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idioticon der nordthüringischen mundart. den bürgern nordhausens ...

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Anhang.<br />

Ich kann mich nicht enthalten, als Anhang wenigstens eine Probe <strong>der</strong> in Nordhausen<br />

üblichen Kin<strong>der</strong>- und Wiegenlie<strong>der</strong> zu geben (vgl. dazu u. a. Rochholz, Alemannisches<br />

Kin<strong>der</strong>lied u. Kin<strong>der</strong>spiel aus <strong>der</strong> Schweiz, gesammelt und Sitten- und<br />

Sprachgeschichtlich erklärt, Leipz. 1857). Wie schon im Vorworte erwähnt, sind die<br />

ersteren jetzt durchaus „hochdeutsch“ o<strong>der</strong> vielmehr „messingisch“, wenn es erlaubt ist,<br />

diesen Ausdruck Fritz Reuter’ s auch auf die nordthüringische Mischsprache (vgl.<br />

Vorwort, p. VI.) anzuwen<strong>den</strong>. Von wiegenlie<strong>der</strong>n ist mir wenigstens ein im Dialekt<br />

gesungenes bekannt. Es lautet, wie folgt:<br />

„Ruu, ruu, relle“ –<br />

Fier ruuche felle –<br />

Fier ruuche dunnerkatzen,<br />

Die sich hingen’ un forne kratzen.<br />

Zur Vergleichung setze ich hier das von G. Zappert gefun<strong>den</strong>e und von C. A. Kletke im<br />

„Jahresbericht <strong>der</strong> Realschule am Zwinger zu Breslau“ 1867 veröffentlichte<br />

althochdeutsche Schlummerlied (pag. 19) her:<br />

Tocha, slafês sliuno, uueinon sar lazêz.<br />

Triuua uuerit craftlicho themo uuolfa uurgianthemo.<br />

Slafês unza morgane manes trût sunilo.<br />

Ostra stelit chinde honac egir suoziu.<br />

Hera prichit chinde pluomun plobun rotiu,<br />

Zamfana sentit morgane ueiziu scaf cleiniu,<br />

Unta Einouga, herra hurt! Horsca asca harta.<br />

Übersetzt wird dasselbe von Kletke folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

Puppe, schlafe schleunig, weinen alsbald lasse!<br />

Triwa wehret kräftig dem wolfe, dem würgen<strong>den</strong>.<br />

Schlafe bis zum morgen, des mannes trautes söhnlein.<br />

Ostra stellt dem kinde honig-eier, süsse.<br />

Hera pflückt dem kinde blumen, blaue, rothe.<br />

Zamfana sendet morgen weisse schafe, kleine,<br />

Und Einouga (d. h. Wuotan), herra hurt! schnelle speere, harte.<br />

Das gewiegte Kind ist ein Knabe, das geht aus dem 3. und 7. Verse hervor. Bei einem<br />

Mädchen wur<strong>den</strong> vielleicht beide weggelassen. Da haben wir deutlich in edler,<br />

altgermanischer Form die „vier Donnerkatzen“ des mo<strong>der</strong>nen Liedes. Aus <strong>den</strong> vier<br />

Göttinnen, welche aufgefor<strong>der</strong>t wer<strong>den</strong>, das Kind zu beschenken und zu beschützen,<br />

sind vier Hexen gewor<strong>den</strong>, die in Katzengestalt erscheinen, vier wettermachende Frauen,<br />

daher Donnerkatzen. Es ist hier nicht <strong>der</strong> Ort, auf <strong>den</strong> mythologischen Gehalt dieses und<br />

<strong>der</strong> folgen<strong>den</strong> Lie<strong>der</strong> genauer einzugehen; wenige Andeutungen mögen genügen. Die<br />

vier wettermachen<strong>den</strong> Frauen (Wetterhexen) sollen, meiner Ansicht nach, die vier<br />

Jahreszeiten vertreten. Zuerst beim Beginn des Jahres, so Triwa, die treue Hüterin des<br />

Hauses, dem würgendem Wolfe wehren, <strong>der</strong> zur Winterzeit die Menschen schreckt.<br />

Sodann soll Ostra, die Frühlingsgöttin, ihre Oster-eier bringen. Ferner soll die<br />

sommerliche Hera, die Erntegöttin (vgl. K. Simrock, Deut. Mythologie, p. 364 u. 366),<br />

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