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GrundR AG 12. Januar 2007Henning <strong>Tappe</strong> S. 2schon betroffen ist und bewirkt auch weiterhin („noch“) eine Beeinträchtigung<strong>de</strong>s A. Mithin ist A auch gegenwärtig durch § 14Abs. 4 LSchlG betroffen.Problematisch erscheint, ob A auch unmittelbar betroffen ist. An<strong>de</strong>r Unmittelbarkeit fehlt es, wenn das angegriffene Gesetz nocheines Umsetzungs- o<strong>de</strong>r Vollzugsaktes bedarf. In diesen Fällen istes <strong>de</strong>m Beschwer<strong>de</strong>führer grundsätzlich zumutbar, <strong>de</strong>n Vollzugsaktabzuwarten und gegen diesen (nicht gegen das Gesetz als solches)vor <strong>de</strong>n einfachen Gerichten (nicht vor <strong>de</strong>m BVerfG) vorzugehen.Ein Verstoß gegen das La<strong>de</strong>nschließungsgebot aus §§ 4, 14 LSchlGist in<strong>de</strong>s bußgeldbewehrt. Als weiterer Vollzugsakt käme also einBußgeldbescheid in Betracht. Wenn aber ein Verstoß gegen dieangegriffene Norm zu einer Sanktion <strong>de</strong>s Straf- o<strong>de</strong>r Ordnungswidrigkeitenrechtsführt, so ist <strong>de</strong>m Beschwer<strong>de</strong>führer ein Abwarten<strong>de</strong>r Strafe nicht zuzumuten („Strafmakel“). A ist somit bereitsdurch das Gesetz selbst unmittelbar betroffen.Die Unmittelbarkeit bei <strong>de</strong>rVerfassungsbeschwer<strong>de</strong> gegenein Gesetz ist ein „Klassiker“.Normalerweise ist <strong>de</strong>rUmsetzungsakt abzuwarten,es sei <strong>de</strong>nn die Norm führt zueiner „Bestrafung“.V. Rechtswegerschöpfung/SubsidiaritätA müsste vor Erhebung <strong>de</strong>r Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> grundsätzlichgem. § 90 Abs. 2 BVerfGG i.V.m. Art. 94 Abs. 2 S. 2 GG <strong>de</strong>nRechtsweg ausgeschöpft haben. Dies gilt nach § 90 Abs. 2BVerfGG aber nur soweit ein Rechtsweg zulässig ist. Gegen(förmliche) Gesetze gibt es aber keinen Rechtsweg, so dass § 90Abs. 2 BVerfGG <strong>de</strong>r Zulässigkeit <strong>de</strong>r VB nicht entgegensteht.VI. Form und FristEs ist davon auszugehen, dass A die Formvorschriften eingehalten,insbeson<strong>de</strong>re die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> schriftlich (§ 23BVerfGG) und mit einer ordnungsgemäßen Begründung (§ 92BVerfGG) eingelegt hat.Zweifelhaft erscheint jedoch, ob A die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong>fristgerecht erhoben hat. Grundsätzlich ist die VB innerhalb einesMonats zu erheben und zu begrün<strong>de</strong>n, § 93 Abs. 1 BVerfGG.Richtet sich die VB jedoch gegen ein Gesetz, so beträgt die Fristgem. § 93 Abs. 3 BVerfGG ein Jahr nach Inkrafttreten <strong>de</strong>s Gesetzes.Unabhängig davon, ob man vorliegend auf <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>s Gesetzesim Jahr 1956 o<strong>de</strong>r auf die letzte Än<strong>de</strong>rung aus <strong>de</strong>m Jahre1996 abstellt, ist die am 20.12.2005 erhobene Verfassungsbeschwer<strong>de</strong>nicht innerhalb <strong>de</strong>r Jahresfrist erhoben und damit verfristet.Die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> <strong>de</strong>s A ist damit unzulässig.


GrundR AG 12. Januar 2007Henning <strong>Tappe</strong> S. 3Hilfsgutachten:B. Begrün<strong>de</strong>theitDie Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> <strong>de</strong>s A ist begrün<strong>de</strong>t, wenn A durch dasGesetz in einem seiner Grundrechte o<strong>de</strong>r grundrechtsgleichenRechte verletzt ist. Dies ist <strong>de</strong>r Fall, wenn ein Eingriff in <strong>de</strong>nSchutzbereich eines solchen Rechts vorliegt, <strong>de</strong>r verfassungsrechtlichnicht gerechtfertigt wer<strong>de</strong>n kann. In Betracht kommen hierVerstöße gegen Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 3Abs. 1 GG.(bei Unzulässigkeit)I. Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GGDas Gesetz (§ 14 Abs. 4 LSchlG) könnte gegen die Berufsfreiheit(Art. 12 Abs. 1GG) <strong>de</strong>s A verstoßen.1. SchutzbereichZunächst müsste <strong>de</strong>r Schutzbereich <strong>de</strong>s Art. 12 Abs. 1 GG eröffnetsein. A ist Deutscher und somit vom persönlichen Schutzbereich<strong>de</strong>s Art. 12 Abs. 1 GG erfasst. Daneben müsste es sich bei <strong>de</strong>r Tätigkeit<strong>de</strong>s A um einen Beruf han<strong>de</strong>ln. Beruf ist je<strong>de</strong> auf Dauerangelegte, <strong>de</strong>r Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlagedienen<strong>de</strong> (nicht von vornherein sozialschädliche) Tätigkeit. Diesist bei A als Apotheker <strong>de</strong>r Fall.Das „Apotheker“ ein Berufist, ist relativ ein<strong>de</strong>utig. Dahernur kurz Definition nennen(beim Schutzbereich immer!)und dann abhaken.2. EingriffDas Gesetz müsste zu<strong>de</strong>m in die Berufsfreiheit <strong>de</strong>s A eingreifen.Bei <strong>de</strong>m Verbot <strong>de</strong>s uneingeschränkten Sonntagsverkaufs han<strong>de</strong>ltes sich um einen klassischen Eingriff, wenn die gesetzliche Regelungmit Befehl und Zwang durchsetzbar ist (hier: Bußgeld) sowiefinal und unmittelbar <strong>de</strong>n Beruf (<strong>de</strong>s A) betrifft. § 14 Abs. 4LSchlG wen<strong>de</strong>t sich unmittelbar an Apotheken/r so dass insofernvon einer finalen Regelung (subj. berufsregeln<strong>de</strong> Ten<strong>de</strong>nz) ausgegangenwer<strong>de</strong>n kann. Je<strong>de</strong>nfalls trifft § 14 Abs. 4 LSchlG überwiegend(= nur) Apotheken, so dass zumin<strong>de</strong>st eine objektiv berufsregeln<strong>de</strong>Ten<strong>de</strong>nz und somit ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GGanzunehmen ist.Bei Art. 12 Abs. 1 GGimmer <strong>de</strong>n „beson<strong>de</strong>ren“ Eingriffsbegriffverwen<strong>de</strong>n: „berufsregeln<strong>de</strong>Ten<strong>de</strong>nz“3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung <strong>de</strong>s EingriffsDer Eingriff in die Berufsfreiheit <strong>de</strong>s A könnte aber verfassungsrechtlichgerechtfertigt sein.


GrundR AG 12. Januar 2007Henning <strong>Tappe</strong> S. 4a) GesetzesvorbehaltArt. 12 Abs. 1 S. 2 GG lässt die Regelung <strong>de</strong>r Berufsausübungdurch Gesetz (o<strong>de</strong>r auf Grund eines Gesetzes) zu. Entgegen <strong>de</strong>mWortlaut <strong>de</strong>s Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG („Regelungsvorbehalt“) wirdin Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG auf Grund <strong>de</strong>s einheitlichen Schutzbereichsin Art. 12 Abs. 1 GG ein einfacher Gesetzesvorbehalt(„Eingriffsvorbehalt“) gesehen. Ein Eingriff in die Berufsfreiheitkann damit durch Gesetz gerechtfertigt wer<strong>de</strong>n, das LSchlG ist einsolches (Parlaments-)Gesetz, von <strong>de</strong>ssen formeller Verfassungsmäßigkeitausgegangen wer<strong>de</strong>n kann.Bei Art. 12 Abs. 1 GGwür<strong>de</strong> ich das Problem Regelungs-/ Eingriffsvorbehaltimmer kurz ansprechen abernicht weiter problematisieren.b) Schranken-SchrankenDas Gesetz müsste zu<strong>de</strong>m materiell verfassungsmäßig sein. DasZitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG ist im Rahmen <strong>de</strong>sArt. 12 Abs. 1 GG nicht anwendbar, auch ist <strong>de</strong>r Wesensgehalt <strong>de</strong>rBerufsfreiheit nicht angetastet, Art. 19 Abs. 2 GG. In Betrachtkommt somit nur ein Verstoß gegen <strong>de</strong>n Grundsatz <strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeit.Ein Gesetz ist nur dann verhältnismäßig, wenn eseinen legitimen Zweck verfolgt und zur Verfolgung dieses Zwecksgeeignet, erfor<strong>de</strong>rlich und angemessen ist.aa) Legitimer Zweck§§ 4, 14 Abs. 4 LSchlG müssten einen legitimen Zweck verfolgen.Der Zweck dieser Vorschriften ist im Wege <strong>de</strong>r Auslegung zu ermitteln.Ziel <strong>de</strong>s Sonntagsöffnungsverbotes insgesamt ist <strong>de</strong>rSchutz <strong>de</strong>r Arbeitnehmer sowie <strong>de</strong>r Schutz <strong>de</strong>r Sonntagsruhe. DieSon<strong>de</strong>rbehandlung <strong>de</strong>r Apotheker verfolgt <strong>de</strong>n Zweck, <strong>de</strong>n Apothekernin gewissem Umfang Freizeit zu garantieren. Hierbei han<strong>de</strong>ltes sich grundsätzlich um legitime Ziele. Im Rahmen <strong>de</strong>s Art.12 Abs. 1 GG, <strong>de</strong>ssen Gewährleistung auf Grund <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>renBe<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s „Berufs“ für das wirtschaftliche und soziale Lebeneinen hohen Stellenwert hat, ist jedoch nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung<strong>de</strong>s BVerfG zusätzlich die sog. 3-Stufen-Theorie zu beachten, dieje nach Intensität <strong>de</strong>s Eingriffs beson<strong>de</strong>re Anfor<strong>de</strong>rungen an <strong>de</strong>nverfolgten Zweck stellt. Während es bei Eingriffen auf <strong>de</strong>r 1. Stufe(Berufsausübungsregeln) genügt, dass das Gesetz vernünftigenZwecken <strong>de</strong>s Gemeinwohls dient, muss für subjektive Berufswahlregelungen(2. Stufe) <strong>de</strong>r Schutz eines beson<strong>de</strong>rs wichtigen Gemeinschaftsgutesbeabsichtigt sein. Bei Eingriffen auf <strong>de</strong>r 3. Stufe(objektive Berufswahlregelung) ist sogar die Abwehr nachweisbarero<strong>de</strong>r höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragendwichtiges Gemeinschaftsgut als Zweck erfor<strong>de</strong>rlich. Währen<strong>de</strong>s bei <strong>de</strong>n Berufsausübungsregeln um die Art und WeiseHier wäre auch die formelleVerfassungsmäßigkeit zu prüfen,wenn diese – wie hier –aber nicht problematisch ist,lässt sie sich m.E. auch imRahmen <strong>de</strong>s Gesetzesvorbehaltskurz abhan<strong>de</strong>ln. (Eigentlichnicht korrekt, aber in <strong>de</strong>rFormulierung weniger aufwändig)– Zitiergebot immer nurkurz ansprechen (Es sei <strong>de</strong>nn,<strong>de</strong>r Sachverhalt gibt einenein<strong>de</strong>utigen Hinweis).Eine Schwierigkeit <strong>de</strong>s Fallswar es hier, einen vernünftigenZweck auszumachen, da <strong>de</strong>rSachverhalt insoweit keineVorgaben macht. Bei <strong>de</strong>mErarbeiten <strong>de</strong>s Zwecks ist –wie auch bei <strong>de</strong>m Erfin<strong>de</strong>nmil<strong>de</strong>rer Mittel – immer einwenig Kreativität gefor<strong>de</strong>rt.Hier ist <strong>de</strong>r dogmatisch richtigePlatz um (erstmalig) die 3-Stufen-Theorie anzusprechen.Die 3-Stufen-Theorie aberbitte immer nur soweit ausbreiten,wie sie für die Falllösunggebraucht wird. Hier z.B. istdie Differenzierung zwischensubjektiver und objektiverBerufswahlregelung nicht nötig,da eine Berufsausübungsregelungvorliegt.


GrundR AG 12. Januar 2007Henning <strong>Tappe</strong> S. 5geht, wie <strong>de</strong>r Beruf ausgeübt wird, geht es in <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren bei<strong>de</strong>nFällen um <strong>de</strong>n Zugang zum Beruf. Ob es sich im konkreten Fallum eine Berufsausübungs- o<strong>de</strong>r eine Berufswahlregelung han<strong>de</strong>lt,entschei<strong>de</strong>t sich nach <strong>de</strong>m sog. „Berufsbild“. Dieses ist hier <strong>de</strong>r„Apotheker“ nicht <strong>de</strong>r „Sonntagsapotheker“, so dass das Verbot,am Sonntag zu öffnen lediglich eine Ausübungsregelung, einenEingriff auf <strong>de</strong>r ersten Stufe darstellt. Bei <strong>de</strong>m Schutz <strong>de</strong>r Freizeit<strong>de</strong>s Apothekers und seiner Arbeitnehmer sowie <strong>de</strong>r Sonntagsruhehan<strong>de</strong>lt es sich um „vernünftige Zwecke <strong>de</strong>s Gemeinwohls“, sodass ein legitimer Zweck vorliegt.bb) Geeignetheit§§ 4, 14 Abs. 4 LSchlG müssten auch zu diesem Zweck geeignetsein. Dies ist <strong>de</strong>r Fall, wenn die genannten Normen <strong>de</strong>n Schutz<strong>de</strong>r Arbeitnehmer und die Sonntagsruhe zumin<strong>de</strong>st för<strong>de</strong>rn. Dabeiist zu berücksichtigen, dass <strong>de</strong>m Gesetzgeber insoweit eine Einschätzungsprärogativezugebilligt wird. Es ist somit davon auszugehen,dass die §§ 4, 14 Abs. 4 LSchlG nicht gänzlich ungeeignetsind, die genannten Ziele zu för<strong>de</strong>rn, insbeson<strong>de</strong>re die Verteilung<strong>de</strong>r Arbeitszeiten günstig beeinflussen kann.Bei <strong>de</strong>r Eignung ist immer dieEinschätzungsprärogative <strong>de</strong>sGesetzgebers zu beachten(Gewaltenteilung).cc) Erfor<strong>de</strong>rlichkeitDie §§ 4, 14 Abs. 4 LSchlG müssten auch erfor<strong>de</strong>rlich sein. Erfor<strong>de</strong>rlichist ein Mittel dann, wenn es das mil<strong>de</strong>ste unter mehrerengleich wirksamen Mitteln ist. Auch <strong>de</strong>r Maßstab <strong>de</strong>r Erfor<strong>de</strong>rlichkeitist abhängig davon, in welcher Stufe <strong>de</strong>r Eingriff in die Berufsfreiheitzu verorten ist. Wie oben gezeigt han<strong>de</strong>lt es sich vorliegendum einen Eingriff in die Berufsausübung <strong>de</strong>s A. Dies istdie „erste Stufe“, so dass ein Eingriff auf einer „niedrigeren Stufe“nicht mehr <strong>de</strong>nkbar ist.Bei Art. 12 Abs. 1 GGimmer an die „mil<strong>de</strong>re Stufe“<strong>de</strong>nken. An<strong>de</strong>re mil<strong>de</strong>re Mitteldie geeignet sind die Arbeitnehmerund die Sonntagsruhezu schützen sind hier nurschwer zu erfin<strong>de</strong>n.


GrundR AG 12. Januar 2007Henning <strong>Tappe</strong> S. 6dd) AngemessenheitFraglich erscheint jedoch, ob die §§ 4, 14 Abs. 4 LSchlG auch angemessen,also verhältnismäßig im engeren Sinne sind. Der Zweck<strong>de</strong>r §§ 4, 14 Abs. 4 LSchlG müsste in Bezug auf die Beschränkung<strong>de</strong>r Berufsfreiheit in einem angemessenen Verhältnis stehen.Der Maßstab für die Angemessenheit richtet sich nach <strong>de</strong>r Schwere<strong>de</strong>s Eingriffs, <strong>de</strong>r sich wie<strong>de</strong>rum durch die Drei-Stufen-Theoriebestimmt. Es ist hier <strong>de</strong>r Maßstab für die erste Stufe heranzuziehen,danach sind Beschränkungen <strong>de</strong>r Berufsausübungsfreiheit mitArt. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn sie (vernünftigen Zwecken<strong>de</strong>s Gemeinwohls dienen und) <strong>de</strong>n Berufstätigen nicht ü-bermäßig o<strong>de</strong>r unzumutbar treffen. Zweifelhaft erscheint hier, dassdas Verbot so ausgestaltet ist, dass <strong>de</strong>m Apotheker die freie Entschließung,ob er an einem verkaufsoffenen Sonntag teilnehmenwill o<strong>de</strong>r nicht, untersagt wird, wohingegen die Abwägung, ob<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Öffnung <strong>de</strong>r Verkaufsstelle verbun<strong>de</strong>ne personelle undfinanzielle Aufwand in angemessenem Verhältnis zu <strong>de</strong>m erwartetenNutzen steht, je<strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Einzelhändler überlassen bleibt.Auch <strong>de</strong>r Einzelhan<strong>de</strong>l ist aber an Arbeitszeitvorschriften und tariflicheRegelungen gebun<strong>de</strong>n. Beson<strong>de</strong>re Erschwernisse bei <strong>de</strong>rKontrolle o<strong>de</strong>r eine gesteigerte Unzuverlässigkeit <strong>de</strong>s Apothekersim Hinblick auf die Einhaltung tariflicher Regelungen o<strong>de</strong>r Arbeitszeitvorschriftensind aber nicht ersichtlich. Grund für die angegriffeneRegelung ist letztlich nur die schonen<strong>de</strong>re Verteilung<strong>de</strong>r Arbeitszeit für <strong>de</strong>n Apotheker und seine pharmazeutischenAngestellten, die schon durch die ständige Dienstbereitschaft mehrals sonstige im Verkauf tätige Personen in Anspruch genommenwer<strong>de</strong>n. Dem stehen gewichtige Interessen <strong>de</strong>s Apothekers, imWettbewerb mit an<strong>de</strong>ren Verkaufsstellen seine Kun<strong>de</strong>norientierungherauszustellen, gegenüber. Es sind somit keine Gemeinwohlbelangeersichtlich, die von solcher Be<strong>de</strong>utung wären, dass<strong>de</strong>r Gesetzgeber es nicht <strong>de</strong>r Entschließung <strong>de</strong>s einzelnen Apothekersüberlassen könnte, ob dieser an einem verkaufsoffenen Sonntagteilnimmt. Die Berufsgruppe <strong>de</strong>r Apotheker ist es gewöhnt, imInteresse <strong>de</strong>r Arzneimittelversorgung <strong>de</strong>r Bevölkerung vorausschauendzu planen und das Personal zielgerichtet einzusetzen.Vom Apotheker kann <strong>de</strong>shalb in beson<strong>de</strong>rem Maße erwartet wer<strong>de</strong>n,dass er auch die Entscheidung für o<strong>de</strong>r gegen die Teilnahmeam verkaufsoffenen Sonntag eigenverantwortlich und mit <strong>de</strong>r gebotenenRücksichtnahme auf das pharmazeutische Personal zutreffen vermag.§ 14 Abs. 4 LSchlG ist damit nicht angemessen und somit mitArt. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar.


GrundR AG 12. Januar 2007Henning <strong>Tappe</strong> S. 7II. Eigentumsfreiheit, Art. 14 Abs. 1 GG§§ 4, 14 Abs. 4 LSchlG verstoßen zu<strong>de</strong>m gegen Art. 14 Abs. 1GG, wenn die Regelung in <strong>de</strong>n Schutzbereich <strong>de</strong>s Art. 14 Abs. 1GG eingreift, ohne dass dieser Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigtist.Art. 14 Abs. 1 GG schützt das Eigentum. Eigentum meint je<strong>de</strong>svermögenswerte Recht. Darunter fallen grundsätzlich auch <strong>de</strong>reingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb sowie die Apothekeselbst, <strong>de</strong>ren „Nutzung“ am Sonntag eingeschränkt wird. Bei Gewerbebetriebenschützt Art. 14 aber nicht die allgemeinen Gegebenheitenund Chancen, innerhalb <strong>de</strong>rer <strong>de</strong>r Unternehmer seineTätigkeit entfaltet. Art. 14 GG schützt nur <strong>de</strong>n Bestand <strong>de</strong>s Eigentums,nicht aber künftige Verdienstmöglichkeiten und die in <strong>de</strong>rZukunft liegen<strong>de</strong> tatsächliche Absatzmöglichkeit. Sofern es nichtum das „Erworbene“, son<strong>de</strong>rn um <strong>de</strong>n „Erwerb“, nicht um <strong>de</strong>n„Bestand“, son<strong>de</strong>rn um die unternehmerische Betätigung geht, ist<strong>de</strong>r Schutzbereich <strong>de</strong>s Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG nicht betroffen.Die Prüfung <strong>de</strong>s Art. 14Abs. 1 GG kann hier kurzausfallen. Wür<strong>de</strong> man (beiZeitnot) nur stichpunktartigformulieren: „Art. 14 Abs. 1schützt das Erworbene, nicht<strong>de</strong>n Erwerb, <strong>de</strong>r Schutzbereichist somit nicht betroffen.“,wür<strong>de</strong> das die Arbeit wohl nurgeringfügig schlechter ausfallenlassen.III. Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GGArt. 2 Abs. 1 GG tritt als „Auffanggrundrecht“ hinter die speziellen(Freiheits-)Grundrechte zurück und gewinnt nur Be<strong>de</strong>utung,wenn kein Schutzbereich eines speziellen Grundrechts einschlägigist. Gegenüber <strong>de</strong>r Berufsfreiheit <strong>de</strong>s Art. 12 Abs. 1 GG ist Art. 2Abs. 1 GG somit subsidiär.IV. Allgemeiner Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GGDie §§ 4, 14 Abs. 4 LSchlG könnten zu<strong>de</strong>m gegen <strong>de</strong>n allgemeinenGleichheitssatz <strong>de</strong>s Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, wenn sieGleiches ungleich o<strong>de</strong>r Ungleiches gleich behan<strong>de</strong>ln, ohne dassdiese (Un-)gleichbehandlung verfassungsrechtlich gerechtfertigtwer<strong>de</strong>n kann. Art 3 Abs. 1 GG gilt dabei – trotz <strong>de</strong>s missverständlichenWortlauts („vor <strong>de</strong>m Gesetz“) auch für <strong>de</strong>n Gesetzgeber,Art. 1 Abs. 3 GG.1. Ungleichbehandlung von Wesentlich GleichemDurch die Ausnahmeregelung in § 14 Abs. 4 LSchlG könnte eineUngleichbehandlung von wesentlich Gleichem bewirkt wer<strong>de</strong>n.Wesentliches Gleiches liegt vor, wenn zwischen zwei Gruppenbzw. Sachverhalten die Bildung eines gemeinsamen Oberbegriffesmöglich ist und dieser Eigenschaften hat, die wesentlich übereinstimmen(tertium comparationis). Es kommt eine Ungleichbehandlungvon Apotheken und <strong>de</strong>m übrigen Einzelhan<strong>de</strong>l in Betracht.Bei<strong>de</strong> Unternehmen verkaufen Waren, so dass gemeinsamer O-berbegriff „Han<strong>de</strong>l“ ist. In bei<strong>de</strong>n Fällen wer<strong>de</strong>n Arbeitnehmer im„Verkauf“ beschäftigt und es wer<strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n bedient. Die Aus-Auf die Subsidiarität <strong>de</strong>s Art.2 Abs. 1 GG kann man hierkurz hinweisen, damit mannicht in <strong>de</strong>n Verdacht gerät,etwas „vergessen“ zu haben.Die Prüfung <strong>de</strong>s allgemeinenGleichheitssatzes ist prinzipiellschwierig. In <strong>de</strong>n Fällen jedoch,in <strong>de</strong>nen – wie häufig in<strong>de</strong>r Klausur – bereits <strong>de</strong>r Verstoßgegen ein beson<strong>de</strong>res Freiheitsrechtbejaht wur<strong>de</strong>, kannman sich hier kürzer fassen:1. fehlt am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Klausurmeistens die Zeit,2. ergibt sich bei Anwendung<strong>de</strong>r „neuen Formel“ kaumeine Abweichung zu <strong>de</strong>r Prü-


GrundR AG 12. Januar 2007Henning <strong>Tappe</strong> S. 8nahme <strong>de</strong>s § 14 Abs. 4 bewirkt <strong>de</strong>mnach eine Ungleichbehandlungvon wesentlich Gleichem.2. Rechtfertigung <strong>de</strong>r Ungleichbehandlung?Die Ungleichbehandlung könnte jedoch gerechtfertigt sein. DasBVerfG überprüft Gleichheitsverstöße in<strong>de</strong>s mit zweierlei MaßGrundsätzlich lässt es bei sach- und verhaltensbezogenen Differenzierungsmerkmalenje<strong>de</strong>n sachlichen Grund genügen (Einschätzungsprärogative<strong>de</strong>s Gesetzgebers / Willkürverbot).Bei personenbezogenen Merkmalen prüft das BVerfG dagegennach <strong>de</strong>r sog. neuen Formel und macht eine strengere Verhältnismäßigkeitsprüfung.Zu<strong>de</strong>m weist das BVerfG darauf hin, dass <strong>de</strong>rstrengere Maßstab auf je<strong>de</strong>m Fall dann anzuwen<strong>de</strong>n sei, wenn inein spezielles Freiheitsrecht eingegriffen wur<strong>de</strong>. Wie oben gezeigtliegt ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG vor. Dieser Eingriff liegt –wie dargelegt – ganz maßgeblich in <strong>de</strong>r Differenzierung zwischenApothekern und <strong>de</strong>n übrigen Einzelhändlern (s.o. unter „Angemessenheit“)so dass auf Grund <strong>de</strong>s gleichen Maßstabs (Verhältnismäßigkeitsprüfung)auch im Rahmen <strong>de</strong>s Art. 3 Abs. 1 GG eineRechtfertigung ausschei<strong>de</strong>t.§§ 4, 14 Abs. 4 LSchlG verstoßen somit auch gegen Art. 3 Abs. 1GGAufgrund <strong>de</strong>r Verstöße gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1wäre die (unzulässige) Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> daher begrün<strong>de</strong>t.Aufgrund ihrer Unzulässigkeit bleibt die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong>insgesamt jedoch ohne Erfolg.fung <strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeitim Rahmen <strong>de</strong>r Rechtfertigungeines Eingriffs in <strong>de</strong>n Schutzbereich<strong>de</strong>s Freiheitsrechts.Es wird in <strong>de</strong>r Regel günstigsein, (zumin<strong>de</strong>st teilweise)nach oben zu verweisen.Wichtig ist die korrekte Bildung<strong>de</strong>r Vergleichsgruppen.Das „tertium comparationis“ist immer im Hinblick auf <strong>de</strong>nkonkreten Fall zu wählen.ZwischenergebnisWichtig: Noch ein En<strong>de</strong>rgebnisformulieren, das <strong>de</strong>m ursprünglichenObersatz bzw.<strong>de</strong>r Fallfrage entspricht.

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