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manfred friedel, oberkellner des jahres 2010 in ... - hoteljournal.ch

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Manfred Friedel, «Oberkellner <strong>des</strong> Jahres<strong>2010</strong>» <strong>in</strong> Deuts<strong>ch</strong>land, e<strong>in</strong> Meisterder alten S<strong>ch</strong>ule: «S<strong>ch</strong>wierige Gäste gibtes für mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t», sagt er. «Da ist manzu neunzig Prozent selbst s<strong>ch</strong>uld.»Manfred Friedel, Oberkellner<strong>des</strong> Jahres <strong>2010</strong> <strong>in</strong> Deuts<strong>ch</strong>landMeisterder altenS<strong>ch</strong>uleDie Luxusgastronomie <strong>in</strong> Deuts<strong>ch</strong>land klagt übermassiven Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>smangel – vor allem im Service.Selbst im Krisenjahr 2009 konnten <strong>in</strong> jedem fünftenGastronomiebetrieb zwis<strong>ch</strong>en Hamburg und Mün<strong>ch</strong>enni<strong>ch</strong>t alle Ausbildungsplätze besetzt werden. Do<strong>ch</strong> esgibt sie no<strong>ch</strong> – die Kellner der alten S<strong>ch</strong>ule, die ihrHandwerk perfekt beherrs<strong>ch</strong>en und ihren Beruf lieben.E<strong>in</strong>er ist Manfred Friedel vom Königshof <strong>in</strong> Mün<strong>ch</strong>en,laut Gault/Millau Deuts<strong>ch</strong>land «Oberkellner <strong>des</strong>Jahres <strong>2010</strong>».Text: Patricia BoehmBild: Adrian HackerEs gibt e<strong>in</strong>e Frage, die ke<strong>in</strong> Stammgast imMün<strong>ch</strong>ner Restaurant Königshof je mite<strong>in</strong>em «Ne<strong>in</strong>» beantworten würde. Esist jener Moment, wenn Maître Friedelgegen Ende e<strong>in</strong>es Menüs an den Tis<strong>ch</strong>tritt und mit sonorer Stimme na<strong>ch</strong>fragt, ob denHerrs<strong>ch</strong>aften wohl no<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>e Crêpe Suzette mundenwürde. Für E<strong>in</strong>geweihte ist dies e<strong>in</strong> Codewort,das Zugang verheisst ni<strong>ch</strong>t nur zu e<strong>in</strong>em seltengewordenen Genuss, sondern au<strong>ch</strong> zu dem s<strong>ch</strong>önenGefühl, e<strong>in</strong>e Extraportion Aufmerksamkeitund Liebenswürdigkeit erleben zu dürfen. WennManfred Friedel dann rout<strong>in</strong>iert die Flamme amRe<strong>ch</strong>aud auflodern lässt, wenn der Duft von karamelisierendemZucker und s<strong>ch</strong>melzender Butter<strong>in</strong> die Nase zieht, der Orangensaft langsam e<strong>in</strong>ko<strong>ch</strong>tund s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> das Ganze flambiert wird,dann erstirbt meist das Gesprä<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> an denumliegenden Tis<strong>ch</strong>en, und der e<strong>in</strong>e oder andereraunt se<strong>in</strong>em Kellner zu, ob es wohl mögli<strong>ch</strong> wäre,also – dass man au<strong>ch</strong> …?Manfred Friedel zählt zu jener vom Aussterbenbedrohten Spezies <strong>des</strong> perfekten Maître alterS<strong>ch</strong>ule. 1959 begann er mit 16 Jahren als Portierim Hotel Königshof. Das Gourmetrestaurant imersten Stock, aus dem man abends dur<strong>ch</strong> die Panoramafensterauf den beleu<strong>ch</strong>teten Sta<strong>ch</strong>us blickt,prägt er seit so vielen Jahren, dass es Stammgäs-94 09I<strong>2010</strong>


Food & Beverage Porträtten s<strong>ch</strong>werfällt, si<strong>ch</strong> das Lokal ohne ihn vorzustellen.Obwohl er seit zwei Jahren das Rentenalterübers<strong>ch</strong>ritten hat, kommt Herr Friedel <strong>des</strong>halbweiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>- bis zweimal pro Wo<strong>ch</strong>e <strong>in</strong>s Haus,um se<strong>in</strong>e Gäste zu betreuen. «Es gibt Abende, dakenne i<strong>ch</strong> jeden zweiten Tis<strong>ch</strong>», sagt er. Damen,die ihm bekannt s<strong>in</strong>d, empfängt er mit formvollendetemHandkuss. Er kennt die We<strong>in</strong>vorliebender Connaisseurs und weiss, wer beim Bordeauxeher die Châteaux l<strong>in</strong>ks der Gironde und wer dievom re<strong>ch</strong>ten Ufer bevorzugt. Jedem Gast gibt erbeim Betreten <strong>des</strong> Raumes das Gefühl, dass ersi<strong>ch</strong> auf <strong>des</strong>sen Anwesenheit an diesem Abendganz besonders gefreut hat. Kurz: Er ist Gesi<strong>ch</strong>tund Seele <strong>des</strong> Restaurants.Der Mann mit den perfekten Umgangsformensteht damit für e<strong>in</strong> Verständnis von gehobenerGastfreunds<strong>ch</strong>aft, wie es heute selbst <strong>in</strong> dereuropäis<strong>ch</strong>en Spitzengastronomie selten gewordenist. In der aktuellen Ausgabe <strong>des</strong> Gault/Millau(Deuts<strong>ch</strong>land) wurde Manfred Friedel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erwehmütigen Abs<strong>ch</strong>iedsgeste e<strong>in</strong> zweites Mal zum«Oberkellner <strong>des</strong> Jahres» gekürt. Do<strong>ch</strong> die Tages<strong>in</strong>d wohl gezählt, da alle<strong>in</strong> der Maître als Aushänges<strong>ch</strong>ilde<strong>in</strong>es Restaurants galt, während derKü<strong>ch</strong>en<strong>ch</strong>ef bei se<strong>in</strong>en Töpfen blieb. In demMasse, wie die Kö<strong>ch</strong>e <strong>in</strong> den vergangenen Jahren<strong>in</strong>s Rampenli<strong>ch</strong>t befördert wurden und si<strong>ch</strong>zu Medienstars entwickelten, blieb der Servicezurück. Während früher imposante Herren ims<strong>ch</strong>warzen Frack mit grosser Geste am Tis<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>Chateaubriand tran<strong>ch</strong>ierten oder e<strong>in</strong>en Karpfenblau filetierten, besteht das Servicepersonal heutevielerorts nur no<strong>ch</strong> aus blassen Tellers<strong>ch</strong>leppern.Die Bran<strong>ch</strong>e hat mit massiven Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>sproblemenzu kämpfen. Selbst im Krisenjahr 2009konnten <strong>in</strong> jedem fünften Gastronomiebetrieb <strong>in</strong>Deuts<strong>ch</strong>land ni<strong>ch</strong>t alle Ausbildungsplätze besetztwerden – das ergab e<strong>in</strong>e Umfrage der Deuts<strong>ch</strong>enIndustrie- und Handelskammer (DIHK).Sogar <strong>in</strong> der Luxus-Hotellerie klagt man, dasskaum no<strong>ch</strong> Bewerbungen für das Restaurantfa<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>g<strong>in</strong>gen. «Für uns Deuts<strong>ch</strong>e ist es doppeltbis dreimal so s<strong>ch</strong>wer, bestens qualifiziertenNa<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>s zu f<strong>in</strong>den, wie für die Kollegen<strong>in</strong> Frankrei<strong>ch</strong>, Spanien oder Italien, weil dort dasgenerelle Interesse und die Leistungsbereits<strong>ch</strong>aftgrösser s<strong>in</strong>d», sagt He<strong>in</strong>er F<strong>in</strong>kbe<strong>in</strong>er, Patron <strong>des</strong>Drei-Sterne-Restaurants S<strong>ch</strong>warzwaldstube und<strong>des</strong> Luxushotels Traube Tonba<strong>ch</strong> <strong>in</strong> Baiersbronn(3 Mi<strong>ch</strong>el<strong>in</strong>-Sterne). E<strong>in</strong>en Job, der e<strong>in</strong>en seltenvor Mitterna<strong>ch</strong>t <strong>in</strong>s Bett kommen lässt undau<strong>ch</strong> am Wo<strong>ch</strong>enende fordert, empf<strong>in</strong>den vieleheute als unattraktiv. Restaurants und Hotels leidenwie kaum e<strong>in</strong>e Bran<strong>ch</strong>e unter der allgeme<strong>in</strong>enVeränderung <strong>des</strong> Arbeitslebens. Konnte <strong>in</strong>der sogenannten guten alten Zeit jeder Arbeitgebere<strong>in</strong>en Mitarbeiter feuern, weil er sofort qualifiziertenErsatz fand, kann heute jeder Kellnerjederzeit kündigen, weil es genügend Angebotefür ihn gibt.«Gastronomen tun si<strong>ch</strong> zunehmend s<strong>ch</strong>wer, qualifiziertejunge Leute zu f<strong>in</strong>den», sagt au<strong>ch</strong> StefanieHeckel, Pressespre<strong>ch</strong>er<strong>in</strong> <strong>des</strong> Deuts<strong>ch</strong>enHotel- und Gaststättenverban<strong>des</strong> (DEHOGA).«Vielen S<strong>ch</strong>ulabgängern fehlen soziale Kompetenz,gewisse Grundfertigkeiten im mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>enMite<strong>in</strong>ander.» E<strong>in</strong> Manko, das au<strong>ch</strong> die dreijährigeAusbildung zum Restaurantfa<strong>ch</strong>mann,wie der Kellner heute <strong>in</strong> Deuts<strong>ch</strong>land offiziell heisst, oft ni<strong>ch</strong>tausbügeln kann. Gäste, die regelmässig auf Sterne-Niveau essengehen, klagen über zunehmende Unerfahrenheit im Service, diedur<strong>ch</strong> auswendig gelernte Floskeln wettgema<strong>ch</strong>t werden soll. Sätzewie «Wüns<strong>ch</strong>en die Herrs<strong>ch</strong>aften no<strong>ch</strong> etwas Brot?» oder «Dürfenwir no<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>e Flas<strong>ch</strong>e Ihres Weisswe<strong>in</strong>s für Sie e<strong>in</strong>kühlen?» wirkenaufgesetzt und gestelzt, wenn sie ni<strong>ch</strong>t von Herzen kommen.Oft fehlt es an E<strong>in</strong>fühlungsvermögen: Gäste, die mehr als hundertEuro für e<strong>in</strong> Menü bezahlen, s<strong>ch</strong>ätzen es wenig, wenn sie mitten<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em konzentrierten Gesprä<strong>ch</strong> mit den Worten «Darf i<strong>ch</strong> Ihnenunseren Brotkorb (gern au<strong>ch</strong> ‹Salzauswahl› oder ‹Olivenöl-Palette›)präsentieren?» unterbro<strong>ch</strong>en werden. Oder wenn sie, bei vollemMund und offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>em Genuss am Essen, ständig angespro<strong>ch</strong>enwerden, ob «alles zu Ihrer Zufriedenheit» sei?MIT e<strong>in</strong>em Lä<strong>ch</strong>eln, e<strong>in</strong> PAArfreundLI<strong>ch</strong>en Worten lässt si<strong>ch</strong>fast jeder Gast geWInnen.Oft resultiert diese Frage ni<strong>ch</strong>t aus freundli<strong>ch</strong>er Anteilnahme, sondernprofessioneller Unsi<strong>ch</strong>erheit <strong>des</strong> Service. Denn ni<strong>ch</strong>t nur dieKü<strong>ch</strong>e, die er repräsentiert, au<strong>ch</strong> die Gäste haben si<strong>ch</strong> geändert.Sie s<strong>in</strong>d aufgeklärt, weit gereist, haben mehr Fragen als früher. Siesu<strong>ch</strong>en e<strong>in</strong>en kompetenten Gesprä<strong>ch</strong>spartner, der ihnen zum Beispielunbekannte Produkte und Zubereitungsarten verständli<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>en kann. Was ist e<strong>in</strong> Skrei (e<strong>in</strong>e Kabeljauart), wie s<strong>ch</strong>meckte<strong>in</strong>e Yuzu-Zitrone, und was genau bedeutet «sous vide» gegart (imVakuum bei Niedrigtemperatur)? Do<strong>ch</strong> die zunehmende Speisekartenlyrikder Kö<strong>ch</strong>e wird allzu oft im Service ni<strong>ch</strong>t aufgefangen:«Moment, da muss i<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>fragen.»Au<strong>ch</strong> als Psy<strong>ch</strong>ologe wäre der Kellner gefragt. Will e<strong>in</strong> Paar <strong>in</strong>Ruhe essen oder ist es, im Gegenteil, froh über jede Ablenkung undunterhält si<strong>ch</strong> nur zu gerne mit dem Sommelier über se<strong>in</strong>e neuestenEntdeckungen im Rhône-Tal? E<strong>in</strong> Profi mit Fe<strong>in</strong>gefühl spürt,wann Dezenz und wann Präsenz am Tis<strong>ch</strong> gefragt ist. «Na<strong>ch</strong> fünfM<strong>in</strong>uten kann i<strong>ch</strong> zu 95 Prozent abs<strong>ch</strong>ätzen, wie e<strong>in</strong> Gast tickt»,sagt Manfred Friedel.In e<strong>in</strong>er Umfrage, die das Forsa-Institut 2009 dur<strong>ch</strong>führte, wurdenGäste na<strong>ch</strong> ihren Ansprü<strong>ch</strong>en an den Service befragt. Für 91 Prozentrangierte dabei Freundli<strong>ch</strong>keit an oberster Stelle, no<strong>ch</strong> vor Kriterienwie Aufmerksamkeit, fa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Kompetenz oder S<strong>ch</strong>nelligkeit.Die Frage, ob ihre Serviceansprü<strong>ch</strong>e beim letzten Restaurantbesu<strong>ch</strong>erfüllt wurden, bejahten allerd<strong>in</strong>gs nur 58 Prozent. Dabeiwäre es so e<strong>in</strong>fa<strong>ch</strong>: Mit e<strong>in</strong>em Lä<strong>ch</strong>eln, e<strong>in</strong> paar freundli<strong>ch</strong>en Wortenlässt si<strong>ch</strong> fast jeder Gast gew<strong>in</strong>nen. «S<strong>ch</strong>wierige Gäste gibt esfür mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t», sagt Manfred Friedel. «Da ist man zu 90 Prozentselbst s<strong>ch</strong>uld.»Ganz glei<strong>ch</strong>, ob e<strong>in</strong> Gast Veganer ist oder das kreativ ausgetüftelteMenü <strong>des</strong> Kü<strong>ch</strong>en<strong>ch</strong>efs zurückweist, um e<strong>in</strong> Steak und e<strong>in</strong>eFlas<strong>ch</strong>e Sassicaia zu ordern – Maître Friedel weiss jeden zu nehmen.S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> su<strong>ch</strong>t e<strong>in</strong> Gast im Spitzenrestaurant ni<strong>ch</strong>t nur denkul<strong>in</strong>aris<strong>ch</strong>en Genuss. Er mö<strong>ch</strong>te für zwei, drei Stunden alle Sorgenvergessen, alle Ents<strong>ch</strong>eidungen abgenommen bekommen unde<strong>in</strong>en perfekten Abend verbr<strong>in</strong>gen. Dies zu ermögli<strong>ch</strong>en, dar<strong>in</strong> siehtManfred Friedel «den s<strong>ch</strong>önsten Beruf überhaupt». Das grössteKompliment für ihn war, als e<strong>in</strong> Gast ihm sagte: «Herr Friedel, unsgenügt es au<strong>ch</strong>, wenn Sie an e<strong>in</strong>em Abend nur e<strong>in</strong> paar Mal dur<strong>ch</strong>den Raum gehen. Hauptsa<strong>ch</strong>e, wir wissen, Sie s<strong>in</strong>d da.» HQuellen-H<strong>in</strong>weis:Der hier publizierte Text stammt aus der Süddeuts<strong>ch</strong>en Zeitung.Verfasst hat ihn die Autor<strong>in</strong> Patricia Boehm.09I<strong>2010</strong>95

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