September 07 | No. 15 - Das Magazin für Kunst, Architektur und ...
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18 o.T. ium<br />
Kleines<br />
<strong>Kunst</strong>lexikon<br />
RAINER UNRUH KLÄRT<br />
DIE BEGRIFFE | FOLGE <strong>15</strong><br />
F WIE FONDS<br />
Mit <strong>Kunst</strong> kann man Geld verdienen, sehr<br />
viel sogar. Ein Bild von Neo Rauch war in<br />
den frühen neunziger Jahren <strong>für</strong> 3000<br />
Mark zu haben. Heute zahlen Sammler<br />
schon mal 250.000 Euro <strong>für</strong> ein Werk des<br />
Leipziger Vorzeigemalers. Warum also<br />
nicht mit bemalter Leinwand spekulieren?<br />
<strong>Kunst</strong>-Fonds locken mit tollen Renditen.<br />
Aber sollte man wirklich sein Geld Leuten<br />
anvertrauen, die auf Websites solchen Edel-<br />
Kitsch absondern wie „<strong>Das</strong> schöpferische<br />
Moment der <strong>Kunst</strong> – die Fähigkeit des<br />
Künstlers zu einer Vision, die aus der reinen<br />
Idee eine wertvolle Realität werden lässt, –<br />
die Fähigkeit wohnt auch demjenigen<br />
inne, der die <strong>Kunst</strong> als Kapital versteht“.<br />
Wer derlei geschraubten Schwachsinn<br />
verzapft, müsste eigentlich in eine der<br />
Ausnüchterungszellen Gregor Schneiders<br />
eingewiesen werden, Mindestdauer ein Jahr.<br />
Ein Risiko <strong>für</strong> Wertverlust übernehmen die<br />
Fonds übrigens in der Regel nicht. Dann steht<br />
man auf einmal dumm da, wenn die Bilder<br />
des heute angeblich schwer angesagten<br />
mongolischen Ziegenhaarmalers morgen<br />
nur noch als Witz von gestern gelten <strong>und</strong><br />
sich das investierte Geld schneller in Nichts<br />
aufl öst, als man „Hype“ sagen kann. Gut<br />
möglich, dass am Ende nur ein einziges<br />
<strong>Kunst</strong>werk übrig bleibt. <strong>Das</strong> heißt dann<br />
meist Porsche oder Maserati <strong>und</strong> gehört<br />
dem Fondsmanager.<br />
Auch Wirtschafts- oder Wohnhäuser, die auf<br />
kirchliche Erbauer zurückgehen, laden zur Begehung<br />
ein. Und wenn sich partout kein religiöser<br />
Kontext fi ndet, dann sich darf auch schon<br />
einmal eine h<strong>und</strong>ertjährige Dampfziegelei<br />
wie in Kritzow bei Parchim in einen „Ort der<br />
Einkehr“ verwandeln. Alle Termine, alle Orte,<br />
aufgeteilt nach den B<strong>und</strong>esländern fi nden<br />
sich unter www.tag-des-offenen-denkmals.<br />
de. An das Motto des Denkmaltages schließen<br />
sich zudem zahlreiche Ausstellungen an.<br />
So lädt in Hamburg das Denkmalschutzamt<br />
ab 5. <strong>September</strong> in der Freien Akademie zur<br />
Ausstellung „Baukunst von morgen!“. Die<br />
von der Theologin <strong>und</strong> <strong>Kunst</strong>historikerin Karin<br />
Berkemann erarbeitete Schau beschäftigt<br />
sich mit den Besonderheiten <strong>und</strong> Schönheiten<br />
Hamburger Nachkriegskirchen.<br />
Bis 7. Oktober. Klosterwall 23, T. 324632,<br />
www.akademie-der-kuenste.de<br />
BUCH-TIPP<br />
<strong>Kunst</strong>-Prädikat „Gut“<br />
Hrsg. von Wolfram<br />
Völcker, Ostfi ldern:<br />
Hatje Cantz, 20<strong>07</strong>,<br />
168 S., Euro 24,89<br />
keine Rolle spielen. Vielfach sind es stille<br />
Arbeiten, denen die Experten Qualität attestieren.<br />
Die zarten Bleistiftzeichnungen von<br />
German Stegmaier gehören ebenso in diese<br />
Kategorie wie die Fotografi en einer Viktoria<br />
Binschtok von den Hand- <strong>und</strong> Fußabdrücken<br />
wartender Menschen in einem Berliner Arbeitsamt.<br />
Wozu sind Qualitätsurteile gut?<br />
Sie provozieren Widerspruch, <strong>und</strong> wer begründet<br />
widerspricht, denkt vorher nach. <strong>Das</strong><br />
unterscheidet <strong>Kunst</strong> von Politik. | RAINER UNRUH<br />
Zitrone<br />
Obwohl das Anrecht auf die größte<br />
Zitrone des Jahres mit weitem Abstand<br />
ohne Zweifel die 12. Documenta<br />
hat, will o.T. in dieser neuen Rubrik<br />
verschiedenen Autoren – <strong>und</strong> gerne<br />
auch unseren Leserinnen <strong>und</strong> Lesern –<br />
die Gelegenheit bieten, die kleinen<br />
lästigen Erscheinungen in <strong>Kunst</strong> <strong>und</strong><br />
Alltag etwas nachzuwürzen, die irgendwie<br />
sauer aufstoßen. Zu Beginn<br />
w<strong>und</strong>ert sich Hajo Schiff über ein<br />
überfl üssiges Wasserzeichen.<br />
CANTZ<br />
©HATJE FOTO:<br />
Was ist gute <strong>Kunst</strong>? Wolfram Völcker hatte<br />
die gute Idee, diese Frage Kuratoren <strong>und</strong><br />
Fachleuten aus Museen zu stellen. Die Antworten<br />
<strong>und</strong> erläuternden Essays liegen nun<br />
in Buchform vor: Eigenständigkeit, Neuartigkeit,<br />
Wahrhaftigkeit, Glaubwürdigkeit,<br />
Stringenz – es sind die seit dem Anbruch der<br />
Moderne bekannten Garanten, die als Bür- Hamburg gilt zu Recht als schöne Stadt.<br />
gen <strong>für</strong> die Qualität der <strong>Kunst</strong> auftreten. In- <strong>Das</strong> liegt wesentlich an den beiden Alster-<br />
Tag des offenen<br />
Denkmals<br />
teressanter als die abstrakten Bekenntnisse<br />
sind die Arbeiten, auf die sich die Experten<br />
beziehen. Christoph Heinrich, langjähriger<br />
Leiter der Galerie der Gegenwart, wagt sich<br />
seen. Vor allem die Binnenalster, eher ein<br />
nicht betretbarer Stadtplatz als ein See, ist<br />
mit ihrer gleichmäßigen, durch besondere<br />
Vorschriften geschützten Randbebauung<br />
am weitesten aus der Deckung. Er schwärmt ein städtebauliches Juwel, das sogar gele-<br />
Aufmarsch der Massen vor r<strong>und</strong> einem Jahr: von den makellos gemalten Bild „Milch magentlich übertriebene Amüsierbenutzung<br />
Nach offi zieller Zählung pilgerten damals 4,5 len“ (2004) von Jonas Burgert, das in den verträgt. Doch seit Jahren nervt irgendwo,<br />
Millionen Kulturinteressierte zu über 7000 Augen mancher Kritiker nicht mehr als ei- mal mehr, mal weniger in der Mitte dort<br />
b<strong>und</strong>esdeutschen Denkmälern. Der Rekord ne manieristische Fingerübung ist. Gudrun so ein seltsamer Püsterich, ein windver-<br />
könnte heuer überboten werden. Am 9. Sep- Inboden (Staatsgalerie Stuttgart) gibt sich wehter Luftbefeuchter, der das großartige<br />
tember ist wieder „Tag des offenen Denk- elitär. Sie zitiert Rilke <strong>und</strong> raunt, dass man Ensemble zu einem provinziellen Einkaufmals“,<br />
diesmal bei über 9500 historischen Ge- ein herausragendes Werk an seiner „qualimeilen-Springbrunnen degradiert. Wer je<br />
bäuden. <strong>Das</strong> Motto diesmal: Orte der Einkehr tas occulta“ erkennt. Auffällig, dass in dem zwischen Seehafen <strong>und</strong> Alpenpanorama den<br />
<strong>und</strong> des Gebets – Historische Sakralbauten. Band die gehypten Stars des <strong>Kunst</strong>betriebs, über 120 Meter hohen „Jet d’ eau“, die Fon-<br />
Aber nicht nur Kirchen, Synagogen <strong>und</strong> ande- von Damien Hirst bis zum Ahrensburger täne in Genf gesehen hat, kann über diese<br />
re Gotteshäuser stehen den Besuchern offen. Pubertätsexpressionisten Jonathan Meese, Zitrone in Hamburg nur grinsen. | HAJO SCHIFF