, nach der gleichnamigen Titelfigur aus einem Roman von Stephen King<br />
Anregungen holte sich Nicolai dabei aus einer Stephen King-Verfilmung.<br />
Stefan Sous eröffnet ein Autokino unter einer Brücke mit live-Bildern<br />
des darüber fahrenden Verkehrs. Und als jüngste Teilnehmer empfehlen<br />
sich Studenten der Kieler Muthesius-<strong>Kunst</strong>hochschule mit einer<br />
Skulpturenschleuder. Leicht respektlos hat sie Gipsabgüsse prominenter<br />
antiker Skulpturen, die „drop-sculptures“, in den Park katapultiert.<br />
Zum künftigen Park, der unter dem Leitmotto „Wo liegt Arkadien?“<br />
steht, zählen ebenso die Villa Wachholtz <strong>und</strong> der vom Lübecker Gartengestalter<br />
Harry Maasz neu restaurierte Landhausgarten aus dem<br />
Jahr 1924/25, Herzstück des Skulpturenparks. An beiden Orten <strong>und</strong> in<br />
der nahegelegenen Gerisch-Galerie wird zeitgleich mit dem Skulpturenpark<br />
die Henry Moore-Ausstellung „Wie die Natur. Druckgraphik<br />
<strong>und</strong> Plastik“ eröffnet. Zwei weitere Ausstellungen in der Villa widmen<br />
sich den Architekten von Villa <strong>und</strong> Garten. Feierliche Eröffnung am<br />
8. <strong>und</strong> 9.9. | WOLF JAHN<br />
Herbert-Gerisch-Stiftung, Hauptstr. 1, 24536 Neumünster, www.gerisch-stiftung.de<br />
Die „Revolution des Alltäglichen“ - Untertitel der Schau - entstand in<br />
Kooperation mit dem Centre Pompidou <strong>und</strong> den Galeries nationales<br />
du Grand Palais. Sie erinnert an eine avantgardistische Bewegung in<br />
den frühen sechziger Jahren, deren Protagonisten wie Christo, Yves<br />
Klein, Daniel Spoerri <strong>und</strong> Jean Tinguely bis heute immer wieder in Einzelausstellungen<br />
gefeiert wurden. Was fehlte, war eine Zusammenfassung<br />
aller Aktivitäten, die jetzt zum erstenmal präsentiert wird.<br />
Obwohl die Künstler im Oktober 1960 in Paris ein Gründungsmanifest<br />
veröffentlichten, in dem sie mit dem <strong>No</strong>uveau Réalisme eine<br />
neue Annäherung in der Wahrnehmung der Wirklichkeit postulierten,<br />
unterschieden sie sich heftig in ihren Aktivitäten. Jahre<br />
später hat sie der durch seine Plakatabrisse bekannt gewordene<br />
Raymond Hains charakterisiert als „Zusammenschluss kleiner Cäsaren,<br />
die sich die Welt teilen, so wie man einen Kuchen unter<br />
sich aufteilt. Yves Klein nimmt das Blau, César die zum Block gepressten<br />
Autos, Arman die Mülleimer, Christo die Verpackungen.“<br />
Man machte sich beim Malen nicht mehr die Hände schmutzig,<br />
sondern trug bei <strong>Kunst</strong>aktionen weiße Handschuhe. Wie Yves Klein<br />
bei der Herstellung von Abdrucken blau gefärbter Frauenkörper auf<br />
Leinwand. Oder ein weißes Kleid wie Niki de Saint Phalle bei ihren<br />
Schießbildaktionen. Ausstellung <strong>und</strong> Katalog (45 Euro) lassen die Aktionen<br />
wieder lebendig werden. Aber es stimmt auch ein bisschen<br />
traurig, diese neodadaistischen Zeiten nur noch nacherleben, nicht<br />
mehr miterleben zu können. Muss ziemlich schön frech gewesen sein!<br />
| ANNA BRENKEN<br />
Kurt-Schwitters-Platz, 30169 Hannover, T. 0511/168/4 38 75, www.sprengel-museum.de.<br />
FOTOS: 1. © GERISCH STIFTUNG, 2. FONDATION ROTELLA, MILAN, © ADAGP, PARIS 20<strong>07</strong>