23.11.2012 Aufrufe

Deutsche Aufsteiger - Baker & McKenzie

Deutsche Aufsteiger - Baker & McKenzie

Deutsche Aufsteiger - Baker & McKenzie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Foto: Andreas Anhalt<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Aufsteiger</strong><br />

Es gibt sie, und zwar nicht zu knapp: erfolgreiche Juristen aus früheren ‚ Gastarbeiter‘-<br />

Familien. Gerade türkischstämmige Anwälte zeigen seit einiger Zeit ihr Potenzial –<br />

und wandern oftmals wieder ab, weil es kluge Köpfe in das Heimatland ihrer Eltern zieht.<br />

von Parissa Kerkhoff<br />

Der Self-Made-Man:<br />

Ali Şahin kam kurz nach der Geburt<br />

nach Deutschland – nun zieht<br />

der 37-jährige <strong>Baker</strong> & <strong>McKenzie</strong>-<br />

Partner die Strippen bei deutschtürkischen<br />

Deals.<br />

16 azur 02 10 Karrieremagazin für junge Juristen


Atreiben, klingelte prompt das Telefon im Frankfurter Büro<br />

ls das türkische Großunternehmen Anadolu<br />

Efes letztes Jahr beschloss, seine international bekannte<br />

Biermarke Efes Pilsen auch in Deutschland zu ver-<br />

von Dr. Ali Sahin. ˛ Es war im November 2009, als die Istanbuler<br />

den 37-Jährigen Salary-Partner von <strong>Baker</strong> & <strong>McKenzie</strong><br />

und sein Team in ihr Projekt einspannten. Efes musste<br />

sich für den Markteintritt unter anderem zwei Partner<br />

suchen, die sie in der Brauerei Einbecker und dem Vertriebsunternehmen<br />

Drinks & Food aus Sachsen-Anhalt<br />

fand. Sahins ˛ Team half bei der Strukturierung des Ver-<br />

MULTIKULTI<br />

Herkunft der Migranten in Deutschland<br />

Rund 20 Prozent der 82 Millionen Menschen in Deutschland<br />

haben laut dem Berlin-institut einen Migrationshintergrund.<br />

Migranten sind demnach selbst Zugewanderte und deren<br />

Nachkommen. Die wichtigsten Gruppen im Überblick:<br />

Anteil an Gesamt-<br />

Herkunft<br />

bevölkerung in %<br />

1. Aussiedler<br />

Deutschstämmige, die unter anderem aus der<br />

Russischen Föderation und ländern der ehemaligen<br />

Sowjetunion zugewandert sind, und ihre Nachkommen<br />

4,7<br />

2. Türkei<br />

3. Weitere Länder der EU-25<br />

außer ‚Südeuropa’<br />

4. Südeuropa<br />

Griechenland, italien, Portugal, Spanien<br />

5. Ehemaliges Jugoslawien<br />

6. Ferner Osten<br />

Gebiet von Afghanistan, Pakistan, China<br />

und Mongolei bis pazifische inseln<br />

7. Naher Osten<br />

Gesamte Region des östlichen Mittelmeerraums<br />

bis einschließlich iran und Staaten der<br />

Arabischen Halbinsel<br />

8. Afrika<br />

3,4<br />

2,3<br />

1,8<br />

1,4<br />

0,9<br />

0,6<br />

0,6<br />

Quelle: Berlin-institut für Bevölkerung und Entwicklung, Stand: Januar 2009 – neben eigenen<br />

Berechnungen zog das Berlin-institut den Mikrozensus 2005, Scientific Use File, heran.<br />

titEl<br />

triebs und dem Abschluss der Verträge. So war der Weg in die deutschen Verkaufsregale<br />

für die türkischen Bierkästen nur drei Monate später frei.<br />

Im deutsch-türkischen Geschäft hat sich Sahin ˛ mittlerweile einen Namen gemacht.<br />

2008 rief er bei <strong>Baker</strong> die ‚Turkish Working Group’ ins Leben. Vom Standort<br />

am Main aus leitet der Salary-Partner nun ein zwölfköpfiges Team, dessen Mitglieder<br />

neben Frankfurt in New York, London, Houston und Amsterdam sitzen.<br />

Und die Arbeit reißt nicht ab, denn er berät auch umgekehrt Investi tionen in die<br />

Türkei, wo die <strong>Deutsche</strong>n laut der türkischen Förderungsagentur ISPAT mit rund<br />

4.000 Unternehmen so stark wie keine andere Nation vertreten sind. Sahins ˛<br />

früherer Fokus auf IT-Recht ist von Mandaten mit Türkeibezug mittlerweile stark<br />

verdrängt worden. Gefragt sind jetzt vor allem M&A und Gesellschaftsrecht.<br />

Der gebürtige Türke blickt auf eine beeindruckende Karriere zurück: Ende<br />

2000 schloss er sein Jurastudium an der Frankfurter Goethe-Universität mit<br />

Prädikats examen ab, begann 2001 als Associate bei <strong>Baker</strong> und wurde 2007 zum<br />

Partner ernannt. Sein Migrationshintergrund wurde schließlich zu seinem Trumpf.<br />

„Man muss zwar als Basis erst einmal ein sehr guter deutscher Jurist werden. Den<br />

Migrationshintergrund kann man darauf aufbauend als Zusatzqualifikation nutzen“,<br />

sagt er. Die Mehrsprachigkeit und doppelte Kulturvertrautheit helfen ihm<br />

nun bei der Mandatsarbeit und -akquise, für die er vier bis fünf Mal pro Jahr in die<br />

Türkei fliegt.<br />

Es sei nämlich ein Wettbewerbsvorteil, mit denjeweiligen Unternehmen in<br />

ihrer Landessprache zu verhandeln, das schätzen sowohl die deutschen als auch<br />

türkischen Geschäftsleute – besonders bei der Vermittlung in schwierigen<br />

Situationen. Zu seinen Mandanten zählt auch das türkische Familienunternehmen<br />

Koç Holding, das im vergangenen Jahr einen Gewinn von rund 1,6 Milliarden<br />

Euro einfuhr. Bei der Vergabe von Mandaten für ihre Deutschlandgeschäfte legt<br />

der Konzern Wert auf türkische Sprach- und Kulturkenntnisse.<br />

Die Bildungshürde<br />

Für viele Migranten stellt sich der Einwanderungshintergrund jedoch als Nachteil<br />

heraus. Dies belegt einmal mehr der aktuelle Bundesbildungsbericht, demzufolge<br />

Einheimische einen durchschnittlich höheren Bildungsgrad haben als Migranten.<br />

Im Fokus der öffentlichen Debatten stehen häufig die rund drei Millionen türkischen<br />

Einwanderer, die einst vor allem als Gastarbeiter zuwanderten und die<br />

zweitgrößte Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland<br />

stellen (5Multikulti). Eine vorurteilsfreie Diskussion darüber erlaubt eine Studie<br />

des Berlin-Instituts für Bevölkerung aus dem Jahr 2009. Der unabhängige Think<br />

Tank hat anhand verschiedener Indikatoren die Assimilierung der Migranten im<br />

Sinne gleicher Chancen und Teilhabe gemessen.<br />

Dabei erzielten Türkischstämmige den niedrigsten Integrationswert. Defizite<br />

gibt es vor allem in puncto Bildung. Nur 14 Prozent haben eine Hochschulzugangsberechtigung<br />

und 30 Prozent sogar keinen Bildungs abschluss. Zum Vergleich:<br />

Rund 40 Prozent der Einheimischen haben die Hochschulreife und nur<br />

ein Prozent ist ohne Bil dungsabschluss. Besser sieht es bei der Erwerbs losenquote<br />

aus, bei denen Türkischstämmige mit 23 Prozent zwar mehr als doppelt so stark<br />

betroffen sind wie Einheimische, aber weit unter dem Höchstwert von 35 Prozent<br />

der Migranten aus dem Nahen Osten bleiben. Mit einem durchschnittlichen Individualeinkommen<br />

von 1.700 bis unter 2.000 Euro spielen Türkischstämmige beim<br />

Vergleich der Lebensstandards zudem im Mittelfeld mit.<br />

Die Forschung, die die Bevölkerung in Deutschland unter<br />

dem Aspekt der Migration und nicht der Staatsbürgerschaft<br />

untersucht, ist noch jung. So kam das Berlin-Institut zu dem<br />

etwas vagen Ergebnis, dass nur vier Prozent der Türken in<br />

sogenannten Vertrauensberufen, unter die zum Beispiel<br />

Juristen und Ärzte fallen, tätig sind. Ins gesamt haben damit<br />

112.000 Türkischstämmige einen Vertrauensberuf.<br />

Wie viele davon als Anwälte zu den<br />

über 150.000 Kammermitgliedern zählen,<br />

Karrieremagazin für junge Juristen azur 02 10 17


Foto: Fotolia<br />

titEl<br />

GEMEINSAME SAcHE<br />

Deutsch-türkische Kooperationen im Bereich Rechtswissenschaften<br />

Seit dem Wintersemester 2011/2011 bietet die Universität Köln einen deutsch-türkischen Masterstudiengang<br />

in Wirtschaftsrecht an. Zum darauf folgenden Wintersemester kündigen sich gleich zwei weitere<br />

Projekte an. Während die Ruhr-Universität Bochum einen ähnlichen, jedoch diversifizierten Studiengang<br />

anbieten will, prescht der <strong>Deutsche</strong> Akademische Austauschdienst mit einem Mammutprojekt vor.<br />

Kooperation<br />

Universität zu Köln &<br />

Istanbul Bilgi Üniversitesi<br />

Ruhr-Universität Bochum &<br />

Istanbul Kültür Üniversitesi<br />

Konsortium aus 26 Hochschulen –<br />

im Präsidium sitzen sechs deutsche Universitäten<br />

die 2009 in Deutschland zugelassen waren, ist nicht bekannt.<br />

Ein vergleichsweise kleiner Kreis aus 360 Mitgliedern<br />

gehört der Deutsch-Türkischen Juristenvereinigung<br />

an. Die Zahl türkischstämmiger Großkanzleianwälte<br />

schätzt ˛Sahin<br />

selbst auf „eine Handvoll“. Wer also als Migrant<br />

einen Vertrauensberuf ausübt, dem kann ein<br />

außergewöhn licher beruflicher Erfolg zugesprochen<br />

werden. So wie bei Özcan Atalan, der Staatsanwalt in Düsseldorf<br />

geworden ist (5 Entscheidung auf Lebenszeit, Seite<br />

77), und bei Sahin. ˛<br />

Fördern und fordern<br />

18 azur 02 10 Karrieremagazin für junge Juristen<br />

Das Projekt<br />

Masterstudiengang im deutschen und<br />

türkischen Wirtschaftsrecht als Joint Degree<br />

für zehn Studenten. Das Wintersemester<br />

verbringen die Studenten in Köln und das<br />

Sommersemester in istanbul. Der einjährige<br />

Studiengang ist zum Wintersemester<br />

2010/2011 an den Start gegangen.<br />

Masterstudiengang im Privaten und Öffentlichen<br />

Wirtschaftsrecht sowie Wirtschaftsstrafrecht<br />

für 40 Studenten, jeweils zur Hälfte aus<br />

Deutschland und der türkei. Es ist geplant,<br />

den Studiengang sowohl vom deutschen<br />

und türkischen als auch europäischen Recht<br />

heraus anzugehen. Studiert wird komplett in<br />

istanbul, voraussichtlich ab Wintersemester<br />

2011/2012.<br />

Unter der Federführung des <strong>Deutsche</strong>n<br />

Akademischen Austauschdienstes wird beabsichtigt,<br />

die ‚Deutsch-türkische Universität‘<br />

in istanbul für 5.000 Studenten zu errichten.<br />

Die Freie Universität Berlin übernimmt den<br />

Aufbau der rechtswissenschaftlichen Fakultät.<br />

Der Startschuss fällt voraussichtlich zum<br />

Wintersemester 2011/2012.<br />

Als Sohn türkischer Einwanderer kam Sahin ˛ 1973 kurz<br />

nach seiner Geburt in Karben bei Frankfurt an. Seine<br />

Mutter war aus der Türkei gemeinsam mit ihm und<br />

seinen zwei Geschwistern dem Vater gefolgt, der dort<br />

bereits seit zwei Jahren als Dreher arbeite. Sahin ˛ schöpfte<br />

vor allem aus eigenen Kräften für seinen Aufstieg. „Ich<br />

war ein guter Fußballer. Dadurch konnte ich mir sehr viel<br />

Selbstvertrauen aufbauen, um mich durchzusetzen“, erzählt<br />

er. Positiv sei hingegen gewesen, dass sich auf dem<br />

Gymnasium und auf dem Land kaum Verlockungen dazu<br />

geboten hätten, sich abzukapseln. So fand er schnell<br />

Zugang zu den deutschen Familien in der Umgebung.<br />

In seiner weiteren Berufslaufbahn fühlte sich Sahin ˛<br />

wohl und auch keinen Vorurteilen ausgesetzt. „Mein<br />

türkischer Name war mir nie ein Nachteil im Berufsleben.<br />

Bei <strong>Baker</strong> achtet man besonders auf Diversity“, sagt<br />

Sahin. ˛ Er erklärt auch die Sonderstellung der Wirtschaftskanzleien:<br />

„Wegen der Hürde des Prädikatsexamens ist<br />

in unserer Branche ohnehin kein Platz für Diskriminierung.<br />

Das geht angesichts des Nachwuchsmangels gar<br />

nicht. Die Orientierung nach Leistung macht Deutschland<br />

zu einem prinzipiell sehr fairen Land.“<br />

Nicht überall geht es gleichberechtigt zu, das weiß<br />

Sahin. ˛ „Gerade wenn türkische Migranten keine hohe<br />

Leistung vorweisen können, fühlen sich manche Arbeitgeber<br />

in ihren negativen Vorurteilen bestätigt. Schließlich<br />

haben türkische Einwanderer mit einem besonders<br />

schlechten Ruf zu kämpfen.“ Sahin ˛<br />

stellt sich gegen die<br />

Abgrenzung. „Ich fühle mich auch als <strong>Deutsche</strong>r, bereits<br />

wegen der sprachlichen Verwurzelung. Allein das Wort<br />

Integration finde ich auf mich selbst bezogen befremdend.<br />

Wenn man sich nach einem Aufenthalt von 37 Jahren<br />

nicht als Dauermitglied der Gesellschaft fühlt, wann<br />

dann?“ Ein multikulturelles Verständnis von Einheit wie<br />

in den USA wünscht sich Sahin. ˛<br />

Zugleich sieht er Probleme aufseiten der türkischen<br />

Community. Sahin ˛ beobachtet immer wieder, wie türkischstämmige<br />

Jurastudenten an der Prädikatsnote<br />

scheitern oder sich selbst noch vor dem Examen aufgeben.<br />

„Sie setzen sich nicht gezielt durch“, findet er. Die<br />

Bildungs- und Karriereprobleme gingen allgemein auf<br />

das Aufeinandertreffen von zwei negativen Aspekten zurück:<br />

„Einerseits fördern viele türkischstämmige Eltern –<br />

meist ohne Absicht – nicht eigeninitiativ die deutsche<br />

Sprache bei ihren Kindern oder mischen sie nicht gezielt<br />

Brückenschlag: Zwischen istanbul und Frankfurt liegen längst keine Welten mehr. Das belegt nicht zuletzt der Erfolg der ‚turkish Working Group‘<br />

von <strong>Baker</strong> & <strong>McKenzie</strong>.“<br />

Foto: Andreas Anhalt


titEl<br />

Gefördert: Yasemin Körtek<br />

wurde in der Schule vor allem<br />

von ihren Eltern unterstützt.<br />

Heute ist die Juristin am Max-<br />

Planck-institut Referentin.<br />

20 azur 02 10 Karrieremagazin für junge Juristen<br />

unter die deutschen Kinder. Andererseits vertieft die<br />

fehlende Kindergartenpflicht und die zu schnelle Trennung<br />

der Schulformen den frühkindlichen Bildungsnachteil<br />

von Migrantenkindern.“ Dieser Nachteil sei<br />

systembedingt bis zur vierten Schulklasse kaum mehr<br />

auf zuholen.<br />

Seine drei Töchter ziehen er und seine Ehefrau, die<br />

ebenfalls türkischen Migrationshintergrund hat, deswegen<br />

bewusst zweisprachig auf, jedoch mit Deutsch<br />

als erster Muttersprache. „Die Sprachkompetenz stärkt<br />

das Selbstbewusstsein und hilft zum Beispiel unserer<br />

Ältesten, sich im Kindergarten wie ein ‚deutsches‘ Kind<br />

zu fühlen und so wahrgenommen zu werden. Mittlerweile<br />

gibt sie dort auch bereits ganz schön den Ton an“,<br />

erzählt er lachend über seine vierjährige Tochter.<br />

Die Studie des Berlin-Instituts gibt Sahin ˛<br />

Recht. Die<br />

Sprachkompetenz gilt auch als wichtiges Integrationsinstrument,<br />

das von einer Parallelgesellschaft blockiert<br />

wird. Die Türkischstämmigen haben jedoch im Vergleich<br />

zu anderen Migranten vor allem den Nachteil ihrer<br />

Größe. Weil sie in Städten so stark vertreten sind, fällt es<br />

ihnen leicht, unter sich zu bleiben, so das Berlin-Institut.<br />

Dass die Mütter von der Isolation besonders stark betroffen<br />

sind, erschwert einmal mehr die Integration der Kinder.<br />

Oft bereits ohne Qualifikation und Sprachkenntnisse<br />

zugewandert, können nun rund 40 Prozent der türkischstämmigen<br />

Frauen zwischen 15 und 64 zudem keinen<br />

Schul- oder Berufsabschluss vorweisen – der höchste<br />

Wert in der Statistik. Letztlich ist auch die Hausfrauenquote<br />

mit rund 50 Prozent sehr hoch.<br />

in Kinderschuhen<br />

Starke Sprachprobleme hatte auch Dr. Yasemin Körtek<br />

früher. Als die 38-jährige Juristin in Bayreuth eingeschult<br />

wurde, ging sie zunächst zwei Jahre lang zum türkischsprachigen<br />

Unterricht. Deutsch wurde nur einige Stunden<br />

in der Woche gelehrt. „Meine Eltern wollten aber<br />

unbedingt, dass ich das Abitur machen kann und damit<br />

die Möglichkeit erhalte, zu studieren“, erinnert sie sich.<br />

Ihr Vater erkundigte sich und meldete sie nach der zweiten<br />

Klasse zum deutschsprachigen Unterricht an, um ihr<br />

den Weg zum Gymnasium zu ebnen.<br />

In der neuen Klasse verstand Körtek kaum ihre Mitschüler,<br />

die ebenfalls eine neue Erfahrung machten. Damals<br />

zählte Körtek nämlich zu den ersten Ausländern der<br />

Schule. „Es war eine grausame Zeit, weil ich mich ausgeschlossen<br />

fühlte“, erzählt sie. Von der Lehrerin fühlte sie<br />

sich zunächst abgelehnt. „Erst später verstand ich mich<br />

mit ihr besser – nicht nur, weil ich besser Deutsch sprechen<br />

konnte. Vor allem, weil mein Vater Interesse an meiner<br />

Eingliederung zeigte und sich immer wieder für mich<br />

bei ihr einsetzte“, sagt sie. Die türkische Sprache ist dennoch<br />

wichtig für sie. „Es ist wichtig, Türkisch als seine<br />

Muttersprache als Erstes zu lernen und erst danach<br />

Deutsch. Es darf nur nicht zu lange dauern. Im Kindergarten<br />

sollte es in jedem Fall beginnen.“<br />

Die Abschlussnoten reichten bei Körtek damals nicht<br />

für den Übergang zum Gymnasium aus. Nachdem sie<br />

sich in der fünften Klasse auf der Hauptschule bewährte,<br />

durfte sie jedoch direkt auf das Gymnasium wechseln,<br />

wo sie das Schuljahr wiederholte und geradewegs das<br />

Foto: Andreas Anhalt


titEl<br />

Goodbye Deutschland:<br />

Direkt nach dem Referendariat<br />

wurde die Düsseldorfer<br />

Absolventin Özgül Koç<br />

Kahraman Rechtsabteilungsleiterin<br />

in istanbul.<br />

22 azur 02 10 Karrieremagazin für junge Juristen<br />

Abitur machte. Daran schloss sich ihr Jurastudium an, das<br />

sie mit zweimal ‚befriedigend‘ bestand. „Es reichte zur<br />

Promotion“, sagt sie bescheiden. Heute arbeitet sie in<br />

München als wissenschaftliche Referentin am Max-<br />

Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Sozialrecht<br />

und ist dem Landesreferat Türkei zugeordnet.<br />

Zugleich ist sie Teilzeit-Associate in einer Bayreuther<br />

Kanzlei.<br />

Ihre Karriere hat sie dem Engagement ihrer Eltern zu<br />

verdanken, findet Körtek. „Meine Eltern hatten immer<br />

eine Sehnsucht nach Bildung – gerade weil es ihnen in<br />

der Türkei verwehrt blieb.“ Dort konnte Körteks Vater<br />

ähnlich wie ihre Mutter die Schule nicht lange besuchen,<br />

weil er für das Auskommen der Familie arbeiten musste.<br />

1968 verließ er dann seine Heimatprovinz an der Ägäisküste<br />

in der Nähe von Izmir und nahm einen Job in einer<br />

oberfränkischen Textilfabrik an. Inhaltlich konnten Körteks<br />

Eltern ihren Schulweg nicht unterstützen – „aber sie<br />

haben immer hinter mir gestanden“, sagt sie.<br />

Zeiten ändern sich<br />

Warum es bei vielen anderen türkischen Familien nicht<br />

so gut funktioniert, kann sie sich nur so erklären: „Zu<br />

meiner Zeit existierte eine Angst vor dem Fremden. Viele<br />

Eltern wollten nicht, dass die Kinder vermeintlich ‚falsch‘<br />

beeinflusst werden. Zudem war das Interesse an der<br />

schulischen Ausbildung wohl eher gering. Für üblich<br />

SEITE 165 PRAXIS<br />

ImmobIlIenwIrtschaftsrecht<br />

hielten es viele Eltern, dass ihre Kinder die Schule nach<br />

der neunten Klasse verließen und anfingen zu arbeiten.“<br />

So wurde Körtek teilweise mit Unverständnis begegnet,<br />

weil sie die Schule fortsetzte. „Mittlerweile haben sich<br />

die Zeiten geändert, was sicherlich auch darauf zurückgeführt<br />

werden kann, dass die Türken aus ihrer ursprünglichen<br />

Rolle als Gastarbeiter herausgewachsen sind“, findet<br />

sie. „Eine bessere Bildung für die Kinder wird<br />

angestrebt und gewünscht, wobei es aber beim Wunsch<br />

bleibt, wenn der erforderliche Einsatz fehlt.“<br />

Der Gründer des Dortmunder Instituts Futureorg, Kamuran<br />

Sezer, kennt die Problematik. „Natürlich freuen<br />

sich türkische Eltern, wenn die Töchter und Söhne Anwälte,<br />

Ärzte oder Ingenieure werden. Der Bildungserfolg<br />

der Kinder ist auch für sie wie für alle anderen Eltern ein<br />

Prestigegewinn“, sagt der Sozialwissenschaftler. Sie<br />

wüssten aber oft nicht, wie sie den Kindern helfen oder<br />

sie fördern können – vor allem wenn es in der Schule mal<br />

nicht so gut klappt. „Deswegen sollte Integration ganz<br />

klar bei den Eltern beginnen. Sie sind entscheidend.“<br />

Dabei hat die türkische Community bereits den richtigen<br />

Weg eingeschlagen. „Es gibt positive Entwicklungen,<br />

die man nicht kleinreden sollte“, sagt Sezer und<br />

meint Fortschritte im Generationenvergleich, auf die das<br />

Berlin-Institut ebenfalls aufmerksam macht. Das Bildungsniveau<br />

der türkischstämmigen Migranten verbessert<br />

sich etwa von der ersten zur zweiten Generation<br />

Kaum eine branche hat die finanzkrise so stark getroffen wie das Geschäft<br />

mit Immobilien. fabian mühlen und Dr. fabian hinrichs von Dla<br />

PIPer zeichnen nach, wie es so weit kommen konnte und warum anwälte<br />

nun häufiger mittler zwischen Verkäufer und banken sind.<br />

Foto: Frederik Ataöz


wesentlich. Der Anteil jener ohne Bildungsabschluss hat<br />

sich bei den Jüngeren im Vergleich zu Älteren mehr als<br />

halbiert. Zugleich erreichen die in Deutschland geborenen<br />

Türkischstämmigen doppelt so häufig das Abitur<br />

wie die selbst Zugewanderten, welche nur noch die Hälfte<br />

der Gesamtgruppe stellen. Bei der zweiten Generation<br />

gibt es darüber hinaus im Vergleich eine deutlich niedrige<br />

Jugenderwerbslosenquote.<br />

Die Mädchen bilden dabei keine so große Besonderheit<br />

mehr wie Körtek früher. Von den Türkischstämmigen<br />

zwischen 16 und 20 Jahren besuchen über 20 Prozent<br />

der Mädchen die gymnasiale Oberstufe. Damit überbieten<br />

sie die Jungs um ungefähr fünf Prozent. Das Fazit des<br />

Berlin-Instituts fällt nüchtern aus: „Dennoch schneidet<br />

die zweite türkische Generation im Bildungsbereich<br />

deutlich schlechter ab als die in Deutschland geborenen<br />

Mitglieder aller anderen Herkunftsgruppen.“ Sezer relativiert:<br />

„Es geht zwar nicht so steil bergauf. Angesichts der<br />

schlechten Startbedingungen kann man jedoch sagen,<br />

dass ein nachhaltiges Umdenken eingesetzt hat. Darauf<br />

kann man aufbauen.“<br />

Auch Sahin ˛<br />

beobachtet unter den jüngeren Jurastudenten<br />

vergleichsweise mehr Engagement. „In<br />

Frankfurt hat sich bereits herumgesprochen, dass ein<br />

türkischstämmiger <strong>Deutsche</strong>r bei <strong>Baker</strong> Partner ist. Dadurch<br />

kommen oft junge türkischstämmige Jurastudenten<br />

zu mir, fragen nach Rat und versuchen die Chancen,<br />

die ihnen in Deutschland geboten werden, wahrzunehmen.“<br />

Besonders ausgefragt wird er, wenn er nach<br />

Feierabend an Veranstaltungen der Hertie-Stiftung<br />

teilnimmt und sich der Neugier junger Migranten stellt.<br />

Die Hertie-Stiftung vergibt seit 2002 Stipendien für<br />

Migranten und trägt zur Bildungsförderung von Einwanderern<br />

bei. „Dabei geht es gar nicht so sehr darum, die<br />

jungen Menschen mit Geld zu fördern. Sie werden insbesondere<br />

mit Menschen aus der Wirtschaft wie uns von<br />

<strong>Baker</strong> zusammengebracht, um Kontakte zu knüpfen.“<br />

Und mit Kontakten versuchen sich immer mehr türkischstämmige<br />

Akademiker in Netzwerken selbst zu versorgen.<br />

Die ‚Türkisch-<strong>Deutsche</strong> Studierende und Akademiker<br />

Plattform‘ will zum Beispiel ihren Mitgliedern<br />

durch Kontaktvermittlung und verschiedenen Projekten<br />

bei der Karriere helfen. Das Netzwerk organisiert Mentor-<br />

Mentee-Beziehungen oder veranstaltet Infoabende, zuletzt<br />

gemeinsam mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />

KPMG. Die Zahl der Mitglieder ist von bundesweit<br />

60 bei der Gründung vor einigen Jahren auf mittlerweile<br />

700 geschnellt.<br />

Rückkehr an den Bosporus<br />

Ihre eigenen Pläne hat Özgül Koç Kahraman aus<br />

Oberhausen vor zwei Jahren verfolgt. Aus ihrer letzten<br />

Referendariatsstation bei der Deutsch-Türkischen Industrie-<br />

und Handelskammer in Istanbul wurde ihr erster<br />

Job. Gegen Ende der Stationszeit im Sommer 2008 bot<br />

die Auslandshandelskammer der Jungjuristin die Verant-<br />

azur: An wen wird sich der Studiengang<br />

richten und wie werden<br />

Sie ihn konkret gestalten?<br />

Wolters: Der Studiengang richtet<br />

sich an alle Studierende. Es ist<br />

grundsätzlich ohne Bedeutung, ob<br />

sie türkische Wurzeln haben oder<br />

nicht. Das Programm findet komplett<br />

in istanbul statt und wird einen<br />

Schwerpunkt auf dem Privaten<br />

und Öffentlichen Wirtschaftsrecht<br />

haben. Auch wirtschaftsstrafrechtliche<br />

Aspekte werden eine Rolle<br />

spielen. insgesamt sollen 40 Studenten<br />

daran teilnehmen, davon<br />

jeweils zur Hälfte aus Deutschland<br />

und der türkei.<br />

titEl<br />

„WIR HELFEN, vERBORGENE ScHäTZE ZU HEBEN“<br />

Professor Dr. Gereon Wolters doziert seit acht Jahren zum Strafrecht an der Ruhr-Universität<br />

Bochum, die mitten in einem der Ballungsräume türkischer Migranten liegt. Als Studiendekan<br />

ist er Ansprechpartner und Experte für die studienbezogenen Belange seiner Jurastudenten,<br />

von denen seinen Schätzungen zufolge rund zehn Prozent türkischstämmig sind. Mit azur<br />

sprach er über das Neuste seiner Fakultät: einem Masterstudiengang, der ab Wintersemester<br />

2011/2012 in Kooperation mit der Istanbul Kültür Üniversitesi angeboten wird.<br />

Welche Motivation steht hinter dem Projekt?<br />

Wir wollen insbesondere Jurastudentinnen und -studenten mit türkischem Migrationshintergrund<br />

dabei helfen, verborgene Schätze zu heben. Dabei haben wir sowohl die exzellenten Absolventen<br />

unter ihnen als auch jene vor Augen, die nicht über die Note ‚ausreichend‘ hinauskommen.<br />

letztere sind nach meiner Einschätzung im Vergleich zu den Studierenden ohne Migrationshintergrund<br />

überdurchschnittlich vertreten. Für sie bleibt derzeit meist nur der Weg in die kleineren<br />

Anwaltskanzleien oder die Einzelanwaltschaft. Gerade sie können also ihren Marktwert durch den<br />

Studiengang steigern und näher an die Fleischtöpfe der Wirtschaft rücken.<br />

Braucht man als Türkischstämmiger für diese Zusatzqualifikation unbedingt einen<br />

Studien gang?<br />

Ja! Die in Deutschland lebenden Jurastudenten mit türkischem Migrationshintergrund sprechen<br />

ihre türkische oder kurdische Muttersprache oft nur innerhalb der Familie und des Freundeskreises.<br />

Für die in einem Rechtsberuf nötige türkische Sprachkenntnis müssen sie somit nicht nur das<br />

rechtliche und wirtschaftliche Vokabular verbessern oder gar lernen, sondern ganz allgemein ihre<br />

mündlichen und schriftlichen Fertigkeiten auf das erforderliche Niveau bringen. Weder die türkische<br />

Fachsprache noch das türkische Recht fallen einem schließlich schon mit der Herkunft zu. Ein<br />

Selbststudium würde mühsam sein und eine nur begrenzte Reichweite haben.<br />

Möchten Sie auch den Studenten entgegenkommen, die ihre Karriere in der Türkei planen?<br />

im Vordergrund steht der Gedanke der Zusatzqualifikation für ein Berufsfeld in Deutschland. ich<br />

habe auch nicht den Eindruck, dass unsere in zweiter oder dritter Generation in Deutschland lebenden<br />

Studierenden mit türkischem Migrationshintergrund, die großteils deutsche Staatsbürger<br />

sind, eine Karriere in der türkei planen. Wenn wir aber Einzelnen zu einer attraktiven tätigkeit in<br />

der türkei verhelfen können, ist das doch eine wunderbare Sache. Das deutsche juristische Staatsexamen<br />

ist weltweit als Spitzenausbildung anerkannt – insbesondere in der türkei. Ein Exportschlager<br />

kann es aber nur werden, wenn der Studierende auch berufsspezifische Qualifikationen<br />

des fremden Rechtskreises erwirbt. Auch in der türkei wird schließlich ein hoher juristischer Anspruch<br />

gestellt.<br />

Diese zusatzqualifizierten Juristen würden wiederum in Deutschland fehlen …<br />

… was auf der einen Seite sehr schade wäre. Natürlich brauchen wir in Deutschland für verantwortungsvolle<br />

Positionen auch gut ausgebildete Migranten − insbesondere mit türkischen Wurzeln.<br />

Jeder in Deutschland ausgebildete Jurist, der seine berufliche Zukunft in der türkei findet,<br />

wird andererseits zum wichtigen menschlichen und wirtschaftlichen Brückenschlag zwischen<br />

den ländern beitragen – also auch uns ‚gewinnen‘ lassen. Da der Studiengang zudem nicht nur<br />

türkisch verwurzelten Studenten offensteht, kann er den Austausch auch in die andere Richtung<br />

anstoßen und das gegenseitige Verständnis nachhaltig verbessern.<br />

Das Gespräch führte Parissa Kerkhoff.<br />

Karrieremagazin für junge Juristen azur 02 10 23<br />

Foto: Ruhr Universität Bochum


wortung der Rechtsabteilung an – Koç Kahraman schlug<br />

zu.<br />

Für ihre abschließende mündliche Prüfung in der<br />

letzten Augustwoche flog sie noch einmal an ihren<br />

Studienort Düsseldorf zurück. Am Mittwoch fand die erfolgreiche<br />

Prüfung statt, am Donnerstag organisierten<br />

ihre Schwestern ihr eine Überraschungsabschiedsfeier –<br />

und am Montag saß sie bereits in der geschäftigen Bosporus-Metropole<br />

an ihrem Schreibtisch. In dem Land, das<br />

ihre Eltern für Jobs in Deutschland verließen. „Das war<br />

eine tolle Gelegenheit. In Deutschland hätte ich bestimmt<br />

einen Posten gefunden, aber sicher nicht gleich<br />

die Leitung einer Rechtsabteilung zum Berufseinstieg“,<br />

erzählt die heute 28-Jährige.<br />

Dafür sei die Konkurrenz in Deutschland zu hoch,<br />

wenn man wie sie mit zwei befriedigend bestandenen<br />

Examen die Prädikatsnote knapp verpasst hat. Doch<br />

ihre potenziellen Chancen schätzt sie als gut ein. Hatte<br />

sie doch im Referendariat in der angesehenen Sozietät<br />

Orth Kluth Kanzleiluft geschnuppert, neben dem<br />

Referendariat in der Rechtsabteilung der Bäckereikette<br />

Kamps gejobbt und dort ihre Rechtsanwaltsstation verbracht.<br />

Eine Ausnahme ist Koç Kahraman nicht. Die Mehrheit<br />

der türkischstämmigen Studenten und Akademiker wollen<br />

ihre Karriere nicht wie Sahin ˛<br />

oder Körtek in Deutschland,<br />

sondern im Heimatland ihrer Eltern fortsetzen. Das<br />

geht zumindest aus der neusten Studie von Futureorg<br />

hervor. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes untermauern<br />

den Trend. 2009 haben rund 40.000 Menschen<br />

Deutschland in Richtung Türkei verlassen – 10.000 Menschen<br />

weniger wählten die umgekehrte Route.<br />

Heimatgefühl?<br />

Als wesentliche Motive der befragten Akademiker ermittelte<br />

Futureorg „fehlendes Heimatgefühl“ und „berufliche<br />

Gründe“. Ausschlaggebend findet Futureorg-Gründer<br />

Sezer jedoch vor allem den Wandel des Landes:<br />

„Die Türkei ist ein attraktives Auswanderungsziel für<br />

Akademiker geworden. Die politische Lage hat sich im<br />

Vergleich zu den konfliktreichen 1990ern stabilisiert,<br />

statt einer Wirtschaftskrise gibt es nun einen Aufschwung<br />

und eine Liberalisierung des Marktes.“ Gleichzeitig<br />

komme aber das Bildungssystem nicht hinterher<br />

und produziere nicht genügend Akademiker, die nun<br />

händeringend gesucht werden.<br />

Juristen sind davon nicht ausgenommen, trotz des<br />

stark regulierten Standesrechts in der Türkei. So brauchen<br />

ausländische Kanzleien einen Kooperationspartner<br />

vor Ort, um ein Büro eröffnen zu können. In Deutschland<br />

ausgebildete Juristen können jedoch wie Koç Kahraman<br />

auch ohne türkische Anwaltszulassung problemlos in<br />

Organisationen oder Unternehmen arbeiten. Der Zugang<br />

zum türkischen Recht dürfte dabei nicht schwerfallen,<br />

schließlich basiert das Gesetzbuch auf dem deutschen<br />

und schweizerischen Recht.<br />

Genau an der Schnittstelle zwischen deutschem und<br />

türkischem Recht berät nun Koç Kahraman. <strong>Deutsche</strong><br />

und türkische Unternehmen unterstützt sie bei Import-<br />

und Exportfragen, Zoll- und Verwaltungsthemen oder<br />

auch Visaangelegenheiten. Darüber hinaus leitet sie<br />

Seminare und übernimmt regelmäßige Veröffentlichungen.<br />

Zur Seite stehen ihr eine Assistentin und regelmäßig<br />

einer der Referendare, die bei ihr die Auslandsstation<br />

verbringen. Vor allem bei türkischstämmigen Referendaren<br />

aus Deutschland ist die Istanbuler Auslandshandelskammer<br />

beliebt.<br />

Der Kulturschock<br />

Die Arbeit in der Heimat der Eltern kann sich jedoch<br />

auch als befremdend herausstellen. So erlebte es Koç<br />

Kahraman selbst. „Am Anfang fiel es mir nicht so sehr<br />

auf, vor allem weil es bei der Auslandshandelskammer<br />

deutsche Strukturen und Kollegen gibt. Aber sprachlich<br />

wurde es teilweise schwierig“, berichtet sie. „Mir fehlten<br />

die Vokabeln aus dem Wirtschaftsrecht und auch aus<br />

dem Büroleben. Zum Beispiel fiel mir hier erst auf, dass<br />

ich die Übersetzung für ‚Locher‘ nicht kenne. Im Gespräch<br />

unter Freunden habe ich es ja nicht gebraucht.“<br />

Noch bis heute lernt sie neue Vokabeln und muss sich in<br />

die Schriftsprache einüben. „Erst mit der Zeit merkte ich,<br />

dass ich ins kalte Wasser gesprungen bin.“<br />

Und es gab noch mehr kommunikative Tücken.<br />

Es sei etwa ganz normal, sich im Geschäftsleben<br />

gegenseitig ,Schätzchen‘ zu nennen, ganz gleich, ob<br />

unter Frauen oder Männern. „Das finde ich schon<br />

seltsam, denn so etwas gehört nicht in eine<br />

Geschäftskorres pondenz. Beamte melden sich dagegen<br />

oft nur mit ‚Ja?!‘ am Telefon und fangen schnell an, einen<br />

unaufgefordert zu duzen. Auch da versuche ich immer<br />

wieder Distanz zu wahren, weil ich das Verhalten als unpassend<br />

empfinde.“<br />

Ihre Prägung löst auch Gegenreaktionen aus. So<br />

bleibt sie vom ‚Deutschländer‘-Phänomen nicht verschont.<br />

„‚Deutschländer‘ werde ich schon mal genannt,<br />

wenn ich auf Ordnung bestehe oder wenn jemand nur<br />

erfährt, dass ich erst vor Kurzem aus Deutschland kam.“<br />

Es sei als Scherz gemeint, doch Koç Kahraman wehrt<br />

sich gegen die Ausgrenzung: „Wenn es zu weit geht,<br />

sage ich meine Meinung.“<br />

Unter anderem zur Vorbereitung auf einen juristischen<br />

Job in der Türkei bieten verschiedene Uni -<br />

versi täten gemeinsam mit Kooperationspartnern<br />

deutsch-türkische Jura-Masterstudiengänge an (5Gemeinsame<br />

Sache). Auch die Ruhr-Universität Bochum<br />

will einen entsprechenden Studiengang ab dem<br />

Wintersemester 2011/2012 anbieten (5Interview „Wir<br />

helfen, verborgene Schätze zu heben“, Professor Gereon<br />

Wolters, Seite 23). Und er soll nicht nur der Zusatzqualifikation<br />

dienen – sondern auch den Austausch und<br />

das Verständnis füreinander auf beiden Seiten<br />

anstoßen. F<br />

titEl<br />

Ihre Meinung zum Thema?<br />

Noch Fragen offen?<br />

Schreiben Sie unserer Autorin<br />

parissa.kerkhoff@juve.de<br />

Karrieremagazin für junge Juristen azur 02 10 25


azur02 10<br />

JUVE KarriErEmagazin für JUngE JUristEn<br />

<strong>Deutsche</strong><br />

aufsteiger<br />

Eine neue Erfolgsstory:<br />

Juristen mit türkischen Wurzeln<br />

Kapitalmärkte<br />

Die rolle der anwälte<br />

Weitere themen Karriereziele<br />

Vergaberecht<br />

Erfolgreiche anwälte werden Partner Öffentliche ausschreibungen locken viele<br />

in ihrer Kanzlei – oder?<br />

Bieter an – und halten Juristen auf trab<br />

Justizbehörde<br />

Vor dicken akten dürfen<br />

staatsanwälte keine angst haben<br />

ali Şahin, Partner,<br />

<strong>Baker</strong> & mcKenzie in frankfurt<br />

standort Passau<br />

sprachgewandte studenten treffen auf<br />

eine bodenständige anwaltschaft<br />

Unbenannt-8 1 29.10.10 16:22<br />

Herausgeberin:<br />

Dr. Astrid Gerber<br />

chefredakteur:<br />

Dr. Aled Griffiths<br />

Redaktionsleitung:<br />

Markus lembeck (Ml), v.i.S.d.P., Mathieu Klos (MK)<br />

Rechtsgebiete (verantwortl.): Marcus Jung (mj)<br />

Redaktion: Catrin Behlau (cb), Ulrike Barth (uba),<br />

René Bender (RB), Simone Bocksrocker (SB),<br />

Silke Brünger (si), Dr. Anja Hall (ah),<br />

Astrid Jatzkowski (jat), Parissa Kerkhoff (pke),<br />

Antje Neumann (AN), Geertje Oldermann (geo),<br />

Norbert Parzinger (NP), Jörn Poppelbaum (pop), Ulrike Sollbach (So),<br />

Christopher tod (Cto), Volker Votsmeier (vov)<br />

Redaktionsassistenz: Claudia Scherer<br />

Mitarbeit: Assia El Bekri, Sirka laass, Marcus Willems (texdur)<br />

verwaltung und Buchhaltung: Sandra Schmalz, Nicolle Döring, Barbara Albrecht<br />

Ihr Ansprechpartner für azur-Anzeigen: Florian Schmitz<br />

Marketing und verkauf: Chris Savill, Ursula Heidusch, Rüdiger Albert, Svea Klaßen,<br />

Karsten Kühn, Britta Peltzer<br />

Marketing und veranstaltungen: Alke Hamann (ham)<br />

Gestaltung + Fotografie: Andreas Anhalt<br />

Satz: Andreas Anhalt, Andrea Diedrich, Dominik Rosse<br />

Systemadministrator: Marcus Willemsen (leitung), Boris Sharif<br />

Datenverwaltung: Stefanie Seeh<br />

Litho- und Druckservice: D+l Reichenberg GmbH, Bocholt<br />

azur Karrieremagazin 2/2010<br />

November 2010 bis Mai 2011<br />

(iSSN: 1436-5170)<br />

www.azur-online.de www.juve.de<br />

azur Karrieremagazin erscheint zweimal im Jahr bei<br />

JUvE verlag für juristische Information GmbH<br />

Sachsenring 6 · D-50677 Köln<br />

Postanschrift: Postfach 25 04 29 · D-50520 Köln<br />

tel. 0049/ (0)221/ 91 38 80-0<br />

Fax 0049/ (0)221/ 91 38 80-18<br />

E-mail azur@juve.de · vertrieb@juve.de<br />

Druckauflage: 15.400<br />

Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung wie Nachdruck, Vervielfältigung,<br />

elektronische Verarbeitung und Übersetzung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz<br />

zugelassen ist, bedarf der Zustimmung des Verlages.<br />

Weitere JUvE-Publikationen:<br />

Wirtschafts<br />

Kanzleien<br />

Rechtsanwälte für Unternehmen<br />

Verlag für juristische Information<br />

JUVE Handbuch<br />

2010 2011<br />

Unbenannt-7 1 29.10.10 16:20<br />

azur 100<br />

Erscheinungsweise:<br />

jährlich<br />

Die aktuelle Ausgabe<br />

ist im Februar 2010<br />

erschienen<br />

JUvE Handbuch<br />

Wirtschaftskanzleien –<br />

Rechtsanwälte für<br />

Unternehmen<br />

Erscheinungsweise:<br />

jährlich<br />

13. Auflage<br />

Nr.11 13. Jahrgang · November 2010<br />

R E C H T S M A R K T<br />

Neue Entschlossenheit<br />

Wie das Management um Frank Obermann<br />

Beiten Burkhardt auf Kurs bringt<br />

Luxemburg: Markt bleibt<br />

für Kanzleien attraktiv<br />

Outsourcing: <strong>Deutsche</strong> Bank<br />

lagert Prozessgeschäft aus<br />

EU-Kartellrecht:<br />

Vergleichsverfahren mit Tücken<br />

***RM 11 10 LITHO D+L.indd 1 29.10.10 16:15<br />

JUvE German<br />

commercial<br />

Law Firms –<br />

A Handbook for<br />

international Clients<br />

Erscheinungsweise:<br />

jährlich<br />

JUvE Rechtsmarkt<br />

Nachrichten für<br />

Anwälte und<br />

Mandanten<br />

Erscheinungsweise:<br />

monatlich<br />

StAAtSANWältE<br />

Karrieremagazin für junge Juristen azur 02 10 87

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!